Mein spanischer Geliebter

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Georgies Welt steht kopf, nachdem der glutäugige Matt de Capistrano in ihrem Leben aufgetaucht ist. Mit Händen und Füßen wehrt sie sich dagegen, dass der stolze Spanier die Firma ihres Bruders kauft! Ebenso vehement versucht sie, dieses sinnliche Knistern zu ignorieren...


  • Erscheinungstag 11.01.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787684
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Steht es wirklich so schlecht? Und das sagst du mir erst jetzt?“ Georgie wurde bleich vor Schreck, als sie die deprimierte Miene ihres Bruders sah. „Ich hätte dir doch geholfen.“

„Wie denn?“ Robert Millett schüttelte müde den Kopf. „Du hättest nichts für mich tun können, Georgie, niemand hätte das gekonnt. Außerdem bestand noch ein Funken Hoffnung, ehe Sanderson uns den letzten Auftrag vor der Nase wegschnappte. Der Alte hat wirklich alle Register gezogen.“

Georgie runzelte zornig die Stirn, sie hatte Mike Sanderson noch nie getraut. „Mike ist ein Gauner“, sagte sie leise. „Ich wundere mich nur, dass seine Machenschaften ihn ruhig schlafen lassen.“

„Georgie, Georgie.“ Robert nahm seine Schwester in die Arme und drückte sie kurz an sich. „Wir wissen doch beide, dass Mike nicht an meiner Misere schuld ist. Ich musste in den Monaten vor Sandras Tod Prioritäten setzen, und weiß, dass ich richtig gehandelt habe. Ich bedauere nichts. Auch jetzt nicht. Wenn die Firma in Konkurs geht, geht sie in Konkurs.“

„Ach, Robert.“ Das alles war so unfair. Als Robert erfahren hatte, dass seine Frau Sandra an einer tödlichen Blutkrankheit litt, hatte er alles getan, ihr die letzten Tage so angenehm wie möglich zu gestalten und den siebenjährigen Zwillingen, David und Annie, über die Krankheit ihrer Mutter hinwegzuhelfen. Sandra und Robert hatten niemandem gesagt, wie ernst es um Sandra stand – sogar Georgie hatte erst vier Wochen vor Sandras Tod erfahren, dass ihre Schwägerin unheilbar krank war.

Das war jetzt sechs Monate her. Georgie hatte damals, ohne zu zögern, ihren tollen Job bei einer Werbeagentur gekündigt und war nach Hause geeilt, um Robert in den letzten traumatischen Wochen von Sandras Krankheit zur Seite zu stehen.

Sie hatte über diesen Schritt nicht zweimal nachdenken müssen, denn Robert und Sandra hatten sie mit offenen Armen aufgenommen, als sie, ein kleines zehnjähriges Mädchen, verstört durch den Tod ihrer Eltern, Liebe und Zuwendung gebraucht hatte. Jetzt, dreizehn Jahre später, war sie an der Reihe, die Zärtlichkeit und Wärme zurückzugeben, mit der Robert und Sandra sie überschüttet hatten.

„Und das Geschäft mit de Capistrano? Er hat uns doch den Auftrag in Aussicht gestellt, oder? Wir könnten eine fantastische Gewinnspanne erzielen.“ Sandra hatte vor ihrer Krankheit die Büroarbeiten in Roberts Baufirma erledigt. Als sie dazu nicht mehr in der Lage gewesen war, hatten zunächst verschiedene Aushilfen den Betrieb notdürftig am Laufen gehalten, sodass Georgie danach alle Hände voll zu tun gehabt hatte, sich in den Unterlagen zurechtzufinden. Robert war ihr dabei keine große Hilfe gewesen, denn er hatte sich nach dem Begräbnis eine Zeit lang ganz in sich zurückgezogen. Die Anstrengung, Sandra beizustehen und den Kindern Vater und Mutter zugleich zu sein, hatte schließlich doch einen hohen Tribut gefordert.

„De Capistrano?“ Robert fuhr sich müde durchs widerspenstige Haar, und es gab Georgie einen kleinen Stich, als sie die grauen Strähnen darin bemerkte. Nach allem, was Robert durchgemacht hat, ist das kein Wunder, dachte sie bedrückt. Wie David und Annie litt auch sie sehr unter dem Verlust.

