Nie mehr brav!

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Seit vier Jahren leitet die rassige Cindy erfolgreich das altehrwürdige "Chandelier House" in San Francisco. Doch seit es kürzlich von einer Hotelkette übernommen wurde, hat sich viel verändert. Denn die neuen Besitzer scheinen einfach nicht zu verstehen, dass dieses Hotel eher ein nostalgisches Märchenschloss als eine moderne Investition ist! Sogar einen Prüfer will man Cindy jetzt schicken - inkognito. Misstrauisch betrachtet sie die Gäste. Wo steckt der Feind? Nur bei dem umwerfend charmanten Eric ist sie sicher, dass sie ihm vertrauen kann. Leider macht sein Sex-Appeal sie so nervös, dass ihr in seiner Nähe ständig Missgeschicke passieren. Doch die Leidenschaft, die er in Cindy weckt, ist so groß, dass sie wehrlos vor Verlangen ist. Und dann passiert es: Entgegen aller Vorsätze verbringt sie mit ihm eine Nacht voller Sinnlichkeit. Ist es Liebe? Ja - bis sie erfährt, dass sie mit ihrem Feind im Bett war ...


  • Erscheinungstag 11.05.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733767754
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mit einer Hand hielt die Friseuse das lange dunkle Haar hoch über Cindy Warrens Kopf, mit der anderen die Schere. „Sind Sie sich sicher, Ma’am? Soll ich es wirklich tun?“

Cindy nagte unsicher an ihrer Unterlippe. Langes Haar war unkompliziert. Und man kann sich dahinter verstecken, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf.

Der alte Jerry, der ein paar Schritte weiter hinter einem Frisiersessel stand, räusperte sich bedeutungsvoll und schob die Weihnachtsmannmütze auf seinem Kahlkopf zurück. Der schwarze Barbier, eine Institution im „Chandelier House“, lehnte es kategorisch ab, seine Kunst an Frauenköpfen auszuüben. Jerrys subtiler Kommentar wurmte Cindy. Es war schließlich ihr Haar, oder?

Sie las das Namensschild der jungen Friseuse. „Sagen Sie, Bea, wie lange arbeiten Sie schon in unserem Salon?“

„Mit heute sind es vier Tage, Ma’am. Vor genau zwei Wochen habe ich an der Friseur-Fachschule meine Abschlussprüfung gemacht.“

„Aha.“ Cindy verdaute die Information, während Jerry seinen Kunden auf dem Sessel herumwirbelte, damit sie beide die Aktion verfolgen konnten. „Also, eine Veränderung ist jedenfalls fällig“, sagte Cindy entschlossen. „Langes Haar wirkt in meinem Alter einfach lächerlich.“

„Hör sich das einer an“, bemerkte Jerry.

„Was ist an langem Haar auszusetzen?“, fragte sein Kunde.

Cindy warf seinem Spiegelbild einen Blick zu, und ihr stockte der Atem. Der Mann sah unverschämt gut aus. Markantes Gesicht, leuchtend blaue Augen, dunkles, welliges Haar. „Wie bitte?“

„Ich habe gefragt, was an langem Haar auszusetzen ist.“, wiederholte er, und seine Augen funkelten belustigt.

Sie unterdrückte das aufwallende Gefühl von Erregung und entgegnete kühl: „Ich sehe damit wie eine Studentin aus.“

„Die meisten Frauen wären glücklich darüber“, meinte der Kunde und schlug seine Beine übereinander, die lang unter dem grauen Frisiercape herausragten.

Erst jetzt bemerkte Cindy, wie groß er war. Sie wandte ihren Blick hastig ab und erwiderte knapp: „Diese Frau ist es jedenfalls nicht.“

Jerry sagte in verschwörerischem Ton zu seinem Kunden: „Sie will jemanden beeindrucken.“

„Jerry!“ Cindy zog warnend die Augenbrauen hoch.

Der Kunde nickte Jerry wissend im Spiegel zu. „Einen Mann?“

„Natürlich.“ Jerry nahm seinem Kunden das Cape ab und enthüllte ein weißes Oberhemd und burgunderrote Hosenträger.

„Jerry, das reicht!“

„Ihren Freund?“, fragte der Mann.

