Mit dir auf unserer Liebesinsel

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Ihre Hochzeitsreise auf eine romantische tropische Insel vor Australien hat die hübsche Hotelerbin Gabriella sich anders vorgestellt. Denn ihr Ehemann Vincenzo scheint statt Liebe immer noch nur eins im Sinn zu haben: lustvolle Rache, weil sie ihn einst verschmähte …


  • Erscheinungstag 04.02.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751521444
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Mr. Venadicci hat sich großzügigerweise bereit erklärt, Sie zwischen zwei Terminen einzuschieben“, erklärte die Empfangsdame mit kühler Höflichkeit. „Aber er kann nur zehn Minuten für Sie erübrigen.“

Gabby ließ sich nichts anmerken, auch wenn sie innerlich kochte. Bereits seit einer geschlagenen Stunde wartete sie auf die Auskunft, ob Vincenzo Venadicci sie empfangen würde oder nicht. „Vielen Dank“, entgegnete sie genauso kühl. „Ich werde mich bemühen, nicht zu viel seiner kostbaren Zeit in Anspruch zu nehmen.“

Egal wie ärgerlich es auch war, Vincenzo wiedersehen zu müssen, Gabby war fest entschlossen, sich unter gar keinen Umständen aus der Ruhe bringen zu lassen. Es stand viel zu viel auf dem Spiel, um zu riskieren, alles durch einen Wutausbruch oder eine Flut an Beleidigungen zu ruinieren, wie sie es zweifellos vor sieben Jahren getan hätte.

Der überaus imposante Firmensitz mitten im Finanzdistrikt von Sydney ließ keinen Zweifel an Vincenzos kometenhaftem Aufstieg in der Immobilienbranche. Was für ein Werdegang für den unehelichen Sohn der italienischstämmigen Putzfrau der St. Clairs. Sein Erfolg hatte alle überrascht – bis auf Gabbys Vater, der Vincenzos Potenzial schon früh erkannt und ihm jede nur erdenkliche Unterstützung auf dem beschwerlichen Weg vom Bad Boy zum integeren und angesehenen Wirtschaftstycoon angeboten hatte.

Der Gedanke an ihren Vater stärkte ihre Entschlossenheit. Nach einem schweren Herzinfarkt lag Henry St. Clair im Krankenhaus und wartete auf eine dreifache Bypassoperation. Das bedeutete, dass Gabby die Verantwortung dafür trug, die Firma am Leben zu halten, während ihre Mutter ihrem Vater geradezu stoisch zur Seite stand.

Die Bedrohung für das Familienunternehmen war wie ein Blitz aus heiterem Himmel aufgetaucht. Wenn ihr Vater davon Wind bekam, könnte der Schock ganz schnell einen weiteren Herzinfarkt auslösen. Gabby würde über glühende Kohlen laufen, um das zu verhindern – selbst wenn es ein Treffen mit Vincenzo Venadicci erforderte.

Sie hob die Hand und klopfte zweimal an die Tür mit seinem Namen, wobei sich ihr Magen verkrampfte. Das geschah immer, wenn sie in seiner Nähe war.

„Herein.“

Gabby straffte die Schultern, öffnete die Tür und ging auf den Schreibtisch zu, an dem er saß. Der Weg war geradezu lächerlich lang. Dass er sich bei ihrem Eintreten nicht erhob, war genau die Art offener Beleidigung, die sie von ihm erwartete. Schon immer hatte ihn eine gewisse Unverschämtheit ausgezeichnet.

In dem Sekundenbruchteil, bevor er sprach, nahm sie seinen Anblick in sich auf, wobei ihr Herz einen Satz machte. Selbst im Sitzen wirkte seine Größe einschüchternd. Sein pechschwarzes Haar schimmerte seidig, Die leicht schiefe Nase zeigte deutlich, dass er in seiner Jugend in zu viele Straßenkämpfe geraten war. Doch im Gegensatz zu jedem anderen erfolgreichen Geschäftsmann, der diesen Makel durch eine Operation hätte richten lassen, trug Vincenzo seine Kriegswunden wie eine Trophäe. Genauso wie die Narbe, die seine linke Augenbraue durchschnitt und eindrücklich bewies, dass mit ihm nicht zu spaßen war. Diese Kampfspuren machten ihn irritierend attraktiv.

