Julia Saison Band 48

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EINE MAMA FÜR SHIRLEY von FIELDING, LIZ
Jane ist überglücklich - ihr Boss Mark hat ihr einen Antrag gemacht! Schon lange ist die süße Sekretärin heimlich in den attraktiven Unternehmer verliebt. Doch Mark will nur heiraten, damit seine kleine Tochter eine Mutter hat! Kann er in Jane je mehr sehen als eine fürsorgliche Ersatzmama?

ENDLICH EINE RICHTIGE FAMILIE von MACOMBER, DEBBIE
Alles, aber keine neue Liebesbeziehung, geschweige denn eine Ehe: Da sind sich Joanna und Thomas einig. Aber ihre elfjährigen Töchter, die allerbeste Freundinnen sind, sehen das anders: Sie wollen Joanna und Thomas unbedingt zusammenbringen. Und es scheint ganz so, als ob ihr Plan funktioniert ...

EIN BABY ZUM MUTTERTAG von PICKART, JOAN ELLIOTT
Als der amerikanische Diplomat Daniel Shay die hinreißende Autorin Christina sieht, fesselt ihn sofort ihre warmherzige Ausstrahlung. Er begleitet sie am nächsten Tag - dem schönsten Tag ihres Lebens: Sie nimmt im Waisenhaus zum ersten Mal ihre kleine Adoptivtochter in die Arme ...


  • Erscheinungstag 01.03.2019
  • Bandnummer 0048
  • ISBN / Artikelnummer 9783733713591
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liz Fielding, Debbie Macomber, Joan Elliot Pickart

JULIA SAISON BAND 48

1. KAPITEL

„Mark, was ist los? Sie hatten doch heute Morgen den Termin mit der Baubehörde. Gerade haben die Inspektoren mich von der Baustelle angerufen und …“

„Langsam, Jane.“ Mark Hilliard klang, als kehrte er gerade aus einer anderen Welt zurück und müsste sich erst einmal sammeln. „Es tut mir leid. Ich hätte Ihnen Bescheid sagen sollen. Rufen Sie die Herren bitte an, und entschuldigen Sie mich bei ihnen. Ich stecke mitten in einer häuslichen Krise.“

„Was für eine Krise? Ist Shirley krank?“, fragte Jane Carmichael erschrocken.

„Nein, es geht ihr gut. Sie hat nur wieder einmal das Kindermädchen gefeuert.“

Shirley hat das Kindermädchen gefeuert? Ich weiß, dass sie sehr reif ist für ihr Alter, aber das scheint mir für eine Dreijährige doch ein bisschen viel zu sein. Wie hat sie es denn angefangen? Hat sie sie ins Kinderzimmer gerufen und gebeten, auf Mr. Fluffy Platz zu nehmen, und dann gesagt: ‚Ich bedaure, Mrs. Collins, doch Sie haben trotz Ihrer erstklassigen Referenzen meine Erwartungen nicht erfüllt. Deshalb muss ich Sie leider entlassen‘?“

„Oh Mark!“ Jane war auf einmal überhaupt nicht mehr belustigt. Sie hatte das Vorstellungsgespräch mit Sarah Collins selbst geführt und war überzeugt gewesen, dass die Frau für die Stelle bestens geeignet war.

„Sie hat letzten Monat gekündigt. Als Begründung hat sie familiäre Probleme angeführt, aber es klang nach einer Ausrede. Sie hatten sich solche Mühe mit der Auswahl gegeben, dass ich mich nicht getraut habe, es Ihnen zu beichten. In der Zwischenzeit hat die Agentur mir Aushilfen geschickt. Shirley hatte reichlich Gelegenheit zu üben, wie man Kindermädchen loswird. Heute Morgen hat meine liebe Tochter so lange wie am Spieß geschrien, bis das Kindermädchen entnervt das Haus verlassen hat. Ich habe keine Ahnung, warum es mit den beiden nicht geklappt hat. Die Frau hatte ausgezeichnete Referenzen und schien mir für die Stelle geeignet zu sein.“

