Klirrendes Eis, brennende Küsse

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"Wir sind verheiratet?" Shana kann sich an alles erinnern, nur nicht an ihre Ehe mit dem sexy Mann, der im Krankenhaus vor ihr steht. Allein das Begehren, das sie in seiner Nähe spürt, kommt ihr vertraut vor. Kein Wunder, dass ihr Verlangen sie überwältigt, denn während draußen klirrende Kälte herrscht, verwöhnt Chuck Mikkelson sie in ihrer traumhaften Villa mit brennenden Küssen. Doch je mehr Shana sich in den Milliardär verliebt, desto stärker wachsen ihre Zweifel. Denn sie fühlt: Ihr Mann verbirgt etwas vor ihr …


  • Erscheinungstag 15.10.2019
  • Bandnummer 2102
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725426
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Früher hatte Shana geglaubt, Chuck sei ihre große Liebe.

Sie hätte gewettet, dass ihre Ehe ewig halten würde.

Aber heute musste Shana Mikkelson sich damit abfinden, dass es zwischen Chuck und ihr aus war.

Jetzt wollte sie einfach nur Frieden. Aber der war nicht in Sicht. Sie warf die Jeans ihres Mannes in den Koffer auf ihrem Ehebett. Aus dem Denimstoff stieg ihr bei jedem Atemzug sein Moschusduft in die Nase wie eine Droge, von der sie nur durch kalten Entzug loskommen würde.

Ihre Trauer war zu tief für Tränen. Ehrlich gesagt hatte sie auch keine mehr übrig, um sie zu vergießen. Wegen dieses Mannes hatte sie schon geweint, bis sie fast dehydriert gewesen war. Sie zog seine Schublade in der Kommode auf, holte einen Armvoll Socken heraus und marschierte wieder zum Bett, um sie in den offenen Koffer fallen zu lassen.

Sie konzentrierte sich auf ihre Aufgabe, nicht auf das Bett, in dem sie so oft miteinander geschlafen hatten – wenn auch in letzter Zeit nicht mehr so häufig. Vor allem hielt sie den Blick von ihrem attraktiven Mann abgewandt, der das markante Kinn vorreckte, während er sein Rasierzeug einpackte. Allzu leicht hätte sie sonst der sinnlichen Verlockung seines Dreitagebarts erliegen können – oder der Versuchung, die Finger durch sein immer etwas zerzaustes blondes Haar gleiten zu lassen. Die widerspenstigen Haarwirbel passten nicht ganz zu seinem ausnehmend guten Aussehen, machten ihn aber irgendwie noch anziehender.

Er wirkte wie sein Heimatstaat Alaska: majestätisch und ungezähmt. Ein Mann, den sie immer nur ansehen wollte, der aber zugleich undurchschaubar war wie ein dichter Bergwald.

Mit großen Schritten kam er auf sie zu. Der Sturm in seinen grünen Augen brachte seinen stummen Protest gegen ihre Entscheidung zum Ausdruck, dass er ausziehen sollte. Er ging nur unter Zwang.

Pech gehabt. Sie hatte ihm eine Chance nach der anderen gegeben. Immer wieder hatte er im Büro einen Gang heruntergeschaltet, nur um sich wenig später doppelt so energisch wieder in die Arbeit zu stürzen. Er hatte kein Interesse an einer grundlegenden Veränderung. Mit der Zeit hatte das ihre Liebe ausgehöhlt, bis nichts mehr übrig gewesen war.

Sogar ihr Paartherapeut hatte resigniert gewirkt, als sie ihn zuletzt gemeinsam aufgesucht hatten.

Jeden wöchentlichen Termin seitdem hatte Chuck abgesagt. Er hatte behauptet, ihm sei bei der Arbeit etwas dazwischengekommen. Das war auch seine Standardausrede, wenn er ein gemeinsames Abendessen verpasste. Sie vertraute ihm schon längst nicht mehr. Vertrauen fiel ihr ohnehin schwer, nachdem ihr Vater sie und ihre Mutter verraten hatte. Sie glaubte nicht, dass sie sich je von der Enthüllung erholen würde, dass ihr Dad heimlich eine zweite Familie hatte.

