Liebesnächte, die nur Lüge waren?

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Detective Zoe Warren ist nach Royal gekommen, um in einem Mordfall zu ermitteln - nicht um dem Sex-Appeal eines breitschultrigen, braunäugigen Ranchers zu verfallen! Aber Cord Galicia ist einfach unwiderstehlich! Ehe Zoe sichs versieht, steckt sie mitten in einer leidenschaftlichen Affäre mit ihm. Doch kaum gesteht sie sich ein, dass sie ihr Herz an ihn verloren hat, macht sie eine schockierende Entdeckung. Cord hat versucht, ihre Ermittlungen zu sabotieren! Verletzt fragt sie sich: Hat er sie womöglich aus reiner Berechnung verführt?


  • Erscheinungstag 16.03.2021
  • Bandnummer 2176
  • ISBN / Artikelnummer 9783751503570
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war schon schlimm genug, dass sie all die anderen Fälle an ihr bereits völlig überarbeitetes Team hatte abgeben müssen. Doch nun war Zoe Warren auch noch auf dem Weg nach Royal, Texas. Dabei war sie eine Stadtpolizistin durch und durch – eben ein echtes Stadtmädchen. Schon jetzt überlief Zoe beim bloßen Gedanken an Vieh und Cowboys und all dieses Weideland ein kalter Schauer.

Wobei sie jedoch wesentlich lieber die dreihundert Meilen nach Royal fuhr, als ein weiteres Blind Date zu durchleben. Ihre Eltern und ihre vier älteren Brüder schienen zu denken, sie bräuchte Hilfe dabei, sich häuslich niederzulassen. Aber wer sagte, dass sie das wollte? Sie hatte lange und hart dafür gearbeitet, sich einen Platz bei der Kriminalpolizei Houston zu sichern, und ihre Karriere war auf steilem Weg nach oben. Man wurde nicht in dritter Generation zum Cop, ohne ein paar Träume und Ziele zu verfolgen. Mit ihren gerade mal dreißig Jahren hatte sie noch so einige Ziele vor sich, und sie erfreute sich an ihrem Dasein als Single.

Sicher, eines Tages wäre es vielleicht schön, zu heiraten und selbst zur Vergrößerung der Familie beizutragen, so wie ihre Brüder es bereits fleißig taten – aber nicht jetzt. Und erst recht nicht, weil ihre Familie es wollte.

Das offene Land um sie herum war von einer unberührten Schönheit, die selbst Zoe mit ihrer Vorliebe für die Stadt zu schätzen wusste. Doch so wie immer war sie im Hinterkopf weiterhin mit ihrer Arbeit beschäftigt. Als leitender Detective in dem Mordfall, aufgrund dessen sie diese Reise unternahm, bekam sie langsam das Gefühl, immer weniger über das Opfer zu wissen, je mehr sie über es herausfand. Es war zu einer richtigen Obsession für sie geworden, jedes Detail über Vincent Hamm und sein Leben in Erfahrung zu bringen.

Dieser Fall war wirklich ein einziges Rätsel. Erst war Hamm spurlos verschwunden und nicht mehr zur Arbeit erschienen. Und dann wurde er gefunden, als die Flutwasser auf der Baustelle des neuen Texas Cattleman’s Club in Houston zurückgingen, sein Gesicht vollkommen unkenntlich gemacht. Wer auch immer ihn getötet hatte, hatte sich große Mühe gegeben, seine Identifizierung hinauszuzögern – und die Überschwemmung hatte noch ihren Teil dazu beigetragen.

Zoe setzte die Wasserflasche an, um einen Schluck zu trinken – nur um seufzend festzustellen, dass die Flasche leer war. Zum Glück war es nicht mehr weit bis Royal; dort könnte sie sich in einem Supermarkt Nachschub besorgen. Doch vorher wollte sie kurz im Büro des Sheriffs vorbeischauen, um die örtlichen Gesetzeshüter von ihrer Ankunft zu unterrichten.

Der Sheriff, Nathan Battle, war vor einiger Zeit persönlich nach Houston gekommen, um sie in dem Fall zu unterstützen. Das Opfer war der Sohn eines Freundes von ihm, und sie hatte damit gerechnet, Battle würde ihr Schwierigkeiten bereiten oder wäre zumindest ein Großmaul. Stattdessen hatte er sie positiv überrascht. Er war zwar fest entschlossen, den Mörder zu finden, so wie er es Hamms Familie versprochen hatte, aber er hielt sich an die Regeln. Seine Hilfe hier in Royal könnte für Zoes Ermittlungen von unschätzbarem Wert sein.

