Liebe - ein himmlisches Geschenk

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Als Leo Demetrios nach London zurückkehrt, sieht er sie wieder: Angie! Nie hat er der schönen Nanny verziehen, dass sie ihn einmal innig geliebt und dann betrogen hat. Nun hat sie einen kleinen Sohn - von seinem Cousin! Warum nur erliegt er Angies Charme erneut? Die Stimme der Vernunft warnt Leo vor ihr, doch sein Herz flüstert: Trau deinen Gefühlen …


  • Erscheinungstag 24.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774035
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Eine Erhöhung? Sie bitten uns tatsächlich um eine Erhöhung?“ Claudia sah die jüngere Frau vor ihr geschockt an. „Ich finde, wir sind zu Ihnen schon mehr als großzügig gewesen. Sie bekommen außer freier Kost und Logis auch noch ein Taschengeld. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass Sie zu zweit sind!“

„Aber ich arbeite oft sechs Tage in der Woche“, erwiderte Angie verlegen, „und nachts passe ich auf die Kinder auf …“

Die schick gekleidete, dunkelhaarige Frau bekam vor Ärger rote Wangen. „Ich kann es einfach nicht glauben“, meinte sie hitzig. „Sie kümmern sich hier ein wenig um den Haushalt und die Kinder. Warum sollten Sie nachts nicht babysitten? Schließlich müssen Sie sowieso bei Ihrem Jake bleiben. Wirklich, Angie, ich verstehe nicht, wie Sie nach allem, was wir für Sie getan haben, so undankbar sein können!“

„Es ist nur sehr schwierig, mit dem wenigen Geld auszukommen“, wandte Angie zaghaft ein, wobei sie sich zutiefst erniedrigt vorkam.

„Nun, ich weiß nicht, was Sie mit Ihrem Gehalt anstellen, wo wir doch für Ihren Unterhalt aufkommen“, erwiderte ihre Arbeitgeberin spitz. „Was ich allerdings weiß, ist, dass mein Mann George äußerst pikiert über Ihre Forderung sein wird.“

„Es war keine Forderung, sondern eine Bitte.“

„Nun, die Bitte ist abgelehnt“, sagte Claudia barsch und marschierte zur Küchentür. „Ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, Angie. Sie haben hier wirklich einen leichten Job. Ich wünschte nur, jemand würde mich dafür bezahlen, zu Hause bleiben zu dürfen und ab und zu die Geschirrspülmaschine auszuräumen! Wir haben Sie und Jake wie Familienangehörige behandelt. Und glauben Sie ja nicht, dass jemand anderes auch nur in Erwägung gezogen hätte, ein schwangeres Au-pair-Mädchen anzustellen!“

Angie schwieg. Es gab auch nichts mehr dazu zu sagen, sonst riskierte sie womöglich, entlassen zu werden. Doch sie arbeitete weit härter, als es Au-pair-Mädchen gewöhnlich tun. Mittlerweile war aus der stundenweisen Beschäftigung ein Fulltime-Job geworden.

Während ihrer Schwangerschaft war sie froh gewesen, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben, und deshalb hatte sie auch dieses Taschengeld statt eines richtigen Gehalts akzeptiert. Aber jetzt konnte sie nur den Kopf darüber schütteln, wie naiv sie damals gewesen war. Sie hatte sich tatsächlich vorgestellt, nur so lange für die Dicksons zu arbeiten, bis das Baby geboren war, um sich dann eine andere Bleibe und einen gut bezahlten Job zu suchen.

Doch als Angie mit der Zeit feststellen musste, wie viel Geld es kostete, ein Kind großzuziehen und sich in einer teuren Stadt wie London eine vernünftige Wohnung zu mieten, war dieser Glaube Stück für Stück zerschmettert worden. Im Augenblick blieb ihr nur die Wahl, weiterhin bei den Dicksons zu bleiben oder den Gang zum Sozialamt anzutreten.

