Milliardär meiner Träume 2 - 5 romantische Liebesromane

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DIE UNSCHULD DER ROSE

Es gibt nur einen, der Grace Thackers junges Unternehmen jetzt noch retten kann: der attraktive Milliardär Rafael Cordeiro. Als sie ihn auf seinem Luxusanwesen in Brasilien besucht, macht er ihr ein Angebot - ebenso unverschämt wie gefährlich prickelnd: Rafael erklärt sich bereit, sie zu unterstützen - allerdings nur, wenn sie bei ihm bleibt und seine Geliebte wird -

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  • Erscheinungstag 11.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783955769949
  • Seitenanzahl 800
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sarah Morgan, Chantelle Shaw, Diana Hamilton, Trish Morey, Annie West

Milliardär meiner Träume 2 - 5 romantische Liebesromane

Sarah Morgan

Die Unschuld der Rose

1. KAPITEL

Was um alles in der Welt mache ich hier eigentlich?

Der Hubschrauber flog so niedrig über die Bäume hinweg, dass Grace ein flaues Gefühl im Magen verspürte.

Unter ihr erstreckte sich tropischer Regenwald. Die Pflanzen bildeten einen dichten grünen Schirm, der die exotischen Geheimnisse des Waldbodens verbarg. Zu jeder anderen Zeit wäre sie von der wilden atemberaubenden Schönheit der Natur fasziniert gewesen. Aber im Moment war Grace viel zu angespannt, als dass sie an etwas anderes als das vor ihr liegende Meeting denken konnte. Und an den Mann.

Warum trug sie überhaupt dieses viel zu warme und kratzige Kostüm? Schließlich lieferte sie sich in Brasilien der Gnade eines Mannes aus, dem nicht einmal die Bedeutung dieses Wortes klar war: Gnade.

Rafael Cordeiro.

Brillant und gefährlich. Ihr fielen viele Adjektive ein. Aber keines hatte einen beruhigenden Klang. Cordeiro war unfassbar reich und verfügte über mehr Macht und Einfluss als Könige oder Präsidenten. Mit Zahlen konnte er so gut umgehen, dass die Wirtschaftszeitungen ihn als wandelnden Computer bezeichneten. Was in Anbetracht meiner fast allergischen Reaktion auf Technik nichts Gutes verheißt, dachte Grace trübsinnig, während sie sich an ihrem Sitz festklammerte.

Unter ihnen entdeckte sie nun weniger Bäume, sie gaben den Blick frei auf einen tosenden, weiß aufschäumenden Fluss. „Er besitzt Grundstücke auf der ganzen Welt“, wandte sie sich auf der Suche nach Antworten an den Piloten. „Warum lebt er ausgerechnet hier?“

„Weil die Welt ihn nicht in Ruhe lässt. Er schätzt seine Privatsphäre.“

Das passte zu dem, was sie bisher über ihn gehört hatte. Obwohl er nie Interviews gab, herrschte an Informationen über ihn kein Mangel. „Ist er ein Einzelgänger?“

„Nun, ich würde ihn nicht gerade als weich und romantisch bezeichnen, falls Sie das meinen. Allerdings scheinen Frauen sich von bösen Jungs wie magisch angezogen zu fühlen.“ Der Pilot drückte auf einen Schalter und warf ihr einen Seitenblick zu. „Sie entsprechen nicht seinem üblichen Geschmack.“

Seinem üblichen Geschmack?

Bei der Vorstellung, dass man sie tatsächlich mit der Gespielin eines Milliardärs verwechseln könnte, hätte Grace beinahe gelacht. „Ich habe einen geschäftlichen Termin mit Mr. Cordeiro. Er hat das Startkapital für meine Firma zur Verfügung gestellt.“ Und dieses Kapital hatte ihr Leben verändert. „Er ist das, was man als Business Angel bezeichnet, ein wahrer Engel für Unternehmensgründer. Aber Sie arbeiten für ihn, wahrscheinlich wissen Sie das alles.“

„Engel?“ Der Pilot lachte so heftig, dass er den Helikopter gefährlich nah an den Baumwipfeln schwenken ließ. „Rafael Cordeiro … ein Engel?“

„Das sagt man nur so. Es bedeutet, dass er in kleine Unternehmen investiert, die ihn persönlich interessieren.“ Und ihre Firma hatte sein Interesse geweckt. Bis vor Kurzem. Plötzlich kehrte das flaue Gefühl in Grace’ Magen zurück.

Der Pilot lachte immer noch. „Engel. Eines kann ich Ihnen versichern, dieser Mann ist kein Engel.“

Fest entschlossen, sich keine Angst einjagen zu lassen, straffte Grace die Schultern. „Ich glaube nicht alles, was in der Zeitung steht. Ich bin sicher, Mr. Cordeiro ist ein vernünftiger Mann.“

„Dann haben Sie ihn noch nie getroffen. So, wir gehen runter.“

„Gehen runter?“ Grace sah den Piloten erschrocken an. Unter ihnen befand sich nichts als Bäume. Augenblicklich waren ihre Sorgen wegen Rafael Cordeiro verschwunden. „Landen wir – oder stürzen wir ab?“

Der Pilot gab keine Antwort. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, während er sich auf die Fluginstrumente konzentrierte. Einen Moment sah es so aus, als würden sie direkt in die Bäume stürzen. Erst im allerletzten Augenblick tauchte eine kleine Landeplattform wie aus dem Nichts unter ihnen auf.

„Also kein Absturz.“ Grace lächelte unsicher und stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte. „Ich habe mich schon fast auf ein Inferno eingestellt.“

„Bei Ihrem Treffen mit Cordeiro wird es eins geben.“ Der Pilot drückte auf einen Schalter. „Ich habe Männer nach nur fünf Minuten mit ihm weinen gesehen. Willkommen im brasilianischen Regenwald, Miss Thacker. Eines der am meisten gefährdeten Ökosysteme der Welt.“

„Sie kommen nicht mit? Sie lassen mich hier alleine? Mitten im Dschungel?“ Sie wandte den Kopf und schaute aus dem Fenster. Erst jetzt sah sie das Haus. Ein Gebäude, das ausschließlich aus Glas und verwittertem Holz zu bestehen schien. Es verschmolz geradezu mit seiner Umgebung. Fast konnte man glauben, das Haus wäre zwischen den Bäumen aus dem Erdreich gewachsen.

„Oh.“ Grace betrachtete die schmalen Brückenpfade, die hoch über dem Dschungelboden angebracht worden waren. „Das ist fantastisch. Überwältigend.“

Der Pilot lachte leise. „Rafael Cordeiro … ein Engel“, sagte er mehr zu sich. Immer noch kichernd, wischte er sich mit einer Hand kleine Schweißtröpfchen von der Stirn. „Wenn Sie aussteigen, ziehen Sie den Kopf ein, bis Sie unter den Rotorblättern hindurch sind. Ich fliege zurück nach Rio, um ein Paket abzuholen, dann weiter nach São Paulo.“

Wie festgeklebt blieb Grace sitzen, als wollte sie ihre letzte Verbindung zur Zivilisation nicht so einfach aufgeben. „Sie warten nicht auf mich? Er hat gesagt, er könne mir nur zehn Minuten geben.“

„Falls Sie nach Ihrem Treffen noch leben, komme ich zurück und sammle die Reste ein. Nehmen Sie den linken Pfad. Und ganz egal, was Sie tun, verlassen Sie nie die Wege. Dies hier ist der Dschungel, kein Themenpark. Geben Sie auf die wilden Tiere acht.“

„Wilde Tiere?“ Misstrauisch betrachtete sie das undurchdringliche Dickicht, das sie umgab. Einige Teile lagen völlig im Schatten. An anderen Stellen drangen vereinzelt Sonnenstrahlen durch das dichte Blätterdach. Bildete sie es sich nur ein, oder bewegte sich der Waldboden? „Meinen Sie Insekten?“

Er grinste. „Nach der letzten Schätzung leben hier über zweitausend verschiedene Arten. Und das sind nur die, die man bereits gefunden hat.“

Grace versuchte, nicht an all die kleinen Beinchen zu denken, die garantiert gleich auf sie zukrabbelten. Sie strich ihren Rock glatt und wünschte, sie hätte eine Hose angezogen. „Und Schlangen?“

„Oh ja, hier leben auch Schlangen …“ Sein Grinsen wurde breiter, als er ihre unpassenden Schuhe ansah, „… und dann sind da noch die riesigen Ameisenbären, die Jaguare und die …“

„Okay, ich glaube, ich habe genug gehört“, unterbrach sie ihn atemlos. Noch fünf Sekunden und ich klammere mich an ihn und flehe ihn an, mich nach Hause zu fliegen. „Ich bin sicher, Mr. Cordeiro würde nicht hier leben, wenn es so gefährlich wäre.“

Der Pilot warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. „Sie kennen ihn wirklich nicht! Er lebt hier, weil es gefährlich ist, Süße. Er langweilt sich schnell. Ihm gefällt das Leben am Rande des Abgrunds.“

Süße? Die unbekümmerte Art, mit der er sie als nichts klassifizierte, ließ Grace die Anspannung vergessen. Ihr ganzes Leben lang war sie bevormundet und unterschätzt worden. Immer hatte jemand an ihr gezweifelt oder sie nicht ernst genommen. Sie hatte dagegen angekämpft und Erfolg gehabt.

Bis jetzt.

Jetzt lief sie Gefahr, alles zu verlieren, wofür sie gearbeitet hatte.

Und das würde sie nicht zulassen.

Ihr stand der vielleicht wichtigste Kampf ihres Lebens bevor, und sie würde ihn gewinnen. Sie musste gewinnen. Aber dazu musste sie vergessen, dass sie einem brasilianischen Milliardär, dem wandelnden Computer, in einer Diskussion über Zahlen denkbar unterlegen war. Grace musste alles vergessen, außer den Konsequenzen. Wenn sie sich geschlagen gab, verloren viele Menschen ihren Job. So einfach war das.

Wenn Rafael Cordeiro sein Geld zurückverlangte, war alles vorbei.

Die schwüle drückende Hitze umschloss sie wie ein dicker Mantel. Grace strich sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und stolperte hastig aus dem Hubschrauber. Ihre Beine zitterten. In diesem Moment hätte sie nicht zu sagen vermocht, wovor sie sich mehr fürchtete, vor dem Dschungel oder Rafael Cordeiro.

In einer Welt, in der Status und Image alles bedeuteten, brachte Cordeiro beidem nur Verachtung entgegen. Er verweigerte sich jedem Gespräch über sich selbst. Und das konnte er sich leisten, denn diese Aufgabe übernahmen andere für ihn. Die Zeitungen waren voll von Interviews mit kurvenreichen Blondinen, die gegen die richtige Summe die so genannte ganze Wahrheit erzählten. Deshalb wusste die ganze Welt von Cordeiros beharrlicher Geldgier, seinen Talenten als Liebhaber und seinem Unwillen, an ein Happy End zu glauben.

Einmal. Einmal war er der Hoffnung verfallen. Die Medien berichteten damals länger über den Auszug seiner glamourösen Gattin, als die Ehe gehalten hatte: drei Monate.

Es war unmöglich, mit ihm zusammenzuleben.

Die Beziehung hatte er per E-Mail beendet.

Er war nur daran interessiert, Geld zu verdienen. Und noch mehr Geld.

Die Spekulationen rissen nicht ab. Und wenn man auch nur einem Bruchteil davon Glauben schenkte, unterschied Rafael Cordeiro sich wenig von einer kühl kalkulierenden Maschine. Ohne ihn zu kennen, wusste Grace, dass dieser Mann das Schlimmste in ihr zum Vorschein bringen würde.

Ich werde ihn einfach nicht ansehen, versprach sie sich. Dann würde sie weder verstummen noch anfangen zu stottern. Sie könnte so tun, als wäre sie in ihrem kleinen Wohnzimmer zu Hause und spräche mit dem Spiegel. Das machte sie immer, wenn sie sich auf wichtige Präsentationen vorbereitete.

Wieder strömte das flaue Gefühl in ihren Magen. Doch dieses Mal hatte es nichts mit dem Hubschrauberflug zu tun, sondern mit ihrer Vergangenheit. In Momenten wie diesen überrollten die Erinnerungen sie wie gigantische Wellen.

Es gibt keinen rationalen Grund, vor Rafael Cordeiro Angst zu haben, versicherte Grace sich, strich noch einmal den geraden Rock glatt und betrat den Pfad.

Sein Privatleben ging sie nichts an. Ganz gleich, welche Dunkelheit diesen Mann umgab, er war ein Geschäftsmann, genau wie ihr Vater. Wenn sie ihm ihre Pläne zeigte, die Firma aus den roten Zahlen zu führen, würde Cordeiro positiv reagieren. Er würde seine Meinung ändern und den Kredit nicht zurückverlangen. Die Jobs der Angestellten wären gerettet. Grace könnte nach Hause fliegen und Jaguare, Schlangen und einen brasilianischen Milliardär in seinem Dschungelversteck hinter sich lassen.

In der tropischen Hitze klebte ihr das Kostüm am Körper. Plötzlich wurde Grace bewusst, wie wenig sie darauf vorbereitet war, diesen Mann zu treffen. Selbst in dieser Kleidung fühlte sie sich nicht wohl. Grace blieb stehen, um den dünnen Absatz ihrer Schuhe zu befreien, der zwischen zwei Holzplanken klemmte. Die Aktentasche fest gegen die Brust gedrückt, wünschte sie, sie hätte sich während des Fluges noch einmal die Zahlen angesehen.

Aber was für einen Unterschied hätte das gemacht? Mithilfe ihres Vaters hatte sie alle Fakten auswendig gelernt. In den Unterlagen gab es nichts, was sich nicht auch in ihrem Gedächtnis befand.

Nachdem sie den Absatz aus dem Spalt gezerrt hatte, richtete sie sich auf.

Und sah ihn.

Er wartete am Hauseingang, ebenso geheimnisvoll und gefährlich wie alles, was in diesem Dschungel umherstreifen mochte. Bewegungslos stand er da, nur seine Augen blickten wachsam.

Er beobachtete sie.

Die überwältigende körperliche Präsenz dieses Mannes traf sie völlig unerwartet. Grace stockte der Atem. Der Helikopter, der Regenwald und all ihre Probleme wichen in den Hintergrund zurück. Seine Gegenwart war alles, was sie noch wahrnahm.

Die Präzision seines Blicks glich einer tödlichen Waffe. Grace konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Einen Augenblick lang wusste sie nicht mehr, wer sie war. Sie erinnerte sich nicht mehr, warum sie hier war. Ihr Körper fühlte sich seltsam träge an, und Hitze, zähflüssig wie Sirup, breitete sich in ihren Gliedern aus.

„Miss Thacker?“ Die schneidende Schärfe in seiner tiefen maskulinen Stimme riss sie aus der träumerischen Benommenheit. Innerlich gab Grace sich einen Ruck. Hoffentlich hatte er ihre peinliche Reaktion nicht bemerkt.

So viel zu ihrem Plan, ihn nicht anzusehen. Mit einem letzten Blick in seine tief liegenden zynischen Augen erkannte sie, dass in seiner kühlen Musterung weit Bedrohlicheres lag, als alle Raubtiere des Dschungels zusammen aufbieten konnten. Zumindest in einer Hinsicht hatte der Pilot die Wahrheit gesagt: Dieser Mann war kein Engel.

Sie zwang ihre Beine, sich zu bewegen, und ging auf ihn zu. Die Aktentasche in der einen, suchte sie mit der anderen Hand die Sicherheit des Geländers.

Auch ohne Milliardenbeträge auf seinem Konto hätte Rafael Cordeiro auf Frauen anziehend gewirkt. Sein Haar glänzte blauschwarz und war nach hinten gekämmt. Seine Gesichtszüge waren ebenso hart wie attraktiv, die Haut schimmerte in einem warmen Bronzeton.

Angestrengt suchte Grace nach einer Reaktion auf ihre Ankunft, aber er enthüllte nichts. Sein Mund verzog sich nicht zu einem Lächeln. In seinen Augen, dunkel und nachdenklich, zeigte sich keinerlei Anzeichen eines Willkommens. Am liebsten wäre sie den Weg zurückgerannt und in den abhebenden Helikopter gesprungen.

Hätte sie es nicht besser gewusst, sie hätte gemeint, er sei verärgert. Aber das war ja unmöglich. Schließlich waren sie einander noch nie begegnet. Seine Feindseligkeit war nur ein Spiegel seiner Persönlichkeit.

Er musste sie auch nicht mögen. Er musste nur ihrer Bitte zustimmen, sein Kapital nicht abzuziehen.

Mit diesen Gedanken überwand sie die letzten Meter, bis sie unmittelbar vor ihm stand. „Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr. Cordeiro.“

Sein Mund wurde schmal, Ungeduld funkelte in seinen Augen. „Das ist hier kein Kaffeeklatsch und kein Kindergeburtstag, Miss Thacker. Weder erwarte ich, noch lege ich Wert auf Höflichkeit. Ich mache keinen Small Talk und beteilige mich nicht am Austausch von Freundlichkeiten. Mich kümmert weder das Wetter noch der Verlauf ihrer Reise.“

Auch Ihnen einen guten Tag, dachte sie ironisch und bemühte sich, das wachsende Entsetzen zu verbergen.

In diese tödlich dunklen Augen zu blicken weckte in ihr den Wunsch zu fliehen. Doch der Hubschrauber schwebte bereits über ihnen. Und der eigentliche Grund für ihren Besuch befand sich immer noch sicher in ihrer Aktentasche verwahrt. Grace konnte nicht weglaufen. Sie hatte einen Job zu erledigen. Menschen verließen sich auf sie.

„Ich kann in Zahlen und Fakten sprechen“, sagte sie rasch. „Alle notwendigen Unterlagen befinden sich in meiner Tasche.“

„Ich habe meine Entscheidung bereits getroffen. Und meine Antwort lautet Nein.“ Mit dem dunklen Bartschatten wirkte sein Kinn kantig; ein Wangenmuskel zuckte.

„Aber Sie hatten noch nicht die Möglichkeit, mit mir zu reden.“ Sie würde nicht zulassen, dass er ihren Optimismus dämpfte. „Ich hoffe wirklich, Sie ändern Ihre Meinung, sobald ich erklärt habe, was passiert ist.“

Er antwortete nicht. Stattdessen musterte er sie nur unentwegt. Im Dschungel hinter ihr erklang ein scharfer Schrei, gefolgt von etwas, das wie manisches Lachen klang.