„Aus der Sicht einer Dreijährigen sehen die Dinge ein bisschen anders aus. Schließlich mussten nicht Sie sich von der Dame baden und ins Bett bringen lassen.“ Jane errötete bei der Vorstellung leicht. Nur gut, dass er es nicht sehen konnte. „Vielleicht sollten Sie Shirley einmal fragen, was sie will, bevor Sie das nächste Kindermädchen einstellen. Es kann sein, dass sie besser mit jemandem zurechtkommt, der mit bei Ihnen im Haus wohnt.“

„Shirley möglicherweise schon, aber ich nicht.“

Darüber hatten sie schon oft gesprochen. Mark wurde es schon beim Gedanken, sein Haus mit einem fremden Menschen zu teilen, unbehaglich zumute. Sie, Jane, war von der Idee auch nicht begeistert, aber Shirleys Wohl war ihr wichtiger als ihre eigene alberne Eifersucht.

Es war nicht leicht, Mark zu der Einsicht zu bewegen, dass seine kleine Tochter eine Persönlichkeit mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen war. Jemand musste sich Shirley zuliebe die Mühe machen und es immer wieder versuchen. Und dieser jemand war sie, Jane.

„Hat sie sich inzwischen wieder beruhigt?“

„Wie alle Frauen ist sie glücklich und zufrieden, wenn sie ihren Willen durchgesetzt hat.“ Etwas spät fügte er hinzu: „Ich meine natürlich nicht Sie, Jane. Tut mir leid.“

„Natürlich nicht.“ Er sieht mich eben nicht als Frau, dachte sie.

„Die Agentur versucht, möglichst schnell Ersatz zu finden. Bis dahin rufe ich jeden an, der mir einfällt, um sie für einige Stunden unterzubringen.“

„Kein Glück bisher?“

„Meine Mutter ist auf einem Kongress, und meine Schwester ist letzten Monat nach Straßburg gezogen. Die beiden sind nicht gerade das, was man sich normalerweise unter einer Großmutter oder Tante vorstellt.“ Er klang müde. „Es sieht so aus, als müsste ich einige Tage zu Hause arbeiten. Bis zum Ende der Woche muss ich eine andere Lösung finden. Würden Sie mir bitte die Unterlagen von meinem Schreibtisch bringen? Und die Post?“

„Sind Sie sicher? Bis ich bei Ihnen bin, ist es schon fast Mittag. Wollen Sie sich nicht lieber den Tag freinehmen und ihn mit Shirley verbringen?“ Sie wusste, dass die Kleine sich nichts sehnlicher wünschte als einen Vater, der für sie da war und sie in die Arme nahm, wenn sie kuscheln wollte. Einen Vater, der Zeit für sie hatte, wenn sie morgens aufwachte und Lust zu spielen hatte, und der sich beeilte, rechtzeitig zu Hause zu sein, um ihr eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.

Jane verstand gut, warum Shirley ein Kindermädchen nach dem anderen vergraulte. Wie erfahren und gut ausgebildet diese Frauen auch sein mochten, sie waren alle nur Angestellte. Sie konnten dem Kind niemals die Mutter ersetzen, die es nie gekannt hatte, oder den Vater, der sich in seiner Gegenwart unbehaglich fühlte, weil es ihn schmerzlich an den Verlust seiner Frau erinnerte.

„Es ist ein wunderschöner Tag, Mark“, versuchte sie es noch einmal. „Sie könnten mit Shirley in den Park fahren.“

„Heute nicht, Jane“, sagte er schnell. „Wenn ich die Entwürfe für das Kunstmuseum nicht diese Woche fertig bekomme, können wir den Zeitplan nicht einhalten.“

Und das wäre ja eine Katastrophe, dachte Jane ironisch. „Natürlich. Ich komme, so schnell ich kann.“

Sie rief die Bauinspektoren an und verlegte den Termin. Dann saß sie eine Weile ruhig da, um sich innerlich für die Fahrt zu Mark zu wappnen. Shirley war nicht die Einzige, die sich danach sehnte, dass Mark Hilliard ihr seine Aufmerksamkeit und seine Liebe schenkte.

