Sawyer

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Es herrscht Frauenmangel in Hard Luck, Alaska! Also schmieden die Männer einen Plan, wie sie Frauen den Umzug schmackhaft machen können. Und ausgerechnet Sawyer O’Halloran, einziger Gegner des Plans, findet die erste Kandidatin Abbey Sutherland unwiderstehlich ...


  • Erscheinungstag 10.12.2012
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783955760922
  • Seitenanzahl 192
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Debbie Macomber

Sawyer


Aus dem Amerikanischen von
Dorothea Ghasemi

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MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2012 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Brides For Brothers

Copyright © 1995 by Debbie Macomber

erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Titelabbildung: Corbis, Düsseldorf

Satz: D.I.E. Grafikpartner, Köln

ISBN 978-3-95576-092-2

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

PROLOG

„Was ihr wirklich braucht, sind Trauen.“

Sawyer O’Halloran tat so, als hätte er sich am Kaffee verschluckt. „Frauen! Wir haben schon genug Probleme.“

Ben Hamilton, der Inhaber des Hard Luck Cafés, der gleichzeitig auch Koch und Mädchen für alles war, stellte die Kaffeekanne auf den Tresen. „Hast du mir nicht gerade erzählt, dass Phil Duncan beschlossen hat, wieder nach Fairbanks zu ziehen?“

Phil war Sawyers bester Pilot und nicht der erste ihrer Mitarbeiter, der von Hard Luck in die Stadt ziehen würde. Immer, wenn ein Pilot kündigte, war es ein herber Rückschlag für den Flugdienst.

„Stimmt, aber Phil geht nicht wegen einer Frau weg“, sagte Sawyer leise.

„Natürlich tut er das“, meldete sich Duke Porter zu Wort. Den Becher in der Hand, rutschte er auf den Hocker neben Sawyer. „Jeder weiß doch, dass Phil geht, weil er seine Freundin nur so selten sehen konnte. Vielleicht hat er unter irgendeinem Vorwand gekündigt, aber du kennst den wahren Grund genauso gut wie ich.“

„Auch Joe und Harlan haben Hard Luck wegen Frauen verlassen, und zwar, weil sie hier keine kennen lernen konnten“, erklärte Ben. Offenbar hatte der ehemalige „Navy-Hobbykoch“, wie die Brüder O’Halloran ihn nannten, einiges zu diesem Thema zu sagen. Sawyer war diesmal anders als sonst nicht seiner Meinung. Am liebsten hätte er Ben klar gemacht, er sollte sich da raushalten, doch das wäre nicht fair gewesen.

Ein Problem, das das Leben in einer Kleinstadt mit sich bringt, ist, dass jeder über den anderen Bescheid weiß, dachte Sawyer.

Er hätte sein Büro ebenso gut vom Restaurant aus betreiben können, denn da seine Piloten immer bei Ben frühstückten, war dieser stets auf dem Laufenden, was die Firma betraf.

„Na gut, dann werde ich es eben sagen.“ Christian, der jüngste der drei Brüder, umfasste seinen Becher mit beiden Händen und warf Sawyer einen herausfordernden Blick zu. „Ben hat Recht. Wenn wir hier einige Frauen hätten, wären unsere Männer zufriedener.“

„Wir bekommen bald eine neue Lehrerin“, berichtete Sawyer. Als Vorsitzender der lokalen Schulbehörde hatte er Bethany Ross’ Bewerbungsunterlagen gelesen. Obwohl er von ihren Qualifikationen beeindruckt gewesen war, bezweifelte er, dass sie für diesen Job geeignet war, denn sie war gebürtige Kalifornierin. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum sie sich um eine Stelle in einem Ort beworben hatte, der nördlich des Polarkreises lag.

„Ich hoffe nur, dass sie anders ist als die letzte Lehrerin“, meinte John Henderson. „Erinnert ihr euch noch an sie? Ich habe sie hergebracht und bin noch eine Runde geflogen, um ihr die Gegend von oben zu zeigen. Sie wollte danach nicht einmal aus dem Flugzeug steigen.“

„Ich würde gern wissen, was du zu ihr gesagt hast“, ließ Christian sich vernehmen.