Etwa zehn Minuten später führte die Navigationsapp auf ihrem Handy, ohne die sie vollkommen verloren wäre, Zoe zum Sheriffbüro von Royal. Doch schon kurze Zeit später saß sie wieder im Auto. Der gute Sheriff war gerade im Einsatz, also hatte sie ihm eine Nachricht hinterlassen, mit der Bitte, sie nach seiner Rückkehr anzurufen.

Sie gab eine neue Adresse als Ziel ein und fuhr zu dem Mittelklasse-Motel am anderen Ende der Stadt, in dem sie ein Zimmer gebucht hatte. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie eingecheckt und ihr Gepäck verstaut, und nach einem kurzen Spaziergang war sie gerade wieder zurück im Hotel, als ihr Handy klingelte: Nathan Battle.

„Sheriff, danke, dass Sie anrufen.“

„Danke, dass Sie vorbeigekommen sind, um mir zu sagen, dass Sie in der Stadt sind. Würden Sie sich vielleicht gern treffen?“

„Ja. Wie wäre es mit morgen Nachmittag?“, fragte sie und ging im Stillen ihre Pläne für den Vormittag durch: Sie wollte unter anderem der Spur folgen, die sie überhaupt erst nach Royal geführt hatte.

Sie hörte Papier rascheln und kurz darauf ein zustimmendes Grunzen. „Ja, das passt mir gut. Treffen wir uns doch im Royal Diner auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen, so um drei Uhr?“

„Klingt gut. Dann bis morgen.“

So hätte sie genügend Zeit, morgens raus zur Stevens-Ranch zu fahren und dort ein paar Fragen zu stellen. Die kryptischen Worte auf Hamms Mailbox – „Danke für nichts, Hamm“ – hatten Bände gesprochen, wenn man den Tonfall des Sprechers und die Tatsache bedachte, dass Vincent Hamm etwa zur selben Zeit verschwunden war. Sie hatten den Anruf zu einem örtlichen Rancher, Jesse Stevens, zurückverfolgen können. Weiteren Recherchen zufolge waren Stevens und Hamm einmal beste Freunde gewesen; was hatte also einen Keil zwischen sie getrieben? War der Grund schlimm genug gewesen, um Jesse Stevens zum Mord an seinem früheren Freund zu bewegen?

Stevens war eine ziemlich große Nummer hier in Royal. Der wohlhabende Rancher war stark in die Politik des örtlichen Texas Cattleman’s Club involviert. Vielleicht griff Zoe nur nach Strohhalmen, aber vielleicht war es auch kein Zufall, dass ihr Opfer in Houston in dem Gebäude gefunden worden war, das gerade für einen neuen Zweig des TCC renoviert wurde. Sie musste einfach alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Der Polizeichef und der Bürgermeister Houstons setzten sie ständig unter Druck, und bisher konnten Zoe und ihr Team kaum Ergebnisse vorweisen. Erst gestern hatte ihr Captain sie beiseitegenommen und gefragt, ob sie der Aufgabe gewachsen war.

Die Frage war ihr sauer aufgestoßen. In letzter Zeit lebte sie nur noch für diesen Fall; all ihre Gedanken kreisten darum. Aber er hatte ihr klargemacht: Wenn sie nicht bald Resultate vorbringen konnte, würde er sie als Leitung ersetzen.

Der Gedanke trieb sie zu einer spontanen Entscheidung. Sie wollte nicht erst morgen mit Stevens sprechen. Sie könnte auch sofort zu seiner Ranch fahren. Im Oktober ging die Sonne gegen sieben Uhr unter; damit hatte sie noch drei Stunden Tageslicht. Und das Überraschungselement wäre auf ihrer Seite, wenn sie ohne Termin bei ihm auftauchte. Die Ranch lag außerhalb von Royal, recht isoliert. Nichts als Weiden und Rinder. Zoe ignorierte das Jucken zwischen ihren Schulterblättern, stieg in ihren Wagen und fuhr los.