„Wir müssten für den Auftrag zusätzliche Leute einstellen und weitere Maschinen anmieten, ich fürchte aber, dass die Leute von der Bank nicht mitspielen werden. Eigentlich wollte ich das De-Capistrano-Projekt mit dem Gewinn aus dem Auftrag finanzieren, der uns jetzt entgangen ist.“

„Aber wir könnten doch wenigstens mit den Leuten von der Bank reden.“ Georgie hob angriffslustig das kleine Kinn, als würde sie bereits den Kampf mit den Herren in Nadelstreifen aufnehmen. „Sie sind schließlich nicht dumm und durchaus in der Lage, das darin enthaltene Potenzial ermessen zu können, oder?“

„Ich habe eigentlich erwartet, dass du mit deinem Engagement für die Grünen einen Auftrag wie diesen entschieden ablehnen würdest“, meinte Robert ruhig. „Tierschutz, Rettet-die-Baumhecken, Greenpeace … dabei hast du doch als Studentin kräftig mitgemischt, oder?“

Georgie kniff die meergrünen, von dichten Wimpern umrahmten Augen zusammen. Robert war sechzehn gewesen, als sie zur Welt gekommen war, nachdem ihre Eltern die Hoffnung auf ein zweites Kind längst aufgegeben hatten. Deshalb hatte er seine Schwester schon immer gern bevormundet, auch vor dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern. Sie war darüber oft empört gewesen, wie Robert die tausendundeins Anliegen abtat, die ihr auf der Seele brannten. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt, eine Grundsatzdiskussion zu führen, sagte sie sich, als sie den besorgten Blick ihres Bruders sah.

„Wenn der Auftrag dich vor dem Bankrott bewahrt, befürworte ich das Projekt“, sagte sie energisch. „Also, wann sprechen wir mit den Leuten von der Bank?“

„Das wäre zwecklos.“ Roberts gewohnte Tatkraft war wie weggeblasen. „De Capistrano besucht mich heute Vormittag und hat sicher kein Interesse daran, mit einer bankrotten Baufirma zusammenzuarbeiten.“

Georgie suchte krampfhaft nach einem Ausweg. „Und wenn du de Capistrano bitten würdest, die Zwischenfinanzierung für die Leute und Maschinen selbst zu übernehmen?“, schlug sie beherzt vor. „Wenn das Projekt läuft, könnten wir ihm den Kredit ziemlich schnell zurückzahlen. Er gilt als Spekulant. Und er ist steinreich.“

„Genau, und das ist er nicht geworden, indem er anderen unter die Arme greift“, sagte Robert zynisch. „De Capistrano ist an schnellen Umsätzen mit enormen Gewinnspannen interessiert. Finde dich damit ab, Georgie. Er wird sich eine andere Baufirma suchen, mit der er das Geschäft ohne Komplikationen abwickeln kann. Schluss – aus.“

Robert reckte und streckte sich und betrachtete den schicksalhaften Brief, der geöffnet vor ihm lag. Aus dem Schreiben ging hervor, dass die Stadt nicht der Firma Millett, sondern der Firma Sanderson den Auftrag für den neuen Freizeitpark erteilt hatte. Den Auftrag, mit dem Robert eigentlich das aufwendige De-Capistrano-Projekt hatte finanzieren wollen.

„Aber Robert …“

„Kein aber.“ Robert hob den Kopf und sah die kämpferische Haltung seiner Schwester. „De Capistrano ist ein Typ wie Sanderson, Georgie. Er kennt die richtigen Tricks und die richtigen Leute. Sieh dir doch das Geschäft an, über das wir heute Vormittag sprechen werden: Er hat das Gelände vor einigen Jahren für ein Butterbrot gekauft. Jetzt, da es als Bauland ausgewiesen wurde, baut er dort eine Yuppie-Wohnanlage. Die Investition wird sich hundertfach auszahlen.“

„Nun ja …“ Georgie rümpfte verächtlich die schmale, gerade Nase, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, unfähig, noch länger mit ihrer Meinung hinter dem Berg zu halten. „Es tut mir leid, aber ich empfinde es als Sakrileg, dieses Stück unberührte Natur zu zerstören. Erinnerst du dich an die seltene Schmetterlingsart, die dort entdeckt wurde, kurz bevor ich zu studieren anfing?“

