Nur ein geborgtes Weihnachtsglück?

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Weihnachten? Nein, danke! Was für TV-Moderator Jackson zählt, ist sein Job. Auch als er die Feiertage mit der schönen Serena eingeschneit auf einer Berghütte verbringen muss, denkt er an Flucht. Aber warum fühlt sich plötzlich dieser eine verbotene Kuss so unglaublich richtig an?


  • Erscheinungstag 02.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504805
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Endlich Frieden.

Serena Winston blieb auf dem schneebedeckten Pfad stehen und genoss die Stille und Schönheit der österreichischen Alpen. Gerade noch hatte die Sonne ihr Gesicht gewärmt, jetzt war sie hinter schwarzen Wolken verschwunden, die die tief verschneite Bergwelt in dunkle Schatten hüllten. Schon wieder begann es zu schneien. Serena seufzte. Obwohl sie zugeben musste, dass auch die langsam rieselnden Schneeflocken ihren Charme besaßen. Es war so ganz anders hier als in ihrer Heimat, dem sonnenverwöhnten Hollywood.

„Wau! Wau!“

„Okay, Gizmo.“ Serena blickte hinunter zu ihrem kleinen Welpen, den sie vor nicht allzu langer Zeit bei sich aufgenommen hatte. „Du hast wahrscheinlich recht. Wir sollten uns langsam auf den Heimweg machen.“

Die Schneedecke auf dem Weg wurde immer dicker. Einer von Serenas sehnlichsten Wünschen war es immer gewesen, Skilaufen zu lernen, doch dazu war es nie gekommen. Zum einen, weil sie stets Angst davor gehabt hatte, sich vor einem neuen Film zu verletzen. Es war eine der Schattenseiten im Leben einer Schauspielerin, dass man immer penibel vorausschauend und vorsichtig sein musste. Zum anderen hatte sie nie die Zeit gefunden, über ein langes Wochenende nach Tahoe zu fahren, um sich dort auf Skiern zu versuchen. Besonders nicht, seit sie das riesige Anwesen ihres Vaters geerbt hatte. Teile davon hatte sie veräußern können, doch es war mühsamer gewesen, als sie es sich vorgestellt hatte.

Als Serena bewusst wurde, welche Richtung ihre Gedanken nahmen, hielt sie inne und atmete tief durch. Sie war nach Österreich geflogen, um ihren Sorgen zu entfliehen und um darüber nachzudenken, wie es mit ihrer Karriere weitergehen sollte. Es gab noch einen weiteren Grund, aber über den wollte sie jetzt am allerwenigsten nachdenken. Sie würde noch früh genug Gelegenheit dazu haben, ihre Probleme anzugehen.

Als sie sich nach ihrem kleinen Shichon umschaute, der aussah wie ein kleiner Teddybär, stellte sie fest, dass seine Laufleine sich in einem Gebüsch verfangen hatte. Am leichtesten konnte sie ihn befreien, wenn sie ihn von der Leine ließ. Gizmo war schließlich kein Hund, der weglief.

Sie öffnete den Haken am Halsband und sagte mit fester Stimme: „Bleib hier.“

Gizmo sah sie an, als habe er sie genau verstanden und bewegte sich nicht einen Millimeter.

„Braver Hund.“

Rasch machte sich Serena daran, die Leine aus dem dornigen Gestrüpp zu befreien. Es war gar nicht so leicht. Wie hatte er das nur gemacht?

Schließlich gelang es ihr. In Zukunft würde sie ihm nicht mehr die ganze Länge der Leine geben, wenn sie im Wald unterwegs waren.

Sie hörte Gizmo bellen, hob den Kopf und schrak zusammen. Der Hund setzte einem kleinen pelzigen Geschöpf nach. „Gizmo! Komm her!“

Serena rannte los. Immer wieder rief sie Gizmos Namen, doch er beachtete sie nicht. Wenn er motiviert war, konnte sich der kleine Welpe trotz seiner kurzen Beinchen erstaunlich schnell fortbewegen. Und gerade schien er sehr motiviert zu sein.

Der Schnee fiel jetzt dichter, und durch die Schneeflocken und Bäume hindurch sah sie eine Straße vor sich liegen. Und obwohl sie kaum befahren schien, versetzte sie der Gedanke, dass Gizmo dorthin laufen könnte, in Panik. Sie rannte schneller.