Auf der Ranch angekommen, lächelte sie bei dem Gedanken, Stevens zu überrumpeln. Doch ihr Lächeln verblasste, als auf ihr Klopfen hin niemand öffnete. Sie klopfte erneut und wartete ein paar Minuten, ehe sie die Veranda entlang zu einem der Fenster ging. Sie sah hinein: keine Bewegung, nichts. Zoe seufzte frustriert. Vielleicht wäre es doch klüger gewesen, vorher anzurufen. Doch sie hatte eine Liste von Stevens’ regelmäßigen Kontakten hier in Royal, und einer seiner Bekannten war zufällig auch sein Nachbar. Sie lief zurück zum Auto und gab die nächste Adresse auf ihrer Liste ein.

Auf der Nachbarsranch hatte sie mehr Glück, als sie an die Tür klopfte. Als sich von drinnen Schritte näherten, setzte sie ein Lächeln auf und strich sich das kurze dunkle Haar aus der Stirn.

Doch die Worte, die sie hatte sagen wollen, erstarben ihr auf den Lippen, als die Tür geöffnet wurde und dahinter ein großer Mann zum Vorschein kam. Er war zwar nicht gerade muskelbepackt, doch man sah ihm trotzdem an, wie stark diese breiten Schultern waren. Zoe blickte zu ihm auf – und seine Augen schlugen sie sofort in den Bann. Hellbraun mit goldenen Sprenkeln waren sie absolut atemberaubend. Sein Gesicht war ein Kunstwerk bestehend aus scharfen Linien und Kanten, abgemildert durch leichte Bartstoppeln auf Kinn und Wangen. Er wirkte beinahe wölfisch – als würde er sie als seine Beute abschätzen.

In ihr stieg eine Welle des Verlangens auf. Es raubte ihr den Atem und ließ ihre Brustwarzen unter dem Spitzen-BH hart werden. Zoe biss sich auf die Unterlippe, um sich davon abzuhalten, ein Geräusch – ein Stöhnen – von sich zu geben.

Er hatte feuchtes Haar, als wäre er gerade erst aus der Dusche gestiegen und hätte es sich bloß zurückgestrichen; die nassen Spitzen berührten seinen Kragen. Zoe atmete abrupt ein – nur um festzustellen, wie berauschend er roch. Es schockierte sie, welch starken Effekt er auf sie hatte.

Sie hatte sich vom ersten Tag an der Polizeiakademie an darin geübt, keine Gefühle zu zeigen. Gute, schlechte, ganz egal. Sie hatte gelernt, stets gelassen und gleichgültig zu bleiben. Doch gerade war sie alles andere als ungerührt. Tatsächlich drängte sie jeder einzelne ihrer Instinkte, sich an ihn zu schmiegen und ihn so besitzergreifend zu küssen, dass kein Zweifel mehr bestand, wie sehr sie ihn wollte. Den Bruchteil einer Sekunde lang erlaubte sie es sich, sich vorzustellen, wo das hinführen könnte. Zwei Körper, schweißglänzend, auf zerknitterten Laken im selben Rhythmus vereint.

Sie blinzelte und zwang sich, sich zusammenzureißen. Das war doch verrückt! Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so intensiv auf einen Mann reagiert hatte.

Er verengte diese faszinierenden Augen, und ihr wurde bewusst, dass bisher keiner von ihnen ein Wort gesagt hatte.

„Miss? Kann ich Ihnen helfen?“ Seine Stimme war tief und kräftig und sexy. Er hätte eine Liste der Verkehrsdelikte vorlesen können, und schon wären ihr die Knie weich geworden.

„Detective“, korrigierte sie und zeigte ihm ihre Dienstmarke. „Zoe Warren, Houston Police Department.“

„Sie sind hier außerhalb Ihres Zuständigkeitsbereichs unterwegs, oder?“ Die Wärme und das pure männliche Interesse, die zuvor seinen Blick erhellt hatten, ließen nach. Stattdessen schaute er nun argwöhnisch.

„Die Grenzen unserer Ermittlungen haben sich ein wenig ausgeweitet“, sagte sie. „Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen, Mr. …“

„Cord Galicia“, antwortete er und streckte die Hand aus.

Zoe überlegte, ob sie seine Hand schütteln sollte. Wenn ihre Reaktion auf sein Aussehen schon so extrem gewesen war, was würde es dann mit ihr anstellen, ihn tatsächlich zu berühren? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden: Sie atmete scharf ein, nahm seine Hand und drückte sie. Ihre Haut kribbelte leicht. Seine Hand war größer als ihre, die Handfläche von Schwielen bedeckt. Er nannte sich also nicht bloß Rancher, er arbeitete wirklich, und das sehr schwer. Ging er alles, was er tat, mit so viel Elan an?