„Mit Schmetterlingen verdient man kein Geld.“ Robert zuckte gleichmütig die Schultern. „Genauso wenig wie mit Feldblumen, Verständnis für Familien oder Rücksichtnahme. Wenn ich ein bisschen mehr wie die de Capistranos dieser Welt gehandelt hätte, müsste ich jetzt nicht befürchten, dass meine Kinder demnächst ohne Dach über dem Kopf dastehen.“

„So etwas darfst du nicht sagen“, antwortete Georgie heftig mit zornigem Blick. „Du bist der beste Vater, Ehemann und Bruder der Welt. Du hast gerade gesagt, dass du es nicht bereust, zuerst an Sandra gedacht zu haben. Das war das einzig Richtige. Du bist zehnmal, nein hundertmal mehr wert als de Capistrano und …“

„Kennen wir uns?“

Die Geschwister fuhren herum. Bestürzt musterten sie den großen, schlanken Mann, der am Eingang des kleinen Backsteingebäudes stand, das Robert als Büro diente. Seine Stimme hatte eisig geklungen, und auch ohne den leichten Akzent darin wahrzunehmen, hätte Georgie gewusst, dass sie de Capistrano vor sich hatte. Sein untadeliger Designeranzug, sein teures Seidenhemd und die edle Krawatte zeugten von unermesslichem Reichtum. Hinter ihm stand eine schöne, grazile Frau, die ihm an Eleganz nicht nachstand. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war sie ebenso verstimmt wie ihr Begleiter. Ob sie seine Sekretärin ist? überlegte Georgie. Oder war sie womöglich seine Frau?

Dann nahm de Capistrano erneut ihre Aufmerksamkeit gefangen. „Kennen wir uns?“, wiederholte er, und dieses Mal klang seine Stimme so schneidend wie ein rasiermesserscharfes Skalpell.

„Mr de Capistrano?“ Georgie, die sonst eine energische Stimme hatte, versagte diese fast. „Es tut mir leid … ich wusste nicht …“ Sie atmete tief durch, ehe sie beherrschter fortfuhr: „Nein, Mr de Capistrano, wir kennen uns nicht, und meine Unhöflichkeit ist unverzeihlich.“

„In der Tat.“ De Capistranos eisige Miene hellte sich nicht im Geringsten auf.

„Mr de Capistrano.“ Robert durchquerte den Raum und hielt dem Mann die Hand entgegen, „bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Was Sie gerade gehört haben, war keine Kritik an Ihnen, sondern ein Versuch, mir Mut zu machen. Nehmen Sie die Bemerkung nicht persönlich. Ich bin übrigens Robert Millett, und das ist meine Schwester Georgie.“

Nach einer Pause, die Georgie wie eine Ewigkeit erschien, nahm de Capistrano die dargebotene Hand. „Matt de Capistrano, und das ist meine Sekretärin Pepita Vilaseca.“

Während sich die Männer die Hand gaben, reichte Georgie der perfekt zurechtgemachten Frau neben Matt de Capistrano die Hand. Flüchtig und mit kalter Miene erwiderte die große, schlanke Sekretärin den Gruß. Ihr hochmütiger Blick besagte klarer als Worte, dass sie Georgie damit einen unschätzbaren Gefallen erwiesen hatte. Georgie fielen ihre raffiniert geschminkten dunklen Augen auf, die an polierten Onyx erinnerten. Pepita. Der Name rief bei Georgie Assoziationen an ein Abführmittel hervor!

Dann wandte Robert sich der Sekretärin zu, und Georgie konnte Matt de Capistranos unergründlichem Blick nicht mehr ausweichen und ihr wurde bewusst, dass er ein ausnehmend … gut aussehender – nein, nicht gut aussehender, korrigierte Georgie sich – männlicher, ein ausnehmend männlicher Mann war.

Der durchtrainierte, muskulöse Körper, das tiefschwarze Haar, die markante Erscheinung …

„Machen Sie Ihrem Bruder öfter Mut, indem Sie Ihnen völlig unbekannte Leute heruntermachen, Miss Millett?“, fragte Matt de Capistrano kühl und riss Georgie aus den Gedanken. Errötend bemerkte sie, dass sie ihn unverhohlen gemustert hatte.