„So, reden wir also nicht mehr darüber“, meinte Claudia betont großzügig. „Könnten Sie jetzt damit anfangen, die Kinder zu baden? Es ist schon fast halb sieben, und die Kleinen sind immer so aufgedreht, wenn sie übermüdet sind.“

Bis Angie die Kinder endlich im Bett hatte, waren zwei Stunden um und Claudia und George längst außer Haus zum Dinner gegangen. Sophia, sechs Jahre alt, und die vierjährigen Zwillinge Benedict und Oscar waren liebenswerte Kinder, die massenweise Spielzeug, jedoch wenig elterliche Zuwendung bekamen. George, ihr Vater, war Bezirksrichter und beruflich viel unterwegs, während Claudia als erfolgreiche Geschäftsfrau ihr Büro kaum jemals vor sieben Uhr abends verließ.

Gerade als Angie noch einmal nach ihrem Sohn sah, von dem nur der dunkle Lockenschopf unter der Bettdecke hervorschaute, klingelte es.

Rasch strich sie sich das hüftlange platinblonde Haar zurück und lief dann die Treppe hinunter. „Wer ist da?“, fragte sie atemlos in die Sprechanlage.

„Angie …?“

Geschockt fuhr sie zurück. Die Stimme, rau wie Sandpapier und mit leichtem griechischem Dialekt, hatte sie bis ins Mark erschüttert. Seit über zwei Jahren hatte sie diesen sexy Tonfall nicht mehr gehört, und die Erinnerung daran erfüllte sie jetzt mit Panik.

Wieder ertönte die Klingel.

„Lass das, du weckst noch die Kinder!“, rief Angie ins Mikrofon.

„Mach die Tür auf“, entgegnete Leo.

„Ich … ich darf nachts nicht öffnen, wenn ich allein im Haus bin! Ich habe keine Ahnung, was du willst, oder wie du mich gefunden hast, aber es ist mir auch egal. Verschwinde einfach!“

Statt einer Antwort klingelte es zum dritten Mal.

Frustriert lief sie zur Tür und entriegelte sie.

„Danke“, sagte Leo kalt.

Bei seinem Anblick klopfte Angie das Herz bis zum Hals. „Du kannst nicht hereinkommen …“

Eine seiner dunklen Brauen schnellte in die Höhe. „Mach dich nicht lächerlich.“

Während sie in seine nachtschwarzen Augen starrte, tobte in ihrem Innern ein Chaos. Mit seinen knappen eins neunzig war Leo Demetrios ein Bild von gepflegter Eleganz und irritierender Männlichkeit. Das weiße Dinnerjackett und die schwarze Hose betonten hervorragend seine Figur: breite Schultern, schmale Hüften und lange Beine. Obwohl die Außenbeleuchtung seinen Körper, das attraktive Gesicht und sein blauschwarzes Haar beschien, konnte Angie immer noch nicht glauben, dass er hier leibhaftig vor ihr stand.

„Du kannst nicht hereinkommen“, wiederholte sie und wischte sich ihre feuchten Hände an der Jeans ab.

Doch er schob sich einfach an ihr vorbei und schloss leise die Tür hinter sich.

Während Angie ihn wortlos anstarrte, wirbelten die Gedanken in ihrem Kopf nur so durcheinander. Claudia und George würden gewiss bald wiederkommen. Sicher wären sie entsetzt, bei ihrer Rückkehr einen fremden Mann in ihrem Haus zu finden. Wie hatte Leo sie, Angie, überhaupt aufspüren können?

Erstaunt stellte sie fest, dass Leo geduldig vor ihr stand. Als Besitzer eines überaus erfolgreichen internationalen Elektronikkonzerns war er es gewohnt, dass man vor ihm den roten Teppich ausrollte, und Warten war noch nie seine Stärke gewesen.

Plötzlich bemerkte sie, wie er ihre schlanke, doch wohlproportionierte Gestalt von Kopf bis Fuß musterte. Besonders lange verweilte sein Blick auf ihren vollen Brüsten, bevor er ihr direkt in die Augen sah. Plötzlich fand Angie es schwierig, zu atmen und sich zu rühren, und das Herz klopfte ihr so heftig gegen die Rippen, dass sie sich leicht benommen fühlte.

„Ich werde dich nicht lange aufhalten“, meinte Leo und lächelte hintergründig.

Sie bemühte sich krampfhaft, sich zu konzentrieren. „Was willst du hier?“ Da schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf, und ihre hellblauen Augen weiteten sich. „Ist meinem Vater etwas passiert?“, fragte sie hastig.