Chucks ständige Abwesenheit belastete sie. Sehr.

Shana schluckte die Gedanken an die schmerzliche Vergangenheit hinunter und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Die herzzerreißende Gegenwart.

Sie erwarteten endlich ein Baby.

Nach gescheiterten Fruchtbarkeitsbehandlungen und drei Fehlgeburten war sie überraschend schwanger geworden. Sehr überraschend, denn ihr Liebesleben hatte genauso gelitten wie ihre Ehe.

Ihre Kommunikation miteinander war auf einem Tiefpunkt. Sie brauchte die kontrollierte Umgebung der Praxis ihres Paartherapeuten, um ihrem Mann von dem Baby zu erzählen. Aber da Chuck sich dort nicht mehr blicken ließ, wusste er immer noch nichts von ihrem Kind.

Als sie vorhin allein in der Praxis des Therapeuten gesessen hatte, war ihr der Geduldsfaden gerissen. Sie war mit Chuck fertig. Sie würde ihm erst von dem Baby erzählen, wenn ihre Trennung offiziell war. Sie konnte sich keinen emotionalen Zusammenbruch leisten. Der wäre schädlich für die Gesundheit des Babys, und sie war ohnehin schon im Stress.

Shana stürmte in den begehbaren Kleiderschrank und nahm vier seiner Anzüge von der Stange. „Das sollte für die Arbeit reichen, bis du den Rest deiner Sachen abholen kommst.“

Sie knallte das Bündel Designeranzüge in seinen offenen Koffer.

„Shana, es tut mir leid, dass ich den Termin habe ausfallen lassen.“ Er lief barfuß auf und ab. Seine ausgeblichene Jeans betonte seine muskulösen Oberschenkel. Das langärmlige T-Shirt spannte über seinen breiten Schultern. Sein Haar war noch feucht, weil er nach der Arbeit geduscht hatte. „Du musst doch verstehen, dass ich wegen der Fusion Überstunden mache. Ich habe schon so viel delegiert wie möglich.“

Da die Mikkelson-Matriarchin den Steele-Patriarchen geheiratet hatte, fusionierten die beiden bisher konkurrierenden Ölfirmen nun zu Alaska Oil Barons. Die Geschwister auf beiden Seiten der Familie ließen sich von dem langwierigen Prozess zu Machtspielchen hinreißen, obwohl sie vor den Anteilseignern gerade jetzt Einigkeit demonstrieren mussten.

„Und du verkriechst dich immer noch jeden Abend im Arbeitszimmer.“

Sie taten nichts zusammen, außer zu schlafen und zu essen. Keine Ausritte, Snowmobilfahrten oder Reisen mehr. Und so gern sie Chuck glauben wollte, dass alles anders werden würde, sie konnte den Kopf nicht ewig in den Sand stecken, wenn sie nicht ersticken wollte.

„Ich tue mein Bestes, Shana. Nach der Fusion wird alles anders.“

„Das sagst du ständig.“ Sie warf eine Handvoll Seidenkrawatten in den Koffer. „Aber der Termin, den du für diesen magischen Wandel zum Besseren nennst, verschiebt sich immer wieder nach hinten. Ich komme mir so dumm vor, weil ich dir geglaubt habe.“

„Verdammt, Shana, du musst doch sehen, dass ich mich bemühe.“ Er fuhr sich durchs Haar. „Ich habe sogar meinen Bruder bei der Benefizgala für die Umweltorganisation für mich einspringen lassen. Es gibt nicht so viele Mikkelsons wie Steeles. Und da Mom und Glenna jetzt beide mit Steeles verheiratet sind, ist ihre Loyalität geteilt. Meine nicht. Ich bin ein Mikkelson. Punkt.“

Wie auch das Baby, von dem er nichts wusste.

