Nur eine königliche Affäre?

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Warum ist er diese verrückte Wette eingegangen? Prinz Vitale Castiglione könnte sich verfluchen! Er sollte doch nur der hübschen Bürgerlichen Jazmine gesellschaftlichen Benimm beibringen, damit sie ihn auf den königlichen Ball begleitet und mögliche Heiratskandidatinnen entmutigt. Aber seine intimen Nachhilfestunden wecken in dem sonst so vernünftigen Prinzen einen nie gekannten Hunger nach Liebe. Er erobert Jazz leidenschaftlich - eine unmögliche Affäre beginnt! Denn nur eine Frau aus dem Hochadel kann jemals seine echte Prinzessin werden …


  • Erscheinungstag 12.03.2019
  • Bandnummer 2378
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712044
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Komm schon“, forderte Zac Da Rocha seinen Bruder auf. „Es muss doch etwas geben, das du mehr willst als das Auto. Verkauf mir den Wagen, und ich gebe dir alles, was du willst.“

Feindseligkeit stieg in Prinz Vitale Castiglione auf, denn sein brasilianischer Halbbruder nervte ihn wahnsinnig. Dass sie beide Luxusautos sammelten, schien ihre einzige Gemeinsamkeit zu sein. Aber Zac hatte nie gelernt, ein Nein zu akzeptieren – er erhöhte dann einfach den Preis. Er schien gar nicht zu begreifen, dass Vitale nicht bestechlich war. Aber wie sollte er auch: Zacarias Da Rocha war Erbe der berühmten Quintel-Da-Rocha-Diamantminen und selbst nach den Maßstäben seiner Brüder unermesslich reich. Er kannte es nicht, dass man ihm etwas abschlug, und war unfähig, Grenzen zu respektieren.

Vitale warf dem Jüngeren einen düsteren Blick zu. „Nein“, wiederholte er leise und wünschte, sein älterer Bruder Angel Valtinos würde zurückkommen und dafür sorgen, dass Zac den Mund hielt, denn unhöflich zu sein fiel Vitale nicht leicht. Aufgewachsen mit den steifen Traditionen einer europäischen Königsfamilie war er von klein auf darauf konditioniert worden, niemals die Geduld zu verlieren oder seine wahren Gefühle zu offenbaren.

Dabei war es ein sehr verstörender Morgen gewesen. Vitale war überrascht gewesen, dass sein Vater, Charles Russell, ihn und seine beiden Brüder gebeten hatte, sich im Büro mit ihm zu treffen. Diese Bitte war ungewöhnlich, da Charles sich normalerweise bemühte, sich einzeln Zeit für seine Söhne zu nehmen. Nachdem Charles seinen ältesten Sohn Angel allein zu sich ins Büro gebeten hatte, war Vitale immer noch nicht schlauer, was den Grund dieses Treffens anging. Nun saß er hier allein mit Zac im Vorzimmer, was auch kein Spaß war.

Wobei es nicht Zacs Fehler war, dass er seinen Vater erst im Jahr zuvor kennengelernt hatte und für seine Halbbrüder quasi noch ein Fremder war. Trotz der Scheidung ihrer jeweiligen Eltern kannten Vitale und Angel sich von Kindesbeinen an. Zac mit seinen ungezähmten schwarzen Haaren, den Tätowierungen und der aggressiven Haltung passte leider einfach nicht dazu. Er war zu unkonventionell, zu wettbewerbsorientiert … einfach in allem zu viel. Es half auch nicht, dass er nur wenige Monate jünger war als Vitale, denn das bedeutete, er war gezeugt worden, während Charles Russell noch mit Vitales Mutter verheiratet gewesen war. Doch Vitale konnte verstehen, wie es zu dieser Affäre hatte kommen können. Seine Mutter war kühl und distanziert, während sein Vater fürsorglich und gefühlvoll war. Die Scheidung hatte Charles sehr mitgenommen, und vermutlich hatte er in der Zeit Trost in den Armen einer warmherzigeren Frau gesucht.