„Gizmo …!“

Serena blieb mit dem Fuß an einer Baumwurzel hängen und fiel zu Boden. Uff! Der Aufprall auf den hart gefrorenen Boden nahm ihr für einen Moment die Luft zum Atmen. Keuchend versuchte sie, wieder auf die Beine zu kommen, als sie auf einmal ein Auto hörte, das mit jedem Schlag ihres Herzens näher kam.

Sie ignorierte den Schmerz in ihrem Brustkorb und rappelte sich auf. „Gizmo! Komm her, mein Kleiner!“

Sie lief weiter auf der Suche nach dem kleinen Fellknäuel, das ihr Herz vor nur wenigen Monaten im Sturm erobert hatte. Anfangs war sie sich nicht sicher gewesen, ob ein Hund aus dem Tierheim das Richtige für sie war. Gizmo steckte voller Energie und brauchte unendlich viel Liebe und Aufmerksamkeit.

Jetzt konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Gizmo brachte sie zum Schmunzeln, wenn sie traurig war und zum Lachen, wenn sie sich über etwas ärgerte. Und natürlich dazu aufzustehen und vor die Tür zu gehen, wenn sie sich hängen lassen wollte. Er war für sie da wie sonst niemand in ihrem Leben.

Und es sah ihm überhaupt nicht ähnlich wegzulaufen und ihr Rufen zu ignorieren. Serena vermutete, dass er zu lange eingepfercht gewesen war – erst durch den langen Flug und dann durch die heftigen Schneefälle.

Plötzlich durchschnitt ein lautes Hupen die Stille, dicht gefolgt von einem schlitternden Geräusch.

Mit zugeschnürter Kehle blieb sie stehen.

Ein dumpfer Aufprall hallte durch die Luft, dann ließ das Geräusch von knirschendem Metall ihr das Blut in den Adern gefrieren.

Ihre Gedanken rasten wild durcheinander, doch Serena kämpfte gegen den Schock an, der sie zu lähmen drohte und setzte sich in Bewegung. Hin zu der Tragödie, die sie mit Sicherheit erwartete.

Wie ferngesteuert verließ sie den Pfad und trat auf die Straße. Ihr Blick fiel auf den Kofferraum einer dunklen Limousine. Serena zog sich der Magen zusammen.

Doch das Schlimmste war, dass sie Gizmo nirgends entdecken konnte.

Oder vielleicht war das ja auch ein gutes Zeichen. Verzweifelt klammerte sie sich an jeden Hoffnungsschimmer. Sie hielt die Luft an und lauschte, ob sie ein Bellen oder ein Winseln hören konnte. Doch da war nichts.

Bitte mach, dass es ihm gut geht.

Aus dem Motorraum des verunglückten Autos stieg Qualm auf. Der Wagen war mit der Fahrerseite gegen einen Baum geprallt und dort völlig eingedrückt. Serena erstarrte. War das der Grund, warum Gizmo nicht reagierte? Steckte er unter dem Wrack? Verzweifelt schluchzte sie auf.

Die Tränen brannten heiß in ihren Augen.

Bitte, lass es nicht wahr sein.

Ihre Wangen wurden feucht, und sie wischte die Tränen fort. Normalerweise war Serena eine beherrschte Frau, die nur auf Regieanweisung weinte und sich ihren Gefühlen sonst nie hingab. Auch jetzt war ihr bewusst, dass sie nicht einfach herumstehen konnte, und so schluckte sie schwer und bewegte sich auf das Auto zu. Sie hatte Angst. Große Angst.

Sie sah, dass die Fahrertür durch den Baumstamm nicht zu öffnen war, ging auf die andere Seite und zog die Beifahrertür auf.

Fauchende, zischende Geräusche drangen aus dem Auto, und Serena wollte sich lieber nicht ausmalen, was das zu bedeuten hatte. Trotzdem hielt sie nach irgendwelchen Anzeichen für ein Feuer Ausschau, konnte aber keine Flammen entdecken.

Sie ging in die Knie, um besser ins Wageninnere sehen zu können. Auf dem Fahrersitz saß ein Mann mit kurzen, dunklen Haaren; sein Kopf war zurückgelehnt, seine Augen geschlossen. Mit den dunklen Wimpern und Augenbrauen wirkten seine Züge markant. Er kam Serena irgendwie bekannt vor, doch in ihrem aufgewühlten Zustand wusste sie nicht, wo sie ihn einordnen sollte. Jetzt ging es darum, den Mann in Sicherheit zu bringen, sollte das Auto in Flammen aufgehen.