Erschrocken wandte Grace den Kopf und spähte in den Wald. Erst jetzt drangen die beständigen Hintergrundgeräusche in ihr Bewusstsein. Kläffen, Schreien, Zirpen und Trillern. „Das klingt ja, als würde jemand umgebracht.“ Mit amüsiert funkelnden Augen drehte sie sich wieder zu ihm um. Ein weiterer Versuch, eine emotionale Verbindung zu ihm herzustellen. Er scheiterte.

Kein Lächeln. Und es war unmöglich zu ahnen, was Cordeiro dachte. Seine Miene blieb ausdruckslos.

„Fürchten Sie sich vor dem Dschungel, Miss Thacker?“ Sein Tonfall klang alles andere als ermutigend. „Oder macht Sie etwas anderes nervös?“

Etwas anderes? Etwa die Tatsache, dass möglicherweise gleich ihre gesamte Existenz in den Staub getreten wurde? Oder dass sie sich alleine mit einem Mann mitten im Regenwald befand, der die gesamte Menschheit zu hassen schien?

Es gab so viele Dinge, die sie beunruhigten. Grace wusste gar nicht, womit sie anfangen sollte. Aber ihm würde sie keinen Grund verraten. Also schob sie die Gedanken an Jaguare, Schlangen und zweitausend Insektenarten beiseite. „Ich bin nicht nervös …“

„Wirklich nicht?“ Er kniff die Augen zusammen. „Dann gebe ich Ihnen noch ein paar Hinweise als Geschäftsmann: Verschwenden Sie nicht meine Zeit, lügen Sie mich nicht an – und am Wichtigsten: Betrügen Sie mich nicht. Das sind die drei Dinge, mit denen Sie mich verärgern können. Und wenn ich wütend bin, sage ich niemals Ja.“

Was fanden Frauen nur an ihm? Nichts vermochte den dichten Mantel aus Zynismus zu durchdringen, der ihn umgab.

„Ich werde nicht lügen. Ich lüge nie.“

Aber ganz ehrlich war sie auch nicht gewesen. Sie hatte nicht die volle Wahrheit über sich gesagt, als sie den Kredit angenommen hatte. Kurz stiegen Schuldgefühle in Grace auf. Dann erinnerte sie sich daran, dass der Vertrag ja keine Klausel enthielt, die sie verpflichtete, alles über sich preiszugeben. Nichts aus ihrer Vergangenheit beeinflusste ihre Fähigkeit, eine Firma zu leiten – dafür hatte sie gesorgt. Trotzdem breitete sich eine verräterische Röte auf ihren Wangen aus.

Jetzt lächelte Cordeiro. Es war im Grunde nur der Hauch eines Lächelns und nicht mal ein besonders freundliches. Trotzdem bewies es, dass er ihr Erröten bemerkt und es als Punkt gegen sie verbucht hatte.

„Sie sind eine Frau, Miss Thacker. Zu lügen und zu betrügen ist Teil ihrer Gene, und die können Sie nicht ändern. Im besten Fall können wir hoffen, dass Sie gegen tausend Jahre Evolution ankämpfen, solange Sie sich in meiner Gegenwart befinden.“ Dann öffnete er die Tür hinter sich und machte einen Schritt zur Seite, damit Grace eintreten konnte.

„Hören Sie auf, mich herumzukommandieren, Mr. Cordeiro.“ Ihr zitterte leicht die Stimme, dennoch zwang sie sich weiterzusprechen. „Ich weiß, dass es meiner Firma nicht gut geht und wir einiges zu besprechen haben. Aber versuchen Sie nicht, mich einzuschüchtern.“

„Schüchtere ich Sie denn ein?“

„Sie könnten zumindest ein wenig freundlicher sein.“

„Freundlicher?“, spottete er. „Sie möchten, dass ich freundlich bin?“

Entschlossen hielt sie seinem Blick stand. „Ich sehe nur nicht ein, warum Geschäftstermine immer so kalt und unpersönlich sein müssen.“

Er machte einen Schritt auf sie zu, woraufhin sie instinktiv zurückwich. „Sie möchten also persönlich werden, Miss Thacker?“ Er senkte die Lider und sah ihr in die Augen. „Wie persönlich?“ Er kam noch näher.

Plötzlich fiel ihr das Atmen schwer. Obwohl er sie nicht berührte, schien ihr Körper mit einem Mal zu vibrieren. Sie fühlte sich, als hätte sie die letzten dreiundzwanzig Jahre geschlafen, bevor dieser Mann sie zum Leben erweckte. „Ich wollte nur sagen, dass meiner Meinung nach Meetings genauso viel Spaß machen können, wie sie harte Arbeit sind.“

„Wirklich?“ Er betrachtete sie aus zu schmalen Schlitzen verengten Augen. „Nun, Ihre Einstellung erklärt auf jeden Fall den schlechten Zustand Ihrer Firmenkonten.“

Nun zog er sich zurück. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, bis sich ihre Atmung beruhigt und ihr Herzschlag einen normalen Rhythmus angenommen hatte.

Sie wollte etwas auf seinen geringschätzigen Kommentar erwidern, aber er gab ihr keine Möglichkeit dazu. Denn schon schlenderte er durch die geöffnete Tür. Grace blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Kein Wunder, dass seine Frau ihn verlassen hat, dachte sie, als sie das Haus betrat und sorgsam die Tür zwischen sich und dem Dschungel schloss. Oder war er so arrogant und zynisch, eben weil sie ihn verlassen hat?

Als sie sich umsah, musste sie überrascht feststellen, dass sie den Dschungel mitnichten ausgeschlossen hatte. Der Wald war ein Teil des Hauses.

Immer wieder nach rechts und links schauend, folgte sie Rafael Cordeiro durch die Eingangshalle, ein Kuppelbau ganz aus Glas. Überall wuchsen riesige exotische Pflanzen. Dieses Haus war nicht beeindruckend, es war spektakulär. Durch die gläsernen Wände sah man in den Regenwald, sodass die Grenzen zwischen Innen und Außen in perfekter Harmonie verschwommen.

Er führte sie in ein großes Zimmer und deutete mit der Hand auf einen runden Tisch, auf dem ein Computer und mehrere Bildschirme standen. Simultan klingelten zwei Telefone, die jedoch abrupt verstummten, als seien die Anrufe von anderen Apparaten aus angenommen worden. „Setzen Sie sich.“

Technik, dachte Grace und betrachtete die Geräte. Offensichtlich ist er nicht ganz so allein, wie es zunächst schien.

Sie nahm auf einem Stuhl Platz und blickte sich ehrfürchtig um. Durch sechseckige Fensterscheiben drängte sich die üppige grüne Vegetation des Waldes nahezu in den Raum.

„Das ist unglaublich“, sagte sie, aufrichtig begeistert von der ungewöhnlichen Umgebung. „Man kommt sich vor wie in einem Gewächshaus mitten im Wald.“ Ihr Blick glitt zu einem Farn, der sich bewegte. „Kommen die Tiere nahe heran? Wissen sie, dass Sie hier sind?“

„Raubtiere wittern immer ihre Beute, Miss Thacker“, entgegnete er gedehnt. Er setzte sich ihr gegenüber und zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch. „Sie haben zehn Minuten. Die Uhr läuft ab jetzt.“

„Sie meinten das ernst? Ich habe wirklich nur zehn Minuten?“

„Ich bin ein viel beschäftigter Mann. Und ich sage nie etwas, das ich nicht auch so meine.“

Verwirrt über diese absolute Gleichgültigkeit angesichts ihrer katastrophalen Lage, brauchte Grace einen Moment, um sich zu sammeln. „Na gut, Sie wissen, warum ich hier bin. Vor fünf Jahren hat Ihr Unternehmen mir Geld geliehen, damit ich meine Firma gründen konnte. Und jetzt wollen Sie den Kredit kündigen.“

„Verschwenden Sie keine Zeit damit, bekannte Tatsachen zu wiederholen“, riet er in seidigem Tonfall, während er auf die Armbanduhr sah. „Noch neun Minuten.“

Sie spürte Panik in sich aufsteigen. Das Treffen war reine Zeitverschwendung. „Meine Firma ist mir sehr wichtig. Sie bedeutet mir alles.“ Sofort bereute sie ihr impulsives Geständnis. Warum sollte ihn kümmern, dass sie an dem Unternehmen hing?

Anscheinend stellte er sich dieselbe Frage, denn er runzelte die Stirn. „Mich interessieren nur Zahlen und Fakten. Acht Minuten.“

Keine Emotionen, Grace, hör auf, dich von deinen Gefühlen leiten zu lassen. „Mit Ihrem Geld konnte ich mehrere Cafés eröffnen. Aber es sind keine gewöhnlichen Cafés.“ Sie legte die Hände in den Schoß, damit er nicht sah, dass sie zitterten. „Wir verkaufen nicht einfach nur eine Tasse Kaffee, wir verkaufen ein brasilianisches Erlebnis.“

„Und was soll das ‚brasilianische Erlebnis‘ sein, Miss Thacker?“

„Die Menschen, die in unsere Cafés gehen, bekommen weit mehr als Koffein und einen schnellen Snack. Solange sie ihren Kaffee trinken, versetzen wir sie in Urlaubsstimmung. Dank Ihrer Investition waren wir in der Lage, zwanzig Cafés in London zu eröffnen. Wir könnten noch mehr betreiben, aber wenn Sie jetzt Ihr Kapital zurückziehen …“ Sie unterbrach sich und stand auf. Wenn sie länger am Tisch saß und in Cordeiros attraktives Gesicht sah, konnte sie sich nicht mehr konzentrieren.

„Stört es Sie, wenn ich ein wenig auf und ab gehe? Es fällt mir schwer, still zu sitzen. Und wenn ich nur ein paar Minuten habe, sollte ich mich so wohl wie möglich fühlen, damit ich das Beste aus der Zeit herausholen kann.“

Sein sarkastischer Blick wanderte zu ihren Füßen. „Offen gesagt bin ich beeindruckt, dass Sie stehen, geschweige denn gehen können. Wie ich sehe, haben Sie lange darüber nachgedacht, was als angemessenes Schuhwerk für einen Besuch im Regenwald infrage kommt.“

„Dies hier ist ein Geschäftstermin, Mr. Cordeiro“, erwiderte sie entschieden. Sie würde sich nicht von seinem Spott kränken lassen. „Entsprechend habe ich meine Garderobe gewählt. Ich dachte, Sie nehmen mich vielleicht nicht ernst, wenn ich eine Cargohose anhabe.“ Aus Stolz verschwieg sie, dass sie Schuhe und Kostüm extra für dieses Meeting gekauft hatte.

Als spielte es eine Rolle, welche Kleidung sie trug! Plötzlich kam Grace sich wie ein Idiot vor.

Das Geld hätte ich mir auf jeden Fall sparen können.

„Sie meinen, Sie haben gedacht, dass ich beim Anblick von hochhackigen Schuhen meine Meinung ändere.“ Seine Stimme klang leise und gefährlich. „Sie haben meinen Ruf missverstanden, Miss Thacker. Ich trenne meine Abenteuer strikt vom Geschäftlichen.“

Wieder sah er ihr in die Augen. Sie konnte weder sprechen noch sich bewegen, so stark nahm die bedrohliche Hitze dieses Blicks sie gefangen. Ihr Körper fühlte sich an, als hätte er sich verflüssigt. Eine seltsame und ungewohnte Wärme breitete sich in ihrem Unterleib aus.

Seine Abenteuer.

Eine Vision stieg vor ihrem inneren Auge auf. Grace sah Rafael Cordeiro nackt auf weißen Seidenlaken liegen, sein Körper noch schweißbedeckt, neben sich eine überglückliche und zufriedene Frau.

Dieses Bild schockierte und entsetzte sie so sehr, dass sie den Kopf drehen und sich auf das wuchernde Grün des Dschungels konzentrieren musste, um dem diamantharten Glitzern seiner Augen zu entgehen.

„Miss Thacker?“

Hastig wandte sie sich wieder ihm zu. Sie konnte nicht verhindern, dass sie insgeheim überlegte, wie sich wohl seine bronzefarbenen Finger auf ihrer Haut anfühlen würden. Was war nur los mit ihr? Sie war doch gar nicht der Typ Frau, der Männer gedanklich auszog, kaum dass sie einen getroffen hatte.

Vor allem nicht Männer wie ihn.

Er würde sich auf keinen Kompromiss einlassen, dessen war sie sich bewusst. An ihm war nichts Weiches, keine Zärtlichkeit, nicht eine Spur Wärme oder Menschlichkeit. Einen schrecklichen Moment lang spürte Grace, wie ihr Selbstvertrauen schwand. Sie drückte die Fingernägel gegen die Handflächen, schaute noch einmal in den Dschungel hinaus und sammelte sich.

Du kannst das, Grace, sprach sie sich selbst Mut zu.

Dreißig kostbare Sekunden brauchte sie, um ruhiger zu werden. „Ich trage diese Schuhe, weil sie am besten zu meinem Kostüm passen“, erwiderte sie schließlich gefasst. „Und Sie schulden mir eine Minute.“

Er beugte sich vor und schaute sie lauernd an. „Tue ich das?“

„Ja, denn so viel Zeit haben Sie damit verschwendet, über weibliche Kleidung zu philosophieren.“

Ein langes pulsierendes Schweigen trat ein, dann neigte er den Kopf. „Ihnen bleiben immer noch acht Minuten.“

Erst jetzt schöpfte Grace wieder Atem. „Gut. Was ich will, ist die Möglichkeit, Ihnen die Fakten zu präsentieren. Ich bin hergekommen, weil ich Ihre Meinung ändern will.“

Sie wünschte, er würde sie nicht so ansehen. Sein Blick war nach wie vor unerbittlich auf sie gerichtet. Die Luft zwischen ihnen schien fast elektrisch aufgeladen zu sein.

Ob er es auch fühlt? Spürt er die Hitze und die wachsende Spannung?

„Ich habe Ihnen doch bereits gesagt, dass mein Entschluss steht.“

„Sie haben auch gesagt, dass Sie Zahlen wollen. Und die haben Sie bislang nicht gehört. Sie haben mir zehn Minuten versprochen, Mr. Cordeiro. Und meine Zeit ist noch nicht um.“ Sie würde es vermasseln, sie wusste es. Es war schön und gut, Selbstvertrauen vorzugeben. Allerdings zitterten ihr Beine und Hände, sie sagte die falschen Dinge und ließ sich von einem Blick aus seinen dunklen Augen in ein stammelndes klägliches Bündel verwandeln. Und ganz offensichtlich erkannte er, wie er auf sie wirkte, denn er lächelte sanft.

„Nervös, Miss Thacker?“

„Natürlich bin ich nervös …“ In einer um Verständnis bittenden Geste hob sie die Arme. „In Anbetracht der Umstände ist das doch nur normal, meinen Sie nicht?“

„Absolut.“ Sein Tonfall war hart, der Blick völlig kalt. „Ich an Ihrer Stelle würde zittern wie Espenlaub und einfach alles versuchen. Selbst vor hohen Absätzen, einem unschuldigen Lächeln und schimmernden blonden Haaren würde ich nicht zurückschrecken.“

„Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.“ Ahnte er, wie unbehaglich sie sich auf diesen High Heels fühlte? Wusste er, dass sie ihn hatte beeindrucken wollen?

„Ihre Firma steckt in ernsthaften Schwierigkeiten, Miss Thacker. Und ich bin der Einzige, der sie retten kann. Also nehme ich es Ihnen nicht übel, dass Sie jeden Ihnen zur Verfügung stehenden Trick anwenden, um das Blatt zu Ihren Gunsten zu wenden. Aber ich sollte Sie warnen. Es wird nichts nützen. Ich gewähre Ihnen keinen Aufschub. Und meiner Meinung nach haben Sie Ihre gegenwärtige Lage selbst verschuldet.“

„Wie können Sie das sagen? Wie können Sie so gefühllos sein?“ Wieder vergaß sie ihren Entschluss, sich nicht von Emotionen mitreißen zu lassen. „Hier geht es nicht nur um mich. Wenn Café Brazil untergeht, werden viele Menschen ihren Job verlieren.“

„Und Sie sind im höchsten Maße um das Wohlergehen anderer Menschen besorgt, nicht wahr?“

In seiner Stimme schwang etwas mit, das Grace nicht benennen konnte. Sie fühlte sich noch unbehaglicher. Warum nur wurde sie den Eindruck nicht los, dass hier zwei Gespräche parallel geführt wurden? Eines an der Oberfläche, das andere in versteckten Anspielungen darunter. „Ja, das bin ich. Ich denke, Arbeitgeber zu sein, bringt eine große Verantwortung mit sich. Man kann Menschen nicht so einfach entlassen. Ich war sehr darauf bedacht, nicht mehr Mitarbeiter einzustellen, als die Firma tragen kann.“

Er hob eine Augenbraue. „Sehr löblich. Was also ist schiefgelaufen, Miss Thacker? Wenn Sie so vorsichtig waren, warum sind Sie dann hier? Warum schreibt Ihr kleines Unternehmen rote Zahlen?“

„Unsere laufenden Betriebskosten sind höher, als wir ursprünglich gedacht haben“, erwiderte sie aufrichtig, runzelte jedoch die Stirn, als sie das zynische Funkeln in seinen Augen sah. „Unter anderem hat die Sanierung von zehn der Cafés mehr gekostet als geplant. Aber ich habe viele Ideen für die Zukunft.“

„Sie sind sehr zielstrebig“, meinte er nach kurzem Schweigen. „Wie verzweifelt sind Sie genau?“

Was meinte er damit? Betroffen erwiderte sie seinen Blick, ihr Mund war wie ausgetrocknet. „Natürlich mache ich mir Sorgen. Wenn Sie darauf hinauswollen, Mr. Cordeiro.“ Sie atmete tief ein und lächelte zaghaft. „Mir bleiben immer noch fünf Minuten, um Sie zu überzeugen.“

Sie griff nach ihrer Tasche und holte die vorbereiteten Unterlagen heraus. An Rafael Cordeiro prallten moralische Argumente ab, also würde sie es anders versuchen. „Sie möchten Ihre Investitionen zurückziehen, weil Sie bislang keinen Profit gesehen haben. Aber die Cafés laufen gut. Im Moment decken die Einnahmen die Ausgaben. In Kürze werden wir Gewinne machen.“

„Werden Sie das?“

„Sobald wir anfangen, Geld zu verdienen, verdienen auch Sie …“ Sie verstummte, als sie seine finstere Miene sah. Womit konnte man diesem Mann eigentlich ein Lächeln entlocken? „Die Cafés sind gut besucht. Und ich kann nicht verstehen, warum wir uns nicht schon längst in der Gewinnzone befinden.“

„Können Sie nicht?“

„Vielleicht habe ich am Anfang einige Fehler gemacht. Ich musste mehr Geld ausgeben, als ursprünglich veranschlagt war. Jetzt, da wir expandieren, ist es leichter, gute Verträge auszuhandeln. Geben Sie mir einfach etwas mehr Zeit. Sie werden es nicht bereuen.“

„Ich bereue es bereits. Mir gefällt die Art und Weise nicht, wie Sie Geschäfte machen, Miss Thacker.“

Entsetzt sah sie ihn an. „Sie meinen, weil meine Firma Anlaufschwierigkeiten hatte? Gut, das kann ich akzeptieren. Aber ich habe so viele Ideen, über die ich mit Ihnen sprechen möchte. Ich weiß, dass ich Café Brazil zu einem rentablen Unternehmen machen kann.“

„Aber auf wessen Kosten, Miss Thacker?“

Seine sanft ausgesprochene Frage verwirrte sie. Er war Milliardär. Dass sie ihm seine Investitionen noch nicht gewinnbringend zurückgezahlt hatte, konnte doch nicht so ein großes Problem für ihn sein.