„Ich habe nichts Besonderes gesagt. Außerdem kommt die neue Lehrerin erst im August, stimmt’s?“

„Im August“, wiederholte Ben. „Eine Frau. Ich kann es mir jetzt schon lebhaft vorstellen.“

„Was?“ hakte Sawyer nach, obwohl er sich hätte denken können, dass Ben nur so darauf brannte, es ihm zu erzählen.

„Eine Frau wird bloß noch mehr Probleme machen“, verkündete Ben. „Denk einmal darüber nach, Sawyer.“

Sawyer hatte keine Lust, das zu tun, weil ihm das ganze Thema ohnehin nicht behagte.

„Eins steht jedenfalls fest: Diesmal wird nicht John sie abholen“, bemerkte Ralph spöttisch. „Ich übernehme das.“

Sofort ertönte einhelliger Protest.

„Nun hört schon auf!“ rief Sawyer.

Ben lachte, während er Ralph einen Teller mit Pfannkuchen über den Tresen hinschob. „Seht ihr, was ich meine? Ihr streitet euch jetzt schon um sie, obwohl sie erst in einigen Monaten kommt.“

Ralph machte sich über die Pfannkuchen her, als hätte er seit einer Woche nichts mehr gegessen. Mit vollem Mund murmelte er etwas von einsamen Junggesellen.

„Ist ja gut“, räumte Sawyer ein. „Vielleicht ist es ja keine schlechte Idee, ein paar Frauen nach Hard Luck zu holen. Aber wie sollen wir sie eurer Meinung nach herlocken?“

„Wir könnten eine Anzeige aufgeben“, schlug Christian vor. Plötzlich hellte seine Miene sich auf. „Ja, natürlich! Ich verstehe nicht, warum wir nicht eher darauf gekommen sind.“

„Eine Anzeige?“ Sawyer funkelte seinen Bruder an. „Was soll das heißen?“

„Na ja, ich denke da an eine Kontaktanzeige in einem dieser Hochglanzmagazine. Ich habe gehört, dass einsame Männer in Alaska besonders begehrt sind.“

„Ein Bekannter von mir hat sein Foto an eine dieser Zeitschriften geschickt“, erzählte Ralph aufgeregt. „Er konnte sich vor Zuschriften gar nicht mehr retten.“

„Ich werde jedenfalls nicht das Hemd ausziehen und für so ein verdammtes Foto posieren“, verkündete Duke Porter.

„So leicht ist es auch nicht, sein Bild in eine dieser Zeitschriften zu bekommen“, meinte Ralph, nachdem er einen großen Bissen heruntergeschluckt hatte. „Nicht, dass ich es versucht hätte.“

„Diese Frauen suchen jedenfalls keinen Brieffreund“, sagte John. „Sie wollen einen Mann, und sie gehören auch nicht zu denen, die die große Auswahl haben.“

„Ach ja? Von euch ist auch niemand ein Adonis.“ Ben schob sich die Hemdsärmel hoch und stützte die Hände auf den Tresen.

„So wie ich es sehe, können wir Frauen nichts bieten“, erwiderte Sawyer. „Jedenfalls kann ich mir nicht vorsteilen, dass sie allein unseres Aussehens wegen hierher kommen, oder?“

John war sichtlich enttäuscht. „Wahrscheinlich hast du Recht.“

„Und was könnte sonst funktionieren?“ warf Christian ein. „Wir dürfen nicht so pessimistisch sein, sonst bleiben wir bis an unser Lebensende allein.“

„Ich bin mit meinem Leben zufrieden“, konterte Sawyer, den es überraschte, dass sein Bruder sich so für diese Idee begeisterte. Sawyer hatte im Prinzip nichts dagegen, konnte sich jedoch nicht vors teilen, dass sie damit Erfolg hatten. Zum einen befürchtete er, dass durch die Anwesenheit dieser Frauen viele neue Probleme entstehen würden, zum anderen glaubte er, dass keine dieser Frauen es länger als ein paar Wochen in Hard Luck aushalten würde.