Er runzelte die Stirn. „Meines Wissens erfreut sich Brown guter Gesundheit.“

Angie wurde dunkelrot. Was für eine dämliche Frage! Ganz sicher würde sich Leo Demetrios nicht dazu herablassen, den Botenjungen für einen Bediensteten seines Großvaters zu spielen!

Einem spontanen Einfall nachgebend, widersetzte sich Angie Claudias ausdrücklicher Anordnung und führte Leo in den kleinen Fernsehraum. „Wir können uns hier unterhalten“, sagte sie und holte tief Luft.

Was schwierig werden würde, denn er benahm sich so kalt und höflich wie ein völlig Fremder. Vielleicht hat er Angst davor, dass – wenn er freundlich zu mir ist – ich mich ihm wieder an den Hals werfe, dachte Angie und wurde ganz blass bei dieser Horrorvorstellung. Während sie beschämt den Kopf senkte, fielen die qualvollen Erinnerungen über sie her.

Solange sie denken konnte, war sie verrückt nach Leo gewesen. Und sie gehörte gewiss nicht zu der Sorte Mädchen, die träumerisch herumsaß und auf ein Wunder wartete. Nein, im Alter von neunzehn Jahren hatte Angie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt und sämtliche Anstandsregeln verletzt, um ihr Ziel zu erreichen. Sie vergaß, wer Leo war und wo sie gesellschaftlich stand. Und als der Tag zu Ende ging, hatte sie mehr erhalten, als sie gewollt hatte: Leo hatte sie erniedrigt, gedemütigt und ihr das Herz gebrochen.

Sie hob den Kopf und sah, dass er sie immer noch beobachtete. Nervös strich sie sich einige lange, platinblonde Strähnen zurück, die ihr ins Gesicht gefallen waren. Leos Blick verfolgte jede ihrer Bewegungen. Doch plötzlich schien ein Schatten über seine schwarzen Augen zu fallen, und er presste die gut geschnittenen Lippen zu einer dünnen Linie zusammen.

„Wie hast du mich gefunden?“, fragte Angie, als sie das Schweigen nicht länger aushielt. Sie besaß eben nicht Nerven wie Drahtseile und so viel Selbstdisziplin wie Leo.

„Mein Großvater bat mich, dich aufzuspüren.“

„Wallace?“, rief sie ungläubig und erinnerte sich an seinen englischen Großvater, dessen Tochter Leos Vater, einen griechischen Reeder, geheiratet hatte.

„Ich bin nur gekommen, um eine Einladung zu übermitteln. Wallace möchte gern, dass du Weihnachten mit ihm verbringst.“

„Weihnachten?“, wiederholte sie schwach.

„Er will seinen Urenkel kennenlernen.“

Angie keuchte und griff Halt suchend nach einer Sessellehne, weil ihre Knie einzuknicken drohten. Leo wusste, dass sie ein Kind hatte? Nicht im Traum hatte sie gedacht, dass Wallace seinen Enkel in dieses Geheimnis einweihen würde!

Und jetzt wollte Wallace also Jake kennenlernen! Derselbe alte Mann, der Angie vor zwei Jahren zu einer Abtreibung geraten hatte. Der ihr, als sie davon nichts wissen wollte, nur zu gern dabei behilflich gewesen war, den Familiensitz „Deveraux Court“ noch am selben Tag zu verlassen, um einen Skandal zu vermeiden! Der unverbesserliche Snob Wallace Neville war außer sich vor Wut gewesen, dass die Tochter seines Butlers sich von einem seiner Enkel hatte schwängern lassen.

„Der alte Mann spürt, dass er sterblich ist.“ Leos unergründlicher Blick ruhte auf ihrem hübschen Gesicht. „Und die Neugierde bringt ihn fast um. Außerdem ist es ja in deinem ureigensten Interesse, vor seiner Großzügigkeit zu Kreuze zu kriechen.“

„Zu kriechen?“, rief sie empört.