Einmal hatte sie in einem Film eine Krankenschwester gespielt, doch von Erster Hilfe hatte sie nicht die geringste Ahnung. Es war ein Thriller gewesen, in dem die medizinischen Aspekte eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hatten. Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche und stellte fest, dass sie keinen Empfang hatte. Nicht gut. Gar nicht gut.

„Da … da war ein Hund …“

Die tiefe männliche Stimme schreckte Serena auf. Der Mann sprach unsicher, als wäre er noch immer benommen. Sie sah auf und traf auf einen Blick aus dunkelbraunen Augen. Ihr Herz schlug bis zum Hals. War etwas falsch daran, dass seine Augen sie fesselten? Und durfte sie sie unglaublich schön finden? Es waren Augen, von denen sie den Blick kaum abwenden konnte und in deren Tiefe sie sich verlieren wollte.

Der Mann sah sich um, als wüsste er nicht, was eigentlich passiert war. Dann versuchte er, sich zu bewegen. Vor Schmerz stöhnte er laut auf.

„Nein, nicht!“, sagte Serena zu ihm. „Bewegen Sie sich nicht!“

Der Mann sah sie verwirrt an. „Warum nicht? Was ist los?“

Panik stieg in Serena auf. „Ich weiß es nicht.“ Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Wenn sie jetzt die Nerven verlor, wäre keinem von ihnen geholfen. Sie besann sich auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten und gab sich gefasst. „Ich kenne das Ausmaß Ihrer Verletzungen nicht. Es wäre besser, wenn Sie sich nicht bewegen, bis wir mehr wissen.“ Das war ja schön und gut, solange das Auto nicht in Brand geriet. Aber sie musste sich um eins nach dem andern kümmern. „Ich werde jetzt Hilfe rufen.“

„Das haben Sie doch bereits versucht. Es hat nicht funktioniert.“ Sein Tonfall war jetzt ruhiger, sachlicher als noch kurz zuvor.

Serena schluckte schwer. Dann hatte er es also mitbekommen. Okay, jetzt nur nicht aufregen, sonst verfällt er in Panik. Ohne Handyempfang waren ihre Optionen begrenzt. Und das zischende Geräusch war immer noch da. Über den Qualm wollte sie den verwundeten Mann jetzt lieber nicht in Kenntnis setzen. Oder darüber, dass der Hund, der den schrecklichen Unfall verursacht hatte, ihr gehörte. Ihre Augen brannten vor zurückgehaltenen Tränen. Und dass ihr süßer kleiner Welpe höchstwahrscheinlich …

Nein. Denk jetzt nicht daran. Konzentrier dich darauf, Hilfe für diesen Mann zu organisieren.

Der Mann löste seinen Sicherheitsgurt. Um aus dem Wagen zu gelangen, musste er über den Beifahrersitz robben. Aber er sollte sich besser nicht bewegen, bis ein Arzt ihn angesehen hatte.

„Rühren Sie sich nicht. Ich laufe los und hole Hilfe.“

„Mir geht es gut“, entgegnete er mit fester Stimme.

Er klang schon besser, aber das konnte auch an dem Schock liegen. Was, wenn es ihm gelänge, das Auto zu verlassen und er dann mitten auf der Straße zusammenbrach? Sie würde ihn nicht hochheben, geschweige denn tragen können. Obwohl er saß, konnte sie sehen, dass er mindestens einen Meter achtzig groß und kräftig gebaut war.

Der Mann lehnte sich über den Beifahrersitz.

„Ich meine es ernst. Sie sollten sich nicht bewegen.“ Serena schob ihr Haar aus dem Gesicht. Es war nass vor Schnee. Es schneite jetzt so stark, dass sie kaum bis zur anderen Straßenseite sehen konnte. „Sie könnten alles noch schlimmer machen.“

Als wollte er ihre Befürchtungen bestätigen, stöhnte der Mann wieder auf. Serenas Herz setzte einen Schlag aus. Automatisch beugte sie sich nach vorne, legte eine Hand auf seine Schulter und versuchte, ihn zu stützen.

