Nur ein Traum vom Happy End?

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Umwerfend sexy, aber ein unverbesserlicher Playboy! Um ihr Herz zu schützen und ihren Job in seiner Firma nicht zu riskieren, hat Katie sich einst von Milliardär Quinten Stone getrennt. Nach einem Sportunfall braucht er nun ihre Hilfe. Schon findet sie sich in seiner Luxusvilla wieder - und in seinem Bett, wo er sie mit grenzenloser Zärtlichkeit überwältigt. Ist das ihr erträumtes Happy End? Katie ist sicher, diesmal will Quinten mehr von ihr als Leidenschaft. Doch dann unterstellt er ihr etwas Unglaubliches …


  • Erscheinungstag 22.12.2020
  • Bandnummer 2165
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726508
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Seine älteren Brüder hatten Quinten Stone schon immer das Leben schwer gemacht, doch diesmal waren sie eindeutig zu weit gegangen: Weil die beiden sich schon wieder in seine Angelegenheiten gemischt hatten, war Quintens Ex-Freundin gerade auf dem Weg zu seinem abgeschiedenen Haus – um für mindestens einen Monat bei ihm zu wohnen und mit ihm zu arbeiten. Er hatte keine Ahnung, wie er das überstehen sollte.

Mit seinen achtundzwanzig Jahren war er bereits leitender Geschäftsführer von Stone River Outdoors, der Firma, die ihm gemeinsam mit seinen Brüdern gehörte. Damit hatte er eigentlich genug am Hals, fand er. Unerwiderte Gefühle für eine Frau, die ihm den Laufpass gegeben hatte, konnte er jetzt wirklich nicht gebrauchen.

Wütend funkelte er seine Brüder an. „Haltet euch da bloß raus, habt ihr verstanden? Ich komme bestens allein zurecht.“

Allerdings war es für seinen Protest längst zu spät, da Katie den Auftrag bereits angenommen hatte.

Auf keinen Fall wollte er sich anmerken lassen, wie sehr ihn der Gedanke mitnahm, sie bald in seiner Nähe zu haben. Oder sich eingestehen, wie sehr ihn ihre Ablehnung damals verletzt hatte.

Die drei Brüder saßen in ausladenden Sesseln vor dem gemauerten Kamin, in dem man bequem ein Wildschwein hätte grillen können. Die Feuerstelle war jedoch kalt, da jetzt im Juni auch in Maine sommerliche Temperaturen herrschten.

„In der letzten Zeit hast du dich zu einigen ziemlich unüberlegten Entscheidungen hinreißen lassen, Quin“, erwiderte Farrell, der älteste der Stone-Brüder, der von den jüngeren beiden auch als „verrückter Erfinder“ bezeichnet wurde, wenn sie ihn ärgern wollten. „Wenn du nicht auf die Ratschläge deines Orthopäden hörst, riskierst du es, vielleicht nie wieder Skifahren zu können. Du musst dir unbedingt die Zeit nehmen, wieder gesund zu werden.“

Niemals wieder Skifahren, dachte Quin bedrückt. Der Sport war das, was er nach seinen Brüdern und der Firma am meisten liebte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte er zu den besten Skifahrern der Welt gehört.

Er starrte auf die unübersehbare Narbe an seinem Knie. Vor achtzehn Monaten war sein rechtes Bein bei einem Autounfall, der seinen Vater das Leben gekostet hatte, zerschmettert worden. Mittlerweile hatte er drei Operation hinter sich und war um ein künstliches Kniegelenk reicher. Nach sechs Wochen schweißtreibender Physiotherapie konnte er zwar fast wieder normal gehen, doch sein Orthopäde bestand darauf, dass Quin seinen Bändern und Sehnen ausreichend Zeit zum Heilen ließ.

Wenn Quinten sich nicht nach den ersten beiden Operationen ständig hätte beweisen wollen, dass er noch immer derselbe Mann wie vor dem Unfall war, wäre er jetzt nicht in einem so erbärmlichen Zustand. Doch am Neujahrstag hatte er sich die Skier untergeschnallt, um in Vermont eine der riskantesten Abfahrten zu wagen.