„Nun, wie geht es der fröhlichen Witwe?“, fragte er mit einem spöttischen Funkeln in den Augen, während sein Blick langsam über sie glitt. „Wie lange ist es jetzt her … Ein Jahr oder zwei? Die Trauer steht dir, Gabriella. Ich habe dich nie schöner gesehen.“

Gabby spürte, wie sie sich bei seinen gemeinen Worten versteifte. Tristan Glendenning war nun etwas über zwei Jahre tot, und trotzdem sprach Vincenzo immer noch in der beleidigenden Weise über ihn, die er von Anfang an den Tag gelegt hatte. Jede Bemerkung über ihren verstorbenen Ehemann empfand sie wie einen Schlag ins Gesicht – nicht, dass sie das Vincenzo gegenüber jemals zugeben würde.

Nur mit Mühe verkniff sie sich eine beißende Antwort. „Darf ich mich setzen?“

Er winkte lässig mit der Hand. „Platzier deinen süßen kleinen Po auf dem Stuhl. Aber nur für zehn Minuten“, fügte er hinzu. „Ich habe den ganzen Tag Termine.“

Gabby nahm auf der Stuhlkante Platz. Dass sie dabei errötete, ärgerte sie rasend. Er hatte es schon immer geschafft, dass sie sich ihres Körpers auf eine Art und Weise bewusst war, die sie als extrem unangenehm empfand.

„Also“, begann er, während er sich in seinem großen schwarzen Ledersessel zurücklehnte, „was kann ich für dich tun, Gabriella?“

Innerlich biss sie die Zähne zusammen. Niemand nannte sie je bei ihrem vollen Namen – niemand außer ihm. Natürlich wusste sie, dass er es absichtlich tat. Das hatte er schon mit achtzehn getan, als seine Mutter Rose von den St. Clairs als Putzfrau eingestellt worden war. Allerdings musste Gabby widerwillig zugeben, dass die Art, wie er ihren Namen aussprach, etwas Exotisches und äußerst Sinnliches an sich hatte.

„Ich bin hier, um ein kleines Problem mit dir zu besprechen, das sich unerwartet ergeben hat“, entgegnete sie und hoffte, dass er nicht bemerkte, wie sie die Hände im Schoß verkrampfte. „Da mein Vater im Moment mit solchen Dingen nicht belastet werden darf, wäre ich dir dankbar, wenn du mir sagen könntest, wie ich damit umgehen soll.“

Nachdenklich betrachtete er sie, während er mit einem goldenen Kugelschreiber spielte. „Wie geht es deinem Vater heute? Gestern Abend habe ich ihn auf der Intensivstation besucht. Er wirkte ein wenig angeschlagen, aber das ist unter den Umständen wohl verständlich.“

Gabby wusste genau, dass Vincenzo ihren Vater regelmäßig besuchte. Wohlweislich hatte sie es immer so eingerichtet, dass sie nicht zeitgleich im Krankenhaus war. „Es geht ihm soweit gut“, antwortete sie. „Seine Operation soll irgendwann nächste Woche stattfinden. Ich glaube, die Ärzte wollen noch warten, bis sein Zustand sich etwas stabilisiert hat.“

„Ja, natürlich“, murmelte er und legte den Kugelschreiber beiseite. „Aber die Ärzte gehen doch davon aus, dass er sich voll und ganz erholen wird, oder?“

Sie versuchte, nicht auf seine Hände zu starren, was ihr jedoch misslang. Sie waren wohlgeformt, mit langen, schlanken Fingern. Gleichzeitig aber sahen sie sehnig, kräftig und sehr männlich aus, so als würden sie jedes Problem in den Griff bekommen – und als könnten sie Frauen sehr glücklich machen.

Nein, er war nicht länger der verschlossene Teenager aus ihrer Vergangenheit. Sein ein Meter neunzig großer Modellkörper besaß nicht ein Gramm Fett, sondern nur harte, straffe Muskeln.

„Gabriella?“

Hastig riss sie sich zusammen und schaute ihm wieder in die Augen. Er hatte so faszinierende Augen. Das pechschwarze Haar und die bronzefarbene Haut ließen die rauchige, blaugraue Farbe noch stärker zur Geltung kommen.

„Äh … ich bin mir nicht sicher“, entgegnete sie auf seine Frage nach den Heilungsaussichten ihres Vaters. „Ich habe nicht mit den Ärzten gesprochen.“

Sobald die Worte heraus waren, wurde ihr bewusst, wie gefühllos sie klingen mussten. Ganz so, als interessiere sie das Schicksal ihres Vaters nicht – dabei war das Gegenteil der Fall. Sie wäre nicht hier, wenn sie ihre Eltern nicht von ganzem Herzen lieben würde. Andernfalls wäre sie nie im Leben auf die Idee gekommen, ausgerechnet Vincenzo Venadicci um Hilfe zu bitten.