Seine Miene wurde hart. „Ich weiß von dem Handel, den du mit ihm geschlossen hast, Angie. Ich weiß alles.“

Ungläubigkeit und Angst malten sich in ihren Zügen. „Keine Ahnung, wovon du redest.“

„Die Diebstähle, Angie“, erwiderte Leo mitleidslos. „Wallace hat dich auf frischer Tat ertappt, und du hast gestanden.“

Ihr war, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten. Ruckartig hob sie den Kopf. „Aber er hat versprochen, niemandem davon zu erzählen!“

Am liebsten wäre sie auf der Stelle gestorben. Angie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass Leo glaubte, sie hätte die wertvollen Kunstgegenstände aus „Deveraux Court“, wo ihr Vater und ihre Stiefmutter arbeiteten, gestohlen.

„Seitdem du weg bist, sind keine Gegenstände mehr verschwunden, diese Tatsache spricht doch wohl für sich selbst. Wallace sah keine Möglichkeit, die Identität des Übeltäters länger unter Verschluss zu halten.“

„Also weiß auch mein Vater davon“, murmelte Angie verzweifelt, als die Erkenntnis sie mit voller Wucht traf.

Leo hob die Schultern. „Ich habe nicht mit ihm darüber gesprochen.“

Noch niemals in ihrem ganzen Leben hatte Angie sich so gedemütigt gefühlt. Sie ließ den Kopf hängen und starrte auf seine handgearbeiteten italienischen Schuhe. Oh, wie hasste sie ihn dafür, dass er ohne Weiteres glaubte, sie sei die Diebin. Hatte er deswegen so getan, als ginge ihn Jakes Existenz nicht das Geringste an?

Warum konnte er sich nicht zu der Erkenntnis durchringen, dass sie die Mutter seines Kindes war? Leo hatte erzählt, Wallace wollte seinen Urenkel kennenlernen. Bedeutete das, dass er, Leo, selbst keinerlei Interesse an dem Kind hatte?

„Ich will, dass du gehst“, stieß sie mit zitternder Stimme hervor. „Ich habe dich nicht gebeten, mich aufzusuchen.“

„Das ist Unsinn, und das wirst du schon sehr bald merken“, erwiderte Leo sachlich. „Wenn du damals nicht schwanger gewesen wärst, hätte Wallace die Polizei eingeschaltet. Du hast Glück gehabt, dass du nicht ins Gefängnis gewandert bist.“

Angie schloss die Augen. Als sie damals etwas gestanden hatte, was sie gar nicht getan hatte, geschah das in dem Glauben, damit jemanden zu schützen, den sie liebte. Außerdem hatte sie nichts mehr zu verlieren gehabt. Sie hatte Leo verloren und war im Begriff, „Deveraux Court“ zu verlassen, bevor ihre Schwangerschaft sichtbar sein würde. Sie war zu stolz und so verletzt von Leos Verhalten, dass sie ihn nicht über die Folgen ihres leidenschaftlichen Wochenendes aufklärte.

„Zum Wohle deines Kindes will Wallace die Vergangenheit begraben“, fuhr er ruhig fort.

„Mein Kind heißt Jake“, meinte Angie mit dünner Stimme.

Leo ignorierte ihre Bemerkung. „In deiner gegenwärtigen Situation wäre es sehr dumm, Wallace’ Friedensangebot auszuschlagen. Ich denke, er will dir finanziell unter die Arme greifen.“

Sie reckte das Kinn. „Ich will nichts, und zwar von keinem von euch!“, rief sie ärgerlich. „Aber es würde mich sehr interessieren zu hören, warum ausgerechnet Wallace mir Geld anbieten will!“

Seine Augen glitzerten wie Eiskristalle. „Nun, offensichtlich darum, weil sein Enkel Drew seine Pflicht versäumt hat, dich und dein Kind zu unterstützen!“

Angie erstarrte. Wieso soll Drew sich um uns kümmern, dachte sie verwirrt. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Leo glaubte, sein Cousin Drew sei Jakes Vater! Oh Gott, wie konnte er nur?

Im Moment spielte es gar keine Rolle für sie, wie dieses Missverständnis zustande gekommen war. Was sie so fassungslos machte, war die Tatsache, dass Leo offensichtlich überzeugt davon war, dass sie nicht nur eine Diebin, sondern auch noch ein Flittchen war! Schließlich konnte nur eine mannstolle Frau fähig sein, mit beiden Enkelsöhnen von Wallace intim zu werden – und das innerhalb von nur drei Monaten!