„Denk daran, dass Frauen nicht viel anders sind als Männer“, meinte Christian und lachte, als die anderen ihn verblüfft ansahen. „Ihr seid doch auch hergekommen, obwohl ihr wusstet, dass Hard Luck fünfzig Meilen oberhalb des Polarkreises liegt.“

„Stimmt“, bestätigte Duke, „aber wir werden sehr gut bezahlt, und es lebt sich hier nicht schlecht.“

Christian nahm einen Stift aus seiner Hemdtasche und machte sich eine Notiz auf seiner Papierserviette.

„Du spielst doch nicht etwa mit dem Gedanken, die Frauen dafür zu bezahlen, dass sie hierher kommen?“ Sawyer wollte verdammt sein, wenn sein schwer verdientes Geld für so ein albernes Projekt zum Fenster hinaus geworfen wurde.

„Wir könnten ihnen Jobs anbieten, oder?“ Christian blickte sich Beifall heischend in der Runde um.

„Wie bitte?“

„Na ja …“ Christian nagte an seinem Stift. „Du redest schon lange davon, dass in unserem Büro ein einziges Chaos herrscht. Was hältst du davon, eine Sekretärin einzustellen? Wir können uns nicht auch noch um den Papierkram kümmern.“

Sawyer hätte ihm am liebsten vorgeschlagen, stattdessen ein Seminar über Zeitmanagement zu belegen. „Na gut“, meinte er schließlich widerwillig.

Die anderen Piloten schauten von ihren Tellern auf.

„Was ist mit all den Büchern, die eure Mutter der Gemeinde geschenkt hat, nachdem sie Frank geheiratet hatte?“ erkundigte sich Ben. „Es war doch davon die Rede, eine Bücherei zu eröffnen.“

„Aber irgendjemand muss das Ganze organisieren“, erklärte Christian. „Ich habe es ein paar Mal versucht und jedes Mal wieder aufgegeben. Es müssen an die tausend Bücher sein.“

„Es war sehr großzügig von eurer Mutter, sie der Gemeinde zu schenken“, meinte Ralph. „Und es ist eine Schande, dass wir nichts unternehmen.“

Christian lächelte. „Wir könnten es uns durchaus leisten, jemand dafür zu bezahlen, eine Bücherei aufzubauen und sie erst einmal für etwa ein Jahr zu leiten. Was haltet ihr davon?“

Sawyer zuckte die Schultern. „Wenn Charles nichts dagegen hat.“ Doch er wusste genauso gut wie Christian, dass Charles von der Idee begeistert sein würde.

„Pearl hat mir erzählt, dass sie vorhabe, zu ihrer Tochter nach Nenana zu ziehen“, berichtete Ben. „Wir brauchten also eine Krankenschwester oder Ärztin für das Gesundheitszentrum.“

Einige der Männer nickten, und Sawyer verzichtete darauf, sie daran zu erinnern, dass Pearl ständig davon sprach – besonders im Winter, wenn es nur für ein paar Stunden am Tag hell wurde und die lang andauernde Dunkelheit aufs Gemüt schlug.

„Ich weiß, was du denkst.“ Ben schaute ihn an. „Aber hast du dich auch schon mal gefragt, ob Pearl nicht tatsächlich gehen würde, wenn jemand ihren Job übernehmen würde?“

Das hatte Sawyer nicht getan. Die sechzigjährige Frau lebte schon sehr lange in Hard Luck. Als seine Mutter Ellen noch in dem Ort gewohnt hatte, war Pearl ihre Freundin gewesen, und sie hatte stets bei Streitigkeiten zwischen den Einwohnern vermittelt. Falls sie den Ort eines Tages verlassen sollte, würde er sie vermissen.

