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Als der Rancher Chad Warren in seinem Hotelzimmer in Las Vegas aufwacht, liegt neben ihm eine traumhaft schöne Frau. Er erkennt sie sofort: Es ist Kristen Lassiter, Tochter eines der reichsten Männer von Texas. Vage erinnert er sich daran, sie geliebt zu haben. Doch was ansonsten in dieser Nacht geschah, weiß er nicht. Auch Kristen, die ihn entsetzt mustert, als sie erwacht, scheint keinen blassen Schimmer zu haben, wie sie in sein Bett kam. Hektisch zieht sie sich an, um schnellstens davonzustürmen. Erst dann beginnt Chad seine verstreut liegenden Sachen einzusammeln und erstarrt zu Eis: Eine Heiratsurkunde fällt aus seiner Jacke. Sein panischer Anruf bei der Trauungskapelle bestätigt seine schlimmsten Befürchtungen. Kristen und er haben letzte Nacht geheiratet! In Sekundenschnelle zieht er sich an, um in Kristens Hotel zu fahren. Als er ihr die Neuigkeit mitteilt, wird ihr spontan übel. Beide haben nur einen Gedanken: Kristen ist schwanger - was nun?


  • Erscheinungstag 29.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745363
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Chad Warren hielt die Augen geschlossen, damit der Traum nicht aufhörte, in dem er die samtweiche Haut einer Frau streichelte. Seine Hand schloss sich um eine kleine, feste Brust, und er lächelte, als sich die Knospe in Erwartung weiterer Aufmerksamkeiten aufrichtete.

Er hatte schon früher erotische Träume gehabt, die sehr real wirkten. Welcher Mann hatte die nicht? Doch nicht einmal als hormongeplagter Teenager hatte er eine ganze Nacht lang immer wieder den gleichen Traum gehabt. Noch dazu von der anziehendsten Frau, die man sich vorstellen konnte.

Sein kreatives Unterbewusstsein hatte sie sogar mit einem Namen versehen. Ein süßer, sinnlicher Name, den er im Lauf der Nacht wieder und wieder geflüstert hatte, während sie einander Lust bereiteten.

Christie? Crystal?

Kristen.

Ein Schauer durchlief ihn, und er küsste die nackte Schulter seiner Traumfrau.

Kristen, zart, liebevoll und fähig, einen Mann mit ihrer Leidenschaft zu entflammen.

Er runzelte die Stirn, da er nur eine Frau mit diesem Namen kannte: Kristen Lassiter, auch die Eisprinzessin von Dallas genannt. Eine Großstadtpflanze, mit der er ungefähr so viel gemeinsam hatte wie ein Politiker mit der Wahrheit.

Kristen, die der High Society angehörte, verkehrte in völlig anderen Kreisen als er. Sie verbrachte ihre Zeit auf Wohltätigkeitsveranstaltungen und damit, den Klatschblättern Stoff für ihre Artikel zu liefern, während er sich dafür abarbeitete, seine Ranch, auf der er Vieh für Rodeos züchtete, zu einer der profitabelsten von ganz Texas zu machen. Lediglich auf Banketten wie dem, das er gestern Abend besucht hatte, sah er Kristen Lassiter manchmal. Eigentlich konnte er sich noch nicht einmal daran erinnern, dass sie einander offiziell vorgestellt worden waren. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Er hatte ohnehin keine Zeit für eine Beziehung mit einer Frau. Umso merkwürdiger war es, dass er davon geträumt hatte, sie die ganze Nacht zu lieben.

Er öffnete ein Auge und sah direkt in einen Sonnenstrahl, der durch einen Spalt zwischen den Vorhängen des Hotelzimmers hereinfiel. Chads Schläfen begannen unheilvoll zu pochen, und er schluckte, um den pelzigen Belag auf der Zunge wegzubekommen.

Wieso hatte er sich von seinen Freunden dazu überreden lassen, seinen Erfolg mit Champagner statt mit Bier zu begießen? Von dem verdammten Zeug bekam er stets schreckliche Kopfschmerzen. Außerdem konnte er sich schon nach ein paar Gläsern am nächsten Morgen nicht mehr an den Spaß der vorangegangenen Nacht erinnern.

Plötzlich stutzte er. Irgendetwas – nein, irgendjemand – regte sich neben ihm. Vorsichtig drehte Chad den Kopf und starrte in zwei große grüne Augen.