„Lass uns eine Wette abschließen“, schlug Zac unbeirrt fort.

Vitale hätte am liebsten die Augen verdreht, erwiderte aber nichts.

„Ich habe vorhin gehört, wie du mit Angel über den großen Ball gesprochen hast, der Ende nächsten Monats im Palast von Lerovia stattfindet“, sagte Zac leise. „Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich um eine ziemlich exklusive Veranstaltung, und deine Mutter erwartet von dir, dass du dir aus ihrer handverlesenen Auswahl an weiblichen Gästen deine Ehefrau aussuchst …“

„Königin Sofia möchte gern mein Leben organisieren“, stieß Vitale zwischen zusammengebissenen Zähnen aus. „Aber ich habe keine Pläne, in naher Zukunft zu heiraten.“

„Aber wäre es nicht wesentlich leichter, dir die ganzen Frauen vom Leib zu halten, wenn du mit einer Partnerin hingehen würdest?“, fuhr Zac fort, als wüsste er, wie viel Druck Vitales königliche Mutter auf ihn ausübte. „Also, die Wette lautet wie folgt: Ich wette, dass du es nicht schaffst, eine normale Frau in eine überzeugende Dame der Gesellschaft zu verwandeln und an diesem Abend damit durchzukommen. Falls es dir doch gelingt, gebe ich dir meinen seltensten Wagen. Aber wenn deine Lady den Test nicht besteht, überlässt du mir dein kostbarstes Auto.“

Was für eine kindische Wette, dachte Vitale und verdrehte nun doch die Augen. Ungeduldig strich er sich das Haar aus der Stirn. „Ich bin nicht Pygmalion, und ich kenne keine ‚normalen‘ Frauen“, entgegnete er.

„Wer ist Pygmalion?“, fragte Zac sichtlich verwirrt. „Und wieso kennst du keine normalen Frauen? Du lebst doch in der gleichen Welt wie ich.“

„Nicht ganz.“ Vitales Affären waren immer sehr diskret. Er vermied es, sich auf billige, Prominente jagende Frauen einzulassen, die nur mit ihrer Eroberung prahlen wollten. Auf keinen Fall wollte er Schlagzeilen über sich lesen, die den Thron von Lerovia beschmutzen würden. Außerdem war Vitale Investmentbanker und CEO der sehr konservativen und respektablen Bank von Lerovia, was bedeutete, man erwartete von ihm, ein ruhiges, gesetztes Leben zu führen. Banker, die sich Ausschweifungen hingaben, machten die Investoren nervös. Immerhin war Lerovia ein Steuerparadies von internationalem Ruf. Vitales Großvater hatte den Reichtum und die Stabilität des kleinen Landes auf einer sicheren finanziellen Basis aufgebaut. Vitale selbst hatten nur wenige Berufswege offengestanden. Seine Mutter hatte gewollt, dass er einfach der Kronprinz war, der Nachfolger in Wartestellung, aber Vitale hatte einen größeren Sinn in seinem Leben gesucht.

Er hatte um sein Recht gekämpft, sich eine Karriere aufzubauen, und nun kämpfte er um seine Freiheit, weiterhin ungebunden zu bleiben. Mit gerade einmal achtundzwanzig Jahren war er noch nicht bereit für die Verantwortungen einer Ehe, geschweige denn für Kinder. Bei dem Gedanken an schreiende, von ihm abhängige Babys zog sich sein Magen zusammen. Zudem wusste er, wie schwierig es für eine Frau würde, in die königliche Familie von Lerovia einzuheiraten und sich seiner dominanten Mutter, der derzeitigen Königin, auszusetzen. Seine unglückliche Braut würde übermenschliche Selbstbeherrschung brauchen, um zu bestehen.