Die Vorstellung, das Kind allein großzuziehen, tat ihr in der Seele weh. Chuck würde zum Leben dieses Kindes dazugehören wollen. Das bezweifelte sie nicht. Sie war sich nur nicht sicher, wie viel Zeit er für das Baby freischaufeln würde.

Sie konnte ihm nicht mehr vertrauen.

Wild entschlossen sah sie ihn an. „Es ist ganz klar, woran dein Herz hängt.“

„Das ist nicht fair, Shana. Die Zeiten sind hart. Wenn ich kürzertrete, verdrängen die Steeles uns.“ Er setzte sich auf die Bettkante.

Ihr Bett. Vor fast vier Jahren hatten sie geheiratet und ihr Traumhaus in Anchorage gebaut. Voller romantischer Hoffnungen hatte Shana ihr Schlafzimmer detailverliebt im modernen französischen Landhausstil eingerichtet.

Sie hatten viele Stunden in diesem Raum verbracht, miteinander geschlafen, Träume ausgetauscht. Bis die dritte Fehlgeburt ihnen beiden zu viel abverlangt hatte.

„Dann lass dich von mir nicht zurückhalten. Krempel die Ärmel hoch!“ Sie schloss seinen Koffer. Das Klicken klang sehr endgültig. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um.

Zu schnell. Das Zimmer wirbelte um sie herum, und sie hielt sich am Fußende des Betts fest, um nicht zu stolpern.

„Shana?“

Sie blinzelte, um die Punkte zu verscheuchen, die vor ihren Augen tanzten, um die Übelkeit und die einsetzenden Kopfschmerzen zu verscheuchen.

Wenn sie Chuck nur dazu bringen könnte, zu gehen. Dann könnte sie sich hinlegen und durchatmen …

„Bitte. Geh“, stieß sie hervor. Angesichts ihrer heftigen Kopfschmerzen war das eine Mammutaufgabe.

Warum ging er so langsam? Sie sah, dass sich sein Mund bewegte, aber kein Laut war zu hören. Das ergab keinen Sinn. Und dann kippte er.

Nein.

Das ganze Zimmer kippte, weil …

Ihre Hand glitt vom Bett ab, als sie zu Boden sank.

1. KAPITEL

Sechsunddreißig Stunden später

Charles „Chuck“ Mikkelson waren die Ideen ausgegangen, wie er bei seiner Frau eine zweite Chance bekommen sollte. Eine Niederlage einzugestehen war für ihn nie in Betracht gekommen, weder beruflich noch privat.

Aber Amnesie als Grund für einen Neustart mit Shana war selbst für ihn extrem.

Bestimmt hatte er den Neurologen falsch verstanden. Chucks Eingeweide schienen sich zu verknoten. „Meinen Sie, dass Shana verwirrt ist? Nicht genau weiß, welcher Tag heute ist? Vergisst, was sie zum Abendessen hatte?“

Sie hatte schließlich ein Aneurysma, das gerissen war, und war sechsunddreißig Stunden lang bewusstlos gewesen. Es waren die längsten anderthalb Tage seines Lebens gewesen. Aber endlich war sie wach. Am Leben!

Zwei Ärzte waren bei Chuck in dem abgeschirmten Sitzbereich, in den man ihn geführt hatte, nachdem ein Krankenhausmitarbeiter ihn aus der Cafeteria geholt hatte. Er war kurz dort gewesen, um etwas zu essen. Währenddessen war eine privat engagierte Pflegerin bei Shana geblieben. Chuck konnte nicht fassen, dass seine Frau ausgerechnet in dem Moment aufgewacht war, als er nicht bei ihr gewesen war. Der Neurologe Dr. Harris saß neben ihm. Ein zweiter Arzt stand am Fenster. Der Schneefall war so dicht, dass es wirkte, als herrschte auch draußen sterile Krankenhausatmosphäre.