Leider war sein noch nicht vollständig wiederhergestelltes Knie der Belastung nicht gewachsen gewesen. Quinten stürzte und schlitterte in eine Baumgruppe abseits der Piste. Trotz sofortiger Hilfe war der Schaden an seinem Bein dieses Mal irreparabel gewesen. Deswegen hatte man ihm eine Hightech-Knieprothese eingesetzt. Aber Quins Entschlossenheit, sein altes Leben zurückzugewinnen, wuchs mit jedem schmerzerfüllten Schritt.

Im Grunde wünschte er sich nichts mehr, als wieder Ski zu fahren, seinen Beitrag zum Familienunternehmen zu leisten und aufregenden Sex ohne emotionale Verwirrungen zu genießen. War das etwa zu viel verlangt?

Da Quin nichts auf die Bemerkung seines Bruders erwiderte, ergriff Zachary das Wort. „Der Arzt möchte, dass du dich die kommenden sechs Wochen schonst. Wenn Katie dir bei der Arbeit hilft, kannst du dich ausruhen und trotzdem deiner Verantwortung in der Firma nachkommen. Es ist die ideale Lösung, Quin. Sieh das doch ein.“

Die Brüder teilten sich eine Landebahn, einen kleinen Privatjet und einen Helikopter, der das Herz eines jeden Piloten höherschlagen ließ. Grundsätzlich ließ sich ohnehin keiner der Männer länger als zwei oder drei Tage am Stück in der Firmenzentrale in Portland blicken. Dennoch kam sich Quin jetzt, da er das Gefühl hatte, mit gebrochenen Flügeln an die Erde gefesselt zu sein, wie ein Gefangener vor. Oder kam dieses beklemmende Gefühl daher, dass er demnächst Katie gegenüberstehen würde?

„Ich mag keine Fremden in meinem Haus“, beschwerte er sich trotzig.

Farrell grinste. „Katie ist ja wohl kaum eine Fremde. Wir alle kennen sie seit Ewigkeiten. Es fällt mir zwar schwer, aber ich komme durchaus mal sechs Wochen ohne meine Top-Assistentin aus.“

Quin stand auf und begann, auf und ab zu gehen. Er konnte förmlich spüren, wie sich die sprichwörtliche Schlinge um seinen Hals immer fester zog. Vor zwei Jahren hatten Katie und er ihre Affäre vor den anderen geheim gehalten – und dann hatte Katie ihn von einem Moment auf den anderen verlassen.

Sie arbeitete bereits seit sechs Jahren für Stone River Outdoors, doch seit dem Ende ihrer Beziehung hatte Quin stets einen großen Bogen um sie gemacht. Sein Stolz hinderte ihn bis heute daran, sich nach dem Grund ihrer damaligen Entscheidung zu erkundigen.

Niemand, wirklich niemand, hatte von ihrer Affäre gewusst. Katie wollte nicht, dass man über sie redete, und Quin war einverstanden gewesen. Da konnte er seinen Brüdern wohl kaum jetzt die Wahrheit sagen. Katie war wirklich der letzte Mensch, den er in seiner Nähe haben wollte, immerhin hatte sie ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht mehr an ihm interessiert war. Vermutlich würde es schrecklich anstrengend werden, ausgerechnet mit ihr in der Einsamkeit der Wälder von Maine zusammenzuwohnen. Denn sie mochten ihre Differenzen haben, aber Quin war davon überzeugt, dass die sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen immer noch so stark war wie am ersten Tag.

„Was stimmt denn nicht mit meiner Assistentin?“, fragte er. Er hatte die nette ältere Dame, die seit der ersten Stunde des Unternehmens dabei war, nach dem Tod seines Vaters sozusagen geerbt. Sie war zwar etwas unflexibel und stand mit neuer Technologie auf Kriegsfuß, aber zumindest war sie nicht Katie.

