Liebe, Lust & Leidenschaft - Best of Baccara Collection 2020

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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Baccara Collection Ausgaben aus 2020 - leidenschaftlich, aufregend und extravagant. Die etwas längere Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!

BACCARA COLLECTION BAND 421

JA, ICH WILL NUR DICH von CHARLENE SANDS
Luke liegt neben ihr - nackt! Schlagartig ist Katie wach. Nicht genug, dass sie mit ihm eine Nacht in Las Vegas verbracht hat. Sie hat den Ex-Verlobten ihrer Schwester auch noch geheiratet! Was für eine Katastrophe! Allerdings eine äußerst verführerische …

WAS EIN MILLIARDÄR BEGEHRT von NAIMA SIMONE
Sonst steht Shay auf der Gästeliste der exklusiven Benefizgala. Doch um einer Freundin zu helfen, arbeitet sie diesmal im Service - und weckt Gideon Knights Interesse! Der Milliardär ahnt nicht, wen er an sich zieht, als Chicago bei einem Stromausfall in Dunkelheit versinkt …

PLÖTZLICH VERHEIRATET MIT DEM BOSS! von JAYCI LEE
"Ein Jahr. Kein Sex." Natalies Boss, der unverschämt gut aussehende Garrett Song, braucht dringend eine Ehefrau auf Zeit. Aber aus dem keuschen Deal, den Natalie mit ihm schließt, wird eine erotische Affäre! Und was wird aus Natalie, wenn das Jahr um ist?

BACCARA COLLECTION BAND 414

HEISSE KÜSSE FÜR DEN COWBOY von MAISEY YATES
Faith will ihre Karriere als Architektin vorantreiben. Doch ihr neuer Auftraggeber, Selfmade-Millionär Levi Tucker, weckt in ihr ein nie gekanntes Verlangen. Sie tauscht heiße Küsse mit dem Cowboy. Heiß und gefährlich - denn Levi hat eine dunkle Vergangenheit …

DIESMAL WILL ICH DICH FÜR IMMER von YVONNE LINDSAY
Nach Jahren der Trennung wagt Valentin einen Neuanfang mit seiner Ex-Frau Imogene. Nie hat er aufgehört, sie zu lieben und zu begehren. Aber wie soll er Imogene erklären, wer die Frau ist, die plötzlich in ihrem Haus auftaucht und Valentin für sich beansprucht?

PRICKELNDES VERLANGEN NACH DIR von ELLE WRIGHT
Love ist Ärztin mit Leib und Seele. Außerdem glaubt sie an die große Liebe. Ihren Jugendfreund Drake Jackson in einer Kapelle in Las Vegas zu heiraten, gehörte nicht zu ihrem Lebensplan. Doch woher kommt auf einmal dieses prickelnde Verlangen, das sie in seiner Gegenwart spürt?

BACCARA COLLECTION BAND 415

VERLIEB DICH NIE IN EINEN MILLIARDÄR von NAIMA SIMONE
Er sieht gut aus, ist verführerisch - und er macht ihr einen Antrag! Aber Witwe Isobel weiß: Sie darf sich auf keinen Fall in Milliardär Darius King verlieben. Er will sie schließlich nur aus Pflichtgefühl gegenüber seinem verstorbenen Freund heiraten. Oder etwa nicht?

SO GEHEIMNISVOLL UND SO VERLOCKEND von DEBORAH FLETCHER MELLO
Ein Kuss, und um Star-Designer Tinjin Braddy ist es geschehen. Als er sexy Model Natalie unverhofft wiedertrifft, beginnt er eine heiße Affäre mit ihr. Dann verschwinden die Entwürfe für seine neue Kollektion. Steckt etwa Natalie dahinter?

WARUM BEGEHRE ICH DICH SO SEHR? von LAUREN CANAN
Ally will ihre Ranch zurück, nur deshalb willigt sie in eine Scheinehe mit Seth Masters ein. Denn der Milliardär ist ihr Feind - seine Familie hat ihr die Ranch weggenommen. Dumm nur, dass Seth in ihr dieses gefährlich sinnliche Begehren weckt …


  • Erscheinungstag 21.01.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505482
  • Seitenanzahl 1152
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Charlene Sands, Naima Simone, Jayci Lee, Yvonne Lindsay, Maisey Yates, Elle Wright, Deborah Fletcher Mello, Lauren Canan

Liebe, Lust & Leidenschaft - Best of Baccara Collection 2020

Charlene Sands, Naima Simone, Jayci Lee

BACCARA COLLECTION BAND 421

IMPRESSUM

BACCARA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARA COLLECTION
Band 421 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2020 by Charlene Swink
Originaltitel: „Vegas Vows, Texas Nights“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Christopher Bischoff

© 2019 by Naima Simone
Originaltitel: „Black Tie Billionaire“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Silke Schuff

© 2020 by Judith J. Yi
Originaltitel: „Temporary Wife Temptation“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Susann Rauhaus

Abbildungen: brandon@ballenphotography.com / Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 07/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733726669

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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CHARLENE SANDS

Ja, ich will nur dich

Er will ihre Liebe – sie verlangt die Scheidung! Luke weiß, dass Katie ihre spontane Hochzeit und den heißen Sex in Las Vegas am liebsten ungeschehen machen würde. Aber er denkt gar nicht daran! Viel zu lange ist er schon verrückt nach ihr. Ob es sie ein bisschen beruhigt, wenn sie ihrer Familie erstmal nichts von der Ehe sagen?

NAIMA SIMONE

Was ein Milliardär begehrt

Gideon kann den Blick nicht von der hinreißenden Kellnerin abwenden, die auf der Luxusgala Champagner serviert. Ein Stromausfall, der die Stadt lahmlegt, gibt dem Milliardär die Chance, sie von sich zu überzeugen: Eine Nacht lang kommen er und die anmutige Schönheit sich ganz nah. Doch der Morgen bringt eine erstaunliche Wahrheit ans Licht …

JAYCI LEE

Plötzlich verheiratet mit dem Boss!

Garrett steht kurz davor, endlich CEO im familieneigenen Imperium zu werden. Aber seine Großmutter knüpft eine Bedingung an die Beförderung: Er soll heiraten. Sogar eine Braut hat sie für ihn ausgesucht. Kommt gar nicht infrage – lieber heiratet Garrett seine wunderschöne, verführerische Angestellte Natalie! Bloß dass die noch nichts von ihrem Eheglück weiß …

1. KAPITEL

Las Vegas, Nevada

Katie erwachte allmählich. Sie kuschelte sich in ihr bequemes Kissen und hielt die Augen geschlossen. Ein wärmender Sonnenstrahl fiel durch das Fenster des Hotelzimmers auf ihre Haut, wodurch ihr klar wurde, dass es später war als vier Uhr morgens, ihre übliche Zeit, um aufzustehen und zu backen.

Heute war sie jedoch nicht in Boone Springs, und Katie’s Kupcakes and Bakery war an diesem Wochenende geschlossen. Sie hatte einen superwitzigen Junggesellinnenabschied für ihre beste Freundin Drea organisiert, und dazu passend hatte sie gerade den fantastischsten Traum ihres Lebens gehabt. Obwohl die Einzelheiten ziemlich verschwommen waren, war sie noch nie mit so einem Gefühl der Zufriedenheit aufgewacht. Ihr Körper kribbelte von Kopf bis Fuß.

Ein Stups gegen die Schulter ließ sie die Augen aufreißen. Was zum …?

„Entschuldige“, flüsterte eine tiefe Männerstimme hinter ihr.

Sie öffnete die Augen noch weiter, während sie nach einer Erklärung suchte. Sie hatte sich die Stimme doch nicht eingebildet oder von ihr geträumt? Nein, sie war vollkommen wach, und es hatte sie wirklich gegeben. Sie konnte die Wärme des Bettzeugs neben sich spüren. Eine Hand streifte über ihre nackte Schulter. Katie keuchte auf.

Oh nein. Sie erkannte die Stimme wieder.

Sie packte die Decke, die ihren nackten Körper verhüllte, und rollte sich auf die Seite. Vielleicht hatte ihr Gehirn ihr nur einen miesen Streich gespielt. Diese Hoffnung wurde in jenem Moment zerstört, in dem sie ihn erblickte. Lucas Boone – den Ex-Verlobten ihrer Schwester. Der Mann, der Shelly das Herz gebrochen hatte.

Ihr Magen begann zu rebellieren.

Sie zog sich das Bettzeug unters Kinn und setzte sich benommen auf. Ihr Herz schlug schnell. „Luke, was in aller Welt …?“ Mühsam versuchte sie, sich zu konzentrieren.

„Sweetheart, leg dich wieder hin. Du hast mich gestern Abend unter den Tisch getrunken und ich habe verfluchte Kopfschmerzen. Dein Kater muss noch viel schlimmer sein als meiner.“

„Mein … Kater? Luke, verdammt. Ist das alles, was du zu sagen hast? Sieh uns an! Wir sind zusammen im Bett. Und wenn ich mich nicht vollkommen irre, bist du unter der Decke genauso splitternackt wie ich.“

Er griff nach der Bettdecke.

„Wag es ja nicht, zu gucken“, warnte sie ihn.

Er ließ die Decke wieder los. „Vermutlich hast du recht.“

Ihre Wangen brannten. Mit Lucas Boone im Bett zu sein war auf so vielen Ebenen falsch, dass sie es kaum glauben konnte. „Was zum Teufel haben wir letzte Nacht getrieben?“

Luke warf einen Blick auf die im Zimmer verstreuten Klamotten und zog eine Augenbraue hoch.

„Das können wir nicht … Ich würde nie … Ich könnte nicht …“

Du liebe Güte. Katie dachte daran zurück, wie Luke die Hochzeit mit ihrer Schwester drei Tage vor der Zeremonie abgeblasen und sich direkt danach bei den Marines verpflichtet hatte.

Er hatte behauptet, noch nicht bereit dafür zu sein, sesshaft zu werden, und die ganze Schuld auf sich genommen. Doch das machte all die Zeit nicht wieder gut, in der er Shelly glauben ließ, dass sie eine gemeinsame Zukunft hätten.

Das war nun fünf Jahre her. Inzwischen lebte Luke wieder in Boone Springs, der Stadt, die seine Vorfahren vor einem Jahrhundert gegründet hatten. Er war der Trauzeuge seines Bruders Mason und sie die Trauzeugin von Masons Verlobter Drea. Unwissentlich war sie mit Luke für einen gemeinsamen Junggesellen-Junggesellinnen-Abschied in der Stadt der Sünde gelandet. Las Vegas, Baby. Was dort passierte, blieb dort.

Katie dachte wieder an ihre Schwester. Deren Narben waren längst nicht verheilt. Die arme Shelly hatte der Demütigung tapfer getrotzt, doch sie hatte nie vergessen, was Luke ihr angetan hatte, wie sehr er ihre Liebe und ihr Vertrauen missbraucht hatte. Sie war verbittert und traurig, und ihre Mutter Diana und sie bekamen noch immer zu hören, wie Luke ihr Leben ruiniert hatte. Deshalb wäre der Gedanke, dass sie, ob betrunken oder nicht, mit Shellys Ex schlief, das Allerschlimmste.

Luke rollte sich auf die Seite und stützte den Kopf auf eine Hand, als diskutierten sie gerade darüber, was sie zum Frühstück essen sollten. „An was erinnerst du dich von letzter Nacht?“

„An was ich mich erinnere?“

„Ja. Erinnerst du dich, dass du die Party mit mir verlassen hast?“

Katie bewegte sich so weit von ihm weg, wie das Bett es erlaubte, und überlegte. Sie erinnerte sich daran, dass sie getrunken und gelacht und die meiste Zeit mit Luke getanzt hatte. Sie hatte sich schuldig gefühlt, weil sie so viel Spaß mit ihm hatte, doch sie hatten sich schon immer gut verstanden, waren immer Freunde gewesen, bis er einen Rückzieher von der Hochzeit machte.

Die Boones waren gute Kunden ihrer Bäckerei. Sie und Luke teilten außerdem eine Leidenschaft für Pferde und arbeiteten beide ehrenamtlich bei der Red Barrel-Pferderettung. Seit seiner Rückkehr vom Militär vor beinahe einem Jahr waren sie jedoch übermäßig zurückhaltend miteinander umgegangen, und ihre Unterhaltungen liefen häufig gestelzt und unbeholfen ab. Auch sie war verletzt gewesen, als Luke ihre Schwester sitzen ließ. Sie hatte ihm ebenfalls vertraut.

„Ich erinnere mich, dass du mir angeboten hast, mich zu meinem Hotel zu begleiten.“ Das nur ein paar Blocks vom Nachtclub entfernt lag.

„Wir hatten beide zu viel getrunken.“

Ihre Kopfschmerzen riefen ihr das immer wieder in Erinnerung. „Ja.“

Luke sah ihr fest in die Augen; seine waren hell und tiefblau. Irgendwie faszinierend.

„Du hast mich angefleht, dich nicht zu deinem Hotel zurückzubringen. Du wolltest nicht, dass die Nacht endet. Du … äh …“

Katie rieb sich den schmerzenden Kopf. Das hier wurde mit jeder Sekunde schlimmer. „Was?“

Luke schwieg.

„Was habe ich gesagt?“, fragte sie nachdrücklich. Sie musste es wissen, um sich einen Reim auf alles machen zu können.

„Du hast gesagt, du willst das, was deine Freunde haben. Du willst jemanden, den du lieben kannst.“

„Oh Gott.“ Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, ihre langen Haare fielen herab. Es war ihr peinlich, in betrunkenem Zustand ihr innerstes geheimes Verlangen gelüftet zu haben. Und ausgerechnet ihm gegenüber. „Und deshalb sind wir in deinem Hotelzimmer gelandet?“

Luke zuckte zusammen und kniff die Augen zu. Sein besorgter Gesichtsausdruck beunruhigte sie.

„Nicht ganz. Vorher sind wir woanders hingegangen.“

„In einen anderen Club?“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht, wenn man dem hier glaubt.“ Er griff nach einem Zettel auf dem Nachttisch und überflog ihn kurz. „Noch etwas, das du wolltest …“ Er reichte ihr das Papier.

Katie studierte die fetten Buchstaben auf dem Stück Pergament und ihre Hand begann zu zittern.

Eine Heiratsurkunde.

Ihre beiden Namen waren eingetragen und sie trug das heutige Datum. „Das kann nicht dein Ernst sein.“

„Hey, ich erinnere mich auch nicht mehr an viel von letzter Nacht. In meinem Kopf dreht sich alles wie ein verdammter Kreisel.“

Das war absurd. Es musste ein schlechter Witz sein. Wo war die versteckte Kamera? Irgendwer erlaubte sich einen Streich mit ihr.

Es stimmte schon, dass sie oft über ihre geheimen Wünsche nachgedacht hatte. Sie wollte die Liebe finden und heiraten, auch wenn sie diese Wünsche niemandem gegenüber je äußerte. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde sich Sorgen um sie machten oder glaubten, dass sie sie um ihr Glück beneidete. Aber das hätte sie Luke doch nicht verraten, oder? Und ganz sicher hätte sie es nicht ausgelebt.

Dennoch starrte die Wahrheit ihr ins Gesicht. Das Datum war von heute, also hatten sie nach Mitternacht geheiratet, etwa kurz nachdem sie zusammen den Club verlassen hatten. Die Fakten ergaben Sinn, aber sie hatte trotzdem Probleme, das alles zu verdauen.

„Ich kann das nicht glauben. Nein, das ist nicht wahr.“ Sie senkte die Stimme. „Wir haben nicht … noch etwas anderes getan, oder?“

War sie wirklich so naiv zu denken, dass sie nackt mit dem attraktiven, gut gebauten Luke im Bett gelandet war, ohne Sex mit ihm zu haben?

„Ich erinnere mich an ein paar Dinge. Von gestern Nacht.“ Das Blau seiner Augen wurde dunkler, intensiver. „Du nicht?“

Sie wollte es nicht. Sie wollte es nicht für möglich halten, dass sie die Nacht mit dem einzigen Mann auf der ganzen Welt verbracht haben sollte, der für sie tabu war. Doch verdammt noch mal, vage Erinnerungen kratzten an der Oberfläche ihres Gedächtnisses. Wie sie umarmt und geküsst wurde – wie ihr Körper gestreichelt, geliebt wurde. Sie verzog das Gesicht. Gütiger Gott, die Erinnerungen waren verschwommen und schwach, aber sie waren da.

„Oh nein“, flüsterte sie. Tränen traten ihr in die Augen. „Warum hast du das nicht verhindert?“

Es war ungerecht, ihm die Schuld zuzuschieben. So wie er bei ihrer Frage zusammenzuckte, dachte er das offenbar auch.

„Ich … konnte nicht.“

Er konnte nicht? Was bedeutete das?

„Katie, alles ist gut. Wir sind verheiratet. Ich habe dich nicht ausgenutzt. Ich meine, wenn ich mich richtig erinnere, hast du dich über nichts davon beschwert.“

Sie presste sich die Decke fester an die Brust. „Darüber, glaubst du, mache ich mir Gedanken? Es ist in Ordnung, dass wir Sex hatten, weil wir verheiratet sind? Mein Gott, Luke. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie furchtbar das ist? Du warst mit meiner Schwester verlobt! Du hast sie praktisch vorm Altar stehen lassen. Meine Mutter und Shelly waren am Boden zerstört. Ich mache mir hier keine Sorgen um meine Keuschheit. Es geht um etwas viel Größeres.“

„Okay, okay. Beruhige dich.“ Luke strich sich übers Gesicht. „Ich werde jetzt duschen und mich anziehen, dann besprechen wir das. Es sei denn, du willst zuerst?“

„Nein, nein.“ Verheiratet oder nicht, sie würde sich ihm nicht nackt zeigen. „Du gehst zuerst.“

„Gut. Und Katie … es wird wirklich alles gut.“

Sie runzelte die Stirn. Die Falten wurden nur noch tiefer, als Luke aus dem Bett aufstand und ins Bad ging, als wären sie schon seit Jahren verheiratet, und sie einen atemberaubenden Blick auf die breiten Schultern, die muskulösen Arme und seinen perfekten Hintern erlangte.

Ihr Herz klopfte wie wild. Sie hatte einen Boone geheiratet, einen der reichsten Männer von ganz Texas. Den Mann, der ihre Schwester betrogen hatte und den sie in den letzten Monaten so verzweifelt zu meiden versucht hatte.

Sobald sie hörte, dass die Tür zum Bad ins Schloss fiel, stand sie auf und suchte ihre Kleidung vom Boden zusammen. Da entdeckte sie die leere Kondompackung. Das war der unbestreitbare Beweis dafür, dass sie die Ehe vollzogen hatten – als ob ihr befriedigter Körper das nicht bereits zu schreien schien.

Sie zog sich an und wartete auf Luke. Sie mussten das umgehend klären. Sie würde nicht als Katie Boone nach Hause zurückkehren. Ganz sicher nicht.

Als sie hörte, wie die Dusche ausging, wappnete sie sich, kämmte ihr Haar mit den Fingern und glättete ihr Cocktailkleid. Ihre Entschlossenheit war so stark wie ihre Verärgerung.

Die Tür öffnete sich und Luke trat mit feuchten Haaren heraus. Seine Haut schimmerte im Morgenlicht. Um die Hüfte hatte er ein weiches weißes Handtuch geschlungen, der Rest von ihm bestand aus gestählten Muskeln.

Gütiger Gott. War er der Mann aus ihren Träumen?

Nein, das konnte nicht sein. Nur weil sie einmal Freunde gewesen waren und eine Liebe für Pferde teilten, bedeutete das nicht, dass sie jemals so über ihn denken würde, nicht mal unterbewusst.

„Luke, wir müssen reden.“

Er betrachtete sie von oben bis unten, sein Blick heftete sich an ihr schwarzes Kleid, und plötzlich wurde ihr unheimlich warm. Sie widmete ihre Aufmerksamkeit einem Wassertropfen, der sich einen Weg seine nackte Brust hinunter bahnte, unter feinen Härchen hindurch und an seinem Nabel vorbei, bis er vom Handtuch aufgesogen wurde.

Luke erwischte sie dabei und lächelte. „Ich brauche eine Tasse Kaffee. Die brauchen wir beide. Ich bestelle Frühstück, während du duschen gehst.“

Er wirkte zu entgegenkommend, viel zu locker, als hätte er nicht ebenfalls den größten Schnitzer seines Lebens gemacht. Wo war seine Panik?

„Und dann klären wir das Ganze?“

Er nickte. „Dann reden wir, versprochen.“

Dreißig Minuten später trat Katie aus dem Bad und fühlte sich ein bisschen besser, was ihre missliche Lage betraf. Ihr war noch immer etwas flau im Magen, doch ihre Sicht der Dinge war nicht mehr ganz so pessimistisch. Sie waren schließlich in Las Vegas. Wie schwer konnte es schon sein, ihre kurze Ehe annullieren zu lassen, die Scheidung von einer Hochzeit zu erwirken, die niemals hätte stattfinden sollen? Sicherlich gab es Hunderte Menschen, die sich nach einer wilden Nacht und zu viel Alkohol in derselben Situation befanden.

Luke wartete auf sie neben dem Rolltisch, den der Zimmerservice gebracht hatte. Zum Glück war er inzwischen komplett angezogen – er trug Jeans und ein marineblaues Shirt, das seine Augen noch eine Spur blauer schimmern ließ. Sie hatte bloß das Outfit, in dem sie letzte Nacht gekommen war, und ihre Handtasche. Glücklicherweise hatte ihr Handy genügend Akkuleistung, sodass sie Drea schreiben konnte, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte und sie ihr später alles erklären würde.

Oder auch nicht.

Doch irgendwas musste sie der Braut in spe erzählen. Sie teilten sich ein Hotelzimmer, außerdem hatte Drea sie gestern Abend mit Luke verschwinden sehen und wusste, dass sie nicht in ihr Zimmer zurückgekehrt war.

„Bereit fürs Frühstück?“

Luke schlürfte bereits einen Kaffee, die dampfende Kanne stand auf dem Tisch neben Tellern mit Bacon, Eiern, armem Ritter, Bratkartoffeln und einem Korb mit frischem Gebäck.

Igitt. Nichts davon sah appetitlich aus. Sie konnte nichts essen. „Nein, danke. Kaffee reicht.“

Sie schnappte sich die Kaffeekanne und goss sich eine Tasse ein, dann setzte sie sich ihm gegenüber. Sie ließ drei Zuckerwürfel hineinplumpsen und rührte um. Luke zog eine Augenbraue hoch.

Was sollte sie sagen? Sie liebte süßes Trostfutter, und jetzt gerade war Zucker Balsam für ihre Seele. Lukes stumme Missbilligung veranlasste sie, nach einem vierten Zuckerstück zu greifen, sie sah ihm direkt in die Augen, während sie den Würfel in ihren Kaffee fallen ließ.

„Willst du gar nichts essen?“, fragte er.

„Ich habe keinen Hunger, Luke. Mir ist noch immer schwindelig.“

„Ich dachte, die Dusche würde helfen.“

„Unter der Dusche ist mir eins klar geworden: Wenn unser Ausflug nach Las Vegas uns in diesen Schlamassel hineingebracht hat, warum kann er uns nicht auch wieder herausbringen?“

Luke sah sie lange an. „Was?“

„Ich möchte eine Scheidung. Auf der Stelle. Irgendwer in dieser Stadt kann uns sicher dabei helfen.“

Luke kratzte sich am Kopf und sah sie an, als wäre sie ein Kind, das nach dem Mond greifen wollte.

„Das ist unmöglich, Katie.“

„Wie kannst du so etwas sagen? Wir haben es nicht mal versucht. Pass auf, ich war gestern Nacht nicht ich selbst, und das weißt du. Wie lange kennen wir uns jetzt? Zehn Jahre?“

„Zwölfeinhalb.“

Sie starrte ihn an und er zuckte mit den Schultern.

„Ich habe ein gutes Gedächtnis für Daten. Wir haben uns beim ersten Jubiläum der Red Barrel-Rettung kennengelernt.“

Katie erinnerte sich an diesen Tag. Sie hatte die Rettungseinrichtung als Thema ihrer Facharbeit in der Highschool gewählt und war hingegangen, ohne zu wissen, was sie erwartete. Sie hatte nur einen Blick auf die geschändeten und verstümmelten Pferde geworfen, um die man sich dort kümmerte, und war schon verliebt. Luke war auf gewisse Art ihr Mentor gewesen, und durch sie hatte er ihre Schwester Shelly kennengelernt.

„Und in all diesen zwölfeinhalb Jahren bin ich dir da jemals impulsiv oder wild oder, wie du es heute genannt hast, als eine Frau vorgekommen, die dich unter den Tisch trinken könnte?“

„Nein.“ Er kratzte sich erneut am Kopf. „Andererseits war ich auch noch nie mit dir in Las Vegas.“

Sie rollte mit den Augen. „Das ist eine ernste Angelegenheit, Luke. Ich erinnere mich nicht mehr daran, dass all das gestern Nacht passiert ist, aber ich weiß ganz bestimmt, dass wir dieses Problem so schnell wie möglich aus der Welt schaffen müssen.“

„Ich … stimme dir zu.“

„Wirklich? Gut, denn für eine Sekunde habe ich schon befürchtet, dass dir das nicht wie ein großes Problem vorkäme.“

„Ich kann mich nicht scheiden lassen, bevor ich nicht mit meinem Anwalt gesprochen habe. Es tut mir leid, Katie, aber das wird heute nichts.“

„Warum nicht?“

„Weil es kompliziert ist. Ich bin ein Boone, das bedeutet, dass Scheidungsverfahren ziemlich hässlich werden können. Mein Anwalt wird mich nichts unterschreiben lassen, das er nicht vorher gesehen hat.“

„Meine Güte, Luke, ich will nichts von dir oder deiner Familie. Wenn du darauf hinauswillst, kannst du direkt zu …“

„Es liegt nicht an mir, Katie. So laufen die Dinge nun mal, wenn du …“

„Reich bist?“

„Ein Boone bist.“

„Wie schlimm es sein muss, dass du nie weißt, wem du vertrauen kannst. Vermutlich hattest du genau die gleichen Schwierigkeiten mit Shelly?“

„Lass uns deine Schwester da raushalten.“

„Du hast leicht reden.“ Katies Magen brannte inzwischen, die Säure schäumte heftig. Es lief nicht gut. Er stellte sich begriffsstutzig und die Andeutung, dass sie es irgendwie auf das Geld der Boones abgesehen hatte, brachte sie auf die Palme. „Und es gibt nichts, was wir tun können? Vielleicht wenn du deinen Anwalt anrufst …“

Luke warf ihr einen finsteren Blick zu. „Das geht nicht. Er ist aus persönlichen Gründen nicht im Land.“

„Aus persönlichen Gründen? Du könntest sagen, dass dies dein persönlicher Grund ist.“

Er seufzte. „Seine Mutter ist furchtbar krank und er ist dort, um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Also, falls der schlimmste Fall eintritt.“

„Oh. Tut mir leid, das zu hören. Kannst du nicht jemand anderes beauftragen?“

Luke schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, so funktioniert das nicht. Zumindest nicht für mich.“

Sie stemmte die Hände in die Hüften, seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich augenblicklich dorthin. An wie viel von letzter Nacht erinnerte er sich? Er betrachtete sie anders als zuvor. Als nähme er ihre Ehe ernst, als wäre sie … seine Frau. „Ich kann nicht mit dir verheiratet nach Boone Springs zurückkehren, Luke.“

„Sieht so aus, als müsstest du das. Unser Flug geht in ein paar Stunden.“

Katie seufzte, Tränen stiegen ihr in die Augen. „Ich fasse das einfach nicht.“

Er schwieg.

Sie hatte keine andere Wahl, als nachzugeben. Sie sah keinen Ausweg. Wenn sie ihren Aufenthalt in Las Vegas verlängerte, würde die gesamte Hochzeitsgesellschaft misstrauisch werden. Das brauchte sie nicht. Sie musste mit dem, was zwischen Luke und ihr vorgefallen war, hinterm Berg halten und sich etwas ausdenken, bevor das Firmenflugzeug der Boones abhob.

„Na gut, aber ich bin darüber nicht glücklich. Falls die Wahrheit herauskommt, bin ich dem Untergang geweiht. Es würde die Beziehung zu meiner Familie zerstören. Und wer weiß, wie sehr es die Gesundheit meiner Mama beeinflussen würde. Versprich mir, dass niemand davon erfährt. Versprich mir, dass du unser Geheimnis für dich behältst.“

Luke berührte ihre Hand, sein leichtes Streicheln war süß, tröstend und verflucht verwirrend.

„Ich verspreche es, Katie. Niemand wird es erfahren.“

Luke wartete, bis alle an Bord des Boone-Firmenflugzeugs waren, und hielt seinen Blick auf Katie gerichtet. Sie nahm einen Platz bei den Brautjungfern im hinteren Teil ein, wo sich die Mädels um die Braut in spe zusammendrängten.

Er konnte nicht anders, als Katies wunderschönes blondes Haar zu bewundern, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Die Strähnen, die ihr Gesicht einrahmten, verliehen ihr ein unschuldiges und niedliches Aussehen. All das war sie auch, doch gestern im Club hatte er ihre aufreizende, leidenschaftliche Seite gesehen. Ihre sanften grünen Augen hatten verschmitzt gefunkelt, besonders als sie in ihrem sexy schwarzen Kleid tanzte. Nun, in Denim-Jacke und Jeans, bildete sie einen wundervollen Gegensatz zu den cremefarbenen Ledersitzen und dem Ambiente des speziell angefertigten Flugzeugs.

Sie war seine Ehefrau. Er konnte es kaum glauben. Er war tatsächlich mit Katie Rodgers verheiratet. Während Mason mit Drea und sein anderer Bruder Risk mit April verlobt war, hatte er seine Brüder ungewollt beim Schritt vor den Altar geschlagen.

Katie sah in seine Richtung und ihre Blicke trafen sich. Er könnte sie für immer ansehen und dessen nie müde werden. Sobald sie seinen Blick bemerkte, wandte sie sich jedoch ab.

Er lächelte in sich hinein, wagte es aber nicht, in Gegenwart einer ruhigen, übel gelaunten Katie zufrieden zu wirken. Sie war gerade herzlich genug zu ihren Freundinnen, um Nachfragen abzuwenden. Sie hatte allen erzählt, ihr sei gestern Nacht schlecht geworden und sie habe sich die Seele aus dem Leib gekotzt, sodass er sie in den frühen Morgenstunden in die Notaufnahme gebracht habe, um sicherzustellen, dass sie nicht dehydrierte.

Es war eine plausible Flunkerei, die jeder zu glauben schien, abgesehen von seinen Brüdern. Während Drea sich bei ihm bedankt hatte, dass er sich um ihre beste Freundin gekümmert hatte, hatten ihn sowohl Risk als auch Mason schief angesehen.