Es verschlug ihm die Sprache.

Die Frau neben ihm – die Frau aus seinem Traum – war überhaupt kein Traum. Die Frau, mit der er im Traum die ganze Nacht lang Sex gehabt hatte und deren Brust er immer noch umfasste, war absolut real und niemand anders als die Eisprinzessin aus Dallas. Rasch zog er die Hand weg.

Sie starrten einander einen Moment lang an, bevor Kristen mit einem schrillen Schrei aus dem Bett sprang, wobei sie die Decke mitnahm.

Ihr Schrei war so durchdringend, dass Chad das Gefühl hatte, sein Kopf würde gleich explodieren. „Lady, wenn Sie das noch mal machen, kann ich für nichts mehr garantieren“, warnte er sie und presste die Hände auf die hämmernden Schläfen.

„Was machen Sie in meinem Bett?“, fauchte sie und wickelte sich in die Decke.

Chad schaute sich um. „Sie sollten sich lieber darüber klar werden, wo Sie sich befinden, Miss Lassiter“, flüsterte er. Aber selbst das verursachte ihm Kopfschmerzen. „Das ist nämlich mein Zimmer.“

Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen. „Aber wie …?“

„Würden Sie bitte leiser sprechen?“ Er setzte sich auf und schwang die Füße aus dem Bett. Dann stützte er die Ellbogen auf die Knie und barg den pochenden Kopf in den Händen. „Jedes Mal, wenn Sie den Mund aufmachen, fühlt es sich an, als würde jemand mein Gehirn mit einem Presslufthammer bearbeiten.“

„Sie müssen schon entschuldigen, Mr. Warren“, erwiderte sie sarkastisch. „Aber zufällig bin ich sehr aufgebracht.“

Er schaute kurz auf und registrierte ihre besorgte Miene. „Geht das nicht auch ein wenig leiser?“

„Nur wenn Sie sich bedecken.“ Ihre Wangen röteten sich. „Die ganze Situation ist auch so schon peinlich genug.“

Er schnappte sich das Laken. Sein entschuldigendes Lächeln geriet jedoch zur Grimasse. „So wie es aussieht, haben wir das Stadium der Verlegenheit weit hinter uns gelassen.“

„Sprechen Sie es nicht aus“, befahl sie ihm schniefend. Sie schaute zur Tür, schloss die Augen und machte sie wieder auf, als hoffte sie, der Anblick, der sich ihr bot, würde sich als Täuschung erweisen. Kleidungsstücke von Chad und ihr waren in einem wüsten Durcheinander im ganzen Raum verstreut. Gleich hinter der Tür lagen ein schwarzes Paillettenkleid, silberfarbene Pumps, eine Smokingjacke, ein Hemd und Cowboystiefel. Ein paar Schritte davon entfernt schaute ein schwarzes Unterkleid unter einer maßgeschneiderten Hose hervor. Auf der anderen Seite des Bettes lagen ein schwarzer Seidenslip, Strapse und hauchzarte seidene Strümpfe auf seinem weißen Baumwollslip, alles offenbar in großer Eile ausgezogen.

Chad beobachtete, wie ihr Blick auf seinen Hut fiel und sie innehielt. Vorsichtig hob sie den Stetson hoch und nahm ihren BH von der Krempe.

„Erinnern Sie sich an das, was letzte Nacht geschehen ist?“, fragte er.

Sie ließ seinen Hut fallen, als hätte sie etwas Abstoßendes berührt. „Selbstverständlich erinnere ich mich. Ich bin auf dem Festbankett der Professional Bull Riders gewesen und dann … dann …“

„Ich weiß auch nichts mehr.“ Chad massierte seine Schläfen. „Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist, dass ich mich mit einem Reporter der ‚Rodeo Review‘ darüber unterhielt, dass Gray Ghost zum Bullen des Jahres ernannt worden war. Irgendwer drückte mir ein weiteres Glas Champagner in die Hand und …“ Er suchte krampfhaft nach weiteren Erinnerungsfetzen. „Nein, danach weiß ich nichts mehr.“

Kristen schniefte erneut.

„Sie brechen doch hoffentlich nicht in Tränen aus“, bemerkte Chad. Bei weinenden Frauen fühlte er sich immer schrecklich hilflos.

Sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick. „Ich habe eine Erkältung.“

Da ist sie wieder, die Eisprinzessin, dachte Chad und beobachtete sie dabei, wie sie ihre restlichen Kleidungsstücke zusammensuchte und damit im Badezimmer verschwand. Sie knallte die Tür hinter sich zu, was eine neue Schmerzwelle in seinem Kopf auslöste. Während er darauf wartete, dass der Schmerz nachließ, versuchte er nicht nachzudenken. Auf der langen Rückfahrt würde er noch genug Gelegenheit haben, den Kontrast zwischen der erotischen Fantasie der Nacht und der kalten Realität dieses Morgens zu analysieren.

In Rekordzeit kam Kristen vollständig bekleidet wieder aus dem Badezimmer. Ihre Kleidung war elegant wie immer, ihre kastanienbraunen Haare perfekt gestylt, ihre Haltung majestätisch. Doch ganz gleich, was sie trug oder welche Haltung sie annahm, sie sah weiterhin aus wie eine Frau, die eine leidenschaftliche Liebesnacht hinter sich hatte. Der Ausdruck gestillter Sehnsucht in ihren Augen und die Spuren des winzigen Liebesbisses an ihrem anmutigen Hals ließen sich nicht leugnen.

Zufriedenheit gemischt mit einer Spur Bedauern breitete sich in Chad aus. Er war für ihren Zustand verantwortlich. Er wünschte sich nur, sich daran erinnern zu können, was genau zwischen ihnen geschehen war.

„Sind wir im ‚Mirage‘?“, wollte Kristen wissen, bereits auf dem Weg zur Tür.

„Im ‚MGM Grand‘.“ Chad hielt das Laken sorgsam fest und stand auf. „Ich habe keine Ahnung, was das Protokoll für den Morgen danach vorschreibt, aber …“

„Es ist offenkundig, dass sich keiner von uns daran erinnert, wie wir bis zu diesem Punkt gelangt sind“, unterbrach Kristen ihn und öffnete die Tür. „Ich finde, je weniger über die Angelegenheit gesprochen wird, desto besser. Auf Wiedersehen, Mr. Warren.“

Die Tür wurde mit einem leisen Klicken geschlossen. Chad fühlte sich wie eine kleine Unannehmlichkeit behandelt, wie ein Fehltritt, der rasch vergessen werden konnte.

„Na ja, was hast du erwartet?“, murmelte er, warf das Laken beiseite und marschierte ins Bad. „Die Lady hat sich betrunken und ist für eine Nacht aus ihrem Elfenbeinturm gefallen. Dachtest du etwa, sie würde nicht alles daran setzen, beim ersten Tageslicht wieder in ihren Turm zu kommen?“

Eine halbe Stunde später verstaute Chad seinen Smoking in einem Kleidersack, stopfte die übrigen Sachen in seinen Matchbeutel und sah in der Kameratasche nach den belichteten Filmen. Er konnte es nicht erwarten, sich auf den Weg zu machen. Es war zwei Wochen her, seit er seine Nichte und seinen Neffen zuletzt gesehen hatte, und da in einer Woche Halloween war, wollte er sein Versprechen einlösen, mit ihnen Kürbislaternen zu schnitzen.

Als er sich umdrehte, um seine Brieftasche und das lose Kleingeld von der Kommode zu nehmen, beschlich ihn das beunruhigende Gefühl, etwas sehr Wichtiges vergessen zu haben. Doch er hatte das Zimmer bereits zweimal abgesucht und wusste noch immer nicht, was es sein könnte.

Er betastete die vordere Hosentasche seiner Jeans und sah zum Kleidersack im Schrank. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Er musste den Achat, den er stets bei sich trug, in seinem Smoking vergessen haben. Er hatte den kleinen Stein vor etwa fünf Jahren in West-Texas gefunden und seitdem Glück gehabt. Auf keinen Fall würde er ohne ihn auch nur einen Schritt vor das Hotelzimmer setzen.

Überzeugt, das Rätsel gelöst zu haben, zog er den Reißverschluss des Kleidersacks auf und durchsuchte die Taschen der Smokingjacke. Als er den Stein hervorholte, fiel ein Pergamentumschlag auf den Boden. Chad steckte seinen Glücksstein in die Tasche. Er bückte sich, zog ein offiziell aussehendes Dokument aus dem Umschlag und las es.