Farrell zuckte zusammen. „Nichts für ungut, aber wir sollten ihr besser eine weniger anspruchsvolle Aufgabe übertragen – oder sie in Rente schicken. Katie hilft dir bei der Suche nach einer Nachfolgerin.“

Beim Gedanken daran, dass Katie ihm bei irgendetwas behilflich sein sollte, stockte Quin der Atem. „Wie hat sie denn reagiert, als ihr sie darum gebeten habt herzukommen?“

Bislang war es ihnen ganz gut gelungen, einander seit der Trennung aus dem Weg zu gehen. Zur Beerdigung seines Vaters war sie allerdings gekommen.

Aus unerfindlichen Gründen hatte Quin ihre Gegenwart damals als tröstlich empfunden.

Auch Zachary stand jetzt auf und streckte sich. „Sie hat Farrell und mir versichert, dass sie alles tun würde, um Stone River Outdoors am Laufen zu halten. Sie ist wirklich eine tolle Frau. Schließlich ist es eine echte Herausforderung, sich hier zu dir in die Wildnis zu wagen.“

„Wie wahr.“ Farrell sah auf seine Armbanduhr. „Ich muss jetzt los. In zwanzig Minuten habe ich ein wichtiges Meeting.“

Seit einiger Zeit hatten sie den Verdacht, dass die Firma Opfer von Industriespionage geworden war. Zwei von Farrells Designvorschlägen waren gestohlen und auf den Markt gebracht worden. Zwar war es nicht um besonders wichtige Produkte gegangen, doch der Vorfall hatte die Brüder vorsichtig werden lassen.

Daher hatte Farrell beschlossen, einige Neuerungen vorzunehmen und in den kommenden Monaten von seinem Ferienhaus an der Nordküste von Maine aus zu arbeiten anstatt in den Laboren in Portland. Deswegen hatte er gleich ein Gespräch mit dem Bauunternehmer.

Quin spürte Panik in sich aufsteigen. „Ich kann sehr gut alleine arbeiten. Ich brauche keine Hilfe – und auch keinen Babysitter. Ich verspreche euch, auf mich aufzupassen.“

Mitfühlend sahen Farrell und Zachary ihn an. „Brüderchen, wir kennen dich zu gut, um dir das zu glauben.“ Farrell klimperte mit den Autoschlüsseln. „Du wirst alles tun, um möglichst schnell gesund zu werden. Aber so funktioniert das nun einmal nicht. Das hier ist kein normales Training. Sechs Wochen sind doch gar nicht so lang. Außerdem lassen wir dich nicht im Stich, sondern werden oft hier sein. Es ist ja nicht so, als müsstest du ins Gefängnis.“

Zachary seufzte. „Ich weiß, dass das alles Mist ist, Quin. Alles. Dads Tod. Der Unfall. Die ganzen OPs. Du bist eben ziemlich angespannt. Aber glaub mir: Wenn du tust, was der Arzt sagt, dann bist du in Kürze ein neuer Mensch.“

Katie hatte nicht Nein sagen können, als man sie um ihre Hilfe bat. Immerhin war Farrell ihr Boss, und Zachary unterzeichnete ihre Gehaltsschecks.

Zwar hatten beide Männern mehrfach darauf hingewiesen, dass die Teilnahme an diesem etwas unorthodoxen Experiment völlig freiwillig sei. Dennoch konnte sie den Job nicht ablehnen. Stone River Outdoors brauchte sie.

Quinten brauchte sie.

Trotz des freundlichen Sommertags war ihr unbehaglich zumute.

Bei Ellsworth, kurz vor dem bei Touristen äußerst beliebten Acadia National Park, bog sie auf eine weniger befahrene Straße ab, die zum Stone River führte. Dieser kurvenreiche Highway wurde ausschließlich von Einheimischen benutzt, und außer Feldern, Wäldern und stillen Seen war weit und breit nichts zu sehen.

Eine friedliche Stimmung lag über der Landschaft. Dennoch ließ die bevorstehende Konfrontation mit Quinten Katies Hände vor Aufregung feucht werden, während sie das Lenkrad umklammerte. Vor zwei Jahren war er ihr Liebhaber gewesen. Selbst heute noch beunruhigte sie diese Vorstellung.