„Mir ist bewusst, dass Sie uns einen wirklich großen Kredit gewährt haben. Sobald das Geschäft schwarze Zahlen schreibt, bekommen Sie Ihr Geld samt Zinsen zurück. Ich hoffe wirklich, dass Sie einer Kreditverlängerung zustimmen, wenn Sie sich ein vollständiges Bild der momentanen Situation gemacht haben.“

„Warum sollte ich dergleichen tun?“

„Weil Sie erkennen, wie sehr es sich für Sie lohnt. Wenn Sie Ihr Geld zurückfordern, stirbt Café Brazil, so einfach ist das. Und wenn die Firma verschwindet …“

„Müssen Sie Ihren beneidenswerten Lebensstil aufgeben.“

Verwundert fragte sie sich, ob er damit ihren Vierzehnstundentag meinte. „Ich schätze mich glücklich, weil ich meine Arbeit liebe“, entgegnete sie lächelnd. Das Lächeln verging ihr jedoch, als sie die Kälte in seinen Augen erkannte.

Er streckte die Hand aus. „Zeigen Sie mir die Bücher.“

Ihr wurde leichter ums Herz. Also bestand doch noch Hoffnung. Warum wollte er sonst in die Bücher schauen? Anscheinend dachte er doch darüber nach, den Kredit zu verlängern. Hastig griff Grace nach den Unterlagen. Sie hasste es, dass ihre Hände immer noch zitterten. Es fühlte sich an wie damals in der Schule, in dieser grauenhaften Folterkammer, wo alle darauf warteten, dass sie scheiterte.

Du bist dumm, Grace Thacker. Dumm. Konzentrier dich, du einfältiges Mädchen.

Während sie tief Luft holte, erinnerte Grace sich daran, dass sie seit diesen schrecklichen Tagen viel erreicht hatte.

Und sie würde nicht scheitern.

Sie überreichte ihm die Unterlagen. Mit seinen langen bronzefarbenen Fingern blätterte er durch die Seiten.

„Ihre fünf Minuten laufen, Miss Thacker. Sprechen Sie weiter.“

Mit welch beneidenswerter Leichtigkeit sein Blick über die Zahlen huschte. Grace wandte den Kopf ab und versuchte zu vergessen, dass Cordeiro da war. Sie musste ihm von ihren Zukunftsplänen berichten, von den neuen Lokalen, die sie gefunden hatte, und davon, wie sie diese ausbauen wollte.

Sie musste ihm ihre Träume offenbaren.

Und erhielt keine Reaktion von ihm. Er nahm einen Stift, machte sich einige Notizen und sah sie endlich an. „Ich bewundere Sie, Miss Thacker.“

Aus den Tiefen der Enttäuschung spürte sie einen warmen Schimmer der Hoffnung aufsteigen. „Wirklich?“

„Ja. Menschen mit starken Nerven habe ich schon immer bewundert. Unter diesen Umständen hätte ich erwartet, dass Sie sich auf der anderen Seite des Globus verstecken.“

„Verstecken?“

„Ich bin kein netter Mensch, wenn man mir in die Quere kommt.“

Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie eine Wendung des Gesprächs verpasst hatte. „Ich werde Ihnen nicht in die Quere kommen“, entgegnete sie langsam. „Die Konten sollten beweisen, welches Potenzial in meiner Firma steckt.“

„Die Konten zeigen, dass Sie sehr beschäftigt gewesen sind.“

„Sehr.“

„Aber keinen Gewinn gemacht haben.“

Sie verzog das Gesicht. „Noch nicht.“

„Finden Sie es nicht interessant, dass Sie so beschäftigt sind und trotzdem keinen Gewinn erwirtschaften?“

„Ich vermute, das liegt in der Natur eines jungen Unternehmens. Manchmal dauert es eben etwas länger, bis man Grund unter den Füßen hat. Aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, müssen Sie doch erkennen, dass die Geschäfte bald sehr rentabel sein werden.“

„Ich bin mit den Zahlen gut vertraut, Miss Thacker.“ Er ließ die Geschäftsbücher auf den Tisch fallen. „Und ich habe nur eine einzige Frage.“

Eine Frage?

Sie straffte die Schultern; eine Woge der Erleichterung durchströmte sie. Mit hundert Fragen über Details ihrer finanziellen Lage hatte Grace gerechnet. Davor hatte sie sich die ganze Zeit gefürchtet. „Bitte, stellen Sie Ihre Frage.“ Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.

„Sagen Sie mir, Miss Thacker, können Sie nachts gut schlafen?“

2. KAPITEL

Warmes Sonnenlicht strömte durch die großen Fenster. Rafael beobachtete, wie Grace Thacker alles Blut aus den Wangen wich.

Dein Spiel ist aus, meine Hübsche, dachte er. Wie hatte diese Frau so naiv sein und glauben können, er würde übersehen, was in ihrer Firma vor sich ging? Nicht dass sie sich dumm verhielt, nein, sie war sehr clever. Die Zahlen ergaben einen Sinn. Die meisten Menschen hätten die Widersprüche nicht bemerkt.

Auf den ersten Blick zeigten die Konten nur ein Unternehmen, das Anlaufschwierigkeiten hatte. Und Miss Thackers offensichtliches Bestreben, freundlich und gesprächig zu sein, war keine schlechte Strategie. Bei einem weniger zynischen Mann als ihm hätte es durchaus funktioniert. Sie wirkte engagiert, enthusiastisch und erfrischend offen.

Ein anderer Mann hätte sich erlaubt, an ihre Unschuld zu glauben.

Es war gut für ihn und schlecht für sie, dass skrupellose Frauen seine Spezialität waren. Andernfalls wäre er nie misstrauisch geworden. Café Brazil war mitnichten, was es vorgab zu sein. Grace Thacker glich in Wahrheit nicht im Mindesten der fürsorglichen großzügigen Arbeitgeberin, die sie spielte.

Dass sie ihn bat, weiterhin Geld in ihr Lügengebäude zu investieren, bewies ihm nur, was ihr fehlte: ein Gewissen.

Beim Anblick ihrer schimmernden Haare und der manikürten Nägel spürte er Wut in sich aufsteigen. Sie sah so verwöhnt und beschützt aus. Die Bedeutung des Wortes Not war ihr vermutlich unbekannt. Hatte sie irgendeine Ahnung, wie es sich anfühlte, zu frieren und zu hungern? Wusste sie, wie es war, wenn man ohne ein Dach über dem Kopf versuchte zu schlafen?

Nein, natürlich nicht. Wie sollte sie auch?

Bei ihrem schwersten Kampf im Leben ging es wahrscheinlich um die Entscheidung, welche Schuhe sie zu welchem Outfit tragen sollte.

Als sie um das Treffen gebeten hatte, wollte er im ersten Impuls ablehnen. Doch dann hatte er sich für ein anderes Vorgehen entschlossen.

Vergeltung.

Grace Thacker hatte Leben zerstört und würde noch mehr Menschen in den Abgrund stürzen. Sie sollte mit den Konsequenzen ihrer Skrupellosigkeit konfrontiert werden. Und sie sollte leiden.

Während er sie jetzt ansah, wusste er, er hatte die richtige Entscheidung getroffen. In diesem nahezu unanständig teurem Kostüm und mit Schuhen, die nur so nach Sex schrien, stand Miss Thacker vor ihm. Sie erwartete ernsthaft, dass er ihr weiterhin Geld lieh. Unfassbar.

Wie weit, fragte er sich und bewunderte dabei ihre schmalen Knöchel sowie die sanften Kurven ihrer Waden, war sie bereit zu gehen? Pech für sie, dass er sein Privatleben niemals mit Geschäftlichem vermischte. Denn seit er sie auf dem Pfad gesehen hatte, prickelte eine fast elektrische Spannung zwischen ihnen. Die Chemie stimmte.

Sie war gerade damit beschäftigt gewesen, ihren Absatz zu befreien. Was ihm einen herrlichen Blick auf einen weißen Spitzen-BH und schön geformte Brüste beschert hatte. Einen Moment wurde seine Wut von einem so unglaublich intensiven Gefühl der Lust besiegt, dass es schon fast schmerzhaft war.

Und dann sah sie ihn. Wie einen Rettungsanker umklammerte sie ihre Aktentasche. Allein diese Geste reichte aus, um seine Libido abzukühlen und ihm den wahren Grund ihres Besuchs ins Gedächtnis zurückzurufen.

Geld.

Abgesehen von schimmernden Haaren, verführerischen Brüsten und langen Beinen, unterschied Grace Thacker sich in nichts von allen anderen Frauen.

Dunkle Erinnerungen drängten sich in sein Bewusstsein. Aber Rafael schob sie gnadenlos beiseite und konzentrierte seinen Zorn wieder auf die junge Frau, die vor ihm stand.

Kein Wunder, dachte er, dass ihr Vater nicht mitgekommen ist. Offensichtlich hatte er die reine Aura seiner Tochter nicht beeinträchtigen wollen, die sie in der weißen Bluse und durch die blonden Haare umgab.

Wahrscheinlich, spann er den Gedanken weiter, hat sie eine klassische englische Erziehung genossen. Ein Mädcheninternat, wo man ihr die wichtigste Überlebensregel beigebracht hatte: Wie komme ich an das Geld eines Mannes.

Die übliche Taktik bestand darin, einen reichen Kerl zu heiraten, sich von ihm scheiden zu lassen und ihn wie eine Weihnachtsgans auszunehmen. Die drei weiblichen A des Geldverdienens: anmachen, ausnehmen, abservieren.

Warum, fragte er sich, hatte Grace Thacker nicht diesen Weg gewählt?

Er unterdrückte seine ursprüngliche Absicht, sie mit seinen Informationen zu konfrontieren und das Meeting so schnell wie möglich zu beenden.

Dadurch hätte er es ihr viel zu leicht gemacht. Zunächst hätte sie protestiert, getobt und alles abgestritten, bis sie einsehen musste, wie viel er wirklich wusste. Dann hätte sie Tränen eingesetzt und ihm Sex angeboten, um ihn von einer Anzeige abzuhalten. Auf jeden Fall würde sie ohne ihren Kredit nach London zurückfliegen. Ende der Geschichte.

Aber er wollte nicht, dass die Geschichte endete.

Sie sollte leiden. Sie sollte dieselben Sorgen und Unsicherheiten erfahren, in die sie andere gestürzt hatte.

„Warum glauben Sie, ich könne nachts nicht schlafen?“ Ihre blauen Augen wirkten nun größer, ihre Nervosität war deutlich spürbar. „Meinen Sie, dass ich vor Sorge kein Auge zumachen kann. Weil ich nicht weiß, wie ich meine Schulden bezahlen soll, wenn Sie Ihr Geld sofort zurückverlangen?“

Nein, das hatte er nicht gemeint. Trotzdem entschied er, sie vorerst in diesem Glauben zu lassen. „Machen Sie sich denn Sorgen?“

„Natürlich.“ Sie versuchte es mit einem kleinen Lächeln, das unter seinem finsteren Blick in sich zusammenfiel. „Viele Menschen sind von mir abhängig. Aber man muss das aus seinem Kopf streichen, sonst wird man noch verrückt, oder?“

Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und suchte nach Rissen in ihrer Fassade. Einem Zeichen dafür, dass sie eine menschliche Seite hatte. Irgendeinem Anzeichen von Reue. Doch da war nichts. Rafael entdeckte nur einen Ausdruck von Vorsicht, der darauf hindeutete, dass sie sein Verhalten für unvernünftig hielt. „Sie denken also nicht an andere Menschen?“

„Nun, es ist schwer, das nicht zu tun, wenn man für ihr Einkommen verantwortlich ist. Dennoch weiß ich, dass man sich nicht von Gefühlen leiten lassen darf. Sonst müssen am Ende alle darunter leiden.“

Wieder regten sich die quälenden Erinnerungen in ihm. Dieses Mal konnte er sie nicht zurückhalten.

Er war acht Jahre alt gewesen. Acht Jahre alt und völlig allein. Hungrig. Verängstigt. Verloren in der Dunkelheit. Umgeben von bedrohlichen und fremden Geräuschen, die alle Gefahr bedeuteten.

Kalter Schweiß brach ihm aus. Hastig stand Rafael auf und ging zu der Fensterfront hinüber, um die Schatten der Vergangenheit abzuschütteln.

Als er sich wieder zu seiner Besucherin umwandte, zeigte seine Miene keinerlei Emotionen mehr. „Würden Sie sich als rücksichtslos beschreiben?“

Sie lächelte. „Nein, das bin ich nicht. Und ich denke, das ist auch keine Voraussetzung, um in der Geschäftswelt Erfolg zu haben.“

„Was ist denn mit hinterlistig und manipulierend?“, fragte Rafael in neutralem Tonfall. „Halten Sie diese Qualitäten für ausschlaggebend für unternehmerisches Vorwärtskommen?“

„Ich verstehe nicht, wohin dieses Gespräch führen soll.“

„Nein?“ In diesem Moment erkannte er, wie er weiter vorgehen wollte. Er würde ihr die Konsequenzen ihres Handelns persönlich zeigen. Sein Blick ruhte auf dem schicken Kostüm und den sexy Schuhen mit den hohen dünnen Absätzen. Oh ja, sie wird leiden.

„Haben Sie einen Koffer gepackt, Miss Thacker?“

„Warum?“

„Ich möchte, dass Sie noch ein paar Tage bleiben … als mein Gast.“ Eilig schob er die Vorstellung beiseite, wie Miss Thacker sich nackt auf seinem weichen Gästebett rekelte. Nein, stattdessen sollte sie auf Stöckelschuhen, die für kurze Shoppingtrips gedacht waren, durch den Dschungel stolpern. „Es gibt ein paar Dinge, die ich Ihnen gerne zeigen würde.“

Zum Beispiel Schlangen, Spinnen und mehr wilde Natur, als sie sich vorstellen konnte.

Wieder warf sie ihm einen vorsichtigen Blick zu, nur dieses Mal noch wachsamer. „Eben haben Sie noch gesagt, ich hätte nur zehn Minuten. Warum laden Sie mich jetzt zum Bleiben ein?“

„Entschlossenheit hat mich schon immer beeindruckt, Miss Thacker“, sagte er gedehnt und unterdrückte die Ironie in seiner Stimme. „Sie haben sich die zusätzliche Zeit wirklich verdient.“

In ihren Augen flackerte Hoffnung auf. „Sie räumen mir mehr Zeit ein?“

„Vorausgesetzt, Sie sind damit einverstanden, dass ich Ihnen die Magie des Regenwalds zeigen darf.“ Sein sanfter Tonfall schien keinerlei Alarmglocken bei ihr läuten zu lassen, denn sie schenkte Rafael ein warmes vertrauensvolles Lächeln.

„Vielen, vielen Dank. Sie werden es nicht bereuen. Während der Reise können wir ja ein bisschen plaudern.“

Plaudern? Ungläubig schaute er sie an. Sollte er sie darauf hinweisen, dass dieses Wort in seinem Vokabular nicht existierte? Dann erst wurde ihm klar, dass sie absolut keine Ahnung hatte, was sie erwartete.

Wenn er mit ihr fertig war, würde sie eher schreien als plaudern.

„Ich freue mich, Ihnen die einzigartige Schönheit meines Landes zu zeigen“, murmelte er mit einschmeichelnder Stimme. „Ich werde die Gelegenheit nutzen und Sie an einige Orte führen, die Sie bestimmt sehr interessieren.“

Einer davon könnte durchaus mein Schlafzimmer sein, ging es ihm durch den Kopf. Es stimmte zwar, dass er Privates und Geschäftliches strikt voneinander trennte. Grace Thacker konnte er allerdings nicht zum Geschäftlichen zählen. Ihre Firma war so gut wie erledigt. Und das hieß, dass er seine Aufmerksamkeit nun dem Vergnügen zuwenden konnte.

„Auf eine Besichtigungstour bin ich nicht vorbereitet.“

„Wir werden die fazenda besuchen, die Kaffeeplantage, die Sie beliefert. Sie sollten mehr über das Produkt erfahren, das Sie verkaufen.“ Er beobachtete sie konzentriert, doch sie lächelte nur. Und ihr Lächeln zauberte Grübchen auf ihre Wangen, die sie noch jünger wirken ließen.

„Was für eine wunderbare Idee! Ich freue mich darauf, die Kaffeebauern kennenzulernen. Mein Vater hat damals darauf bestanden, die Verhandlungen alleine zu führen.“

Rafael ignorierte die Grübchen und die plötzlich in seinen Lenden aufflackernde Hitze. Am liebsten hätte er laut gelacht.