Sein Herz schlug schneller. Bestimmte Schlüsselworte auf dem Dokument sprangen ihm ins Auge: „Chad T. Warren und Kristen M. Lassiter … vereint im heiligen Bund der Ehe.“

„Was zur Hölle …?“ Er schüttelte ungläubig den Kopf, ging zum Telefon und wählte die Nummer der Kapelle, deren Adresse auf der Rückseite des Umschlags abgedruckt war. Eine Frau, die sich als Shirley identifizierte, nahm nach dem zweiten Klingeln ab. „Ich hätte gern Informationen über eine Trauung, die gestern Abend stattgefunden hat“, erklärte er.

„Die Namen, bitte.“

„Warren und Lassiter.“ Dieses kitschige Dokument muss ein dummer Scherz sein, dachte er, während er wartete. Wahrscheinlich hatte sein Vormann, Zach Davis, die Sache zusammen mit ein paar Freunden von Chad ausgeheckt. Er grinste bei dem Gedanken daran, es ihnen heimzuzahlen. Er würde sich ein Mädchen im „Bucket of Suds“ besorgen, um es ihm heimzuzahlen.

„Spreche ich mit Mr. Warren?“

Seine Nackenhaare richteten sich auf, da er sich nicht mit seinem Nachnamen gemeldet hatte. Es gab nur eine Möglichkeit, woher die Frau wissen konnte, dass der Bräutigam Warren mit Nachnamen hieß und nicht die Braut. „Ja.“

„Herzlichen Glückwunsch und danke, dass Sie sich für unsere Kapelle entschieden haben, Mr. Warren.“

Chad wollte etwas erwidern, brachte jedoch kein Wort mehr heraus. Stattdessen gab er einen erstickten Laut von sich.

„Mr. Warren? Fehlt Ihnen etwas?“

„Ah … nein“, stieß er schließlich krächzend hervor.

„Ich bin froh, dass Sie angerufen haben.“ Die Frau kicherte. „Anscheinend hatten Sie und Ihre Frau es so eilig, ihr gemeinsames Leben zu beginnen, dass Sie Ihr Hochzeitsvideo vergessen haben. Möchten Sie es ins Hotel geschickt bekommen?“

„Oh … hm … Ja, das wäre nett.“ Verwirrt beauftragte Chad sie, das Video ins „Mirage“ zu schicken – das Hotel, das Kristen erwähnt hatte – und legte auf.

Er nahm sein Gepäck und eilte zur Tür. Er musste unbedingt mit Kristen sprechen. So fluchtartig, wie sie sein Zimmer verlassen hatte, würde sie sicher nicht länger als nötig in Las Vegas bleiben und riskieren, ihm noch einmal über den Weg zu laufen. Außerdem konnte man manche Dinge einfach nicht am Telefon besprechen. Er ging jede Wette ein, dass sie von der Hochzeit ebenso wenig wusste wie er.

Mit zitternder Hand versuchte Kristen zum dritten Mal, ihre Code-Karte durch den Schlitz an ihrer Zimmertür zu ziehen. „Komm schon, geh auf!“

Endlich wurde ihre Gebet erhört, und sie trat rasch ein. Stück für Stück entledigte sie sich ihrer Kleidung, während sie zur Dusche ging. Sie drehte das Wasser auf und stöhnte: „Wie konntest du nur mit diesem Mann schlafen, Kristen?“

Unter dem warmen Wasserstrahl bröckelte die kultivierte Fassade, und sie ließ ihren Tränen freien Lauf. In der einen Minute war sie auf dem Bankett gewesen und hatte daran gedacht, wie sehr ihre Entscheidung, Spencer Dirkson nicht zu heiraten, ihren Vater aufregen würde. Und im nächsten Moment wachte sie in den Armen des Mannes auf, vor dem Mike – sie hatte ihn schon seit Jahren nicht mehr Dad genannt – sie strengstens gewarnt hatte. Er wollte nicht einmal, dass sie mit diesem Mann redete.

Bei dem Gedanken an Mike Lassiter war ihre Kehle wie zugeschnürt. Einmal im Leben wollte sie etwas tun, um die Liebe und Anerkennung ihres Vaters zu gewinnen und keine große Enttäuschung für ihn zu sein. Aber eine so törichte Sache wie die von letzter Nacht würde die Kluft zwischen ihnen nur vergrößern.