Hilfe, dachte sie und atmete tief durch, holt mich denn keiner hier heraus? Matt de Capistrano reichte ihr die Hand, und Georgie zwang sich, sie zu ergreifen. Er umschloss ihre vor Aufregung kalten Finger mit festem Griff, und Georgie spürte, wie eine seltsame Wärme sie durchflutete. „Aber nein. Nein, natürlich nicht“, stieß sie atemlos hervor.

„Warum dann heute? Und warum haben Sie ausgerechnet mich zu Ihrem Opfer auserkoren?“

„Ich … Sie sollten das nicht hören“, sagte Georgie schnell und merkte sogleich, wie dumm ihre Erklärung klang.

„Das habe ich mir schon gedacht“, erwiderte er sarkastisch.

Wie konnte ich nur so unverzeihlich indiskret sein? fragte sich Georgie angesichts von Matt de Capistrano, der wie ein Racheengel vor ihr stand. „Ich habe mir nichts dabei gedacht“, erwiderte sie schwach. „Wie Robert schon sagte, war meine Bemerkung nicht persönlich gemeint.“

„Umso schlimmer, Miss Millett.“ Seine Stimme klang scharf. „Wenn jemand die Frechheit besitzt, mich zu beleidigen, erwarte ich, dass er – oder sie – einen guten Grund dafür hat.“

Ich kann Ihnen bestimmt ein halbes Dutzend Gründe nennen, dachte Georgie aufsässig, sagte dann aber laut: „Ich kann mich nur noch einmal entschuldigen, Mr de Capistrano.“

„Sie arbeiten hier?“

Georgie dachte krampfhaft nach. Wenn sie das bejahte, musste Robert möglicherweise endgültig die schwache Hoffnung begraben, Matt de Capistrano für eine Zwischenfinanzierung zu gewinnen. Wenn sie es dagegen verneinte und das Geschäft zustande kam, würde Matt de Capistrano in Kürze wissen, dass sie nicht die Wahrheit gesagt hatte.

„Vorübergehend“, antwortete sie zögernd.

„Vorübergehend. Heißt das, Sie werden in nächster Zukunft hier tätig sein, Miss Millett?“

Ohne Ihren Auftrag wird es keine Zukunft geben, dachte Georgie. Der Gedanke an Roberts Probleme gab ihr die Kraft, Matts eisigem Blick zu begegnen und geradeheraus zu sagen: „Nicht, wenn Sie mein Bleiben nach diesem Vorfall für unangebracht halten, Mr de Capistrano.“

Er zuckte fast unmerklich zusammen, aber Georgie sah, dass ihn ihre Antwort überraschte. Unvermittelt wandte er den durchdringenden Blick von ihrem glühenden Gesicht ab und drehte sich zu Robert um. „Ich bin hier, um mit Ihnen über eine etwaige Zusammenarbeit zu sprechen, Mr Millett, und bin überaus beschäftigt“, sagte er kalt. „Haben Sie die Informationen vorbereitet, die meine Sekretärin angefordert hat?“

Robert schluckte. „Selbstverständlich, Mr de Capistrano, aber …“

„Dann lassen Sie uns gleich zur Sache kommen. Wir haben schon viel zu viel wertvolle Zeit vertan“, unterbrach ihn Matt de Capistrano schroff.

Was für ein arroganter, ignoranter, impertinenter, anmaßender …! Georgie hätte mühelos weitere Adjektive gefunden, wenn de Capistrano sie nicht erneut ins Visier genommen hätte. „Sie haben doch nichts dagegen einzuwenden, Miss Millett?“, fragte er leise, und ihm war anzusehen, dass er genau wusste, was in ihr vorging. „Ich nehme an, Sie treten vorübergehend … als Sekretärin Ihres Bruders auf?“

Die Frage klang beleidigend, ohne dass Georgie hätte genau sagen können, warum. „Ja“, erwiderte sie kurz angebunden.

„Wie … angenehm“, sagte er langsam.

„Angenehm?“ Georgie war auf der Hut.

„Wenn einen ein Job wie dieser erwartet und man sich nicht in der großen, feindlichen Welt behaupten und beweisen muss“, lautete die schockierende Antwort.