So leicht ließ sie sich also nicht aufs Glatteis führen. Trotzdem musste sie sich doch fragen, wie viel er über sie wusste. Aber der Ausdruck ihrer Augen wirkte völlig arglos, nicht das geringste Anzeichen von Schuldbewusstsein. Oder Besorgnis. Miss Thacker stand einfach nur da in ihrem perfekt sitzenden Kostüm und balancierte auf zehn Zentimeter hohen Absätzen. Sie tat, als würde sie in ihrer Freizeit regelmäßig durch den brasilianischen Regenwald wandern.

Ganz offensichtlich hatte sie keine Ahnung, was es bedeutete, bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit durch den Dschungel zu marschieren.

Fünf Minuten, dachte er mit grimmiger Genugtuung. Nach fünf Minuten würde sie wegen der Schlangen und Insekten kreischen und sich an ihm festklammern. Ohne ihre Absätze, das Kostüm und den Lippenstift wäre sie verletzlich und hilflos.

„Dann organisiere ich für morgen eine Tour. In der Zwischenzeit wird eine meiner Angestellten Sie zu Ihrem Zimmer bringen, damit Sie etwas Bequemeres anziehen können. Ihre Tasche befindet sich bereits dort. Wir sehen uns zum Abendessen. Maria wird uns eine lokale Köstlichkeit zubereiten.“ Er wartete darauf, dass sie in böser Vorahnung erschauerte, aber sie lächelte immer noch.

„Wundervoll. Vielen Dank. Sie sind sehr freundlich.“

Freundlich?

Über die Jahre hinweg hatten Frauen ihn vieles genannt, aber nie freundlich. Rafael suchte auf ihrem Gesicht nach einem Hinweis auf Ironie. Aber er sah nur ihr offenes, aufrichtiges Lächeln.

Ihre Freude zerrte an seinen Nerven. Wenn er mit ihr fertig war, würde sie nicht mehr lächeln. Ihre Kleidung wäre feucht, sie hätte Blasen an den Füßen und ihre Haut wäre übersäht mit Insektenstichen. Dann würde sie zweimal nachdenken, bevor sie jemanden über den Tisch zog.

Wenn sie jedoch ihre Karten richtig ausspielte, würde er ihr vielleicht ein wenig Trost anbieten.

Zufrieden damit, die Situation so gut unter Kontrolle zu haben, konzentrierte er sich auf die Telefonate, die er als Nächstes zu erledigen hatte.

Sie folgte der Haushälterin Maria die gewundene hölzerne Treppe nach oben und in das Gästezimmer. Nach dem Meeting war Grace sich unschlüssig. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, weil ihre zehn Minuten Deadline aufgehoben worden waren. Noch mehr Zeit in Rafael Cordeiros Gegenwart zu verbringen, weckte Besorgnis in ihr.

Dass er hart und rücksichtslos verhandelte, hatte sie erwartet. Schließlich eilte ihm ja dieser Ruf voraus. Womit sie nicht gerechnet hatte, waren die Kälte, die von ihm ausging, und seine einschüchternde Präsenz.

Vielleicht ist es auch meine Schuld, überlegte sie traurig. Die Zahlen waren alles andere als beeindruckend. Und er war kein Mann, der bei Naivität oder Unerfahrenheit Nachsicht walten ließ.

Immerhin blieb ihr jetzt mehr Zeit. Grace bekam die Chance, ihm von ihren Plänen für die Zukunft zu erzählen.

Eigentlich sollte sie glücklich sein, nicht nervös.

Noch während sie darüber nachdachte, warum er seine Meinung so plötzlich änderte, hatten sie das Ende der Treppe erreicht. Vor ihnen lag ein großer Raum, der sich an zwei Seiten zum Regenwald hin öffnete.

Grace erkannte, dass sie sich auf Höhe der Baumkronen befanden, und trat auf den hölzernen Balkon hinaus, der das gesamte Zimmer umgab. Wie verzaubert wandte sie sich zu der Haushälterin um. „Es ist wunderschön. Man fühlt sich wie in einem Baumhaus.“

Einem Siebensternebaumhaus.

Obwohl es naturnah gebaut worden war und ein einzigartiges Regenwalderlebnis bot, hatte der Innenausstatter nicht an Luxus gespart. Dominiert wurde das Zimmer von einem großen Bett, dessen Kopfteil komplizierte feine Muster schmückten. Auf den cremefarbenen Seidenlaken lag eine dekorative Überdecke aus Samt. Kissen in unzähligen Grüntönen vervollständigten das Bild. Fast der gesamte Holzboden war von einem gewebten Teppich bedeckt, und eine angenehme Brise spielte mit den dünnen hellen Vorhängen.

Die Frau erwiderte etwas in einer Sprache, die Grace für Portugiesisch hielt. Sie lächelte verlegen. „Es tut mir leid, ich spreche kein Portugiesisch.“

„Ich habe gesagt, Ihre Kleider sind bereits ausgepackt worden. Wenn Sie noch etwas brauchen, fragen Sie einfach.“ Ihre Stimme klang sanft, wenn auch mit starkem Akzent.

„Vielen Dank“, entgegnete Grace nickend und blickte an sich herunter. „Ich werde mich frisch machen.“ Sie fühlte sich verschwitzt und unbehaglich. Im Augenblick wollte sie nichts sehnlicher, als sich umzuziehen. Dabei hatte sie ihren Koffer nur für zwei Übernachtungen in Rio de Janeiro gepackt.

Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass Rafael Cordeiro sie einladen könnte. Sie spürte ein Gefühl von Optimismus in sich aufsteigen. Hatte sie nicht genau darauf gehofft? Mehr Zeit, um ihn von der Verlängerung des Kredits zu überzeugen? Die hatte sie nun bekommen.

„Das Abendessen wird in zwei Stunden auf der Terrasse serviert. Falls Sie schwimmen gehen möchten, können Sie das im Pool beim Wasserfall tun. Folgen Sie dem linken Pfad. An der Gabelung halten Sie sich rechts.“ Maria lächelte unsicher. „Rufen Sie mich, wenn Sie noch etwas brauchen.“

„Ich habe alles, vielen Dank.“

Die Abgeschiedenheit des Zimmers erschien ihr verlockender als ein Pool, der vielleicht noch andere Wesen beherbergte. Deshalb entschied Grace, das Angebot, schwimmen zu gehen, zu ignorieren.

Sie schlüpfte aus ihrem Kostüm und duschte ausgiebig. Bei der Kleidungsfrage boten sich ihr nicht viele Möglichkeiten. Neben dem roten Badeanzug hatte Grace nicht viel dabei: Das förmliche Kostüm, die Cargohose, die sie im Flugzeug getragen hatte, und ein schlichtes Leinenkleid, das sie im Hotel in Rio hatte anziehen wollen. Drei Outfits und drei Paar Schuhe. In Anbetracht seiner Kommentare schieden die High Heels sofort aus. Auch die leichten Wanderschuhe empfand Grace als unpassend, somit blieben nur die flachen Ballerinas.

Es war ein wunderbares Gefühl, nach dem kratzigen Kostüm das leichte Kleid anzuziehen. Als sie durch das gläserne Atrium hinaus auf die schattige Terrasse trat, hatte Grace ihr Selbstvertrauen längst wiedergefunden.

Es hielt genau so lange, bis sie Rafael Cordeiro am Tisch sitzen sah.

Er trug nun ein dunkles Hemd und eine dünne Hose. Im Schein der untergehenden Abendsonne wirkte er sehr männlich und sexy.

„Setzen Sie sich. Ein Drink? Caipirinha?“

Skeptisch schaute sie auf den frischen exotisch aussehenden Cocktail in seiner Hand. „Besser nicht.“ Sie lächelte Maria an, die in der Nähe bereitstand. „Vielleicht etwas Nichtalkoholisches? Ein Saft wäre schön.“

„Sie wollen wohl nicht die Kontrolle verlieren?“

Grace wartete mit ihrer Antwort, bis der Drink vor ihr stand und sie wieder alleine waren. „Sie sind sehr wütend auf mich, nicht wahr?“ Ihr gefiel die angespannte Atmosphäre nicht. Sie direkt anzusprechen, war bestimmt der beste Weg. „Ich weiß, ich habe Fehler gemacht. Aber das tut jeder, der ein Unternehmen gründet.“

„Tun sie das?“

Er war so selbstbeherrscht. Auf seinem attraktiven Gesicht waren absolut keine Gefühle sichtbar. Sie musterte ihn mit wachsender Hilflosigkeit.

Wie kommunizierte man mit jemandem wie ihm? Einem Mann, der sein Leben über Zahlen und Daten definierte? Hatte er wirklich gar keine Gefühle? Dann fiel ihr seine Scheidung wieder ein. Grace ahnte, dass seine Seele Narben haben musste. Wenn das Leben angriff, hinterließ es Wunden. Das wusste sie. Hatte er gelernt, seine Narben zu ertragen und weiterzuleben? Waren mit dem abrupten Auszug seiner Frau seine Gefühle versiegt, oder war das lange Zeit vor dem Scheitern der Ehe geschehen?

„Begehen Sie nie Fehler, Mr. Cordeiro?“

Sein Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln. Plötzlich wirkte alles an ihm auf brutale Weise hart, das markante Kinn, das Funkeln in seinen Augen, die gestrafften Schultern. „Doch.“

Warum nur hatte sie das Gefühl, dass gerade hinter dieser kurzen Antwort ein tiefes Leiden steckte? Weshalb glaubte sie das, obwohl nichts an diesem Mann Schwäche oder Verletzlichkeit verriet? Sie spürte nur, dass er mit etwas kämpfte, dem er sich nicht ergeben wollte. Dieser Mann würde sich niemals aufgeben. Er war der geborene Kämpfer.

„Nun, ich habe Fehler gemacht, das gebe ich zu …“ Zögernd hielt sie inne. „Ich war töricht, naiv und unerfahren.“

„Naiv und unerfahren – sind das die Worte, mit denen Sie sich selbst beschreiben?“

„Dann stünden die Chancen schlecht, dass Sie mir weiterhin Geld leihen“, entgegnete sie leichthin, während ihr Blick wie magisch von seinen starken Unterarmen angezogen wurde. „Aber vor fünf Jahren war ich genau das, als Sie den ersten Kredit bewilligt haben.“

„Wie alt waren Sie damals?“

„Achtzehn. Ich hatte gerade die Schule beendet.“ Sie sprach locker, damit sie nichts von dem Schrecken ihrer Schulzeit preisgab.

„Warum haben Sie nicht studiert?“

Aus vielen Gründen.

Grace senkte den Kopf und blickte auf den Tisch. Vor ihr stand ein Teller. Wann war der dorthin gestellt worden? Ein unbehagliches Gefühl im Magen, musste sie sich eingestehen, dass sie in seiner Nähe nichts außer ihm wahrnahm. „Die Universität war nichts für mich. Ich wollte lieber eine Firma gründen.“ Ich musste mich selbst beweisen.

„Sie meinen, Sie wollten anfangen, Geld zu verdienen?“

Geld? Grace runzelte die Stirn. Darum ging es ihr nicht. Selbst heute zahlte sie sich selbst kaum einen Lohn aus, sondern steckte den ihr zustehenden Betrag gleich wieder in die Firma. „Ich wollte etwas, das mir gehört“, entgegnete sie schließlich und erlaubte ihm damit einen tieferen Einblick, als ihr im Grunde lieb war.

Während Maria weitere Schüsseln mit Essen servierte, schwieg Rafael. „Aber das Unternehmen gehört Ihrem Vater.“

Sie schüttelte den Kopf. „Die Cafés nicht. Er importiert nur Kaffee und verkauft ihn weiter. Nach der Schule habe ich eine Weile in einem Café gearbeitet. Die Arbeit hat mir großen Spaß bereitet. Doch es gab so vieles, was ich anders gemacht hätte. Viele meiner Freunde studierten an der Universität in London. Für sie gab es keinen schönen Ort, an dem sie sich nachmittags treffen konnten. Da ist mir die Idee gekommen. Ich habe ein wenig recherchiert, ein leer stehendes Café gefunden und mit einem Kredit von der Bank gekauft. Tag und Nacht habe ich es selbst renoviert, weil ich mir keine Handwerker leisten konnte.“

Nachdem sie sich den Teller gefüllt hatte, erzählte sie weiter: „Die Risse in den Wänden waren so breit, dass ich sie mit Farbe nicht verdecken konnte. Deshalb habe ich mich entschlossen, überdimensionale Bilder des brasilianischen Regenwalds aufzuhängen. Der Effekt war verblüffend. Alle fragten: ‚Wo ist das?‘ Ich hätte gleich eine zweite Karriere als Reiseleiterin machen können.“ Damals war ihr alles so unkompliziert vorgekommen. Sie hatte mit nur einem einzigen Ziel angefangen … ihren Vater zu beeindrucken.

„Brasilien ist ein wunderschönes Land.“

„Ja. Und die Fotos inspirierten mich, über das Erlebnis nachzudenken, das ich verkaufen wollte. Die Zielgruppe der meisten Cafés besteht aus jungen Müttern mit Kindern oder Geschäftsleuten, die kurz Energie tanken wollen. Meine Vision war, einen Ort zu schaffen, an dem sich Studenten in einer lebendigen Umgebung mit ihren Freunden treffen. Zu Beginn spielten wir Sambamusik und verkauften brasilianische Snacks. Später richteten wir Internetzugänge ein, damit die Gäste arbeiten oder chatten können, während sie ihren Kaffee bei uns trinken.“

„Und Sie hatten Erfolg.“

„Ja. Das Café war immer voll und unsere Gewinne erstaunlich. Alles war unglaublich aufregend.“

„Das ist Geldverdienen immer.“

Sein harscher Tonfall riss sie aus den schönen Erinnerungen. Grace fragte sich, ob hinter seinen bissigen Kommentaren mehr steckte. Seine Miene ließ auf nichts schließen. „Auf jeden Fall habe ich dann beschlossen, noch mehr Cafés mit demselben Konzept zu eröffnen. Allerdings wollte die Bank einem unerfahrenen achtzehnjährigen Mädchen keinen weiteren Kredit bewilligen. Weil Ihre Gesellschaft in junge Firmen investiert, die wiederum brasilianische Unternehmen unterstützen, habe ich mich an Sie gewandt.“ Und der Kredit, den er ihr gegeben hatte, hatte ihr Leben verändert.

Rafael nippte an seinem Weinglas. „Ihr erstes Café war also profitabel?“

„Ja.“

„Und jetzt schreiben Sie rote Zahlen“, sagte er im Plauderton. „Das muss … sehr enttäuschend sein.“

„Dieses Mal habe ich eine Firma mit der Modernisierung der Räume beauftragt. Die Rechnung fiel höher aus als veranschlagt. Dieser Fehler wird mir nie wieder unterlaufen.“

„Nein, das wird er nicht.“

Die angespannte Atmosphäre ertrug Grace nicht länger. „Sie werden also bei Ihrem Nein bleiben? Und das nur, weil ich noch keinen Gewinn vorweisen kann. Aber verloren habe ich Ihr Geld ja gar nicht. Sie sind Milliardär, dieser Kredit ist für Sie vollkommen unwichtig. Aber mir und den Menschen, die für mich arbeiten, bedeutet er alles.“ Sie schob ihren Teller beiseite. „Warum haben Sie mich zum Bleiben eingeladen und angeboten, die Kaffeefarm zu besichtigen, wenn Sie doch nur Nein sagen?“

Er lächelte nicht. „Sie haben immer noch Zeit, meine Meinung zu ändern, Miss Thacker. Außerdem weiß ich, dass die Familie, die die fazenda betreibt, Sie gerne kennenlernen möchte. Sie wollen zu gern hören, was Sie zu sagen haben.“

„Was ich worüber zu sagen habe?“, fragte sie verständnislos. Er tat fast so, als sollte sie vor Gericht eine Zeugenaussage machen.

„Über Ihre Geschäfte, Miss Thacker. Da die fazenda Ihr einziger Zulieferer ist, sind die Gewinne beider Firmen natürlich eng miteinander verbunden.“

„Das stimmt.“

Worauf wollte er eigentlich hinaus? Grace fiel es immer schwerer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Stattdessen ließ sie sich von unzähligen unwichtigen Einzelheiten faszinieren. Wie von den dunklen Haaren, die aus dem Kragen seines Hemdes hervorlugten, den Bewegungen seiner Hände und von seinem Mund. Seine sinnlichen Lippen zogen Grace’ Aufmerksamkeit immer wieder auf sich. Plötzlich erinnerte sie sich an die Worte des Piloten. Rafael Cordeiro zog die Frauen in Scharen an.

Zunächst hatte sie das als natürliche Begleiterscheinung von Macht und Reichtum verstanden. Inzwischen erkannte sie jedoch , dass der Grund ein völlig anderer war. Es war etwas, dass mit dem innersten Wesen dieses Mannes zu tun hatte.

Rafael Cordeiro war ein heißblütiger Brasilianer. Er strahlte Sex-Appeal und männliche Überlegenheit aus. Selbst wenn er arm gewesen wäre, hätte er anziehend auf Frauen gewirkt. In seiner Gegenwart spürte sie die Unterschiede zwischen ihm und sich mit fast schmerzhafter Klarheit. Grace wurde sich ihrer Weiblichkeit bewusst.

Sie war so versunken in seinen Anblick, dass sie hochschreckte, als Maria eine Tasse Kaffee vor sie stellte. Die Tasse an den Mund hebend, atmete Grace das wundervolle Aroma ein und seufzte. „Das muss der beste Duft der Welt sein.“

„Es freut mich, dass Sie so denken. Dieser Kaffee stammt von der fazenda, die auch Sie beliefert.“

Genießerisch trank sie einen Schluck. „Er schmeckt köstlich. Ich freue mich wirklich auf einen Besuch.“ Vielleicht schlossen die Kaffeebauern sich ihrer Bitte um die Verlängerung des Kredits an. Immerhin mussten sie einen neuen Käufer finden, wenn Café Brazil Konkurs anmeldete.

„Gut.“

„Hm. Wir haben die ganze Zeit über mich geredet, was sehr langweilig ist.“ Sie stellte die Tasse zurück auf den Tisch. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie in Brasilien geboren und aufgewachsen?“

„Ich verstehe nicht, was meine Herkunft mit der Zukunft Ihres Unternehmens zu tun haben könnte“, erwiderte er sanft. „Hören Sie auf meinen Rat, und konzentrieren Sie sich auf das Wesentliche.“

„Ich war nur neugierig, das ist alles.“

„Und ich spreche nie über mich. Vergessen Sie das nicht.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung stand er auf. Grace wurde den Eindruck nicht los, dass sie ihn mit ihrer harmlosen Frage mehr als verärgert hatte.