In diesem Moment kam Angel aus dem Büro seines Vaters und riss Vitale aus seinen trüben Gedanken. Er wirkte seltsam bedrückt, und Vitale sprang auf und sah ihn fragend an.

„Du bist dran“, sagte sein älterer Bruder nur trocken, ohne auf Vitales unausgesprochene Frage einzugehen.

Vitale fragte sich, was Charles wohl mit seinem ältesten Sohn besprochen hatte. Dann fiel ihm etwas ein, und er zuckte innerlich zusammen. Vermutlich hatte ihr Vater erfahren, dass Angel eine uneheliche Tochter hatte, die er noch nie getroffen hatte. Das war Angels dunkelstes Geheimnis, das er nur mit Vitale geteilt hatte. Für einen so familienorientierten Mann wie Charles musste das ein Ding der Unmöglichkeit sein. Diesen Fehler würde Vitale jedoch nie machen. Denn was Verhütung betraf, ging er kein Risiko ein. Dazu wusste er zu gut, wie wenig Optionen ihm in einem solchen Fall blieben. Entweder würde er sich einem riesigen Skandal stellen oder die betreffende Frau heiraten müssen. Da beide Varianten ihm eiskalte Schauer über den Rücken jagten, war er stets auf Nummer sicher gegangen.

Charles Russell, ein immer noch attraktiver Mann mittleren Alters mit leicht ergrauten Haaren, kam auf Vitale zu und umarmte ihn herzlich. „Tut mir leid, dass du so lange warten musstest.“

„Kein Problem.“ Unter der Berührung verkrampfte er sich. Auch wenn er die Zuneigung genoss, mit der sein Vater ihn begrüßte, hatte er Schwierigkeiten, genauso herzlich darauf zu reagieren. Tief in seinem Inneren war er immer noch der kleine Junge von zwei Jahren, dessen Mutter ihn angewidert von sich geschoben und ihm gesagt hatte, es wäre kindisch, immer noch in den Arm genommen werden zu wollen.

„Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, denn ich denke, du kannst mit diesem heiklen Thema besser umgehen als ich“, erklärte Charles. „Erinnerst du dich noch an die Haushälterin, die ich auf Chimneys hatte?“

Vitale runzelte die Stirn. Er und Angel hatten unzählige Schulferien auf dem Landsitz seines Vaters verbracht, und Vitale hatte diese Ferien geliebt. Hier war er frei gewesen von den Zwängen und Traditionen des Hofes. Auf Chimneys, einem Haus im elisabethanischen Stil, war er vollkommen unbeschwert gewesen – sowohl als pummeliger kleiner Junge als auch als launischer Teenager. Hier hatte er tun können, was er wollte, ohne ständig überzogenen Erwartungen entsprechen zu müssen.

„An das Personal kann ich mich nicht wirklich erinnern.“

Diese Antwort schien seinen Vater zu enttäuschen. „Sie hieß Peggy und hat jahrelang für mich gearbeitet. Sie war mit dem Gärtner verheiratet. Robert Dickens.“

Eine Erinnerung flackerte in Vitale auf. Irgendetwas wegen eines alten Skandals. „Eine rothaarige Frau, die mit ihrem jungen Liebhaber durchgebrannt ist?“, fragte er.

„Ja, genau die“, bestätigte Charles. „Er war einer der Gärtnergesellen, ein durchtriebener Süßholzraspler. Ich habe mich immer für dieses Chaos verantwortlich gefühlt.“

Vitale, der sich nicht vorstellen konnte, sich in die Angelegenheiten seiner Angestellten einzumischen oder sich auch nur dafür zu interessieren, sah seinen Vater erstaunt an. „Warum?“

„Ein paar Mal habe ich blaue Flecken an Peggy bemerkt“, gab Charles unbehaglich zu. „Ich habe Dickens der häuslichen Gewalt verdächtigt, aber nichts dagegen unternommen. Mehrmals habe ich Peggy gefragt, ob es ihr gut gehe, und sie hat mir immer versichert, dass alles bestens wäre. Ich hätte mehr tun sollen.“