„Was haben Sie? Wo tut es weh?“ Sie ließ ihren Blick über seinen ganzen Körper wandern, um nach Blut oder möglichen Verletzungen zu untersuchen, konnte aber nichts entdecken.

Sein Atem ging schwer. „Das linke Bein.“

„Was ist damit?“

„Ich kann es nicht bewegen.“

Nicht gut. Gar nicht gut.

Und als wäre alles nicht schon schlimm genug, kroch in diesem Moment erneut eine dicke, weiße Rauchwolke unter der Motorhaube hervor. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich. Was sollte sie nur tun?

2. KAPITEL

Serena kroch über den Beifahrersitz. „Wir müssen Sie hier schleunigst rausbekommen.“

„Machen Sie sich keine Sorgen. Das ist nur Wasserdampf.“

Sie hätte ihm nur zu gerne geglaubt, aber sie war sich nicht sicher, ob der Mann wirklich bei klarem Verstand war. Schließlich konnte er Kopfverletzungen erlitten haben oder unter Schock stehen. Oder beides.

Aber sie würde ihn nicht im Stich lassen. Sie legte ihre Hände auf seine Schulter und versuchte ihn mit aller Kraft zu sich zu ziehen. Er bewegte sich keinen Millimeter.

„Sie müssen sich aufsetzen“, wies sie ihn an.

„Wieso?“ Erschöpft sah er sie an. „Was haben Sie vor?“

„Sie müssen sich aufrichten, damit ich gucken kann, was mit Ihrem Bein los ist.“

„Sie haben doch keine Ahnung, was Sie da tun. Sie werden alles nur noch schlimmer machen! Lassen Sie mich in Ruhe!“

Erschrocken wich Serena vor seinen harschen Worten zurück. Was war los mit diesem Mann? Vielleicht war es ja der Schock, der ihn so unwirsch werden ließ.

„Ich versuche, Ihnen zu helfen. Hören Sie auf, sich so anzustellen.“ Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen und kniete sich wieder hin. „Bewegen Sie sich! Jetzt!“

Der Mann zog eine Augenbraue hoch.

Anscheinend war sie mit ihrem Befehlston endlich zu ihm durchgedrungen. Er murmelte etwas Unverständliches und begann sich endlich zu rühren. Als er fast aufrecht saß, stöhnte er erneut auf.

„Ist es das Bein?“

Er nickte und atmete geräuschvoll ein und aus.

Serena sah von ihm zum Armaturenbrett. Mit etwas Glück war da genug Platz, dass sie sich in den Fußraum quetschen konnte. Sie zog das Handy aus ihrer Tasche und schaltete dessen Taschenlampe an.

Sie sah den Fremden an. „Ich werde versuchen, Ihnen nicht wehzutun, aber wir müssen jetzt Ihr Bein befreien.“

In seinen Augen sah sie Unsicherheit, doch dann gab er mit einem kurzen Nicken nach. „Tun Sie es einfach. Aber beeilen Sie sich. Ich rieche Benzin.“

Serena rutschte an dem weichen Ledersitz herunter. Als sie den Mann berührte, versuchte sie sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren und nicht auf seinen festen Körper. Er schien nur aus Muskeln zu bestehen – und sie hatte eine Aufgabe zu erledigen. Schließlich gelang es ihr, zwischen ihn und das Armaturenbrett zu kriechen, doch sie hatte kaum genug Platz, um die Hände zu bewegen.

„Können Sie den Sitz weiter nach hinten schieben?“

Er versuchte es. „Es geht nicht. Die Elektronik muss ausgefallen sein.“

„Okay, dann muss es eben so gehen.“

Sie musste diesen Mann aus dem Auto befreien und dann endlich herausfinden, was aus Gizmo geworden war. Ihr süßes Fellknäuel konnte verletzt sein oder …

Genug. Kümmere dich erst einmal um dieses Problem hier.

Serena versuchte, eine bessere Position zu finden und leuchtete den Fußraum aus. Diese Seite des Wagens war nach innen gedrückt worden, und der Knöchel des Mannes steckte unter dem Bremspedal fest. Es sah übel aus – sehr übel.

Ihr Atem ging stoßweise. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl sie nur weglaufen wollte, bis sie jemanden fand, der diesem Mann helfen konnte. Doch sie würde das hier durchstehen. Sie legte eine Hand auf sein Bein und wartete. Als er nicht vor Schmerzen aufschrie, nahm sie die Lage genauer in Augenschein. Sie fuhr mit der Hand über sein Bein auf der Suche nach größeren Verletzungen, konnte aber keine finden. Bewegungsspielraum gab es aber auch nicht – das Bremspedal bohrte sich in sein Fleisch.