„Warum eigentlich nicht? Glauben Sie, ich würde etwas herausfinden, weswegen Sie mich anschließend umbringen müssten?“ Sie machte diesen Scherz in der verzweifelten Hoffnung, Cordeiro zum Lächeln zu bringen. Doch auf seinem Gesicht spiegelte sich nur Zynismus. Grace’ Lächeln erstarb. „Ich bin keine Journalistin und auch keine Plaudertasche, Mr. Cordeiro. Außerdem glaube ich kaum, dass irgendein Boulevardblatt an meinem Besuch hier interessiert wäre.“

Sein gesamter Körper war angespannt. Anscheinend verabscheute er dieses Thema mehr als alles andere.

„Wir brechen früh auf. Ziehen Sie etwas an, das schnell trocknet. Im Regenwald ist es sehr wahrscheinlich, dass Sie nass werden. Sehr nass.“

„Also keine High Heels.“ Sie seufzte, als sie die harten Linien um seinen Mund sah.

Beim Anblick seines grimmigen Gesichtsausdrucks zog sich etwas in ihrem Innern zusammen. Sie hatte keine Ahnung, was in seinem Kopf vorging. Aber sicherlich war es nichts Gutes.

In dieser Nacht schlief Grace schlecht. Das Gespräch hatte sie sehr beunruhigt. Außerdem war sie von einem lebendigen Wald umgeben. Bei all den Geräuschen, dem Kreischen, Heulen, Zirpen und sogar einem gelegentlichen Knurren, sehnte sie sich nach einer festen Barriere zwischen ihr und den Baumwipfeln. Und als Grace endlich müde wurde, hielten die Gedanken an einen bestimmten arroganten brasilianischen Milliardär mit einer quälenden Vergangenheit und einer rätselhaften, alles kontrollierenden Persönlichkeit sie wach.

Irgendwann gab sie es auf, Schlaf zu finden, und schlenderte auf den Balkon hinaus. Von hier aus konnte sie den Teil des Hauses überblicken, in dem sich Rafaels Büro befand. Durch das gläserne Dach hindurch sah sie ihn. Selbst in der Dunkelheit der Nacht saß er vor seinem Computer, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, die Augen auf den Monitor gerichtet. Die Ärmel seines Hemdes waren jetzt bis über die Ellenbogen aufgekrempelt, das Kinn von einem dunklen Bartschatten umgeben.

Er mochte sich im Dschungel verstecken, mit der Welt war er nach wie vor verbunden.

Warum schlief er nicht?

Was war der Grund für die Härte, die sie in seinen Augen schimmern sah?

Fragen über Fragen stiegen in ihr auf, während sie ihn beobachtete. Schließlich zog sie sich mit dem unangenehmen Gefühl zurück, unerlaubt in einen privaten Teil seines Lebens eingedrungen zu sein. Was ging es sie an, wenn er sich niemals ausruhte?

Sie ging zurück ins Bett und verdrängte die Fantasien über einen Mann mit schwarzen Haaren und markantem Profil.

Als sie am Morgen aus unruhigem Schlaf erwachte, regnete es. Ein beständiger Nieselregen fiel auf die Bäume und dämpfte die Geräusche der Außenwelt. Die Luft war trotzdem immer noch drückend heiß.

Gleich nach dem Aufstehen schlüpfte Grace in die Cargohose und ein schlichtes weißes T-Shirt. Nachdem sie die Wanderschuhe angezogen hatte, band sie sich die Haare zu einem Pferdeschwanz.

Was würde er wohl sagen, fragte sie sich, wenn er wüsste, dass ich mich in bequemen Schuhen und Hosen viel wohlerfühle als in Kostümen und hohen Absätzen?

Wahrscheinlich würde er ihr nicht glauben. Seine Vorurteile gegenüber Frauen schienen tief verwurzelt zu sein. Weshalb eigentlich?

Fest entschlossen, positiv zu denken, stellte sie sich vor den Spiegel und richtete einige aufmunternde Worte an sich selbst.

Ihr blieb ein ganzer Tag, um seine Meinung zu ändern und ihn zu überzeugen, dass die Verlängerung des Kredits gut für alle Beteiligten wäre. Warum er allerdings so sehr um diese für ihn doch wohl lächerliche Summe besorgt war, leuchtete Grace nach wie vor nicht ein.

Ging es ihm wirklich nur um das Geld? Oder lauerte in den dunklen Schatten noch etwas anderes? Etwas, das er mit Fremden nicht teilte und ihn nachts wach hielt?

Rafael telefonierte gerade, als Maria sie in sein Büro führte. Er sprach in kurzen abgehackten Sätzen. Seine Befehle erteilte er in so autoritärem Tonfall, dass Grace die Person am anderen Ende sehr leidtat.

Ob irgendjemand gerne für ihn arbeitete? Oder verbrachten alle Angestellten ihr Leben in nervöser Anspannung?

Wenn sie ein Meeting mit ihrem Team anberaumte, zogen immer alle die Schuhe aus und kuschelten sich mit einer Tasse Kaffee auf Sofas. Jeder sagte seine Meinung, und es wurde laut diskutiert.

Sie verzog das Gesicht. Allerdings florierte ihr Unternehmen auch nicht gerade.

Vielleicht sollte sie sich einen strengeren Führungsstil angewöhnen.

Er beendete das Telefonat und sah sie an. „Was? Kein Kostüm? Keine Stöckelschuhe?“

Offensichtlich war er ausschließlich an Frauen gewöhnt, für die Shopping der einzige Lebensinhalt darstellte.

Grace entschied sich, das Gespräch geschäftsmäßig zu halten. „Sie haben mir gesagt, ich soll mich für einen Ausflug in den Dschungel anziehen. Wann trifft der Hubschrauber ein?“

„Wir fliegen nicht mit dem Hubschrauber, Grace.“ Seine Stimme klang glatt und seidig. „Wir laufen. Ich hoffe, Ihre Schuhe sehen nicht nur gut aus, denn ihnen steht ein harter Test bevor.“

Sollte ihr das etwa Angst machen? Beinahe hätte sie gelacht. Was er nicht wusste, war, dass sie schon ihr ganzes Leben lang Prüfungen ausgesetzt war. Warum, wunderte sie sich, erwartet eigentlich jeder, dass ich scheitere? Insgeheim nahm sie sich vor, dass ihr keine einzige Beschwerde über ihre Lippen kommen würde. Auf keinen Fall würde er sie jammern hören. „Schön. Testen Sie, so viel Sie wollen. Wenn Sie darauf aus sind, mich zusammenbrechen zu sehen, müssen Sie lange warten.“

„Gut, ich habe nämlich keine Lust, Sie vom Boden des Regenwalds zu kratzen oder aus der Umarmung einer Anakonda zu befreien.“

„Was ist eigentlich Ihr Problem?“ Aufrichtig bestürzt sah sie ihn an. „Sie wollen, dass ich versage, oder? Sie wollen, dass ich mich zum Idioten mache. Warum? Nur weil meine Firma Ihnen nicht genug Geld einbringt? Ist das denn wirklich so wichtig?“

Einen Moment musterte er sie, dann beugte er sich vor und hob zwei Rucksäcke vom Boden auf. „Die Wanderung dauert zwei Stunden, vorausgesetzt, der Regen macht den Pfad nicht unpassierbar.“ Er drückte ihr einen der Rucksäcke in die Hände. „Auf geht’s. Wir frühstücken unterwegs.“

3. KAPITEL

Der Regen fiel stetig, während Rafael den Pfad entlangstapfte. Hin und wieder warf er einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass Grace noch hinter ihm war. Ein zögerliches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er die blonden nassen Haare sah, die ihr jetzt an den Wangen klebten. Das Wasser verlieh dem hellen Sommerblond den Farbton alten Goldes. Auch ihre Kleider waren durchnässt und enthüllten jede Kontur ihres schlanken Körpers.

Schlank, aber mit Kurven an allen richtigen Stellen.

Ich hätte sie vor mir laufen lassen sollen, dachte er versonnen, dann hätte ich die Aussicht bewundern können.

Stattdessen war sie diejenige, die ihn beobachtete. Ab und zu fing er einen neugierigen Blick auf. Stumm schien sie zu fragen, was er mit ihr im Sinn hatte. Als hätte sie keine Ahnung! Er empfand diese offenen und abschätzenden Blicke als in höchstem Maße ärgerlich.

Und da war noch ein anderes Gefühl. Etwas weit Mächtigeres als Neugier oder Verärgerung.

Chemie. Elektrizität. Ein Prickeln, das durch die Luft flirrte und seinen Körper zu heftigen Reaktionen reizte, die Rafael nur als erotisch beschreiben konnte.

Ein weiterer Beweis, dass körperliche Anziehung nicht nach dem Charakter der Frau fragte – eine Tatsache, die er vor langer Zeit gelernt hatte.

Kopfschüttelnd setzte er sich wieder in Bewegung. Die Anstrengung würde die Reaktionen seines Körpers bald dämpfen … hoffte er.

Immerhin jammerte sie nicht. Bislang hatte er keine Klagen über Blasen, einen abgebrochenen Nagel, nasse Haare oder Insektenstiche gehört. Er hatte erwartet, dass sie inzwischen wenigstens Anzeichen von Erschöpfung zeigte. Aber Grace marschierte einfach weiter. Und bei den wenigen Malen, die sie auf dem schlammigen Pfad ausrutschte, verlor sie nicht das Gleichgewicht. Sie hatte ihm nur finstere Blicke zugeworfen, die ihn davor warnten, seine Hilfe anzubieten.

Selbst als sie bei der Überquerung eines Flusses auf einem der glatten Steine ausgeglitten und ins Wasser gefallen war, hatte sie nichts gesagt. Stattdessen war sie einfach ans andere Ufer geschwommen.

Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie sich gerade mit einer ungeduldigen Handbewegung ein Insekt von der Schulter wischte. Ob ihr resolutes Auftreten tiefere Gründe hatte? Es konnte nicht nur eine Trotzreaktion auf seinen Kommentar über ihre Schuhe sein.

Was versuchte sie zu beweisen? Und wem?

Er wusste doch bereits alles über sie, was er zu wissen brauchte.

Alles wies darauf hin, dass sie eine Lügnerin und Betrügerin war.

Also weshalb drehte er sich immer wieder nach ihr um?

Warum war er sich ihrer Gegenwart so überaus bewusst?

Sie war schmutzig und durchnässt, trotzdem ging sie weiter. Wenn sie manchmal stehen blieb und in den Dschungel schaute, schimmerte keine Angst in ihren Augen, nur Interesse.

„Was ist das?“

Nachdem er sich umgedreht hatte, folgte er ihrem Blick. Rafael entdeckte nur Lianen, die einen alten Baum umrankten. „Was?“

„Der rote Vogel. Er ist wunderschön.“

Er betrachtete ihr Gesicht. Gehörte das zu ihrer Show? Unbeirrt beobachtete sie das kleine rote Federknäuel. Als sie ihm schließlich den Kopf zuwandte, lächelte sie.

„Sie wissen es nicht.“ Spott funkelte in ihren Augen, während sie an den Riemen des Rucksacks nestelte. „Dies hier ist praktisch Ihr Garten, aber sie kennen den Namen des Vogels nicht.“

„Wir sind hier nicht auf einer ‚Wunder-der-Natur‘-Tour“, erwiderte er grob. Ein Blitz leuchtete am Himmel. Eine Sekunde später wurde der Regen heftiger. „Wir stellen uns einen Moment unter“, sagte Rafael und zog Grace in den Schutz eines großen Baumes.

„Was hat das für einen Sinn?“, fragte sie lachend. „Ich bin in den Fluss gefallen. Nasser kann ich nicht werden.“ Und wie um ihren Standpunkt zu beweisen, nahm sie den Saum ihres T-Shirts in die Hände und wrang ihn aus. Dicke Wassertropfen fielen zu Boden. „Sehen Sie, was ich meine?“

Seit über einer Stunde waren sie jetzt unterwegs. Grace musste müde sein. Dennoch hatte sie sich mit keinem Wort beschwert. Widerwillig nahm Rafael zur Kenntnis, dass Bewunderung in ihm aufstieg. Er kannte keine andere Frau, die ihre High Heels fröhlich gegen Wanderschuhe eingetauscht hätte und dann munter durch den Regenwald gelaufen wäre.

Doch dann fiel ihm wieder ein, dass sie es wahrscheinlich gar nicht wagte, sich zu beklagen. Schließlich hoffte sie immer noch, ihm Geld abzuluchsen.

Wütend darüber, dass sein Körper trotzdem auf sie reagierte, spähte er in den Regen. Wenige Sekunden später ruhte Rafaels Blick wieder auf der jungen Frau.

Mit geschlossenen Augen lehnte sie an dem Baumstamm und atmete den Duft des Dschungels ein. Ihre Verwandlung vom Stadtmenschen in eine Waldnymphe hatte etwas unbeschreiblich Sinnliches an sich. Ihre Wangen waren gerötet, und Wassertropfen hafteten auf ihren Lippen. Sie schien fast mit der Natur zu verschmelzen. Es war, als sei sie Teil des Waldes, genau dort platziert, um einen Mann zu verführen.

Und sie war verführerisch.

Heiße Wogen der Lust hüllten ihn ein, während er den Blick von ihrem Mund abwandte und tiefer gleiten ließ.

Der Regen hatte das T-Shirt nahezu durchsichtig werden lassen. Rafael bot sich der atemberaubende Anblick kleiner fester Brüste und aufgerichteter Knospen, die sich deutlich unter dem Stoff abzeichneten. Die Hitze in seinem Innern stieg, als er die schmale Taille und die weiblichen Hüften betrachtete. Ihre Hose war voller Schlammspritzer und auf einer Seite gerissen. Auch die Schuhe wirkten nicht mehr neu, sondern schäbig. Und dennoch, Rafael konnte sich nicht erinnern, jemals eine Frau so intensiv begehrt zu haben.

Etwas Gefährliches regte sich in ihm. Einen Moment übergab er sich dem Gefühl der Lust, so mächtig und durchdringend, dass es ihm fast urtümlich vorkam.

Auch wenn sie von den Geräuschen des Waldes und dem strömenden Regen umgeben waren, hier, im Schutz des Baumes, gab es nur sie beide.

Vielleicht hatte Grace seinen Blick gespürt, denn sie öffnete langsam die Augen. Ihre Vorsicht wich Neugier, dann erkannte Rafael etwas ganz anderes auf ihrem Gesicht schimmern – etwas, das sie beide fühlten.

Die Luft zwischen ihnen vibrierte förmlich. Dasselbe Knistern, das schon ihre erste Begegnung begleitet hatte, brach sich wieder Bahn.

Sein Entschluss, erst das Geschäftliche zu erledigen, war vergessen. Geleitet von seinen Instinkten, trat Rafael einen Schritt vor und presste die Lippen auf ihren Mund. Mit seinem Körper drängte er sie gegen die raue Borke des Baumes. Während er sie stürmisch küsste, öffnete sie den Mund und schlang die Arme um seinen Hals.

Mit den Händen streichelte er über den schmalen Streifen Haut zwischen T-Shirt und Hosenbund. Ihre Kleider waren feucht, dennoch spürte Rafael deutlich die Hitze, die von ihrem Körper ausging. Er ließ eine Hand über ihren flachen Bauch und weiter nach oben gleiten.

Durch den nassen Stoff hindurch fühlte er eine hart aufgerichtete Knospe. Ihr Körper erschauerte bei der Berührung. Ungeduldig schob er die Finger unter den Stoff und liebkoste die warme seidige Haut.

Grace seufzte voller Verlangen auf. Gleichzeitig schmiegte sie sich eng an ihn. Dann nahm sie den Kuss wieder auf und strich mit den Händen über seine Brust, zerrte und zog an den Knöpfen seines Hemdes, bis sie alle geöffnet hatte und endlich, endlich auch seine weiche Haut streicheln konnte.

Während er mit der Zunge die Geheimnisse ihres Mundes erkundete, fand er den Reißverschluss ihrer Hose und wollte ihn öffnen. Ein intensives unbändiges Begehren beherrschte ihn. Doch gerade als er glaubte, von diesen Empfindungen überwältigt zu werden, schlossen sich ihre Finger um seine Hand.

„Nein.“ Das Wort war kaum zu hören. „Nein“, wiederholte sie schließlich. „Wir müssen aufhören.“

Er brauchte einen Moment, um ihre Worte zu begreifen. Dann trat er einen Schritt zurück. Dass er beinah die Kontrolle verloren hatte, konnte Rafael kaum fassen. Noch mehr überraschte ihn aber ihr Wunsch aufzuhören.

Sein ganzer Körper bebte noch vor Verlangen, als Rafael auf den im Regen versunkenen Pfad schaute. „Vertrau mir, niemand wird hier vorbeikommen, wenn dir das Sorgen bereitet.“

„Hier geht es nicht um einen Fremden, sondern um uns.“

„Uns?“ Dieses eine Wort reichte aus, um seine Leidenschaft mit einem Schlag abzukühlen. „Es gibt kein Uns.“

„Vor einer Sekunde hast du mich noch geküsst, und deine Hände waren … überall auf meinem Körper.“

„Und?“ Mit leerem Blick sah er sie an, und sie schüttelte den Kopf.

„Wenn man jemanden küsst, bedeutet das normalerweise, dass man etwas für den anderen empfindet.“

Um sich daran zu hindern, Grace wieder zu berühren, fuhr Rafael sich mit den Fingern durchs Haar. „Chemie. Funken. Das ist alles.“

„Aber warum hast du mich dann geküsst?“

Weil er gewollt hatte? Weil sein Körper sich danach sehnte, jedes Mal wenn er sie ansah?