Es fiel Leo wohl nicht besonders schwer zu glauben, dass sie, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, auch noch Sex mit seinem Cousin gehabt hatte. Darüber hinaus war er anscheinend ganz zufrieden damit, die Verantwortung für Jake auf Drew abwälzen zu können.

„Angie“, fing Leo wieder an, „ich bin nicht gekommen, um mit dir über persönliche Angelegenheiten zu diskutieren, die nicht das Geringste mit mir zu tun haben, sondern wollte nur die Einladung überbringen. Ich habe keine Zeit, mit dir zu streiten, denn ich habe eine Verabredung und bin ohnehin spät dran.“

Für einen Moment fühlte sie sich, als habe er ihr ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Eine Verabredung? Also hatte er wohl die Absicht, sein Dasein als trauernder Witwer aufzugeben. Wie schön für ihn! Klar, dass es unter seiner Würde war, von ihren Problemen auch nur Notiz zu nehmen. So wie sie ihn kannte – rücksichtslos offen, hochgradig intelligent und von eiserner Selbstkontrolle – war er wahrscheinlich froh darüber, sich elegant aus der Affäre zu ziehen, seit sie sich als Diebin selbst geoutet hatte.

Mit schneeweißem Gesicht wandte sie sich zu ihm. Sie fühlte eine so große Bitterkeit in sich, dass sie versucht war, seine Selbstbeherrschung bis ins Mark zu erschüttern. Sie wollte ihn für sein Vorurteil ihr gegenüber bestrafen und ihn so verletzen, wie er sie verletzt hatte, indem er so tat, als wäre niemals etwas zwischen ihnen gewesen.

„Wallace erwartet dich am Donnerstag“, sagte Leo ungeduldig. „Du nimmst seine Einladung doch an?“

Angies Ärger verschwand und machte einer tiefen Hoffnungslosigkeit Platz. „Du machst wohl Witze“, brachte sie mühsam hervor und lächelte verkrampft. „Ich habe nicht die leiseste Absicht, das Weihnachtsfest bei deinem Großvater zu verbringen. Bestimmt denkt er genauso.“

„Und ich dachte, dass dich wenigstens die Aussicht, deine Familie wiederzusehen, locken würde.“

Sie lachte humorlos. Ein Wiedersehen mit ihrer Familie? Ihre Beziehung zu ihrem Vater war immer schon kompliziert gewesen. Jetzt war sie eine ledige Mutter und des Diebstahls bezichtigt – Angie bezweifelte sehr, dass man sie mit offenen Armen willkommen heiße würde.

„Als ich ‚Deveraux Court‘ verließ …“, sie räusperte sich, weil ihre Kehle wie ausgetrocknet war, „… wusste ich, dass ich niemals wiederkehren würde. Es tat mir nicht leid wegzugehen, und ich will nicht dorthin zurück, auch nicht für einen Besuch. Dieser Lebensabschnitt ist für mich endgültig vorbei.“

Gereizt betrachtete er ihr Profil. „Vermutlich findest du es taktlos von mir, die Diebstähle erwähnt zu haben.“

Angie verzog das Gesicht und zwang die aufsteigenden Tränen zurück. „Takt ist nicht das, was ich von dir erwartet habe, genauso wenig wie Rücksicht. Aber ich verbitte mir, bevormundet zu werden. Du bist nicht ganz bei Trost, wenn du denkst, ich krieche vor deinem Großvater im Staub, um finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Ich komme sehr gut allein zurecht.“

„Du arbeitest hier als Hausmädchen, als eine … Dienerin“, wandte er ein. „Hast du nicht einmal geschworen, so etwas niemals zu tun?“

Angie drückte ihre Fingernägel so heftig in die Handflächen, dass es wehtat. So eine Bemerkung ausgerechnet von ihm zu hören, der von Geburt an von Kindermädchen, Butlern und sonstigem Hauspersonal umsorgt wurde, war der Gipfel! Sie entfernte sich ein wenig von ihm, um nicht der Versuchung nachzugeben, ihm ins Gesicht zu schlagen.

Theos … mein Gott, wie kannst du nur derartig dumm und stolz sein, eine so großmütige Einladung auszuschlagen! Wallace kann so viel für deinen Sohn tun. Du musst an dein Kind denken. Warum sollte es darunter leiden, dass du einen Fehler gemacht hast?“, drängte Leo sie. „Es ist deine Pflicht als Mutter, an seine Zukunft zu denken.“

„Und was ist mit der Pflicht seines Vaters?“, fuhr sie ihn an, während ihre blauen Augen vor Empörung wie Saphire funkelten.