„Ich vermute, dass es bei deinem unerwarteten Besuch um das Übernahmeangebot für das St. Clair Resort auf der Insel geht?“, durchbrach er das unangenehme Schweigen.

Gabby hatte Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. Himmel, sie hatte doch selbst gerade erst davon erfahren. Woher, zum Teufel, wusste er das?

„Äh … ja, das stimmt“, stammelte sie und rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum. „Wie du vielleicht weißt, hat mein Vater vor anderthalb Jahren einen nicht unbeträchtlichen Kredit aufgenommen, um die Ferienanlage komplett zu sanieren. Gestern wurde ich darüber informiert, dass die Bank jetzt den Kredit zurückfordert. Wenn wir ihn nicht zurückzahlen, gelingt der Übernahmeversuch, und das kann ich keinesfalls zulassen.“

„Hast du mit deinen Finanzberatern darüber gesprochen?“, erkundigte er sich.

„Ja, und sie haben gesagt, dass wir diese Summe niemals innerhalb von vierundzwanzig Stunden auftreiben können“, gestand sie leise und senkte den Blick.

Erneut griff er nach dem Kugelschreiber und drehte ihn zwischen den Fingern, während er offensichtlich nach der besten Strategie suchte.

„Ich nehme nicht an, dass du es deinem Vater gegenüber erwähnt hast“, bemerkte er. Es klang weder nach einer Frage noch nach einer Feststellung.

„Nein …“, erwiderte sie, wobei sie immer noch seinem Blick auswich. „Ich wollte ihn nicht aufregen. Ich befürchte, dass die Neuigkeit einen weiteren Herzinfarkt auslösen könnte.“

„Hast du alle relevanten Unterlagen mitgebracht?“, fragte er nach einer kurzen Pause.

„Äh … nein … ich dachte, es wäre besser, es erst kurz mit dir zu besprechen.“ Dass dies die falsche Antwort war, wusste sie sofort. Das sah sie in seinen kühlen blaugrauen Augen, mit denen er sie durchdringend musterte.

Mein Gott, sie kam sich so inkompetent vor – wie ein Kind, das Erwachsene spielt. Sie hatte sich viel zu große Schuhe angezogen, das war ihr von Anfang an klar gewesen. Doch sie hatte einfach nicht den Mut gehabt, es ihren Eltern zu sagen, die nach dem tragischen Tod ihres Bruders Blair solch große Hoffnungen in sie gesetzt hatten.

Vincenzo lehnte sich in seinem Sessel zurück, wobei er sie immer noch scharf beobachtete. „Das heißt also, du hast weniger als vierundzwanzig Stunden, um die Summe aufzutreiben, andernfalls wird die Übernahme glatt durchgehen?“, fasste er die Situation zusammen.

Sie fuhr sich mit der Zunge über die plötzlich staubtrockenen Lippen. „Ja, das stimmt“, gab sie zu und versuchte krampfhaft, die Angst abzuschütteln, die sie bei dem Gedanken an dieses Szenario überkam. „Wenn er durchgeht, bleiben meiner Familie nur noch fünfunddreißig Prozent der Anteile an der Ferienanlage. Ich weiß nicht, was du dagegen tun kannst, aber ich kenne meinen Vater. Wenn es ihm nicht so schlecht ginge, hätte er sich bestimmt zuerst mit dir besprochen, um festzustellen, ob es eine Möglichkeit gibt, die Mehrheit zu behalten.“

Er ließ sie nicht eine Sekunde aus den Augen, was Gabby stärker verunsicherte als ihr lieb war.

„Weißt du, wer hinter dem Übernahmeversuch steckt?“

Seufzend schüttelte sie den Kopf. „Ich habe mich umgehört, aber niemand scheint etwas über die Firma zu wissen.“

„Wie hoch ist die Kreditsumme?“

Gabby holte tief Luft. „Zweieinhalb Millionen Dollar.“

Vincenzo hob eine Augenbraue. „Nicht gerade eine Summe, die man aus der Portokasse zahlt.“

„Es ist eine Summe, die die St. Clairs im Moment aus gar keiner Kasse zahlen können“, versetzte sie und fuhr sich erneut mit der Zunge über die Lippen. „Ich bin sicher, dass mein Vater nicht mit einer solchen Situation gerechnet hat – oder zumindest nicht, bis wir die Ausgaben wieder hereingeholt hätten. Die Nachfrage auf dem Markt ist schon seit Monaten sehr schlecht. Wir sind nicht die Ersten, die zur falschen Zeit sanieren.“