Verdammt, er hatte all das ganz sicher nicht geplant, doch Katies leise dahingehauchter Wunsch, die Liebe ihres Lebens zu finden und zu heiraten, hatte etwas tief in ihm erschüttert und sein einsames Herz gepackt. Er hatte ebenfalls zu viel getrunken, und seine Willenskraft in ihrer Gegenwart war auf einem Allzeittief gewesen. Sie hatte mit ihm geflirtet, ihn praktisch aufgefordert, mit ihr zu schlafen, und na ja … dagegen hatte er sich nicht wehren können. Nicht bei ihr.

Luke schnallte sich an und warf einen Blick zu Katie. Sie sah fix und fertig aus, als hätte sie gerade ihre beste Freundin verloren, obwohl Drea direkt neben ihr saß.

Er seufzte, und als er sich wieder umdrehte, fand er sich Auge in Auge Risk gegenüber, der auf dem Nachbarsitz saß.

„Läuft da irgendwas zwischen euch beiden?“, fragte sein Bruder.

Er hatte Katie versprochen, ihr Geheimnis nicht zu verraten, und diesen Schwur würde er nicht brechen. „Mit wem?“

„Stell dich nicht dumm. Zwischen dir und Katie.“

„Nein, da läuft nichts.“ Luke warf ihm einen warnenden Blick zu.

Risk hob abwehrend die Hände. „Hey, ich will nur, dass du auch mal glücklich bist.“

„Du weißt aber schon, wer sie ist, oder?“

Risk feixte. „Die beste Bäckerin in ganz Texas. Sie würde uns mit Gourmet-Cupcakes dumm und dämlich füttern.“

„Sie ist Shellys kleine Schwester. Und sie kann mich kaum ertragen.“

Katie hatte Shelly vor Jahren einmal zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung der Red Barrel-Rettungsstation geschleppt und sie einander vorgestellt. Es hatte sofort gefunkt, und er fing an, mit Katies großer Schwester auszugehen. Die Verlobung war der nächste logische Schritt gewesen. Bis zu dem Tag, an dem er aufwachte und bemerkte, dass er einen riesengroßen Fehler beging.

„Ihr beide seid gestern Abend zusammen verschwunden“, sagte Risk. „Und heute kannst du die Augen nicht von ihr lassen.“

„Lass es einfach gut sein. Okay?“

Risk schien seine Verärgerung zu bemerken. „Okay, ich halte mich da raus.“ Er klopfte ihm auf die Schulter. „Aber wenn es ein Problem gibt, bin ich für dich da.“

„Das weiß ich zu schätzen. Wieso sitzt du eigentlich nicht bei deiner Verlobten?“

„Scheint ganz so, als wäre der Junggesellinnenabschied der Mädels erst vorbei, wenn das Flugzeug wieder in Boone Springs landet.“

Risk beobachtete April, was Luke die Gelegenheit gab, noch einmal nach Katie zu schauen. Da saß sie und gab ihr Bestes, den anderen nicht den Spaß zu verderben, versuchte zu lächeln und den Kummer zu verbergen, der vermutlich in ihr brodelte. Der Gedanke, dass er diesen Kummer verursachte, nagte an ihm. Das war das Letzte, was er wollte. Doch er konnte sie nicht gehen lassen. Nicht jetzt.

Sie war die Frau, die seine Liebe für Pferde teilte, die die halbe Nacht mit ihm getanzt hatte, und außerdem jene unerreichbare Frau, die ihn die vergangenen fünf Jahre in seinen Träumen begleitete.

Er brauchte eine Chance mit ihr, und das war die beste, die er bekommen würde.

Eine Chance.

War das zu viel verlangt?

2. KAPITEL

Eine Limousine der Boones holte die gesammelte Hochzeitsgesellschaft am Flughafen ab und brachte alle Gäste jeweils direkt nach Hause in die Außenbezirke der Stadt. Katie war eine der Letzten, die abgesetzt wurden, da sie im Herzen von Boone Springs in einem Apartment über ihrer Bäckerei lebte.

Es war eine bescheidene Wohnung mit einem Schlafzimmer und einem Bad, doch die Räume waren weitläufig, und ihre große Küche diente als Reserve, wenn die Aufträge in der Bäckerei das Limit überschritten. Das passierte nicht oft. Katie führte den Laden effizient, und es gab nichts Besseres, als um vier Uhr morgens aus dem Bett zu rollen und im Pyjama unten zu arbeiten, bis die Bäckerei um sieben Uhr öffnete.

Als die Limo vor ihrem Haus hielt, erfasste sie eine Woge der Erleichterung. „Hier muss ich raus“, sagte sie zu ihren Freunden, die noch im Wagen saßen. „Ich hoffe, ihr hattet alle eine tolle Zeit.“

Drea nahm sie fest in den Arm. „Es war wunderbar. Ein fantastischer Mädelsausflug, meine Liebe. Vielen Dank für alles. Dafür habe ich dich so lieb.“

„Hab dich auch lieb.“

Katie sah in die Runde und winkte zum Abschied. „Ihr alle habt die Party für unsere lieben Freunde zu etwas Unvergesslichem gemacht.“

„Nach letzter Nacht habe ich mehr vergessen als behalten“, sagte Mason lächelnd.

„Du hattest einen großartigen Abend mit Freunden und Familie, besonders mit deiner Verlobten.“ Drea drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Frag einfach mich, dann fülle ich die Lücken.“

Katie hatte auch ein paar Lücken, die sie gerne gefüllt gehabt hätte.

„Aber eins weiß ich: Luke und Katie haben hart daran gearbeitet, alles zu organisieren. Danke dafür“, sagte Mason. „Ihr zwei seid ein gutes Team.“

Eine Hitzewelle schoss ihr den Nacken hinauf. „Danke. Es war eigentlich gar nicht so schwer, und es hat Spaß gemacht.“ Der einzig schwierige Teil war die Zusammenarbeit mit Luke gewesen. Ihrem Ehemann. Oh Gott.

Der Fahrer der Limo holte ihre Taschen und öffnete ihr die Tür.

„Ich steige auch hier aus“, wandte Luke sich an den Fahrer.

Katie starrte ihn an.

„Es ist nur ein kurzes Stück zu Fuß bis zum Büro“, erklärte er. „Und ich habe noch etwas zu erledigen. Benny, wenn Sie meine Taschen an der Ranch abliefern könnten? Das wäre sehr nett.“

Der Fahrer nickte. „Ja, Sir.“

Katie stieg aus, Luke direkt hinter ihr.

„Die nehme ich.“ Er nahm dem Fahrer ihre Taschen aus der Hand.

Katie bemerkte einige verwunderte Blicke aus dem Wagen und wäre am liebsten im Boden versunken. Was um Himmels willen tat Luke da? Sie wollte keinen Verdacht erregen. Es war schlimm genug, dass sie ihre beste Freundin darüber hatte anlügen müssen, wo sie letzte Nacht gewesen war. Luke schien gar nicht zu bemerken, wie sein Verhalten auf die anderen wirkte.

„Tschüss“, sagte Drea. „Danke noch mal, Süße. Wir reden bald.“

„Okay.“ Katie schenkte ihrer Freundin ein Lächeln.

Als die Limo davonfuhr, drehte sie sich zu Luke um. „Gib mir meine Taschen.“

„Ich trage sie für dich hoch.“

„Das ist nicht nötig.“

„Ich weiß, aber ich würde gerne.“

„Warum?“

„Du hast immer noch einen Kater. Du siehst blass und ein bisschen geschwächt aus.“

„Der einzige Grund, wieso ich krank aussehe, ist wegen dem, was zwischen uns passiert ist. Das verursacht mir Bauchschmerzen.“

Einer seiner Mundwinkel zuckte, doch es tat ihr überhaupt nicht leid, dass sie so grob gewesen war. Nun, vielleicht tat es ihr ein ganz kleines bisschen leid. Es war ebenso sehr ihr Fehler, wie es seiner war.

„Umso mehr ein Grund, dir zu helfen. Ich fühle mich verantwortlich.“

„Brauchst du nicht.“

„Ich kann nicht anders, Katie. Komm, du musst dich ausruhen.“

Es gefiel ihr nicht, dass er ihr sagte, was gut für sie war, doch er reckte stur das Kinn, und sie konnten nicht den ganzen Tag hier stehen und sich streiten. „Also schön.“

Er war schlau genug, sich nicht damit zu brüsten, den Punkt gewonnen zu haben, sondern nickte und ging mit ihren Taschen hinüber zur Eingangstür.

Sie schloss den Laden auf und trat ein. Die Bäckerei war drei Tage geschlossen gewesen, dennoch erfüllte der Duft von Vanille, Zimt und Zucker die Luft. Der Geruch von Zuhause. Sie seufzte und ihr Körper entspannte sich.

„Hier drin riecht es so, wie du bist“, bemerkte Luke, als könnte er ihre Gedanken lesen.

„Und das wäre?“, fragte sie.

„Süß.“

Sie ließ seine Antwort für einen Moment im Raum stehen. Gerade fühlte sie sich nicht süß. Sie fühlte sich furchtbar und schuldig. Noch immer wünschte sie sich, sie könnte diesem schrecklichen Traum entkommen. Als Ehefrau des Ex ihrer Schwester aufzuwachen war wahrhaftig ein Albtraum. Und je schneller sie das wieder ins Lot brachte, desto besser.

„Die Treppe ist hinten, durch die Küche.“ Sie ging voran und er folgte ihr.

Er blieb stehen und ließ den Blick durch die Backstube schweifen. „Hier findet also die Magie der Cupcakes statt. Ich habe mich immer gefragt, wie dieser Ort aussehen mag.“

„Ja, so ist es. Hier verbringe ich einen Großteil meines Lebens.“ Sie konnte die Freude in ihrer Stimme nicht unterdrücken. Sie war stolz auf ihren Laden, stolz darauf, was sie erreicht hatte. Und sie liebte ihre Arbeit.

Luke studierte den riesigen Mixer, die Schüsseln und Cupcake-Bleche, die Kanister mit Mehl und Zucker sowie den Industriekühlschrank. Ja, das war ihr Zuhause.

„Hier sehe ich dich“, sagte Luke, als stellte er sie sich bei der Arbeit vor.

„Es ist nicht glamourös.“

„Ich kann mir vorstellen, dass es verdammt harte Arbeit ist. Aber Arbeit, die dir Spaß macht.“

„Stimmt.“

„Deine Bäckerei ist die beste der Region, jeder weiß das. Doch ich habe dich nur als Pferdeliebhaberin kennengelernt. Du verbringst viel Zeit bei der Red Barrel-Rettung. Wie bringst du beides unter einen Hut?“

„Du leitest ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen, wie findest du die Zeit?“

Er grinste. „Du bist clever, das muss man dir lassen.“

„Offenbar nicht clever genug“, murmelte sie. Ansonsten wäre sie nicht mit ihm im Bett gelandet.

Luke strich sich übers Gesicht. „Ich habe nicht gelogen, als ich meinte, dass es auf Gegenseitigkeit beruht hat, Katie. Das weiß ich ganz sicher. Mach dir nicht zu viele Schuldgefühle.“

Katie kniff kurz die Augen zusammen und nickte. Der Mann, den sie von der Pferderettung kannte, war sanftmütig, einfühlsam und freundlich. Er war einst ihr Freund gewesen, und da fing die ganze Verwirrung an. Denn er hatte ihrer Schwester wehgetan, und vielleicht war alles, was sie über ihn zu wissen glaubte, vollkommen falsch. „Okay, können wir einfach nicht darüber reden?“

„Worüber nicht reden?“ Er spielte mit. „Du wolltest mir gerade erzählen, wie du die Zeit findest, in der Rettungsstation zu arbeiten.“

„Mein Arbeitstag ist früh zu Ende. Und ich finde die Arbeit wichtig, die wir dort leisten. Diese Tiere brauchen Hilfe.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich date nicht. Oder zumindest habe ich das eine ganze Weile nicht mehr, deshalb habe ich alle möglichen …“

„Du wirst keine Dates mehr haben, Katie.“

Sein Tonfall gefiel ihr nicht, ebenso wenig wie der indirekte Befehl. „Luke, um Himmels willen. Glaubst du, ich möchte mein Leben noch komplizierter machen?“ Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Und du hast mir nicht zu sagen, was ich zu tun oder zu lassen habe.“

„Es mag eine überstürzte Hochzeit gewesen sein, aber du bist meine Frau.“

Sie rümpfte die Nase. „Hör auf damit.“

„Ich bin dein Ehemann.“

„Für eine Millisekunde. Denk dran, du hast versprochen, dich so schnell wie möglich um die Scheidung zu kümmern.“

„Das habe ich und das werde ich. Aber bis dahin …“

Luke kam näher, seine unglaublichen Augen blickten sie sanft an. Er nahm ihre Hand und drückte sie.

„Falls du jemals etwas brauchst, ruf mich an.“

„Du weißt, was ich will.“

Er lächelte und seine blauen Augen gewannen an Farbkraft. „Ich weiß, was du zu wollen glaubst.“

„Was soll das heißen?“

Seine Hand schloss sich sanft um ihren Nacken und er zog sie zu sich. Dann senkte er die Lippen auf ihre und küsste sie. Es war liebevoll und süß, überhaupt nicht fordernd, und der Genuss machte es schwer, sich von ihm zu lösen.

„Du solltest gehen“, murmelte sie und stupste ihn gegen die Brust.

„Ich wollte gerade los.“

Als er einen Schritt zurücktrat, sah sie ihn an. Einen kurzen Augenblick, nur eine winzige Sekunde, entdeckte sie etwas in ihm, das sie glücklich machte, und sie wünschte, er müsste nicht gehen.

„Wenn du von deinem Anwalt hörst, melde dich.“

Er nickte und verließ die Bäckerei.

Vielleicht war es gut, dass sie ihn nicht mit nach oben genommen hatte.

Katie rannte die Treppen hinunter und stieß sich an der letzten Stufe einen Zeh. „Aua, verdammter Mist.“ Als sie die Bäckerei betrat, konnten nicht einmal die wohltuenden Aromen all der süßen Dinge ihre Stimmung an diesem Morgen aufhellen.

Nachdem sie am Vorabend noch völlig erschöpft, übermüdet und nervös zum Haus ihrer Mutter gefahren war und für kurze Zeit den gigantischen Fehler vergessen hatte, der ihr in Las Vegas unterlaufen war, hatte sie nun verschlafen und lag total hinter ihrem Zeitplan.

Herrje, ihr schwirrte so viel im Kopf herum – es hatte auch nicht geholfen, dass ihre Schwester wieder einmal kein gutes Haar an Luke gelassen hatte, als Katie vom Junggesellinnenabschied berichtete. Lange hatte sie nicht einschlafen können, und als es ihr schließlich doch gelungen war, war der Schlaf tief und fest gewesen. Sie hatte geträumt, dass eine gesichtslose Bestie sie verfolgte, und sie war gerannt und gerannt, bis sie schweißgebadet aufgewacht war.

Wollte dieser Traum ihr etwas mitteilen?

Sie schaltete das Licht an, band sich ihre lavendelfarbene „Katie’s Kupcakes and Bakery“-Schürze um und machte sich an die Arbeit. Das Montagsmorgen-Angebot war ein Karotten-Zucchini-Cupcake mit luftiger Aprikosenfüllung. Sie nannte es ihr „Smart Start Spezial“, eine gesündere Alternative zu den zuckrigen Naschereien. Es war der Renner bei all jenen, die sich schuldig fühlten, weil sie am Wochenende zu viel gesündigt hatten.

Ihre Aushilfe Lori klopfte an der Hintertür. Katie öffnete und blickte in ein lächelndes Gesicht.

„Hey, schön dich zu sehen. Wie war dein Ausflug?“, fragte Lori, als sie an ihr vorbeiging und ihren Pullover auszog.

„Äh, es war okay.“

„Ach ja? Nur okay?“

Lori klang, als hätte sie ihre Zweifel. Seit sechs Jahren arbeiteten sie eng zusammen und kannten sich ziemlich gut. Inzwischen ging Lori abends aufs College, um einen Abschluss in Betriebswirtschaft zu machen, daher waren die Zeiten in der Bäckerei perfekt für sie. Der Laden schloss um zwei Uhr mittags.

„Klingt so, als hättest du keinen Spaß gehabt. Ist irgendetwas passiert?“

„Nein. Nichts. Ich bin nur müde. Habe verschlafen.“

„Du verschläfst nie. Vielleicht hattest du zu viel Spaß in Las Vegas.“ Lori zwinkerte. „Du musst es mir in allen Einzelheiten berichten. Ich war das ganze Wochenende in meinem Zimmer gefangen, habe gebüffelt und mir deine coole Reise ausgemalt.“

„Es gibt keine Einzelheiten.“ Katie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten eine schöne Zeit. Erst Sightseeing, dann eine Show. Wir hatten einen Tag im Spa mit vielen Massagen, waren tanzen. Das Übliche eben.“

„Du warst ganz begeistert davon, als du hier losgefahren bist. Ich war mir sicher, dass du ein paar tolle Geschichten aus Vegas mitbringst, um mich heute Morgen zu unterhalten.“

Lori legte sich ihre Schürze an und begann damit, Zutaten abzuwiegen. Sie fing mit den Schokoladenganache-Cupcakes an, während Katie am Tagesangebot arbeitete. Ihr Arbeitsablauf glich einer Wissenschaft, und hinter dem Zeitplan zu liegen bedeutete, dass ein oder zwei Cupcakes es nicht in die Auslage schaffen würden.

„Sorry, Lori. Nicht viel zu berichten“, flunkerte sie. „Wie wär’s, wenn wir alles mit Kürbis rausschmeißen? Die Herbstsaison ist ja schon eine Weile vorbei“, sagte sie und wechselte das Thema.

„Gute Wahl.“

„Und wenn es irgendwelche Beschwerden gibt, weißt du ja, was du zu tun hast.“

„Wie immer.“

Katies Motto war, die Kunden bei Laune zu halten, indem sie einen oder zwei Cupcakes verschenkte, um Anfeindungen entgegenzuwirken. Auch wenn das bei ihren Stammkunden in Boone Springs kaum je passierte. Sie waren wie eine Familie. Die meisten von ihnen kannte sie mit Namen, ebenso wusste sie, wo sie wohnten und wie viele Kinder sie hatten. Oft belieferte sie Geburtstagsfeiern und andere Veranstaltungen.

Während die Cupcakes im Ofen waren, kümmerte Katie sich um die anderen Backwaren, füllte Croissants, backte Kekse und Zimtschnecken. Gemeinsam arbeiteten sie ohne Pause und hatten die Regale der Bäckerei bis sieben Uhr gefüllt. Der Kaffee war fertig und ihre Stammgäste trudelten ein.

Gegen halb zehn gab es eine Flaute, und Katie plumpste auf einen Stuhl im kleinen Aufenthaltsraum an der Hintertür. Müdigkeit überfiel sie, und die kam nicht nur vom fehlenden Schlaf, sondern war auch akute geistige Erschöpfung, die von den Ereignissen in Las Vegas am vergangenen Wochenende hervorgerufen wurde.

Lori schenkte ihr einen mitleidigen Blick. „Wieso gehst du nicht eine Stunde nach oben?“, schlug sie vor. „Mach ein Nickerchen. Ich kann mich um alles kümmern, bis es voller wird.“

„Danke, aber in ein paar Minuten geht es mir wieder besser. Ich muss nur neuen Schwung sammeln.“

Der neue Schwung kam jedoch nicht, und bei Ladenschluss war Katie völlig geschafft. Nachdem alles aufgeräumt und Lori verschwunden war, stieg sie langsam die Treppen zu ihrem Apartment hoch und ließ sich aufs Sofa fallen. Sie schaltete den Fernseher ein und kämpfte darum, die Augen offenzuhalten, verlor den Kampf aber schließlich.

Für gewöhnlich verbrachte Luke die meiste Zeit in seinem Büro im Haupthaus der Rising Springs Ranch. Er verfolgte auf dem Anwesen einen zupackenden Führungsstil und hatte einen guten Draht zu Joe Buckley, dem Vorarbeiter der Ranch. Sie arbeiteten gut zusammen und er wusste, dass Joe ihn nicht enttäuschen würde.

Heute war Luke im Unternehmensbüro in Boone Springs. Er saß in einem Raum mit seinem Namensschild auf dem Schreibtisch und starrte aus dem Fenster.

Im Kopf hatte er nichts anderes als Katie und er war bloß in die Stadt gekommen, weil er ihr nahe sein wollte. Ihre Bäckerei war nur zwei Blocks entfernt, eingerahmt von einer Kleiderboutique und einem Textiliengeschäft. Dank dieser Lage hatte die Backerei ziemlich viel Laufkundschaft. Doch selbst wenn nicht, wäre Katie erfolgreich, weil ihre Backwaren die besten im County waren und er dafür gesorgt hatte, dass ihr von keiner Boone-Immobilie aus Konkurrenz gemacht wurde.

Eine kleine Tatsache, die er geheim hielt.

Während er dem Land gedient hatte, hatte er seinen Brüdern sein Anliegen offenbart, und sie waren einverstanden gewesen. Die Familie Rodgers hatte seinetwegen genug durchgemacht, und seine Brüder hatten getan, was sie konnten, damit Shelly und ihre Familie nicht ungewollt durch ihr Tun in Bedrängnis gerieten.

Ihm war es jedoch hauptsächlich um Katie gegangen. Er hatte gewollt, dass sie erfolgreich wird, ein gutes Leben führt. Verdammt, als er wieder nach Hause zurückgekommen war, hatte er sich gewünscht, sie wäre verheiratet oder zumindest in einer ernsten Beziehung. Zu wissen, dass sie noch immer Single war, hatte seine Rückkehr zu einer Tortur werden lassen. Und doch hatte er es geschafft, auf Distanz zu bleiben, wenn er sie irgendwo in der Stadt sah oder wenn sie ehrenamtlich bei der Pferderettung zusammenarbeiteten.

Und dann war Las Vegas gekommen.

Frustriert zwang er sich, die Ranch-Berichte durchzusehen, die er auf seinem Computer geöffnet hatte. Er musste ein bisschen Arbeit erledigen, sich heute irgendwie produktiv fühlen, anstatt davon zu fantasieren, Katie wiederzutreffen.

Um kurz nach vierzehn Uhr klingelte sein Handy. „Hey, Wes. Wie geht’s?“ Normalerweise meldete der Manager der Pferderettung sich nicht bei ihm, daher wusste er, dass es wichtig sein musste.

„Hey, Luke. Entschuldige die Störung, doch es geht um Snow. Es tut mir leid, aber wahrscheinlich ist ihre Zeit gekommen. Das alte Mädchen atmet nicht mehr richtig. Dr. Hernandez war da. Er hat ihr ein paar Schmerztabletten gegeben, mehr konnte er nicht für sie tun. Dachte, das solltest du wissen.“

Luke drehte sich der Magen um. Snowball war eine Mustangstute, die man schwer misshandelt hatte, sie war zu der Zeit in die Rettungsstation gekommen, als er nach Hause zurückgekehrt war. Er und Katie hatten sie beide irgendwie unter ihre Fittiche genommen. Sie hatten ein Faible für das alte Mädchen. Zwar hatte sie sich erholt, doch die Misshandlungen hatten ihren Tribut gefordert, und leider war es bei manchen der Pferde so, dass man nicht viel mehr tun konnte, als das Leid zu lindern.

„Danke, Wes. Tut mir leid, das zu hören. Ich, ähm, ich komme vorbei. Ich will sie sehen.“

„Das dachte ich mir.“

„Ich gebe auch Katie Bescheid.“

„Katie habe ich gerade angerufen. Sie geht nicht ans Telefon. Ich habe ihr eine Nachricht hinterlassen.“

„Okay, also ich werde irgendwie versuchen, sie zu erreichen. Wir sehen uns gleich, Wes.“

Luke legte auf und rieb sich die Schläfen. Er nahm sich einen Moment, um seine Gedanken zu sammeln, und schüttelte den Kopf. Sosehr er Katie auch wiedersehen wollte, die schlechte Nachricht mochte er ihr nicht überbringen.

Fünf Minuten später saß er in seinem Auto und fuhr zur Bäckerei. Im Schaufenster hing ein Geschlossen-Schild. Trotzdem parkte er den Wagen in einer Lücke direkt vor dem Laden und stieg aus. Er drückte am Türgriff. Kein Glück. Dann legte er die Hände an die Stirn, um das Sonnenlicht abzuschirmen, und spähte durchs Fenster. Keine Menschenseele zu entdecken.

Ein Auto bremste auf der Straße ab und eine junge Frau rief: „Kann ich Ihnen helfen?“

Er erkannte sie als eine von Katies Angestellten wieder, auch wenn er sich nicht an ihren Namen erinnerte. Sie hatte mal ein paar Auslieferungen ins Firmenbüro der Boones gebracht. „Ich suche Katie.“

„Warten Sie kurz.“ Die junge Frau parkte ihr Auto und kam zu ihm an die Tür gelaufen.

„Ich bin Lucas Boone.“

Sie lächelte, als wollte sie sagen, dass sie wusste, wer er war. Die Boones erkannte man in der Stadt für gewöhnlich wieder.

„Hi, Lucas. Ich bin Lori. Brauchen Sie Cupcakes oder so? Die Bäckerei ist geschlossen.“

„Nein, nichts dergleichen. Ich muss Katie sehen. Es ist wichtig. Hat mit der Red Barrel-Pferderettung zu tun.“

„Oh … Ich verstehe.“ Sie kaute an ihrer Unterlippe.

„Sie geht nicht ans Telefon.“

„Nein, wahrscheinlich ruht sie sich oben aus. Sie war heute ziemlich ausgelaugt.“

„Es ist wirklich wichtig. Können Sie mir helfen?“

Sie dachte ein paar Sekunden darüber nach. „Ich weiß, dass Ihr Bruder ihre beste Freundin Drea heiratet. Vermutlich ist es also in Ordnung, wenn ich Sie hereinlasse.“

„Vielen Dank.“

Lori steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. „Ich bin nur zurückgekommen, weil ich mein Lehrbuch und meine Unterlagen hier vergessen habe und morgen Abend diese große Klausur schreibe.“

Luke nickte und sie ließ ihn in die leere Bäckerei treten.

„Ich gehe hoch und klopfe“, sagte sie. „Ich lasse Katie wissen, dass Sie hier sind.“

Ein paar Minuten später stand Luke von Angesicht zu Angesicht einer schlafumnebelten Katie gegenüber.

„W…was machst du hier?“ Katie stand im Türrahmen, eine Decke um die Schultern geschlungen, und starrte Luke an. Sie hätte nicht gedacht, dass sie ihn so schnell wiedersehen würde. Seinen Kopf hielt er gesenkt, sein Blick wirkte besorgt. Ihr Herz begann heftig zu klopfen. „Lori hat was von der Pferderettung gesagt.“

„Ich habe einen Anruf von Wes erhalten. Es geht um Snow. Sie ist in schlechter Verfassung.“

Die Luft wurde ihr aus der Lunge gepresst, ihre Schultern sackten zusammen. „Oh nein. Nicht unser Mädchen.“

„Jep. Ich fürchte doch.“ Er rieb sich den Nacken. „Dachte, du würdest das wissen wollen. Wes hat versucht, dich anzurufen.“

„I… ich habe tief und fest geschlafen. Ich habe das Telefon nicht gehört.“

„Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr. Vielleicht zum letzten Mal.“

Oh Mann. Sie musste an die Ungerechtigkeit denken, die Snowball widerfahren war, ein Leben voller Misshandlungen und Leid. Ihr Besitzer hatte sie vernachlässigt, und sie war unterernährt, mit Narben übersäht und verletzt in die Rettungsstation gekommen. Es war nicht fair. Sie hatten ihr Bestes gegeben, um sie zu versorgen, und Katie würde sie jetzt nicht ihre letzten Atemzüge alleine machen lassen. „Ich muss sie auch sehen.“

„Ich nehme dich mit.“

„Nein, fahr du schon vor.“ Sie strich sich durchs Haar. Vermutlich sah sie furchtbar aus. „Ich muss mich erst frisch machen.“

„Ich warte solange.“

„Das musst du nicht.“

„Katie, ich bin hier, mein Auto steht vor der Tür und wir fahren zum selben Ziel. Lass uns keine Zeit verschwenden, wenn wir sie stattdessen mit Snow verbringen könnten. Tu einfach, was du tun musst, ich warte so lange unten.“

Er hatte recht. Snow war ihr zu wichtig, um sich mit ihm über die Einzelheiten der Fahrt zu streiten. „Okay, einverstanden. Gib mir eine Minute.“

Fünf Minuten später hatte sie sich eine Jeans und ein rotes Shirt angezogen und ihre Haare zu einem Knoten gebunden. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht und trug Lipgloss auf, um nicht auf den Lippen zu kauen. Dann lief sie die Stufen hinunter und zur Tür der Bäckerei hinaus.

Luke wartete gegen seinen schwarzen SUV gelehnt vor dem Haus auf sie, die Hände in den Taschen und mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck. Sie hatte wegen der ultrageheimen Hochzeit mit dem Ex ihrer Schwester noch immer einen Stein im Magen. Und jetzt würde die liebe Stute, die sie das letzte Jahr über gehegt hatte, vielleicht sterben.

„Bereit?“, fragte er und öffnete ihr die Tür.

„Ja … glaube ich.“

„Ich weiß, was du meinst. Snow ist etwas Besonderes.“

Katie stieg ein und griff nach dem Gurt, während Luke sich hinters Steuer setzte. Schweigend fuhren sie los. Als sie sich dem Canyon näherten, begann sie zu zittern.

„Kalt?“, fragte er.

„Ein bisschen.“ Sie schlang sich die Arme um den Oberkörper. „Ich habe meine Jacke vergessen.“ Sie hatte nicht daran gedacht, wie frisch es zu später Stunde im Canyon werden konnte.

„Ich kann dich ganz schnell aufwärmen“, sagte er und schenkte ihr ein Lächeln.

Der Anblick seiner Grübchen heizte ihren Körper auf der Stelle auf. In Gedanken war sie unvermittelt wieder in Las Vegas und erinnerte sich an die Stunden, die sie gemeinsam im Bett verbracht hatten.

Er drückte ein paar Knöpfe auf dem Armaturenbrett und schon bald umgab sie ein wärmender Luftstrom.

„Besser?“

Sie nickte.

„Ich habe hinten eine Ersatzjacke. Ich lasse dich da draußen nicht zu Tode frieren.“

Dass er davon sprach, sie etwas zu lassen oder nicht, brachte ihre Nerven in Wallung. Er war nicht wirklich ihr Ehemann – allein daran zu denken, erschien ihr völlig fremd –, doch er kümmerte sich um ihre Bedürfnisse, und das war sie nicht gewohnt, von keinem Mann bisher. „Danke.“

Ein paar Minuten später erreichten sie die Red Barrel-Pferderettung, und Luke parkte auf dem Kiesplatz vor dem kleinen Gebäude, das als Büro diente.