Abschätzig verzog er den sinnlichen Mund. „Bevor du mit jemandem ins Bett steigst, der so egoistisch und verantwortungslos ist wie Drew, hättest du dir darüber im Klaren sein müssen, dass du allein dastehen wirst, wenn etwas schiefgeht.“

Erstaunt stellte Angie fest, dass Leo ärgerlich war. Seine ganze Haltung wirkte äußerst angespannt, sein Blick drückte eisige Missbilligung aus. Offenbar war er doch nicht so unberührt, wie er sie glauben machen wollte. Der Gedanke, dass sie, kurz, nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, Drews Bett geteilt hatte, schien ihm Probleme zu bereiten. Er, Leo, hatte Angie nicht gewollt, doch anscheinend sollte auch kein anderer sie begehren.

„Glaube es mir oder nicht, es, gab eine Zeit, da habe ich gedacht, dass Jakes Vater beständig und absolut vertrauenswürdig sei“, hörte sie sich sagen. „Ich war sehr verliebt in ihn und der festen Überzeugung, dass er der Letzte wäre, der mich im Stich lassen würde.“

„Du warst erst neunzehn. Was wusstest du schon von Männern?“, fragte er barsch. Nachdem er ungeduldig auf seine goldene Uhr geschaut hatte, wandte er sich zur Tür. „Ich fürchte, ich muss jetzt wirklich gehen.“

Angie folgte ihm in die Halle. Nachdem sie die Eingangstür geöffnet hatte, schaute er Angie grübelnd aus schwarzen Augen an, und ohne Warnung fielen die alten Erinnerungen wieder über sie her. Leo, wie er mit einer schockierenden, primitiven, urgewaltigen Art auf ihre Flirtversuche reagiert hatte, wie er Angie am See ins Gras gedrückt und sie so leidenschaftlich geküsst hatte, dass sie glaubte, den Verstand zu verlieren …

Nun lagen dunkle Schatten über seinen hohen Wangenknochen, doch seine Augen funkelten höhnisch. Langsam hob er die Hand und zog die Linien ihrer vollen, weichen Lippen mit dem Zeigefinger nach. Angie vermochte nicht, sich zu rühren, und stand stocksteif da. „Du wirfst dich doch hier weg, Angie.“

Bevor sie antworten konnte, war er hinaus in die Nacht gegangen. „Überlege dir, was ich gesagt habe“, meinte er. „Wallace ist sehr erpicht darauf, das Kind zu sehen … Ich werde dich morgen anrufen.“

„Nein! Das hat keinen Sinn! Mein Entschluss steht fest“, erwiderte sie fest. „Außerdem werde ich nicht freibekommen. Die Dicksons haben über die Festtage Gäste eingeladen …“

„Hast du dich wirklich so verändert? Ich dachte, du würdest hier genauso gern abhauen wie aus dem Haus meines Großvaters – ohne einen Blick zurück.“

Angie wurde rot. Natürlich hatte Leo angenommen, dass die Aussicht auf Geld sie dazu bringen würde, die Einladung anzunehmen. Nun, er hatte sich getäuscht. Doch warum, um alles auf der Welt, hatte sie ihm nicht gesagt, dass er Jakes Vater war? Ein lang verdrängter Gedanke bahnte sich seinen Weg in ihr Bewusstsein: Wie sie ihm an dem verhängnisvollen Wochenende gesagt hatte, dass er sich nicht zu schützen bräuchte … Sie hatte gelogen – absichtlich und in vollem Bewusstsein der etwaigen Folgen einer Liebesnacht …

Von der Türschwelle her beobachtete Angie, wie Leo zu seinem schwarzen Ferrari ging, den er in der Einfahrt vor dem Haus geparkt hatte. Plötzlich beleuchtete grelles Scheinwerferlicht die Szene, und der Range Rover der Dicksons hielt neben dem Ferrari.

Angie stöhnte laut auf, als Claudia entrüstet aus dem Auto sprang. „Was, zum Teufel, geht hier vor?“, rief sie, warf Leo einen Blick zu und ging schnurstracks auf Angie zu.