Schluchzer schüttelten sie, und als ein Schwindelgefühl sie ergriff, lehnte sie sich gegen die gekachelte Wand. Sie fühlte sich elend, und das nicht nur emotional.

Statt ihren Kummer zu lindern, verschlimmerte das Weinen nur ihre Erkältung, mit der sie schon seit einer Woche zu kämpfen hatte. Jetzt plagte sie sich außer mit schmerzenden Nebenhöhlen auch noch mit ihrer Verlegenheit darüber herum, die Nacht mit einem Fremden verbracht zu haben.

Sie trocknete sich ab, schlüpfte in einen Hotelbademantel und wühlte in ihrer Kosmetiktasche herum, auf der Suche nach den Kapseln, die der Arzt ihr verschrieben hatte. Was hatte sie mit ihnen gemacht? Gestern Abend hatte sie eine genommen, bevor sie zum Bankett gegangen war …

Ihr Blick fiel in den Spiegel, und sie hielt erschrocken inne. Zum Essen hatte sie Mineralwasser bestellt. Da sie kaum etwas schmecken konnte, hatte sie das meiste schon getrunken, bevor ihr auffiel, dass der Kellner ihr Weißwein gebracht hatte. Konnte der Wein zusammen mit den Medikamenten bewirkt haben, dass sie sich an nichts mehr erinnerte?

„Vielleicht ist ja gar nichts passiert“, versuchte sie sich zu trösten. Doch sie wusste, wie albern das war. Chad Warren war kein Mann, der sich dem Zölibat verpflichtet hatte. Er sah umwerfend gut aus und besaß einen Charme, dem die meisten Frauen erlagen. Ganz zu schweigen von seinem sinnlichen Lächeln und den wundervollen Augen. Eine Frau konnte sich geradezu vergessen, wenn diese faszinierenden blauen Augen sie ansahen. Groß, breitschultrig und sexy, war er der Traum jeder Frau. Zumindest jeder, die Kristen kannte.

Ihr Magen zog sich zusammen bei der Erinnerung daran, wie er ihre Brust liebkost, wie sie ihn an ihrem Schenkel gespürt und wie er nackt auf dem Bett gelegen hatte.

Wie um alles in der Welt sollte sie ihm je wieder gegenübertreten, ohne an seine breiten Schultern, seine muskulöse Brust und seinen festen Bauch zu denken?

Verlegen schüttelte sie den Kopf, um diese Bilder zu vertreiben, und eilte ins angrenzende Zimmer. Sie musste Las Vegas schleunigst verlassen, um so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Chad zu bringen. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, ihm noch einmal über den Weg zu laufen. Jedenfalls vorerst nicht.

Sie riss die Kleidungsstücke von den Bügeln in den Schränken, schnappte sich ihre Unterwäsche aus der Kommodenschublade und stopfte alles in ihren Koffer. Als es an der Tür klopfte, ließ sie vor Schreck einen zweiten Arm voll Spitzendessous fallen.

„Kristen, machen Sie auf! Wir müssen uns unterhalten!“

Noch bevor sie durch den Spion gesehen hatte, wusste sie, dass es Chad war. Seine sinnliche Stimme würde sie für den Rest ihres Lebens nicht vergessen. Aber wieso konnte er sie nicht in Ruhe lassen? Hatte sie für einen Tag nicht schon genug Demütigendes erlitten?

„Verschwinden Sie!“, rief sie. „Es gibt nichts zu besprechen.“

„Doch, gibt es wohl. Ich zähle bis drei. Wenn Sie die Tür dann immer noch nicht aufgemacht haben, trete ich sie ein.“

„Das würden Sie nicht wagen.“

„Na, dann passen Sie mal auf.“

Kristen biss sich auf die Lippe. Er klang todernst. Außerdem hatte sie keine Zweifel, dass er seine Drohung wahr machen würde.

„Eins … zwei …“

„Schon gut. Hören Sie auf zu schreien.“ Kaum hatte sie mit zitternden Fingern den Riegel zurückgeschoben, drängte Chad sich ins Zimmer. „Wie sind Sie überhaupt hier heraufgekommen?“, verlangte sie zu erfahren. „Der Sicherheitsdienst …“

„… hat gar nichts gesagt, als ich ihnen das hier zeigte.“

„Ich habe keine Ahnung, was das ist. Wieso glauben Sie, wir müssten darüber sprechen?“

„Sobald Sie einen Blick darauf geworfen haben, werden Sie es wissen.“ Er drückte ihr das Dokument in die Hand.