„Ich gehe rein und lasse Wes wissen, dass wir hier sind“, sagte er. „Willst du im Auto bleiben und dich noch etwas aufwärmen?“

„Nein, ich gehe mit dir.“

„Klar.“ Er streckte sich nach hinten und zog zwei Jacken vom Rücksitz. „Hier, bitte.“

Er gab ihr die Wildlederjacke, die mit Lammwolle gefüttert war, während er die leichtere aus Baumwolle behielt. Katie warf sie sich über, sie reichte ihr beinahe bis zu den Knien. Wes kam aus dem Büro, um sie zu begrüßen.

Die Männer gaben sich die Hand, dann wurde Katie von Wes vorsichtig umarmt.

„Ich wusste, dass ihr beiden kommen würdet, sobald ihr es hört. Snow ist im Stall. Ich habe es ihr so bequem wie möglich gemacht.“

Luke suchte ihren Blick, dann sah er wieder zu Wes. „Wir würden sie jetzt gerne sehen.“

„Ihr kennt den Weg. Bleibt, solange ihr möchtet.“

„Danke“, sagte Luke, seine Hand schloss sich sanft um ihre.

Sie machten sich auf den Weg zum Stall und Katie nahm Notiz von all den anderen Pferden in den Gehegen auf dem Grundstück. Das waren die Glücklichen, die eine zweite Chance bei Red Barrel bekommen hatten. Es gab noch so viele andere, die krank und hungrig in den Canyons umherirrten.

Als sie die breite Holztür erreichten, drehte Luke sich zu ihr um. „Ganz egal, was da drin passiert, denk immer daran, dass wir unser Bestes für sie gegeben haben.“

„Das weiß ich“, flüsterte sie. „Sie ist bloß etwas Besonderes. Und sie hat so viel durchgemacht.“

„Na dann“, sagte er mit einem sanften Lächeln. „Lass uns ihr die letzten Stunden so angenehm wie möglich machen.“

Katie hielt die Luft an und atmete tief aus. „Okay.“

Sie traten aus dem Tageslicht in die dunkle Scheune. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Es war definitiv Jackenwetter im Canyon.

„Da ist sie.“ Luke deutete auf den größten Sattelplatz in der Scheune.

Katie näherte sich der Box, und als sie Snow erblickte, fasste sie sich an die Brust. „Oh, meine Süße.“ Es tat weh, Snow so schwach zu sehen, dass sie den Kampf aufgegeben hatte.

„Sie ist zusammengebrochen“, sagte Luke. „Aber noch ist sie bei uns.“

„Ja, das ist sie. Du hast auf uns gewartet, nicht wahr, meine schöne Snowball?“

Snow hob den Kopf und beäugte sie beide kurz, dann legte sie ihn wieder auf ihrem Kissen aus Stroh ab.

Katie betrat den Stall, zog die Jacke aus und legte sie neben der Stute ins Stroh. „Macht dir das etwas aus?“, fragte sie Luke.

„Absolut nicht“, sagte er und tat dasselbe mit seiner Jacke.

Sie setzten sich auf die Jacken neben Snow.

„Hey, mein Mädchen. Ich bin hier“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Du musst das nicht alleine durchstehen.“ Katie legte eine Hand auf Snows Mähne und tröstete sie mit sanftem Streicheln. „Ich weiß, das Atmen fällt dir schwer. Bleib ganz ruhig. Ich bin hier.“

Luke streichelte Snow an der Seite und pfiff leise eine sanfte Melodie. Er machte das tatsächlich ziemlich gut, sodass es nicht nur die Stute entspannte, sondern auch ihre Nerven beruhigte.

„Das klingt schön“, sagte sie und schloss die Augen. „Wo hast du das gelernt?“

„Ein Freund hat es mir in Übersee beigebracht.“

Katie öffnete die Augen. „Als du in Afghanistan warst?“

Er nickte. „Wir mussten Zeit totschlagen, wenn wir nicht im aktiven Einsatz waren. Du weißt schon, irgendwie die Leere füllen, weil man so weit weg von zu Hause ist.“

„Muss schwer gewesen sein.“

„Es war nicht gerade ein Spaziergang.“

„Dennoch hast du dich verpflichtet. Obwohl du hier eine Familie und eine Multimillionen Dollar schwere Firma zu leiten hattest. Du hättest nicht einrücken müssen.“

„Irgendwie doch. Ich glaube, die Zeit woanders hat geholfen.“

„Sprichst du jetzt von meiner Schwester?“

Er nickte. „Ich hatte nie vor, ihr wehzutun. Ich weiß, dass sie mich hasst, aber es ist eine Menge Zeit vergangen, seit wir uns getrennt haben.“

„Du meinst, seit du sie sitzen lassen hast? Sie gedemütigt hast?“

„Ja.“ Er runzelte die Stirn. „Wenn du es so ausdrücken möchtest.“

„Es ist bloß so, dass meine Familie dir vertraut hat.“ Sie streichelte Snows Mähne. Luke hatte seine Streicheleinheiten ebenfalls nicht unterbrochen. „Und deine Entscheidung kam irgendwie aus heiterem Himmel.“

„Was kann ich noch sagen, was ich nicht bereits gesagt habe?“

Katies Gefühle standen im Widerspruch zueinander. Sie wollte Shelly und ihre Mom unterstützen, doch Luke hatte nicht ganz unrecht. Er konnte keine Frau heiraten, die er nicht liebte. Es war nur ziemlich blöd, dass er diesen Schluss erst direkt vor der Hochzeit gezogen hatte.

„Ich weiß, dass die beiden mich hassen, Katie. Aber wie sieht es mit dir aus?“

Die Frage erwischte sie vollkommen auf dem falschen Fuß. „Hass ist ein starkes Wort.“

„Also nicht?“

„Sagen wir einfach: Ich hasse es, wie die Dinge sich entwickelt haben.“

Lucke nickte. „Na gut.“

„Wo wir gerade von Entwicklungen sprechen, gibt es schon Neuigkeiten von deinem Anwalt, was unser Dilemma angeht?“

Luke runzelte die Stirn. „Nein.“

Sie seufzte. „Das wäre wohl auch zu viel des Guten.“

Snow wurde unruhig und rutschte auf ihrem Strohbett hin und her.

„Ich glaube, du musst weiterpfeifen“, sagte Katie. „Es hilft ihr offenbar.“

Luke legte die Lippen aufeinander, und die Melodie erfüllte den Stall. Bald hatte Snow sich beruhigt, ihre Atemzüge kamen regelmäßiger.

Der Nachmittag wich dem Abend, und das alte Mädchen hielt durch. Ihre Augen waren inzwischen geschlossen, ihr Atem schwerfälliger. „Braves Mädchen, Snow. Und jetzt schreite über die Brücke. Bald bist du an einem besseren Ort.“ Katie beugte sich hinunter, um ihr einen Kuss zu geben, und streichelte ihre Nase.

Luke machte eine Pause vom Pfeifen. „Ich erinnere mich daran, wie ich sie zum ersten Mal entdeckt habe. Sie war übersät mit Wunden und blauen Flecken und doch hatte sie beseelte Augen. Sie waren so lebendig, so hoffnungsvoll.“

„Ich fand es grauenhaft, wie man sie behandelt hatte. Das arme Ding hatte nicht mal einen Namen“, sagte Katie.

„Ja, ich erinnere mich. Unter dem ganzen Dreck war ihr Fell schwarz, und diesen weißen Fleck mitten auf ihrer Stirn konnte man nicht übersehen. Es sah aus, als hätte man sie mit einem fetten Schneeball getroffen.“

„Deshalb habe ich sie Snowball genannt.“

„Ich habe sie Snowball genannt“, sagte Luke, die Stimme eine Oktave höher.

Katie lächelte, als sie die gespielte Entrüstung auf seinem Gesicht sah. In Wahrheit wusste sie nicht, wer es zuerst gesagt hatte, aber sie hatten sich auf den Namen geeinigt. „Okay, vielleicht haben wir sie beide Snowball genannt.“

Luke lächelte ebenfalls. „So muss es gewesen sein. Endlich sind wir uns bei etwas einig.“

Sie mochte diesen Luke, der Mitgefühl zeigte. Ein Mann, der über sich selbst lachen konnte und sich nicht aufplusterte. Er war mehrfacher Millionär, trotzdem protzte er nie damit. „Das ist die Magie von Snow. Sie ist …“ Sie blickten beide zur Stute hinunter. Sie lag reglos da. Atmete nicht mehr. „Oh nein.“

Katie sah zu Luke, auch sein Lächeln verblasste. Die Stute hatte ihren letzten Atemzug getan, während sie sich unterhalten hatten. Snow hatte sie gehört, ihre Stimmen erkannt und sich friedlich genug gefühlt, um ohne Ringen fortzugleiten.

Katies Augen füllten sich mit Tränen.

Luke kniff sich ebenfalls in den Nasenrücken.

„Sie ist ge…gegangen.“

„Ja.“ Er legte ihr die Arme um die Schultern und zog sie an sich. „Aber sie ist in dem Wissen gegangen, dass sie geliebt wurde.“

Katie konnte nicht länger an sich halten. Sie nickte und ließ die Wahrheit seiner Worte sacken. Leise weinte sie und sah Luke an, Tränen rannen ihr die Wangen hinab und benetzten sein Shirt.

„Ist schon okay, Katie. Nicht weinen, Sweetheart.“

„Mir war klar, dass dieser Tag kommen würde, aber ich hätte nicht geglaubt, dass es so bald wäre. Ich habe gedacht, wir hätten mehr Zeit mit ihr.“

Sie hatte nie ein Haustier besessen. Sie hatte nie ein Tier gehabt, um das sie sich kümmern konnte, es füttern und liebhaben, bis sie anfing, für die Rettungsstation zu arbeiten. Sie liebte alle Pferde hier – jedes hatte eine Geschichte. Doch aus irgendeinem Grund war Snow besonders. Die Stute hatte ihr Herz berührt und sie hatten eine tiefe Beziehung gehabt, eine Verbindung, die sie zu keinem der anderen Pferde verspürte. Katie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Snows Tage angenehm zu gestalten.

Offenbar fühlte Luke das Gleiche. Seine Augen waren feucht, seine Miene traurig. Er konnte seinen Kummer ebenfalls nicht verbergen. Mit den Lippen streifte er ihre Stirn. Sie brauchte jetzt seine Wärme, seine Stärke.

„Es gibt nichts mehr, was wir tun können.“ Seine Stimme war zittrig, und er schien sie nicht loslassen und somit das Band zwischen ihnen zerschneiden zu wollen. „Wir sollten gehen.“

Sie nickte, wischte sich mit dem Handrücken übers Gesicht, und versuchte dann, sein von ihren Tränen nasses Shirt trockenzuklopfen. „Entschuldige.“

„Mach dir darüber keine Gedanken“, sagte er leise.

„Ich verlasse sie nur äußerst ungern.“

„Ich gebe Wes Bescheid, dass sie gegangen ist. Er wird sich um sie kümmern.“

Es war schwer, loszulassen. Abschied zu nehmen.

Luke stand auf und half ihr hoch, verschränkte seine Finger mit ihren. „Bereit?“

„Ich denke schon.“ Sie blickte noch ein letztes Mal zur armen Snow und es zerriss ihr das Herz.

Luke hob die Jacken auf und streifte das Stroh davon ab. „Zieh die an. Draußen ist es kalt.“

Er schenkte der gefallenen Stute ebenfalls einen letzten Blick voller Traurigkeit und Bedauern, nahm eine Wolldecke vom Stallpfosten und bedeckte ihren Körper.

Katie schlüpfte in seine Jacke, und er umklammerte erneut ihre Hand, wodurch seine Wärme und Stärke in sie sickerten.

Er führte sie aus der Scheune. „Komm, Sweetheart. Ich bringe dich nach Hause.“

Diesmal machte ihr der Kosename nichts aus – sie konnte sich nicht dagegen wehren. Konnte nicht streiten. Sie hatte stürmische vierundzwanzig Stunden hinter sich und fühlte sich zu taub, um überhaupt noch zu denken. Seine Schultern waren für sie zum Anlehnen da, er fand die richtigen Worte, und dieses eine Mal würde sie nehmen, was Luke anzubieten hatte.

Ohne Schuldgefühle.

3. KAPITEL

Luke stand Katie an der Schwelle ihres Apartments gegenüber. Er hatte darauf bestanden, sie nach oben zu begleiten, vermutlich weil sie ihre Gefühle nicht ganz in den Griff bekam. Sie hatte einen Großteil der Heimfahrt geweint, kleine Schluchzer waren ihr immer dann von den Lippen gekommen, wenn sie sich Snow ohne Regung und leblos auf dem Boden vorgestellt hatte. Im Auto hatte Luke oft zu ihr herübergesehen. Sie hatte seinen besorgten Blick gespürt, aber sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Sie zeigte niemandem gerne ihre verletzliche Seite, doch heute Abend ließ es sich nicht verhindern. Ihre Emotionen waren außer Kontrolle.

„Kommst du zurecht?“, fragte er.

„Ich denke schon.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Du musst dir keine Sorgen um mich machen.“

Er sah ihr tief in die Augen und rieb sich das Kinn. „Das tue ich aber.“

„Du hast mir gegenüber keinerlei Verpflichtung, Luke. Wirklich, ich komme klar.“

„Darum, glaubst du, geht es mir?“

Er sagte es sanft, ohne Verurteilung, und plötzlich fühlte sie sich klein und borniert. „Nein, nein. Es tut mir leid. Du bist natürlich genauso aufgewühlt wegen Snow wie ich. Ernsthaft, ich bin froh, dass wir ihre letzte Nacht zusammen verbracht haben. Du hattest sie ebenso gern wie ich. Mein Gott, ich kann nicht glauben, dass ich von ihr in der Vergangenheitsform spreche.“

„Das ist seltsam, hm?“

„Ja.“

Sie fixierte ihn, durch ihren Kopf schwirrten so viele Gedanken. Doch hauptsächlich war sie froh, dass er heute Abend hier war, ihr Trost spendete und dabei half, dass sie über den Verlust von Snow hinwegkam.

„Es war ein langer Tag. Ich sollte dich jetzt zur Ruhe kommen lassen“, sagte er.

„Das klingt … gut.“

„Okay, na dann. Gute Nacht.“

Er wandte sich zum Gehen, doch Katie platze heraus: „Luke, warte.“

Er drehte sich wieder um und hob die dunklen Augenbrauen.

Sie nahm seine Hände in ihre und drückte sie. „Ich wollte dir nur noch einmal danken, dass du mich heute abgeholt hast. Es hat mir viel bedeutet, dort zu sein. Ehrlich, ich wüsste nicht, wie ich das alles durchgestanden hätte, wenn du nicht bei mir gewesen wärst.“

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen unschuldigen Kuss auf die Wange zu hauchen, doch dann drehte sie ihren Kopf und er drehte seinen, sodass ihre Lippen zu einem echten Kuss verschmolzen. Luke machte ein Geräusch tief in seiner Brust, und ein Gefühl köstlicher Wärme flammte in ihr auf.

In Las Vegas hatten sie einander womöglich Dutzende Küsse gegeben, aber sie erinnerte sich an keinen einzigen davon. An diesen Kuss würde sie sich erinnern. Sie wollte nicht, dass dieser Kuss jemals endete.

Ein Stöhnen bildete sich in ihrer Kehle, eins voller Verlangen und Lust, und für einen Augenblick wurde sie rot vor Scham. Doch Luke hörte nicht auf, er zögerte nicht, ihren Mund zu erobern. Er war ebenfalls voll dabei, rief dadurch ihre tiefsten Sehnsüchte danach wach, in den Arm genommen und getröstet zu werden. Sie war verletzt, und dieser Kuss war Balsam für ihre Seele.

Er bewegte sich, schob sie rückwärts ins Apartment und küsste sie endlos. Sie ließ es bereitwillig geschehen, kostete seinen Geschmack aus, die rohe Lust, die er in ihr weckte. Er schüttelte seine Jacke ab und zog ihr ihre aus, ohne den Kuss zu unterbrechen. Dann schlang er die Arme um sie und hielt sie so eng bei sich, dass sich seine Erektion an ihren Bauch presste.

Eine Hitzewelle durchzuckte sie. Es war erstaunlich, wie schnell er sie zum Leben erweckte. Sie war froh über die Empfindungen, die ihren Körper erbeben ließen. In Lukes starken Armen wünschte sie sich auf einmal, was ihr verboten war.

„Luke“, sagte sie, als er den Kuss plötzlich beendete.

Er sah ihr tief in die Augen. „Sag mir nicht, dass ich aufhören soll“, flüsterte er und ließ seine Lippen erneut über ihre gleiten.

„Werde ich nicht, aber vielleicht sollten wir zu Atem kommen?“

Das flüchtige Lächeln auf seinem Gesicht haute sie um. Er war so verdammt attraktiv. Warum ausgerechnet er? Sie hielt ein paar Sekunden inne und atmete tief ein und aus. „Okay, das reicht.“

„Kannst du damit umgehen?“, fragte er und strich ihr eine eigenwillige Haarsträhne aus der Stirn. „Beantworte das nicht“, murmelte er. „Ich weiß schon, dass du es kannst.“

Er umfasste mit beiden Händen ihr Gesicht und sah sie eindringlich an, bevor er erneut ihre Lippen bestürmte. Seine ungebändigte Lust überwältigte sie und linderte den Kummer in ihrem Herzen. Sie war selbst überrascht, wie leichtfertig sie ihn gewähren ließ, wie sehr sie mehr von seinen Küssen wollte, mehr von ihm. Prompt durchzog ein Hitzewirbel ihren Körper, stimulierte und erregte sie.

„Du spürst es auch, nicht wahr?“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Das sollte sie nicht. Aber ja. Ja. Sie spürte es. „Ja“, sagte sie leise. Obwohl sie es nur widerwillig zugab, konnte sie ihn nicht anlügen. Konnte nicht leugnen, dass seine Berührungen sie auf schockierende Weise antörnten. Dass seine Küsse sie dahinschmelzen ließen. Dass sie mehr wollte.

All das geschah wegen Snow und des Verlusts, den sie verspürte. Es musste so sein. Es durfte keinen anderen Grund geben.

Luke knöpfte sein Hemd auf, und streifte es ab. Er legte ihre Hände flach auf seine Brust. Die straffen Muskeln faszinierten sie, und sie ließ die Finger darüber gleiten, bis sie den gesamten Umfang seines breiten Brustkorbs nachgezeichnet hatte. Er war überwältigend – fest, stramm und hart.

Elektrische Funken schienen zwischen ihnen zu knistern, eine unsichtbare Verbindung zog sie zu ihm, machte sie ganz schwindelig. Sie drückte ihm einen Kuss auf die Schulter und spürte, wie er erbebte.

„Katie.“

Ihr Name kam tief aus seiner Kehle. Es war weder ein Flehen noch eine Warnung, sondern eine Mischung aus Ehrfurcht und Respekt, die ein Kribbeln in ihrer Brust auslöste.

Seit zwei Jahren hatte sie keinen Mann in ihrem Leben gehabt, und nicht einmal das war etwas Ernstes gewesen, bloß belanglose Rendezvous. Und jetzt stand sie hier mit Lucas Boone und hatte Verlangen nach ihm, brauchte seine Stärke und seinen Trost. Ihr Körper reagierte auf seinen, und sie glaubte fest daran, dass Trauer auf beiden Seiten die Gefühle hochkochen ließ und den harten Tag ein bisschen leichter machten.

Er küsste sie erneut, zog sie in seine Arme, seine großen Hände streichelten ihre Schultern, ihren Rücken und glitten dann tiefer. Alles unterhalb ihrer Taille schien auf die schönste Art zu pulsieren.

Ein Stöhnen, das sie kaum als ihr eigenes erkannte, brach sich Bahn. Und doch genoss sie es, wie Luke sie berührte. Er streichelte ihre Brüste, knöpfte ihre Bluse auf, riss sie ihr herunter. Seine Augen strahlten, als er ihre Brüste betrachtete, die aus den Körbchen ihres BHs hervorschauten.

„So wunderschön“, murmelte er zwischen zwei Küssen.

Seine Anerkennung verstärkte das Prickeln und die Hitze. Katie ergab sich vollkommen ihrem Verlangen. Luke streifte ihr den BH ab, umfasste ihre Brüste und verwöhnte sie sanft und fast ehrfürchtig mit der Zunge. Sie fühlte sich lebendiger als jemals zuvor.

Kurz darauf befand sie sich auf seinen Armen und wurde in ihr Schlafzimmer getragen. Er ließ nicht von ihr ab, hörte nicht auf, sie zu küssen, bis er sie wieder absetzte und ihre Stiefel den Boden berührten.

„Bitte mich herein“, sagte er mit rauer Stimme.

Das entlockte ihr ein Lächeln. „Du bist doch schon hier“, flüsterte sie.

Er lächelte sexy, und sie hätte sich ihm nicht verwehren können, selbst wenn sie gewollt hätte.

„Ich glaube, das bin ich.“

Er küsste sie erneut, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, war sie ihre Kleider los, lag auf dem Bett und wartete auf Luke.

Sie empfand einen Moment der Panik, da ihr bewusst wurde, was gerade ablief. Das war Luke, der Ex ihrer Schwester, der Mann, den sie aus Versehen in Las Vegas geheiratet hatte. Jedoch hatte sie heute Abend eine Verbindung zu ihm aufgebaut, während sie Snow Lebwohl sagten und gemeinsam den schweren Verlust erlebten. Es war kompliziert und sie würde sich später damit befassen, doch jetzt … jetzt brauchte sie den Trost, den er spendete. Die Erregung war ein zusätzlicher Bonus.

Er kam zu ihr ans Bett und sah mit lüsternem Blick zu ihr herab.

„Ich nehme das nicht auf die leichte Schulter, Katie. Ich … Das ist nicht …“

„Ich weiß“, antwortete sie. „Ich weiß, warum das passiert.“

„Ach ja?“

„Es ist wegen Snow.“

Luke sah sie einen Augenblick lang durchdringend an. „Ja.“

Dann bedeckte er ihren Körper mit seinem und streichelte sie, bis sie vor Lust aufstöhnte und in tausend Teile zu zerbersten glaubte. Jetzt wusste sie, wie sich vollkommene Glückseligkeit anfühlte. Sie badete in Behaglichkeit. „Oh, wow.“ Mehr brachte sie nicht heraus.

„Ja, wow.“

Luke bedeckte ihre Schulterblätter mit vielen kleinen Küssen, um ihr Zeit zu geben, die Nachwirkungen ihres Höhepunktes zu genießen. Dann drückte er seine Lippen wieder auf ihre. Sie begrüßte es und lud ihn mit ihrem Körper ein. Er verschwendete keine Sekunde, entledigte sich seiner restlichen Kleidung und streifte sich ein Kondom über.

„Ich will dich, Katie.“

Das wusste sie. Und als ihre Körper sich vereinigten und Luke aufstöhnte, tat sie es ihm gleich. „Oh, Luke.“

Er füllte sie vollständig aus, und ihr Verlangen steigerte sich, als er mit jedem Stoß tiefer in sie eindrang. Jede Bewegung verstärkte die Intensität, bis sie aufschrie.

Luke schien ebenso berauscht wie sie, seine Stöße wurden heftiger, sein Gesicht spiegelte die brennende Erregung wider, und sie folgte seinem Rhythmus, bis die Erlösung ihn schließlich erschauern ließ.

Direkt danach sackte er neben ihr aufs Bett und zog sie in eine Umarmung. Er küsste sie auf die Stirn und hielt sie umschlungen. Sie waren beide zu sehr außer Atem, um noch ein Wort zu sprechen.

Luke erwachte vor ihr. Katies süßer Duft umwehte seine Nase. Er spürte ihre Anwesenheit neben sich auf dem Bett, und als er die Augen öffnete, sah er sie tatsächlich in die Decke gekuschelt daliegen. Ihre honigblonden Strähnen ergossen sich über das Kissen. Er lächelte. Sie war seine Ehefrau, und letzte Nacht hatten sie sich geliebt, als würden sie zusammengehören. Das waren seine Flitterwochen, alles, was er sich je gewünscht hatte. Alles, was er je gebraucht hatte. War es dumm von ihm zu hoffen, dass sie in Ordnung finden würde, was zwischen ihnen geschehen war?

Es war beinahe vier Uhr morgens. Bald würde sie zur Arbeit aufstehen, doch er brauchte ein paar Minuten mehr, um es auszukosten, mit ihr im Bett zu liegen. Um die süße Gemütlichkeit ihres Körpers neben seinem zu genießen, um zu spüren, wie sie sich gegenseitig wärmten.

Luke seufzte und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

„Mmm“, murmelte sie im Schlaf.

Er lächelte und strich ihr vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht. „Meine hübsche Katie“, flüsterte er und musste sie noch einmal berühren.

Sie bewegte sich, und er zog sich zurück, drehte sich auf die Seite, stützte seinen Kopf in eine Hand und gab sich damit zufrieden, sie einfach nur beim Schlafen zu beobachten.

Viel zu früh durchbrach der Wecker auf dem Nachtisch die Ruhe und Katie öffnete die Augen.

Sie entdeckte ihn neben sich. „Hi“, sagte sie.

Ihre Begrüßung überraschte ihn.

„Morgen, Sweetheart.“

Offensichtlich war sie noch nicht bei klarem Verstand.

Luke griff über sie hinweg, um den Wecker auszuschalten, er strapazierte sein Glück und streifte ihre Lippen dabei mit seinen. Ihre waren warm und einladend. Für eine Sekunde klammerte er sich an die Hoffnung. „Hast du gut geschlafen?“

Sie blinzelte, dann noch einmal. „Was zum …?“ Ihr Blick huschte das Bett hinab und ein gequälter Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. „Oh nein.“

Sie sah an sich herunter und bemerkte natürlich, dass sie nackt waren. Sie schnitt eine Grimasse, als wäre ihre Welt zerstört, und bedeckte ihren perfekten Körper.

„Katie …“

„Luke, es ging dabei einzig um Snow. Wir waren gestern Abend beide sehr traurig, doch ich … ich hätte es besser wissen müssen. Ich hätte mein Urteilsvermögen nicht von meinen Gefühlen überwältigen lassen dürfen. Wir können es nicht dauernd so weit kommen lassen.“

„Mir scheint aber, als würden wir es dauernd so weit kommen lassen. Das muss etwas bedeuten.“

„Tut es. Es bedeutet, dass ich ein Holzkopf bin.“

„Nein, bist du nicht. Du bist ein Mensch und du hast echte Gefühle, die du nicht wegschmeißen oder verstecken kannst. Es war gut zwischen uns letzte Nacht.“

Katie fixierte ihn, als ob sie sich erinnerte. Sie konnte die Funken und das Feuer zwischen ihnen gestern Nacht nicht leugnen. Für ihn gab es nichts Besseres.

„Ja, aber es darf nicht wieder passieren. Wir waren beide … berauscht.“

Er war nicht berauscht gewesen. Er hatte genau gewusst, was er brauchte. Und bei ihr war es genauso gewesen, doch das würde sie nicht zugeben.

Sie zuckte mit den Schultern und zog einen kleinen Schmollmund. „Arme Snow.“

„Ja. Es war hart, sie zu verlieren, aber du hast ihr den Trost gespendet, den sie gebraucht hat.“

„Denkst du das wirklich?“

Er nickte. „Ich finde, du bist großartig.“

„Hör auf, so etwas zu sagen. Es ist schon kompliziert genug.“

„Was? Darf ich meine Frau nicht bewundern?“

Sie biss die Zähne zusammen. „Ich … bin … nicht … deine … Frau.“

Lukes Gutmütigkeit begann zu schwinden. Warum war der Gedanke, mit ihm verheiratet zu sein, ihr so zuwider? Er wusste natürlich, dass es an Shelly lag, aber war das alles? Ihr schroffer Tonfall entfachte sein Temperament. „Komisch, denn ich habe Dokumente, die das belegen. Und wir haben unsere Ehe bereits mehr als einmal vollzogen, Sweetheart.“

„Erinnere mich nicht daran.“

Katie erhob sich mitsamt der Bettdecke. Eine Ecke des Stoffs blieb jedoch am Knauf des Nachttisches hängen, wodurch ihr die Decke vom Körper gerissen wurde. Nun stand sie in voller Pracht vor ihm.

Sie reckte das Kinn. „Ich gehe duschen. Ich bin bereits spät dran für die Bäckerei. Du musst gehen, bevor Lori hier ankommt. Das ist in weniger als einer Stunde.“

Als sie sich abwandte, konzentrierte er sich auf die Kurven ihres nackten Körpers, die prallen Pobacken und ihre langen Beine.

Sie war verdammt aufreizend. Er bekam einen trockenen Hals und wurde hart. Verflixt, er würde dieses Bett nicht verlassen, bis er sich beruhigt hatte. Er musste an Viehpreise oder etwas gleichermaßen Harmloses denken.

Und so genervt, wie er war, kam er nicht umhin, sich zu fragen, was Katie tun würde, wenn er ihr unter die Dusche folgte.

Katie stellte auf dem hinteren Tresen in der Bäckerei die zwei Kaffeemaschinen an. Normalerweise trank sie koffeinfreien, aber an diesem Morgen brauchte sie einen großen Schuss Koffein, damit sie logisch denken konnte. Offensichtlich hatte sie gestern Abend alles andere als einen klaren Kopf gehabt. Es hatte nur Trauer und Lukes einladende Arme gegeben.

Die Nacht mit ihm zu verbringen war ein großer Fehler gewesen, doch in jenem Augenblick hatte sie jemanden gebraucht. Nein, nicht irgendwen … Sie hatte Luke gebraucht.

Gott, sie wollte nichts für ihn empfinden, weil es jede Menge Schwierigkeiten heraufbeschwor. Was sie ihm in Las Vegas gestanden hatte, stimmte. Sie wollte jemanden in ihrem Leben. Sie wollte einen Partner, mit dem sie Momente teilen konnte, der ihr den Rücken freihielt. Doch er durfte das nicht sein. Er auf keinen Fall. Das schwache Herz ihrer Mutter würde das nicht verkraften, und Shelly würde sie wahrscheinlich als Schwester verstoßen, sie macht Luke für ihr mangelndes Vertrauen in Männer und ihr allgemein verbittertes Gemüt verantwortlich.

Shelly tat ihr leid, und sie fühlte sich wahnsinnig schuldig, weil sie gestern Abend vorübergehend Vergnügen in Lukes Armen gefunden hatte. Er war der vergiftete Apfel und sie hatte verbotenerweise davon abgebissen.

Katie legte ihre Utensilien und Zutaten bereit: Schüsseln, Messbecher, Mehl, Zucker und Eier. Sie hatte gerade mit dem Abwiegen angefangen, als ihr das Geräusch von Stiefeln auf der Treppe an die Ohren drang. Ihre Nerven begannen zu flattern. Es war Luke. Gott sei Dank machte er sich auf den Weg.

„Der Kaffee riecht echt gut. Bekomme ich eine Tasse?“, fragte er.

Sie hielt den Kopf gesenkt und schüttete Zucker in die große Schüssel. „Der ist noch nicht fertig.“

„Schon gut. Ich warte so lange.“

Sie warf einen Blick auf die Wanduhr.