Aber im Gegensatz zu der kleinen Shirley war sie, Jane, eine erwachsene Frau von vierundzwanzig Jahren, von der man zu Recht etwas Vernunft erwarten durfte. Sich auf den Boden zu werfen, zu stampfen und zu schreien kam für sie nicht infrage. Leider war ihr manchmal genau danach zumute.

Sie war die gute, alte Jane, auf die man sich in jeder Lebenslage verlassen konnte. Die perfekte Sekretärin, die ihre unglückliche Liebe zu ihrem gut aussehenden Chef hinter dicken Brillengläsern verbarg. Was für ein Klischee! Sie trug zwar keine Brille, aber es würde auch nichts ändern, wenn sie eine trüge. Er sieht mich ja sowieso nie an, dachte sie.

Leider war Mark Hilliard unwiderstehlich. Schon als sie während des Vorstellungsgesprächs zum ersten Mal auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch gesessen hatte, hatte sie sich zu ihm hingezogen gefühlt. Es war kurz nach dem Tod seiner Frau gewesen. Mark hatte tiefe Schatten unter den Augen gehabt und ziemlich mitgenommen gewirkt.

Neben ihm hatte eine Tragetasche mit seiner kleinen Tochter darin gestanden. Shirley war damals noch ein Baby gewesen. Beim ersten Blick auf Vater und Kind hatte Jane gewusst, dass es ein Fehler wäre, den Job anzunehmen.

Gleich zu Beginn des Vorstellungsgesprächs klingelte das Telefon. Sie nahm wortlos die Tragetasche mit dem schreienden Baby und ging damit hinaus in den Empfangsbereich. Dort spielte sie so lange mit der Kleinen, bis deren Vater sein wichtiges Telefonat beendet hatte.

Als er dann aus dem Büro kam und sie sah, sagte er sofort: „Sie haben den Job.“

Vor Freude schlug ihr Herz schneller. Sie wusste, dies war ein Warnsignal, und sie war entschlossen, darauf zu hören. So dringend sie den Job auch brauchte, ihr war klar, dass es nur Unglück brachte, sich gleich auf den ersten Blick in den neuen Chef zu verlieben. Es würde unweigerlich mit Tränen enden. Und zwar mit ihren Tränen.

„Aber Sie wissen doch noch gar nichts über mich“, wandte sie ein.

„Sie sehen, was getan werden muss, und Sie tun einfach, was notwendig ist. Das genügt mir. Können Sie sofort anfangen?“

Das Baby saß auf ihrem Schoß und spielte mit den Knöpfen des schicken neuen Kostüms, das sie, Jane, sich extra für das Vorstellungsgespräch gekauft hatte. Jedenfalls hatte es im Schaufenster der Boutique schick ausgesehen, an ihr wirkte es längst nicht so elegant. Die meisten modischen Sachen standen ihr nicht, weil sie zu klein war. Und jetzt hatte sie auch noch Babyspucke auf dem Revers.

„Unscheinbar, hat nicht das richtige Auftreten“, hatte die Frau von der Sekretärinnenagentur auf ihr Bewerbungsformular geschrieben. Jane hatte es lesen können, obwohl die Schrift auf dem Kopf gestanden hatte. Zwar war sie eine ausgezeichnete Sekretärin, dennoch hatte die Agentur sie nicht einmal als Aushilfe vermitteln wollen.

Während sie ihren Mantel angezogen hatte, war am Empfang der Agentur gerade ein Anruf eingegangen. Mark Hilliard vom Architekturbüro Hilliard, Young und Lynch suchte dringend und ab sofort eine erstklassige Sekretärin.