„Ist das nicht offensichtlich? Ich finde dich sexy.“

„Du magst mich doch gar nicht!“

„Und inwiefern ist das relevant?“

„Ich kann nicht glauben, dass du das fragst.“ Sie wischte sich die Regentropfen aus dem Gesicht. „Du hast mich geküsst.“

„Und du mich.“

„Ja.“ Ruhig erwiderte sie seinen Blick. „Aber dann habe ich dich gebeten aufzuhören. Ich kann keine Beziehung mit jemandem eingehen, der mich nicht mag.“

„Eine Beziehung habe ich dir nicht angeboten.“

„Du wolltest mich gerade lieben!“

In seinem Lachen lag keine Spur von Humor. Liebe? Früher oder später tauchte immer dieses Wort mit den hässlichen Begleiterscheinungen auf. Und dann löschte es sofort die letzten Spuren von Lust aus Rafaels Gehirn. „Hast du mir aus Liebe das Hemd ausgezogen?“

Heißes Blut schoss in ihre Wangen. „Ich gebe zu, es war … es war … Etwas Derartiges habe ich noch nie zuvor gefühlt.“ Sie entfernte sich einen Schritt von ihm, als wollte sie ihm nicht zu nah kommen. „Aber es ist keine gute Idee, aus vielen Gründen. Einer davon ist, dass du, ob es dir gefällt oder nicht, für meinen Kredit verantwortlich bist. Es wäre einfach nicht richtig.“

„Du möchtest, dass ich dir den Kredit garantiere, bevor wir Sex haben?“ Nun, natürlich wollte sie das! Wütend über sich selbst, weil er seine Regeln gebrochen und die Situation komplizierter gemacht hatte, ballte er die Hände zu Fäusten.

Grace schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Ich will, dass du meinen Kredit verlängerst, aber nicht, weil … weil irgendetwas zwischen uns passiert. Sonst würdest du überlegen, ob ich nur deshalb mit dir schlafe.“

Nein, das würde er nicht. Er würde Sex mit ihr haben und sie vergessen. Für dieses Leben hatte Rafael sich entschieden. Jede Form von Selbsttäuschung hatte er vor langer Zeit aufgegeben. „Ich halte nichts von Seelenzergliederungen. Wenn du mit mir schläfst, wird es keine Fragen geben. Das kann ich dir versprechen.“ Er strich sich mit der Hand übers Gesicht, um den Regen abzustreifen. „Ehrlich gesagt kümmert es mich nicht, ob wir überhaupt reden.“

„Das ist ja vielleicht romantisch.“

Er trat einen Schritt auf sie zu, stützte eine Hand gegen den Baumstamm und stellte sich direkt vor Grace. „Romantisch sind die Lügen, die Menschen einander erzählen, um den Sturz ins Bett abzufedern. Und ich lüge nie. Und was ist mit dir, Grace? Wirst du die Lügen auftischen, die Frauen immer von sich geben? Denn dann wäre jetzt der Moment, mir zu sagen, dass du mich liebst. Allerdings wissen wir beide, dass das nicht stimmt. Hier geht es um etwas anderes, nämlich um körperliche Anziehungskraft.“

„Du verwirrst mich.“

„Ich bin nur sehr direkt. Nicht ich, sondern die Menschen um mich herum treiben ihre Spielchen, Miss Thacker.“

„Ich täusche niemanden. Genauso wenig schlafe ich mit Männern, die ich nicht kenne.“

„Sex ist Sex. Man muss es nicht komplizierter machen.“

Entsetzt sah sie ihn an. „Du meinst, dass du heute Liebe mit mir machst und morgen deinen Kredit zurückziehst?“

„Liebe?“ Allein das Wort auszusprechen hinterließ einen bitteren Nachgeschmack bei ihm. „Nicht Liebe. Von Liebe habe ich nicht gesprochen.“

Etwas flackerte in ihren blauen Augen auf. „Dann eben Sex ohne Gefühle.“

„Sex …“ Er drängte sich näher an sie und spürte, wie es sofort wieder heiß zwischen ihnen knisterte. „Es ist ein Appetit, wie Hunger oder Durst. Ein Bedürfnis, das gestillt werden will.“

„Das meinst du doch wohl nicht ernst.“ Energisch trat sie auf den Pfad und rieb sich über die fröstelnden Arme. „Ich habe mir eingeredet, du könntest unmöglich so kalt sein, wie alle behaupten. Die Leute sagen, du hättest eine schwere Zeit hinter dir und deshalb Probleme mit Gefühlen.“

Frustriert biss Rafael die Zähne zusammen. Warum taten Frauen das immer wieder? Warum mussten sie jede Situation bis ins letzte Detail analysieren?

„Wenn es etwas gibt, was meine Libido noch zuverlässiger abkühlt als eine Lügnerin, dann ist es eine Amateurpsychologin“, meinte er, schwang den Rucksack über die Schultern und ging an ihr vorbei auf den Pfad. „Sex ist Sex, minha paixão. Allerdings besitzen nur wenige Frauen den Mut, diese Tatsache anzuerkennen. Sie ziehen es vor, die Angelegenheit in verworrene Emotionen zu kleiden. Nur deshalb fangen sie an zu weinen, wenn der Hunger gestillt ist und alles auseinanderfällt. Darum ist ja auch die Scheidungsrate so hoch.“

Wer beschäftigte sich jetzt mit Analysen? Dass sie ihn dazu brachte, über Themen zu sprechen, die er doch offensichtlich mied, ärgerte ihn. Mit großen Schritten marschierte er den Weg entlang. Noch wütender war Rafael aber auf sich selbst. Warum hatte er dieses Gespräch nicht schon früher beendet?

„Ist es das, was dir passiert ist?“

„Was hast du gesagt?“ Zornig wirbelte er herum.

Sie stand mitten auf dem Pfad, die blauen Augen blitzten, und auf ihren Lippen lag kein Lächeln. Ihr direkter Blick beunruhigte Rafael mehr, als er es je für möglich gehalten hatte.

Ohne zu wissen, warum, ging er zu ihr zurück. Er wusste nur eines: Er hatte genug von diesem Gespräch. Und von Grace Thacker. Von nun an würde er ihre Kurven, die Grübchen und die blonden Haare ignorieren. Manche Frauen waren einfach zu anstrengend. Sie gehörte definitiv dazu.

Und jetzt sah sie ihn aus großen Augen an. Genauso wie Frauen es immer taten, wenn sie erwarteten, dass er sich ihnen öffnete und ihnen seine tiefsten Geheimnisse anvertraute … die sie dann für eine unanständig hohe Summe an die nächste Zeitung verkaufen konnten.

„Ich habe gefragt“, entgegnete sie langsam, „ob dir das passiert ist. Es muss einen Grund für dein Verhalten geben.“

Oh, den gab es. Ein bitteres Lachen unterdrückend, fühlte Rafael sich mit einem Mal in die Vergangenheit zurückversetzt. Er blickte im Dschungel umher, aber er empfand keine Angst. Keine dunklen Erinnerungen. Der Wald war seine Zuflucht, er hatte ihn dazu gemacht.

„Warum ich mich so verhalte? Weil ich ein Mann bin und Männer so sind.“ Dass sie unablässig versuchte, Informationen aus ihm herauszulocken, regte ihn auf. Er konnte den Zorn in seiner Stimme nicht unterdrücken.

„Ich kann einfach nicht glauben, dass du so kalt und unsensibel bist, wie alle glauben.“

„Doch, das bin ich“, erwiderte er knapp, während eine namenlose Wut in ihm aufstieg. „Erinnere dich daran, bevor du mir das nächste Mal persönliche Fragen stellst.“

Was hatte ihn eigentlich dazu bewogen, mit Grace Thacker durch den Regenwald zu wandern? Abrupt drehte er sich um.

Frauen, dachte er und erhöhte das Schritttempo.

Je früher sie die fazenda erreichten, desto eher konnte er Miss Thackers falsches Spiel aufdecken und diese Farce beenden.

Und dann würde er sie nach Hause schicken.

Schweigend folgte Grace ihm. Damit sie nicht ausrutschte oder stolperte, hielt sie den Blick die ganze Zeit fest auf den Boden gerichtet.

Doch an die Herausforderungen des Regenwaldes dachte sie gar nicht. Ihre Gedanken kreisten nur um den Kuss. Den wundervollen, erstaunlichen Kuss, der ihren Körper aus tiefem Schlaf erweckt hatte.

Sie wünschte, sie hätte den Mund gehalten.

Vielleicht hatte er recht, und Sex ohne reden war besser. Ihre Worte hatten die zerbrechliche Perfektion des Augenblicks zerstört.

Worte … die tödlichste Waffe der Menschheit.

Dabei hätte doch vor allem sie wissen müssen, welchen Schaden Worte anrichten konnten. Sorglos hatte sie ihre Pfeile abgeschossen, ohne an die Wunden zu denken, die sie damit aufreißen konnte.

Jetzt bereute sie es und fühlte sich schuldig. Hätte sie nur nicht den Kredit angesprochen! In jedem Fall unterstellte er ihr nun, dass sie mit ihm schlafen würde, wenn sie das Geld für die Firma bekam.

Aber am meisten wünschte sie, sie hätte nicht nach seiner Ehe gefragt. Das war zu persönlich und unangemessen, das sah Grace inzwischen ein. Nach seinen bitteren Bemerkungen und weil sie seine Anspannung spürte, hatte sie sich nicht davon abhalten können.

Und dann hatte sie ihm in die Augen gesehen und den Schmerz und den Zynismus darin erkannt. Ihre Furcht hatte sich in Sorge und Mitgefühl gewandelt.

Was war für diese Dunkelheit in seiner Seele verantwortlich?

Welche Erinnerungen suchten ihn nachts heim, dass er vor den Computerbildschirm flüchtete?

Und warum hatte er sie geküsst?

Sie war nicht so naiv und töricht, dass sie in dem leidenschaftlichen Kuss mehr gesehen hätte als körperliche Lust. Auch wenn sie eine solch explosive Kraft bis zum heutigen Tag nicht erlebt hatte, war Grace klar gewesen, dass es so heftige Gefühle gab. Sie wusste, dass man Sex ohne Liebe haben konnte. Sie wusste das alles. Aber das hieß nicht, dass sie nicht an Liebe glaubte.

Etwas noch nicht gefunden zu haben, bedeutete nicht, dass es nicht existierte.

Und nur weil man es nicht erlebt hatte, konnte man sich dennoch danach sehnen.

Vielleicht würde sie diese Liebe nie erfahren. Aber das hielt Grace nicht davon ab, darauf zu hoffen. Und was war ein Leben ohne Hoffnung?

Auf einmal verstand sie die dunkle Leere, die sie in seinen Augen gesehen hatte. Rafael Cordeiro lebte ohne Liebe.

Warum?

Weshalb hatte er diese Entscheidung getroffen?

Und wieso kümmerte es Grace überhaupt?

4. KAPITEL

Ohne zu sprechen, wanderten Rafael und Grace den Pfad entlang. Das Vogelgezwitscher, das Quaken der Frösche und das Kreischen der Affen überdeckte ihr Schweigen.

Hin und wieder blickte Rafael sich nach ihr um. Warum er das tat, wusste Grace nicht. Sie glaubte nicht, dass er etwas dagegen hätte, wenn sie kopfüber in den Fluss fiel. Seit geraumer Zeit plätscherte das Wasser munter neben ihnen dahin.

Ganz offensichtlich wollte er in seinem Dschungelversteck alleine sein.

Sie hatte den Fehler gemacht und eine Hand nach ihm ausgestreckt. Daraufhin war er wie ein verletztes Raubtier zurückgewichen und hatte sie gewarnt.

Bleib auf Distanz. Komm mir nicht zu nahe.

Und genau das würde sie tun. Sie würde die fazenda besuchen, dann mit ihm zu dem Haus zurückkehren und sich seine Entscheidung über ihren Kredit anhören. Wie auch immer diese Antwort ausfiel, danach würde Grace abreisen.

Rafael Cordeiro mit seinen dunklen Geheimnissen und der zynischen Lebenseinstellung würde der Vergangenheit angehören.

Und das ist auch gut so, sagte sie zu sich selbst, während sie über eine Wurzel stieg. Niemals würde Grace zu den Frauen gehören, die Sex ohne Liebe genießen konnten. Denn sonst müsste sie ihre Träume aufgeben.

Und dazu war sie noch nicht bereit.

Grace war so tief in Gedanken versunken, dass sie mit ihm zusammenstieß, weil er unvermittelt stehen geblieben war.

„Entschuldigung.“ Hastig wich sie seiner hilfreich ausgestreckten Hand aus und blickte in die Bäume. „Warum halten wir?“

„Hier beginnt die fazenda.

In seiner Stimme lag keinerlei Wärme. Er sprach wie ein Reiseleiter, der darauf trainiert war, die passenden Informationen zum richtigen Zeitpunkt abzuspulen.

Überrascht schaute Grace sich um, konnte aber rechts und links des Pfades nur dichten Dschungel erkennen. „Wir sind immer noch im Regenwald.“

„Der Kaffee wird mitten im Wald angebaut. Das Land hier gehört den Bauern. Sie leben und arbeiten in perfekter Harmonie mit der Natur.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Solche Dinge sind dir doch wichtig, Grace, nicht wahr?“

Also standen sie wieder am Anfang. Harte Blicke und sarkastische Kommentare, deren tiefere Bedeutung sie noch nicht herausgefunden hatte.

„Ja, darauf lege ich großen Wert. Und ich kenne die Geschichte der fazenda. Eben weil der Kaffee auf ökologisch verträgliche Weise angebaut wird, zahlen wir ja unseren Preis. Würden wir billigeren Kaffee kaufen, würdest du vielleicht jetzt schon Gewinne aus deinen Investitionen ziehen.“ Und vielleicht wärst du dann nicht so wütend. Ihn schien nur Geld zu interessieren, nichts sonst. Plötzlich musste Grace an seine Ehefrau denken.

War das der Grund, warum sie ihn verlassen hatte? Weil ihn nur Dollars, Cents und Profite scherten?

Das nunmehr vertraute zynische Funkeln war in seine Augen zurückgekehrt. „Ich schlage vor, wir verschieben diese Unterhaltung, bis du dich auf der fazenda umgesehen hast.“

Sie marschierten an Bächen und gestauten Wasserläufen entlang. Hin und wieder kamen sie an grasenden Ziegen und frei laufenden Hühnern vorbei. Auf einer Lichtung spielte ausgelassen eine Gruppe kleiner Kinder.

Schließlich näherten sie sich einigen Gebäuden, aus denen bei ihrer Ankunft ein Mann und eine Frau traten. Ihre schlichte Kleidung war staubig und abgetragen. Die körperliche Arbeit unter der brasilianischen Sonne hatte ihre Gesichter und Hände gezeichnet. Es war unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Vielleicht waren sie Ende sechzig, aber sie konnten ebenso gut jünger sein.

Die Frau streckte die Arme aus. Sie begrüßte Rafael voller Wärme und Respekt. Er sprach schnell auf Portugiesisch. Hin und wieder glitt sein Blick zu Grace, sodass sie keinerlei Zweifel hegte, wer Thema dieses Gesprächs war.

Sich ihrer schäbigen Aufmachung bewusst, strich Grace sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Doch die beiden Alten schien ihre schmutzige Kleidung überhaupt nicht zu interessieren.

Stattdessen hörten sie Rafael zu und bedachten Grace mit ängstlichen Blicken. Während er redete, schien das freudige Begrüßungslächeln auf den Gesichtern einzufrieren.

Grace seufzte. Was auch immer er über sie sagte, schmeichelhaft war es nicht. Auch wenn sie die Feindseligkeit nicht gänzlich verstand, eines stand fest: Er mochte sie nicht.

Außer in sexueller Hinsicht, blitzte ihr ein Gedanke auf. In dieser Hinsicht hatte sie durchaus bei ihm punkten können.

In dem älteren Paar ging jetzt eine Veränderung vor. Nun schauten sie Grace mit einer Mischung aus Angst, Beklommenheit und einer Spur … Wut an.

Plötzlich hatte sie den Eindruck, der spontane Besuch sei alles andere als willkommen. Sie berührte Rafael am Arm. „Sind sie über meine Anwesenheit verärgert?“

Aber Rafael ignorierte ihre Frage und unterhielt sich weiter mit dem Paar auf Portugiesisch. Er schien sie wegen irgendetwas zu beruhigen und hatte Erfolg damit. Die Frau griff nach seiner Hand und schaute ihn dankbar an.

Fasziniert beobachtete Grace, wie Rafaels Augen weich aufleuchteten und sich seine starken Finger um die von harter Arbeit gezeichneten Hände der alten Frau schlossen.

Also war er doch nicht so gefühllos, wie er sich gab.

Schließlich ließ er die Hand der Frau los und wechselte zurück ins Englische. Lächelnd trat Grace einen Schritt vor, als er ihr das ältere Paar vorstellte.

„Carlos und Filomena“, sagte er ruhig. „Gemeinsam mit ihrer großen Familie und einigen Arbeitern aus der nahe gelegenen Stadt bestellen sie das Land.“

Filomena sagte etwas auf Portugiesisch.

„Sie meint“, übersetzte Rafael, „sie freuen sich, dass du hier bist und sie die Gelegenheit erhalten, dir alles zu zeigen.“

Der seltsame Unterton in seinen Worten bereitete Grace Unbehagen. Andererseits war sie Rafaels vermeintlich doppeldeutigen Wortspielen schon seit der Ankunft ausgesetzt. Vielleicht irrte Grace sich. Sie nickte nur und zeigte mit einem warmen Lächeln, dass sie sich ebenfalls freute.

Das brasilianische Paar führte sie unter eine Baumgruppe und sprach dabei auf Portugiesisch auf sie ein. Hilfe suchend wandte Grace sich an Rafael. Dabei versuchte sie zu ignorieren, wie sich seine Muskeln unter dem feuchten T-Shirt abzeichneten.

„Der Kaffee wird im Schatten des Waldes angebaut“, übersetzte Rafael. „Auf diese Weise wird der Dschungel nicht zerstört. Die Bäume geben Stickstoff in den Boden ab, darum gedeihen die Kaffeepflanzen besonders gut. Außerdem verhindern die Bäume eine Erosion und schützen den empfindlichen Kaffee vor dem extremen Wetter. Dadurch erhöht sich der natürliche Zuckeranteil in der Bohne, und der Geschmack verbessert sich.“

„Und die abgestorbenen Blätter versorgen die Pflanzen mit Nährstoffen und halten die Feuchtigkeit im Boden.“ Grace lächelte und nickte. „Bitte sag ihr, dass ich die Vorteile dieser Anbaumethode kenne. In jedem Café gibt es eine Wand, die darüber informiert. Die Menschen genießen ihre Tasse Kaffee, weil sie wissen, dass sie damit ein Stück Regenwald schützen.“

„Ein marketingtechnischer Geniestreich, da bin ich mir sicher.“ Kurz blitzten Rafaels Augen verächtlich auf, dann sprach er wieder mit der Frau. Sie antwortete mit weit ausholenden Gesten. Ihre Stimme wurde lauter, doch plötzlich hielt sie sich erschrocken eine Hand vor den Mund und schüttelte den Kopf. Tränen schimmerten in ihren dunklen Augen.