Schnell ließ sie seine Hand wieder los. „Darf ich reinkommen?“ Zu ihrer Überraschung zitterte ihre Stimme nicht. Keine schlechte Leistung, wenn man bedachte, wie aufgewühlt sie war.

Kurz wirkte es so, als wolle er verneinen, doch dann trat er zurück und wies mit der Hand ins Haus. „Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte er, während er sie in einen großen offenen Wohnbereich führte.

„Ein Wasser wäre toll, danke.“

„Setzen Sie sich“, sagte er schroff und verschwand durch eine Tür.

Zoe ließ sich auf ein großes Ledersofa sinken. In einem kleineren Raum wäre das Möbelstück sehr dominant gewesen, aber hier nicht. Zoe sah sich um, betrachtete die Balkendecke und den Ausblick aus den hohen Fenstern, hinaus auf einen gepflasterten Hof.

„Hier, bitte schön.“ Cord Galicia hielt ihr ein großes beschlagenes Glas Wasser hin.

Sie nahm es ihm ab. „Danke.“

„Sie sagten, Sie hätten Fragen.“ Er setzte sich ans andere Ende des Sofas.

„Ja, allerdings. Ihr Nachbar, Jesse Stevens – kennen Sie einander gut?“ Ihren Recherchen zufolge waren die beiden beste Freunde, aber sie wollte sehen, wie Galicia auf ihre Fragen reagierte. Sie behielt ihn genau im Auge – und bemerkte, wie er erstarrte.

„Was wollen Sie von Jesse?“

„Bitte, Mr. Galicia, beantworten Sie die Frage.“

„Er ist mein Nachbar, natürlich kennen wir uns“, sagte Cord widerwillig. „Aber ich wüsste nicht, was er mit irgendwelchen Ermittlungen in Houston zu tun haben könnte.“

„Das ist ja auch mein Job.“ Zoe lächelte grimmig. „Was für ein Mensch ist Mr. Stevens?“

„Was meinen Sie?“

„Ist er aufbrausend? Jemand, der gern einen Groll hegt?“

„Mir gefällt nicht, worauf Sie da hinauswollen. Jesse ist sehr anständig, ein guter Mann. Wenn Sie gegen ihn ermitteln, sind Sie auf der falschen Fährte.“

Zoe entschied sich für eine andere Herangehensweise. „Erinnern Sie sich an Vincent Hamm?“

„Ja, er ist hier in der Gegend aufgewachsen. Das sind wir alle.“

„Standen er und Mr. Stevens sich nah?“

Cord schüttelte den Kopf. „Nein, das würde ich nicht sagen. Jesse kannte ihn, sicher. Aber das taten wir alle. Geht es hierbei etwa um ihn? Um Hamm? Sehen Sie mal, es tat uns allen leid, von seinem Tod zu hören, aber wir werden ihn nicht gerade vermissen. Ehrlich, wir haben uns schon seit Jahren nicht mehr in denselben Kreisen bewegt. Wie ich schon sagte, wenn Sie gegen Jesse ermitteln, haben Sie den Falschen. Er ist der gesetzestreueste und verlässlichste Mensch, den ich kenne.“

„Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Sie da nicht beim Wort nehme. Das sagen nun mal alle, wenn man sie über die Leute befragt, die sie zu kennen glauben.“

2. KAPITEL

„Zu kennen glauben?“ Cord machte sich nicht die Mühe, seinen Ärger zu verbergen. „Da ich den Mann schon den Großteil meines Lebens kenne, kann ich wohl mit Sicherheit sagen, was für ein Mensch Jesse Stevens ist, Ms. Warren.“

„Nennen Sie mich doch Zoe.“

Wollte sie es jetzt etwa auf die nette Tour versuchen? Cord musterte sie genauer. Wäre sie kein Bulle, wäre er nur zu gern auf ihre nette Tour eingegangen. Sie war genau sein Typ. Groß und schlank mit Kurven an den richtigen Stellen. Selbst ihr kurz geschnittenes dunkles Haar war sexy. „Fakt ist, dass ich meinen Freund kenne, Zoe“, sagte er betont. „Und Sie sind eindeutig auf dem Holzweg.“