„Ich sehe nicht, was du hättest unternehmen können, wenn sie nicht gewillt war, etwas zu sagen“, winkte Vitale ab. Er fragte sich, wohin diese seltsame Unterhaltung wohl führen würde, und wunderte sich, wieso diese Geschichte seinen Vater so mitnahm. „Du warst nicht für sie verantwortlich.“

„Richtig und falsch ist nicht immer so klar zu trennen“, erwiderte Charles grimmig. „Hätte ich sie intensiver unterstützt und ermutigt, hätte sie mir vielleicht vertraut und mir die Wahrheit gesagt. Dann hätte ich ihr die Hilfe zukommen lassen können, die sie und ihre Tochter benötigten. Aber stattdessen war ich höflich und distanziert, und dann ist sie mit dem schleimigen kleinen Mistkerl durchgebrannt.“

„Was hättest du denn tun sollen? Ich finde, man sollte die Grenzen anderer Menschen respektieren, vor allem die der Angestellten.“ Bei der Erwähnung von Peggys Tochter verkrampfte er sich unwillkürlich erneut, versuchte aber, es zu verbergen. An Peggy Dickens hatte er nur dumpfe Erinnerungen, aber ihre Tochter Jazmine stand ihm noch klar vor Augen. Vermutlich, weil Jazz die Hauptrolle in einer seiner peinlichsten Jugenderinnerungen spielte. Er schaute nur ungern auf die Tage zurück, bevor er Takt und Diskretion gelernt hatte.

„Nein, du musst humaner denken, Vitale. Angestellte sind auch Menschen, und manchmal brauchen sie Hilfe und Verständnis“, widersprach Charles.

Vitale wollte weder helfen noch verstehen, was seine Angestellten in der Bank oder im Palast motivierte. Er wollte nur, dass sie ihren Job bestmöglich erledigten. Noch nie hatte er sich auf persönlicher Ebene mit seinen Mitarbeitern eingelassen, doch aus Respekt gegenüber seinem Vater behielt er seine Meinung für sich und versuchte, das Thema wieder auf den eigentlichen Zweck der Unterhaltung zurückzubringen. „Du hast gesagt, du möchtest mich um einen Gefallen bitten“, sagte er.

Charles musterte das schmale, abweisende Gesicht seines Sohnes, in dem er Spuren der eisigen Reserviertheit und Herzlosigkeit seiner Ex-Frau sah. Wenn es einen Menschen gab, von dem man sagen konnte, dass Charles ihn hasste, wäre das die Königin von Lerovia, Sofia Castiglione. Und doch hatte er sie einst bis an den Rand des Wahnsinns geliebt. Bis er erkannt hatte, dass er nur ein Mittel zum Zweck für sie war, ein Samenspender für den Thronerben von Lerovia. Sofias wahre Liebe war eine andere Frau gewesen, ihre beste Freundin Cinzia, und von dem Moment an, an dem Sofia schwanger geworden war, hatte sie Charles nicht mehr benötigt. Doch das war ein Geheimnis, das er geschworen hatte, mit ins Grab zu nehmen. In der Scheidungsvereinbarung hatte er zugestimmt, Stillschweigen zu bewahren, wenn er im Gegenzug weiter am Leben seines Sohnes teilhaben konnte.

„Ja … der Gefallen“, besann Charles sich und kehrte in die Gegenwart zurück. „Ich habe einen Brief von Peggys Tochter Jazmine erhalten, in dem sie mich um Hilfe bittet. Ich möchte, dass du dir die Sache anschaust und eine Lösung findest. Ich würde es ja selbst tun, aber ich bin in den nächsten Monaten geschäftlich außer Landes und habe keine Zeit. Außerdem dachte ich, es wäre besser, wenn du dich darum kümmerst, schließlich kanntet ihr euch als Kinder gut.“

Vitale erstarrte bei dem Gedanken, Jazz wiederzusehen. „Was für eine Situation?“, fragte er.