„Wir können sie fragen, ob sie sich wirklich zur Ruhe setzen will“, sagte er. „Aber wir dürfen ihr nicht das Gefühl vermitteln, dass wir sie nicht mehr haben wollen.“

„Ich werde mit ihr reden“, versprach Christian.

„Ich könnte auch jemand gebrauchen“, erklärte Ben. „Schließlich werde ich nicht jünger. Also setz zwei Teilzeitkräfte mit auf deine Liste – eine Köchin und eine Kellnerin.“

Alle lächelten zustimmend. Sawyer wollte kein Spielverderber sein, doch irgendjemand musste den Männern die Augen öffnen. „Und wo sollen diese Frauen wohnen?“ fragte er daher.

Daraufhin wurden alle ernst, was beinahe komisch wirkte. Sawyer musste sich jedoch eingestehen, dass ihm die Idee, Frauen nach Hard Luck zu holen, immer besser gefiel. Nicht, dass er darauf aus war, sein Junggesellendasein zu beenden. Er hatte sich geschworen, niemals zu heiraten, weil die Ehe seiner Eltern unglücklich gewesen war. Allerdings hatte Catherine Fletcher einen wesentlichen Teil dazu beigetragen.

Sawyer schüttelte den Kopf. Eine Heirat kam für ihn nicht in Frage, und seine Brüder hatten offenbar auch nicht vor, in den Hafen der Ehe zu steuern.

Er konzentrierte sich wieder auf das aktuelle Problem. Da niemand wusste, wo die Frauen untergebracht werden konnten, fühlte er sich verpflichtet, die Männer auf die anderen Nachteile ihres Plans hinzuweisen. Im Grunde war das Ganze eine Schnapsidee.

„Es hätte sowieso nicht funktioniert“, sagte er.

„Warum nicht?“ erkundigte sich Christian.

„Frauen sind nie zufrieden mit dem, was sie haben. Sobald sie hier sind, wollen sie versuchen, alles zu verändern.“ Immerhin hatte Sawyer es selbst miterlebt. „Ich möchte jedenfalls nicht, dass sich irgendetwas hier ändert. Wir haben es hier verdammt gut.“

„Stimmt“, bestätigte sein Bruder ausdruckslos.

„Die Ladies werden im Handumdrehen einen Ehering am Finger haben und uns an die Kette legen. Schlimmer noch, sie werden uns davon überzeugen, dass wir es uns schon immer so gewünscht haben.“

„Mir wird das nicht passieren“, schwor John. „Es sei denn …“

Damit er nicht schwach wurde, fuhr Sawyer schnell fort: „Ehe man sich’s versieht, schicken sie uns nach Fairbanks, weil die eine oder andere von ihnen plötzlich Appetit auf Diäteis hat.“ Er konnte es sich immer besser vorstellen. „Wir müssen auf unsere Ausdrucksweise achten, uns jeden Tag rasieren, beim Abendessen den Fernseher ab schalten … und …“

„Du hast Recht“, bestätigte Duke. „Wahrscheinlich müsste ich mir sogar den Bart abnehmen.“

Die Männer verzogen das Gesicht, als würden sie bereits die Rasierklinge spüren.

Wenn Frauen herkommen, würden sie meine Männer innerhalb einer Woche um den Finger wickeln, dachte Sawyer. Dann kann ich sie genauso gut entlassen.

Christian rieb sich nachdenklich das Kinn. „Was ist mit den Blockhäusern?“

„Meinst du die alten Jagdhütten, die dein Vater am Ortsrand gebaut hat?“ erkundigte sich Ralph.

„Genau die. Dad hat sie in den fünfziger Jahren gebaut, bevor er das Hotel hatte. Er vermietete sie an Angler und Jäger, die das Wochenende oder ihren Urlaub hier verbrachten. Die Hütten sind ganz einfach und bestehen nur aus einem mittelgroßen Raum.“

„Es hat schon seit Jahren niemand mehr darin gewohnt“, erinnerte Sawyer ihn.