„Nee. Für so was hat Miss Cindy keine Zeit. Sie arbeitet Tag und Nacht.“

„Wirklich? Tag und Nacht?“ Der Mann machte ein mitfühlendes Gesicht. „Wen will sie dann beeindrucken?“

„Irgend so einen Unternehmensfritzen“, sagte Jerry, während er mit einem Pinsel den Hemdkragen und die breiten Schultern des Mannes abfegte.

„Jerry, ich habe noch nie in meinem Leben jemanden beeindruckt!“ Cindy wurde plötzlich klar, was sie da gesagt hatte. „Ich meine, ich habe mich noch nie bemüht, jemanden zu beeindrucken“, korrigierte sie sich ärgerlich.

Der alte Barbier ignorierte sie. „Der Bursche kommt nächste Woche, um das Hotel zu überprüfen. Und auch Miss Cindy, schätze ich.“

„Warum sollte er Miss Cindy überprüfen wollen?“ Der Mann sah kurz in Cindys Richtung. „Von den offensichtlichen Gründen mal abgesehen …“

„Weil sie den ganzen Laden schmeißt“, sagte Jerry.

Sein Kunde war beeindruckt. „Tatsächlich?“

„Ja“, sagte Cindy und erdolchte Jerry förmlich mit ihrem Blick.

„Ma’am?“, meldete Bea sich, deren Hände bereits zitterten.

„Lassen Sie’s nicht abschneiden“, sagte Jerrys Kunde.

„Wenn es nach den Männern ginge, würden alle Frauen mit Haaren bis zu den Knien rumlaufen.“ Cindy wollte sich nicht umstimmen lassen.

„Genau.“ Jerry und sein Kunde wechselten einen vielsagenden Blick.

„Ma’am“, flehte Bea, „meine Arme machen gleich schlapp.“

„Schneiden Sie’s ab. Das wird mein Weihnachtsgeschenk an mich selbst.“

„Als Bestrafung, weil Sie ungezogen waren?“, fragte der Mann.

„Als Bestrafung weil sie nett war“, berichtigte ihn der Barbier.

Cindy reichte es jetzt. „Los. Schneiden Sie“, befahl sie.

„Tun Sie’s nicht“, sagte der Kunde eindringlich.

„Ab damit!“, konterte Cindy energisch. „Schneiden Sie Stufen rein. Machen Sie eine neue Frau aus mir.“

Der Kunde und Jerry tauschten einen besorgten Blick.

„Nun machen Sie schon, Bea. Bringen wir’s hinter uns.“ Cindy fühlte sich unwohl.

Bea schluckte hörbar, setzte die Schere an und kniff ihre Augen zu.

Plötzlich bekam Cindy Panik. „Warten Sie!“, rief sie in dem Moment, als die Schere zuschnappte. Bea öffnete die Augen und starrte auf ihre Hand.

Der Kunde verzog sein Gesicht und Jerry grunzte schmerzvoll, als die Friseuse dreißig Zentimeter abgetrennten Haars hochhielt. Cindy erstickte ihr Entsetzen und ermunterte die frisch gebackene Friseuse, fortzufahren.

Sie hoffte, dass Bea länger bleiben würde als ihre diversen Vorgängerinnen. Da die weibliche Belegschaft sich weigerte, zum Friseursalon des Hotels überzuwechseln, wollte Cindy mit gutem Beispiel vorangehen. Aber als Bea zwanzig Minuten später zurücktrat, um ihre Kreation im Spiegel zu begutachten, verstand Cindy, weshalb keine der Angestellten sich den ungeübten Hotel-Friseusen anvertraute.

„Du liebe Güte“, murmelte Jerry geschockt.

Sein Kunde stieß einen leisen Pfiff aus. „Ein Jammer.“

„Sie finden es fürchterlich, nicht?“, fragte Bea verzagt.

„Nein“, versicherte Cindy ihr eilig. „Nein, es ist …“ Sie hob die Hand, brachte es aber nicht fertig, ihr stumpf abgeschnittenen Haare zu berühren, die ihren Kopf wie eine lange Wollmütze umhüllten. „Ich muss mich nur dran gewöhnen, das ist alles.“ Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf.

„Glauben Sie, er wird beeindruckt sein?“, fragte der Mann Jerry.