Sein Vater nahm einen Brief vom Schreibtisch und reichte ihn Vitale. „Der junge Mann hat Peggy betrogen. Er hat ihre Unterschrift auf diversen Kreditanträgen gefälscht und Peggy tief in Schulden gestürzt“, erklärte er angewidert. „Jetzt sind sie arm und kämpfen ums Überleben. Sie haben alle juristischen Wege ohne Erfolg ausgeschöpft. Peggy ist krank und kann nicht länger arbeiten.“

„Aber was geht uns das an?“, fragte Vitale.

„Peggy Dickens lastet seit Jahren auf meinem Gewissen“, gestand Charles widerstrebend ein. „Ich hätte etwas tun können, um ihr zu helfen. Dieser ganze Schlamassel geht auf meine Kappe, und ich möchte nicht, dass diese arme Frau noch mehr leidet, weil ich damals nichts unternommen habe.“

„Dann schick ihr einen Scheck“, schlug Vitale vor.

„Lies den Brief“, riet ihm sein Vater. „Jazmine bittet um einen Job, einen Ort, an dem sie wohnen können, und ein Darlehen. Sie will keine Almosen, dazu ist sie zu stolz. Aber sie ist gewillt, alles zu tun, um ihrer Mutter zu helfen.“

Vitale musterte den Umschlag mit unverhohlenem Missfallen. Seiner Meinung nach schuldete sein Vater seiner ehemaligen Angestellten und ihrer Tochter gar nichts. Wie es aussah, hatte Peggy Dickens sich die Misere selbst eingebrockt, und dafür trug sein Vater kaum die Verantwortung.

„Was genau soll ich tun?“, fragte er endlich, denn ihm wurde klar, dass seine Meinung zu dem Thema nicht zählte. Er war erstaunt, dass sein Vater so emotional und sentimental sein konnte, und er fragte sich, wie zwei so verschiedene Charaktere wie seine Eltern je hatten heiraten können.

„Ich möchte, dass du mitfühlend und nett bist. Nicht vorwurfsvoll. Nicht zynisch. Nicht kalt“, betonte Charles. „Und ich weiß, das wird eine große Herausforderung für dich, aber ich weiß auch, dass es dich zu einem besseren und stärkeren Mann machen wird, wenn du diese Seite deiner Persönlichkeit zulässt. Erlaube deiner Mutter nicht, dich zu ihrem Ebenbild zu formen. Und vergiss nie, dass du auch mein Sohn bist.“

Bei der Vorstellung, mitfühlend und nett sein zu müssen, wand Vitale sich innerlich. So war er nicht. Er unterstützte zwar führende Wohltätigkeitsorganisationen, hatte aber nie praktische Hilfe geleistet oder auch nur den Drang verspürt, so etwas zu tun. Er war, was er war: bis aufs Blut von königlicher Abstammung – durch Privilegien, eine exklusive Schulbildung und großen Wohlstand von der realen Welt abgeschirmt.

„Es ist mir egal, was es kostet, die Probleme von Peggy und ihrer Tochter zu lösen“, fügte Charles an. „Da du dich um meine Investitionen kümmerst, weiß ich, dass ich mir die Ausgaben leisten kann. Du musst nicht auf den Penny achten.“

„Ich bin Banker. Es liegt mir im Blut, Geld zu sparen und Profite zu erwirtschaften“, erwiderte Virale trocken. „Und übrigens, meine Mutter formt mich nicht zu ihrem Ebenbild.“

Charles lachte rau auf. „Vielleicht ist es mein Galgenhumor, aber es würde mich nicht wundern, wenn du am Ende des Balls nächsten Monat verlobt bist. Sofia ist eine höllische Strippenzieherin. Du solltest dich weigern hinzugehen.“

„Vielleicht tue ich das. Ich lasse mich nicht herumschubsen“, entgegnete Vitale kühl. „Ich soll also eine Rettungsmission in deinem Namen starten?“

„Mit Takt und Großzügigkeit“, ergänzte Charles.