„Shana ist in der Tat verwirrt, aber es geht um mehr“, erklärte Dr. Harris und zog den Stuhl aus Chrom und Leder so herum, dass er Chuck gegenübersaß. „Sie müssen sich damit abfinden, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat.“

Amnesie. „Sie weiß nicht, wer sie ist?“

Dr. Harris legte das Tablet beiseite, auf dem er Chuck vorhin gezeigt hatte, welcher Teil von Shanas Gehirn betroffen war. „Doch. Der Gedächtnisverlust beschränkt sich auf Dinge, die noch nicht lange her sind.“

„Wie lange her?“, fragte Chuck. Ihm lief ein Schauer über den Rücken.

„Sie hat den Monat richtig im Kopf – allerdings vor fünf Jahren.“

Vor fünf Jahren? Aber das heißt … „Sie erinnert sich nicht an mich.“

Schon gar nicht daran, dass sie mit ihm verheiratet war. Einiges von dem, was in letzter Zeit zwischen ihnen passiert war, hätte er selbst gern vergessen. Aber die Erinnerung an die guten Zeiten mit Shana zu verlieren?

Unvorstellbar.

Die beiden Ärzte tauschten einen ernsten Blick. Dann setzte Dr. Gibson sich auf den zweiten Stuhl. Er war noch jung, aber eine Koryphäe in der Fruchtbarkeitsmedizin. Es bedeutete Chuck viel, dass er hier war, um sich über Shanas Zustand zu äußern, obwohl sie im Moment nicht versuchten, ein Baby zu bekommen.

„So leid es mir tut, Chuck: Sie erinnert sich nicht an Sie“, sagte Dr. Gibson in dem tröstenden Tonfall, in dem er auch über die gescheiterte künstliche Befruchtung und die drei Fehlgeburten gesprochen hatte.

Chuck fühlte sich, als hätte er einen Schlag in die Magengrube bekommen.

Es war bittersüß für ihn gewesen, als Dr. Gibson sich vor zwei Monaten um Chucks Stiefschwester gekümmert hatte, nachdem sie Zwillinge im Auto entbunden hatte. So zu tun, als wäre alles in Ordnung, war Chuck schwergefallen, aber Shana hatte keinen Trost gewollt.

„Wir hatten Probleme. Meinen Sie, dass dieser Gedächtnisverlust eher psychische als körperliche Ursachen haben könnte?“

Er gab sich die Schuld daran, dass das Aneurysma gerissen war. Ohne ihren Streit wäre Shanas Blutdruck nicht in die Höhe geschossen, und dann wäre das alles vielleicht nicht passiert.

„Sie hatte ein gerissenes Aneurysma. Und sie hatte viel Glück, es so gut zu überstehen. Aber das heißt nicht, dass keine psychologischen Faktoren mit im Spiel sind. Körper und Geist arbeiten Hand in Hand.“

Chuck starrte das Tablet an und sah dann zum Fenster. „Wie gehen wir jetzt weiter vor? Was sagen wir ihr, und wie lautet die Prognose?“

„Mir ist klar, dass Sie Antworten brauchen, aber für eine langfristige Prognose ist es noch zu früh. Für den Augenblick rät unser Psychotherapeut dazu, Shana die Fragen zu beantworten, die sie stellt, ihr aber nicht unaufgefordert Zusatzinformationen zu geben“, warnte Dr. Harris. „Wir ziehen einen Psychiater hinzu.“

Der Gynäkologe beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf die Knie. „Sehen wir uns das Positive an: Shana ist wach und körperlich in guter Verfassung. Der Herzschlag des Babys ist stark. Darauf sollten wir uns konzentrieren.“

Chuck runzelte die Stirn.

„Was für ein Baby?“, hakte er nach. Shana konnte doch nicht ausgerechnet jetzt schwanger sein. Das wäre eine zu finstere Ironie gewesen.

Dr. Gibson zog die Augenbrauen hoch. „Hat sie Ihnen nicht von der Schwangerschaft erzählt?“

Chuck schüttelte langsam den Kopf.

„Shana erwartet ein Kind“, erklärte der Arzt. „Sie ist im zweiten Monat.“

Chuck ließ sich die Hölle der letzten anderthalb Tage noch einmal durch den Kopf gehen. Als man ihn in der Notaufnahme gefragt hatte, ob Shana schwanger sein könnte, hatte er Nein gesagt.