Sie atmete tief ein, und ihre eng anliegende Bluse spannte sich über der Brust. Oh ja, das waren wirklich verlockende Kurven. Aber sie war tabu, so wie alle Polizisten. Cord ließ den Blick zu dem Bilderrahmen auf dem antiken Sideboard auf der anderen Seite des Raumes schweifen. Britney. Das Bild von ihr am Tag der Abschlussfeier an der Polizeiakademie erinnerte ihn an alles, was er verloren hatte. Ihr Tod vor fast zwei Jahren, bei ihrem ersten richtigen Einsatz, hatte seine Seele zerstört, und es war Jesse gewesen, der ihm in jenen dunklen Zeiten zur Seite gestanden hatte.

Jesse war kein Mensch, der je einen Mord begehen könnte, und Cord würde einfach alles tun, um das Detective Warren zu beweisen. Und sollte er je wieder eine Langzeitbeziehung eingehen, dann sicher nicht mit einer Frau, die eine Marke und eine Waffe trug und ihren Lebensunterhalt damit verdiente, böse Jungs zu jagen. Egal, wie sehr ihn seine Libido auch dazu überreden wollte.

„Manchmal sind wir nicht ganz ehrlich zu den Leuten, die uns am nächsten stehen“, sagte sie in dem offensichtlichen Versuch, ihn zu beschwichtigen. „Können Sie mir vielleicht sagen, wann ich Mr. Stevens zu Hause antreffen kann? Ich habe es eben bei ihm versucht, aber es war niemand da.“

„Er betreibt eine Ranch, es gibt also keinen richtig guten Zeitpunkt. Wir müssen das Tageslicht optimal ausnutzen“, sagte Cord ausweichend. Er wollte ihr nicht mehr Informationen geben als nötig.

„Tja, Sie habe ich aber zu Hause angetroffen, oder? Versuchen Sie, meine Ermittlungen zu behindern, Mr. Galicia, oder sind Sie zu all Ihren Gästen so charmant?“

„Behindern?“ Gereizt sah er sie an. Er wollte ihre Ermittlungen nicht behindern; er war bloß vorsichtig. Das waren zwei sehr unterschiedliche Dinge.

„So nennt man es für gewöhnlich, wenn einem jemand absichtlich Informationen vorenthält.“

Er beobachtete, wie sie das Glas Wasser leerte, und bewunderte dabei die elegante Linie ihres Halses. Dann stellte sie das Glas ab und erhob sich. Sie zog eine Visitenkarte aus der hinteren Hosentasche und hielt sie ihm hin, als er ebenfalls hastig aufstand.

„Rufen Sie mich an, falls Ihnen plötzlich wieder einfallen sollte, wie ich Mr. Stevens am besten erreichen kann“, sagte sie. „Ich bin noch ein paar Tage in Royal.“

„Weiß der Sheriff, dass Sie in der Stadt sind?“

Er konnte ihr ansehen, dass sie sagen wollte, das gehe ihn nichts an. Doch stattdessen nickte sie brüsk. „Natürlich“, sagte sie. „Er unterstützt mich in meinen Ermittlungen.“

Cord nickte. Das ergab Sinn. Der Sheriff und die Hamms kannten sich schon sehr lange. „Vielleicht kann er Ihnen sagen, wie Sie Jesse erreichen können. Wenn er Sie doch so tatkräftig unterstützt.“

Er konnte nicht widerstehen; er musste sie ein wenig aufstacheln. Es gefiel ihm nicht, dass sie hier ohne Ankündigung aufgetaucht war, mit der fixen Idee, Jesse könne etwas mit dem Mord an Vincent zu tun haben. Allein der Gedanke war vollkommen lächerlich. Jesse riss sich regelmäßig ein Bein aus, um anderen zu helfen, und bei Hamm hatte er sich mehr als ein Mal besonders angestrengt. Und dann, das eine Mal, als Jesse wiederum Vincent um einen Gefallen gebeten hatte …

Ging es vielleicht darum? Hatte diese Frau etwas darüber ausgegraben? Über den Gefallen, den Hamm abgelehnt hatte? War das ihr Ermittlungsansatz? Dass Jesse so wütend darüber gewesen war, dass er sich hatte rächen wollen?