Kristen beobachtete, wie er seinen Stetson abnahm und sich aufgebracht durch die dunkelblonden Haare fuhr. Dann setzte er seinen Hut wütend wieder auf. Ein Wangenmuskel zuckte in seinem frisch rasierten, gebräunten Gesicht.

„Was ist das?“, fragte sie.

„Lesen Sie es.“

Sie entfaltete das Papier und überflog es. Ihre Augen weiteten sich. „Ist das ein Witz?“

„Nein“, entgegnete Chad grimmig. „Ich habe die Kapelle angerufen und es mir bestätigen lassen. Vor Gott und dem Staat Nevada sind wir beide getraut worden. Ein Video der Zeremonie müsste jeden Moment an der Rezeption abgegeben werden.“ Er grinste schief. „Offenbar hatten wir es so eilig, in die Flitterwochen zu kommen, dass wir vergessen haben, es mitzunehmen.“

Das Blut rauschte in Kristens Ohren. Immer wieder hallten die gleichen Worte durch ihren Kopf: Verheiratet mit Chad Warren!

Sie starrte ihn an. Plötzlich trübte sich ihr Blickfeld ein, und sie bekam keine Luft mehr. Sie sah Chad auf sich zukommen und hörte ihn ihren Namen rufen, doch seine Stimme klang wie ein fernes Echo. Der Nebel der Bewusstlosigkeit war ein zu verlockender Fluchtort, um ihm zu widerstehen.

2. KAPITEL

Chad betrachtete die bewusstlose Frau – seine Frau! –, die auf dem Bett lag. War Kristen ohnmächtig geworden, weil sie schwanger war? Denn sicher hatten sie letzte Nacht keinen Gedanken an Verhütung verschwendet. Aber würde eine Schwangerschaft sich schon so früh bemerkbar machen?

Verdammt, woher soll ich das wissen?, dachte Chad. Er versuchte sich zu konzentrieren, doch noch immer plagten ihn heftige Kopfschmerzen. Außerdem hatte er keine Erfahrung mit Situationen wie dieser.

Einmal war seine Schwester Beth ohnmächtig geworden, als sie mit ihrer Tochter Annie schwanger war. Aber da war Chad mit seinem Zuchtvieh bei einem Rodeo gewesen und hatte erst später von dem Vorfall erfahren. Andere schwangere weibliche Wesen, mit denen er je zu tun gehabt hatte, gehörten zu den Vierbeinern. Allerdings hatte er nie erlebt, dass eine trächtige Kuh ohnmächtig geworden wäre.

Er ging ins Bad und nahm einen Waschlappen. Er hatte zwar keine Ahnung, ob eine Schwangerschaft der Grund für Kristens Ohnmacht war, aber er würde es herausfinden.

Er befeuchtete den Waschlappen mit kaltem Wasser und kehrte ins Zimmer zurück, wo er zum Telefon auf dem Nachttisch ging. Er zog seine Jacke aus, setzte sich auf die Bettkante neben Kristen und wählte die Nummer der Rezeption. Während er darauf wartete, dass sich jemand meldete, tupfte er Kristens Gesicht mit dem Waschlappen ab.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich endlich eine Frauenstimme meldete.

„Ich brauche die Adresse des nächstgelegenen Krankenhauses oder einer Notfallpraxis“, erklärte er und versuchte trotz der aufsteigenden Panik ruhig zu bleiben.

„Brauchen Sie einen Krankenwagen?“, erkundigte sich die Frau.

Sein Instinkt sagte ihm, dass Kristen nicht begeistert wäre, in ihrer jetzigen Situation auch noch auf einer Trage abtransportiert zu werden. „Nein, das wird nicht nötig sein.“ Er legte ihr den Waschlappen auf die Stirn. „Meine Frau ist ohnmächtig geworden. Sobald sie sich wieder kräftig genug fühlt, bringe ich sie selbst ins Krankenhaus.“

Chad schrieb den Namen der nächstgelegenen Notfallpraxis auf einen Block neben dem Telefon und legte auf. Skeptisch hob er die Brauen, während er Kristens Wangen mit dem Waschlappen kühlte. Kaum zu glauben, wie leicht ihm die Worte „meine Frau“ über die Lippen gekommen waren. Als wäre es das Natürlichste der Welt.