Jetzt wurde ihm klar, was passiert sein musste. Shana war ohne künstliche Befruchtung schwanger geworden.

Die Realität traf Chuck wie eine Tonne Ziegelsteine. So unwahrscheinlich es war, sie erwarteten ein Kind.

Jetzt.

Er war so verblüfft, dass er nichts fühlte.

Seine Gedanken kehrten zur Taufe der Tochter seiner Schwester Glenna zurück. In der Woche hatte tatsächlich einmal Frieden zwischen Shana und ihm geherrscht. Sie vergötterten ihre Nichte und hatten sogar ebenfalls an eine Adoption gedacht. Glenna liebte Fleur, obwohl die Kleine nicht ihre leibliche Tochter war. Es brauchte also keine biologische Verbindung.

Im Rausch der Gefühle hatten Chuck und Shana die Woche miteinander im Bett verbracht. Wider Erwarten hatte das also Früchte getragen. Nun musste er für Shana und ihr Kind da sein.

Dr. Harris schaltete sein Tablet wieder ein und scrollte durch seine Notizen. „Ich wünschte, wir hätten das früher gewusst, aber keines der Medikamente, das sie bekommen hat, stellt ein Risiko für den Fötus dar. Wir behalten Shana aber zur Überwachung noch eine Nacht hier.“

Dr. Gibson setzte hinzu: „Wir machen auch eine Ultraschalluntersuchung und geben ihr Progesteron, da sie ja schon Fehlgeburten hatte.“

Chuck nickte. Seine Gedanken überschlugen sich. Ein Baby. Sie war im zweiten Monat schwanger. Sie hatte es gewusst und ihm nichts gesagt. Schlimmer noch: Sie hatte ihn hinausgeworfen, ohne ihm zu sagen, dass sie ein Kind von ihm erwartete.

Wahrscheinlich war ihr klar gewesen, dass ihn keine zehn Pferde aus dem Haus gebracht hätten, wenn sie ihm von dem Baby erzählt hätte. Aber den Luxus, wütend zu werden, konnte er sich jetzt nicht leisten.

Dr. Gibson legte ihm die Hand auf die Schulter. „Mir ist klar, dass alles auch für Sie schwer ist. Sie beide warten schon so lange auf dieses Baby, und jetzt sind Umstände eingetreten, die niemand hätte vorhersehen können.“ Er deutete auf die Tür. „Vielleicht ruft es Shanas Erinnerungen wieder wach, wenn sie Sie sieht.“

Und das war sein Problem.

Er wollte gar nicht, dass sie sich erinnerte.

Denn wenn sie es tat?

Dann würde sie ihn verlassen und ihr Baby mitnehmen.

Shana setzte sich im Krankenhausbett auf und vergewisserte sich, dass das Zimmer sich nicht drehte wie beim letzten Mal, als sie es versucht hatte. Die Leute benahmen sich ihr gegenüber seltsam, und sie wollte Antworten. Stattdessen lag sie hier und sah nichts als den dichten Schneefall, der auf die Berge herunterfiel.

Sie war allein, abgesehen von der Krankenschwester, die schon hier war, seit Shana aufgewacht war. Die Schwester war noch nicht einmal während der Arztvisite gegangen. Die Ärzte hatten ihr verdächtig wenig darüber gesagt, warum sie hier war. Ihr Handy war nicht aufzutreiben, und der Fernseher funktionierte nicht. Die Schwester sagte, er würde bald repariert werden.

Shana berührte ihren Kopf und tastete ihren Haaransatz ab. Ein kleiner Verband saß unmittelbar hinter ihrem Ohr. Man hatte ihr versichert, dass ihre langen Haare die rasierte Stelle verdecken würden. Der Arzt hatte nur gesagt, dass sie ein gerissenes Aneurysma gehabt habe, es ihr aber körperlich gut gehe. Ansonsten hatte er sehr ausweichend reagiert.