„Keine Sorge, ich bin dir in ein paar Minuten aus dem Weg. Ich will nur ein bisschen Kaffee, bevor ich abhaue. Lori wird nie erfahren, dass ich hier war.“

„Aber ich weiß es“, murmelte sie.

Luke feixte.

„Hör auf zu lachen. Das ist überhaupt nicht witzig.“

Er trat hinter sie und seine Nähe machte sie ganz hibbelig.

„Katie, ich lache nicht über die Situation. Ich weiß, dass das nicht einfach für dich ist. Ich lache weil … na ja.“

„Was?“ Sie drehte sich zu ihm um. Er hatte sich nett zurechtgemacht und sein dunkelblondes Haar gekämmt. Sein Bartschatten war zum Dahinschmelzen. Er legte die Hände um ihre Taille und fixierte sie mit diesen himmelblauen Augen.

„Ich finde dich süß, wenn du wütend bist. Und auch sexy.“

„Wohl kaum, Luke.“ Sie rollte mit den Augen.

„Das bezweifelst du nach letzter Nacht?“

„Pass auf, ich weiß, dass du denkst, du bist mein Ehemann und das alles, aber von jetzt an wäre ich dir dankbar, wenn du mir nicht mehr sagst, dass ich unglaublich war oder sexy oder süß. Ich bin nichts davon … für dich.“

„Klingt, als wäre der Kaffee fertig.“ Er ignorierte ihre Erklärung und marschierte in die Bäckerei.

Sie seufzte. Vielleicht war es besser, nicht mit ihm zu diskutieren. Er würde bald gehen, und sie könnte mit dem Backen weitermachen.

„Willst du ihn bleihaltig?“, fragte er aus dem Nebenraum.

„Oh Gott, ja!“, rief sie ihm zu.

Während er den Kaffee einschenkte, mischte sie die Zutaten für ihr Cupcake-Grundrezept zusammen und stellte den Mixer an. Dann begann sie, frische Früchte für die Füllung aufzuschneiden, heute waren es Pfirsiche und Äpfel.

Luke kam mit zwei Tassen dampfenden Kaffee herein. „Ich mag es, dir beim Arbeiten zuzuschauen“, sagte er und reichte ihr eine.

Sie wusste nicht, was sie mit dieser Bemerkung anfangen sollte, daher klammerte sie sich an die Tasse, um sich die Hände zu wärmen, und wünschte, er würde einfach gehen.

„Stehst du jeden Morgen um vier auf?“

Sie nickte. „Wenn ich die Bäckerei um sieben Uhr öffnen möchte, ja.“

„Das ist jede Menge Arbeit.“

„Ist es, aber Lori ist eine große Hilfe. An den meisten Tagen sind wir morgens genau im Zeitplan.“

Er lächelte, dann nippte er an seinem Kaffee. Sie fühlte sich unwohl, wenn er sie auf diese Weise beäugte. Sie stellte ihren Kaffee ab und machte sich wieder an die Arbeit.

„Okay“, sagte er und nahm einen großen Schluck. „Für mich ist es jetzt Zeit zu gehen.“

„So früh schon?“, fragte sie mit hoher Stimme.

Er lachte erneut. „Ach, weißt du, ich kann auch hierbleiben, wenn du dich dann besser fühlst.“

„Raus“, sagte sie und wandte ihm den Rücken zu.

Luke schien es ihr nicht übelzunehmen. Stattdessen schlang er die Arme um sie, und sie drehte sich stirnrunzelnd zu ihm um. „Was machst du da?“

„Dir einen Abschiedskuss geben.“

Dann war sein Mund auf ihrem, und das Verschmelzen ihrer Lippen fühlte sich an wie der Himmel auf Erden.

Als der Kuss endete, trat sie einen Schritt zurück und zeigte auf die Tür. „Geh.“

Er ging.

Sie atmete tief ein und seufzte dann fassungslos. Wann immer dieser Mann sie küsste, fühlte sie sich hilflos und bedürftig.

Das war alles so fürchterlich falsch.

Drei Tage später betrat Drea kurz vor der Mittagszeit die Bäckerei, auf ihrem Gesicht lag ein großes Lächeln. Ihre beste Freundin lächelte in letzter Zeit ziemlich viel, und das lag hauptsächlich an Mason. Katie beneidete sie nicht um ihr Glück – sie freute sich wahnsinnig für die zwei. Sie befürchtete nur einfach manchmal, dass sie niemals den Richtigen finden, niemals diese Art von Liebe erleben würde.

Von ihrer Schwester und ihrer Mom bekam sie keine Unterstützung. Die beiden glaubten, dass eine Frau ohne Mann besser dran sei, sie sah das jedoch anders. Sie war nicht verbittert oder zynisch, zumindest noch nicht. Doch von dieser Art Pessimismus umgeben zu sein, machte es ihr schwer, eine positive Einstellung zu bewahren.

Drea kam zum Tresen und Katie begrüßte sie. „Na du! Was bringt dich so früh am Tag hierher?“

„Ich habe eine Einladung für dich.“

„Zum Mittagessen? Liebend gern.“ Sie hatte nichts dagegen, ein bisschen mit ihrer Freundin zu quatschen.

„Nein, Dummerchen. Nicht zum Mittagessen. Mason und ich wollen uns bei dir bedanken, weil du uns bei der Hochzeitsplanung geholfen und die beste Junggesellinnenparty aller Zeiten organisiert hast. Wir wollen dich heute Abend zum Essen einladen. Bitte sag nicht Nein. Wir möchten das wirklich, wirklich gerne.“

Katie lächelte. „Natürlich. Sehr gerne. Danke.“

„Kannst du um sechs fertig sein?“

„Kann ich.“ Sie nickte Drea zu. Es war zwar kein Mittagessen mit ihrer Freundin, aber Mason war ein ziemlich netter Kerl, und sie konnte etwas Ablenkung gebrauchen. „Wo soll ich euch treffen?“

„Oh, keine Sorge. Luke holt dich ab.“

„Luke? Äh, warum in aller Welt…?“

Drea schüttelte den Kopf. „Hör zu, ich weiß, dass er nicht dein Lieblingsmensch ist, aber ihr beide scheint in Las Vegas ganz gut miteinander ausgekommen zu sein.“

Die Erwähnung von Las Vegas rief Erinnerungen an ihre überstürzte Hochzeit wach und Katies Magen rebellierte.

„Es ist auch ein Dankesessen für ihn. Wir dachten, es würde dir … nicht allzu viel ausmachen. Ich meine, ihr beide arbeitet doch auch bei Red Barrel zusammen, oder? Und ihr scheint in letzter Zeit ziemlich herzlich miteinander umzugehen.“

Ach herrje. Drea hatte keine Ahnung, dass Luke ihr auf zu viele Arten unangenehm war, um sie alle aufzuzählen. Herzlich mit ihm in der Öffentlichkeit umzugehen war ein Akt.

Dennoch wollte sie nicht als Griesgram rüberkommen. Sie wollte auch Masons Gefühle nicht verletzten, indem sie sich weigerte, das Brot mit seinem Bruder zu brechen. Was konnte sie sagen? Ohne böse Absicht hatte ihre Freundin sie in eine Falle manövriert. „Nein, ist schon okay. Aber vielleicht sollte ich selbst fahren. Nun ja, falls es spät wird. Ich will euch nicht aufhalten. Du weißt ja, dass mir um Punkt zehn Uhr die Augen zufallen.“

Drea lachte. „Ich verspreche, dass Luke dich bis zehn nach Hause bringt.“

„Können wir nicht alle zusammen fahren?“

„Könnten wir, bloß müssen Mason und ich früher los, um uns ein letztes Mal mit dem Hochzeitscaterer zu treffen, und wir dachten, dass ihr da nicht mit hingeschleift werden wollt.“

Es war eine unmögliche Reihe von Umständen. Wegen ihrer Pflichten als Trauzeugin neben Luke als Trauzeugen mussten sie gezwungenermaßen Zeit zusammen verbringen, das hatte Katie nicht kommen sehen. Bei Weitem nicht. „Gut, dann soll Luke mich abholen. Was soll ich anziehen?“

„Irgendetwas Umwerfendes. Wir gehen ins The Majestic.“

Das war ein piekfeines Nicht-Boone-Restaurant – bekannt für seine romantische Atmosphäre – in den Außenbezirken von Boone County. „Nett“, sagte Katie und täuschte Begeisterung vor.

„Okay, toll. Dann sehen wir uns heute Abend.“ Drea klatschte in die Hände. „Ich bin so aufgeregt. Ich bin noch nie dort gewesen.“

„Ich auch nicht.“

„Also wird es für uns beide ein erstes Mal.“

Um zwölf Uhr waren Katie und Lori mitten in der zweiten Stoßzeit. Die erste fand immer gegen acht am Morgen statt. Diese Mittagsspitze war nichts, womit sie nicht klarkamen, und als Shelly an der Seite eines Mannes den Laden betrat, begrüßte Katie die beiden.

„Hi, Shel. Schön dich zu sehen. Wie geht’s?“ Sie warf dem gut aussehenden blonden Mann neben ihrer Schwester einen kurzen Blick zu.

„Katie, das ist Dr. Moore. Er ist neu in der Stadt und ich habe ihm von den besten Cupcakes in ganz Boone County erzählt. Dr. Moore, das ist meine talentierte Schwester Katie.“

Sie begrüßten sich.

„Ich muss Sie warnen, ich bin eine Naschkatze“, sagte Dr. Moore. „Sie werden mich also wohl ziemlich oft hier sehen.“

„Dann sind Sie genau mein Mann. Willkommen. Haben sie eine Lieblingsgeschmacksrichtung?“

„Ich habe ihm erzählt, dass du die besten Zitronen-Himbeer-Cupcakes der Welt machst.“

Shelly lächelte, in ihren Augen lag ein Schimmern, das Katie schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte.

„Klingt gut. Sehr schöner Laden übrigens“, sagte Dr. Moore und bewunderte die in Pastellfarben gehaltene Ausstattung und die Sitzecken. Er studierte die Gebäckauslage. „Und es sieht so aus, als würde ich wiederkommen und alles probieren, was Sie hier anbieten.“

„Zum Glück ist sein Bruder Zahnarzt“, sagte Shelly neckisch.

Katie kicherte. Ihre Schwester scherzte nie, zumindest nicht in letzter Zeit, und es machte ihr das Herz ein bisschen leichter. „Kann man so sagen. Also, wollt ihr beide hier essen? Wie haben Kaffee, heiße Schokolade und Chai.“

„Ein andermal. Ich fürchte, ich muss so schnell wie möglich zurück ins Krankenhaus.“

„Ich auch“, sagte Shelly.

„Na gut, dann packe ich sie euch ein. Und ich lege noch ein paar von meinen Karotten-Zucchini-Cupcakes und meine neueste Kreation, Vanille mit Pfirsich, dazu.“

„Das ist sehr nett von Ihnen. Ich kann es gar nicht erwarten, die später zu probieren.“ Sein Handy klingelte und Dr. Moore blickte auf den Bildschirm. „Bitte entschuldigen Sie mich, aber da muss ich rangehen“, sagte er und ging zur Eingangstür. „Shelly, können wir uns draußen treffen?“

„Natürlich.“

„Vielen Danke noch mal, Katie.“

„Sehr gerne.“

Sobald der Arzt hinausgegangen war, konnte Katie ihre Zunge nicht mehr im Zaum halten. „Er ist wirklich süß.“

„Kann sein.“

„Du meinst, das ist dir noch nicht aufgefallen?“

Shelly wurde klar, worauf sie anspielte, und rollte mit den Augen. „Oh, du liebe Güte. Ich wollte nur eine gute Nachbarin sein. Dr. Moore kennt nicht allzu viele Leute in der Stadt. Ich dachte, der Laden könnte ihm gefallen, und ich wollte ihn dir vorstellen.“

„Du bist also nicht an ihm interessiert? Er scheint nämlich nett zu sein, und du hast noch nie vorher einen Typen mit in mein Geschäft gebracht.“

„Nein, ich habe kein Interesse an ihm. Luke hat mich für alle Männer ruiniert, fürchte ich. Denk nicht mal daran.“

„Shel, ernsthaft. Das ist Jahre her, und es ist Zeit, dass du das hinter dir lässt. Kann ich nicht ein kleines bisschen daran denken?“

„Nicht einmal ein klitzekleines.“

Katie seufzte. Sie wollte nur, dass ihre Schwester glücklich war. Doch es sah so aus, als wehrte Shelly sich mit Händen und Füßen dagegen.

Katie suchte die Cupcakes aus der Auslage zusammen und legte sie in eine Schachtel, die sie mit zwei Katie’s-Kupcakes-Stickern versiegelte. „Na gut. Hier, bitte.“ Sie reichte Shelly die Schachtel.

„Danke für die Leckereien, Schwesterherz.“

„Shel?“

„Was?“

„Ich mag es, wenn du mich hier besuchst. Das solltest du öfter machen.“

Shellys Miene wurde sanfter, und in ihren Augen und ihrem Lächeln lag auf einmal eine Schönheit. „Das werde ich. Versprochen.“

Katie sah ihrer Schwester hinterher und seufzte. Sie musste sich um ihre eigenen Probleme kümmern.

Heute Abend hatte sie ein „Date“ mit dem Mann, der ihrer Schwester das Herz gebrochen hatte.

4. KAPITEL

Von der Sekunde an, als Katie das The Majestic betrat, fühlte sie sich in eine andere Ära versetzt. Die schwarz-weiß gefliesten Böden, die kunstvollen Tischdekorationen, das feine Porzellan und die mehrstufigen, flackernden Kerzenständer entführten einen in die Lebensart und Romantik einer längst vergangenen Zeit.

„Du passt zu diesem Ort, Katie“, sagte Luke. „Besonders heute Abend. Ich mag es, wenn dein Haar hochgesteckt ist.“

Sie wollte seine Komplimente nicht hören. Als er sie vor ihrer Bäckerei abgeholt hatte, hatte er sie mit einem Kompliment nach dem anderen ganz schwindelig gemacht, was ihrem Ego einen Schub versetzte. Sie hatte tatsächlich alles gegeben: Ihre Haare waren zu einem Messy Bun verknotet und sie trug ein langes, seidig glänzendes schwarzes Abendkleid, das an der Seite geschlitzt und bei dem ein dünner Strang erlesener Strasssteine in das schräge Dekolleté genäht war. Sie hatte dieses Stück bei einer Haushaltsauflösung in Dallas erworben. Es war ein Kleid, das sie einfach hatte haben müssen, obwohl sie nie daran geglaubt hatte, es irgendwo tragen zu können. Bis heute Abend.

„Es ist märchenhaft hier“, sagte sie und bewunderte ihre Umgebung.

Viele fanden Gefallen an Boone County, doch dieser Ort war einzigartig und richtete sich definitiv an die unfassbar Reichen und Berühmten.

„Wie ich schon sagte, du passt perfekt hierher.“

Sie nahm ihn am Arm und blickte ihm in die tiefblauen Augen. Mit seinem schiefergrauen Anzug und den zurückgekämmten dunkelblonden Haaren, die sein markantes Gesicht betonten, war er mehr als nur ein netter Anblick. Das war jedoch sehr oberflächlich von ihr. Er war viel mehr als das. Hauptsächlich war er tabu. „Danke. Aber bitte hör auf, so nette Sachen zu sagen. Die Situation ist schwierig genug.“

Sie hoffte, dass ihre Bitte ihm den Kopf zurechtrückte. Da sie heute Shellys verbitterte Bemerkung gehört hatte, Luke habe sie für alle Männer ruiniert, musste sie entschlossen bleiben. Es stand zu viel auf dem Spiel, und sie musste zugeben, dass Lukes Komplimente sie verzauberten. Dass sie Dinge wollte, auf die sie kein Recht hatte.

„Ich sage nur die Wahrheit“, sagte er zu seiner Verteidigung.

„Siehst du, genau das meine ich.“ Sie kniff für einen Moment die Augen zusammen. „Lass es einfach. Bitte, Luke.“

Er schloss die Augen, doch er antwortete ihr nicht.

Der Oberkellner begrüßte sie. „Mr. Boone, wie schön, sie wiederzusehen. Bitte folgen Sie mir. Ihr Bruder und seine Verlobte erwarten Sie bereits.“

Luke legte ihr eine Hand auf den Rücken und führte sie durchs Restaurant. Es dauerte nicht lange, da entdeckte sie Drea und Mason an einem Tisch in der Ecke, von dem aus man den Innenhof überblicken konnte. Gott sei Dank. Sie brauchte heute Abend Verstärkung. Drea würde den perfekten Puffer abgeben.

Der Oberkellner begleitete sie zum Tisch und zog einen Stuhl für sie hervor. Sie nahm Platz, und Luke setzte sich neben sie. Sein Duft, seine Anwesenheit umschwebten sie. Sie war intim mit ihm gewesen und lernte allmählich seine Eigenarten kennen, zum Beispiel, wie seine Augen eine Nuance dunkelblauer wurden, wenn er erregt war, und wie sein Mund zuckte, wenn er ein Lächeln zu verbergen versuchte, und wie er sich, wenn er gereizt war, über das Kinn strich. Letzteres hatte sie seit Las Vegas ziemlich oft beobachtet.

„Hi, ihr zwei.“ Drea lächelte sie an.

Mason schüttelte Luke die Hand. „Ich bin froh, dass ihr es beide einrichten konntet.“

„Danke für die Einladung“, sagte Luke.

„Ja … danke“, sagte auch Katie, obwohl sie lieber einen Stall ausgemistet hätte, als noch mehr Zeit mit Luke zu verbringen.

„Ist dieses Restaurant nicht atemberaubend?“, fragte Drea. „Ich fühle mich, als wäre ich in einem Film aus den Vierzigern oder so.“

„Geht mir genauso“, sagte Katie.

„Das Essen hier ist erste Sahne“, sagte Mason. „Der Besitzer Billy Meadows war ein Freund unseres Vaters. Henry Boone hätte dieses Lokal wohl liebend gern in seiner Pracht übertroffen, aber Dad war kein habsüchtiger Typ. Er hat Konkurrenz als etwas Gutes gesehen.“

„Es ist außerdem vorteilhaft für die Stadt“, sagte Katie. „Eine Wahl zu haben, meine ich.“

Die Boone-Brüder tauschten einen raschen Blick. Sie fragte sich, was das zu bedeuten hatte, doch Luke wechselte schnell das Thema: „Also, eure Hochzeit ist in weniger als einem Monat. Schwer zu glauben. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für euch tun kann, lasst es mich wissen.“

„Mich auch“, warf Katie ein.

„Mach dir keine Sorgen, meine liebe Katie“, sagte Drea. „Ich habe eine Liste von Dingen, bei denen ich Hilfe brauche. Bald ist die letzte Anprobe meines Brautkleides, und die Kleider für die Brautjungfern sind da.“

„Wie aufregend. Bin dabei“, sagte Katie.

„Hilfst du bei der Brautparty?“, fragte Luke.

„Ja. Und ich freue mich drauf. Die ist nächstes Wochenende.“

Drea wollte eine gemeinsame Party für sich und Mason, und das bedeutete mehr Kontakt mit Luke. Aber nun ja, es gab nichts, was Katie dagegen unternehmen konnte. Sobald die Hochzeit über die Bühne wäre und sie und Luke ordnungsgemäß geschieden wären, würde sie nicht mehr so viel mit ihm zusammen sein müssen.

„Ich fühle mich schlecht, weil ich dich von deiner Arbeit bei Red Barrel abhalte“, sagte Drea. „Ich weiß, dass du gerne deine Freizeit dort verbringst, und es kommt mir so vor, als würde ich sie komplett an mich reißen.“

„Das … macht mir nichts aus.“ Die Erinnerung an die Pferderettungsstation entmutigte Katie. Sie war nicht wieder dort gewesen, seit Snow gestorben war.

Nun wandte Mason sich an sie: „Luke hat mir erzählt, dass ihr vor nicht allzu langer Zeit eine lieb gewonnene Stute verloren habt. Tut mir sehr leid.“

„Ja. Es war schwer. Sie war etwas Besonderes.“

Drea dämpfte ihre Stimme. „Ich habe dir ja schon gesagt, wie leid es mir tut, dass Snow von euch gegangen ist.“

Luke berührte ihre Hand, daher sah sie ihm in die Augen. Darin lag Mitgefühl.

„Sie hat jetzt ihren Frieden gefunden“, sagte er.

Katie nickte, dann setzte sie ein strahlendes Lächeln auf. Sie war nicht hier, um alle runterzuziehen. Und doch verursachte ihr die Erinnerung an den Verlust von Snow zusammen mit der Verbitterung ihrer Schwester heute Bauchschmerzen. „Es geht mir gut, wirklich. Drea, wir sind seit der dritten Klasse befreundet, und ich freue mich auf jede Minute, die ich dir bei deiner Hochzeitsplanung helfen kann. Also mach dir keine Gedanken darüber, ob es mir Umstände bereiten könnte. Wir träumen schon von diesem Tag, solange ich mich erinnere.“

Drea warf ihr einen Luftkuss zu. „Das weiß ich. Und dein Tag wird auch noch kommen, und wenn es so weit ist, werde ich für dich da sein.“

Katies Wangen begannen zu glühen, sie fühlte sich wie eine furchtbare Heuchlerin, direkt neben ihrer besten Freundin zu sitzen und sie eiskalt anzulügen. Sie konnte nicht mal Luke einen Blick zuwerfen, aus Angst, sich zu verraten.

Zum Glück erschien der Kellner mit den Speisekarten und nahm ihre Getränkebestellung auf.

„Für mich nichts, bitte. Nur Wasser.“ Sie konnte sich keinen Drink genehmigen, solange ihr Bauch rebellierte. Und außerdem hatte sie seit Las Vegas dem Alkohol abgeschworen.

Als die Getränke serviert waren, bat Mason alle, die Gläser zu erheben. „Danke, dass ihr beide gekommen seid. Wir wollten uns dafür erkenntlich zeigen, dass ihr uns so eine wundervolle Party in Las Vegas bereitet habt. Dank euch hatten alle eine gute Zeit. Drea und ich wissen eure Liebe und Unterstützung zu schätzen. Also, auf eine liebevolle Familie und beständige Freundschaften.“

Sie stießen alle an und tranken. Drea gab Luke einen Kuss auf die Wange, danach umarmte sie Katie innig und gab ihr ebenfalls einen Kuss.

„Es war mir ein Vergnügen“, sagte Katie.

„Ja, mir auch“, sagte Luke. „Alle hatten eine tolle Zeit.“

Katie brachte es nicht übers Herz, ihm zuzustimmen. Das wäre die größte Lüge überhaupt.

Hinter der Tanzfläche stellten sich Musiker auf und begannen, lebhafte Big-Band-Songs zu spielen, die ihre Großeltern vermutlich geliebt hatten. Nachdem der Kellner vorbeigekommen war, um ihre Bestellung aufzunehmen, griff Mason nach Dreas Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Drea warf Katie hilflos einen Blick zu, als wollte sie sich entschuldigen, weil sie sie mit Luke allein ließ.

„Möchtest du tanzen?“, fragte Luke nach einer Minute des Schweigens.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“ Sie wollte nicht, dass er sie festhielt oder berührte. Das hatten sie bereits zu oft getan. Ihr Magen rumorte noch immer, und der einzige Weg, wie es sich bessern würde, war, sich von Lucas Boone zu befreien. Als sie sicher war, dass Mason und Drea ganz bestimmt außer Hörweite waren, flüsterte sie: „Wie ist der neuste Stand zu … unserer Scheidung?“

„Was?“

Luke lehnte sich herüber, und sie wiederholte es an seinem Ohr. Sein purer männlicher Duft erfüllte ihre Nase, ihre Gedanken blitzten zurück zu ihrer gemeinsamen Nacht. Sie wünschte, diese Erinnerungen würden verblassen, doch jedes Mal, wenn sie ihm nahe war, wurden sie schärfer.

„Es gibt keinen neusten Stand. Mein Anwalt ist noch immer nicht im Land.“

„Pst.“ Wieso sprach er in normaler Lautstärke? „Es gibt sicher irgendwas, das wir tun können“, sagte sie leise.

Luke nahm ihre Hand. „Tut mir leid, Katie.“

Sie wollte keine Entschuldigungen, sie wollte Taten. Sie könnte selbst versuchen, einen Anwalt zu finden, doch sofern sie sich nicht nach Willow County oder in eine andere Stadt wagte, fürchtete sie, dass die Nachricht die Runde machte. Das war der Fluch, wenn man in einer Kleinstadt lebte, Klatsch und Tratsch verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Luke hatte ihr versprochen, dass sein Anwalt mit höchster Diskretion arbeitete, und das glaubte sie ihm, denn niemand wollte einen Boone verärgern.

Sie entwand sich seinem Griff, Drea und Mason kehrten jedoch gerade zum Tisch zurück und sahen, dass sie sich bei den Händen hielten. Auweia.

Mason hob eine Braue, doch die wohlerzogene Drea tat so, als hätte sie es nicht bemerkt.

Nachdem das Essen serviert worden war, gestaltete sich das Tischgespräch angenehm und fesselnd. Hauptsächlich sprachen sie über Hochzeitspläne und den Bau von Masons und Dreas neuem Zuhause auf dem Grundstück der Rising Springs Ranch.

Dann wurden Dessert und Kaffee gebracht. Die Törtchen und Kuchen waren wunderschön, aber Katie hatte kaum etwas vom Abendessen angerührt, sodass der Gedanke an Nachtisch ihr nicht behagte. Filet Wellington hatte auf der Karte zwar gut geklungen, als der Teller jedoch vor ihr stand, hatte sie den Appetit verloren. In letzter Zeit war ihr öfter übel, und das mit gutem Grund. Sie hatte den Feind geheiratet, und der Albtraum hörte nicht auf. Sie fühlte sich außer Kontrolle, rastlos und verwirrt von ihren Gefühlen für Luke.

„Ich setze diesmal aus“, sagte sie höflich.

„Zu viele Cupcakes in der Bäckerei probiert?“, fragte Drea.

„Ähm, ja. Ich bin wirklich voll“, behauptete sie. Drea schaute sie an. Sie war clever genug, sie nicht zu fragen, was nicht stimmte, doch Katie hatte keinen Zweifel, dass ihre Freundin sie später deswegen ausfragen würde. „Aber esst ihr nur. Genießt es. Es sieht alles köstlich aus.“

Nach dem Dessert eroberten Mason und Drea erneut die Tanzfläche. Ihre Freundin wusste genug, dass sie nicht versuchte, sie und Luke zum Mitkommen zu überreden. Gott sei Dank.

Katie sah auf die Uhr. „Luke, es ist nach neun.“

„Ja“, sagte er. „Ich weiß. Seit wir hier angekommen sind, hast du alle fünf Minuten auf die Uhr gesehen.“

„Habe ich nicht.“

„Hast du.“

Mit seiner klassisch-frustrierten Handbewegung strich er sich übers Gesicht, es regte sie ohne Ende auf.

„Lucas Boone, was genau willst du eigentlich von mir?“

Das brachte ihn für eine Sekunde aus der Fassung. Er blinzelte mehrmals, dann fixierte er sie. „Du wärst überrascht.“

Ihr Herz begann zu rasen. „Wäre ich das?“

„Daran habe ich absolut keinen Zweifel, also vergessen wir das.“ Er stand auf. „Schnapp dir deine Handtasche. Ich bringe dich jetzt nach Hause.“

Sie warteten, bis der Tanz vorbei war, um Drea und Mason Auf Wiedersehen zu sagen. „Vielen Dank für diesen Abend, es war ganz wunderbar“, sagte Katie.

„Ich bin froh, dass es dir gefallen hat“, antwortete Mason.

Sie umarmte Drea zum Abschied, dann verließ sie mit Luke das Lokal.

Die Fahrt nach Hause verlief untypischerweise sehr ruhig. Luke würdigte sie keines Wortes oder Blickes, und sie spürte die Spannung bis in die Zehen. „Bist du wütend auf mich?“, fragte sie.

Er atmete tief ein und schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Ist das alles, was du zu sagen hast?“

„Jap. Das ist alles.“ Er schaute stur auf die Straße.

Sie verschränkte die Arme um ihre Mitte und ihr Bauch verkrampfte sich. Sie hatte beinahe vergessen, wie unstet er sich anfühlte. Es war dieser ganze Stress, und sie war davon abgeschreckt, dass Luke, auch wenn er es abstritt, wütend auf sie war. Wenn irgendwer das Recht hatte, wütend zu sein, dann war sie es. „Vielleicht bin ich ja wütend auf dich.“

„Was?“ Diesmal wandte er den Blick von der Straße ab. Er machte ein ungläubiges Gesicht. „Ich bin nicht derjenige, der Mason und Drea den Abend verdorben hat. Sie haben versucht, etwas Nettes zu tun. Und du hast dich geweigert mitzumachen.“

„Ich habe mich nicht geweigert. Ich wollte bloß nicht … mit dir zusammen sein. Nur aus irgendeinem Grund scheinst du das nicht zu verstehen.“

„Oh, ich verstehe das schon. Aber hättest du meinem Bruder und Drea nicht etwas mehr Wertschätzung zeigen können? Du wolltest nicht tanzen, nichts essen. Was war da los, liebste Ehefrau?“

Das sagte er bloß, um Salz in die Wunde zu streuen. „Sei nicht so ein Arsch. Luke. Ich könnte niemals deine Frau sein. Und du weißt verdammt gut, dass ich nichts verdorben habe.“

Ihr Bauch verkrampfte sich, und sie verkniff das Gesicht und schluckte die Schmerzen hinunter. „Uff.“ Sie starrte aus dem Fenster, um ihre Beschwerden zu verbergen, in der Hoffnung, dass Luke nichts mitbekam.

„Was ist los?“

„Nichts.“ Sie vermied es, ihn anzusehen.

Luke lenkte das Auto an den Fahrbahnrand und parkte neben dem Highway.

„Was machst du da?“, fragte sie atemlos.

„Was ist mit dir los?“

„Ich habe dir doch gesagt, dass nichts mit mir los ist.“ Erneut drehte sich ihr der Magen um und sie biss sich auf die Lippen. Sie wollte nicht, dass ihr vor ihm übel wurde. Sie saßen im Halbdunklen, das Mondlicht tauchte sie in Schatten. „Aber es wäre mir sehr recht, wenn du mich nach Hause bringen würdest.“

„Können wir einfach kurz reden?“, fragte er.

„Ich fühle mich nicht gut, okay? Es ist dieser ganze Stress. Ich bin krank vor Sorge, dass meine Mutter und meine Schwester herausfinden könnten … was passiert ist. Und mit dir zusammen zu sein, macht mich ein bisschen verrückt.“

„Katie“, sagte er mit supersanfter Stimme. „Es tut mir leid, dass es dir nicht gut geht. Warum hast du nicht schon vorher etwas gesagt?“

„Ich wollte den Abend nicht ruinieren. Aber deiner Meinung nach habe ich das ja trotzdem getan.“

„Katie“, flüsterte er. „Ich war einfach …“

„Ein Idiot?“

„Okay“, sagte er niedergeschlagen. „Ich war ein Idiot. Natürlich hast du nichts verdorben. Ich mache dich also verrückt? Hasst du mich so sehr?“

„Luke, ich hasse dich nicht. Das habe ich nie. Vielleicht ist mein Problem, dass … ich dich mag. Und das ist ausgeschlossen.“

„Du magst mich?“ Er erhob hoffnungsvoll die Stimme.