Ihr war klar, dass sie beide ihrer Hände brauchen würde, und sie reichte ihm ihr Handy. „Können Sie mir leuchten?“

Der Mann nahm das Handy und hielt es in den Fußraum.

„Ich werde versuchen, das Bremspedal zu bewegen. Sind Sie bereit?“

„Ja. Tun Sie, was immer nötig ist.“

Serena versuchte das Pedal zur Seite zu ziehen, aber es blieb am Schuh des Fremden hängen. Sie zerrte und riss, doch das Pedal wollte nicht nachgeben.

In diesem Moment roch sie den Rauch. Ihr Puls begann zu rasen. Die Zeit wurde knapp.

Der Rauch war mittlerweile so stark, dass sie husten musste.

„Sind Sie okay?“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, sagte er: „Sie sollten zusehen, dass Sie hier rauskommen.“

„Nicht ohne Sie.“

Immer wieder riss sie an dem Bremspedal, bis sie den Fuß endlich befreit hatte. Serena kroch aus dem Fußraum. „Sie sind frei.“

Schweißperlen standen dem Mann auf der Stirn, obwohl es im Auto eiskalt war. Ihre Befreiungsversuche mussten schmerzhafter gewesen sein, als er zugegeben hatte.

„So. Sehen wir zu, dass wir Sie aus dem Auto bekommen.“

Sie schlüpfte aus dem Wagen und versuchte, ihm zu helfen, aber er wies sie zurück. Der Rauch wurde dichter.

„Ich komme schon zurecht“, sagte er. „Sehen Sie zu, dass Sie vom Wagen wegkommen.“

„Nicht ohne Sie.“

„Hören Sie damit auf. Bringen Sie sich in Sicherheit!“

Doch Serena gab nicht nach. Wenn er sie brauchte, würde sie da sein. Das Zischen war noch immer zu hören. Sie sah zur Motorhaube, wo der Rauch am dichtesten waberte und dann wieder zu dem Fremden.

Sie fragte sich, wie schwer sein linkes Bein wohl verletzt sein mochte. Plötzlich dämmerte ihr, dass er wahrscheinlich nicht gehen konnte. Aber hier, abgeschnitten vom Rest der Welt, konnten sie auch nicht bleiben. Niemand schien diese Straße zu nutzen – zumindest nicht, wenn ein Schneesturm tobte.

Der Mann rutschte über den Beifahrersitz und zog sich aus dem Wagen. Er brauchte ihre Hilfe, um auf die Beine zu kommen. Oder besser gesagt: auf sein unverletztes Bein. Schließlich stützte er sich widerstrebend auf Serenas Schulter. Hüpfend und humpelnd erreichte er mit ihrer Hilfe schließlich die andere Straßenseite in sicherer Entfernung zu dem qualmenden Wagen.

„Danke“, sagte er. „Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn Sie nicht vorbeigekommen wären.“

„Gern geschehen.“

„Ich heiße Jackson. Und Sie?“

Außerhalb des Wagens erkannte Serena ihn. Ihr stockte der Atem. Der Mann bedeutete Ärger. Großen Ärger. Denn vor ihr stand Jackson Bennett – der Gott des Morgenmagazins im amerikanischen Fernsehen. Sie wandte sich ab.

Jeden Werktag war er morgens drei Stunden lang auf Sendung und wurde von Millionen Amerikanern zwischen Ost- und Westküste gesehen. Die Produzenten seiner Sendung hatten schon öfter Serenas Agentin kontaktiert, um ein Live-Interview mit ihr zu bringen, doch aus Termingründen war nie etwas daraus geworden. Jetzt war sie dafür dankbar, auch wenn sie immer noch um Atem rang. Es bestand trotzdem die Möglichkeit, dass Jackson sie erkannte.

In ihren Augen war er der Feind. Ein Vertreter der Medien. Er war eine Bedrohung für ihren ganzen ausgeklügelten Plan, inkognito eine Auszeit zu nehmen. Sie wunderte sich darüber, dass er sie noch nicht erkannt hatte. Ließen die veränderte Haarfarbe und ihr Verzicht auf Make-up sie so anders aussehen? Sie konnte es nur hoffen. Und wer fuhr schließlich in die Alpen und erwartete, dort einem preisgekrönten Filmstar aus Amerika über den Weg zu laufen?