Shana versuchte, sich zu erinnern, was passiert war, bevor sie ins Krankenhaus gekommen war. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war ein Streit mit ihrer Mutter, weil sie sich geweigert hatte, sich mit ihrem Vater zu versöhnen. Allein der Gedanke an ihren Dad machte die Kopfschmerzen schlimmer.

Sie wusste es, wenn ihr jemand auswich. Ihre Arbeit als Privatdetektivin hatte sie gelehrt, die Anzeichen zu erkennen. Außerdem hatte sie einen sechsten Sinn für solche Dinge und vertraute ihrem Bauchgefühl.

Es war mehr los, als man ihr sagte. Etwas stimmte nicht.

Sie wandte sich an die Krankenschwester, die gerade etwas auf der Tafel in ihrem Zimmer notierte, und fragte: „Entschuldigen Sie bitte, wann kommt der Arzt zurück? Ich habe noch Fragen.“

Die Ungewissheit machte ihr Angst. Ihre Fantasie arbeitete auf Hochtouren.

Als die Krankenschwester gerade den Mund öffnete, um zu antworten, klopfte es an der Tür. Ein Mann kam herein. Nicht der Arzt, der sie untersucht hatte, nachdem sie aufgewacht war. Und obwohl in der letzten halben Stunde Scharen von Pflegern durch ihr Zimmer gekommen waren, hätte sie sich an diesen Mann bestimmt erinnert. Er hatte ein unvergessliches Gesicht, wie ein etwas raubeiniger Filmstar. Sein blondes Haar war gerade lang genug, um eine Frau in Versuchung zu führen, es durchzuwuscheln. Es fühlte sich bestimmt weich an.

Ein Arzt? Er trug keinen weißen Kittel. Ohnehin war er lässiger gekleidet als jeder Arzt, den sie je gesehen hatte. Er trug Jeans und ein langärmliges T-Shirt, das so zerknittert war, als hätte er es schon eine Weile an. Aber seine meergrünen Augen bannten Shanas Aufmerksamkeit. Die Farbe wandelte sich immer wieder mit der eisigen Intensität eines winterlichen Meers.

Was für verrückte Gedanken. Aber das Begehren, das sie empfand, sorgte dafür, dass sie sich an einem völlig unnormalen Tag endlich wieder normal fühlte.

„Ich weiß es zu schätzen, dass Sie alle so gründlich vorgehen, aber ich muss jetzt wirklich meine Mutter kontaktieren. Ich möchte sie anrufen, aber niemand will mir ein Telefon geben.“

Oder einen Fernseher. Oder einen Spiegel. Oder Antworten.

Wirklich seltsam.

Die Krankenschwester verließ das Zimmer. Normalerweise behielten Ärzte die Schwestern während der Visite da. Aber die Tür stand noch offen.

„Deine Mutter ist unterwegs. Sie sollte morgen hier sein.“ Der Mann blieb am Bett stehen und stützte die großen Hände aufs Fußende.

Sie warf einen Blick auf seinen Ringfinger und sah …

… einen Ehering.

Die Enttäuschung kühlte ihr Begehren ab. Da habe ich mir wohl umsonst die Finger nach Mr. Covermodel geleckt, auch wenn er mich gleich duzt! Sie fasste sich an die Stirn. Sie musste sich auf wichtigere Dinge als diese sexy Ablenkung konzentrieren.

„Welcher Arzt sind Sie?“ Sie entschied sich für die vernünftige Frage, obwohl ihr tausend weitere durch den Kopf gingen.

„Du solltest dich ausruhen“, sagte er ausweichend. „Du hast viel durchgemacht. Dein Körper muss sich erholen.“

„Sie sind also kein Arzt?“ Sie massierte sich die Schläfen. „Oder Therapeut? Ich kann mich nicht erinnern. Es waren so viele Leute im Zimmer, als ich aufgewacht bin.“

„Ich bin nicht dein Arzt.“

Ein nervöser Schauer lief ihr über den Rücken, als würde sie eine Bewegung im Nebel sehen, gerade außer Reichweite. „Wer sind Sie doch gleich?“