„Bestimmt. Falls er in der Lage ist, ihre Frisur zu ignorieren.“

„Ich kann gut auf diese Kommentare verzichten“, zischte Cindy. Sie zog das Cape von ihren Schultern und stand hastig auf. Jerry konnte sie verkraften, aber dieser arrogante Hotelgast trampelte ihr auf den Nerven herum, die in dieser hektischen Vorweihnachtszeit sowieso schon angegriffen waren.

Der Kunde stand ebenfalls auf, und in ihrer Eile, aus dem Salon zu kommen, rutschte Cindy auf einem Häufchen ihres Haars aus und schlitterte mit rudernden Armen wie eine Aufziehpuppe über den Marmorboden. Der Gast fing sie geistesgegenwärtig auf. Cindy sah sekundenlang in seine funkelnden blauen Augen, dann löste sie sich aus seinem Griff. „Danke“, murmelte sie. Ihr Gesicht brannte.

„Der Haarschnitt muss Sie aus dem Gleichgewicht gebracht haben“, bemerkte er mit einem spöttischen Lächeln.

Cindy kam sich vor wie eine komplette Idiotin. Ohne ein Wort schnappte sie sich ihre grüne Uniformjacke, gab der verzweifelten Bea ein großzügiges Trinkgeld und schritt so würdevoll wie möglich zum Ausgang. Bloß keine große Sache aus dieser peinlichen Episode machen. Alles halb so wild. Dieser irritierende Mann war schließlich nur ein Hotelgast auf der Durchreise. Und Manny würde schon wissen, wie man ihre Frisur retten konnte.

„Ach du liebe Zeit.“ Manny beugte sich mit aufgerissenen Augen über seinen Schreibtisch. „Sag, dass es eine Perücke ist, Cindy.“

„Es ist eine Perücke.“ Cindy musste lachen. Manny hatte eine einmalige Art, sie aufzuheitern. Überhaupt war Manny Oliver einmalig, als Freund und als Mitarbeiter. Seine Einstellung als Empfangschef war ein absoluter Glücksgriffs gewesen. Er sah gut aus, war höflich, hilfsbereit und geistreich. Und kochen konnte er auch. Cindy seufzte. Warum waren alle guten Männer immer schwul?

Manny zupfte an ihrem Haar. „Du warst bei Bea, der Metzgerin, stimmt’s?“

„Du weißt über sie Bescheid?“

„Ich musste eine verzweifelte Frau, die gestern unter Beas Schere geraten ist, mit einem Gratis-Dinner trösten.“

Cindy stöhnte. „Warum hast du mir nichts davon gesagt?“

„Du weißt, dass ich dich nicht mit Kleinigkeiten belästige. Was hast du dir bloß dabei gedacht, dein schönes Haar abschneiden zu lassen?“

„Ich wollte bei der weiblichen Belegschaft für unseren Salon werben.“

„Und du bist in der Tat eine ausgezeichnete Reklame.“

Cindy zog eine Grimasse. „Also – kann man was retten?“

„Klar. Unten am Knab Hill ist dieser entzückende kleine Hutladen.“

„Manny!“

„Tut mir leid, Boss. Also, ich hab um eins Schluss. Dann können wir uns in deiner Suite treffen. Das Werkzeug bring ich mit.“

„Prima.“ Cindy ließ ihren Blick durch die Lobby schweifen und senkte die Stimme. „Sag mal, hast du jemanden gesehen, der ein getarnter Schnüffler sein könnte?“

„Kein Trenchcoat weit und breit“, flüsterte er mit Verschwörermiene. Als Cindy grinste, fügte er hinzu: „Wieso glaubst du, dieser Stanton könnte früher kommen, um uns inkognito zu beobachten?“

„Ich an seiner Stelle würde das tun.“

„Dumm, dass wir nicht wissen, wie er aussieht.“

„Ja, wirklich dumm.“ Wieder sah Cindy sich unauffällig um. „Und wie gesagt, er könnte verkleidet sein. Halte also bitte nach jemandem Ausschau, den man am wenigsten für den Abgesandten unserer Bosse halten würde.“

In dem Moment schlenderten zwei Männer in der Kostümierung von Captain Kirk und Mr. Spock vorüber. Manny sah Cindy bedeutungsvoll an.