Kristen bewegte sich und murmelte seinen Namen.

Er nahm ihre Hände in seine und staunte, wie schmal und zerbrechlich sie sich anfühlten. „Ich bin hier.“

Blinzelnd öffnete sie die Augen. „Oh nein! Es war also kein Traum.“

Er gab sich Mühe, ihr aufmunternd zuzulächeln. „Ich fürchte nicht, Liebling.“ Er strich ihr eine kastanienbraune Strähne von der feuchten Wange. „Sobald du dich besser fühlst, bringe ich dich zu einem Arzt.“

Sie machte die Augen wieder zu. „Ich brauche keinen Arzt.“

„Und ob du einen brauchst“, meinte er mit Bestimmtheit und überlegte, wie er die nächste Frage formulieren sollte. Er holte tief Luft und war froh, dass sie ihn gerade nicht ansah. „Benutzt du eigentlich irgendeine Art von Empfängnisverhütung?“

Erschrocken schaute sie ihn wieder an. „Das geht dich gar nichts an.“ Sie versuchte sich aufzusetzen, doch er drückte sie sanft wieder aufs Bett.

„Doch, es geht mich etwas an.“ Er versuchte so taktvoll wie möglich zu sein. Nur konnte man bei manchen Dingen einfach nicht um den heißen Brei herumreden. „Wir haben die ganze Nacht miteinander geschlafen, Kristen. Falls du also keine Empfängnisverhütung benutzt, besteht die sehr reale Möglichkeit, dass du schwanger bist.“

Entsetzt schnappte sie nach Luft. „Vielleicht ist ja gar nichts passiert“, meinte sie hoffnungsvoll.

Unwillkürlich musste er grinsen. „Ich erinnere mich zwar an so gut wie gar nichts mehr, aber glaub mir, es ist etwas passiert. Und zwar öfter als ein oder zwei Mal.“

Ihre Wangen röteten sich. Erstaunlich. Er hatte schon seit Jahren keine Frau mehr erröten gesehen.

„Nein, ich benutze keine Empfängnisverhütung.“ Sie wickelte sich den Gürtel ihres Bademantels um den Zeigefinger. War die Eisprinzessin etwa verlegen? „Es gab nie einen Grund dazu.“

„Du warst also mit niemandem zusammen?“

Sie ließ den Gürtel los und sah ihm ins Gesicht. „Wieso fragst du nicht, was du eigentlich wissen willst? Ob es jemanden gibt, mit dem ich schlafe?“

Chad nickte kurz.

Sie sah aus, als wollte sie ihn am liebsten ohrfeigen. „Die Antwort lautet nein.“

Er verzichtete darauf, näher zu ergründen, weshalb ihn ihre Antwort so erleichterte. „Falls du also schwanger bist, ist das Baby von mir.“ Er legte den Waschlappen auf den Nachtschrank und atmete tief durch. „Das Beste wird jetzt sein, wenn wir einen Arzt aufsuchen. Dann sehen wir weiter.“

„Es ist bestimmt noch zu früh für einen Test.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich habe keine Ahnung von den Zeiträumen, aber es wird sicher ein paar Wochen dauern, bis man exakte Ergebnisse bekommt.“

„Aber du bist nicht grundlos ohnmächtig geworden.“

„Ich habe dir doch erzählt, dass ich erkältet bin“, erwiderte sie. „Manchmal greift die Infektion auf mein Innenohr über.“

„Nimmst du Medikamente?“

„Ja, mein Arzt hat mir ein Rezept ausgestellt, bevor ich aus Dallas hierher gefahren bin.“

Chad nahm seinen Hut ab und fuhr sich durch die Haare. „Ich möchte, dass du einen Arzt aufsuchst, bevor du die Medikamente weiter nimmst. Manche Medikamente können für ein Baby schädlich sein.“

Kristen spürte, wie ihr Magen einen Purzelbaum schlug. Die Situation wurde mit jeder Minute komplizierter. „Vielleicht gibt es gar keinen Grund, sich Sorgen zu machen.“ Entschlossen setzte sie sich auf. „Höchstwahrscheinlich bin ich nicht schwanger.“

„Aber es besteht die Möglichkeit, dass du es bist“, beharrte Chad.

Autor

Kathie De Nosky
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