„Ich heiße Chuck, und ich hole jetzt deinen Arzt.“ Er wich einen Schritt zurück. „Es ist … kompliziert.“

„Hören Sie zu, Chuck. Ständig sehen Leute nach mir und stellen mir Fragen, aber niemand beantwortet meine.“ Panik stieg in ihr auf. „Sagen Sie mir, was vorgeht, oder geben Sie mir ein Telefon, damit ich mit meiner Mutter sprechen kann. Warum halten Sie mich von ihr fern?“

„Deine Mutter fliegt her. Sie kann jetzt noch nicht mit dir sprechen.“ Er hob begütigend die Hand, was alles irgendwie nur noch schlimmer machte.

Ein Abgrund bildete sich tief in ihrem Bauch. Die Wände schienen auf sie einzustürzen.

Nichts war, wie es schien.

Das Krankenhaus fühlte sich allmählich wie ein Gefängnis an, abgesehen davon, dass dieses Privatzimmer voller Hightechgeräte und Blumen viel zu chic für eine Zelle war. Sie musste ihre Mom anrufen und sich bei ihrem Chef nach den Fällen, die sie gerade bearbeitete, erkundigen – und nach dem Gerichtsprozess, in dem sie bald aussagen sollte.

„Dann müssen Sie mir wohl sagen, was los ist, denn hier zu liegen und zu warten, stresst mich.“ Sie schwang die Beine unter der Decke hervor.

Das Zimmer drehte sich.

Chuck stürzte auf sie zu und umfasste ihren Arm. Seine Berührung war tröstlich und verstörend zugleich.

Ihr Blick kehrte zu dem funkelnden Ehering zurück. Ihr wurde fast übel. Ehemänner, die ihre Frauen betrogen, waren die schlimmsten. Die Unaufrichtigkeit ihres Vaters hatte alles zerstört. Der Raum begann sich schon wieder zu drehen, aber anders als von ihrem Schwindelgefühl.

Irgendetwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.

„Ich muss wissen, was los ist, und wenn Sie es mir nicht sagen …“, sie griff nach dem Rufknopf, „… dann suche ich mir jemanden, der es tut.“

Er ließ ihren Arm los. „Na gut, wir reden. Es gibt hier keine Hintergedanken bis auf den, auf deine Gesundheit zu achten. Ich beantworte dir jede Frage ehrlich.“

In ihrem Kopf schrillten Alarmglocken. Wenn Menschen Begriffe wie ehrlich oder wahrheitsgemäß gebrauchten, hieß das normalerweise, dass sie allen Grund hatten, zu lügen. „Ich will wissen, warum alle sich mir gegenüber so seltsam verhalten.“

„Das Aneurysma hat sich auf dein Gedächtnis ausgewirkt“, sagte er langsam und vorsichtig.

Mein Gedächtnis? „In welcher Hinsicht?“

„Du hast die letzten fünf Jahre vergessen.“

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag und verstärkten ihr Schwindelgefühl. „Fünf Jahre? Einfach weg? Und wir kennen uns?“

Noch während ihre Welt ins Wanken geriet, fügte sich alles zu einer logischen Antwort zusammen: der fehlende Arztkittel, seine Vertraulichkeit … und der Ehering.

Ernst legte Chuck ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr in die Augen. „Wir kennen uns nicht einfach nur. Ich bin dein Mann.“

Shanas entsetzte Miene war geradezu beleidigend. Ihr Blick huschte zu seinem Ehering, dann wieder zu seinen Augen.

Ihr ohnehin schon blasses Gesicht verlor jegliche Farbe. Sie sackte im Krankenhausbett zusammen, und ihr honigfarbenes Haar fächerte sich auf dem Kissen auf. Er wollte sie beschützen, ihre Probleme irgendwie lösen. Nicht dass er je viel Glück damit gehabt hätte. Er musste seine eigenen Gefühle beiseitelassen und sich ganz auf Shana konzentrieren. Darauf, sie zu beruhigen – und das Beste aus dieser Zeit zu machen, um den Riss, der zwischen ihnen klaffte, zu kitten.