„Luke, wir haben … Na ja, du weißt schon. Ich frage mich immer wieder, warum ich das zugelassen habe. Klar, es war die Trauer über Snow, aber …“

„Wie sehr magst du mich?“

Er war wahnsinnig, falls er glaubte, dass zwischen ihnen jemals etwas entstehen könnte, und doch fragte er so, als gäbe es da eine Chance. „Nicht genug, um meine Schwester zu zerstören und meiner Mutter wehzutun.“ Ihr Bauch verkrampfte sich, und sie legte eine Hand darauf. „Oh.“

„Katie?“

„Luke, bitte bring mich nach Hause.“

Besorgnis trat in seinen Blick. „Okay, lehne dich einfach zurück und versuche, dich zu entspannen. Ich bringe dich schnell nach Hause, Sweetheart.“

Sie war nicht sein Sweetheart. Sie war sein überhaupt nichts, und sie hoffe, dass dieses kleine Gespräch ihn davon überzeugt hatte.

Kurze Zeit später parkte er vor der Bäckerei. „Warte eine Sekunde“, sagte er und stieg aus dem Auto, um ihr die Tür zu öffnen. Er nahm ihre Hand und half ihr hinaus.

„Danke fürs Mitnehmen.“ Sie wandte sich von ihm ab, doch er ließ ihre Hand nicht los.

„Ich werde dafür sorgen, dass du sicher reinkommst.“

Die Eingangstür war drei Meter entfernt. „Ich komme schon klar.“

„Ich begleite dich“, sagte er stur und ging neben ihr her, während sie auf die Tür zusteuerte.

Sie schloss auf und wollte gerade einen Schritt hineinsetzen.

„Katie?“

„Was?“ Sie drehte sich zu ihm um.

Er betrachtete sie mit sanftem Blick, Sorgenfalten zeichneten sich auf seinem Gesicht ab.

„Fühlst du dich besser?“

„Ein bisschen.“

Er stupste ihr Kinn nach oben und bedeckte ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss. Sofort breitete sich Wärme in ihr aus und beruhigte sie.

„Ruh dich etwas aus. Ich sehe morgen noch mal nach dir.“

„Bitte nicht.“

„Gut, dann sehen wir uns am Samstag zur Brautparty. Ich kann dich abholen und zur Ranch bringen.“

„Das ist doch Unsinn. Du wohnst auf der Ranch. Du musst nicht den ganzen Weg hierherfahren, um mich abzuholen. Ich schaffe das schon.“

Er wirkte enttäuscht.

„Es tut mir übrigens leid, weißt du“, sagte er. „Es gefällt mir nicht, dass ich für deinen Stress verantwortlich bin. Aber ich kann es nicht ändern.“

„Ich … versuche, mich daran zu erinnern. Also, keine Überraschungsbesuche bei mir im Laden?“

„Das kann ich nicht versprechen. Vielleicht habe ich Sehnsucht.“

Katie warf ihm einen bösen Blick zu.

„Nach einem Cupcake.“

Sie biss sich auf die Lippen und verkniff sich einen Kommentar.

„Versuch einfach, dich zu erholen. Gute Besserung.“ Er drehte sich um und sprang in seinen Wagen.

Ein träumerisches Gefühl durchströmte ihren Körper, als würde sie schweben.

Bis ihr klar wurde, dass Luke sie auf offener Straße geküsst hatte.

Und sie vielleicht jemand beobachtet hatte.

Sie spähte nach links und rechts. Der Bürgersteig war leer, und es waren keine Autos in Sicht. Trotzdem zog sich ihr Bauch erneut zusammen, jedes Gefühl von Wärme löste sich in Luft auf.

Die aufrichtige Sorge in seiner Stimme hatte ihr allerdings kurz einen Stich ins Herz versetzt. Die Wahrheit war, dass sie lange niemanden mehr gehabt hatte, der sich auf diese Art um sie gekümmert hatte. Und es fühlte sich irgendwie schön an. Das war es, wonach sie sich gesehnt hatte, was sie Luke in Las Vegas offenbart hatte. Sie wollte mehr vom Leben. Sie wollte einen Partner, mit dem sie Dinge teilen konnte. Sie hatte diesen Bereich ihres Lebens vernachlässigt, um die Bäckerei zum Erfolg zu führen. Jetzt besaß sie ein florierendes Geschäft, konnte jedoch niemanden daran teilhaben lassen.

Vielleicht sollte sie wieder anfangen auszugehen.

Und dann fiel es ihr ein … sie konnte mit niemandem ausgehen.

Sie war mit Lucas Boone verheiratet.

5. KAPITEL

Am Samstagmorgen stand Katie extra früh auf, um einen Vorsprung beim Backen rauszuholen, damit ihr Zeit blieb, um der Torte für die Brautparty den letzten Schliff zu geben. Obwohl das nicht ihre Spezialität war, wusste sie genug darüber, um eine einzigartige Kreation für Drea und Mason zu entwerfen, die ihrem neuen Haus auf der Rising Springs Ranch nachempfunden war. Katie hatte jede Menge Arbeit reingesteckt, aber am Ende würde sie spektakulär aussehen.

Als sie zur Hälfte mit dem Dekorieren fertig war, überfiel sie Erschöpfung, und sie setzte sich für eine kurze Pause hin. In letzter Zeit war sie ziemlich gestresst gewesen, und das aus gutem Grund, doch sie hatte sich nie zuvor so schlapp gefühlt. Ihre Mutter sagte ihr immer, dass sie sich zu viel aufbürdete und eine weitere Kraft in der Bäckerei einstellen sollte, Katie glaubte jedoch nicht, dass es daran lag.

„Du siehst so grün aus wie dieser Pistazienguss“, sagte Lori und nahm ein Blech mit frisch glasierten Cupcakes. „Bist du krank?“

„Ich bin wohl nur müde. Ich habe gestern Nacht hart an der Torte gearbeitet und nicht viel Schlaf bekommen. Ich hätte den Laden vermutlich heute zulassen sollen, um mich auf Dreas Party zu konzentrieren.“

„Wieso ruhst du dich nicht oben etwas aus, damit du frisch bist für die Brautparty? Ich mache die Cupcakes fertig.“

Normalerweise würde Katie nicht mal daran denken, doch sie hatte Bauchschmerzen. Es war dasselbe mulmige Gefühl, das sie inzwischen schon seit Tagen hatte. „Gut, ich gehe ein Stündchen hoch, wenn es dir nichts ausmacht.“

„Geh, ich habe hier alles unter Kontrolle.“

„Daran zweifle ich nicht. Du könntest die Bäckerei mit geschlossenen Augen führen. Ich bin bald zurück.“

„Lass dir Zeit“, sagte Lori.

„Danke.“ Katie stieg die Stufen zu ihrem Apartment hoch, doch sobald sie drin war, krampfte sich etwas in ihrem Unterleib so fest zusammen, dass sie nicht gegen die Übelkeit ankämpfen konnte. „Oh nein.“ Mit einer Hand auf dem Bauch rannte sie ins Badezimmer und schaffte es gerade noch rechtzeitig. Als sie fertig war, setzte sie sich auf den Fliesenboden neben der Toilette, bis ihr Magen sich beruhigt hatte.

Wo war das hergekommen? Sie ging in Gedanken durch, was sie in den letzten Tagen gegessen hatte, doch nichts kam ihr seltsam vor. Konnten Stress und Übermüdung sich so stark auf ihre Gesundheit auswirken?

Sie stand auf, duschte und legte sich ins Bett. Sie würde sich bloß ein paar Minuten ausruhen und dann wieder aufstehen, um die letzten Handgriffe an der Torte zu erledigen.

Das Zwitschern von Vögeln durchdrang ihren Schlaf. Katie öffnete die Augen und lauschte. Das waren keine echten Vögel, es war ihr Handy, das klingelte. Sie nahm es vom Nachttisch. Als sie die Uhrzeit sah, weiteten sich ihre Augen panisch und sie sprang aus dem Bett. Es war neun! In einer halben Stunde sollte sie auf der Ranch sein. Die Party begann um zwölf.

In der Nachricht stand: Drea schickt mich, um dich abzuholen. Bleib, wo du bist. Luke.

Oh Gott. Sie war zu spät dran. Schnell warf sie sich ihr Kleid über. Überrascht bemerkte sie, dass es ein bisschen straffer an der Taille lag, als sie in Erinnerung hatte. Sie musste aufhören, ihre eigenen Cupcakes zu essen. Sie nahm sich noch ein paar Minuten, um sich zu kämmen, dann rannte sie nach unten. „Lori, es tut mir so leid“, rief sie. Sie hatte keine Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, dass Luke sie abholen kam. So wie sie sich momentan fühlte, konnte sie seine Hilfe sogar gut gebrauchen.

„Hey, kein Problem.“ Lori kam in die Backstube. „Gerade ist wenig los, ich habe mir allerdings langsam Sorgen gemacht. Geht es dir besser?“

Verflixt, sie hatte keine Zeit, sich schlecht zu fühlen. Sie musste die Torte fertigstellen und nach Rising Springs fahren. „Ja, mir geht’s gut. Die Pause hat mir wahnsinnig gutgetan, aber ich muss die Torte zu Ende dekorieren. Sollte schnell gehen.“

Katie nahm das Backwerk aus dem Kühlschrank und verbrachte die nächsten zwanzig Minuten damit, den Rand zu garnieren und die Namen aufzutragen. Als sie mit allem fertig war, sah die zweistöckige Torte aus wie ein Bild von Heiterkeit und Liebe.

„Ta-da!“, sagte sie voller Stolz und Erleichterung.

„Sie ist wunderschön.“

Luke hatte sich neben sie geschlichen. Sie hatte ihn nicht hereinkommen gehört, doch sie freute sich über sein Kompliment.

„Danke.“

„Viel Arbeit?“

„Ja“, antwortete sie. „Aber die Mühe wert.“

„Lustig, genauso fühle ich für dich.“ Er zwinkerte ihr zu.

„Luke!“

Er grinste. „Jetzt komm. Bewegen wir unseren Hintern zum Haus, bevor die Party ohne uns losgeht.“

Sie wollte gerade die Torte anheben, da überkam sie ein Schwindelgefühl und kurz wurde ihr schwarz vor Augen.

Luke war sofort bei ihr, nahm ihre Hände und sah sie eindringlich an. „Katie?“

„Wow“, sagte sie. „Das war seltsam.“

„Was ist passiert?“

„Nichts.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nur schlecht geschlafen. Mir war ein bisschen schwindelig. Aber jetzt geht es wieder.“

Er trat noch einen Schritt näher heran. „Bist du sicher?“

„Ja“, sagte sie automatisch. „Du hättest übrigens wirklich nicht zu kommen brauchen.“

„Drea hat darauf bestanden, und wer bin ich, dass ich mich mit meiner Schwägerin in spe anlege?“

„Genaaau.“

Sie würde ihm nicht verraten, wie froh sie war, dass er ihr zu Hilfe geeilt war oder dass sie sich schon die ganze letzte Zeit träge fühlte. Sobald sie das Problem mit ihrer „Ehe“ geregelt hatten, hoffte sie, würden auch ihre Bauchschmerzen verschwinden.

Auf der Rückfahrt von der Party sah Luke immer wieder zu Katie hinüber. Es war eine ausgelassene Feier für das glückliche Paar gewesen, und Katie war von Mason, Drea sowie sämtlichen anderen Gästen mit Komplimenten für ihre aufwendige und köstliche Torte förmlich überschüttet worden. Jetzt saß sie auf dem Beifahrersitz seines Autos und bemühte sich, die Augen offen zu halten, ihr Kopf lehnte an der Kopfstütze. Eingekuschelt in ihre Jacke sah sie warm und behaglich und friedlich aus. Ihr Körper versank in den Konturen des Sitzes.

Luke versuchte, keinen Mucks von sich zu geben, während er die ruhige Straße entlangfuhr, und binnen kürzester Zeit schlief sie ein. Er spürte instinktiv, wie richtig sich dieser Moment anfühlte. Er und Katie. Für ihn gab es auf der ganzen Welt keine andere Frau, und mit jedem weiteren Tag wurde dieses Gefühl stärker.

Sie hoffte auf eine schnelle Scheidung, wohingegen er sie hinhielt …

Vielleicht war das falsch, doch in all den Jahren, in denen er seinem Land in Afghanistan gedient hatte, war stets diese dumpfe Leere in ihm gewesen. Es war die schlimmste Empfindung der Welt, diese Einsamkeit. Dieses Gefühl, dass außer seinen Brüdern niemand sonst zu Hause auf ihn wartete. Jetzt hatte er, was er sich immer gewünscht hatte. Es würde schwer werden, das aufzugeben.

An der Art, wie Katie sich in den Sitz schmiegte, erkannte er, dass sie hundemüde war. Ihre Atemzüge waren laut, sie wirkte erschöpft.

Katie war ein Kraftpaket. Sie hatte „Katie’s Kupcakes“ zum Erfolg geführt. Und die ganze Zeit über hatte sie weiterhin die Red Barrel-Rettung unterstützt, hatte ihre Freizeit und Energie für vernachlässigte und herrenlose Pferde geopfert. Sie war eine großartige Freundin, eine wunderbare Tochter und eine superloyale Schwester.

Luke seufzte. Zu gern hätte er ihre Hand gehalten, doch das könnte sie aufwecken. Es würde sie aufschrecken, und das Letzte, was er wollte, war, sie misstrauisch zu machen, sodass sie eine Mauer um sich errichtete, die ihn ausschloss. Nein, er war zufrieden damit, sie in seiner Nähe zu haben, sie beim Schlafen zu beobachten. Schon zu bald würden sich ihre Wege wieder trennen.

Als sie ihre Straße erreichten, steuerte Luke die Hintertür des Ladens an und parkte. Sie würde sich Diskretion wünschen, damit Passanten nicht sahen, wie er versuchte, die schläfrige Katie aus seinem Wagen zu bekommen. Ihn störte es keinen Deut, mit ihr gesehen zu werden, deshalb tat er es nur für sie.

„Sweetheart“, sagte er leise und nahm ihre Hand, um sie zu wecken.

Sie wachte nicht sofort auf, sondern kuschelte sich nur tiefer in ihre bequeme Jacke.

„Katie, Süße, du bist zu Hause. Du musst aufwachen.“

Sie murmelte irgendwas Unverständliches und schlief weiter.

„Okay“, sagte er im Flüsterton. „Sieht so aus, als bräuchtest du einen Märchenprinzen, bloß sehe ich hier nirgendwo einen.“

Er schmunzelte über seinen schlechten Witz und stieg aus. Er öffnete die Beifahrertür und hoffte, dass die kühlere Luft sie wachrütteln würde. Als das nicht passierte, hob er sie in seine Arme und nahm ihre Handtasche mit.

„Luke“, flüsterte sie.

Der Klang ihrer sexy Stimme brachte ihn beinahe um den Verstand. Seine brave Katie war eine ziemlich sinnliche Versuchung.

„Ich hab dich.“

Er fummelte die Schlüssel aus ihrer Tasche, betrat die Bäckerei und stieg die Stufen zu ihrem Apartment hinauf. Zerzaust und schlaftrunken lag sie leicht in seinen Armen und war entspannt genug, sich an seine Brust zu lehnen, als er die Tür ihres Apartments öffnete. Er trug sie hinein und wünschte sich nichts sehnlicher, als sie auf dem Bett abzusetzen und sich neben sie zu legen.

Im Wohnzimmer angekommen stellte er sie auf die Füße und hielt sie fest, bis sie sicher stand. „Katie?“

Sie öffnete die Augen und sah zu ihm hoch. „Entschuldige. Ich war einfach so müde. Ich weiß nicht warum … Ich war noch nie zuvor so müde.“

Luke berührte ihre Wange und strich ihr eine honigblonde Strähne aus dem Gesicht. „Kein Problem“, sagte er ruhig. „Du hattest jede Menge um die Ohren, Sweetheart.“

„Das muss es wohl sein.“

Das Apartment war kühl und dunkel, und Katie sah so verführerisch aus, so weich.

„Habe ich die ganze Rückfahrt verschlafen?“

„Nicht die ganze.“

Sie bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. „Ach herrje. Das ist mir so peinlich. Du siehst mich immer von meiner schlechtesten Seite.“

„Das ist nicht möglich, Katie.“

„Luke“, warnte sie ihn, lächelte jedoch.

Ja, er wusste, wie es lief. Sie warnte ihn andauernd. Doch ihr war nicht klar, wie schwer es war, so nahe bei ihr zu stehen, wenn sie so verdammt verstrubbelt und sexy aussah. Sie hatte keine Ahnung, wie schwer es ihm fiel, ihr Gute Nacht zu sagen, obwohl er mit ihr verheiratet war.

Luke beschwor all seine Willenskraft. „Ich gehe dann besser. Werde dich ein bisschen schlafen lassen.“

Lag da ein Anflug von Enttäuschung in ihren Augen?

„Das wäre vermutlich das Beste.“

„Ja.“ Er ging nur äußerst ungern. Mit einem Finger berührte er ihre Wange, dann küsste er sie dort – sanft, zärtlich. „Also, gute Nacht.“ Er wandte sich von ihr ab, und sie blieb ein bisschen verloren mitten im Raum stehen.

Als er auf halbem Weg zu Tür war, rief sie ihn: „Luke?“

Er drehte sich auf dem Absatz um und sah sie an.

Sie schluckte schwer. „Geh nicht.“

Oh Gott. Luke atmete tief ein und ging zu ihr zurück. „Warum nicht?“

„Ich meine, du kannst natürlich gehen, wenn du willst. Ich wollte nur sagen, dass ich jetzt nicht mehr so müde bin, und falls du auf einen Kaffee oder einen Drink bleiben möchtest, wäre das schön. Aber du musst auch nicht, du kannst selbstverständlich jederzeit …“

„Ich bleibe.“

„Wirklich?“

Er nickte. Sie hatte keinen Schimmer, wie sehr er diese Worte hatte hören wollen. „Wenn ich bleibe, dann will ich …“

„Ich, ähm, kann mir schon denken, was du willst, Luke.“ Sie kniff kurz die Augen zusammen.

Er kratzte sich am Kopf. Sie war einfach zu liebenswert. „Ich wollte sagen, dass ich einen Cupcake zu dem Kaffee möchte. Wenn das keine zu großen Umstände macht.“

Ein Ausdruck der Erleichterung erhellte ihr Gesicht.

„Nein, überhaupt nicht. Ich bin deine Anlaufstelle für alles, was mit Cupcakes zu tun hat.“

Einfach seine Anlaufstelle für alles, Punkt.

„Schmeiß mich raus, wenn ich gehen soll“, sagte er. Sie waren nach der Brautparty noch geblieben, Katie hatte sich mit Drea wie verrückt über die Geschenke gefreut und sich über die Hochzeit unterhalten, er hatte mit seinen beiden Brüdern Bier getrunken. Doch es war erst früh am Abend.

Sie kicherte. „Keine Sorge. Das werde ich.“

Er wollte sich nicht lange damit aufhalten, wie leicht es für sie war, ihn wieder und wieder abzuweisen. „Bist du immer so schwungvoll nach einem Nickerchen?“

„Weiß ich nicht. Normalerweise mache ich keins“, sagte sie, während sie in die Küche ging und das Licht einschaltete. Sie arrangierte ein halbes Dutzend köstlich aussehende Cupcakes auf einem Teller und stellte ihn auf den Tisch. Dann begann sie, Kaffee zu kochen. „Bitte setz dich.“

Luke entschied, stehen zu bleiben. Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und beobachtete sie. Es roch gut in ihrer Küche, nach Zucker und Wärme. „Ich habe vor, morgen zur Rettungsstation zu fahren. War nicht wieder da, seit Snow gestorben ist.“

„Ich auch nicht“, gab sie zu. Sie hörte auf, gemahlene Bohnen in die Maschine zu füllen, und biss sich auf die Unterlippe. „Die Rückkehr wird nicht einfach.“

„Ja. Aber es gibt noch so viele andere Pferde, die unsere Aufmerksamkeit brauchen. Nach der Hochzeit werde ich mich um die Beschaffung von Geldern für Red Barrel kümmern. Ich habe mit Wes darüber gesprochen. Sie könnten mehr finanzielle Unterstützung gebrauchen.“

„Das ist eine gute Idee, doch deine Familie – hauptsächlich du – spendet ja bereits regelmäßig.“

„Woher weißt du das?“

„Ich halte meine Ohren offen, mehr werde ich dazu nicht sagen.“

„Du hast gerne Geheimnisse, ist es das?“

Ihre Augen wurden so rund wie die Cupcakes auf dem Teller.

„Ganz sicher nicht. Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch und hasse Geheimnisse. Du bist derjenige, der anonyme Spenden macht und heimlich die erste Frau heiratet, die zu betrunken ist, um es besser zu wissen.“ Sie blinzelte mehrmals.

„Zuerst mal, Sweetheart, ist es kein Verbrechen, ab und zu eine private Spende zu machen. Und zweitens bist du nicht die erste Frau.“

„Oh.“

„Du bist die einzige Frau.“

Sie sah ihn an und flüsterte: „Nicht, Luke.“

„Warum hast du mich heute Abend wirklich eingeladen? Und ich verlange die volle Wahrheit.“

Sie reckte das Kinn, als wollte sie die Antwort verweigern, doch er starrte sie so lange an, bis irgendwann ihre Lider flatterten und sie endlich zugab: „Ich bin … manchmal einsam.“

Sein Herz verkrampfte sich, und er legte ihr einen Finger an die Wange, wo ihre Haut so weich und sanft war. „Das musst du nie sein, nicht, wenn ich bei dir bin.“

Sie schluckte schwer, in ihrem Blick lag Kummer. Er hasste es, sie so zerrissen und verängstigt zu sehen. Er konnte nicht zulassen, dass sie Angst vor ihm hatte. Sie musste wissen, dass er ihre Rückzugsmöglichkeit war. Noch immer gegen die Arbeitsplatte gelehnt nahm er ihre Hand und zog sie in eine Umarmung. Ihr Körper presste sich an seinen, und all seine Willenskraft flog hochkant aus dem Fenster. Oh Mann.

„So etwas musst du nicht sagen“, murmelte sie. „Du bist nicht wirklich mein Ehemann.“

„Wir haben eine Heiratsurkunde als Beweis.“ Er küsste sie auf die Stirn.

„Das ist nur Papier. Es ist nicht real.“

„Es ist nicht nur Papier, Sweetheart. Deshalb kämpfst du auch so sehr dagegen an.“

„Diese Diskussion hatten wir bereits“, sagte sie leise.

„Lass sie uns nicht schon wieder führen.“ Er streifte mit seinen Lippen über ihre und liebkoste ihren Mund, bis die Kaffeekanne in der Maschine zischte und die Cupcakes vergessen waren.

Katie wollte diese verblüffende, unmögliche Anziehung zu Lucas Boone nicht. Ihr Verstand sagte Nein, Nein, Nein, während alle anderen Teile ihres Körpers Ja schrien. In so einem Dilemma war sie noch nie zuvor gewesen. Für gewöhnlich folgte sie der Vernunft, doch Luke stellte ihr rationales Denken auf den Kopf.

Nachdem sie Kaffee und Cupcakes hatten stehen lassen, standen sie sich nun nackt und erregt im Schlafzimmer gegenüber. Nur verschwommen hatte sie mitbekommen, wie schnell sie sich ihrer Kleidung entledigten und hier landeten. Es hatte nur ein Erdbeben von einem Kuss gebraucht. Sie waren größtenteils in Schatten gehüllt, bloß ein paar Strahlen Mondlicht schimmerten durch die Jalousien.

„Ich will alles von dir wissen“, sagte Luke, nahm ihre Hand und küsste die Innenfläche. „Ich will auch, dass du alles von mir weißt.“

Katie atmete tief ein. Je mehr sie ihn von sich stieß, so schien es, desto mehr dachte sie über ihn nach, desto mehr wollte sie ihn. Und jetzt gab sie ihren wahren Gefühlen nach, denn sie war zu müde, um sie noch länger zu bekämpfen.

Sie wusste, was er wollte, und als sie ihn berührte, ihn streichelte, kostete sie sein lustvolles Stöhnen und seine schnellen Atemzüge aus. Es war zu gut, zu betörend, das Verlangen umhüllte sie beide und trieb die Hitze rasch in die Höhe.

Als sie damit fertig war, ihm Lust zu bereiten, küsste er sie lange und heftig und schob sie aufs Bett, um den Gefallen zu erwidern.

Katie verlor den Verstand bei einer heißen Empfindung nach der anderen. Luke war ein Meister mit dem Mund und mit den Händen. Er wusste nicht nur wo, sondern auch wie er sie berühren musste, und sie fühlte sich verehrt und geschätzt. Seine Küsse ließen sie vor Lust und Verlangen erschauern. Als dann sein breiter, kräftiger Körper ihren bedeckte, und er, nachdem er sich geschützt hatte, Stoß für Stoß tiefer in sie eindrang, schrie sie seinen Namen und erreichte einen fulminanten Höhepunkt.

Es war wunderschön. Absolut unglaublich. Und unheimlich beängstigend.

Minuten später zog Luke sie an sich und schiegte sich von hinten an sie, sodass sie seinen sanften Atem im Nacken spürte. Mit einer Hand umfasste er ihre Brust und kraulte sie mit seinen virtuosen Fingern.

„So bist du schön“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Schulter.

„Wie?“, fragte sie lächelnd. Sie erholte sich noch immer glückselig von ihrem Ausflug in die Wolken.

„Nackt.“

Sie lachte.

Er küsste sie erneut. „Aber ich mag es auch, wenn du so entspannt bist wie jetzt.“

„Hmm. Wir machen das schon ganz gut“, gab Katie zu.

„Entschuldigung, hast du gerade gesagt, dass wir gut zusammen sind?“

„Soweit würde ich nicht … gehen.“ Luke schnippte mit dem Daumen über eine ihrer Brustwarzen, wodurch ihr sofort Hitze in den Bauch schoss. „Oh.“ Er war unersättlich, spielte mit ihrem Körper und streichelte sie dort, wo sie feucht vor Lust wurde.

„Würdest du nicht?“ Er drückte seinen Mund auf ihre Schulter und küsste sie wieder und wieder. „Sag die Wahrheit.“

Katie kniff die Augen fest zu. „Wir können nicht … zusammen sein, Luke.“

„Scheint, als wären wir zusammen, Sweetheart. Und es hat keinen Zweck, das zu leugnen.“

Sie drehte sich zu ihm um. Sie musste fest entschlossen bleiben oder sie würden es ihr ganzes Leben lang bereuen. „Luke, lass uns nicht deswegen streiten. Nicht heute Abend. Können wir das Thema wechseln?“

Er hielt inne und verbarg seine Gefühle hinter einem ausdruckslosen Gesicht, was für sie in Ordnung war. Sie wollte sich nicht zu eingehend mit seinen Emotionen befassen. Und eigentlich auch nicht mit ihren eigenen.

„Worüber möchtest du gerne reden?“

Sie legte sich auf den Rücken und fixierte die zarten Muster, die das Mondlicht auf die Decke warf. „Wie wäre es mit deinem Vater?“

„Meinem Vater?“

Sie hatte ihn überrascht, doch sie war schon immer neugierig auf Henry Boone gewesen. Er war eine Legende, und sie wollte Gewissheit über etwas, das man sich über ihn erzählte. „Ja“, sagte sie. „Er hatte den Ruf, dass er irgendwie ein … Na ja, es gibt keine andere Art, das zu sagen. Es wurde gemunkelt, dass er ziemlich skrupellos bei seinen Geschäften war.“

„Das passiert, wenn man wohlhabend ist. Die Leute fangen an, das Schlimmste von einem zu denken.“

„Wirklich?“

„Ist meiner Familie schon oft passiert. Bevor Drea die Wahrheit erfahren hat, glaubte sie, dass mein Vater ihren Vater um seine Ranch Thundering Hills betrogen hätte. Jedoch hat mein Vater einzig versucht, sie vor einer traurigen Tatsache zu beschützen. Drew hat nach dem Tod seiner Frau eine schwere Zeit durchgemacht, und er hatte einen geheimen Deal mit meinem Vater geschlossen, ihm die Ranch zu verkaufen und das Geld für Dreas Ausbildung beiseitezulegen. Drea wusste das nicht, bis sie sich in Mason verliebt hat.“

„Es war hart für Drea, als ihre Mom starb. Als du neulich Abend beim Essen mit Mason darüber gesprochen hast, dass dein Vater Wettbewerb positiv bewertete, hast du also die Wahrheit gesagt?“

„Ja, mein Vater war ein fairer Mann … in gewissem Maße. Er hat die Stadt immer beschützt und dafür gesorgt, dass die Bewohner vor den Dollarzeichen kamen. Deshalb ist Boone Springs gediehen.“

„Und du und deine Brüder tretet in seine Fußstapfen?“

„Wir versuchen es.“

„Ich habe mich immer glücklich geschätzt, dass mein Laden so gut läuft. Ich hatte fest damit gerechnet, dass inzwischen noch eine andere Bäckerei aufgemacht hätte. Wir sind eine wachsende Gemeinde und …“

„Darüber musst du dir keine Sorgen machen, Katie.“

„Was?“ Etwas an seinem Tonfall, der Endgültigkeit in seiner Stimme machte sie misstrauisch. Sie nagte an ihrer Unterlippe.

„Du bist die beste Bäckerin in Texas.“

„Ganz bestimmt nicht. Aber du schienst dir so sicher zu sein. Was verschweigst du mir?“

„Nichts, Sweetheart. Lass es einfach gut sein.“

„Luke, es gibt fünf Bäckereien in Willow County, und ich habe mich immer gefragt, warum ich so viel Glück habe, das Bäckereimonopol in Boone Springs zu halten.“

„Der Supermarkt verkauft Backwaren.“

„Das ist nicht das Gleiche. Ich bin seit fast sieben Jahren im Geschäft, und in all dieser Zeit hat, soweit ich weiß, niemand versucht, eine Bäckerei zu eröffnen. Ich werde wohl mal April fragen, woran das liegt.“ April, die zukünftige Frau seines Bruders Risk, war Immobilienmaklerin. Sie kannte sich sowohl in Willow County als auch in Boone County sehr gut aus. „Sie sollte es wissen.“

„Vielleicht, oder vielleicht solltest du einfach den Sternen dafür danken.“

„Was soll das bedeuten?“

„Nichts, Sweetheart. Zieh April da nicht mit hinein.“

„Wo hinein?“

Luke gab sich begriffsstutzig und versuchte, bewusst etwas zu verbergen. Er hielt die Lippen hermetisch verschlossen.