„Okay“, räumte sie ein, „es dürfte schwierig sein, hier einen Spion auszumachen. Aber trotzdem. Halt die Augen offen. Wir sehen uns dann nachher beim Meeting.“ Sie setzte ihren Weg durch die Lobby fort und lächelte den Angestellten zu, deren entsetze Blicke auf ihre Frisur ihr nicht entgingen. Eine Gruppe Arbeiter war damit beschäftigt, an der Wand hinter der Rezeption Tannengirlanden anzubringen, und fast hundert übertrieben gestylte Frauen, die an einer Kosmetikerinnen-Tagung teilgenommen hatten, standen Schlange, um auszuchecken.

Cindy steuerte auf Amy zu, die zuständige Managerin für die Zimmerbelegung. „Wie läuft’s?“

„Gut“, antwortete die schlanke Brünette und hob sofort eine Hand an ihre Stirn. „Abgesehen von diesen rasenden Kopfschmerzen.“

Cindy musste sich zur Anteilnahme zwingen, denn bei all ihrer Tüchtigkeit waren Amys hypochondrische Neigungen legendär. „Es wird an den Parfümschwaden liegen“, sagte sie sanft und deutete mit dem Kopf zu der Warteschlange hinüber.

„Na ja, ich werd’s überleben“, seufzte Amy. „Sobald die Kosmetikerinnen hier raus sind, haben wir eine volle Stunde, bevor die Trekkies über uns herfallen. Die Teilnehmer an der Star-Trek-Tagung. Na, die Fernsehserie“, fügte sie erklärend hinzu, als sie Cindys fragenden Blick bemerkte.

„Oh. Möge die Kraft mit dir sein“, sagte Cindy salbungsvoll.

„Falsche Tonart, Cindy.“

Cindy musste über Amys anklagenden Blick lachen. „Ich habe vor dem Meeting noch genau dreiunddreißig freie Minuten. Kann ich dir irgendwas abnehmen?“

Amy lächelte dankbar und holte ein Klemmbrett unter dem Tresen hervor. „Es gibt einige Beschwerden.“ Sie tippte auf die angeheftete Zimmerliste. „Zimmer 620 möchte einen besseren Blick, Nummer 916 will einen Fernseher ohne den Kanal für Sexfilme, und der Gast in Zimmer 1010 wünscht ein Raucherzimmer mit einem Kingsize-Bett. Das wär’s.“

„Welche Alternativen können wir anbieten?“

„Keine.“

„Also ein persönliches Gespräch“, bemerkte Cindy trocken und nahm das Klemmbrett.

Amy grinste. „Viel Erfolg.“

„Danke.“

„Übrigens“, Amy blinzelte, „was ist mit deinem Haar passiert?“

Cindy runzelte die Stirn. „Wir sehen uns dann beim Meeting.“

Auf ihrem Rückweg durch die Lobby registrierte Cindy mit geübtem Blick jedes Detail. Der Marmorfußboden war auf Hochglanz poliert, die Sitzbereiche mit den antiken Möbeln und den gepolsterten Sofas strahlten eine gepflegte Gemütlichkeit aus, und die alten goldgerahmten Spiegel an den Säulen reflektierten fleckenlos die gedämpften Lichter der Halle. Die Angestellten waren vollauf beschäftigt, vom Pagen bis zu den Reinigungskräften. Gäste strebten dem Ausgang zu, entspannte Urlauber, die den sonnigen Tag genießen wollten.

Cindy unterdrückte einen Seufzer. Bis Weihnachten waren es nur noch knapp zwei Wochen, und während alle Welt Geschenke einkaufte und sich auf die Feiertage freute, hatten sie und ihr Stab in dieser betriebsamsten Zeit des Jahres noch viele zermürbende Stunden vor sich. Und als Krönung des Ganzen schickte ihnen die Zentrale nun auch noch diesen Mann von einer Unternehmensberatungsfirma, der ihr über die Schulter sehen sollte. Durch ihre internen Kontakte wusste Cindy, dass Stanton ein kalter Rechner war, berüchtigt für seine rigorosen Sanierungsprogramme. Und die Tatsache, dass er kam, verhieß nichts Gutes für die Zukunft des „Chandelier House“. Ein zugeknöpfter Manager-Fiesling würde den leicht verrückten Touch ihres Stabes sicher nicht zu schätzen wissen.