Wie konnte er es wagen? Wie konnte er sich zu einer derartigen Unterstellung versteigen, nur weil sie ihm, dem mächtigen und reichen Tycoon, ein wenig zu nahe getreten war? Seine letzte Bemerkung war gemein und verletzend. Georgie fuhr hoch wie eine kleine Tigerin und schlug alle Vorsätze in den Wind. „Zufällig bin ich eine sehr gute Sekretärin, Mr de Capistrano“, stieß sie hervor. Sie hatte sich in sämtlichen Semesterferien als Aushilfe abgerackert, um Robert möglichst wenig auf der Tasche zu liegen.

„Tatsächlich? Haben Sie eine Sekretärinnenschule besucht?“

„Nein.“ Zorn blitzte aus ihren Augen.

„Meine Schwester hat vor zwei Jahren ihr Kunst- und Designstudium mit einem Einserdiplom abgeschlossen“, mischte sich Robert erklärend ein.

„Und warum arbeiten Sie dann für Ihren großen Bruder?“, wandte sich Matt an Georgie. „Sind Sie nicht ehrgeizig genug? Oder was?“

Georgie traute ihren Ohren nicht. „Hören Sie, Sie …“

Robert mischte sich erneut ein. Seine Miene war ernst, und seine Stimme klang rau, als er sagte: „Georgie hat vor Kurzem einen fantastischen Job in der Werbebranche gekündigt, Mr de Capistrano – einen Job, um den sich Dutzende von Bewerbern gerissen hatten. Sie arbeitet nur mir zuliebe als Sekretärin und keinesfalls, um sich ins gemachte Nest zu setzen, falls Sie das vermuten. Früher hat sich meine Frau um das Büro gekümmert, aber …“

„Du schuldest ihm keine Erklärung.“ Georgie war so außer sich, dass es ihr inzwischen egal war, ob sie den Auftrag bekamen oder nicht.

„… aber sie starb vor sechs Monaten.“ Robert ließ sich nicht beirren.

Eine bedrückende Stille breitete sich aus, und Georgie ging zu Robert und legte ihm eine Hand auf den Arm. Sie sah, dass Pepita Vilaseca Matt de Capistrano ebenfalls begütigend berührte, und schloss daraus, dass zwischen den beiden eine gewisse Vertrautheit bestand, wenn nicht mehr.

„Ich weiß nicht, ob eine Entschuldigung meine Taktlosigkeit auch nur ansatzweise wiedergutmachen kann, Mr Millett, aber ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir verzeihen würden“, sagte der große dunkelhaarige Mann vor ihnen leise. „Ihre Lebensumstände waren mir nicht bekannt.“

„Wie sollten Sie diese auch kennen.“ Roberts Stimme klang resigniert. Er hatte das Gefühl, dass Matt darauf brannte, ihm und seiner Baufirma möglichst schnell – und für immer – den Rücken zu kehren.

„Mag sein, trotzdem war es unverzeihlich.“

„Schon gut“, wehrte Robert ab. „Aber leider sehe ich mich vor eine neue Situation gestellt. Wir haben in den Morgenstunden einen wichtigen Auftrag verloren, einen Auftrag, mit dem ich die zusätzlichen Leute und die Maschinenmieten für Ihr Projekt finanzieren wollte, Mr de Capistrano.“

„Heißt das, Ihr Kostenvoranschlag ist hinfällig?“ De Capistranos tiefe Stimme klang geschäftsmäßig, und Georgie – die neben den beiden Männern stand – hatte das unangenehme Gefühl, für beide Männer plötzlich Luft geworden zu sein.

„Das nicht gerade“, antwortete Robert vorsichtig. „Ich kann den Auftrag nach wie vor zum angebotenen Preis ausführen, wenn meine Bank mitzieht, aber …“

„… das wird sie nicht tun“, beendete Matt de Capistrano den Satz für ihn. „Heißt das, Ihr Betrieb steckt in finanziellen Schwierigkeiten, Mr Millett?“

„Ich bin so gut wie bankrott.“

Georgie schrie leise auf, und als die beiden Männer ihr den Kopf zuwandten, sagte sie schnell, ohne nachzudenken: „Weil er sich ganz seiner Frau und den Kindern gewidmet hat, als sie ihn brauchten, Mr de Capistrano, nicht, weil er kein guter Bauunternehmer ist. Robert ist in seinem Beruf einfach fantastisch und der beste Mann, den Sie bekommen können, und im Gegensatz zu vielen anderen liefert er nie schlechte Qualität. Sie können sich jedes seiner bisherigen Projekte ansehen …“

„Georgie, bitte.“ Robert war vor Verlegenheit ganz rot geworden. „Das ist eine Sache zwischen mir und Mr de Capistrano.“

„Aber du bist ein guter Bauunternehmer.“ Georgie drehte sich verzweifelt zu Robert um. „Und das weißt du auch, du sagst es nur nicht …“

„Georgie.“ Roberts Ton duldete keinen weiteren Widerspruch.