Shana strich mit dem Daumen über ihren eigenen nackten Ringfinger. „Wir sind verheiratet? Miteinander?“

„Seit fast vier Jahren. Deinen Schmuck hat man dir abgenommen, als du ins Krankenhaus gekommen bist.“ Er berührte ihren Ringfinger sacht. Ihre weiche Haut war so vertraut – und verführerisch. Selbst in der schlimmsten Krise seines Lebens.

Ihre Schönheit und ihr Feuer waren auch in einem Krankenhausnachthemd unübersehbar.

„Du bist mein Mann? Ich … Warum …? Was ist passiert? Das … haut mich jetzt irgendwie um.“

„Mir ist klar, dass alles ein bisschen viel ist.“ Er zog sich einen Stuhl ans Bett, setzte sich und umfasste ihre Hände. „Der Arzt sagt, dass der Gedächtnisverlust vielleicht nur temporär ist.“

„Oder er könnte permanent sein.“ Sie entzog sich ihm nicht, musterte aber ihre Hände verwirrt. „Wie lange kennen wir uns schon?“

Ihre sanften blauen Augen waren auf einmal raubvogelscharf.

Er nickte und räusperte sich. Entschlossen, objektive Fakten abzuliefern. Alles nicht noch schlimmer zu machen.

„Wir haben uns vor knapp fünf Jahren kennengelernt.“ Er beobachtete sie, um ihre Reaktion auszuloten. Er hatte das Gefühl, sie ganz genau und zugleich überhaupt nicht zu kennen.

Wie viel von dem, was Shana ausmachte, war trotz der Amnesie erhalten?

„Also beginnt mein Gedächtnisverlust kurz vor meiner Begegnung mit dir?“, fragte sie langsam. Argwohn stand in ihren Augen.

Sie war zu aufmerksam, ihr Sinn für die Wahrheit wach wie eh und je.

„Anscheinend“, sagte er. Vorsichtig tastete er sich weiter durch das Gespräch. „Ich erwarte nicht, dass du dich allein auf mein Wort verlässt. Sprich mit meiner Familie, rede mit deiner Mutter, ganz gleich, was du brauchst, um überzeugt zu sein.“

„Du hast Verwandte in der Nähe?“

„Ja. Eine große Familie. Meine Mutter und zwei meiner Geschwister wohnen in Anchorage. Nur mein Bruder lebt in der Nähe von Juneau.“ Er musterte sie und wartete auf ein Anzeichen, dass sie sich an etwas erinnerte. Ihre Amnesie konnte jeden Augenblick vorbei sein, und dann würde sie ihn hochkant hinauswerfen. „Meine Mutter hat vor Kurzem wieder geheiratet. Ihr neuer Mann hat eine noch größere Familie, die auch in der Gegend wohnt.“

„Eine große Familie ist ein Segen.“ Den Schmerz, der in ihren blauen Augen aufblitzte, erkannte Chuck wieder.

Als sie als Teenager von der heimlichen zweiten Familie ihres Vaters erfahren hatte, war Shana tief verletzt gewesen. Sie hatte drei Halbgeschwister, die sie nie kennengelernt hatte. Der Betrug ihres Vaters hatte Shana so getroffen, dass sie bis heute Schwierigkeiten hatte, anderen zu vertrauen. Das durfte er nicht vergessen.

Er würde alles tun, um Shana und ihr ungeborenes Baby zu beschützen.

Früher hatten sie mindestens vier Kinder gewollt. Das Leben hatte andere Pläne mit ihnen gehabt.

„Da meine Familie und die von Moms neuem Mann seit Jahren geschäftliche Konkurrenten sind, waren wir uns zuerst nicht sicher, ob es ein Segen ist. Familientreffen sind immer heikel, aber so langsam entwickelt sich alles.“

„Also sind du und ich glücklich verheiratet?“

Schwierige Frage. „Wir hatten unsere Probleme, wie jedes andere Paar“, wich er aus.

Autor

Catherine Mann
Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss.
In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston und...
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