Da vor dem Fahrstuhl zahlreiche Gäste warteten, nahm Cindy die Treppe im vorderen Bereich der Lobby. Während ihres Aufstiegs über die breiten teppichbelegten Stufen ließ sie ihren Blick über die Lobby schweifen. Ein grandioser Anblick aus der Vogelperspektive. Ein enormer Kronleuchter, Wahrzeichen und Namensgeber von „Chandelier House“, beherrschte das Bild. In der Erinnerung an ihren Großvater und seine köstlichen Geschichten aus der Glanzzeit des Hotels zwinkerte Cindy dem prachtvollen Stück zu. Unten in der Halle entdeckte sie im Gewusel der Gäste und Angestellten die Dekorateure, die ihre Arbeit an der Rezeption beendet hatten und nun die Wände und Säulen weihnachtlich schmückten.

Die geschäftige vorweihnachtliche Atmosphäre übertrug sich auf Cindy, und sie setzte ihren Weg in gehobener Stimmung fort. Wie in den vergangenen Jahren auch, würde sie diese turbulenten zwei Wochen überstehen. Ein neuer Anfang lag in greifbarer Nähe. Eine frische unbeschriebene Seite. Ein viel versprechendes Jahr für das „Chandelier House“, ein besseres Verhältnis zu ihrer Mutter und vielleicht sogar der ganz besondere Mann.

Cindy lächelte ironisch. Warum sollte man sich mit einem einzigen Weihnachtswunder zufrieden geben?

Am Ende der über drei Stockwerke führenden Treppe angelangt, nahm sie einen Fahrstuhl zum sechsten Stock und klopfte bei Zimmer 620. Ein untersetzter Mann in den Fünfzigern, der mit seinen dicken Brillengläsern wie eine Eule aussah, öffnete. Er hatte sich einen Schreibblock unter den Arm geklemmt und hielt zu Cindys Befremden die antike Schreibtischlampe in der Hand.

Cindy hob nur kurz die Augenbrauen und stellte sich dann vor. „Man sagte mir, dass Sie ein Zimmer mit einem besseren Blick auf die Stadt wünschen. Ich kann Ihnen eine Suite anbieten, die allerdings erheblich teurer ist.“

Der Mann polterte ärgerlich los, aber Cindy blieb ruhig und höflich. Schließlich brummte die Eule, dass das Zimmer in Ordnung sei, und knallte die Tür zu. Kopfschüttelnd ging Cindy zum Fahrstuhl. Der Bursche schien an Verstopfung zu leiden. Sie würde ihm zum Frühstück einen Kopenhagener mit Backpflaumenfüllung bringen lassen, mit den besten Empfehlungen der Direktion. Sie fuhr drei Etagen höher.

Das Paar in Morgenmänteln von Zimmer 916 klärte ein Missverständnis auf. Sie hatten sich nicht beschwert, weil sie Zugang zum Sexfilm-Kanal hatten, sondern weil sie diesen Sender nicht kostenlos empfangen konnten.

Das sei leider nicht möglich, erklärte Cindy. Aber selbst wenn sie ein paar Dollar pro Film bezahlten, wäre das noch immer eine relativ billige Abend-Unterhaltung in San Francisco.

Zwei von dreien wären erledigt, dachte sie erleichtert, als sie auf dem Weg zu Zimmer 1010 war. Verglichen mit dem, was sie normalerweise zu regeln hatten, waren die heutigen Beschwerden Lappalien. Während sie den langen Korridor hinunterging, ärgerte sie sich zum x-ten Mal über den alten rotbraunen Teppich mit dem scheußlichen Blumenmuster. Bei der nächsten Gelegenheit würde sie bei der Unternehmensleitung neue Teppiche für sämtliche Etagen beantragen.

Sie klopfte an die Tür des Gastes, der ein Raucherzimmer wollte, und Sekunden später stand der attraktive Fremde aus dem Friseursalon vor ihr – barfuß. Sein Lächeln enthüllte ebenmäßige weiße Zähne, und um seine Augenwinkel bildeten sich feine Fältchen. Ende dreißig, schätzte Cindy und versuchte, seine imposante Maskulinität zu ignorieren.