„Sie sind aber sehr solide und völlig in Ordnung – abgesehen von etwas Staub. Man könnte gut darin wohnen“, erklärte Christian mit wachsender Begeisterung. „Man muss sie bloß sauber machen und einige kleine Reparaturen ausführen.“

Sawyer glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Eine Frau aus der Stadt brauchte nur einen Blick in diese Blockhäuser zu werfen und würde Hard Luck mit dem nächsten Flugzeug verlassen. „Es gibt dort weder fließendes Wasser noch Strom.“

„Nein. Noch nicht.“

Jetzt war Sawyer klar, worauf sein Bruder hinauswollte. „Ich werde nicht einen Cent in diese heruntergekommenen Schuppen investieren.“

„Sie sind nicht viel wert, stimmt’s?“

„Nein“, erwiderte Sawyer misstrauisch. „Warum?“

„Dann wäre es also kein großer Verlust, wenn wir sie verschenken würden.“

„Sie verschenken?“ Sawyer war klar, dass niemand die Blockhäuser kaufen würde, doch er bezweifelte, dass irgendjemand sie geschenkt nehmen würde.

„Wir müssen den Frauen einen Anreiz bieten, nach Hard Luck zu ziehen, findest du nicht?“ ließ Christian nicht locker. „Wir bieten ihnen schließlich keine Ehe.“

„Du hast Recht. Genau das tun wir nicht“, bestätigte John.

„Ich bin nur an weiblicher Gesellschaft interessiert, das ist alles“, sagte ein anderer Pilot.

Nachdem alle bekräftigt hatten, dass sie derselben Meinung waren, blickte sich Sawyer in der Runde um. „Die meisten Frauen wollen aber heiraten.“

„Es gibt genug Jobs unterhalb des achtundvierzigsten Breitengrads.“ Was Christian sagte, klang einleuchtend. Und genau damit hatte Sawyer seine Probleme, wenn es um seinen kleinen Bruder ging. Christian konnte die lächerlichste Idee so Vorbringen, dass sie einem absolut vernünftig vorkam. „Stimmt’s?“

„Stimmt“, erwiderte Sawyer misstrauisch.

„Also, wie ich bereits sagte, müssen wir diesen Frauen einen Anreiz bieten.“

„Du willst ihnen die Blockhäuser geben? Als Anreiz?“

„Klar. Und wenn sie fließendes Wasser und Strom haben wollen, müssen sie die Installation selbst bezahlen.“

Sawyer sah sich wieder in der Runde um. Die anderen schienen nichts dagegen zu haben. Er hätte sich denken können, dass Christians Idee bei seinen enthaltsam lebenden Männern auf fruchtbaren Boden fallen würde.

„Zuerst werden wir die Häuser reinigen.“ Christian sagte es so, als wäre es das Mindeste, was sie tun konnten.

„In einer der Hütten haben wir letztes Jahr einen Bären gefunden“, erinnerte Sawyer ihn.

„Der hat sich dort nur umgeschaut“, meinte Ralph. „Außerdem bezweifle ich, dass er wiederkommt, nachdem Mitch ihn in die Flucht geschlagen hat.“

„Allerdings ist es wohl besser, wenn wir es den Frauen gegenüber nicht erwähnen“, schlug Ben vor. „Sie sind meistens etwas ängstlich, wenn es um wilde Tiere geht.“

„Ja“, fügte John im Flüsterton hinzu. „Erzähl bloß nichts von den Tieren hier.“

„Erzählen?“ wiederholte Sawyer. Das hörte sich ja an, als wollten sie mit jeder Interessentin ein Bewerbungsgespräch führen.

„Den Frauen, wenn du mit ihnen redest“, erwiderte Ralph übertrieben geduldig.