Auch wenn er die Bitte seines Vaters als belastend empfand, verspürte Vitale doch einen Anflug von Stolz, dass Charles ausgerechnet ihn mit diesem heiklen Problem betraute. Und wenn er ehrlich war, konnte er es kaum erwarten, Jazz’ Brief zu lesen.

Jazz, ein dünnes, rothaariges Mädchen, das wahnsinnig für ihn geschwärmt hatte, als sie vierzehn und er achtzehn gewesen war. Doch er hatte es mit einem verletzenden Scherz vermasselt, den sie leider gehört hatte. Vitale war noch nie der Sensibelste gewesen, und damals hatte er zudem nur wenig über Frauen gewusst. Es war kein Wunder, dass Jazz ihn nach dieser Episode gehasst hatte. Doch auf gewisse Weise war es auch eine Erleichterung gewesen, nicht länger im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit zu stehen und das angespannte Schweigen zu ertragen, das sie in seiner Gegenwart immer überfallen hatte. Im Verlauf eines Sommers war die lockere Freundschaft einem wachsenden Unbehagen gewichen. Zum Glück waren Jazz und ihre Mutter bald darauf aus seinem Leben verschwunden.

Mitfühlend … Nett … Die Worte schossen Vitale durch den Kopf, als er kurz darauf im Vorzimmer seines Vaters saß und Jazz’ Brief las. Automatisch überprüfte er ihn auf Rechtschreibfehler, denn Jazz litt unter schwerer Dyslexie. Legasthenikerin und ungeschickt, erinnerte er sich. Ständig war sie gestolpert oder irgendwo gegen gelaufen. Der Brief erzählte eine Geschichte des Leids, die einer griechischen Tragödie zur Ehre gereicht hätte, und Vitales momentane Erheiterung schwand. Jazz wollte Hilfe für ihre Mutter, aber nur zu ihren Bedingungen. Sie wollte einen Job, hatte aber lediglich Erfahrungen als Reinigungskraft und Kassiererin.

Was glaubte sie denn wohl, was sein Vater ihr auf Grundlage solch mickriger Fähigkeiten für einen Job vermitteln konnte? Ihr, einer ganz gewöhnlichen Frau mit wunderschönen grünen Augen. Ihre Augen werden sich nicht verändert haben, dachte er. Und gewöhnlicher als Jazz konnte man gar nicht sein, hielt sie doch Fischgabeln oder Servietten für aristokratischen Schnickschnack. Und nun brauchte sie dringend Geld …

Ein Lächeln breitete sich auf Vitales Lippen aus. Zacs Idee, mit einer Partnerin auf den Ball zu gehen, um die anderen Frauen fernzuhalten, war gar nicht so schlecht. Und Vitale war sicher, mithilfe der richtigen Experten könnte Jazz in eine halbwegs präsentable Dame verwandelt werden. Und wenn er dadurch auch noch die Wette mit Pauken und Trompeten gewinnen und Zac in seine Schranken weisen könnte, wäre das umso befriedigender. Jazz mochte gewöhnlich und Legasthenikerin sein, aber sie war auch clever und lernte schnell.

Immer noch lächelnd schlenderte Vitale zu seinem jüngeren Bruder hinüber. „Du bist dran, aber bevor du reingehst, lass uns noch kurz über die Wette sprechen.“ Er senkte die Stimme. „Erinnerst du dich noch an die blonde Kellnerin, die letzte Woche nichts von dir wissen wollte und dich der Belästigung beschuldigt hat?“

Zac runzelte verwirrt die Stirn bei der Erinnerung an einen seiner seltenen Fehlschläge, eine Frau zu beeindrucken.