„Was ist los?“, fragte Grace zutiefst besorgt. „Was geht hier vor sich?“

Nachdem sie ihrem Ehemann einen entschlossenen Blick zugeworfen hatte, trat Filomena vor. „Você toma um cafezinho?

Cafezinho war das portugiesische Wort für Kaffee, das wusste Grace. Sie nickte begeistert. „Lädt sie mich ein, den Kaffee zu probieren?“, fragte sie Rafael.

„Sie bietet dir ihre Gastfreundschaft an.“ Im Sonnenlicht glänzten seine schwarzen Haare, er hatte die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. „Unter den gegebenen Umständen ist das mehr, als du verdienst.“

Mehr, als sie verdiente? Welche Umstände? Warum ist sie so aufgeregt?“

„Sie bietet dir Gastfreundschaft – in der Hoffnung, du zahlst sie ihr mit Ehrlichkeit zurück.“ In seinen Augen spiegelte sich kaum verhohlene Wut. „Das Spiel ist aus, Miss Thacker.“

Spiel? Was für ein Spiel? Doch ihr blieb keine Zeit zu fragen, denn er begleitete Filomena und Carlos bereits zu einem der Häuser. Grace blieb nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen.

Entnervt von ihren vergeblichen Versuchen, Rafaels Kommentare zu verstehen, wandte sie ihre Aufmerksamkeit der üppig wachsenden Natur zu. Überrascht entdeckte Grace Obstbäume und Blumen. „Das ist ja wunderschön. Bauen sie noch andere Pflanzen außer Kaffee an?“

„Eine Vielzahl an Früchten und Gemüse. Eine gute Art, Schädlinge zu minimieren.“

„Es ist sicher nicht leicht, so von der Umwelt abhängig zu sein.“

Sie hatten das kleine Häuschen erreicht. Rafael blieb stehen und gestattete ihr, dem Ehepaar ins Innere zu folgen. „Nicht alle Gefahren kommen aus der Natur.“

Nachdem sie sich an einen Tisch gesetzt hatten, nahm Grace dankbar eine Tasse heißen Kaffee entgegen. Sie stieß ein glückliches Seufzen aus, als ihr die reichen Aromen in die Nase drangen. „Er ist köstlich und schmeckt sogar noch besser als zu Hause.“

Stille kehrte ein. Schließlich begann Filomena mit solcher Leidenschaft in der Stimme zu sprechen, dass ihr Ehemann eine Hand auf ihren Arm legte. Anscheinend wollte er sie damit zum Schweigen bringen.

Grace stellte die Tasse zurück auf den Tisch. „Was ist los?“, wandte sie sich an Rafael.

„Sie will wissen, warum du, wenn du doch denn Kaffee so magst, nicht bereit bist, einen fairen Preis dafür zu bezahlen.“

Schweigend dachte sie über seine Worte nach. Warum behauptete er so etwas? „Wir zahlen einen fairen Preis, weit über dem üblichen Marktpreis. Du kannst die Zahlen in den Büchern kontrollieren.“

Sein Blick wurde härter. „Das habe ich getan. Warum, glaubst du, verweigere ich deiner Firma die Verlängerung des Kredits?“

„Weil wir noch keine Gewinne erzielen. Weil …“, sie unterbrach sich, als sie verstand, was er wirklich meinte. „Willst du damit sagen, dass deine Entscheidung etwas mit dem Preis zu tun hat, den wir für den Kaffee bezahlen? Wenn das der Fall ist, machst du einen Fehler. Wir lassen uns hohe Qualität durchaus viel kosten.“

„Aber an wen zahlst du denn die hohen Preise? In den letzten Jahren hat Café Brazil den Preis für die Bohnen kontinuierlich gedrückt. Diese fazenda kann den Betrieb kaum noch aufrechterhalten. Ohne Unterstützung von außen werden sie nicht mehr lange weitermachen können. Mit dem Preis, den du bezahlst, kann Carlos seine Kinder und Enkelkinder nicht mehr ernähren. Das sind die Folgen deines Geizes, minha paixão. Verstehst du es jetzt?“

Wie erstarrt saß Grace da.

Geiz?

Sie hatte keine Ahnung, was sie falsch gemacht hatte. Aber als sie Rafaels finsteres Gesicht und die besorgten Mienen des Ehepaares musterte, war Grace klar, dass alle sie für schuldig hielten. „Wie zahlen einen guten Preis“, wiederholte sie mit heiserer Stimme die eine Tatsache, die sie mit Sicherheit wusste.

„Die Bücher sagen etwas anderes.“ Rafael wandte sich Filomena zu, die wieder zu sprechen begonnen hatte. „Sie meint, sie können es sich nicht länger leisten, dir den Kaffee zu verkaufen. Sie werden sich nach einem anderen Käufer umsehen.“

„Nein! Das dürfen sie nicht. Der Kaffee ist wirklich etwas Besonderes. Das wissen auch unsere Kunden.“ In einer Geste der Versöhnung legte sie eine Hand auf den Tisch. Sogleich zog Grace sie wieder zurück. Diese Frau wollte keine Versöhnung, sie brauchte Geld. „Bitte sag ihr, dass alles ein großes Missverständnis sein muss. Ich kenne noch nicht die Hintergründe. Ich werde jedoch herausfinden, was passiert ist. Das verspreche ich. Ich werde die Sache überprüfen.“

„Überprüfen?“, fragte er sarkastisch. „Was gibt es da zu überprüfen?“

„Du hast die Konten gesehen. Du weißt, was wir zahlen.“

„Gesehen habe ich, dass du dem Händler, der den Kaffee importiert, einen hohen Betrag bezahlst.“

„Willst du damit andeuten, dass unser Geld nicht weitergeleitet wird? Dass der Händler, den mein Vater ausgesucht hat, unehrlich ist?“

Rafael lächelte dünn. „Oh, ich glaube nicht, dass er da der Einzige ist. Seine Preise liegen weit über Marktniveau. Ich bin sicher, viele profitieren davon. Leider gehört die fazenda nicht dazu.“

Ihr Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. „Willst du andeuten, wir hätten einen dubiosen Deal mit dem Händler abgeschlossen? Er berechnet uns zu viel und wir teilen die Differenz?“

„So sieht es aus.“

„Du beschuldigst mich des Betrugs.“

„Ja“, entgegnete er in seidigem Tonfall. Ihr wachsendes Entsetzen schien ihn völlig kaltzulassen. „Das tue ich.“

„Und es kommt dir nicht in den Sinn, dass es vielleicht noch eine andere Erklärung gibt?“, fragte sie, während sie die Ungeheuerlichkeit seiner Anschuldigung zu verkraften versuchte.

„Welche?“

Grace biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe keine. Noch nicht, aber bald werde ich eine finden.“

„Wenn du genügend Zeit hattest, dir eine auszudenken?“

„Nein, so meinte ich das nicht. Wenn ich die Wahrheit herausgefunden habe.“

„Vielleicht stehst du auch einfach nur auf den Händler.“ Sein Blick wanderte zu ihrem Mund, dann zu ihren Brüsten. Kein Zweifel, was er damit andeuten wollte.

Die unverhohlene Anspielung auf das leidenschaftliche Zwischenspiel im Dschungel brachte Grace zum Erröten. Sie öffnete den Mund, um sich zu verteidigen, dann schloss sie ihn wieder. Was nützte es, ihm zu sagen, dass sie sich normalerweise nicht so verhielt? Es würde nur seinem ohnehin schon überdimensionierten Ego schmeicheln. Glauben würde er ihr auch nicht. „Irgendetwas geht hier vor sich, da stimme ich dir zu. Und ich kann dir nicht verdenken, dass du glaubst, ich sei darin verwickelt. Die Beweise sprechen offenbar gegen mich. Ich muss dringend ein paar Anrufe machen.“

„Das musst du nicht. Deine Firma ist erledigt. Deshalb brauchst du dir allerdings keine Sorgen zu machen. Ich denke, du kannst deinen Lebensunterhalt hervorragend als Schauspielerin verdienen. Du bist sehr überzeugend.“ Rafael unterdrückte ein Gähnen und stand auf. „Wir müssen zurück zum Haus, bevor es dunkel wird.“

Die Dunkelheit und die Gefahren, die im Regenwald lauern mochten, waren ihr gleichgültig. In ihrem Unternehmen war irgendetwas schiefgelaufen. Wenn Rafael recht hatte, und daran hegte sie keinerlei Zweifel, waren die Bücher manipuliert worden.

Wie hatte jemand das tun können? Und wer?

Sobald sie Rafael Cordeiro von ihrer Unschuld überzeugt hatte, würde Grace nach Antworten suchen und sie finden.

Spielte es eine Rolle, was er über sie dachte?

Im Augenblick zählte, dass diese freundlichen Menschen vor ihr sie für schuldig hielten.

Und vielleicht bin ich das in gewisser Weise auch, dachte sie unglücklich.

Sicher, sie hatte das Geld nicht genommen. Trotzdem war es ihre Firma, und Grace hatte nichts bemerkt.

Erschüttert von der Tatsache, dass sie für das Leiden dieser Menschen verantwortlich war, ließ sie sich auf die Knie sinken und ergriff Filomenas Hand.

„Ich werde herausfinden, was passiert ist. Und ich werde Ihnen das Geld bezahlen, das ich Ihnen schulde“, versprach sie. An Rafael gewandt, sagte sie: „Übersetz das für mich.“

Seine Augen blickten kalt. „Ich wecke nicht gern falsche Hoffnungen.“

„Übersetz es für mich!“ Jetzt schienen die Emotionen in ihrer Stimme eine Wirkung zu haben. Nachdem er sie lange gemustert hatte, zuckte er die Schultern und sagte etwas auf Portugiesisch zu der Frau.

Zögernd legte Filomena eine Hand auf Grace’ Schulter und nickte.

„Da hast du es“, fuhr Rafael sie scharf an. „Du hast sie überzeugt, dass du unschuldig bist. Bist du jetzt glücklich?“

Grace stand auf, die Fingernägel gegen die Handflächen gepresst. „Nein, ich bin nicht glücklich. Meinetwegen haben sie gelitten. Jemand missbraucht meine Firma für seine persönlichen Ziele. Café Brazil bedeutet mir etwas. Wir helfen damit Menschen.“

„Da bin ich mir sicher.“ Er lächelte höhnisch. „Du bist eine Heilige, Grace Thacker. Eine Heilige in High Heels.“

Grace rang um Beherrschung. Wie, wie hatte das alles nur passieren können?

Sie hob das Kinn und sah Rafael fest in die Augen. „Nach allem, was du mir erzählt hast, verstehe ich, dass du wütend auf mich bist und den Kredit aus meiner Firma abziehen willst.“

„Gut. Dann müssen wir nicht länger unsere Zeit verschwenden.“

Während sie tief Luft holte, legte Grace ihm eine Hand auf den Arm. „Wenn du dein Geld zurückverlangst, kann ich die Angelegenheit nicht klären und nichts wiedergutmachen. Und das möchte ich aber.“

„Sicher. Es ist bestimmt nicht leicht, mit anzusehen, wie sich ein beachtlicher Teil deines Einkommens in Rauch auflöst.“

„Mein Einkommen ist mir völlig egal. Hier geht es nicht um Geld. Warum glaubst du mir das nicht? Wenn diese Dinge wirklich alle passiert sind, dann ohne mein Wissen.“

Der Ausdruck in seinen Augen wurde so hart wie seine Stimme. „Du bist die Chefin des Unternehmens, du hast Zugang zu den Firmenkonten. Es ist unmöglich, dass du nichts gewusst hast.“

Ist es das? Ist es wirklich unmöglich?

Plötzlich schienen alle Puzzleteilchen an den richtigen Platz zu fallen. Es war möglich. Und sie wusste auch, wie es hatte passieren können.

Entsetzt und voller Panik wollte Grace mit der Wahrheit herausplatzen. Nur der grimmige Zug um Rafaels Mund hielt sie davon ab. Es war zu spät für die Wahrheit. Er hatte sie bereits für schuldig befunden. Sie konnte die Wut in seinen Augen lesen. Mit einem Mal bereute sie zutiefst, ihm gegenüber nicht von Anfang an ehrlich gewesen zu sein.

Dann hätte er jedoch nie in ihre Firma investiert. Wenn er die Wahrheit über sie gekannt hätte, wäre er nicht im Traum auf die Idee gekommen. Wie alle anderen hätte er ihr nichts zugetraut, ihr Vater eingeschlossen.

Und Grace war so daran gewöhnt, ihr Handicap zu überspielen. Die daraus resultierenden Probleme löste sie immer irgendwie.

Deshalb suchte sie nun verzweifelt nach einer anderen Erklärung. Und fand keine.

Grace taumelte und spürte starke männliche Hände auf ihrem Arm, als Rafael sie auf den Stuhl zurückdrängte.

„Setz dich“, sagte er unwirsch. „Und reiß dich zusammen. Zu betrügen birgt immer ein Risiko. Du hast es verdient, ertappt zu werden. Diese Menschen sind völlig unschuldig, aber deine Taten haben sie an den Rand des Ruins gebracht.“

„Wir kaufen den Kaffee von einem Händler, und wir bezahlen einen großzügigen Preis. Er muss die Differenz mit jemandem aus meiner Firma teilen“, wiederholte sie matt.

Verächtlich lächelte er. „Wer mag das wohl sein? Vielleicht die Besitzerin?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nicht mit mir.“ Aber mit wem dann?

Als Erstes musste sie jedes Detail der Bücher prüfen. Nur, wie sollte sie das bewerkstelligen?

Und wem konnte sie noch vertrauen?

Als ihr die Ironie der Situation bewusst wurde, hätte Grace beinahe gelacht.

Der Einzige, der ihr tatsächlich helfen könnte, warf ihr gerade einen angewiderten Blick zu. Um wie vieles würde seine Abneigung wachsen, wenn er erst die Wahrheit über sie erfuhr? Um ihren Namen reinzuwaschen, musste Grace ihm alles über sich erzählen. Aber noch während der Gedanke in ihrem Kopf aufstieg, verwarf sie ihn.

Nein, sie würde Rafael Cordeiro nicht um Hilfe bitten. Es war vorbei. Sie würde nach England zurückkehren und irgendwie die Antworten finden, die sie brauchte. Und dann würde sie sich nach einem anderen Investor umsehen, um Café Brazil zu retten.

5. KAPITEL

Der Rückweg zum Haus verlief schweigend. Nachdem die Emotionen auf der fazenda hochgekocht waren, herrschte jetzt eine frostige Stimmung.

Und das ist kaum überraschend, sagte Rafael sich, während er weit ausholende Schritte machte. Frauen zeigten sich nie von ihrer besten Seite, wenn sie durchschaut worden waren. Weil er ihr im Nacken und die weinende Filomena ihr gegenübersaß, war Miss Thacker keine andere Möglichkeit geblieben. Grace hatte Schuld und Reue zeigen müssen. Wobei sie allerdings aufrichtig gewirkt hatte.

Tatsächlich war sie sehr überzeugend. Hätte er es nicht besser gewusst, würde er ihr die Bestürzung fast abnehmen. Ihre schockierten Antworten und die wirklich bemerkenswerte Zurschaustellung von Gewissensbissen hätten ihn beinahe dazu verleitet, ihr Trost und Unterstützung anzubieten.

Um auszuschließen, dass er sich geirrt hatte, war er sogar noch einmal alle Fakten im Kopf durchgegangen. Gab es eine Möglichkeit, dass sie unschuldig an dem Betrug war?

Nein, auf keinen Fall. Sie konnte jederzeit auf die Konten zugreifen. Sie kannte die Umsatzzahlen der Firma. Die Bücher wurden von ihrem Vater geführt.

Rafael blickte über die Schulter und war überrascht, Grace unmittelbar hinter sich zu sehen. Er ging schnell, aber sie hielt mit ihm Schritt.

Und dann sah er die Emotionen in ihren Augen. Sie nahm die Umgebung überhaupt nicht wahr.

Waren es Wut und Frustration? Wahrscheinlich. Schließlich war ihr falsches Spiel aufgeflogen.

Er zweifelte nicht daran, dass sie auf der fazenda die Reumütige nur gespielt hatte. Warum war er trotzdem beeindruckt? Wusste er nicht, besser als jeder andere, zu welch Höchstformen eine Frau auflaufen konnte, wenn man sie in die Enge trieb?

Stirnrunzelnd konzentrierte er sich wieder auf den Pfad vor sich.

Ein Hubschrauber würde Grace morgen nach Rio de Janeiro bringen, damit sie ihren Linienflug nach London erreichte.

Als sie am Haus ankamen, wandte Rafael sich zu ihr um. „In zwei Stunden gibt es Abendessen. Ich nehme an, du willst dich bis dahin ausruhen.“

Sie schien seine Worte nicht gehört zu haben, weshalb er sie wiederholte. Dieses Mal sah sie ihn so erschrocken an, als hätte sie seine Existenz völlig vergessen. Grace blinzelte und zwang sich offensichtlich, sich auf die Situation zu konzentrieren.

„Ja, vielen Dank.“

Ihm fiel auf, wie blass sie aussah. Außerdem hatte sie dunkle Ringe unter den Augen. Sie sah mitgenommen aus. Erschöpft. Sie waren viele Meilen unter anstrengenden Bedingungen gewandert, und sie hatte sich nicht einmal beklagt.

„Du brauchst eine Dusche und musst dich hinlegen.“ Noch während er sprach, wunderte er sich, warum er solche Besorgnis zeigte. Anscheinend fragte sie sich dasselbe, denn sie musterte ihn überrascht.

„Es tut mir leid, dir mit einer zweiten Übernachtung Unannehmlichkeiten zu bereiten.“

Ihr Tonfall ähnelte dem eines Kindes, das frühzeitig eine Party verlässt. Plötzlich wünschte Rafael, sie würde ihm lieber so kämpferisch entgegentreten wie auf dem Hinweg zur fazenda.