„So trifft man sich wieder“, sagte er warm.

„Ja“, murmelte sie und hätte sich am liebsten ihre Jacke über den Kopf gezogen. Sie warf einen Blick auf ihr Klemmbrett. „Mr. Quinn?“

„Eric Quinn.“ Er streckte ihr die Hand hin.

Sie erwiderte seinen festen Händedruck. „Ich bin Cindy Warren, Mr. Quinn. Ich …“

„Sie schmeißen diesen Laden. Ich erinnere mich.“

Das Blut schoss ihr ins Gesicht. „Ich bin die leitende Managerin, und ich bin wegen Ihres Wunsches nach einem anderen Zimmer hier.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. „Sie kümmern sich persönlich um die Wünsche der Gäste, Miss Warren?“

„Nur manchmal. Ich …“

„Dann fühle ich mich sehr geschmeichelt.“

Er sieht einfach zu gut aus, dachte Cindy. Und er ist sehr von sich eingenommen. „Das müssen Sie nicht, Mr. Quinn“, entgegnete sie kühl. „Ich bin nur aushilfsweise eingesprungen. Was Ihren Wunsch betrifft, wir haben ein Raucherzimmer frei. Allerdings mit einem normalen Doppelbett.“

Mr. Quinn runzelte die Stirn und rieb sich das Kinn.

Kein Ring, stellte Cindy fest, und im nächsten Moment fragte sie sich, ob sie noch ganz bei Trost war. Erstens bedeutete das Fehlen eines Rings noch lange nicht, dass der Mann zu haben war. Und zweitens, sie wäre die Letzte, die sich mit einem Gast einlassen würde. Mit einem Gast, der sie maßlos verwirrte, und das in der chaotischsten und sentimentalsten Zeit des Jahres.

Mr. Quinn schüttelte den Kopf. „Nein, ich brauche unbedingt ein Kingsize-Bett. Ich kann eher auf Zigaretten verzichten als auf meinen Schlaf. Ich bin sehr groß.“

Unwillkürlich ließ Cindy ihren Blick über seinen Körper gleiten. Ein Hitzestrom durchschoss sie, ihr Herz klopfte wild. Sie hantierte an dem Klemmbrett herum, ließ wieder und wieder den Metallclip zuschnappen, immer schneller, je schneller ihr Pulsschlag wurde.

Mr. Quinn zuckte mit den Schultern. „Na gut, dann bleibe ich halt hier.“

Cindy antwortete mit einem schmerzvollen „Au!“ Denn ihre Hand war abgerutscht, und der Metallclip kniff in ihre Finger.

Mr. Quinn befreite ihre eingeklemmten Finger. „Sie bluten“, sagte er.

„Es ist nichts“, brachte sie zwischen zusammengepressten Zähnen heraus und fragte sich, was dieser Mann an sich hatte, dass sie sich in seiner Gegenwart ständig wie eine Idiotin benahm. Sie starrte auf das Blut, verblüfft, dass eine so kleine Verletzung so höllisch schmerzen konnte. „Nicht der Rede wert.“

„Kommen Sie herein und spülen Sie Ihre Hand ab“, erwiderte er und zog sie sanft am Arm.

„Nein, nicht nötig.“

„Sie werden Ihre Kleidung ruinieren.“ Er lächelte spöttisch. „Ganz zu schweigen von diesem … wunderschönen Teppich.“

Trotz des stechenden Schmerzes musste Cindy lachen. „Vielleicht könnten Sie mir einen Waschlappen borgen.“

Er wies mit einer Armbewegung ins Zimmer. „Nun kommen Sie schon herein. Wo das Bad ist, wissen Sie ja sicher.“

„Ich brauche nicht lange“, murmelte sie und schob sich rasch an ihm vorbei. Der kurze Moment körperlicher Nähe ließ ihren Puls von neuem in die Höhe schnellen. Sie machte einen langen Schritt über seine großen Schuhe und unterdrückte den spontanen Gedanken an die anatomischen Zusammenhänge. Ohne nach links oder rechts zu sehen, steuerte sie aufs Bad zu. Sie ignorierte auch die maskulinen Düfte der Seife und des After Shaves im Bad, als sie den Hahn aufdrehte und nach einem Waschlappen griff.