„Ich bin sicher, das wird der Sheriff tun“, sagte sie. „Wenn ich das nächste Mal mit ihm spreche, erkundige ich mich auch nach Ihnen.“

„Nach mir? Hey, wenn Sie etwas über mich wissen wollen, fragen Sie ruhig.“ Cord streckte die Arme aus und hob einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. „Ich bin ein offenes Buch.“

Sie zog die Nase kraus. „Danke für das Wasser. Wir werden zweifellos noch einmal miteinander sprechen.“

„Ich freue mich schon darauf.“ Er ließ die Worte so zweideutig klingen, dass Ms. Warren erstarrte und ihm einen strengen Blick zuwarf.

„Wir werden sehen.“

Er führte sie zur Tür und sah ihr nach, als sie auf die Veranda hinaustrat. Sie hatte die Schultern entschlossen gestrafft; sie würde sich sicher nicht von ihm abschrecken lassen. Auf die eine oder andere Art würde sie Jesse ausfindig machen, doch Cord wollte nicht, dass sie das noch heute schaffte.

Jesse hatte schon genug um die Ohren; seine Schwester war heute notoperiert worden. Eigentlich hatte bloß bei einem Routineeingriff ihr entzündeter Blinddarm entfernt werden sollen, aber das verdammte Ding war geplatzt und hatte einen Infekt verursacht. Während die Ärzte sich so gut wie möglich um Janet kümmerten, war Jesse beinahe krank vor Sorge gewesen. Er konnte es nun wirklich nicht gebrauchen, auch noch von einem Detective im Krankenhaus aufgesucht zu werden.

Vielleicht konnte man ja an ihren guten Willen appellieren. Als Ms. Warren gerade die Fahrertür ihres schmutzigen Wagens öffnen wollte, rief Cord ihr nach: „Jesse ist im Krankenhaus. Deswegen ist er nicht zu Hause. Seine Schwester wurde heute operiert. Es gab Komplikationen, deshalb war er den ganzen Tag dort. Jeder mit ein wenig Anstand würde ihn in Ruhe lassen.“

„Wollen Sie mir etwa unterstellen, ich hätte keinen Anstand, Mr. Galicia?“ Sie hob eine Augenbraue.

„Das werden wir wohl noch sehen, oder?“, sagte er herausfordernd. „Geben Sie ihm wenigstens ein paar Tage.“

„Und was schlagen Sie vor, soll ich in der Zwischenzeit tun? Mir die Nägel lackieren?“

Eins musste er ihr lassen: Sie gab nicht nach, nicht mal ein bisschen. Wahrscheinlich hätte er ihr nicht sagen sollen, dass Jesse im Krankenhaus war, aber er hatte gehofft, es würde zumindest ein Funken Mitgefühl in diesen kühlen blauen Augen aufblitzen. „Wir könnten ja etwas trinken oder essen gehen.“

„Bitten Sie mich etwa um ein Date?“

Ihre Ungläubigkeit hätte ihn belustigt, wenn sie nicht so beleidigend gewesen wäre. „Sicher, warum denn nicht?“ Kurz wirkte sie vollkommen sprachlos. Seine Frage war offenbar eine gute Ablenkungstaktik gewesen. Zumindest hatte er sie aus der Bahn geworfen. „Also, was sagen Sie?“, hakte er nach. „Heute Abend, nur ein Drink. Sie können mich alles fragen, was Sie wollen.“

„Ich kann Sie jederzeit alles fragen, was ich will. Ich habe eine Marke, schon vergessen?“

„Was? Haben Sie etwa Angst davor, Zeit mit mir zu verbringen?“

Sie schnaubte. „Ich habe vor gar nichts Angst, Mr. Galicia. Und ganz besonders nicht vor Ihnen. Sicher, wieso nicht? Wann und wo?“

„Warum hole ich Sie nicht ab? Wo übernachten Sie?“

Sie nannte ihm das Motel.

„Wie wäre es mit sieben Uhr?“

„Sieben klingt gut.“

Sie stieg ohne ein weiteres Wort in ihren Wagen, fuhr die Auffahrt hinunter und zurück zur Hauptstraße. Cord sah ihr nach, bis sie außer Sichtweite war, und schloss dann langsam die Haustür. Seine Großmutter würde sagen, dass er vollkommen verrückt geworden war. Nicht mal er selbst verstand so recht, warum er Detective Warren um ein Date gebeten hatte – abgesehen von dem Drang, seinen besten Freund vor ihren Fragen zu beschützen.