Draußen auf der Straße hatte sie sofort ihr Handy gezückt und Mr. Hilliard angerufen. Am Telefon machte sie immer einen überzeugenden Eindruck, und so hatte er sie gebeten, sofort zu ihm zu kommen, um sich vorzustellen.

Ihr unscheinbares Aussehen hatte ihn offenbar nicht abgeschreckt. Allein deswegen hätte sie sich in ihn verlieben können. Während ihr Verstand sie gedrängt hatte, den Job anzunehmen, hatte eine innere Stimme sie gewarnt. Lehn das Angebot ab, lauf weg, so schnell du kannst, hatte sie ihr geraten.

Es gab andere Stellen. Stellen, wo nicht jeden Tag ihr Seelenfrieden auf dem Spiel stand und ihr Herz in Gefahr war. Aber Mark hatte so verzweifelt ausgesehen, und Shirley hatte sie so lieb angelächelt.

Darum war sie jetzt seit zweieinhalb Jahren Marks Sekretärin. Wie schon in den ersten Minuten ihrer Bekanntschaft sah sie immer, was getan werden musste, und erledigte es unaufgefordert.

Nur was Shirley angeht, hatte ich bisher keinen Erfolg, dachte sie.

Sie hatte alles versucht, damit Mark seiner bezaubernden Tochter mehr Zeit und Aufmerksamkeit schenkte, aber es war vergeblich gewesen. Seit zweieinhalb Jahren sah Jane hilflos mit an, wie er gewissenhaft dafür sorgte, dass es der Kleinen äußerlich an nichts fehlte. Aber was seine Tochter am nötigsten brauchte, gab er ihr nicht. Ohne Liebe und Zuwendung konnte ein Kind auf Dauer nicht leben. Sollte er es nicht schaffen, ein richtiger Vater zu sein, wird er seiner Tochter eine neue Mutter geben müssen, folgerte Jane. Wie immer, wenn sie ein Problem erkannt hatte, würde sie, Jane, auch das Notwendige tun, um es zu lösen.

Sie nahm die Unterlagen, um die Mark sie gebeten hatte, griff nach ihrem Laptop und blieb kurz am Empfang stehen. Rasch sorgte sie dafür, dass ihre Anrufe auf ihr Handy umgeleitet wurden.

Ihr Blick fiel auf ihr Spiegelbild im Glasrahmen des vergrößerten Fotos eines von Mark Hilliard entworfenen Gebäudes. Ihr Haar stand schon wieder nach allen Seiten ab. Dabei hatte der Friseur ihr versprochen, dass sie mit dieser Hochstecktechnik ihre wilde Mähne bändigen konnte.

Ich muss mehr für mein Aussehen tun, dachte sie. Aber zum Glück achtete Mark nicht auf ihr Äußeres. Sie hätte in einem Supermini herumlaufen und millimeterdick Make-up auftragen können, es wäre ihm nicht einmal aufgefallen. Er nahm sie einfach nicht als Frau wahr. Aber genau das würde sie jetzt zu ihrem Vorteil nutzen.

„Lies mir eine Geschichte vor, Daddy.“

Entnervt blickte Mark von der Arbeit auf. Seine Tochter schien bestens gelaunt, nachdem sie das Kindermädchen vergrault und seinen Arbeitstag ruiniert hatte.

„Ich habe zu tun, Shirley.“

Sie legte ihm das Buch, das sie in der Hand hielt, auf den Schreibtisch. Es sah ziemlich abgegriffen aus. „Diese Geschichte“, bat sie.

Mark erkannte, dass Widerstand zwecklos war, und nahm den Band in die Hand. „Wo hast du denn das Buch her?“

„Jane hat es mir geschenkt“, antwortete sie. „Ich mag Jane. Ich mag sie sooo gern.“ Shirley breitete die Arme aus, um ihre Worte zu bekräftigen.