„Das stimmt.“

Erneut rutschte sie auf ihrem Stuhl herum. „Daher … habe ich mich gefragt, was du uns raten würdest …“ Ihr Herz pochte so laut, dass sie sicher war, er müsse es hören. „Ich weiß, dass ich viel von dir verlange, aber mein Vater schätzt dein Urteilsvermögen. Das ist auch der Hauptgrund, weshalb ich hier bin.“

Vincenzo lachte tief und männlich. „Ja, ich kann mir vorstellen, dass du nicht hier bist, um dich mit mir übers Wetter zu unterhalten“, spottete er. Mit einem leicht verächtlichen Lächeln fügte er hinzu: „Du hast übrigens noch fünf Minuten.“

Während sie innerlich bis zehn zählte, presste Gabby die Lippen zusammen. „Du weißt doch ganz genau, worum ich dich bitte“, erklärte sie gepresst. „Muss ich es wirklich aussprechen, nur um dein bereits mehr als überdimensioniertes Ego zu streicheln?“

Ein wütendes Funkeln trat in seine Augen, als er sich über den Schreibtisch zu ihr herüberbeugte. „Du willst, dass ich den Kredit bezahle, nicht wahr?“, sagte er, wobei sich sein Blick in ihren bohrte.

„Mein Vater hat viel für dich getan …“, begann sie hastig die Rede, die sie in der letzten Nacht vorbereitet hatte, „… er hat die Kaution gezahlt, als du mit achtzehn wegen Autodiebstahls angeklagt warst, kurz nachdem du und deine Mutter bei uns eingezogen seid. Und er hat dir dein erstes Darlehen für die Universität gegeben. Du wärst jetzt nicht dort, wo du bist, wenn er dich nicht gefördert und an dich geglaubt hätte.“

Vincenzo lehnte sich wieder zurück und nahm lässig das Spiel mit dem Kugelschreiber von Neuem auf. „Zweieinhalb Millionen Dollar sind eine Menge Geld, Gabriella“, gab er zu bedenken. „Wenn ich euch eine solche Summe zur Verfügung stelle, dann erwarte ich etwas im Austausch dafür. Etwas, womit ich meine Verluste ersetzen könnte, sollten die Dinge schiefgehen.“

Bei diesem Satz beschlich Gabby eine ungute Vorahnung. „Du meinst eine Garantie oder etwas in der Art?“, fragte sie. „W-wir können eine notarielle Vereinbarung treffen. Einen Rückzahlungsplan innerhalb von … sagen wir fünf Jahren, mit festem Zinssatz. Was hältst du davon?“

Sein Lächeln setzte sich nicht bis in seine Augen fort. „Das klingt ein wenig riskant“, befand er. „Ich möchte eine bessere Garantie als die auf dem Papier.“

Verwirrt blickte sie ihn an. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich verstehe … Verlangst du zusätzliche Sicherheiten? Es gibt natürlich das Haus, aber Mum und Dad müssen irgendwo …“

„Ich will ihr Haus nicht“, unterbrach er sie. Seine Augen schienen regelrecht zu glühen.

Gabbys Magen verkrampfte sich. „Was … was willst du dann?“, wisperte sie und ärgerte sich darüber, wie ängstlich ihre Stimme klang.

Das Schweigen zwischen ihnen dehnte sich aus. Es lud sich mit etwas auf, das sie nicht recht benennen konnte. Die Luft war spannungsgeladen – so spannungsgeladen, dass sie kaum atmen konnte ohne das Gefühl zu haben, dass ein bleischweres Gewicht auf ihre Brust drücke.

In Vincenzos Augen las sie nichts. „Was hältst du davon, wenn du persönlich als Bürge fungierst?“, fragte er.

Sie runzelte die Stirn. „Als ob mir eine solche Summe zur Verfügung stehen würde“, gab sie mit wild klopfendem Herzen zurück. „Die Firma zahlt mir ein kleines Einkommen, das meinen persönlichen Bedarf deckt, aber das reicht bei Weitem nicht, um einen solchen Kredit zurückzuzahlen.“

Spöttisch hob er eine Augenbraue. „Dann hat dein verstorbener Ehemann also nicht dafür gesorgt, dir den luxuriösen Lebensstil zu sichern, den du von klein auf gewohnt bist?“

Weil sie sein Gesicht nicht sehen wollte, das zweifellos „Ich hab’s dir doch gesagt“ ausdrücken würde, senkte sie den Blick. „Tristans Finanzen waren in einem etwas chaotischen Zustand, als er so plötzlich starb. Es gab Schulden und … so viele Dinge, um die ich mich kümmern musste …“ Und so viele Geheimnisse, die es zu bewahren gilt, dachte sie grimmig.