So oder so, Serena würde sich auf gar keinen Fall freiwillig zu erkennen geben. Sie hatte hart dafür gearbeitet, den Paparazzi und allem, was sie mit Hollywood verband – einschließlich ihrer Agentin –, zu entkommen. Es würde das Beste sein, ihre Begegnung mit Jackson so kurz wie möglich zu halten. Er war Reporter, ein Profi. Wenn er nur genug Zeit hatte, würde er hinter ihre Geschichte kommen.

„Mae. Ich heiße Mae.“ Was nicht einmal gelogen war, denn Mae war ihr zweiter Vorname.

Serena fegte den Schnee von einem nahegelegenen Felsblock. „Setzen Sie sich hier hin. Ich bin gleich wieder da.“

„Wo gehen Sie hin?“

Sie dachte an Gizmo und hatte keine Ahnung, wie sie es Jackson erzählen sollte. Sie schluckte schwer. „Ich … ich muss noch etwas nachsehen.“

„Sie schaffen es nicht mehr, das Auto zu retten.“

Serena drehte sich um und sah zu dem qualmenden Wrack. Wenn Gizmo dort war – eingeklemmt, gefangen – musste sie ihm helfen. Durch das dichte Schneetreiben eilte sie auf den Wagen zu, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Jackson rief hinter ihr her, aber sie ignorierte ihn.

Vorsichtig stieg sie die Böschung ein Stück hinab, während sie ununterbrochen Ausschau nach ihrem kleinen Hund hielt. Nichts.

Beklommen näherte sie sich dem zerstörten Fahrzeug. Konnte Gizmo wirklich unter dem Wrack liegen? Sie ging auf die Knie und schaufelte mit der Hand den Schnee vom linken Vorderrad, bis sie kurz zögerte. Ihr ganzer Körper verspannte sich aus Angst vor dem, was sie vielleicht vorfinden würde.

Dann gab sie sich einen Ruck und schaufelte weiter, bis sie das Rad fast ganz freigelegt hatte. Kein Gizmo. Serena holte tief Luft. Das hieß zwar noch nicht, dass er in Sicherheit war, aber es war ein gutes Zeichen. Und das konnte sie gut gebrauchen.

Sie richtete sich wieder auf und drehte sich einmal suchend um die eigene Achse. Dann ging sie die Böschung ganz hinunter, fand aber auch dort keine Spur von ihrem kleinen Liebling. Der Unfall musste ihn völlig verängstigt haben. Aber wie weit konnte ein kleiner Hund laufen? Und wie lange würde er in diesen extremen Wetterbedingungen überleben können? Wieder und wieder rief Serena seinen Namen.

Das dichte Schneetreiben und die finsteren Wolken nahmen ihr die Sicht. Obwohl der Gedanke sie mehr schmerzte als alles andere, musste Serena sich eingestehen, dass sie Gizmo nicht helfen konnte. Tränen brannten in ihren Augen, und sie konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken. Aber sie durfte jetzt nicht zusammenbrechen – noch nicht. Sie musste erst Jackson in Sicherheit bringen, dann würde sie zurückkommen und ihre Suche nach Gizmo fortsetzen.

Das Auto qualmte noch immer, also häufte sie Schnee auf die Motorhaube in der Hoffnung, so einen Brand verhindern zu können. Als sie um den Wagen herumging, entdeckte sie auf der Rückbank eine Reisetasche. Sie öffnete die Hintertür auf der rechten Seite und zog die Tasche aus dem Wagen.

Sie ging zurück zu dem Felsblock, wo Jackson auf sie wartete.

„Wir müssen Sie ins Warme bringen.“

„Was haben Sie da hinten gemacht?“

„Was meinen Sie?“

„Gerade eben, am Auto. Sie haben doch etwas gesucht.“ Plötzlich weiteten sich seine Augen. „Dieser Hund. Er gehört Ihnen!“

Wieder nahmen Tränen Serena die Sicht. Sie nickte blinzelnd.

„Er hat mich beinahe umgebracht“, grollte Jackson.