Als er die Hand nach ihr ausstreckte, wich sie zurück. „Sag schon.“

Er seufzte und rieb sich das Kinn. „Du weißt ja, dass die Boones mehr als die Hälfte der Grundstücke in der Stadt besitzen.“

„Ja, das ist allgemein bekannt. Und?“

„Und wir haben einen Plan für die Stadt. Jeder von uns trägt etwas dazu bei.“

„Okay?“

„Das ist alles, Katie.“

Verdutzt schüttelte sie den Kopf. „Was ist alles?“ Dann blitzte ihr ein Gedanke auf, den sie nicht wieder loswurde. Sie musste die Wahrheit herausfinden, ganz gleich, welche Übelkeit diese Vorstellung erregte. „Willst du damit sagen, dass die Boones dafür gesorgt haben, dass ich keine Konkurrenz habe?“

„Nicht die Boones. Nur ich“, sagte er untypisch kleinlaut.

„Nur du?“ Sie verstand es nicht. Luke verwirrte sie völlig. „Warum in aller Welt solltest du das tun?“

„Es ist nichts Schlimmes, Katie. Wir hatten nur zwei Anfragen und, nun ja, sie haben woanders einen besseren Deal gemacht.“

„Weil du dafür gesorgt hast.“ Ihre Emotionen nahmen überhand. Wut, Enttäuschung, Verrat. All das bereitete ihr schrecklichen Kummer. Sie stand vom Bett auf und warf sich eilig ihr Kleid über.

„Katie.“

„Zieh dich an, Luke. Jetzt.“

Während sie beobachtete, wie er seine Kleidung anlegte, zitterte sie unkontrolliert. Als er fertig war, und sie seinen beeindruckenden Körper nicht mehr betrachten musste, versuchte sie, alles zu verstehen. „Wann hast du das getan? Und ich verlange die volle Wahrheit.“

„Vor fünf Jahren.“

„Fünf“, flüsterte sie. Fünf. Tränen der Frustration schossen ihr in die Augen. „Warum, Luke? Ich verstehe es nicht.“

„Nicht, Katie? Hast du es noch immer nicht begriffen?“

Sie schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Ahnung. Vor fünf Jahren war er mit ihrer Schwester zusammen gewesen. Vor fünf Jahren hatte er ihre Schwester verlassen. Vor fünf Jahren war er den Marines beigetreten.

Luke umrundete das Bett und blieb vor ihr stehen. Er legte ihr die Hände auf die Schultern, und sie war gezwungen, ihm in die herzerweichend blauen Augen zu sehen.

„Katie, ich liebe dich.“

„Nein!“

„Doch. Und ich liebe dich schon sehr lange.“

Oh Gott. Sie traute sich kaum zu fragen. „W…wie lange?“

„Mittlerweile über fünf Jahre. Als mir klar wurde, dass ich dich liebe, musste ich einen Rückzieher von der Hochzeit machen. Ich musste einfach. Mir war bewusst, dass es verrückt und nicht wiedergutzumachen war. Und deshalb … habe ich die Stadt verlassen.“

„Deswegen hast du dich zum Militärdienst gemeldet?“ Sie erschauerte von Kopf bis Fuß.

„Ja“, sagte er mit einem langen Atemzug, als wäre er erleichtert, es endlich zu gestehen. Er streichelte ihre Arme.

Da dämmerte es ihr, und sie stieß ihn weg und wich vor ihm zurück. Sie war der Grund, dass Shelly das Herz gebrochen worden war. „Oh nein. Oh nein. Oh nein.“ Sie konnte es nicht glauben. Sie begriff nicht, was er da erzählte. Doch tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es stimmte. Jetzt ergab alles einen Sinn. „Ich habe dir nie Hoffnungen gemacht.“

„Das musstest du nicht, Katie. Du warst einfach du.“

„Gott, Luke. Das macht mich krank. Wirklich krank. Du hast keine Ahnung, wie verletzt Shelly war, wie schwer diese ersten paar Jahre für sie waren. Und nun finde ich heraus, dass das alles meinetwegen passiert ist! Ich bin schuld an ihrem Leid.“ Längst strömten ihr Tränen aus den Augen, große, salzige Tropfen rannen ihre Wangen hinab.

„Niemand ist schuld daran, Katie. Man kann sich nicht aussuchen, in wen man sich verliebt.“

„Offenbar konntest du es nicht. Und dein doppeltes Spiel mit der Bäckerei vergesse ich auch nicht. Meine Güte … du bist ganz sicher nicht wie dein Vater. Du spielst nicht fair.“

Lukes Augen wurden rot, er biss die Zähne zusammen. „Ich wollte bloß, dass du ein gutes Leben hast, Katie. Ich wollte, dass du glücklich bist und Erfolg hast.“

„Und du hast nicht genug von mir gehalten, um mir zuzutrauen, dass ich es allein zu diesem Erfolg bringe.“

„Mein Gott, Katie. Sei doch nicht so unvernünftig.“

„Ich meine es ernst, Luke. Und ich bin ehrlich. Ich will nicht, dass du mich liebst. Ich will so schnell wie möglich die Scheidung. Und ich will, dass du gehst.“

Er sah ihr in die Augen. „Schön.“

„Gut. Dann geh jetzt.“

„Bin schon weg.“

Nachdem er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, krampfte Katies Bauch sich heftig zusammen. Sie rannte ins Badezimmer und übergab sich in die Toilette, bis nichts mehr übrig war.

6. KAPITEL

Katie starrte den Streifen in ihrer Hand eindringlich an und betete, dass das Ergebnis sich auf wundersame Weise veränderte, doch das wäre zu viel des Guten. Der Streifen veränderte sich nicht, ebenso wenig wie die letzten beiden Male, die sie den Schwangerschaftstest diese Woche gemacht hatte.

Die Übelkeit, ihre ausbleibende Periode und drei Schwangerschaftstests konnten nicht falschliegen. Sie würde ein Baby von Luke bekommen.

Von Luke, der ihr letzte Woche seine Liebe gestanden hatte. Luke, der dafür gesorgt hatte, dass ihre Bäckerei nicht scheiterte, ungeachtet ihres Talents. Luke, der ihrer Familie unzumutbaren Kummer bereitet hatte.

Sie kämpfte gegen das Schuldgefühl an, das an ihr nagte. Was würde Shelly denken? Was würde sie sagen?

Katie durchforstete ihr Gedächtnis, haderte mit ihren Erinnerungen, versuchte, sich an ihren Umgang mit Luke zu erinnern, als er mit Shelly zusammen gewesen war.

Hatte sie ihm einen falschen Eindruck vermittelt? Hatte sie irgendwas getan, um ihn zu ermuntern? Sie flirtete nicht. Auf diesem Gebiet war sie noch nie gut gewesen. Ihr fielen keine Begebenheiten ein, außer dass sie gemeinsam mit ihm bei Red Barrel gearbeitet hatte und sie beide Pferde liebten.

Es war schwer, irgendetwas davon zu glauben, doch nun blickte ihr die Realität in Form dieses Streifens ins Gesicht.

Zitternd legte sie eine Hand auf ihren Bauch. Wohin sollte sie sich wenden? Wem konnte sie sich anvertrauen? Drea würde in ein paar Wochen in die Familie Boone einheiraten. Sie konnte es ihrer besten Freundin nicht erzählen, oder doch? Ganz sicher konnte sie es weder ihrer Mutter noch ihrer Schwester sagen, so viel stand fest. Der Schock wegen der Neuigkeiten könnte ihre Mutter womöglich wieder ins Krankenhaus bringen.

„Oh Katie, was machst du jetzt bloß? Du bist schwanger.“ Die Worte auszusprechen, egal wie leise, hatte Auswirkungen. Das machte es real, und es gab kein Zurück, keinen Weg, das zu ändern.

Sie betrachtete sich im Badezimmerspiegel. Wie lange konnte sie ihre Erschöpfung und die Übelkeit noch verbergen? Und bald würde sie einen Babybauch verstecken müssen. Sie hatte immer Kinder gewollt, und sie wollte dieses. Es war nicht die Schuld des Babys, dass sie in diesen komplizierten Schlamassel geraten war. Das Kind würde geliebt werden. Immer geliebt.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie hochschrecken. Sie warf die Schachtel in den Mülleimer und brachte ihr Erscheinungsbild in Ordnung.

„Ich bin es, Drea“, rief ihre Freundin.

Katie kniff die Augen zusammen. War es schon so spät? Sie sollte eigentlich angezogen und bereit sein, mit Drea zur finalen Anprobe ihres Hochzeitskleides zu gehen, doch heute Nachmittag ging bei ihr alles etwas langsamer. „Ich komme“, sagte sie.

Sie öffnete die Tür, und Drea nahm sie in Augenschein. Ein übergroßer Trainingsanzug war für gewöhnlich nicht das, was sie draußen trug. Und vermutlich harmonierte ihr Gesicht gut mit der Shabby-Chic-Farbe an den Wänden. Bloß dass der Anstrich in Mode war, und sie war alles andere als das.

Dreas strahlendes Lächeln erstarb. „Katie, alles in Ordnung mit dir? Du siehst ein bisschen … angeschlagen aus.“

Natürlich musste ihre Freundin das denken. Die lebhafte Katie war immer bereit für alles. Sie arbeitete zehn Stunden am Tag und lief durch die Stadt, als hätte sie Feuer unterm Hintern. Sie jonglierte mit ihrer Karriere und der ehrenamtlichen Arbeit und hatte noch Energie übrig.

„Nö, mir geht’s gut“, sagte sie. „Komm rein.“

Drea machte es sich am Küchentisch bequem und durchbohrte sie mit einem neugierigen Blick. „Du siehst genauso bedrückt aus wie Luke. Warum so griesgrämig, meine Liebe? Läuft da was zwischen euch beiden? Denn falls es so ist, höre ich es mir gerne an.“

Luke hatte in letzter Zeit schlechte Laune? Warum? Weil sie ihn aus dem Haus geworfen hatte, als er sie mit seiner Liebeserklärung erschütterte? Was zum Teufel hatte er erwartet, wie sie diese Neuigkeiten aufnehmen würde? Und jetzt stellte ihre beste Freundin bohrende Fragen.

„Oh, achtest du auf die Uhrzeit? Ich ziehe mich besser schnell um und mache mich fertig. Wir wollen ja nicht zu spät kommen. Dauert nur ein paar Minuten.“

Katie flüchtete vor Dreas kritischem Blick und ging ins Schlafzimmer. Sie ließ die Schultern hängen, jegliche Energie schien aus ihrem Körper zu weichen. Was um alles in der Welt sollte sie tun?

„Eins nach dem anderen“, flüsterte sie. Und jetzt gerade musste sie ein fröhliches Lächeln aufsetzen und die beste Trauzeugin sein, die man sich vorstellen konnte.

Sie nahm sich etwas Zeit, ihre Gedanken zu sammeln, und zog ein geblümtes Kleid über. Sie schob die Arme durch ein sonnengelbes, bauchfreies Sweatshirt und schlüpfte in ihre Pumps. Als Nächstes zog sie ihre Lippen mit einem rosigen Lipgloss nach und trug Lidschatten auf, in der Hoffnung, ihren blassen Teint zu kaschieren. Dann drehte sie ihr Haar zu einem Dutt hoch und war startklar.

Sie seufzte schwer und trat aus dem Schlafzimmer. „Bin fertig“, rief sie und entdeckte Drea, die gerade aus dem Badezimmer kam.

„Offensichtlich ist das nicht das Einzige, das du bist“, sagte ihre Freundin mit mitfühlendem Blick und hielt die leere Packung des Schwangerschaftstests hoch. „Ich habe nicht geschnüffelt, ehrlich. Aber das habe ich in deinem Mülleimer gesehen, Süße. Bist du’s?“

Katie kniff die Augen zu. Sie hatte es niemandem erzählen wollen, noch nicht. Doch jetzt saß sie in der Falle, und vielleicht war das gar nicht so schlecht. Sie brauchte eine Freundin, jemanden, dem sie sich anvertrauen konnte. „Bin ich. Ich meine, ich glaube schon. Drei Schwangerschaftstests können nicht lügen, oder?“

„Hast du noch andere Symptome?“

Katie nickte.

Drea kam zu ihr und nahm sie fest in den Arm. „Oh Katie.“ Die Umarmung dauerte ziemlich lange, dann riss Drea sich los. „Kannst du mir davon erzählen?“

„Wir müssen zu deiner Anprobe. Das ist wichtig.“

„Du bist wichtiger. Ich verschiebe den Termin auf morgen, kein Grund zur Sorge.“

Drea zückte ihr Handy und rief im Brautmodeladen an. Die schienen ihr entgegenzukommen, doch Katie fühlte sich schrecklich, weil sie ihre Freundin so im Stich ließ.

Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, nahm Drea sie bei der Hand. „Los, setz dich aufs Sofa und sprich mit mir.“ Sie setzten sich einander gegenüber. „Ich habe das Gefühl, dass Luke der Vater ist. Habe ich recht?“

„Ja, du hast recht“, sagte Katie. „Es ist eine lange Geschichte.“

„Ich höre dir zu. Du kannst mir vertrauen.“

„Luke weiß es nicht. Und er darf es auch nicht wissen. Erst wenn ich mich von ihm scheiden lassen kann.“

Drea blinzelte heftig, Schock überschattete ihr Gesicht.

„Dich von ihm scheiden lassen? Katie, du hast Luke geheiratet?“

Mit den Nerven am Ende nickte sie. Ihre Augen wurden feucht. „Es ist nicht so, wie du denkst. Es ist schlimmer. Und ich muss dich zur Geheimhaltung verpflichten, Drea. Im Augenblick darf niemand sonst davon erfahren.“

„Nicht mal Mason?“

Tränen liefen ihr die Wangen hinab. „Siehst du, deshalb konnte ich es dir nicht sagen. Ich will dich nicht in so eine schwierige Lage bringen. Du solltest keine Geheimnisse vor deinem Verlobten haben müssen.“

„Ich, ähm, verspreche dir, dass ich nichts sagen werde … bis du mir dein Okay gibst. Jetzt gerade brauchst du meine Hilfe, und ich muss für dich da sein.“ Drea nahm ihre Hände und drückte sie vorsichtig. „Ich möchte helfen.“

Katie nickte. „D…danke. Ich weiß, das ist nicht e…einfach für dich.“

„Ich komme schon klar, aber um dich mache ich mir Sorgen. Nun erzähl mir erst mal alles von Anfang an.“

Katie begann zu berichten. Die Worte sprudelten ihr nur so aus dem Mund, jetzt wo sie endlich ihr Herz ausschütten und ihre tiefsten Geheimnisse mit ihrer besten Freundin teilen konnte.

Luke saß an seinem Schreibtisch bei Boone Inc. und starrte den Computerbildschirm an. Er war zu vertieft in das, was er nun tun würde, um sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Gleich war es Zeit für ihn, die Ehe mit Katie zu beenden. Auch wenn es nur von kurzer Dauer gewesen war, hatte er sie sehr gerne als seine Frau betrachtet. Das wäre jedoch bald vorbei. Sein Anwalt würde jede Sekunde eintreffen.

Er stand von seinem Schreibtisch auf und ging hinüber zur gut bestückten Bar in der Ecke seines Büros. Dort wählte er den feinsten Bourbon aus dem Regal und goss sich einen Drink ein. Er brauchte eine alkoholische Grundlage, um das heute durchzuziehen. Es war das, was Katie wollte, und das Letzte, was sie zu ihm gesagt hatte, als er ihre Wohnung verließ. Sie wollte seine Liebe nicht. Sie wollte die Scheidung.

Und nun würde er ihr diesen Wunsch erfüllen.

Er nahm einen großen Schluck. Der Alkohol brannte ihm in der Kehle, doch er half, sein gebrochenes Herz zu trösten. Er konnte Katie nicht festhalten, wenn sie ihn nicht wollte. Ihn nicht liebte.

Nur glaubte er, dass sie es tat. Sie war bloß zu ängstlich, es zuzugeben.

Katie war nicht leicht zu haben. Sie hätte nicht mit ihm geschlafen, wenn sie keine Gefühle für ihn hätte. Das erkannte er an der Art, wie sie auf seine Berührung reagierte, wie sie seine Küsse so leidenschaftlich erwiderte, dass es ihn beinahe sprachlos machte. Wie sie ihm ihren Körper freigiebig hingab, wenn er sie liebte. Das zwischen ihnen war nicht einfach nur Sex, doch wenn sie sich weigerte, zu ihren Gefühlen zu stehen, was blieb ihm anderes übrig?

Mit jedem Nerv wehrte er sich gegen das, was gleich passieren würde, sie war ihm jedoch so wichtig, dass er sie ziehen ließ. Er entließ sie aus ihrer geheimen Ehe, damit sie die Liebe ihrer Schwester und ihrer Mutter nicht verlor.

Lukes Stimmung verwandelte sich in jenem Moment von Grau zu Schwarz, als Valencia das Büro betrat und das Scheidungsverfahren einleitete.

Zwei Tage später fuhr Luke zur Red Barrel-Rettung. In vielerlei Hinsicht hatte die Rettungsstation ihn gerettet, ihm ein Ventil für seine Einsamkeit geboten. Ihm die Gelegenheit gegeben, nachzudenken, ohne dass jemand Fragen stellte oder ihn verurteilte. Dabei zu helfen, vernachlässigte und kranke Pferden zu heilen, gab seinem Leben eine Perspektive. Es verlieh ihm Ausgewogenheit und half ihm, sich von der schweren Zeit in Afghanistan und von den Schrecken dort zu erholen.

Als er bei den Marines war, hatte er sich nach zu Hause gesehnt, nach Katie. Das Schwierigste war dabei gewesen, dass er keiner Menschenseele erzählen konnte, was er durchmachte. Er hatte seine geheime Liebe für sie verschlossen gehalten.

Und nachdem er nun die Vorbereitungen mit seinem Anwalt abgesprochen hatte, war die Scheidung in Gang gesetzt.

Obwohl Katie nichts von ihm verlangte, hatte er ein paar Regelungen getroffen, die er für gerecht hielt. Er würde sie nicht im Regen stehen lassen. Wenn sie die Scheidung wollte, dann würde sie seinen Bedingungen zustimmen müssen.

Luke parkte seinen Truck und winkte Wes, der in einem der Gehege ein Pferd zu beruhigen versuchte. Die Stute wieherte und trat vor und zurück, in ihren Augen lag ein Ausdruck von Ängstlichkeit. Wes machte nicht allzu viele Fortschritte mit ihr.

Luke ging zum Zaun hinüber und Wes kam zu ihm.

„Hallo, Luke.“

Er nickte Wes zu. „Sieht aus, als hättet ihr einen neuen Gast.“

„Haben wir. Sie ist recht temperamentvoll. Ein Mustang. Hat sich vermutlich auf dem Weg von den Hügeln hinab verlaufen. Entweder das, oder jemand dachte, sie wäre zu wild, und hat sie deshalb ausgesetzt. Sie wurde vor zwei Tagen hergebracht.“

„Hat sie einen Namen?“

Wes lachte. „Katie ist gestern kurz vorbeigekommen. Sie hat sie Cinnamon genannt.“

Luke lächelte und beobachtete, wie die zimtfarbene Stute am anderen Ende des Geheges schnaubte und aufstampfte. „Klingt passend.“

„Katie hat versucht, ein bisschen mit ihr zu arbeiten, aber ohne Erfolg. Die Stute hat sie nicht an sich herangelassen. Ich weiß nicht, welche der beiden Frauen sturer war. Wie auch immer, Katie sah nicht so gut aus, deshalb habe ich sie nach Hause geschickt.“

Luke wirbelte zu Wes herum. „Wie das?“

„Sie sah mitgenommen aus, irgendwie ausgelaugt. So habe ich sie noch nie erlebt. Das Mädchen tut zu viel.“

„Sie liebt es, hierherzukommen.“ Er hatte immer gerne dabei zugesehen, wie sie mit den Tieren arbeitete – ganz gleich, ob sie sie in den Gehegen trainierte, sie abduschte, sie striegelte oder ihnen die liebevollen Streicheleinheiten gab, die sie brauchten. Es gefiel ihm, an ihrer Seite zu arbeiten, ihre Energie und ihr Mitgefühl zu beobachten. Doch es machte ihm ein bisschen Sorgen, dass sie erschöpft war. Er fragte sich, ob sie sich besser fühlen würde, sobald sie die Scheidungspapiere erhalten hätte. Es tat weh, darüber nachzudenken, aber ihn loszuwerden wäre vielleicht gut für ihre Gesundheit.

„Wir haben sie sehr gerne hier. Zum Teufel, einmal hat sie mir erzählt, dass es sich hier anfühlt wie ihr zweites Zuhause.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Luke seufzte. Seit neun Tagen hatte er Katie nicht zu Gesicht bekommen, er vermisste sie wie verrückt. „Tja, ich bin hier und habe ein paar Stunden. Gib mir was zu tun.“

Wes überlegte kurz. „Pepper ist als Nächstes dran. Sie könnte einige Runden mit dem Führungsseil durchs Gehege vertragen. Danach steht für alle Pferde die Fütterung auf dem Plan.“

„Wird gemacht. Kein Ausmisten heute?“

„Du möchtest ausmisten?“

„Niemand möchte ausmisten.“ Es würde ihm jedoch nichts ausmachen, im Stall die Mistgabel zu schwingen und ins Schwitzen zu geraten. Alles, um nicht an Katie zu denken.

Nach mehreren Stunden harter Arbeit bei Red Barrel kam Luke nach acht Uhr nach Hause und stieg unter die Dusche. Er hatte letzten Endes doch ausgemistet, da er die Anstrengung gebraucht hatte, um Dampf abzulassen. Jetzt tat ihm alles weh. Er ließ sich Zeit, als das heiße Wasser seine Brust und Schultern hinunterlief.

Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er Katie. Er wollte sie hier bei sich, um ihre beiden Körper ordentlich sauber zu machen, und danach …

Luke schüttelte den Kopf und versuchte, sie aus seinen Gedanken zu vertreiben. Er musste sich zusammenreißen.

Die Duschtür schnappte hinter ihm zu, als er hinaustrat und sich abtrocknete. Er zog Jeans und ein T-Shirt an, dann ging er nach unten. Das Haus lag für diese Uhrzeit ungewöhnlich still da. Nirgendwo brannte Licht, was ihm sehr zugutekam. Ruhig und dunkel, genau wie seine Stimmung. Sein Bauch grummelte. Er hatte weder zu Mittag noch zu Abend gegessen und brauchte was in den Magen.

Auf dem Weg zur Küche hörte er, wie Drea sich mit jemandem unterhielt, und blieb kurz vor der Küchentür stehen, um sie nicht zu unterbrechen.

„Ich stibitze mir etwas vom Zitronen-Baiser-Kuchen“, sagte sie leise.

Ihm wurde klar, dass Drea telefonierte. Er wollte gerade gehen, da sagte sie: „Ups. Entschuldige, Katie. Ich sollte nicht über Essen reden, wenn dir schlecht ist. Ich habe gehört, dass die Übelkeit und die Schlappheit nach den ersten drei Monaten nachlassen. Ich kann es noch immer nicht richtig fassen. Du bekommst ein Baby.“

Luke riss die Augen auf. Lautlos sackte er an der Wand zusammen, schockiert über das Gehörte.

„Nein, ich habe es dir versprochen, ich werde es keiner Menschseele erzählen“, flüsterte Drea so leise, dass er es kaum verstehen konnte. „Erst, wenn du bereit bist.“

Luke wich von der Küchentür zurück. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Katie war schwanger? Sie würde ein Baby von ihm bekommen? So geräuschlos wie möglich stieg er die Stufen hinauf. Als er sein Schlafzimmer erreicht hatte, ließ er sich aufs Bett fallen, und sobald der Schock sich gelegt hatte, erfüllte ihn pure Freude.

Davon hatte er so viele Nächte geträumt, eine Familie mit Katie zu haben. Eine Familie zu sein. Luke schloss die Augen und ließ die Neuigkeiten wirken.

Seine Freude hielt jedoch nur für einen Augenblick. Warum hatte sie es ihm nicht erzählt? Wie lange wusste sie es schon? Sie hatte wieder und wieder auf die Scheidung gedrängt. Hasste sie ihn so sehr, dass sie ihm das Kind verweigerte? Oder war es Angst, die sie davon abhielt, ihm die Wahrheit zu sagen?

Kein Wunder, dass sie dauernd müde war. Auch nicht, dass sie so emotional war. In letzter Zeit hatte er dezente Veränderungen bei ihr bemerkt, doch er hatte geglaubt, dass es ihre geheime Ehe war, die ihren Stress verursachte. Nun, Stress hin oder her, er würde ihr die Scheidung nicht gewähren. Nicht mehr. Nicht, wenn es ein Baby zu berücksichtigen gab.

Sein Baby. Sein Kind. Ein Boone.

Die Gedanken in seinem Kopf galoppierten los. Sollte er sie konfrontieren? Sie zu einem Geständnis zwingen?

Er hielt nichts von Einschüchterung. Er wollte, dass Katie es ihm von alleine erzählte. Er wollte Teil ihrer Schwangerschaft sein, an der Geburt seines Kindes teilhaben. Hatte er das Zeug dazu, zu warten? Verdammt, er wusste es nicht.

Am Nachmittag des nächsten Tages schäumte Katie vor Wut und starrte die Scheidungspapiere an, die ein Sonderkurier ihr gerade zugestellt hatte. Sie konnte nicht glauben, dass Luke erwartete, sie würde diesen Bedingungen zustimmen.

Was war mit diesem Mann los? Ihre Ehe war nicht echt. Sie war ein dicker, fetter Fehler gewesen. Sie hatte ihm gesagt, dass sie nichts von ihm haben wollte, überhaupt nichts. Doch hatte Luke auf sie gehört? Nein. Er hatte seinen Anwalt Papiere aufsetzen lassen, die ihren Wünschen vollkommen widersprachen.

Sie würde seinen verrückten Bedingungen nicht zustimmen, deshalb suchte sie ihr Handy und tippte eine Nachricht an ihn:

Ich muss dich sehen, sofort.

Fünf Minuten später kam eine Antwort:

Ich kann in einer halben Stunde da sein.

Sie wollte nicht, dass Luke in ihr Apartment kam. Sie hatte in letzter Zeit neugierige Blicke von Lori geerntet, aber ihre Freundin und Angestellte war zu taktvoll, um sie auszufragen. Außerdem wollte Katie keine Erinnerungen an das letzte Mal wachrufen, als er und sie zusammen in ihrer Wohnung waren. Auch die Idee, ihn in einem Restaurant zu treffen, behagte ihr nicht. Dort gab es zu viele Leute, die ihr Gespräch belauschen könnten. Sie konnte nicht fassen, dass sie neuerdings ständig im Geheimen agieren musste.

Nicht hier. Treffen wir uns in einer Stunde bei Red Barrel.

Lukes Antwort kam schnell:

Ich werde da sein.

Kurze Zeit später, als sie zur Pferderettungsstation hinausfuhr, brodelte Katies Ärger nach wie vor direkt unter der Oberfläche. Sie parkte ihr Auto neben Lukes stahlgrauem Truck. Er war also früher angekommen. Als sie die Gegend absuchte, entdeckte sie ihn an die Scheunenwand gelehnt. Sein Anblick ließ ihr Herz schneller schlagen. Wütend oder nicht, wann immer sie ihn erblickte, war ihre erste Reaktion atemlose Anziehung, der sie sich irgendwie nicht völlig entziehen konnte. Es brachte sie auf die Palme, dass ihr Körper ihren Verstand hinterging.

Sie hatte Luke seit über einer Woche nicht gesehen, doch jetzt traf sein Blick ihren quer über den Hof, er beobachtete jede ihrer Bewegungen. Sie schnappte sich eine dünne Mappe aus dem Auto, die sie professionell wirken ließ.

Luke stieß sich von der Wand ab, den braunen Hut tief in die Stirn gezogen.

Bei seinem wiegenden Gang musste sie schwer schlucken. Mit seiner Jeans, dem hellbraunen Chambray-Hemd und den Schlangenlederstiefeln verkörperte er Texas – das Bild eines Mannes, der Stärke und Kraft ausstrahlte.

Er kam ihr entgegen, die intensiven himmelblauen Augen auf sie gerichtet. Sie blieb fest entschlossen, sich ihre Mission nicht von ihrem Herzen vereiteln zu lassen.

„Katie, schön dich zu sehen.“

Sie schluckte. „Hallo, Luke.“

„Du möchtest reden?“

„Ja, das stimmt.“

„In der Scheune ist gerade niemand.“

Ungestörtheit war von äußerster Wichtigkeit für sie, und die konnte die Scheune bieten. Bei Red Barrel war um diese Zeit nicht viel los. Die meisten Freiwilligen waren bereits nach Hause gegangen. Wes war normalerweise schon längst im Büro, um seine Arbeit zu beenden.

„Gehen wir“, sagte sie.

„Wie fühlst du dich?“, fragte Luke, als sie auf die Scheune zuliefen.

„Ich? Mir geht’s gut.“

„Du warst in letzter Zeit oft so müde, deshalb.“

„Nicht mehr als gewöhnlich“, flunkerte sie.

Luke nickte und schwieg, bis sie die Scheune betraten. Drinnen blieb sie stehen und schüttelte den Kopf, als er sie mit einer Geste aufforderte, auf einem Heuballen Platz zu nehmen.

Er runzelte die Stirn und sah sie an.

Sie zog die Scheidungspapiere hervor und hielt sie fest in der Hand. „Das ist nicht das, worauf wir uns geeinigt haben.“

„Was stimmt denn nicht?“

„Was nicht stimmt, ist, dass du vorschlägst, mir erst eine halbe Million und danach jeden Monat dreitausend Dollar Unterhalt zu zahlen! Das nehme ich nicht an. Ich habe dir gesagt, dass ich nichts will, und das war auch so gemeint. Ich komme ganz gut selbst zurecht. Zumindest dachte ich, dass die Bäckerei gut läuft, bis ich herausgefunden habe warum.“

„Du wärst trotzdem erfolgreich. Kannst du das nicht vergessen?“

„Nein, kann ich nicht. Ich fühle mich schrecklich hintergangen. Es ist, als wäre ich eine Betrügerin, als wäre meine harte Arbeit überhaupt nichts wert, weil mir mehr oder weniger eine Monopolstellung in Boone Springs gesichert wurde. Diese Vorstellung hält mich nachts wach.“

„Katie, verdammt. Du musst dich ausruhen.“

Ihr klappte die Kinnlade herunter. Machte er Witze? Er war für viele ihrer schlaflosen Nächte verantwortlich. „Dann hör auf, mich verrückt zu machen. Ich brauche weder deine Hilfe noch dein Geld.“

Sein Mund wurde einige Sekunden ganz schmal und seine Gesichtszüge verhärteten sich. Doch mit einem Mal wirkten seine Augen weich, der dunkelblaue Farbton wurde heller, strahlender. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

„Weißt du was, du hast recht, Sweetheart.“ Er nahm ihr die Scheidungspapiere aus der Hand. „Das ist vollkommen falsch.“

Er riss das Papier in der Mitte durch, dann legte er die beiden Hälften säuberlich aufeinander und zerriss sie erneut. „Bitte sehr“, sagte er und gab ihr die zerstörten Zettel zurück.