Es entstand eine kurze Pause.

„Ich werde dir das Geld geben“, entschied Vincenzo schließlich. „Ein paar Klicks meiner Computermaus und es ist auf dem Konto deines Vaters. Dein kleines Problem wird gelöst sein, noch bevor du mit dem Fahrstuhl das Erdgeschoss dieses Gebäudes erreicht hast.“

Mit angehaltenem Atem wartete Gabby auf das „Aber“, das zweifellos kommen würde. Sie kannte ihn zu gut, um zu glauben, er würde ihr eine solche Summe leihen, ohne Bedingungen daran zu knüpfen. Sicher, er bewunderte und schätzte ihren Vater, er tolerierte sogar ihre Mutter bis zu einem gewissen Grad, aber er hatte allen Grund, Gabby zu hassen. Darum konnte sie sich nicht vorstellen, dass er sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, ihr zu demonstrieren, wie tief seine Verachtung für sie reichte.

„Aber natürlich gibt es ein paar Bedingungen“, äußerte er in das Schweigen hinein.

Als sie das entschlossene Funkeln in seinen Augen erkannte, machte ihr Herz einen Satz. „Welche Art von Bedingungen?“, fragte sie misstrauisch.

„Es überrascht mich, dass du es dir nicht denken kannst“, versetzte er mit undurchsichtigem Lächeln. „Erinnerst du dich an den Abend vor deiner Hochzeit?“

Mühsam zwang sie sich, seinem Blick standzuhalten, auch wenn sie spürte, wie sich eine schuldbewusste Röte auf ihre Wangen legte. Die Erinnerung stand so deutlich vor ihr, als wäre es erst gestern passiert. Gott allein wusste, wie oft sie während ihrer katastrophalen Ehe diesen einen, leidenschaftlichen Augenblick durchlebt hatte, um sich dabei zu fragen, wie anders wohl ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie Vincenzos Warnung beherzigt hätte …

Die Hochzeitsprobe war in vollem Gange gewesen, obwohl Tristan kurzfristig angerufen und mitgeteilt hatte, dass er es wegen einiger Termine nicht rechtzeitig schaffen würde. Nach einem Langstreckenflug war Vincenzo übernächtigt und unrasiert in der Kirche aufgetaucht, da er die letzten sechs Monate in Italien verbracht hatte, wohin seine todkranke Mutter zum Sterben zurückgekehrt war.

Nachdem der Pfarrer die Trauzeremonie durchgegangen war, lud Gabbys Mutter alle Anwesenden zu einem leichten Abendessen ins Haus der St. Clairs ein. Gabby hoffte insgeheim, dass Vincenzo die Einladung ausschlagen würde, doch als sie anderthalb Stunden später aus einem der oberen Badezimmer trat, versperrte er ihr den Weg.

„Ich muss mit dir reden, Gabriella“, erklärte er. „Unter vier Augen.“

„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was du mir zu sagen hättest“, entgegnete sie kalt und versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben. Doch er packte sie am Handgelenk. „Lass mich los, Vincenzo!“, fauchte sie und versuchte, sich seinem Griff zu entwinden.

Er packte jedoch nur fester zu, sodass es beinahe schmerzte. „Tu es nicht, Gabriella“, beschwor er sie in einem Tonfall, den sie so noch nie bei ihm gehört hatte. „Er ist nicht der Richtige für dich.“

Der Stolz verlangte, dass sie ihr Kinn hob. „Lass mich los!“, wiederholte sie und benutzte ihre freie Hand, um mit den Nägeln über seinen Handrücken zu kratzen.

Daraufhin umschloss er auch ihre andere Hand und zog sie eng an sich – näher als sie ihm jemals gewesen war. Sie erschauerte.

Sein glühender Blick bohrte sich in ihren. „Sag es ab“, forderte er. „Deine Eltern werden es verstehen. Es ist noch nicht zu spät.“

Kühl musterte sie ihn. „Wenn du mich nicht sofort loslässt, werde ich jedem erzählen, dass du mich angegriffen hast. Du wirst ins Gefängnis wandern. Tristans Vater wird mich vor Gericht vertreten. Du hast keine Chance.“

Seine Lippen pressten sich zu einer dünnen Linie zusammen. Sie sah, wie heftig seine Halsschlagader pulsierte. „Glendenning heiratet dich nur des Geldes wegen“, stieß er wütend hervor.