Er sah auf die Uhr. Jesse hatte gesagt, er würde im Krankenhaus bleiben, bis die Schwestern ihn rauswarfen. Detective Warren brauchte von hier aus vierzig Minuten zurück in die Stadt, und sie würde sich sicher ein wenig zurechtmachen wollen, so wie Frauen das nun mal taten. Sie hätte also eigentlich keine Zeit mehr, zum Krankenhaus zu fahren und Jesse zu belästigen. Aber nur für den Fall zog Cord das Handy aus der Tasche und schrieb seinem Freund eine Nachricht:

Wie geht’s Janet?

Sie hält sich wacker. Sie reden darüber, später heute Abend den Beatmungsschlauch zu entfernen.

Cord war voller Mitgefühl. Janet war Jesses einzige Familie; es wäre untertrieben gewesen zu sagen, dass er sehr beschützerisch seiner kleinen Schwester gegenüber war. Die unerwartete OP hatte ihn sicher sehr mitgenommen.

Freut mich, dass es ihr besser geht. Übrigens: Eine Polizistin aus Houston ist in der Stadt. Stellt Fragen über Hamm. Ich gehe nachher etwas mit ihr trinken, um sie dir vom Leib zu halten.

Jesse antwortete schnell.

Ha, opferst du dich für mich? Wie lieb von dir. Ist sie hübsch?

Selbstverständlich stellte er gleich die richtigen Fragen.

Ja.

Aber sie ist ein Bulle.

Ja.

Weißt du, was du tust?

Ich halte sie von dir fern, schon vergessen?

Kurz herrschte Funkstille, und Cord fragte sich schon, ob das Gespräch damit beendet war. Doch dann rührte sich sein Handy erneut.

Bist du sicher, dass das alles ist?

Du kennst meine Regeln.

Okay. Stell bloß nichts Dummes an.

Nie im Leben. Liebe Grüße an Janet.

Richte ich aus. Und erzähl mir später, wie dein Date lief.

Das ist kein Date.

Sie ist hübsch. Das ist ein Date.

Cord verdrehte die Augen, ehe er seine Antwort tippte.

Sie ist ein Bulle. Es ist kein Date. Punkt.

Er steckte das Handy in die Tasche und ging ins Schlafzimmer, um sich fertig zu machen. Doch schon, während er ein gutes Paar Jeans und ein eng anliegendes Hemd überzog und sich ein wenig Rasierwasser ins Gesicht klatschte, fragte er sich, warum er sich so viel Mühe gab. Wollte er sie wirklich nur ablenken und von Jesse fernhalten, oder steckte da doch mehr dahinter? Er schnappte sich die Autoschlüssel und ging in die Garage. Es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

3. KAPITEL

Zoe ging in ihrem Motelzimmer auf und ab. Warum zur Hölle hatte sie diesem … was auch immer mit Cord Galicia zugestimmt? Der Mann verströmte pure Pheromone. Und das missfiel ihr sehr. Galicia war viel zu verschlossen gewesen, was Stevens anging, und ihrer Erfahrung nach verbargen nur solche Leute etwas, die tatsächlich etwas zu verbergen hatten. Er mochte gesagt haben, sie könne ihn alles fragen, was sie wollte, aber sie bezweifelte, dass er ihr irgendwelche weiteren Informationen über seinen Nachbarn liefern würde.

Sie warf einen Blick auf die digitale Uhr neben dem Bett. Er sollte jede Minute hier sein. Als hätte sie ihn mit der Kraft ihrer Gedanken heraufbeschworen, klopfte es an der Tür. Sie zwang sich, einmal tief durchzuatmen, ehe sie die Tür entriegelte und öffnete.

Selbst ein paar Stunden später hatte er immer noch denselben Effekt auf sie. Sie war noch nie zuvor einem Mann begegnet, in dessen Gegenwart sie sich so verdammt weiblich fühlte. Sie wollte dieses Gefühl verabscheuen, aber es war alles andere als unangenehm, wie das Blut durch ihre Adern rauschte.

„Guten Abend“, sagte Galicia und verneigte sich überschwänglich. „Eure Kutsche wartet.“

„Gehen wir nicht zu Fuß?“, fragte sie und verschloss sorgfältig die Tür hinter sich.

„Nein, unser Ziel liegt auf der anderen Seite der Stadt.“

Autor

Yvonne Lindsay

Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...

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