„Ich glaube, Sie warten besser in Ihrem Büro, Miss Millett“, schlug Matt de Capistrano kühl vor und wies mit dem Kopf zu der halb geöffneten Tür, die zu dem winzigen Sekretariat führte.

Georgie wäre der Aufforderung am liebsten nicht gefolgt, aber etwas in Roberts Blick zwang sie, wortlos nachzugeben. Sie zog die Verbindungstür zu Roberts Büro hinter sich zu und setzte sich an ihren Schreibtisch, auf dem sich die Büroarbeit türmte. Von nebenan drang leises Stimmengemurmel zu ihr, aber das Gespräch selbst war nicht zu verstehen. Je mehr Zeit verstrich, desto größer wurde Georgies Anspannung.

Wie lange dauert es, einen Vertrag zu zerreißen und Auf Wiedersehen zu sagen? dachte sie gequält. Ließ Matt de Capistrano etwa Robert für ihre Frechheit büßen? Die kurze Begegnung in Roberts Büro hatte ihr deutlich gezeigt, dass Matt de Capistrano abfällige Äußerungen über seine Person nicht gewohnt war, und ein Mann wie er nahm eine Beleidigung nicht einfach so hin. Georgie stöhnte leise. Sie und ihr loses Mundwerk.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und als Georgie erschrocken aufsah, stand Matt de Capistrano vor ihr und sah sie abschätzig an. „Träumen Sie, Miss Millett?“

Sein Ton klang nicht unfreundlich, sondern neckend und ein wenig amüsiert. Aber im Gegensatz zu Robert und Pepita konnte Georgie Matts Gesicht sehen und wusste, dass er nicht scherzte. „Natürlich. Aushilfssekretärinnen haben ja sonst nichts zu tun“, antwortete sie honigsüß.

Matt lächelte und kam zu ihr an den Schreibtisch. „Ich werde einige Erkundigungen einholen und Ihren Bruder später am Abend aus Schottland anrufen. Der Anruf ist sehr wichtig. Würden Sie die Leitung um diese Zeit bitte freihalten?“

„Selbstverständlich.“ Georgie wusste genau, was er andeuten wollte. „Ich werde meine Freunde, meine Friseurin und meine Kosmetikerin bitten, nicht um diese Zeit anzurufen“, erwiderte sie sarkastisch.

Matt de Capistrano presste die Lippen zusammen, an einen solchen Umgangston war er offensichtlich nicht gewöhnt. „Umso besser.“ Seine Züge wirkten plötzlich wie versteinert. „Mein Terminkalender ist voll, für mich zählt jede Minute.“

„Selbstverständlich, Mr de Capistrano.“

Er musterte sie noch einmal, dann stürmte er an ihr vorbei, die Sekretärin und Robert im Gefolge. Als die Tür hinter ihnen zufiel, sank Georgie auf ihren Stuhl zurück und seufzte erleichtert. Ein schrecklicher Mann!

Von draußen drangen Stimmen zu ihr, und Georgie stand auf, um vorsichtig durch die Jalousien ins Freie zu spähen.

Matt de Capistrano und seine Sekretärin stiegen gerade in einen silbergrauen Mercedes ein, dessen Fahrer ihnen die Türen aufhielt. Selbst aus der Ferne betrachtet wirkte de Capistrano beeindruckend. Natürlich nicht auf mich, redete Georgie sich schnell ein, aber seine männliche Ausstrahlung war unbestreitbar. Er hatte etwas Dämonisches an sich, etwas Machtvolles und … Georgie suchte nach dem richtigen Wort: etwas Bezwingendes, und mit etwas Glück würde sie ihn nie wiedersehen.