In den Spiegel zu schauen war ein Fehler. Ihr Haar sah aus wie ein Relikt aus den Siebzigern, und ihr Make-up hatte dringend eine Auffrischung nötig. Sie stöhnte frustriert, sog dann scharf die Luft ein, als das kalte Wasser auf ihre Finger traf.

Was für eine Idiotin sie doch war!

Sie presste den Waschlappen auf die Wunde. Als sie ihn nach einer Weile wieder fortnahm, sah sie erleichtert, dass die Blutung schwächer wurde.

„In meiner Kulturtasche ist Heftpflaster“, rief Mr. Quinn, und zum ersten Mal bemerkte sie seinen leichten Südstaaten-Akzent. „Sie hängt an der Tür. Bedienen Sie sich.“

Es widerstrebte ihr, an seine persönlichen Sachen zu gehen, aber dann sagte sie sich, dass sie sich wegen eines lächerlichen Pflasters nicht so anzustellen brauchte. Als sie die Badezimmertür schloss, nahm sie den Duft von Leder wahr. Und richtig, am Haken an der Tür hing an einer Schlaufe eine lederne Kulturtasche von imposanter Größe. Als Cindy danach griff, sah sie halb verdeckt dahinter eine hellblaue Pyjamahose hängen. Ein Bild von dem attraktiven Mr. Quinn in seinem Pyjama erschien vor ihrem inneren Auge.

Mit zitternden Fingern zog sie den Reißverschluss an der linken Seite der Tasche auf, und ein Schauer kleiner Folienpäckchen regnete auf ihre Füße. Kondome! Mindestens ein Dutzend in allen Variationen …

Du lieber Himmel! Cindy ging in die Hocke, sammelte die Kondome ein und stopfte sie hastig wieder in die Tasche, wobei Mr. Quinns Pyjamahose vom Haken rutschte und zu Boden segelte. Verdammt! Sie hob die Hose auf, fühlte feine Seide, und erst dann dachte sie an den Schnitt in ihrer Hand. Oh nein! Seide nahm Feuchtigkeit bekanntlich auf wie Löschpapier. Voller Entsetzen beobachtete sie, wie der Stoff ihr Blut aufsog. Sie ließ die Hose fallen, als stünde sie in Flammen.

„Alles okay da drinnen?“, rief Mr. Quinn.

Sie verschluckte sich fast. „Ja.“

„Haben Sie gefunden, was Sie brauchen?“

Mit hämmerndem Herzen riss Cindy den rechten Reißverschluss der Tasche auf und fischte zwischen Rasiercreme, Shampoo und Zahnpasta eine Schachtel mit Heftpflastern heraus. „Ja, ich hab’s!“, rief sie, spülte nochmals ihre Hände ab und klebte zwei Pflaster auf die Wunde. Schließlich hob sie die Pyjamahose vorsichtig auf, um den Schaden zu begutachten. Rote Abdrücke ihrer Finger zierten die Kehrseite von Mr. Quinns Hose, als hätte sie sein Hinterteil begrapscht.

Sie schloss die Augen. Warum mussten ihr immer solche Katastrophen passieren?

„Miss Warren? Ist alles in Ordnung?“

„Ja, alles okay“, brachte sie heraus, während sie fieberhaft überlegte, was sie tun könnte.

Und dann kam ihr die rettende Idee. Sie würde die Hose reinigen lassen und noch vor der Dinnerzeit wieder in sein Zimmer schmuggeln. Er würde nie etwas von dem Malheur erfahren. Hastig knüllte sie die Hose zu einer Kugel, stopfte sie hinten unter ihr Rockbündchen und strich ihre Kostümjacke glatt. Nach einem tiefen Atemzug verließ sie das Bad, schob sich eilig an Mr. Quinn vorbei und betrat wieder das sichere Terrain des Korridors. „Vielen Dank.“

Er reichte ihr das Klemmbrett. „Kein Problem.“

Sein diabolisches Grinsen erinnerte sie an seinen großen Kondomvorrat, und sie sagte sich, dass er ein Ladykiller war, vor dem sie sich in Acht nehmen musste. Dann besann sie sich auf den ursprünglichen Grund ihres Besuchs. „Das mit dem Zimmer tut mir sehr leid, Mr. Quinn. Natürlich können Sie gern in der Lounge rauchen.“

Er zuckte mit den Schultern. „Nicht so wichtig. Vielleicht werde ich die Gelegenheit nutzen, um dieses Laster loszuwerden.“

Sie nickte kurz. „Na dann viel Glück.“ Dann drehte sie sich um und floh, und bei jedem Schritt fühlte sie das seidige Knäuel in ihrer Strumpfhose.