Sie starrte die Fetzen an. „Was soll das?“

„Ich gebe dir, was du willst.“

„Nein … Das glaube ich nicht. Du hast zu leicht aufgegeben. Was hast du vor?“

„Überhaupt nichts. Du wolltest nicht, was ich dir angeboten habe, nun haben wir keinen Deal.“

„Um Himmels willen, Luke. Das ist kein Geschäft, das ist eine Scheidung.“

„Ein und dasselbe.“

Von draußen unterbrach sie ein grotesker Schrei. Er war so laut und scheußlich, dass sie herausfinden musste, was es war. Katie rannte zum Scheunentor und sah hinaus zum Gehege.

Ein riesiger Falke stürzte auf Cinnamon hinab und schlug nur Zentimeter vom Kopf des Pferdes entfernt mit den Flügeln. Die Stute wich zurück und schnaubte, begann dann, panisch zu wiehern, als der Vogel sie weiterhin terrorisierte. Der Falke ließ nicht locker. Laut kreischend schnappte er weiter nach dem Pferd.

Katie eilte zum Zaun und schrie den Falken an. „Hau ab! Verzieh dich von hier!“ Dann rief sie Luke zu: „Er hört einfach nicht auf!“

Luke rannte an ihr vorbei und schon im nächsten Moment hatte er ein Gewehr im Anschlag und zielte.

„Du wirst ihn doch nicht erschießen, oder?“

Er schoss. Der scharfe Knall explodierte in ihren Ohren. Der Falke flog davon und ließ die Stute endlich in Frieden.

„Du hast ihn nicht verfehlt, oder?“

„Nein, ich habe nicht versucht, ihn umzubringen. Wollte das verdammte Vieh nur verscheuchen.“

„So etwas habe ich noch nie gesehen. Du etwa?“

„Es war vermutlich bloß eine Mutter, die ihre Jungen beschützt. Hier muss irgendwo ein Nest sein. Vielleicht ist eins ihrer Küken herausgefallen, und die Mama hat es am Nächstbesten ausgelassen.“

„Cinnamon?“

„Reine Spekulation.“

Sie deutete auf das Gewehr, das er in einer Hand hielt. „Wo hast du das her?“

„Aus meinem Truck. Ich habe Wes’ Wagen nicht gesehen und angenommen, dass er weg ist. Es lag an mir, mich darum zu kümmern.“

„Nun, das hast du getan.“ Sie schluckte. „Könntest du es bitte wegpacken?“

Überraschung zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.

„Na klar. Dauert nur eine Minute.“

Er ging davon, und Katie nahm die Stute genauer in Augenschein. Sie stand reglos da, als hätte der Falke sie in einen Schockzustand versetzt. Vielleicht lag es auch am lauten Gewehrschuss.

Sie öffnete das Tor des Geheges und sah der Stute in die Augen. Die schreckte nicht zurück und schien sich nicht an ihrem Näherkommen zu stören. „Ganz ruhig, Süße, ich komme zu dir“, sagte sie. Sie machte noch einige Schritte auf Cinnamon zu. „So ist gut. Braves Mädchen.“

Sie bewegte sich weiter und sprach mit der Stute, wobei sie allmählich den Abstand verringerte.

„Katie, komm da raus. Sofort“, ertönte Lukes Stimme von hinten.

„Sei still. Sie lässt mich näher kommen.“

„Du musst ihr nicht näher kommen. Sie ist ein Wildfang“, sagte er scharf.

Katie wagte es nicht, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Er folgte ihr um den Zaun herum.

„Sie ist gerade ganz ruhig. Bleib, wo du bist, Luke.“

„Den Teufel werde ich tun.“

„Sie wird scheuen, wenn du reinkommst, das weißt du.“

„Versuchst du absichtlich, mir einen Herzinfarkt zu verpassen?“

Sie lächelte. Er verhielt sich melodramatisch. Sie kannte Pferde ebenso gut wie jeder andere in Boone Springs, und sie spürte, dass dieses hier bereit war, sich anzufreunden.

„Na, na, mein Mädchen“, sagte sie leise und streckte eine Hand aus. „Wir werden gute Freunde, du und ich.“

Das Pferd schnaubte.

Katie wartete, und endlich machte Cinnamon einen Schritt auf sie zu, dann einen weiteren. Das Pferd fixierte sie. Katie tat es ihm gleich. Sie schmiedeten ein Band, vertrauten einander, wenn auch nur zaghaft.

Schließlich blieb die Stute so nah bei ihr stehen, wie sie sich traute, und Katie machte den letzten Schritt auf sie zu. Mit der Handfläche berührte sie die Nase des Tieres. Die Stute hielt still, als Katie sie streichelte. „Du bist ein braves Mädchen, nicht wahr?“

„Katie, du hast bewiesen, dass du recht hattest. Jetzt komm da raus.“ Lukes Stimme war leise und gepresst.

„Ich weiß, was ich tue“, murmelte sie.

Genau da flatterte ein Blauhäher über Cinnamons Kopf hinweg. Nach dem, was sie gerade mit dem Falken durchgemacht hatte, scheute das Pferd und trat mit den Vorderbeinen aus. Sie landete mit Wucht und traf Katie seitlich, der Aufprall schleuderte sie auf den harten Boden.

„Au!“

„Verdammt.“ Luke sprang über den Zaun und hob sie in seine Arme. „Du bist wahnsinnig“, sagte er, als er sie aus dem Gehege trug. Er ließ das Gatter zufallen, bedachte Cinnamon mit einem tödlichen Blick über die Schulter und steuerte auf die Scheune zu.

Die Sonne ging gerade unter und warf lange Schatten über das Gelände. Was auch immer an Sonnenschein übrig war, folgte ihnen nicht in die Scheune. Katie konnte einzig die wütenden Züge um Lukes Mund erkennen, seine bedenklich zusammengekniffenen Augen.

„Du kannst mich jetzt runterlassen“, sagte sie leise.

„Kann ich das?“ Seine Stimme war schroff, ungehalten. „Vielleicht entschließt du dich dann, noch weitere Dummheiten zu begehen, wie einem Berglöwen hinterherzujagen oder mit einem Bären zu kämpfen.“

„Luke.“

„Verflucht. Bist du verletzt?“

Er hielt sie eng bei sich und ließ sie langsam runter, wobei ihr Körper seinen streifte. Sobald ihre Stiefel den Boden berührten, untersuchte er ihre Schultern, die Arme, übte sanften Druck auf ihre Rippen aus.

„Irgendwelche Schmerzen hier?“, fragte er.

„Nein.“

Er fasste um sie herum und überprüfte ihre Wirbelsäule und den unteren Rücken, dann legte er ihr die Hände auf den Hintern. „Hier?“

Sie räusperte sich. „Tut alles nicht weh.“

Sein Körperkontakt war so vertraut, beruhigend und angenehm. Sie konnte sich nichts mehr vormachen. Unter seinen Berührungen erwachte ihr Körper zum Leben.

„Gott sei Dank. Du hättest zerquetscht werden können.“

„Wurde ich aber nicht.“

„Reines Glück.“ Sein Ärger mischte sich mit einem Ausdruck echter Erleichterung. „Mach mir nie wieder so eine Angst.“

Katie saugte seine Worte auf. Sie sollte stinksauer sein, weil er Dinge von ihr verlangte, zu denen er kein Recht hatte, doch sie war absolut nicht sauer. Seine Sorge berührte sie tief. Sie konnte sich nicht erinnern, je solche Gefühle für jemanden gehabt zu haben. Oder dass sie jemandem so wichtig war.

Sie näherte sich ihm und legte den Kopf an seine Brust, genoss die süßen Empfindungen, die sie durchströmten. Sie würde es ihm gegenüber nie zugeben, doch als die Stute sich aufbäumte und dann herunterkam, hatte sie gewusst, dass es sie treffen würde, und war erstarrt. Gleichzeitig bette sie, dass der Aufprall dem Baby in ihrem Bauch nicht schaden möge.

Sie hatte Glück gehabt, ihre Gebete waren erhört worden.

Luke streichelte ihr den Rücken, ließ eine Hand lindernd nach oben und unten über die Stellen gleiten, auf denen sie aufgekommen war. Mit einem Mal fühlte es sich richtig an, richtiger als es sollte, und sie gab sich den Zärtlichkeiten hin.

Mit einem Finger hob er ihr Kinn an und eroberte ihren Mund mit einem anregenden Kuss. Er schmeckte köstlich, ihr Verlangen wurde stärker, ihre Atmung schneller. Luke brach den Kuss plötzlich ab und packte sie an der Hand.

„Komm mit“, sagte er.

Er zog sie zum hinteren Ende der Scheune und schnappte sich eine gesteppte Pferdedecke. Die warf er über ein Bett aus Stroh und strich sie ein bisschen glatt, dann legte er sich mit ihr darauf.

Sie sah ihn an. „Was ist mit Wes?“

„Der ist weg. Ich habe ihm vorhin gesagt, dass ich für ihn abschließe, falls er losmuss. Wir sind alleine.“

Sie waren nicht völlig allein. Ihr schoss ein Bild durch den Kopf, das sie als Familie zeigte – sie, Luke und ihr Baby. Tränen brannten ihr in den Augen. Sie wollte ihm so dringend von seinem Kind erzählen, davon, dass er Vater wurde, doch sie hielt sich zurück. Das mochte feige sein, sie war jedoch nicht bereit für seine Reaktion. Sie war nicht bereit, sich zur Wahrheit zu bekennen. Er würde etwas von ihr erwarten, das sie ihm nicht geben konnte.

Sie schwieg ein paar Sekunden, bis Luke fragte: „Sweetheart, bist du sicher, dass du nicht verletzt bist?“

Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Nein, ich bin nicht verletzt, Luke.“

Dann öffnete sie sein Hemd, löste einen Knopf nach dem anderen, begierig darauf, seine Haut zu berühren, seine kraftvolle Brust zu küssen. Und sich ganz und gar zu vergessen, bis die Sterne am Nachthimmel verblassten.

Luke streifte rasch seine Kleidung ab, Katie war fast genauso schnell wie er. Dann bedeckte er ihren Körper mit seinem, wärmte sie und küsste sie besinnungslos. Er liebte diese Frau und war tausend Tode gestorben, als er mitansehen musste, wie die wilde Stute ihr beinahe das Leben aus dem Leib getrampelt hätte. Katie hatte Glück gehabt, und er hoffte bei Gott, dass sie das nächste Mal mehr Vorsicht würde walten lassen. Wenn nicht für sich selbst, dann für ihr Baby.

Gewiss würde sie nichts tun, das ihr Baby gefährdete, doch vorhin im Gehege war er sich da einen Augenblick lang nicht sicher gewesen. Beinahe wäre er damit herausgeplatzt, dass er über das Baby Bescheid wusste, nur die nackte Angst, als das Pferd sie auf den Boden schleuderte, hatte ihn zum Schweigen gebracht.

Er wollte, dass sie selbst mit der Wahrheit zu ihm kam. Er wollte sie nicht dazu drängen und versuchte wirklich, geduldig zu sein.

Ihr leichtes Stöhnen brachte ihn ins Hier und Jetzt zurück, und er küsste sie erneut, ließ seine Hände durch ihr langes, seidig blondes Haar gleiten. Sie war am ganzen Körper lieblich und zierlich und wunderschön. Zärtlich berührte er jeden Zentimeter, streichelte ihre Brüste, deren unbestreitbare Empfindlichkeit ihn äußerst erregte. Dann legte er eine Hand auf ihren Bauch und mitreißende Freude erfasste sein Herz, als er an das Kind dachte, das sie beide gezeugt hatten. Doch er verweilte da nicht. Er schob die Hand über ihren Nabel hinunter, um die Innenseiten ihrer Schenkel zu streicheln. Dort war sie ebenfalls sehr empfindsam, ihre Hitze ließ seinen Atem schneller gehen und ihn schmerzhaft hart werden.

„Katie“, murmelte er und fand ihren idealen Punkt. Er streichelte sie dort, immer und immer weiter, und sie wand sich unter ihm, bis sie aufstöhnte und seinen Namen schrie. Nichts hörte er lieber. Dann streifte er sich ein Kondom über, beugte sich über sie und vereinigte ihre Körper.

„Ah, Katie. Du fühlst dich so gut an.“

Minuten später fand er Erlösung sowie die Freude und Ruhe, die damit einhergingen.

Katie musste zu ihm gehören.

Es ging nicht anders.

7. KAPITEL

Drei Tage später saß Katie in der Küche ihrer Mutter und versuchte, ihre Übelkeit zu verbergen. „Mama, du hättest nicht für uns kochen müssen.“ Ihr Magen drehte sich bereits beim Geruch der Spaghetti mit Fleischbällchen um. In letzter Zeit aß sie keine schwere Kost mehr, doch sie hatte es ihrer Mutter nicht ausreden können. Es war eigentlich ihr Leibgericht, und ihre Mutter hatte es mit so viel Mühe zubereitet.

„Ich möchte zur Abwechslung mal für meine Töchter kochen. Ihr beiden kocht immer für mich. Ihr seid den ganzen Tag auf den Beinen. Und meine Güte, Katie, du siehst neuerdings so müde aus.“

„Das ist mir auch aufgefallen.“ Shelly stellte Teller auf den Tisch. „Du bist blass. Schläfst du zu wenig? Oder erledigst du zu viel für Dreas Hochzeit? Irgendwas ist da ja ständig los. Man kann die Schlagzeilen gar nicht übersehen. Wann immer ein Boone niest, muss die Lokalpresse darüber berichten. Sie halten das Probe-Dinner im The Baron ab.“

„Ja, Freitagabend.“

„Bald ist das alles vorbei“, sagte Shelly. „Dann musst du dich nicht mehr mit Luke herumschlagen. Das muss so unangenehm für dich sein.“

„Das … ist es. Aber wir haben …“

„Was habt ihr?“, fragte ihre Mutter und setzte sich im Stuhl auf.

Sie wirkte heute gesünder, was auch bedeutete, dass sie sich mehr in das Gespräch einbrachte.

„Wir, ähm, haben einen Weg gefunden, miteinander auszukommen. Er ist … kein schlechter Mensch, Mama.“

„Sagt wer? Ein Mann, der meiner Tochter das Herz bricht, ist kein Anwärter auf einen Heiligenschein, das versichere ich dir. Wir alle haben ihn mit offenen Armen empfangen, und er hat uns den Rücken gekehrt.“

„Mama, er hat nicht euch den Rücken gekehrt“, sagte Shelly. „Er hat sich von mir abgewandt. Er hat mich nicht genug geliebt.“

Katies Brustkorb wurde enger. Sie fühlte sich schuldiger als je zuvor, denn sie hatte tatsächlich ein Leben mit Luke in Erwägung gezogen. Doch wieder einmal brachte ihre Familie sie zurück auf den Boden der Tatsachen. Sollten sie jemals den wahren Grund für Lukes Trennung von Shelly herausfinden – weil er sie, Katie, liebte – und dass sie ein Kind von ihm bekam, dann wäre der Teufel los.

Merkwürdig, wenn sie von all dieser Negativität umgeben war, wirkte ihre Situation trostlos, doch wenn sie mit Luke zusammen war, konnte sie sich ein glückliches Leben mit ihm vorstellen.

Es war alles so schrecklich verwirrend.

„Dieser Mann weiß nicht, was er aufgegeben hat“, sagte ihre Mutter.

„Ich glaube, das ist ihm egal“, sagte Shelly.

„Ist es nicht“, platzte Katie heraus.

Beide wirbelten zu ihr herum.

„Was?“, fragte ihre Schwester.

„Ich meine, Luke ist kein grausamer Mensch. Er weiß, dass er dich verletzt hat. Uns alle. Und es tut ihm leid.“

„Und woher weißt du das?“

„Ich verbringe Zeit mit ihm, schon vergessen? Bei der Pferderettung und den Vorbereitungen für Dreas Hochzeit. Aber er wollte nicht … Ach, vergesst es.“

An den finsteren Blicken der beiden erkannte sie, dass sie kein Wort davon glaubten. Sie sahen sie an, als würde sie den Lucas-Boone-Hass-Klub hintergehen.

„Du hast recht. Es gibt keinen Grund, noch eine weitere Sekunde über ihn zu sprechen“, sagte ihre Mutter.

Katie hätte sich am liebsten in eine Ecke verzogen, doch das tat sie nicht, denn sie war viel zu neugierig wegen Davis Moore. Sie nahm einen Pastateller mit zum Herd und füllte ihrer Mutter eine großzügige Kelle auf. „Bitte sehr, Mama. Zumindest bedienen kann ich dich.“

„Vielen Dank, Süße.“

Ihre Mutter lächelte, und es erhellte ihr Gesicht. Katie erinnerte sich an eine Zeit, als ihre Mutter viel gelächelt hatte. Das war schon lange her.

Als sie alle am Tisch saßen, und sie in ihren Nudeln stocherte, erwähnte sie beiläufig Shellys neuen Freund: „Davis Moore war neulich noch mal in der Bäckerei, Shel. Offenbar hat er ein ziemliches Faible für Süßes.“

Shelly hört auf zu essen, die Gabel auf halbem Weg zum Mund. „Ich schätze schon.“

„Hast du den Zitronen-Himbeer-Cupcake bekommen, den er extra für dich gekauft hat?“

„Ja, habe ich.“

„Er schein ein netter Typ zu sein. Er lebt sich ganz gut in Boone Springs ein, das sagte er jedenfalls. Vermutlich hast du ihm die Stadt gezeigt?“

„Ja, ein bisschen. Um ehrlich zu sein, ist er ziemlich bemerkenswert. Hat eine lange Liste von Errungenschaften in …“

„Er ist attraktiv“, sagte Katie.

„Katie, hast du Interesse an ihm?“, fragte ihre Mutter.

Shelly warf ihr einen Blick zu, und Katie quälte sie ein paar Sekunden. „Ich? Nein, Mama. Da fragst du die falsche Tochter.“

„Shelly?“

„Mama, da ist nichts. Also ich mag ihn, und er hat mir tatsächlich neulich als Dankeschön einen schönen Strauß Lilien geschickt. Aber wir sind nur Freunde.“

„Ich glaube, er möchte mehr sein als nur dein Freund, Shel.“

„Warum, was hat er gesagt?“

„Nur Gutes“, antwortete Katie.

Shelly wurde rot, und ihre Mutter bedachte sie mit einem anerkennenden Blick.

Es war ein Fortschritt, wenngleich ein sehr kleiner.

Die zwei konnten noch immer nichts mit Lucas Boone anfangen, und nichts, was sie sagte, würde etwas ändern.

Katie musste während des Probeessens im The Baron Hotel’s Steak House neben Luke sitzen. Es führt kein Weg daran vorbei. Mason saß neben Drea, Risk neben April und sie wollte nicht umständlich die Plätze tauschen.

Die Wahrheit war, dass sie drauf und dran war, sich in Luke zu verlieben, und je mehr Zeit sie mit ihm verbrachte, desto schwerer würde es ihr fallen, Abschied zu nehmen. Sie konnten kein Paar werden. Sie konnten nicht verheiratet bleiben.

Wenn das Baby da wäre, würde sie Luke seine Rechte jedoch nicht verweigern. Ihr Kind brauchte sowohl Vater als auch Mutter. Ihr war das während ihrer eigenen Kindheit versagt geblieben, und klar, sie war gut geraten, aber es war nicht ideal gewesen. Ihr Kind verdiente Besseres, als aus zerrüttetem Elternhaus zu stammen, noch bevor es geboren war.

Leider war das gerade der einzige Weg. Nach der Hochzeit hätte sie keinen Grund mehr, Luke zu treffen. Sie würde es ihm auf ihre eigene Art, zu ihrer eigenen Zeit sagen … sie würde es auch ihrer Familie beichten müssen. Darauf freute sie sich am wenigsten. Sie betete weiterhin, dass sich wie durch ein Wunder eine Lösung auftat.

Die Unmöglichkeit der ganzen Situation traf sie und ihre Augen wurden feucht.

„Was ist los, Sweetheart?“, flüsterte Luke nah an ihrem Ohr.

Sie schüttelte den Kopf und ermahnte sich, stark zu bleiben. „Nichts“, sagte sie leise und überzeugte sich, dass niemand ihr Gespräch beobachtete. Sie täuschte ein Lächeln vor. „Mir geht’s gut.“

Da griff Luke unter dem Tisch nach ihrer Hand. Der Trost, den er spendete, fühlte sich gut an, auch wenn er der letzte Mensch war, der ihr schöne Gefühle bescheren sollte. Seine Unterstützung, sein Mitgefühl durchdrang sie und beruhigte ihre blankliegenden Nerven. Sie musste das tun, was das Beste für das Baby war. Wenn sie in Lukes Nähe war, hatte sie Schwierigkeiten, an irgendetwas anderes zu denken als daran, mit ihm zusammen zu sein … als Familie.

Und trotzdem zerstörte ihr die Sorge um ihre Mutter und ihre Schwester jedes Mal diese Fantasie.

Eine Stunde später verließ Katie das Restaurant und hörte Schritte hinter sich.

„Katie, warte mal.“

Sie seufzte, blieb stehen und drehte sich zu Luke um. „Was ist los?“

„Lass mich dich zum Auto bringen.“

„Das brauchst du nicht.“

„Nein, aber ich würde gerne.“

Er setzte eine ernste Miene auf, es hatte keinen Zweck zu diskutieren.

„Wie du willst“, sagte sie leichthin, und als sie weiterging, ging er im Gleichschritt neben ihr. Er war schweigsam, nachdenklich, sie wusste seine Stimmung nicht zu deuten.

Sobald sie ihren Toyota erreicht hatten, wandte sie sich ihm zu. „So, da wären wir.“

„Das sehe ich.“

„Danke, dass du mich gebracht hast. Ich muss dann jetzt los.“

„Wohin?“

„Nach Hause, um meine Sachen zu packen. Danach verbringe ich die Nacht in Dreas Cottage. Dort bekommen wir morgen früh Haare und Make-up gemacht. Ihr Vater bereitet gerade alles für uns vor.“

Er nickte.

„Ich sollte jetzt wirklich fahren.“

Seine Mundwinkel zuckten. „Katie, wie geht es mit uns weiter?“

In seinen Worten lag eine Dringlichkeit, die sie nicht recht verstand. Wieso war er so hartnäckig? „Luke.“ Sie sah sich um. Ein paar Leute stiegen in die Autos neben ihnen. „Das ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort.“

„Dann nenn mir eine passende Zeit und einen passenden Ort und ich werde da sein.“

Sie seufzte. „Ich weiß es nicht. Es ist kompliziert zwischen uns. Und darüber kann ich mir im Moment keine Gedanken machen. Warum fängst du jetzt damit an?“

„Weil du mir aus dem Weg gehst. Du reagierst nicht auf meine Anrufe und Nachrichten. Ich wollte heute Abend nichts sagen, aber irgendwann musst du dich der Wirklichkeit stellen.“

„Und was ist das für eine Wirklichkeit?“

Lukes Augen wurden zu Schlitzen. Er öffnete den Mund, doch dann schloss er ihn wieder.

„Hör zu, ich brauchte einfach … eine Pause“, sagte sie.

„Wovon?“

„Von … dir.“

Seine Lippen wurden schmal und seine Augen schienen sich zu verdunkeln.

„Von mir?“

„Ja, wenn du es unbedingt wissen musst. Ich kann nicht klar denken, wenn du in der Nähe bist.“

„Richtig, ich mache dich ja verrückt.“

„Ja, richtig, und das ist furchtbar.“

Überrascht hob er die Augenbrauen, seine Miene wirkte gekränkt.

„Na schön. Ich gebe dir all den Raum, den du brauchst“, sagte er missmutig.

„Kein Grund, sauer zu werden.“

„Ich bin nicht sauer.“ Er öffnete ihr die Autotür und bedeutete ihr einzusteigen.

Sie glitt auf den Fahrersitz und schenkte ihm einen letzten Blick.

Dann schlug er die Tür zu. Er sah sie nicht mehr an.

8. KAPITEL

Katie weinte den ganzen Weg bis zum Cottage der MacDonalds. Sie wollte alle Tränen vergossen haben, bevor sie die Nacht mit Drea verbrachte. Dies sollte ihre besondere Vor-der-Hochzeit-Pyjamaparty werden. Nur sie beide, wie sie es schon als Kinder geplant hatten. Sie würde ihrer Freundin den Spaß nicht verderben, indem sie eine trübselige Begleiterin war.

Luke jedoch hatte sie wehgetan, hatte ihn wütend gemacht. Und sie fühlte sich wegen alldem nicht gut – wegen der Scheidung, der Unehrlichkeit über das Baby. Sie hatte nicht gelogen, als sie Luke gesagt hatte, dass er sie verrückt machte. Er tat es, weil er der richtige Mann für sie war, bloß unter den falschen Umständen.

Warum musste es er sein? In letzter Zeit hatte sie sich das an jedem einzelnen Tag gefragt. Sie konnte es nicht länger ertragen. Sie wollte nicht die Menschen verletzen, die ihr wichtig waren. Es war Zeit, sich der Wahrheit zu stellen. Sie würde ihre Geheimnisse offenbaren und endlich die Konsequenzen tragen.

Nach der Hochzeit.

Bei diesem Gedanken versiegten ihre Tränen. Zumindest hatte sie nun einen Plan, dadurch fühlte sie sich tausendmal besser. Nachdem sie das Tor der Rising Spring Ranch passiert hatte, hielt sie an und machte sich wieder zurecht, wischte sich die Tränen ab und trug eine neue Schicht Lipgloss auf. Heute Abend würde sie Drea die allerbeste Freundin sein, und sie würden eine Menge Spaß haben.

Katie startete den Wagen erneut und fuhr langsam am Haupthaus vorbei die Straße entlang, die zum Cottage führte. Mit ihrem Brautjungfernkleid, den Schuhen sowie ihrem Kulturbeutel auf dem Rücksitz war sie auf alles vorbereitet.

Nicht vorbereitet war sie jedoch darauf, Flammen vor sich auftauchen zu sehen, die hell aufloderten und in den Nachthimmel leckten.

Ihr schnürte sich die Kehle zu, während sie die Straße weiter entlangfuhr, und sie stoppte sofort, als sie Lukes Tante Lottie und Drea mit schreckverzerrten Gesichtern entdeckte. Sie parkte den Wagen am Straßenrand und rannte zu ihnen. Der beißende Gestank von Asche und Ruß erfüllte ihre Lunge.

„Oh nein!“ Das halbe Cottage stand in Flammen. „Was ist passiert?“

Drea zitterte unkontrolliert. „Oh, Katie. Mein D…Dad ist da drin. Ich weiß nicht, wie das p…passiert ist. Aber er ist früher aus dem Restaurant losgefahren, um alles für uns vorzubereiten.“

„Luke ist zu ihm reingelaufen“, schrie Lottie.

„Luke? Oh mein Gott. Wie lange ist er schon da drin?“

„Er ist sofort reingerannt, als er die Flammen entdeckt hat. Die Feuerwehr ist unterwegs, aber Luke hat sich geweigert zu warten.“

Katies Herz raste. Das konnte nicht wahr sein. Nicht Drew und Luke. Ihr Luke. Sie würde es sich nie vergeben, wenn ihm etwas zustieße. Sie hätte ihm sagen sollen … dass sie ihn liebte. Es stimmte. Sie liebte ihn, hatte jedoch zu viele Bedenken, es zuzugeben. Und nun hatte sie Todesangst, niemals die Chance zu bekommen, es ihm zu sagen.

Er musste wissen, dass sie sein Baby in sich trug. Dass er Vater wurde. Vielleicht wäre er dann nicht so ein Risiko eingegangen. Aber Luke war taff, ein Marine, und natürlich stürmte er geradewegs in ein brennendes Gebäude, um einen Freund zu retten.

Sie schloss die Augen und betete für beide.

Sie durfte Luke jetzt nicht verlieren, nicht, da sie endlich ihre wahren Gefühle für ihn zugeben konnte.

Der Wind drehte, und sie wurden von der Hitzewelle erfasst, weshalb sie mehrere Meter zurückweichen mussten. Luke war noch immer da drin und versuchte, Drew zu retten. Der Rauch türmte sich ständig weiter auf, während sie ungeduldig warteten. Sie hielten sich an den Händen, Tränen liefen ihnen die Wangen hinab.

In der Ferne waren Sirenen zu hören. Die Löschfahrzeuge hatten das Gelände erreicht, doch Katie fixierte die Eingangstür. „Luke, bitte, bitte, komm heil wieder raus“, flüsterte sie.

Und dann, zwischen all dem Rauch und den Flammen, wankte Luke die Stufen herunter, das Gesicht vollkommen rußbedeckt, Drew zog er halb gehend und ihn halb schleifend mit sich.

„Gott sei Dank!“ Lottie rannte hinüber zum Tor im Zaun und öffnete es.

Beide Männer sahen mitgenommen aus, doch sie lebten und konnten selbstständig atmen.

„Daddy, geht es dir gut?“ Drea lief zu ihnen, um zu helfen.

„Er wird wieder“, sagte Luke. „Ich habe ihn bewusstlos auf dem Boden neben der Hintertür gefunden. Er hat eine große Beule auf der Stirn.“

Drew sah auf und schenkte seiner Tochter ein schwaches Lächeln. „Eine der Kerzen, die ich für euch aufgestellt hatte, stand zu nah an den Vorhängen und die haben Feuer gefangen. Ich bin durchs Haus gerannt, um den Gartenschlauch zu holen, und dabei bin ich über den Karton mit deinen Softball-Trophäen gestolpert“, erklärte er ihr.

Drea wurde bleich. „Oh, Daddy. Es tut mir so leid.“

„Ich wollte dich und Katie mit den Trophäen überraschen. Ich hatte sie aufpoliert und so ein Trottel, wie ich bin, habe ich nicht ganz …“ Er begann, schwer zu husten, sein Gesicht wurde vor Anstrengung rot.

„Ist schon okay, Dad. Nicht mehr so viel reden jetzt.“

Katie warf Luke einen Blick zu. Er sah ebenfalls erschöpft aus und hustete ab und zu. Sie wollte zu ihm hinüberrennen und ihn fest umarmen, doch die Feuerwehrleute waren gerade eingetroffen und riefen Kommandos. Sanitäter nahmen Drew und Luke zur Untersuchung mit zu ihrem Wagen, während die Feuerwehr die Schläuche fertig machte, um die Flammen zu bekämpfen.

Katie blieb neben dem Van stehen und beobachtete, wie sie sich über Luke beugten. Gelegentlich sah er zu ihr herüber, und sie lächelte und winkte, wischte sich Tränen aus den Augen. Sie hatte eine zweite Chance mit ihm bekommen, und sie würde es nicht vermasseln.