„Bring sie mit zum Ball und sorge dafür, dass sie sich ganz verliebt und anschmiegsam verhält. Dann gehe ich die Wette ein“, warf Vitale ihm den Fehdehandschuh zu. Mit Vergnügen erinnerte er sich an den puren Hass in den Augen der Kellnerin. Zum ersten Mal in seinem Leben würde Zac, der Frauenverführer, sich an einer Frau die Zähne ausbeißen …

Jazz streckte ihren schmerzenden Rücken. Ihr Tag war lang gewesen. Vor Einbruch der Dämmerung hatte ihre Schicht als Reinigungskraft in einem nahe gelegenen Hotel begonnen, und dann hatte man sie gebeten, kurzfristig für eine kranke Kollegin an der Supermarktkasse einzuspringen. Beide Jobs waren schlecht bezahlt und unzuverlässig, aber immerhin hatte sie Arbeit. Sinnvoller, als von der Sozialhilfe zu leben, was ihre Mutter nur noch mehr gestresst hätte, auch wenn sie damit ein kleines bisschen besser dastünden.

Peggy Dickens hatte ihre Tochter zu einer hart arbeitenden Frau erzogen und nicht zu einer Träumerin, aber trotzdem glitten Jazz’ Gedanken ab und zu in Wunschvorstellungen ab, in denen sie ihr Studium beendet und ein Diplom erworben hatte, das es ihr ermöglichte, besser bezahlte Jobs anzunehmen und die Karriereleiter hochzuklettern. Unglücklicherweise hatte das Chaos in ihrem Privatleben sie davon abgehalten, ihr volles Potenzial zu entfalten. Bei diesem Gedanken musste sie grinsen. Wer sagte denn, dass sie zu mehr gut war als zu dem, was sie derzeit tat? Es hatte keinen Sinn, sich vorzumachen, dass sie mehr hätte sein können. Dazu stammte sie aus zu einfachen Verhältnissen.

Ihre Mutter war Haushälterin gewesen, ihr Vater Gärtner. Sie hatten in einer von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Wohnung gelebt. Niemand in Jazz’ Familie hatte je ein Haus besessen oder einen Hochschulabschluss gemacht. Peggy hatte irritiert reagiert, als ihre Tochter entschied, zu studieren und sich höhere Ziele zu setzen als ihre Vorfahren, doch sie war auch stolz gewesen.

Dann war ihr Leben wieder den Bach runtergegangen, und Jazz hatte für ihrer beider Unterhalt arbeiten müssen. Unglücklicherweise war es nahezu unmöglich, verlorenen Boden wiedergutzumachen. Sie hatte nicht geweint, als die unglückliche Ehe ihrer Eltern zerbrach, denn ihr Vater hatte ihre Mutter oft geschlagen und auch Jazz nicht verschont, wenn sie versucht hatte, sich einzumischen. Doch als ihr Vater starb, ohne noch einmal einen Anlauf zu unternehmen, seine Tochter zu sehen, hatte sie getrauert. Offensichtlich hatte ihm nie viel an seinem Kind gelegen, und das zu erkennen hatte wehgetan. Beinahe so sehr, wie mitzuerleben, wie Peggy sich in Jeff Starling, einen wesentlich jüngeren Mann, verliebte und ihm total verfiel.

Liebe kann das größte Risiko für eine Frau sein, dachte Jazz und erschauerte innerlich. Vor allem die Art Liebe, die eine ansonsten praktisch denkende Frau dazu brachte, sich vom Regen in die Traufe zu begeben.

Aber es gibt auch andere Formen der Liebe, erinnerte sie sich. Lebensbereichernde Familienverbindungen, die einen wärmten und trösteten, egal, wie schief es im Leben gerade lief. Als Jeffs Schulden dafür sorgten, dass Jazz und ihre Mutter sich nicht einmal eine Wohnung leisten konnten, hatte Peggys jüngere Schwester Clodagh ihnen in ihrem winzigen Apartment ein Zuhause gegeben. Nachdem bei Peggy Brustkrebs diagnostiziert worden war, hatte Clodagh ihr kleines Schmuckgeschäft verkauft und ihre Schwester zu Arztterminen und Behandlungen gefahren und sich liebevoll um sie gekümmert, während Jazz versuchte, etwas Geld zu verdienen.