Eric trat in den Flur und schaute ihr nach. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum es ihn so reizte, diese Frau zu necken. Aber im Grunde konnte es nicht schaden, eine freundschaftliche Basis zu ihr aufzubauen, bevor sie ihn in ein paar Tagen anders erleben würde. Merkwürdig, dass er so etwas bei all seinen anderen Aufträgen nie für notwendig gehalten hatte. Vielleicht hatte es damit zu tun, dass sie ihr schönes Haar hatte abschneiden lassen, um den Mann mit dem Hackebeil zu beeindrucken.

Er hatte gewusst, dass das „Chandelier House“ von einer Frau gemanagt wurde, aber er war weder auf ihre Jugendlichkeit noch auf ihre Schönheit gefasst gewesen. Seit der Episode im Friseursalon war ihm jedoch klar, warum Cindy Warren die oberste Position in dem Traditionshotel einnahm. Sie war eine energische Person und hatte Feuer in ihren schönen grünen Augen. Und selbst mit dem grässlichen Haarschnitt war sie noch verdammt hübsch.

Eric ging in sein Zimmer zurück, streifte die Hosenträger von den Schultern und setzte sich wieder an den Schreibtisch, an dem er vor Cindys Besuch seine Unterlagen studiert hatte. Er machte sich Notizen über das Zimmer. Nach ein paar Zeilen über die Größe und den Gesamteindruck des Raums schaute er sich um, um die Details zu begutachten. Obwohl die Möbel alles andere als neu waren, hatten sie weit mehr Charme als das übliche moderne Hotel-Mobiliar. Die abgenutzten Stellen im Teppich waren geschickt durch gewebte Läufer überdeckt. Die elektrischen Anschlüsse funktionierten, und das geräumige Badezimmer war sauber und sonnig. Nichts zu beanstanden. Nur die Schachtel mit den sauren Drops, die er auf dem Nachttisch gefunden hatte, erschien ihm etwas sonderbar.

Er hielt im Schreiben inne und fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, weil er schon wieder Cindy Warren vor sich sah, ihre schönen Augen, ihr charmantes Lächeln, ihre entschlossen gestrafften Schultern. Es beunruhigte ihn, dass er sich so stark von ihr angezogen fühlte. Er hatte hier einen Job zu erledigen. Eine Beziehung mit einer Frau, die durch seine Tätigkeit womöglich leiden würde, kam nicht infrage.

Er griff nach seiner Zigarettenschachtel, warf sie frustriert wieder hin, und tätigte dann den längst fälligen Anruf.

„Lancaster.“

„Hallo Bill, hier Stanton. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass ich vor Ort bin.“

„Prima. Wie sieht’s aus? Ist der Laden wirklich so verrückt, wie man uns gesagt hat?“

Eric warf einen Blick auf die Bonbonschachtel. „Um das zu beurteilen, ist es noch zu früh.“

„Ich habe mit unserem Verbindungsmann bei Harmon gesprochen. Falls Sie jetzt schon feststellen, dass das ‚Chandelier House‘ nicht ins Konzept des Unternehmens passt, brauchen wir das Team gar nicht rüberzuschicken.“

Autor

Stephanie Bond
<p>Kurz bevor Stephanie Bond ihr Studium der Informatik abschloss, schlug einer ihrer Dozenten vor, es mit dem Schreiben zu versuchen. Natürlich hatte dieser eher akademisches Schreiben im Sinn, doch Stephanie Bond nahm ihn wörtlich und veröffentlichte ihre ersten Liebesromane. Nach dem großen Erfolg ihrer Bücher widmete sie sich ganz dem...
Mehr erfahren