„Ich soll mit den Frauen sprechen?“

„Natürlich.“ Duke tat so, als wäre es von Anfang an klar gewesen. „Entweder du oder Christian. Ihr seid schließlich diejenigen, die ihnen die Unterkunft zur Verfügung stellen.“

„Ihr solltet noch ein Stück Land dazugeben.“ Ben nahm die Kanne Kaffee, schenkte allen nach und stellte sie wieder auf die Warmhalteplatte. „Ihr O’Hallorans habt so viel Land, dass ihr gar nicht wisst, was ihr damit machen sollt. Bietet den Frauen ein Blockhaus und acht Hektar Land, wenn sie ein Jahr in Hard Luck wohnen und arbeiten.“

Die Piloten stimmten begeistert zu.

Sawyer hob die Hand, um für Ruhe zu sorgen. „Die Blockhäuser stehen aber nicht auf dem Land, das wir ihnen versprechen. Wenn wir etwas anderes behaupten …“

„Niemand hat gesagt, dass die Blockhäuser auf dem Grundstück stehen, oder?“ mischte Duke sich ein. „Außerdem sollte man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen.“ Er lachte leise über seinen kläglichen Witz.

Christian beachtete ihn gar nicht. „Ein Jahr scheint mir fair. Wenn es nicht klappt, können sie gehen – ohne bitteren Nachgeschmack.“

„Moment mal“, schaltete sich Sawyer ein. War er etwa der einzige, der noch nicht seinen Verstand verloren hatte? Frustriert wegen Phils Kündigung, war er ins Restaurant gekommen, um eine Tasse Kaffee zu trinken. Nun sah alles noch schlimmer aus.

„Und wie sollen wir den Frauen unser Angebot unterbreiten?“ fragte Ralph.

„Wir werden Anzeigen aufgeben, wie wir bereits gesagt haben“, erklärte Christian. „Ich muss sowieso geschäftlich nach Seattle fliegen und kann dann gleich mit den Bewerberinnen sprechen.“

„Nicht so voreilig.“ Sawyer runzelte die Stirn. „Wir können die Blockhäuser und das Land nicht einfach verschenken, ohne vorher mit Charles darüber gesprochen zu haben. Außerdem kann man eine Stelle nicht nur für Frauen aus schreiben, ohne rechtliche Probleme zu bekommen.“

Christian grinste. „Es gibt Wege, das zu umgehen.“

„Aber wir müssen erst mit Charles darüber reden.“ Ihr älterer Bruder war stiller Teilhaber an ihrer kleinen Charterfluggesellschaft. Da es um ihren Familienbesitz ging, hatte er auch ein Wörtchen mitzureden.

„So viel Zeit haben wir nicht“, wandte Christian ein. „Du weißt genauso gut wie ich, dass Charles damit einverstanden sein wird. Seitdem er für Alaska Oil arbeitet, hat er sich kaum um die Firma gekümmert.“

„Am besten lasst ihr von einem Anwalt einen Vertrag aufsetzen“, schlug Ben vor.

„Gute Idee.“ Christian machte sich wieder Notizen. „Ich werde sofort alles in die Wege leiten. Die Anzeige in einer Zeitschrift zu veröffentlichen dauert zu lange. Ich setze heute Vormittag noch den Text auf und schicke sie an eine Zeitung in Seattle. Wir sollten auch noch in einer anderen Stadt inserieren. Ich könnte zum Beispiel nach Oregon fahren und Gespräche mit Frauen aus Portland führen. Zeit genug habe ich.“

„Klingt nicht schlecht.“

„Ich entwerfe das Bewerbungsformular“, erbot sich Sawyer widerstrebend. Ihm ging alles viel zu schnell. „Wisst ihr, Jungs …“ Er wollte wirklich kein Spielverderber sein, aber irgendjemand musste ja den Überblick behalten, und die anderen hatten offenbar ihn als Wortführer auserkoren. „Falls tatsächlich eine Frau so verrückt sein sollte, auf unser Angebot einzugehen, sollten wir schnellstens die Blockhäuser auf Vordermann bringen. Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.“

„Ich helfe euch dabei“, sagte John begeistert.