Quinten Stone war durch und durch Athlet und Playboy. Als Teenager hatte er die Goldmedaille um eine halbe Sekunde verpasst, danach nahm er ständig an hochkarätigen Wettkämpfen auf der ganzen Welt teil. Man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass Quinten und seine Brüder regelrechte Globetrotter waren.

Obwohl die Leidenschaft, die sie füreinander empfunden hatten, wild und faszinierend gewesen war, klaffte eine riesige Kluft zwischen Katies und Quins Lebenseinstellungen. Katie war der Meinung, dass man mit Geld anderen Menschen half. Quin hingegen hatte sein Vermögen leichtfertig aus dem Fenster geworfen, um sie zu beeindrucken. Zumindest war das damals ihr Bild von ihm gewesen.

Doch Katie machte sich nichts aus Reisen und Geschenken, auch wenn sie noch so nett gemeint waren. Ihr war eine tiefe, innige, aufrichtige Beziehung wichtiger. Quin hingegen konnte seine Gefühle besser verbergen als jeder andere Mensch, den sie kannte. Traurig, aber wahr.

Ihr GPS verlor das Signal, und Katie verdrängte energisch alle Gedanken an Quin. Sie musste auf die Strecke achten.

Endlich fand sie die richtige Abfahrt. Bisher war sie noch nie so weit oben in Maine gewesen, hatte aber bereits einige Luftaufnahmen gesehen: Auf Felsvorsprüngen über dem Meer thronten drei spektakulär anzusehende Häuser. Vor nahezu zweihundert Jahren hatte ein Vorfahre der Stones ein riesiges Stück Wildnis erworben und den Fluss, der sein Anwesen durchströmte, nach sich benannt. Die nachfolgenden Generationen hatten immer wieder Stücke von dem Land verkauft, trotzdem konnten die Brüder Stone heute noch mehrere Hundert Quadratkilometer Grundbesitz ihr Eigen nennen. Offenbar lag ihnen die Neigung, in Abgeschiedenheit zu leben, in den Genen.

Man hatte Katie auf das Tor hingewiesen und ihr den Zugangscode gegeben. Die gepflasterte Zufahrtsstraße war wohl ziemlich kostspielig gewesen, aber sicher auch nötig, wenn man bedachte, wie viele schwere Geländewagen und andere motorisierte Monster die Brüder fuhren.

Quins persönlicher Favorit war ein schwarzer Ferrari. Höllisch sexy. Einmal hatte er Katie während ihrer kurzen Beziehung in dem Cabrio auf einen Highway bei Portland mitgenommen – um Mitternacht. Noch heute erinnerte sie sich an die ungebändigte Kraft des Motors, die Quin auf der geraden Strecke entfesselt hatte. Spürte den Wind auf ihren Wangen und das aufregende Kribbeln in ihrem Bauch, wann immer Quin stärker beschleunigt hatte. Er war ganz in seinem Element gewesen und hatte gelacht, wenn sie hin und wieder entsetzt aufschrie.

Kurz darauf war er auf eine abgelegene Seitenstrecke gebogen und hatte sie auf der noch warmen Motorhaube des Ferraris geliebt.

Unwillkürlich schnappte Katie nach Luft, und ihre Nippel wurden hart. Alles an Quinten Stone war ihr damals perfekt vorgekommen, solange sie die hohe Summe auf seinem Bankkonto ignorierte – und seine Unfähigkeit, sich emotional auf eine Frau einzulassen.

Diese schmerzhaften Erinnerungen zu verdrängen, würde nicht einfach werden.

Um sie herum erstreckte sich der sommerliche Wald wie ein grüner Tunnel aus Eschen, Espen, Fichten und Kiefern. Katie fand es nicht weiter erstaunlich, dass die Brüder so oft wie möglich hierherkamen.

Früher, als ihr lieb war, erreichte sie ihr Ziel. Sie parkte ihren Kleinwagen vor dem Treppenaufgang und nahm Quins Haus näher in Augenschein.