Ermutigt von diesen positiveren Gedanken beendete Jazz ihre Schicht und ging in der Dämmerung heim. Unterwegs piepte ihr Handy. Sie holte es heraus und war mehr als überrascht, als sie die Nachricht sah. Sie war nur kurz und begann mit den Worten: „Betreff: Brief an Charles Russell“

Heiliger Bimbam, dachte sie schockiert. Charles Russell war tatsächlich gewillt, sich mit ihr zu treffen, um über die Notlage ihrer Mutter zu reden! Morgen früh um zehn Uhr. Das war nicht viel Vorlauf, aber ein Bettler konnte nicht wählerisch sein.

In ihrer Verzweiflung hatte sie dem ehemaligen Arbeitgeber ihrer Mutter geschrieben und um Hilfe gebeten. Charles war ein gütiger und großzügiger Mann, doch waren inzwischen beinahe zehn Jahre vergangen, deshalb hatte Jazz nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet. Aber nach einer langen, schlaflosen Nacht war ihr nichts anderes eingefallen, um ihrer Mutter zu helfen. Peggy befand sich immer noch in der Rekonvaleszenz, und sie konnten nicht für immer bei Clodagh wohnen. Jazz’ Tante hatte schon genug geopfert, um sie beide von der Straße zu holen. Doch nie hätte Jazz damit gerechnet, wirklich etwas von Charles Russell zu hören …

Als sie den Brief abgeschickt hatte, war sie von einer Welle der Scham überrollt worden. War sie nicht dazu erzogen worden, auf eigenen Füßen zu stehen? Doch manchmal brauchte man eine helfende Hand, um aus einem Tief herauszukommen. Und offensichtlich hatte Charles Russell Mitleid mit ihnen, und vielleicht, ganz vielleicht, konnte er ihnen wirklich helfen. Mit einer Wohnung? Einer Arbeit? Hoffnung flammte in Jazz auf und vertrieb die Scham. Jede Hilfe, egal, wie klein oder unscheinbar, wäre willkommen, dachte sie.

An der Wohnung angekommen, öffnete Jazz die Tür und unterdrückte ein Seufzen, als sie das Chaos in Küche und Wohnzimmer sah. Clodagh war nicht besonders ordentlich, also versuchte Jazz ihr Bestes, um alles in Schuss zu halten. Denn sie wusste, dass ihre Mutter eine Reinlichkeitsfanatikerin war und es deprimierend fand, in so einer Unordnung zu leben. Doch es war nicht leicht, mit drei Erwachsenen in zwei Zimmern zu wohnen, noch dazu, wenn eine von ihnen sich noch erholen musste. Normalerweise teilte Clodagh sich das Schlafzimmer mit ihrer Schwester, doch wenn Peggy eine rastlose Nacht hatte, schlief Clodagh auf der Couch und Jazz in einem Schlafsack auf dem Fußboden.

„Ich hatte einen guten Tag“, verkündete Peggy fröhlich von der Couch, wo sie fernsah. „Ich bin nach der Messe im Park spazieren gegangen.“

„Das ist super“, sagte Jazz und beugte sich vor, um ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange zu geben. Sie war unendlich erleichtert, dass ihre Mutter langsam ihre Energie zurückgewann und eine ausgezeichnete Prognose hatte. Der Gedanke, sie zu verlieren, hatte ihr panische Angst gemacht, und nun versuchte sie alles, um Peggys Leben so gut es ging zu verbessern.

„Hast du Hunger?“, fragte Jazz.

„Nicht wirklich“, gestand Peggy schuldbewusst.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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