Serena reckte ihr Kinn vor und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Und es kann sehr gut sein, dass Sie ihn tatsächlich umgebracht haben!“

Anscheinend hatten ihre scharfen Worte Wirkung auf ihn, denn immerhin besaß er den Anstand, den Blick abzuwenden. Seine Wut verflog, als er das Ausmaß der Tragödie erkannte.

„Sind Sie sicher?“, fragte er vorsichtig. „Ich habe versucht, ihm auszuweichen.“

„Ich habe nach ihm gerufen und gesucht. Nichts.“

„Es tut mir leid“, sagte Jackson mit weicher Stimme. „Ich würde nie absichtlich einem Tier wehtun.“

„Es war nicht Ihr Fehler, sondern meiner. Ich habe ihn von der Leine gelassen, obwohl ich es besser hätte wissen müssen.“

„Vielleicht geht es ihm ja auch gut. Vielleicht hat er sich nur verlaufen.“

Serena schüttelte den Kopf. Sie wünschte, Jackson würde den Mund halten. Sein Versuch, sie zu trösten blieb fruchtlos. Nichts konnte ihren Schmerz und ihre Schuldgefühle lindern, außer, sie würde Gizmo gesund und lebendig wiederbekommen.

Aber sie durfte sich jetzt nicht hängen lassen, sondern musste sich um Jackson kümmern. So, wie er das linke Bein schonte, würde sie ihn nie ohne Hilfe bis zur Hütte kriegen. Die lag ein gutes Stück entfernt von hier in großer Abgeschiedenheit.

Deshalb hatte Serena sie ja schließlich haben wollen. Weit entfernt von neugierigen Augen und, was viel wichtiger war, den Medien.

Für einen Notfall aber lag sie denkbar ungünstig. Dennoch hoffte sie, dass sich ein Arzt um Jackson kümmern würde, wenn sie den Rettungsdienst anrufen konnte.

Sie wandte sich an ihn. „Ich habe hier eine Unterkunft. Aber ich glaube kaum, dass Sie es ohne Hilfe dorthin schaffen werden.“

„Es wird schon klappen.“ Er stand auf. Sein verletztes Bein hatte kaum den Boden berührt, als Jackson schon vor Schmerz das Gesicht verzog.

„Ich werde einen Ast suchen, den Sie als Gehstock benutzen können. Mit dem auf der einen Seite und meiner Schulter auf der anderen schaffen wir es hoffentlich bis zur Hütte.“

„Hütte?“

„Hmm. Ist das ein Problem für Sie?“

„Äh, nein. Ich werde ja nicht lange bleiben.“

Jacksons offensichtliches Missfallen an einem Hüttenaufenthalt brachte Serena zum Schmunzeln. Er hatte ja keine Ahnung, dass es sich bei ihrer „Hütte“ um ein zweistöckiges Blockhaus handelte, das mit jedem nur erdenklichen Komfort ausgestattet war. Aber in einer Sache lag Jackson richtig: Er würde nicht lange bleiben. Sobald ihr Telefon wieder Empfang hatte, würde sie dafür sorgen, dass er ins Krankenhaus kam – und aus ihrem Leben verschwand.

3. KAPITEL

Ganz in der Nähe hörte Jackson plötzlich Gebell.

Er sah sich um. War es möglich, dass der Hund, um den die Frau sich solche Sorgen machte, unversehrt war? Er hoffte es inständig.

Er versuchte, in dem Schneegestöber etwas zu entdecken. Wo war der Hund? Wenn es Jackson gelänge, ihn einzufangen, wäre er mit seiner Retterin quitt. Er hasste das Gefühl, bei anderen Menschen in der Schuld zu stehen. Wenn er doch nur ausmachen könnte, woher das Bellen kam!

Vorsichtig erhob Jackson sich von dem Felsblock und drehte sich mühsam um die eigene Achse. Und dann sah er ihn. Unter einem Baum, dort, wo der Schnee nicht ganz so tief war, stand ein kleiner, weißgrauer Hund, ängstlich und verfroren.

„Komm her zu mir, Kleiner“, lockte er sanft. „Ich tu dir nichts.“

Noch einmal bellte der Hund, aber er bewegte sich nicht, sondern beäugte Jackson misstrauisch. Wieder und wieder rief Jackson den kleinen Kerl zu sich, doch der weigerte sich, seine Deckung zu verlassen.

Autor

Jennifer Faye
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