Es war ein imposantes Bauwerk aus Zedernholz und Stein, das sich in ein kleines Wäldchen schmiegte. Durch die riesigen Panoramafenster hatte man einen ungehinderten Blick auf den Ozean, der heute still und friedlich dalag.

Niemand kam ihr entgegen, um sie zu begrüßen, obwohl sie vermutete, dass der in die Jahre gekommene Toyota, hinter dem sie angehalten hatte, irgendeinem Angestellten gehörte. Sie stieg aus und ging langsam die Treppen hinauf, verärgert über ihre Nervosität.

Mittlerweile waren nahezu zwei Jahre seit ihrer Trennung von Quinten vergangen, und Katie hatte stets darauf geachtet, ihm aus dem Weg zu gehen, wenn er sich im Firmensitz blicken ließ und sie ebenfalls dort zu tun hatte. Was selten genug vorkam, da Farrell und Quinten sich nur selten gleichzeitig in Portland aufhielten.

Vor achtzehn Monaten jedoch – auf der Beerdigung von Mr. Stone senior – hatte sie natürlich kurz mit ihrem ehemaligen Liebhaber gesprochen. Er war angespannt gewesen und voller Trauer, in Verbänden und auf Krücken. Sie hatten am Grab ein paar Worte gewechselt, bevor Katie weitergegangen war, zutiefst erschüttert bei dem Gedanken, wie knapp Quin dem Tod entgangen war.

Und jetzt war sie hier, im Begriff, die Höhle des Löwen zu betreten. Kopfschüttelnd dachte sie über ihren Vergleich nach. Eigentlich empfand sie keine Furcht. Vielmehr sehnte sie sich danach, ihn zu sehen. Das Schlimmste an der Situation war ihre Unfähigkeit, in Quins Gegenwart die Selbstkontrolle zu bewahren.

Quinten Stone war der einzige Mann, von dem sie jemals berührt werden wollte. Auch, nachdem ihr bewusst geworden war, dass er nicht der Richtige war, hatte es sie schier übermenschliche Anstrengungen gekostet, ihn zu verlassen.

Jetzt war sie im Begriff, ihren schwer errungenen Sieg zunichte zu machen.

Auf Zehenspitzen ging sie zum nächstgelegenen Fenster und spähte ins Haus hinein. Obwohl es nahezu unbewohnt wirkte, wusste sie, dass der Schein trog. Der Hausherr war anwesend, schließlich war das der Grund dafür, dass man ihr aufgetragen hatte, hier zu arbeiten statt in Portland.

Leider hatte sie ihre Sonnenbrille im Auto vergessen, weswegen sie die Augen schließen musste, um sich vor dem gleißenden Sonnenschein zu schützen. Sofort tauchte vor ihrem inneren Auge ein Bild von Quin auf. Wie er lächelte. Wie er lachte. Mit seinen eins achtundachtzig überragte er Katie lediglich um zehn Zentimeter. Einmal hatte er ihr gestanden, wie froh er darüber war, dass sie so groß war, denn so war es einfach für sie, im Stehen Sex zu haben. Er hatte nicht gezögert, es ihr unmittelbar darauf zu beweisen.

Lieber Himmel. Plötzlich bekam sie Kopfschmerzen. Was sollte sie bloß sagen, wenn sie ihn sah?

Sie warf einen letzten Blick zwischen den schweren Vorhängen in Dunkelblau und Burgunderrot hindurch auf die anheimelnde, rustikale Einrichtung. Sie wusste, dass der dicke Stoff dazu diente, im Winter die kalte Bergluft draußen zu halten.

Plötzlich wurde ihr schwindelig. Sie wurde doch hoffentlich nicht ohnmächtig, oder? Einerseits konnte sie es nicht erwarten, ihn wiederzusehen, andererseits empfand sie panikartige Furcht davor. Nervös presste sie sich eine Hand auf den Bauch, während sie die andere hob, um den Klingelknopf zu betätigen.

Ein unerwartetes Geräusch hinter ihr ließ sie herumwirbeln. Dabei stolperte sie über ihre eigenen Füße und landete ziemlich unsanft auf dem Po.