„Ich auch.“

„Das werden wir wohl alle.“ Nachdem Duke seinen Kaffee ausgetrunken hatte, blickte er Christian aus zusammengekniffenen Augen an. „Sieh du nur zu, dass du für mich eine Blondine an Land ziehst.“

„Eine Blondine“, wiederholte Christian.

Sawyer schloss die Augen und stöhnte. Er hatte ein äußerst ungutes Gefühl bei der ganzen Sache.

1. KAPITEL

Es war wieder einer jener Tage gewesen, an denen alles schief ging. Abbey Sutherland setzte sich mit einer Tasse Tee in den großen Polstersessel und legte die Beine auf den Hocker. Dann schloss sie die Augen, um die herrliche Ruhe zu genießen.

Der Tag hatte schon schlecht angefangen, weil Scott verschlafen hatte und er und Susan infolgedessen den Schulbus verpasst hatten. Abbey fuhr sie also mit dem Wagen zur Schule und fuhr auch bei Rot über die Ampeln. Unterwegs musste sie sich zudem noch das Gejammer ihrer siebenjährigen Tochter anhören, denn Susan hatte ihren Lieblingspullover anziehen wollen, der noch in der Wäsche war.

Mrs. Duffy warf ihr einen bitterbösen Blick zu, als Abbey schließlich zehn Minuten zu spät in der Bücherei eintraf.

Nach dem Mittagessen kam es noch schlimmer. Sie erfuhr, dass man den Etat für das nächste Jahr gekürzt hatte und zwei Stellen gestrichen werden sollten. Da sie zuletzt eingestellt worden war, würde sie also in knapp drei Monaten arbeitslos sein.

Als Abbey um sechs müde und niedergeschlagen nach Hause gekommen war, hatte sie außerdem einen Brief von ihrem Vermieter erhalten, in dem eine Mieterhöhung angekündigt wurde.

Die Kinder hatten den ganzen Abend verrückt gespielt, als hätte sich ihre schlechte Stimmung auf sie übertragen. Abbey war so erschöpft, dass sie nicht einmal Lust hatte, ihre Lieblingsserie anzuschauen.

Während sie Tee trank, überlegte sie, was sie tun konnte. Sie hatte etwas Geld auf dem Sparbuch, aber es würde nicht einmal für einen Monat reichen. Ihre Eltern wollte sie auf keinen Fall wieder um Geld bitten, obwohl die beiden ihr beim ersten Mal sofort Hilfe angeboten und ihr noch nie Vorhaltungen gemacht hatten. Allerdings hatten sie sie gewarnt, nachdem Abbey verkündet hatte, sie wollte Dick Sutherland heiraten – zu Recht, wie sich heraus gestellt hatte. Nach fünf Jahren Ehe war Abbey mit ihren beiden Kindern nach Seattle zurückgekehrt – am Boden zerstört und ohne einen Cent in der Tasche.

Obwohl es ihren Eltern selbst finanziell nicht besonders gut ging, hatten sie ihr durch die schwere Zeit geholfen und ihr Geld geliehen, damit sie ihre Ausbildung beenden konnte. Abbey hatte fast drei Jahre gebraucht, um es ihnen zurückzuzahlen.

Ihr Blick fiel auf die Zeitung, die auf dem Hocker lag. Eigentlich konnte sie jetzt schon die Stellenanzeigen lesen. Sie glaubte jedoch nicht, dass sie einen neuen Job als Bibliotheksgehilfin finden würde. Da überall eingespart wurde, gab es so gut wie keine offenen Stellen mehr in diesem Bereich. Wenn sie aber bereit war umzuziehen …

„Mom.“ Scott stand plötzlich neben ihr.

„Ja.“ Abbey zwang sich, ihren neunjährigen Sohn anzulächeln.