Obwohl sie in den vergangenen Wochen bereits einige Male Zweifel gespürt hatte, was Tristans Gefühle für sie anging, reagierte Gabby empört. „Du weißt ja nicht, wovon du redest“, zischte sie. „Tristan liebt mich. Das weiß ich.“

Vincenzos Griff war so fest, als wäre sie mit Handschellen gefesselt. „Wenn es dir um die Heirat geht, dann heirate mich. Da weißt du wenigstens, was du bekommst.“

Sie lachte ihm ins Gesicht. „Dich heiraten?“ Ihr Ton klang so beleidigend wie nur irgend möglich. „Um den Rest meines Lebens die Häuser anderer Leute zu putzen, wie es deine Mutter getan hat? Nein danke!“

„Ich lasse nicht zu, dass du es durchziehst, Gabriella“, schwor er. „Wenn du die Hochzeit heute Abend nicht absagst, dann werde ich morgen den versammelten Gästen in der Kirche sagen, warum diese Trauung nicht stattfinden sollte.“

„Das würdest du nicht wagen!“

Herausfordernd begegnete er ihrem Blick. „Wart es nur ab, Blondie“, entgegnete er. „Möchtest du, dass ganz Sydney erfährt, welche Sorte Mann du heiratest?“

„Ich werde dafür sorgen, dass du nicht mal anwesend bist“, fauchte sie giftig. „Ich werde mit der Sicherheitsfirma sprechen, die Dad beauftragt hat, damit sie dir den Zutritt verweigern. Ich werde Tristan heiraten, egal, was du sagst. Ich liebe ihn.“

„Du weißt doch nicht mal, wen oder was du im Moment willst“, versetzte er heftig. „Verdammt noch mal, Gabriella, du bist erst einundzwanzig. Der Selbstmord deines Bruders hat dich aus der Bahn geworfen. Er hat uns alle aus der Bahn geworfen. Deine Verlobung war eine reine Kurzschlussreaktion. Selbst ein Blinder könnte das sehen!“

Die Erwähnung ihres Bruders und sein tragischer Tod lösten einen Zorn in Gabby aus, dem sie aus Rücksicht auf ihre am Boden zerstörten Eltern bisher nie hatte nachgeben können. Jetzt erfüllte er sie wie brennend heiße Lava. Mit einer Kraft, die sie sich selbst nie zugetraut hätte, verpasste sie Vincenzo eine schallende Ohrfeige. Seine Wange musste verdammt schmerzen, denn ihre Hand brannte wie Feuer.

Im ersten Moment schien die Zeit stillzustehen.

Etwas Gefährliches flackerte in seinen blaugrauen Augen auf, dann riss er sie mit einer Heftigkeit, die ihr den Atem raubte, an sich. Sein heißer, hungriger Mund senkte sich auf ihren …

Gabby musste sich dazu zwingen, in die Gegenwart zurückzukehren. Sie hasste es, an diesen Kuss zu denken. Sie hasste es, sich daran zu erinnern, wie schamlos sie darauf reagiert hatte. Und sie hasste auch die Erinnerung an die Abdrücke seiner Umklammerung auf ihren Handgelenken, die sie an ihrem Hochzeitstag getragen hatte – als ob Vincenzo Venadicci es trotz ihrer Anweisung an die Sicherheitsleute doch geschafft hätte, ihrer Hochzeit mit Tristan Glendenning beizuwohnen und sich über sie lustig zu machen.

„Sag mir einfach, was du willst und lass es uns hinter uns bringen“, forderte sie jetzt, während sie ihn über den Schreibtisch hinweg feindselig anstarrte.

„Ich will, dass du meine Frau wirst.“

Sie war nicht sicher, was sie mehr schockierte – die Äußerung seiner Absicht oder die erschreckende Erkenntnis, dass sie keine andere Wahl hatte als dem zuzustimmen.

Autor

Melanie Milburne

Eigentlich hätte Melanie Milburne ja für ein High-School-Examen lernen müssen, doch dann fiel ihr ihr erster Liebesroman in die Hände. Damals – sie war siebzehn – stand für sie fest: Sie würde weiterhin romantische Romane lesen – und einen Mann heiraten, der ebenso attraktiv war wie die Helden der...

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