Der hochgewachsene, schlanke Mann, der überrascht zu ihr heruntersah, lächelte etwas gezwungen. „Kundschaftest du etwa das Haus für einen Einbruch aus?“

„Selbstverständlich nicht“, brachte sie verlegen hervor und spürte, wie ihre Wangen warm wurden. „Hallo Quinten.“

Er nickte ihr zu. „Katie …“ Er lachte trocken. „Ich würde dir ja gerne beim Aufstehen behilflich sein, aber ich habe genug damit zu tun, mich selbst auf den Beinen zu halten.“

Rasch stand sie auf, erleichtert darüber, dass sie heute keinen Rock trug. „Wie geht es dir?“

Er zuckte mit den Schultern, „Das kommt ganz darauf an, wen du fragst. Ich für meinen Teil habe genug von Leuten, die sich Gedanken um meine Gesundheit machen.“

2. KAPITEL

„Vielleicht solltest du endlich aufhören, dich selbst zu bemitleiden und lieber froh darüber sein, dass du nicht tot oder querschnittsgelähmt bist.“

Verblüfft blinzelte Quinten. Vermutlich war genau das der Grund dafür, dass seine Brüder Katie auf ihn gehetzt hatten. Sie hatte Dummköpfen, Jammerlappen oder Drückebergern noch nie besonders viel abgewinnen können und leitete Farrells Abteilung mit eiserner Hand. Ihre Mitarbeiter verehrten sie für ihren leidenschaftlichen, aber gerechten Führungsstil.

Ihm wurde bewusst, dass er ihr noch nicht einmal anbieten konnte, ihre Tasche zu tragen. Na ja, er könnte es anbieten, aber das Ergebnis wäre sicher nicht sehr zufriedenstellend.

Hatte er jetzt wirklich die ganze Zeit geschwiegen? Seitdem sie hier war, kam er sich wie ein schüchterner Teenager vor. Sein Herzschlag hatte sich beschleunigt, und seine Beine kamen ihm noch kraftloser vor, als sie es ohnehin schon waren.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du bereit bist, hierherzukommen“, bemerkte er unverblümt. Ob sie sich wohl gerade wegen ihrer gemeinsamen Vergangenheit dazu entschlossen hatte?

Also, er selbst war jedenfalls gerade sehr versucht …

Zwar hatte sie ihr hellblondes Haar zu einem Zopf hochgebunden, aber er wusste noch allzu genau, wie sich ihre seidig weichen Strähnen auf seiner nackten Brust angefühlt hatten.

Aus großen braunen Augen musterte sie ihn aufmerksam. „Und ich hätte nicht gedacht, dass du damit einverstanden wärst“, erwiderte sie leise. „Von daher sind wir wohl quitt.“

Er atmete tief ein. „Vielleicht sollten wir noch einmal von vorn anfangen. Vielen Dank, dass du gekommen bist, Katie. Ich weiß das sehr zu schätzen – genauso wie Farrell und Zachary.“

„Gern geschehen.“ Sie schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und schaute blinzelnd aufs Meer. Der Sonnenschein ließ die Wasseroberfläche glitzern wie Millionen von Diamanten. „Du hast ein wirklich schönes Zuhause, Quin.“

„Danke.“ Trotz der etwas gekünstelten Höflichkeit ihres Dialogs stiegen ungezählte unausgesprochene Erinnerungen in Quinten auf. Katie trug eine rosafarbene Seidenbluse mit hochgekrempelten Ärmeln, enge schwarze Jeans, die ihre langen Beine betonten, und schlichte, silbern schimmernde Sandalen, die ihm freien Blick auf ihre sexy zartrosa lackierten Zehennägel gewährten. War es verwerflich, dass er sich gerade danach sehnte, an diesen entzückenden Zehen zu knabbern?

Er räusperte sich. „Lass uns reingehen.“

„Klar.“ Als sie den geräumigen Eingangsbereich betraten, war Katie offensichtlich aufgeregt, versuchte aber, ihren inneren Aufruhr vor ihm zu verbergen.