„Jasons Hund hat Junge bekommen.“

Ihr war äußerst beklommen zumute. Scott redete seit Monaten davon, dass er einen Hund haben wollte. „Schatz, wir haben das schon so oft besprochen. In diesem Apartmentkomplex ist Tierhaltung nicht erlaubt.“

„Ich weiß, dass ich hier keinen Hund haben darf“, verteidigte er sich. „Ich dachte nur, wir könnten vielleicht umziehen, wenn wir mehr Miete zahlen müssen.“

„Und wenn wir eine neue Wohnung suchen, dann so eine, in der wir einen Hund halten dürfen, ja?“

Scott strahlte übers ganze Gesicht. „Jasons Welpen sind so süß, Mom. Weißt du, was meine Lieblingsrasse ist?“

Natürlich wusste sie es, aber ihm zuliebe fragte sie: „Welche denn?“

„Huskies.“

„Weil das Maskottchen der Universität von Washington ein Husky ist?“

„Auch, aber sie haben so kluge Augen, nicht? Und ich mag es, wie ihr Schwanz sich einrollt. Als Haustiere sind sie zu groß, aber trotzdem sind sie meine Lieblingshunde.“

Abbey streckte ihm die Hand entgegen. Obwohl Scott normalerweise nicht mehr mit ihr schmuste, setzte er sich zu ihr in den Sessel, lehnte den Kopf an ihre Schulter und seufzte laut. „Tut mir Leid, dass ich heute morgen verschlafen habe“, flüsterte er.

„Und mir tut es Leid, dass ich dich angeschrien habe.“

„Ist schon gut. Ich versprech’ dir, dass ich von jetzt an immer sofort aufstehe, wenn du rufst, okay?“

„Okay.“ Abbey schloss die Augen und atmete den Duft seines frisch gewaschenen Haars ein.

Eine Weile saßen sie schweigend so da.

„Du solltest jetzt lieber wieder ins Bett gehen“, sagte Abbey schließlich.

Scott stand auf. „Ziehen wir jetzt um?“ fragte er erwartungsvoll.

„Ich glaube schon“, erwiderte sie lächelnd.

„Nacht, Mom.“ Er lächelte ebenfalls. Dann drehte er sich um und verließ das Wohnzimmer.

Ihr war etwas leichter ums Herz, als sie die Zeitung in die Hand nahm und die Seite mit den Stellenangeboten aufschlug. Dabei fiel ihr Blick sofort auf eine Anzeige mit dem Text: „Einsame Männer in Hard Luck, Alaska, bieten Jobs, ein Zuhause und Land“. Es folgte eine Aufstellung der ausgeschriebenen Positionen.

Abbey blieb fast das Herz stehen, als sie sah, dass auch eine Bibliothekarin gesucht wurde.

Hard Luck in Alaska. Ein Job. Ein Zuhause mit einem Stück Land, das acht Hektar groß war. Du liebe Güte, das war mehr, als ihr Großvater damals besessen hatte, als er in Puyallup Himbeeren gezüchtet hatte!

Schnell holte Abbey ihren Atlas und blätterte darin, bis sie Alaska gefunden hatte. In der Liste mit den Ortsnamen war Hard Luck mit einhundertfünfzig Einwohnern verzeichnet.

Das Leben in einer Kleinstadt bedeutete normalerweise, dass es ein Gemeinschaftsgefühl gab. Das reizte sie, denn früher hatte sie immer sehr gern die Sommerferien auf der Farm ihrer Großeltern verbracht. Sicher würden sie und ihre Kinder sich rasch in einer Kleinstadt in Alaska eingewöhnen.

Als sie den Ort schließlich auf der Karte gefunden hatte, legte sich ihre Aufregung sogleich wieder. Hard Luck lag oberhalb des Polarkreises. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, dorthin zu ziehen.

Am nächsten Morgen ließ Abbey sich ihre Situation während des Frühstücks noch einmal durch den Kopf gehen.

„Kinder“, sagte sie nach einer Weile und atmete einmal tief durch. „Was würdet ihr davon halten, nach Alaska zu ziehen?“

Autor

Debbie Macomber

Debbie Macomber...

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