„Ich habe Angie eine Mitteilung gebracht“, antwortete Leo kühl.

„Sie haben einen fremden Mann ins Haus gelassen, während meine Kinder schliefen?“, wütete Claudia los.

„Darling …“, versuchte sie ihr Mann George zu beruhigen, der den Industriellen sofort erkannt hatte. „Ich glaube nicht, dass man Mr Demetrios als Fremden bezeichnen kann.“

„Mein Vater ist bei ihm angestellt“, erklärte Angie hastig. „Ich kenne Leo schon seit Jahren.“

Unsicher blickte Claudia von einem zum anderen und erkannte, dass sie sich zum Narren gemacht hatte. Leise zischte sie Angie zu: „Wir sprechen später darüber!“

„Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich jetzt zu Bett gehen“, verabschiedete sich Angie rasch und lief die Treppe zu ihrem Zimmer über der Garage hoch.

Bevor sie sich schlafen legte, sah sie noch einmal nach Jake. Nur ihm zuliebe nahm sie die wechselhaften Launen Claudias auf sich, damit er gute Dinge zu essen bekam, in einem schönen Haus lebte und in einem großen Garten spielen konnte. Er war immer gut gekleidet und hatte viel Spielzeug. Doch nichts davon gehörte ihm wirklich, denn es waren alles abgelegte Sachen der Zwillinge.

Angie konnte kaum glauben, dass Wallace Neville sich wirklich dazu herablassen wollte, die Tochter seines Butlers über die Festtage zu beherbergen. Und falls er ihr, Angie, tatsächlich Geld anbieten würde, wäre sie schwach genug, es auch anzunehmen?

In dieser Nacht fand sie keine Ruhe. Während sie sich von einer Seite auf die andere drehte, wurde sie wieder von den qualvollen Erinnerungen geplagt …

Als sie dreizehn war, hatte sie Leo zum ersten Mal gesehen. Er verbrachte die Weihnachtstage und sämtliche Ferien bei seinem Großvater auf dessen Landsitz „Deveraux Court“, und obwohl Leo perfekt Englisch sprach, blieb er in seiner Seele ein Grieche. Exotisch, faszinierend und unverschämt gut aussehend, hatte sich Angie auf der Stelle in ihn verliebt. Doch er, acht Jahre älter als sie, hatte sie kaum zur Kenntnis genommen.

In einem der folgenden Sommer, Angie war fünfzehn, brachte Leo eine Freundin mit: Petrina Phillipides, eine kleine schmale griechische Erbin mit einer Wolke blauschwarzen Haares und einem Teint wie Porzellan. Mit knirschenden Zähnen musste Angie zusehen, wie sich Leo in Petrina verliebte. Sah er denn nicht, wie oberflächlich, egoistisch und dumm dieses Mädchen war? Ihre Frisur und ihre Klamotten waren einfach lächerlich!

Trotzdem verlobten sie sich, und zwei Jahre später wurde Petrina Mrs Demetrios. Angie war außer sich gewesen, erkannte, dass sie all die Jahre für einen Mann außerhalb ihrer Reichweite geschwärmt hatte, und fing an, mit verschiedenen Jungen auszugehen. Mit siebzehn, groß, schlank und mit langem platinblondem Haar hatte sie keinerlei Schwierigkeiten, bewundernde Blicke auf sich zu ziehen.

Petrina wurde schwanger und kurz darauf die völlig unbeteiligt wirkende Mutter eines süßen kleinen Mädchens, Jenny. Sobald sie konnte, übergab sie das Baby einem Kindermädchen und schmollte, weil sie nicht mehr im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand.

Leo vergötterte die Kleine, und Angie blutete das Herz, wenn sie sah, wie er das Baby liebkoste. Oh Leo, Leo, dachte sie dann, warum hast du nicht gewartet, bis ich erwachsen bin?

Im selben Winter jedoch zerstörte eine Tragödie die Familie: Petrina und ihre Tochter kamen bei einem Autounfall ums Leben. Im folgenden Jahr kehrte Leo aus Griechenland nach „Deveraux Court“ zurück und bezog den kleinen Pavillon am See, wo er zurückgezogen den Sommer verbrachte.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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