Er wiederum versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr es ihn frustrierte, dass er die Stufen ins Obergeschoss nicht bewältigen konnte. „Seit der Operation bin ich nur noch hier unten“, erklärte er. „Ms. Peterson zeigt dir das Gästezimmer oben. Lass es mich wissen, wenn du noch etwas benötigst – egal, was es ist. Ich möchte, dass du dich wohlfühlst.“

Spielten ihm seine Augen einen Streich, oder errötete Katie tatsächlich ein wenig? „Okay“, antwortete sie.

Er räusperte sich. „Lass dir ruhig Zeit, wir essen erst um sieben Uhr zu Abend. Wenn du schon vorher etwas trinken möchtest, findest du mich in der Bibliothek.“

Sobald Quinten im hinteren Teil des Hauses verschwunden war, atmete Katie aus. Bis dahin war ihr gar nicht aufgefallen, dass sie die Luft angehalten hatte.

Die Haushälterin, eine reizende, herzliche Endfünfzigerin, führte Katie über die massive Holztreppe in die erste Etage.

„Leben Sie hier in der Nähe, Ms. Peterson?“, erkundigte sie sich, nachdem sie eine schicke kleine Suite betreten hatten.

„Wenn Sie mögen, können Sie ruhig Lydia zu mir sagen“, entgegnete die Frau. „Ja, einen Katzensprung von hier entfernt. Mein Mann ist Berufsfischer, und da weiß man nie, wie gut der nächste Fang wird. Hier in der Gegend gibt es nicht viele Jobs, und als Mr. Quinten vor fünf Jahren dieses Haus gebaut und nach einer Haushälterin gesucht hat, war das eine perfekte Gelegenheit für mich.“

„Das ist toll. Ich schätze, Sie müssen auch nicht jeden Tag hier sein, weil Quin doch immer so viel reist.“

Lydia zeigte ihr das luxuriöse Bad und den Wohnbereich mit Minikühlschrank und Mikrowelle. „Das stimmt, aber seit seiner letzten Operation bin ich viel öfter hier als früher. Bis vor Kurzem hatten wir eine Physiotherapeutin im Haus. Mr. Quinten ist fest entschlossen, sein Bein bald wieder richtig bewegen zu können.“

„Geduld ist nicht unbedingt eine seiner Stärken.“

Die Haushälterin lachte. „Das kann man wohl sagen. Mr. Quin hat ein voll ausgestattetes Fitnessstudio und trainiert eisern nach dem Plan, den seine Therapeutin für ihn erstellt hat.“

„Ich verstehe. Wissen Sie schon, wo mein Arbeitsplatz ist?“

„Ja, aber den zeige ich Ihnen morgen früh. Mr. Quin hat darauf bestanden, dass Sie erst einmal richtig ankommen und sich ausruhen. Machen Sie sich keine Sorgen, Sie bekommen einen großen und gut ausgestatteten Arbeitsbereich. Die drei Brüder haben vergangene Woche alles in die Wege geleitet, damit Sie von hier aus genau so arbeiten können, wie Sie es aus Portland kennen.“

„Das klingt perfekt.“

„Brauchen Sie Hilfe mit Ihrem Gepäck?“

Katie streckte die Arme über den Kopf. „Vielen Dank, aber nach der langen Autofahrt freue ich mich darauf, mich ein wenig zu bewegen.“

„Wie Sie wünschen. Bitte geben Sie mir oder Mr. Quin Bescheid, wenn Sie etwas benötigen – gleichgültig, was.“

Katie folgte der Frau nach unten und dankte ihr nochmals, bevor sie begann, ihr Gepäck zu entladen. Insgesamt war sie drei Mal unterwegs, bevor alles oben in der Gästesuite war. Sie hatte ihr Lieblingskissen dabei, einen großen Koffer und einige Reisetaschen. Sechs Wochen waren eine lange Zeit, und sie hatte der Versuchung nicht widerstehen können, auch ihre Bücher und ihren privaten Laptop mitzunehmen. Dazu kam ein Stapel Akten aus Quintens Büro. Zwar waren die meisten Daten online abzurufen, doch gab es auch einige Vorgänge, denen Quinten in Papierform Aufmerksamkeit schenken musste.