„Ja, sicher.“ Er schlug die erste Seite auf. Dort stand in großer, runder Kinderschrift geschrieben: „Dieses Buch gehört Jane Carmichael.“ Es war eins von Janes eigenen Kinderbüchern. Sie hatte es mit ins Büro gebracht, um Shirley daraus vorzulesen. Es war wohl einer der Tage gewesen, an denen er keine andere Möglichkeit gehabt hatte, als das Kind mit zur Arbeit zu nehmen. Ihm kam der Gedanke, dass Shirley sich vielleicht die ganze Zeit nach Jane gesehnt hatte. Er sah auf die Uhr und fragte sich, wo sie so lange blieb.

Shirley krabbelte auf seinen Schoß. „Lies vor, Daddy.“

„Bitte“, verbesserte er sie unwillkürlich.

„Bitte“, wiederholte sie brav und lächelte. Sie war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Er konnte beinah deren Stimme hören, wie sie ihn anflehte: „Bitte, Mark … lass mich gehen.“

Das Geräusch des Autos, das vor dem Haus hielt, riss ihn aus seinen Erinnerungen. Das Vorlesen war vergessen. Shirley rutschte von seinem Schoß und rannte zur Tür. Er folgte etwas langsamer und öffnete. Begeistert schlang Shirley die Arme um Janes Beine und drückte sich an sie.

„Sie hätten nicht zufällig Lust, den Job zu wechseln? Sie wären das bestbezahlte Kindermädchen weit und breit.“

„Nein, danke. Außerdem braucht sie kein Kindermädchen.“ Jane legte die mitgebrachten Papiere und ihren Laptop ab, hob Shirley hoch und umarmte sie. Dafür wurde sie mit einem klebrigen Schmatzkuss belohnt. „Sie braucht eine Mutter.“ Sie reichte das Kind an ihn weiter und zog ihre Jacke aus. „Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Der Verkehr war ein Albtraum. Ich brauche dringend einen Kaffee.“

„Bedienen Sie sich. Sie wissen ja, wo alles ist.“ Sie hängte die Jacke auf und ging in die Küche. Mark setzte Shirley ab und folgte Jane. „Was möchten Sie trinken?“, fragte sie und sah sich zu ihm um, während sie Wasser aufsetzte. „Kaffee oder lieber Tee?“

„Kaffee, danke.“

Shirley strich ihr um die Beine wie eine kleine Katze. Jane beugte sich zu ihr hinunter. „Was ist mit dir, Schätzchen? Möchtest du auch etwas?“

„Kaffee, danke“, ahmte die Kleine ihren Vater nach.

„Lieber Orangensaftkaffee oder Apfelsaftkaffee?“ Shirley kicherte und sah begeistert zu, wie Jane aus ihrer Handtasche einen stanniolverpackten Keksriegel mit Schokoguss hervorzauberte. „Magst du das?“

„Darf sie so etwas denn essen?“, fragte Mark.

Erstaunt blickte Jane auf. „Kaufen Sie ihr denn nie Schokolade?“

Die leichte Zurechtweisung, die in ihrer Frage mitschwang, überraschte ihn. „Natürlich nicht. Das ist schlecht für die Zähne.“ Er und Caroline hatten alle Bücher über gesunde Ernährung gelesen. Sie wollten alles richtig machen und ihr Kind perfekt erziehen. Für ihre Tochter sollte es kein Fast Food, kein Naschen zwischen den Mahlzeiten und keine Süßigkeiten geben. „Oder etwa nicht?“, fragte er leicht verunsichert.