Als die Sanitäter ihn ein paar Minuten später gründlich durchgecheckt hatten, ging Katie zu ihm, legte ihm die Arme um den Nacken und gab ihm einen langen Kuss. Es kümmerte sie nicht, ob sie jemand beobachtete oder was die anderen darüber dachten. Sie wollte Luke einfach, Punkt.

Er kuschelte sich an sie Seine Augen strahlten. „Machst du mir jetzt einen Antrag?“

Sie küsste ihn erneut. „Du Dummerchen. Ich bin bereits deine Frau.“

„Aber das möchtest du nicht sein.“

„Ich denke gerade noch einmal darüber nach, Luke.“ Sie lächelte ihn an und er blinzelte.

„Wirklich?“

Sie nickte.

Auf Lukes Lippen bereitete sich ein Lächeln aus.

Katie legte ihm die Hände auf das rußverschmierte Gesicht und sah ihm in die blauen Augen. „Du hast Drews Leben gerettet. Das war ziemlich mutig, aber ich bin halb gestorben vor Angst.“

„Ich habe nur reagiert. Ich konnte ihn nicht im Haus verbrennen lassen. Ich musste ihm hinterher.“

„Du hast dein Leben riskiert.“

„Das war es wert. Und es hatte noch einen weiteren Vorteil.“

„Ach ja? Und der wäre?“

„Du bist hier bei mir. Und deine Augen haben so einen gewissen Schimmer. So, wie du Snow immer angeschaut hast oder eine deiner köstlichen Cupcake-Kreationen.“

„Dir ist schon klar, dass du dich gerade mit einem Pferd und einem Gebäckstück verglichen hast?“, sagte sie leise. Sie bewunderte sein attraktives Gesicht und dachte daran, was ihm alles hätte passieren können.

Er schmunzelte. „Katie, du übertreibst.“ Er neigte den Kopf und küsste sie, und es war besser als alles andere auf der Welt. Doch er brauchte weitere medizinische Versorgung, und sie musste verarbeiten, dass sie ihn liebte. Sie trat einen Schritt zurück und bat ihn eindringlich: „Hab noch etwas Geduld mit mir. Nur noch ein bisschen länger.“

Bevor er antworten konnte, kam Drea auf sie zu. „Ich werde nie vergessen, was du heute getan hast, Luke.“ Sie war sichtlich durch den Wind. Die Tatsache, dass sie um ein Haar ihren Vater verloren hätte, trieb ihr die Tränen in die Augen. „Du bist ein guter Mensch.“

Sie umarmten sich, und Drea drückte ihn fest.

„Heißt das, ich bin von jetzt an dein Lieblingsschwager?“

Drea lächelte. „Risk müsste schon etwas Phänomenales leisten, um das zu toppen. Meinen Dad zu retten, hat die Messlatte ziemlich hoch gelegt.“

Sie sahen hinüber zum Krankenwagen, wo die Sanitäter und Lottie sich gerade mit Drew zur Abfahrt berei tmachten.

„Du lässt dich hoffentlich auch noch mal im Krankenhaus untersuchen?“

„Dafür sorge ich schon“, mischte Katie sich ein.

Luke griff nach ihrer Hand. „Fährst du mit mir?“

„Ja.“

Falls Shelly davon Wind bekäme, würde sie ihr die Wahrheit sagen müssen, doch zum Glück wusste sie zufällig, dass Shelly heute Abend nicht arbeitete. Sie hatte ihre Mutter zu einem schönen langen Besuch bei einer Freundin mitgenommen. Das verschaffte ihr ein bisschen Zeit.

Als Mason und Risk auftauchten, berichteten sie ihnen, was passiert war. Die zwei waren auf ein paar Drinks im The Baron geblieben, bevor sie nach Hause aufgebrochen waren.

Nachdem das Feuer gelöscht war und nur noch die Hälfte des Cottages mit drei Schlafzimmern stand, beschlossen sie alle gemeinsam, dass die Hochzeit trotzdem wie geplant stattfinden sollte. Alles war vorbereitet und startklar.

„Es tut mir leid, wie die Dinge sich heute Abend entwickelt haben, Drea.“ Katie reichte ihrer Freundin ein Glas Weißwein. Durch Zufall wusste sie, dass dieser Pinot Grigio ihre Lieblingssorte war. Die Boones hatten Drea den kompletten Westflügel ihres Ranchhauses zur Verfügung gestellt. Sie saßen sich auf den zwei Einzelbetten eines der Gästezimmer gegenüber. „Das Zuhause deines Dads ist so gut wie zerstört.“

„Er wird es wieder aufbauen, Katie. Davon abgesehen erfreut er sich dank Luke bester Gesundheit. Wenn der nicht hineingerannt wäre, um Dad zu retten, hätte der Rauch ihn erwischt, bevor es das Feuer getan hätte.“

„Ja, Luke ist unglaublich. Ich bin froh, dass er auch gesund aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Was das betrifft, hatten wir sehr viel Glück.“

Drea lächelte. „Ich habe gesehen, wie ihr beide euch geküsst habt.“

„Mir ist endlich klar geworden, dass ich ihn liebe. Er ist der Richtige.“

„Also wirst du ihm alles erzählen?“

„Das habe ich vor. Sehr bald. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass ihm irgendetwas passiert, bevor ich die Chance habe, ihm zu sagen, dass er Vater wird. Das rückt die Dinge für mich ins richtige Licht. Unser Kind verdient ein liebevolles Zuhause.“

„Ich freue mich so für dich.“

„Danke.“ Katie biss sich auf die Lippen. „Es ist schon seltsam, wie sich manchmal alles entwickelt, oder?“

„Was meinst du?“

„Na ja, du hast Mason für das verachtet, was er deinem Vater vermeintlich angetan hat. Und ich hatte nicht viel für Luke übrig wegen dem, was er Shelly angetan hat. Und jetzt lieben wir beide einen Boone.“

„Du hast einen geheiratet.“

„Und du stehst kurz davor.“ Sie nippte an ihrem Apfelsaft. „Und vergiss nicht, was für eine Abneigung April gegen Risk hatte, als sie sich das erste Mal wiederbegegnet sind. Ihre falsche Verlobung hat zu einer richtigen geführt.“

Drea trank einen Schluck Wein. „Irgendetwas scheinen die Boone-Brüder an sich zu haben.“

„Darauf trinke ich.“ Katie leerte ihr Glas. „Ach du meine Güte, mir fällt gerade auf, dass du wahrscheinlich auch jede Menge Sachen in der Hütte verloren hast.“

„Das stimmt, aber ich habe, was ich brauche. Ich wohne schon bei Mason im Haus, deshalb ist die Hälfte meiner Sachen bereits hier.“

„Du bist nicht panisch, daher gehe ich davon aus, dass dein Hochzeitskleid in Sicherheit ist.“

„Lottie hat es für mich im Brautmodeladen abgeholt. Es ist hier im Haus. Sie wollte es mir morgen früh rüber zum Cottage bringen.“

„Gott sei Dank. Morgen wird ein besonderer Tag.“

„Weißt du, es würde mir nichts ausmachen, wenn du heute Abend noch zum anderen Ende des Flurs möchtest, Süße. Risk schläft bei April, und Mason hat sich entschieden, die Nacht im The Baron zu verbringen.“

„Weil Braut und Bräutigam sich vor der Hochzeit nicht sehen dürfen?“

„Richtig … wir mögen Traditionen. Aber die Tradition legt nicht fest, dass die Trauzeugen sich nicht sehen dürfen.“

„Tja … hm. Ich würde dich nur ungern alleine lassen.“

„Ich werde allmählich total müde.“ Drea streckte die Arme in die Luft und gähnte. „Und ich brauche meinen Schönheitsschlaf.“

„Du bist eine schlechte Lügnerin. Aber ich würde sehr gerne noch mal nach ihm sehen. Um sicherzustellen, dass es ihm gut geht.“

Drea deutete auf die Tür. „Geh.“

„Mensch, jetzt werde ich sogar aus deinem Zimmer geworfen.“

„Nur weil da hinten etwas viel Besseres auf dich wartet.“

Katie stand auf. „Wie sehe ich aus?“ Sie strich sich durch die Haare und zupfte ihr Kleid glatt.

„Du könntest Lumpen tragen und Luke würde dich wunderschön finden. Du siehst toll aus.“ Drea scheuchte sie weg. „Es ist am Ende des Flurs, die letzte Tür rechts.“

Katie warf ihr einen Kuss zu und machte sich barfuß auf den Weg durch den langen Gang. Sie konnte es kaum erwarten, Luke wiederzusehen.

Sie klopfte dreimal an seine Schlafzimmertür. Keine Antwort. Wahrscheinlich schlief er schon. Ihr Verlangen, nach ihm zu schauen, war stärker als die Sorge, ihn zu wecken, deshalb legt sie eine Hand auf die Klinke und öffnete die Tür.

Während sie eintrat, versicherte sie sich selbst, dass sie jedes Recht hatte, nach ihrem Ehemann zu sehen. Er hätte heute Abend in den Flammen schwer verletzt oder sogar getötet werden können. Doch als sie sich umsah, fiel ihr auf, dass sein Bett gemacht war. War er zu dieser nächtlichen Stunde noch irgendwo hingegangen? Sie wandte sich zum Gehen und streckte die Hand nach der Türklinke aus.

„Wo willst du denn hin, Katie?“

Eine Sekunde hielt sie inne, dann wirbelte sie herum. Luke trat gerade aus dem Badezimmer, ein Handtuch um die Hüfte geschlungen. Das Mondlicht glitzerte in seinen feuchten Haaren. Wassertropfen liefen seine Schultern hinab und fielen auf seine granitharte Brust. Es juckte sie in den Fingern, ihn dort zu berühren, ihn zu umschlingen und ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn liebte, auch wenn sie ihm das erst noch sagen musste. „Luke, ich dachte, du wärst nicht hier.“

„Ich bin hier.“ Er grinste breit.

„J…ja, das bist du.“

Er kam zu ihr geschlendert. „Manchmal dusche ich nachts gerne im Dunklen, wenn nur das Mondlicht hereinströmt. Das ist so schön ruhig und friedlich.“

„Oh … das wusste ich nicht.“

„Es gibt jede Menge, was du nicht von mir weißt, Sweetheart. Ich kann es kaum erwarten, dass du all das herausfindest.“

Er kam noch näher, und der Duft seiner Limettenseife wehte ihr um die Nase.

„Ich wollte nach dir sehen.“

Er öffnete die Arme weit. „Ich bin gesund, Katie.“

Ihr Blick haftete an der Beule, die unter dem Handtuch verborgen lag. „Das ist wohl eine Untertreibung, Luke.“

Er lachte, und diese neckischen Laute brachten sie in Wallung.

„Bist du sicher, dass du nicht müde bist? Ich muss nämlich nicht bleiben …“

„Du machst Witze, oder?“

Sie lächelte ihn an. „Hm, ja, ich denke schon. Ich möchte nicht gehen.“

Erneut breitete er die Arme aus, und sie trat auf ihn zu. Irgendwer da oben erhörte ihre Wünsche, denn als er sie umarmte und sich an sie kuschelte, wurden all ihre Träume wahr. Es gab nur eine winzige Schwachstelle in dem Plan, heute Nacht bei ihm zu bleiben, doch sie schob die Gedanken an ihre Familie beiseite. Sie wollte den Moment ganz auskosten. Und als Lukes Lippen ihre berührten, sein harter Körper sich an ihren presste und sein Verlangen unter dem dünnen Handtuch sie an den bevorstehenden Nervenkitzel erinnerte, vergaß sie alles und jeden außer dem, was heute Nacht zwischen ihnen beiden passierte.

„Katie.“ In seiner Stimme schwang Ehrfurcht und Verwunderung mit. „Hier gehörst du hin.“

Sie schäumte über vor Rührung. Es war beinahe zu viel für sie, diese abendliche Achterbahnfahrt der Gefühle. Sie zitterte und konnte sich nicht kontrollieren. „Luke, küss mich einfach und hör nicht wieder damit auf.“

Er umfasste ihren Kopf und presste ihr die Lippen auf den Mund und es dauerte nicht lange, da schmolz sie dahin. Bei den vorzüglichen Empfindungen, die er auslöste, wurde sie schwach. Und sobald sie ihr Kleid ausgezogen hatte und sie zusammen unter die Bettdecke gekrochen waren, war alles andere vergessen.

Seine Hitze und sein Verlangen waren ansteckend. Sie war kurz davor, zu verbrennen, doch sie hielt durch, wollte jede Minute dieser Nacht mit ihm genießen. Eine Nacht voller Begierde. Keine Probleme, keine Umstände, bloß zwei Menschen, die ihre Liebe auf die stärkste Art ausdrückten.

Ihr Orgasmus erreichte neue Höhen. „Luke“, schrie sie.

Er war bei ihr, bäumte sich über ihr auf, sein Körper straffte sich. Seine kraftvollen Stöße und sein lustvolles Stöhnen waren ein wundervolles Spektakel. Er drückte sie fest an sich, als er Erlösung fand, und sie küsste ihn, bis seine Atmung sich wieder beruhigte und sie sich zusammen aufs Bett sinken ließen.

„Wow“, sagte er und streichelte ihren Arm entlang. „Ich will nur überprüfen, ob du echt bist.“

„Ich bin echt. Echter als echt nach gerade eben.“

Er lachte und küsste sie auf die Schulter. „Willst du heute Nacht bei mir bleiben und in jeder Hinsicht meine Frau sein?“

„Ich will“, sagte sie und wünschte es sich tatsächlich so sehr wie er.

Luke betrachtete die leere Bettseite neben sich und lächelte über die Nachricht, die Katie an diesem Morgen für ihn auf dem Kopfkissen hinterlassen hatte.

Mein lieber Ehemann,

tut mir leid, dass ich so früh losmuss. Heute geht es ausschließlich um Drea und Mason. Wir sehen uns gleich.

Deine Frau

Luke stand auf und atmete Katies angenehmen Duft ein. Sie roch immer fabelhaft und heute war keine Ausnahme. Er konnte nicht glauben, dass sie endlich sein war, nach all den Jahren, in denen er versucht hatte, das Richtige zu tun und seine Gefühle zu verleugnen.

Sie hatte nicht ausgesprochen, was er hatte hören wollen. Sie hatte ihm bisher weder ihre Liebe gestanden noch von dem Baby erzählt, doch sie hatten große Fortschritte gemacht. Endlich betrachtete Katie ihn als ihren Ehemann. Er hatte erst in ein brennendes Haus rennen müssen, damit ihr klar wurde, dass er ihr etwas bedeutete.

Luke duschte kurz, zog sich dann Jeans und ein T-Shirt über und sah aus dem Fenster über den Hof. Ein Team von Veranstaltungstechnikern baute gerade ein Open-Air-Zelt auf, in dem zweihundertfünfzig Gäste Platz fanden. Eine Tanzfläche war zu sehen, ebenso wie Tische und Stühle. Mason und Drea hatten beschlossen, ihr Gelübde vor dem kleinen Pavillon abzulegen, den Mason im Garten gebaut hatte.

Die Rising Springs Ranch hatte viele Veranstaltungen ausgerichtet, doch dies war die erste Hochzeit, und die Boones zogen es groß auf.

Luke lief den Flur entlang und über die Brücke, die zum Ostflügel des Hauses führte. Er hörte die Mädels kichern, Drea und Katie waren aufgedreht vor Aufregung. Ein Gefühl der Wärme durchströmte sein Herz, als er die Treppe nach unten stieg.

Er hatte noch etwas bei der Red Barrel-Rettung zu erledigen.

Etwas, das Katie glücklich machen würde.

Katie betrachtete Drea in dem ovalen Spiegel in ihrem Zimmer und bemerkte den Glanz in ihren Augen und die Freude auf ihrem Gesicht. Alle Brautjungfern waren bereits vorgegangen, um ihnen beiden ein paar Minuten alleine zu geben.

„Drea, du bist wunderschön. Ich kann gar nicht beschreiben, wie umwerfend du aussiehst. Und weißt du was? Es ist Zeit, nach unten zu gehen.“

„Du hast recht“, sagte Drea versonnen. „Ich … bin ein bisschen nervös.“

„Das musst du nicht. Ich halte dir den Rücken frei.“

„Danke, Süße.“ Drea gab ihr einen Schmatz auf die Wange, wobei sie darauf achtete, ihren blassrosa Lippenstift nicht zu verschmieren. „Aber du siehst auch umwerfend aus. Deine Frisur gefällt mir total.“

Katies Haare waren zu einer sehr lockeren Hochsteckfrisur gebunden, ein paar blonde Locken umrahmten ihr Gesicht.

„Mit dem Blumenkranz in deinem Haar siehst du aus wie eine Prinzessin.“

„Es ist ein Wunder, was ein Visagist aus einem wüsten Haufen wie mir zaubern kann.“

„Pst, nichts da. Du bist kein wüster Haufen. Du bist eine wunderschöne werdende Mommy.“

Katie drehte sich zur Seite und betrachtete ihr Spiegelbild. „Siehst du schon einen Babybauch?“

Drea grinste. „Nein, aber der kommt früh genug.“

Katie seufzte. Sie konnte noch immer nicht so recht glauben, dass sie ein Baby bekam, ihre verrückten Symptome erinnerten sie allerdings regelmäßig daran. Heute hatte sie Glück gehabt: keine Übelkeit. Nur Glückseligkeit am Morgen, als sie neben Luke aufgewacht war. Er ging ihr nicht aus dem Kopf, doch sie musste sich in Erinnerung rufen, dass sich an diesem Tag alles nur um Drea und Mason drehte. „Ich höre die Geige spielen. Zeit zu gehen.“

„Okay“, sagte Drea. „Du zuerst. Ich bin direkt hinter dir.“

Als Katie aus der Hintertür trat und den Pfad zum Pavillon entlangschritt, entdeckte sie Mason, der mit erwartungsvollem Blick auf seine Braut wartete. Sie hielt sich jedoch nicht mit ihm auf, sondern richtete ihre Augen auf seinen Trauzeugen, der neben ihm stand. Auf den Mann, den sie vor Wochen geheiratet hatte. Und sah Luke in seinem Smoking nicht zum Anbeißen aus?

Katie konnte den Blick nicht abwenden, bis die Musik kurz aussetzte, und der bekannte Hochzeitsmarsch begann. Drea stand neben ihrem Vater, den Arme untergehakt. Sie hielt einen Strauß weißer Gardenien und Rosen. Alle erhoben sich, während Drea den Gang entlangschritt.

Katie kamen die Tränen, ihre Emotionen kochten hoch. Dies war ein monumentaler Tag. Ihre beste Freundin heiratete einen großartigen Kerl. Und ehe sie sichs versah, legten die zwei süße, witzige und liebevolle Gelübde ab und wurden zu Mann und Frau erklärt. Es war eine feierliche Zeremonie, und bei ihr flossen die Tränen ungehindert, diesmal zur Abwechslung aus Freude.

Mason und Drea wurden mit großem Applaus bedacht, und sie winkten Freunden und Familie zu, während sie zum ersten Mal als Ehepaar den Gang entlanggingen. Als Nächstes waren Katie und Luke an der Reihe, sie trafen sich vor dem blumengeschmückten Pavillon. Besitzergreifend nahm Luke ihre Hand, als sie hinter dem Brautpaar her schritten. Sobald sie das Empfangszelt erreichten, blieb er stehen und küsste sie rasch.

Seine Augen funkelten wunderbar blau. „Du siehst fantastisch aus.“

„Du auch, Lucas Boone.“

Sein Lächeln machte sie schwindelig.

„Ich erwarte, dass wir die ganze Nacht zusammen tanzen.“

„Bekomme ich nicht einmal einen Tanz mit dem Bräutigam?“

Sein Mund zuckte hinreißend. „Einen, weil er mein Bruder ist.“

Fotografen machten Schnappschüsse, und die Hochzeit wurde auf Video festgehalten. Katie wollte Lukes Hand loslassen und hoffe, dass der Kuss nicht auf Film gebannt war. Diese Fotos würden es bestimmt morgen in die Zeitungen von Boone County schaffen. Als sie ihre Hand leicht wegzog, verstärkte Luke seinen Griff und stellte klar, dass er dieses Spielchen nicht länger mitspielte.

Das bedeutete, sie würde bald mit ihrer Mutter und ihrer Schwester sprechen müssen. Zum Beispiel heute nach der Hochzeit oder allerspätestens morgen. Doch zuvor gab es etwas, das sie Luke offenbaren musste.

9. KAPITEL

Es war kein Witz gewesen, als Luke gesagt hatte, er würde die ganze Nacht mit ihr tanzen. Noch nie hatte Katie so viel Spaß gehabt, und es tat ihr auch überhaupt nicht leid, als die Band eine sexy Ballade anstimmte.

„Würdest du dieses langsame Lied mit mir tanzen?“, fragte Luke.

„Ich dachte schon, du fragst nie“, frotzelte sie.

Sie trat an ihn heran und legte den Kopf an seine Schulter. Zweihundertfünfzig Gäste hatten sie den ganzen Abend aneinanderkleben sehen. Sie hatten gesehen, wie Luke sie anhimmelte, als sie ihre lustige kleine Rede hielt, und sie hatten gesehen, wie sie an seinen Lippen hing, als er einen Toast auf das glückliche Paar aussprach.

Sie war sicher, dass es zu ihrer Schwester durchdringen würde, doch es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Sie konnte ihre Gefühle für ihn nicht länger verbergen. Und eng mit ihm zu tanzen, bot viele Vorteile, wie, seinen schwindelerregenden, maskulinen Duft einzuatmen, von seinen starken, kräftigen Armen gehalten zu werden und seine gelegentlichen und überraschenden Küsse zu genießen.

Später würde der Haussegen gewaltig schief hängen, doch jetzt gerade wollte sie darüber nicht nachdenken. Sie wollte ohne Angst und Bangen die Hochzeit ihrer besten Freundin feiern.

Katie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab Luke ein Küsschen auf den Mund.

Er zog sie enger in seine Umarmung. „Wofür war das denn?“

Sie schaute ihm tief in die Augen. „Einfach so.“

„Das ist Grund genug für mich.“

Er brachte sie immer zum Lächeln. Nun ja, nicht immer, aber in letzter Zeit spürte sie, wie sie sich von den Fesseln der Schuld Shelly und ihrer Mutter gegenüber befreite.

„Das ist vermutlich die beste Hochzeit, auf der ich je war“, sagte sie verträumt.

„Du meinst, unsere war nicht so gut?“

„Unsere? Die taucht nicht mal auf meinen Radar auf.“

„Ich weiß.“ Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Eines Tages mache ich das wieder gut.“

Sie sah zu ihm hoch und fand endlich den Mut, den sie brauchte. „Luke, kommst du mal mit?“

„Klar, wo gehen wir denn hin?“

„Zum Pavillon. Dort sollte es ruhig sein. Der Empfang ist ja bald vorbei. Zum letzten Tanz sind wir rechtzeitig zurück.“

Luke nahm sie bei der Hand und führte sie den Pfad zum Pavillon entlang. Die Sonne ging gerade unter, und der Himmel im Westen erstrahlte in orange und rosa Schattierungen. Sobald sie den Pavillon erreicht hatten, stieg sie die Stufen hinauf und setzte sich. Luke nahm neben ihr Platz.

Sie kam gleich auf den Punkt: „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Aber als ich gestern herausfand, dass du in Drews Haus warst, mit all dem Feuer um dich herum, da konnte ich meine Gefühle für dich nicht länger abstreiten. Ich liebe dich, Luke. Ich habe keine Ahnung, wann es passiert ist oder warum. Gott weiß, es gibt mehr als genug Gründe für mich, dich nicht zu lieben. Ich tue es trotzdem. Sehr sogar.“

Er schloss die Augen, als schätzte er ihre Worte wert und versuchte, die Erinnerung daran sicher zu bewahren. Er war geduldig mit ihr gewesen. Und unnachgiebig und hartnäckig. Doch sie liebte ihn, alles an ihm, und sie war froh, es ihm endlich zu sagen.

„Katie, ich habe fünf lange Jahre auf diesen Moment gewartet. Ich liebe dich. Ich habe es dir bereits gesagt, aber es war nicht so, wie ich es dir sagen wollte. Nicht im Eifer des Gefechts mitten während eines Streits.“

„Ich habe dich aus dem Haus geworfen, als du es mir gesagt hast.“

„Ich weiß. Und inzwischen gestehe ich ein, dass ich eine Grenze überschritten habe, indem ich dir den Wettbewerb mit deiner Bäckerei vorenthalten habe. Das ist bloß meine Art zu lieben. Ich beschütze die Menschen, die mir etwas bedeuten.“

„Aber so was wirst du nicht noch einmal tun, oder?“

„Nein, das verspreche ich dir.“

Sie lächelte und Luke strich beruhigend und liebevoll über ihre Arme. Und dann küsste er sie, er küsste sie so lange, bis sie kaum noch atmen konnte. Sie legte ihm eine Hand auf die Brust. „Da ist noch was.“

„Erzähl mir mehr.“ Seine Augen funkelten, er schenkte ihr seine volle Aufmerksamkeit.

„Ich … äh … ich bin … schwanger. Du wirst Vater.“

Da, sie hatte es ausgesprochen. Es ihm zu sagen, ließ es nur noch realer wirken.

„Ah, Katie.“ Tränen stiegen ihm in die Augen. „Das sind die besten Nachrichten“, sagte er und zerstreute damit ihre Bedenken.

„Dann ist das also okay für dich?“

„Das … haut mich um. Hattest du Angst, ich würde mich nicht darüber freuen?“

„Ich wusste nicht, wie du generell über Kinder denkst. Ich habe dich nie mit welchen gesehen, aber ich weiß ja, wie mitfühlend du mit Pferden und eigentlich allen Tieren umgehst, deshalb habe ich gehofft, dass es dich nicht abstoßen würde.“

„Ich könnte gerade Bäume ausreißen. Du und ich, wir haben ein Baby gezeugt, Sweetheart, und ich werde das Kind so lieben, wie ich dich liebe. Mir ist es egal, wann oder wie das passiert ist, es ist ein Segen.“

„Das finde ich auch“, sagte sie leise. „Aber ich habe immer verhütet. Nur was unsere Nacht in Las Vegas angeht, ist alles verschwommen.“

„Bei mir auch. Ich würde dich nie einem Risiko aussetzen, Katie. Nicht absichtlich. Ich hoffe, du weißt das.“

„Natürlich. Wir waren offenbar beide ziemlich umnebelt.“

„Ja.“

„Es ist nur … na ja, ich werde mich sehr bald mit meiner Schwester und meiner Mom auseinandersetzen müssen.“

„Je eher, desto besser, Katie. Und ich werde auf jedem Schritt des Weges bei dir sein.“

„D…danke. Aber das ist etwas, das ich alleine erledigen muss. Morgen. Ich werde es ihnen morgen erzählen. Jetzt sollten wir wohl wieder zur Hochzeit zurückgehen.“

„Ich könnte die ganze Nacht hier mit dir sitzen, doch du hast recht.“ Er umfasste ihr Gesicht, drückte ihr einen festen, köstlichen Kuss auf die Lippen und sah ihr in die Augen. „Wir sollten zurückgehen.“

Hand in Hand machten sie sich auf den Weg die Treppen des Pavillons hinab und auf die glitzernden Lichter des Zeltes zu. In diesem Moment kam April heraus und hielt ein Handy hoch.

„Katie, ich glaube, das könnte wichtig sein. Dein Telefon hat beinahe ununterbrochen geklingelt.“

„Oh, okay. Danke, April.“ Sie warf einen Blick auf die verpassten Anrufe. „Die sind von Shelly. Dauert nur eine Minute. Bitte entschuldigt mich.“ Sie war beunruhigt, verbarg ihre Sorge jedoch vor Luke und April. Shelly wusste, wo sie heute Abend war, und würde nicht anrufen, wenn es nicht superwichtig wäre.

„Soll ich bleiben?“, fragte Luke.

„Nein, geh ruhig schon vor. Ich bin sicher, es ist nichts.“

April hakte sich bei ihm unter. „Auf geht’s, Luke. Du schuldest mir noch einen Tanz.“

Widerwillig ließ er sich abschleppen, und Katie lief nervös hin und her, bis ihre Schwester abhob.

„Shelly? Ich bin’s. Was ist los?“

Die Neuigkeiten waren nicht gut. Katies Mom lag im Krankenhaus. Diesmal war es nicht ihr Herz, sondern eine Lungenentzündung, und es war so schlimm, dass Shelly sie in die Notaufnahme gebracht hatte.

Katie nahm sich eine Minute, um mit rasendem Herzen alles zu verdauen. Dann ging sie zum Empfang zurück, um Luke zu suchen. Sie entdeckte ihn, wie er gerade den Tanz mit April beendete, packte ihn beim Arm und nahm ihn zur Seite. „Ich muss gehen. Meine Mutter, sie liegt im Krankenhaus. Sagst du bitte Drea und Mason, dass es mir leidtut, aber dass ich wegmuss?“

„Ich komme mit“, sagte er sofort.

„Nein.“

„Nein? Katie, ich fahre dich.“

„Meine Güte, Luke. Verstehst du das nicht? Ich kann nicht mit dir im Krankenhaus auftauchen.“

„Sind wir wieder an diesem Punkt zurück?“

„Es tut mir leid. Aber ich gehe jetzt. Alleine.“

Lukes Mund verzog sich zu einer schmalen Linie, sein Kinn zuckte trotzig.

Katie konnte sich momentan nicht mit ihm befassen. Sie musste zum Krankenhaus.

Sie saß am Krankenbett ihrer Mutter und beobachtete sie beim Schlafen. Das Atmen schien ihr schwerzufallen, und Katie hasste es, sie an all die Maschinen angeschlossen zu sehen. Draußen im Gang hörte sie Shellys Stimme und drehte sich gerade rechtzeitig um, um ihre Schwester mit Davis Moore sprechen zu sehen. Als die Unterredung zu Ende war, nahm Dr. Moore die Hand ihrer Schwester und versprach, sich später noch einmal bei ihr zu melden.

Shelly schenkte dem lieben Arzt ein Heldenverehrungslächeln, das nur eine Schwester identifizieren konnte, und sah ihm hinterher.

Wäre ihre Mutter nicht so krank, hätte Katie es wahrscheinlich amüsant gefunden.

Shelly betrat den Raum und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du musst direkt von der Hochzeit gekommen sein.“

„Dein Anruf hat mir Angst gemacht, deshalb war ich nicht vorher zu Hause, um mich umzuziehen.“

Autor

Deborah Fletcher Mello
Deborah Fletcher Mello schreibt, seit sie denken kann, und sie kann sich nicht vorstellen, jemals etwas anderes zu tun. Neben vielen anderen Auszeichnungen erhielt sie 2009 den RT Reviewers’ Choice Award. Immer wieder erfindet sie originelle Geschichten und beeindruckende Heldinnen und Helden. Deborah ist in Connecticut geboren und aufgewachsen, fühlt...
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