Im Haus herrschte eine nahezu unheimliche Stille, obwohl, soweit Katie wusste, Ms. Peterson noch da war und das Dinner zubereitete. Katie fragte sich, wo Quinten wohl sein mochte. Seit seiner förmlichen Begrüßung lagen ihre Nerven blank. Dass auch er noch ganz genau wusste, wie es sich anfühlte, nackt zusammen im Bett zu liegen, hatte sie an seinem Blick gesehen.

Umso beeindruckender fand sie, dass es Farrell und Zachary gelungen war, ihren Bruder von der Notwendigkeit ihrer Anwesenheit zu überzeugen. Schließlich war Quinten dafür bekannt, in seinen Ansichten so starrsinnig und unbeweglich wie ein Fels zu sein. Sie hegte den Verdacht, dass er manchmal einfach nur eine andere Meinung als die anderen vertrat, um dagegen sein zu können.

Nachdem sie mit Auspacken fertig war, ging sie auf die Veranda, die sich in der oberen Etage einmal um das gesamte Haus herum erstreckte und auf der ein paar wunderschönen hölzernen Schaukelstühle zum Sitzen einluden. Erleichtert ließ sie sich in einen davon hineinsinken und fühlte sich zum ersten Mal an diesem Tag vollkommen entspannt.

Zwar lag noch das Abendessen vor ihr, aber sie arbeitete daran, die Dinge positiv zu betrachten. Quin war lediglich ein Mann, mit dem sie mal kurz zusammen gewesen war, und das hier war einfach nur ein Job – noch dazu ein zeitlich befristeter. Sechs Wochen lang konnte man mit fast allem klarkommen.

Die gemütlichen Schaukelstühle auf der Veranda passten eigentlich gar nicht zu Quintens Drang nach Geschwindigkeit. Die einzige Sache, für die er sich Zeit zu nehmen pflegte, war Sex – und wenn sie darüber nachdachte, war auch der manchmal so rasant wie eine Fahrt in Quins Ferrari gewesen.

Manche Leute mochten den Eindruck haben, dass Quinten voll nervöser Energie steckte, aber Katie wusste es besser. Der Mann war zielstrebig und unbeirrbar. Wenn er sich auf etwas konzentrierte, dann erreichte er es auch. Er hatte so viele nationale und internationale Skimeisterschaften gewonnen, dass er sogar der Iron Man der Pisten und Schanzen genannt wurde.

Ob er sich noch immer in diesem Wettstreitmodus befand?

Als sie damals ein Paar waren, hatte sie unbedingt mehr über den Mann hinter der Maske herausfinden wollen. Von den seltenen Einblicken in sein wahres Ich war sie fasziniert gewesen, und sein Interesse hatte ihr geschmeichelt. Doch mit der Zeit war immer deutlicher geworden, dass Quin außer der körperlichen Beziehung nichts von ihr wollte.

Er hatte nicht wissen wollen, wer sie wirklich war.

Diese Gleichgültigkeit hatte sie damals zutiefst verletzt. Würde sie heute noch genauso empfinden?

Sie erwog, sich zum Dinner umzuziehen, entschied sich aber dagegen, damit Quin nicht auf falsche Gedanken kam. Das hier war ein Arbeitsverhältnis und keine romantische Verabredung, bei der sie in gemeinsamen Erinnerungen schwelgen würden.

Trotzdem nahm sie sich Zeit, den Zopf zu lösen und ihr Haar zu bürsten. Sobald die Sonne unterging, würde es sich spürbar abkühlen, und die langen Haare gaben ihr ein Gefühl von Wärme und Schutz.

Autor

Janice Maynard
Janice Maynard wuchs in Chattanooga, Tennessee auf. Sie heiratete ihre High-School-Liebe während beide das College gemeinsam in Virginia abschlossen. Später machte sie ihren Master in Literaturwissenschaften an der East Tennessee State University. 15 Jahre lang lehrte sie in einem Kindergarten und einer zweiten Klasse in Knoxville an den Ausläufern der...
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