Plötzlich wurde Georgie sich der Tragweite ihres Gedankens bewusst. Roberts Geschäft, seine Existenz, einfach alles hing davon ab, dass Matt de Capistrano diesen Auftrag an ihn vergab. Wie hatte sie auch nur eine Sekunde lang etwas anderes wünschen können? Puh …! Matt de Capistrano hatte sie völlig durcheinandergebracht!

In diesem Moment öffnete Robert lächelnd die Tür: „Georgie! Vielleicht sind wir mit etwas Glück doch wieder im Geschäft.“

„Wirklich?“ Der hoffnungsvolle Gesichtsausdruck ihres Bruders rührte Georgie so sehr, dass sie ihre Abneigung gegen Matt de Capistrano vergaß. „Wird er uns helfen?“

„Vielleicht.“ Robert versuchte, nicht allzu optimistisch zu klingen. Aber er konnte seine Erleichterung nicht verbergen, als er sagte: „Er hat es nicht rundheraus abgelehnt. Alles hängt von dem Anruf ab, dann wissen wir Bescheid. De Capistrano wird Nachforschungen anstellen. Das war ja auch zu erwarten. Ich an seiner Stelle würde das Gleiche tun.“

„Nachforschungen?“ Georgie zog die fein geschwungenen Brauen hoch. „Wo?“

„Wo er will“, sagte Robert trocken. „Ich habe ihm verschiedene Namen und Telefonnummern genannt – von meiner Bank, meinem Steuerberater und von Firmen, mit denen wir kürzlich zusammengearbeitet haben, und so weiter. Ich werde die Leute bitten, ihm alle gewünschten Informationen zu geben. Das ist meine letzte Hoffnung, Georgie. Wenn de Capistrano Erkundigungen über mich einholen will, muss ich das akzeptieren.“

„Ach Robert.“ Georgie wollte nicht, dass er alles verlor, nur warum musste ausgerechnet Matt de Capistrano sein Retter sein? Erst in diesem Augenblick wurde ihr das ganze Ausmaß ihrer Abneigung gegen Matt bewusst. Sie kannte ihn nicht, hatte kaum mehr als ein paar Worte mit ihm gewechselt, und trotzdem verabscheute sie ihn wie noch niemanden zuvor. Nun gut, fast niemanden. Ihre Gedanken schweiften kurz zu Glen …

„Du musst mir die Daumen drücken“, sagte Robert nervös. „Wenn de Capistrano Nein sagt, sind wir am Ende, Georgie. Wegen der Hypotheken auf dem Haus hätten die Kinder dann nicht einmal mehr ein Dach über dem Kopf.“

„Hätten sie wohl“, widersprach Georgie. „Dafür werden wir sorgen. Wir vier halten zusammen.“ Aber eine schäbige kleine Wohnung würde nicht mit der schönen Doppelhaushälfte, dem großen Garten und dem Baumhaus, das Robert vor einigen Jahren für die Kinder gebaut hatte, vergleichbar sein.

„Mag sein“, sagte Robert mutlos. Als Georgie ihm einen strengen Blick zuwarf, lenkte er ein: „Bestimmt! Aber hoffen wir, dass die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen werden. Würdest du mich jetzt bitte als Erstes mit meinem Banker verbinden? Ich muss ihn vorwarnen, dass de Capistranos Leute Erkundigungen über mich einholen werden. Ich möchte nicht, dass ihm noch jemand auf die Zehen tritt.“

Georgie blickte Robert schuldbewusst an, stellte dann aber erleichtert fest, dass er lächelte. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. „Ich konnte nicht ahnen, dass er mich hören würde. Als ich ihn entdeckte, wäre ich fast gestorben.“

„Ich auch.“ Robert schüttelte den Kopf. „Ich hatte vergessen, dass es mit dir nie langweilig wird, Schwesterchen.“

Autor

Helen Brooks

Bereits seit über 20 Jahren veröffentlicht die britische Autorin unter dem Pseudonym Helen Brooks Liebesromane, unter ihrem richtigen Namen Rita Bradshaw schreibt sie seit 1998 historische Romane. Weit über 40 Bücher sowie einige andere Werke sind bisher unter dem Namen Helen Brooks erschienen, von Rita Bradshaw gibt es 14 Romane....

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