Diese Frau war voller Widersprüche. Sie einzuschätzen, wurde fast unmöglich. Sie legte eine seltsame Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit an den Tag. Unschuld vermischte sich mit einer faszinierenden Erotik, deren Grace sich gar nicht bewusst zu sein schien. Sie flirtete nicht mit ihm. Und doch war jede Bewegung ihres Körpers verführerisch.

Vögel, bunt wie ein Regenbogen, flogen über das gläserne Dach des Eingangsbereichs hinweg. Dieses Mal löste der Anblick keine Freude bei ihr aus. Grace schien die Tiere nicht einmal zu bemerken.

Rafael kam es so vor, als stünde sie unter Schock.

„Wir sehen uns beim Abendessen.“ Bis zu diesem Moment hatte er gar nicht die Absicht gehabt, mit ihr zu essen.

Warum wollte er noch einen Abend mit ihr verbringen? Er sollte doch erleichtert sein, dass ihre schmutzigen Geschäfte aufgeflogen waren, und sie einfach stehen lassen. Morgen früh wäre sie für immer aus seinem Leben verschwunden.

Allerdings würde es nicht leicht werden, sie zu vergessen. In jenem Kuss im Regenwald hatte mehr gelegen als die Lust zweier Erwachsener. Viel mehr.

Selbst jetzt noch spürte er es, eine unsichtbare Kraft, die sie miteinander verband. Grace musste es auch wahrgenommen haben, denn sie machte eine nervöse Geste und wich zurück.

„Vielleicht sollte ich alleine in meinem Zimmer essen. Trotzdem wäre ich dankbar, wenn ich ein Telefon benutzen könnte.“

„Es gibt einen Apparat in deinem Zimmer. Aber du wirst mit mir zusammen zu Abend essen.“

Sie entgegnete nichts. Irritiert überlegte Rafael, ob sie nur einfach zu müde zum Streiten war. Irgendwie wirkte sie … besiegt?

Und das ist gut so, dachte er und rieb sich den Nacken, um sich daran zu hindern, sie zu berühren. Wenn ihr Bedauern und ihre Reue aufrichtig waren, würde es sie vielleicht davon abhalten, noch einmal jemanden zu betrügen.

Grace legte den Hörer auf die Gabel und ließ sich aufs Bett fallen.

Nichts.

Niemand.

Ihr Vater war auf Geschäftsreise, genau wie der Bankmanager, der ihr geholfen hatte, die Expansionspläne für die Cafés zu erstellen. Sie hatte sogar versucht, den Kaffeehändler anzurufen, aber nur einen Anrufbeantworter erreicht.

So leicht würde sie also keine Antworten auf ihre Fragen bekommen. Sie musste zurück nach London und die Person aufspüren, die sich auf Kosten von Café Brazil bereicherte.

Aber London war elf Flugstunden von Rio entfernt, und sie befand sich immer noch mitten im Regenwald. Außerdem lag ein ganzer Abend mit einem Mann vor ihr, der jeden Grund hatte, sie für ein Miststück zu halten.

Er forderte sein Geld nicht deshalb zurück, weil er mehr Profit wollte. Nein, Rafael bestrafte sie, da sie Carlos und Filomena hintergangen hatte. Es war offensichtlich, dass er den beiden sehr zugetan war, und dieses Wissen freute sie. Also steckte ein guter Kern in ihm … wenn man es auf sich nahm, lange genug danach zu suchen, fand man ihn.

Allerdings half das ihrer Firma auch nicht weiter.

Alles, was sie aufgebaut hatte, drohte zu Staub zu zerfallen. Sie hätte es wissen müssen. Sie hätte die falschen Zahlen entdecken müssen. Nur bestand überhaupt nicht die Möglichkeit, dass sie ihr jemals aufgefallen wären.

Sollte sie Rafael die Wahrheit sagen?

Aber was hatte das für einen Sinn? Egal, was sie jetzt vorbrachte, in seinen Ohren klang es wie eine billige Ausrede. Für Erklärungen war es zu spät. Viel zu spät.

Am liebsten hätte sie geweint, doch die Tränen wollten nicht kommen. Stattdessen lag sie wie betäubt auf dem Bett, starrte an die Decke und überlegte, was sie jetzt tun sollte. Sobald die in ihr brodelnden Gefühle sie überwältigten, konnte Grace nicht länger still liegen bleiben.

Wut und Verwirrung stiegen in ihr auf, Grace fühlte sich verloren und hatte Angst. Am meisten jedoch sehnte sie sich nach Antworten. Sie wollte wissen, wer ihr das angetan hatte.

Nachdem sie vom Bett aufgesprungen war, lief sie unruhig im Zimmer umher. Draußen sangen die Vögel, und die Affen kreischten in den Bäumen.

Auf einmal verspürte sie den dringenden Wunsch, wieder dort draußen zu sein. In dem beruhigenden grünen Dschungel schienen das Großstadtleben und die Firmenprobleme weit weg zu sein.

Ihr fiel ein, dass Maria etwas von einem Pool im Regenwald erzählt hatte. Sagte man nicht, sportliche Betätigung eigne sich wunderbar, um Spannungen abzubauen? Dann würde Grace also schwimmen gehen. Vielleicht war sie anschließend ruhig genug, um ein Abendessen mit Rafael Cordeiro zu überstehen.

Wenn sie Themen wie Geld, Sex, Liebe oder Ehe ausklammerten, könnten sie einen gesitteten Abend verbringen.

Entschlossen schlüpfe Grace in ihren roten Badeanzug und zog das Leinenkleid darüber. Darauf muss ich gut aufpassen, ermahnte sie sich, sonst habe ich zum Essen nichts anzuziehen.

Rasch holte sie noch ein Handtuch aus dem Badezimmer und schrieb sich einige Worte auf die Handflächen. Wenig später machte sie sich auf den Weg nach unten und, weil sie ihrem Gedächtnis nicht traute, auf die Suche nach Maria.

Die Haushälterin war in der Küche und bereitete verschiedene exotische Gemüsesorten zu. Dennoch war Maria sofort bereit, eine Pause einzulegen und Grace zum Pool zu begleiten.

Grace blickte nach rechts und links. Furcht mischte sich in ihre Begeisterung über den unberührten Regenwald. Riesige Schlingpflanzen rankten sich dem Licht entgegen, andere bedeckten den Boden. Dazwischen wuchsen riesige Bäume, vereinzelt entdeckte sie bunte Blumen und Farne.

Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr. Grace blieb stehen und entdeckte einen winzigen farbenfrohen Frosch, der sich an einem Baumstamm festklammerte. Plötzlich erklang ein lautes Kreischen, ein rot gefiederter Vogel flog in die Baumkronen hinauf.

Sie konzentrierte sich wieder auf den Weg. Mittlerweile hatten sie den Hauptpfad verlassen und wanderten einen kleinen Nebenpfad entlang. Die Blätter der Bäume und Sträucher streiften ihre Arme und Beine. Aus dem Hintergrund drang ein Geräusch, das immer lauter wurde, je weiter sie gingen.

Plötzlich wurde der Pfad breiter, die Bäume standen weiter entfernt. Vor ihnen lag der Pool. Vor Überraschung und Begeisterung rang Grace nach Atem.

Ein Wasserfall ergoss sich in ein natürliches, von großen Steinen und hohen Farnen umgebenes Bassin. Die untergehende Abendsonne ließ das Wasser wie tausend Juwelen funkeln und glitzern.

„Es ist wunderschön.“ Grace blickte sich um, und Maria nickte.

„Bis die Nacht anbricht, ist es hier sicher. Seien Sie vorsichtig auf dem Rückweg. Gehen Sie an der ersten Gabelung nach links, dann nach rechts.“

Grace schaute auf den Pool. Der Marsch durch den Dschungel und die Enthüllungen über die Machenschaften in ihrer Firma hatten sie erschöpft. Sich auszuziehen und im kühlen Wasser zu entspannen, das war genau das Richtige. Später würde Grace das Abendessen hinter sich bringen. Dann würde sie endlich herausfinden, was genau in ihrer Firma ablief und wie sie Carlos und Filomena helfen konnte.

Rafael eilte mit großen Schritten den Pfad zum Pool entlang. Maria hatte seine Telefonkonferenz unterbrochen und berichtet, dass Grace schwimmen gegangen war.

Warum musste sie ausgerechnet diesen Zeitpunkt wählen? dachte er verärgert. Die Niederlassung in New York bereitete sich auf sehr komplizierte Verhandlungen vor und forderte beständig seine Aufmerksamkeit.

Natürlich hätte er Grace sich selbst überlassen können. Normalerweise suchten die wilden Tiere diesen Pool nicht auf, aber …

Er beschleunigte seine Schritte. Ein Blick zum Himmel verriet ihm, dass es bald dunkel sein würde.

Wie zur Bestätigung flammten nun die Lichter auf, die den Pfad säumten. Pfeilschnelle Libellen kreuzten Rafaels Weg.

Er erreichte die Gabelung und vernahm gleich darauf das Geräusch des Wasserfalls. Hastig legte er die letzten Meter zurück, bis er etwas Rotes sah. Wie ein exotisches Wesen glitt sie durch den Pool, geschmeidig und kräftig, ihr Körper schlank und anmutig, das blonde Haar offen.

Heiße Lust übermannte ihn. Fluchend steckte Rafael die Hände in die Hosentaschen und kämpfte gegen den impulsiven Drang an, sich zu Grace zu gesellen. Denn das würde nur Komplikationen nach sich ziehen, die er ganz und gar nicht gebrauchen konnte.

Was er brauchte, war unkomplizierter Sex – und den würde er von Grace Thacker nicht bekommen. Sie gehörte zur allerschlimmsten Sorte Frauen. Ihre Geldgier störte ihn im Vergleich dazu weniger – an dergleichen war er gewöhnt.

Er war sogar bereit, ihr Spiel bis zu einem gewissen Punkt mitzuspielen. Deshalb kannte Rafael die meisten Top-Juweliere der Welt. Nein, was ihn abhielt, war etwas völlig anderes. Grace war keine Frau, die nur Diamanten erwartete. Darüber hinaus wollte sie auch noch Worte der Liebe und Zuneigung. Sie war der Typ, der alles analysierte. Wenn man nur lange genug danach suchte, fand man auf alles eine Antwort, das war Grace’ Standpunkt. Selbst jetzt, beim Schwimmen im Pool, schien sie intensiv nachzudenken.

Plötzlich öffnete sie die Augen und sah ihn. „Bin ich zu spät zum Abendessen?“ Sie schwamm auf ihn zu. Im Schein der untergehenden Sonne schimmerte ihr Körper warm, die Wassertropfen in ihren Haaren glitzerten wie kleine Kristalle.

Rafael spürte einen so brennenden Hunger in sich aufsteigen, dass er seine persönlichen Verhaltensregeln gegenüber Frauen augenblicklich revidierte.

Also, sie redete zu viel und interessierte sich zu sehr für seine angeblichen seelischen Probleme. Na und? Er musste sie doch nur ein wenig ablenken und ihr beibringen, dass Oberflächlichkeit nichts Schlechtes war.

„Im Dschungel wird es sehr schnell dunkel, und auf den Pfaden kann man sich leicht verirren. Außerdem kommen manchmal Tiere zum Trinken hierher.“ Bis zu diesem Moment hatte Rafael gar nicht gewusst, dass er so grob sein konnte. Worauf hoffte er eigentlich? Dass sie schreiend aus dem Wasser sprang und sich Schutz suchend in seine Arme warf?

Hm, eigentlich schon. Er traf eine Entscheidung. „Man kann sich nie sicher sein, was sich noch alles in diesem Pool aufhält. Piranhas, Anakondas, Alligatoren …“ Er ließ das Wort langsam ausklingen, dennoch schaute Grace ihn nur unverwandt an.

„Nichts Gefährlicheres?“ Ihr Tonfall klang müde. Anscheinend würde sie sich über das Auftauchen eines gefährlichen Krokodils sogar freuen, wenn es sie von ihren Problemen ablenkte.

Er runzelte die Stirn und nahm sich vor, mit schwereren Geschützen aufzuwarten. „Manchmal lässt sich ein Jaguar blicken …“

„Ich mag Katzen.“

„Du kommst nicht aus dem Wasser?“

Sie lachte humorlos. „Warum sollte ich? Damit du mich dann fertigmachen kannst?“

„Das tue ich nicht.“

„Doch. Aber ich mache dir keinen Vorwurf. Ich an deiner Stelle würde wahrscheinlich dasselbe tun. Es ist schön, zu wissen, dass es Menschen gibt, um die du dir Sorgen machst.“

Ärgerlich biss er die Zähne zusammen. Schon wieder, sie analysierte ihn. „Du weißt nichts über mich.“

„Das stimmt.“ Gemächlich ließ sie sich auf dem Rücken treiben. „Du schottest dich ab. Vermutlich befürchtest du, jemand könnte entdecken, dass du in Wahrheit ein guter Mensch bist.“

„Du redest zu viel.“

„Und du zu wenig.“ Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Wenn du noch lernen würdest, dich nicht vom äußeren Anschein täuschen zu lassen, wärst du fast menschlich.“

Die Grübchen sind wieder da, dachte er. Fasziniert beobachtete er sie und beschloss dann, dass das Gespräch lange genug gedauert hatte.

„Kommst du jetzt aus dem Wasser?“

„Na gut.“ Sie stemmte sich aus dem Pool, strich die nassen Haare zurück und griff nach dem Handtuch. „Willst du mir mit dem Gerede über wilde Tiere Angst machen, Rafael? Denn dann verschwendest du deine Zeit.“

Das war ihm auch schon aufgefallen. Sie marschierte durch den Regenwald, fiel in Flüsse, ging fröhlich an Spinnen vorbei, so groß wie eine Handfläche – und das alles ohne ein Wort der Klage.

Sein Blick folgte jeder ihrer Bewegungen. Der rote Badeanzug betonte ihre weiblichen Kurven. Anfangs hatte Rafael geglaubt, sie wäre entspannt und gelöst. Jetzt erkannte er jedoch die Schatten unter ihren Augen. Ihre schmalen Schultern wirkten verspannt.

„Hast du deine Anrufe erledigt?“

„Ja.“ Sie setzte ein unbeschwertes Lächeln auf, während sie das Handtuch um den Nacken legte und damit die Brüste bedeckte. „Anscheinend sind alle rechtzeitig ausgeflogen, bevor man mit ihnen über Betrügereien sprechen kann.“

„Wen wolltest du anrufen?“

„Ehrlich gesagt, jeden.“ Sie zog ihre Schuhe an. „Meinen Vater. Den Händler, der uns den Kaffee verkauft. Aber alle scheinen praktischerweise verschwunden zu sein. Man könnte wohl sagen, die Ratten haben das sinkende Schiff verlassen.“ Blicklos sah sie in den Regenwald, Tränen schimmerten in ihren Augen. „Es ist mein Fehler, weil ich zu vertrauensselig war.“

Sie konnte damit einfach nicht aufhören.

Mit einer gewissen Verzweiflung schaute er Grace an und fragte sich, ob sie selbst an ihre Entschuldigungen glaubte. Er hingegen glaubte keine Sekunde lang, dass sie tatsächlich versucht hatte zu telefonieren. Warum sollte sie, wenn sie die Antworten bereits kannte? „Vielleicht sind sie einfach ausgegangen.“

Sie nickte und schien seinen ironischen Tonfall nicht zu bemerken. „Wahrscheinlich ist es das.“ Ihre Augen wirkten müde, ihre Worte klangen distanziert.

Aus irgendeinem Grund ärgerte er sich über diese Distanz.

Plötzlich war es ihm gleichgültig, ob sie schuldig oder unschuldig war. Er wollte sie in seinem Bett haben und sich über sie beugen. Der Rest kümmerte ihn nicht.

„Sollen wir das Thema wechseln?“, schlug er vor und empfand nur Erleichterung, als sie langsam nickte.

„Ja.“ Ihre Stimme klang fest. Die Art, wie Grace das Kinn hob, signalisierte Mut und Standhaftigkeit. „Es ist nicht länger dein Problem. Ich denke, zumindest diese Tatsache haben wir zweifelsfrei feststellen können.“

Endlich kamen sie weiter! „Vergiss die Firma“, murmelte er und fand, ein wenig Zuspruch könne nicht schaden. „Es ist Zeit, sich nach etwas anderem umzusehen.“

„Oh nein, das kann ich nicht. Es wäre nicht richtig. Zu viele Menschen sind von mir abhängig. Und wenn ich aufgebe, hat das auch Auswirkungen auf sie.“ Sie neigte den Kopf zur Seite und drehte die Haare zu einem dicken Zopf, um das Wasser herauszuwringen. „Ich werde den Schuldigen aufspüren und versuchen, das Geld zurückzubekommen. Danach werde ich mich um einen anderen Kredit bemühen, Carlos und Filomena bezahlen und meine Cafés weiterführen.“

Frustriert nahm er zur Kenntnis, dass sie immer noch versuchte, die Schuld auf jemand anderes zu schieben. Das Gerede über Cafés langweilte ihn außerdem. Rafael kam zu dem Schluss, dass es nur einen Weg gab, dieses Gespräch zu seiner Zufriedenheit zu beenden. „Ich verlängere den Kredit“, sagte er. „Dann kannst du solange mit deinen Cafés spielen, wie du willst.“

Sie schwieg einen Moment, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nein, trotzdem vielen Dank. Das ist ein sehr großzügiges Angebot.“

Nicht großzügig, dachte Rafael zähneknirschend. Egoistisch. Sie sollte nicht länger an diese vermaledeite Firma denken, sondern die Aufmerksamkeit auf die Gegenwart richten. Auf ihn. Sein Blick blieb an ihrem Mund haften. Rafael fiel es schwer, sich zu konzentrieren. „Es ist mein Geld. Es wegzugeben ist meine Entscheidung.“

„Und es abzulehnen meine.“ Ihre Stimme klang sehr weich. „Ich will dein Geld nicht. Unter diesen Umständen fühlt es sich nicht richtig an.“

Soweit es ihn anging, war das Einzige, was sich im Moment richtig anfühlte, ein Szenario, in dem sie beide nackt auf seidenen Laken lagen. Der Grund des Besuchs, der Betrug, die Täuschung, alles war Rafael unwichtig geworden.

Stirnrunzelnd schaute er zum Himmel. „In zehn Minuten wird es dunkel. Wir müssen zurück zum Haus. Du brauchst Zeit, um dich zum Abendessen umzuziehen …“

Autor

Chantelle Shaw
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