„Sie hat doch eine Zahnbürste, nehme ich an?“

„Ja, natürlich.“ Er räusperte sich. „Ich bin drüben im Arbeitszimmer.“

„Wir kommen gleich nach.“

Jane stellte das Tablett auf dem Schreibtisch ab, wo es außer Shirleys Reichweite war. Dann gab sie der Kleinen Buntstifte und Papier und setzte sie an einen niedrigen Tisch. „Dein Daddy und ich müssen ein bisschen arbeiten. Weißt du, was ich mir wünsche? Dass du mir ein schönes Bild malst, das ich in meinem Büro aufhängen kann. Tust du das für mich?“

„Ja.“

„Braves Mädchen.“ Sie drehte sich um und bemerkte, wie Mark sie staunend beobachtete. Nachdem sie den Kaffee eingeschenkt hatte, gingen sie schnell die Post durch. „Ich habe das meiste schon erledigt.“

„Wie immer.“

Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Gleich würde sie es ihm sagen. Einige Male atmete sie tief durch. Sie hatte es sich genau überlegt. Beinah hätte sie auf der Autobahn die richtige Ausfahrt verpasst, weil sie ihren Text noch einmal geprobt hatte.

„Da wäre noch etwas“, sagte sie endlich. Er wartete. Mit klopfendem Herzen reichte sie ihm einen Teil der Wochenendausgabe der Tageszeitung.

„Kleinanzeigen?“, fragte er verblüfft. „Was soll ich damit?“

Er kann doch nicht so schwer von Begriff sein, dachte sie. Aber anscheinend brauchte er wirklich nähere Erläuterungen. „Es sind die privaten Kontaktanzeigen. Hier unten ist das Formular, mit dem man eine aufgeben kann. Ich habe schon einen geeigneten Text für Sie vorbereitet.“

Er nahm den Zettel, den sie ihm reichte. „Architekt, 34, verw., Vater einer Tochter, su. warmherzige, liebevolle Partnerin, NR, m. SFH, für DB.“

„NR? SFH? DB?“, fragte er.

„Nichtraucherin. Sinn für Humor. Dauerhafte Beziehung.“

„Oh.“ Er sah immer noch ein wenig ratlos aus.

„Mark, an dem Tag, an dem Sie mich eingestellt haben, sagten Sie, dass ich sehe, was zu tun ist, und tue, was notwendig ist. Jetzt sehe ich, dass etwas für Shirley getan werden muss. Darum habe ich die Anzeige für Sie aufgesetzt. Ich werde sogar die Zuschriften für Sie sortieren, wenn Sie das möchten. Nur Ihr Einverständnis brauche ich.“

Er nahm die Zeitung und überflog die Anzeigen. „Hier sucht jemand eine ‚Klassefrau mit Charme und Esprit für gelegentliche romantische Treffs.‘“ Er zog amüsiert eine Augenbraue hoch. „Das heißt also …“

„Ja, so ist es“, unterbrach sie ihn rasch und unterdrückte ein Lächeln. Wenn sie offen ihre Belustigung zeigte, würde er einfach über das Ganze hinweggehen wie über einen misslungenen Scherz und sich den für ihn wichtigen Dingen des Lebens zuwenden. Das würde in seinen Augen natürlich die Arbeit sein.

„Sie können sich gern Ihre eigenen Formulierungen ausdenken. Vergessen Sie bitte nur nicht die ‚dauerhafte Beziehung‘.“

„Jane, das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.“

„Warum nicht? Ihre Tochter hat innerhalb der letzten vier Monate vier qualifizierte, freundliche und fürsorgliche Kindermädchen aus dem Haus getrieben. Sie will Ihnen damit etwas zu verstehen geben, und es ist die einzige Art, sich mitzuteilen, die ihr zur Verfügung steht. Sie braucht mehr.“

„Mehr?“

„Mehr als Sie ihr geben. Sie braucht jemand, für den sie an erster Stelle steht. Jemand, der jeden Morgen für sie da ist, wenn sie aufwacht, und der sie jeden Abend ins Bett bringt und ihr eine Geschichte vorliest.“

„Ich tue, was ich kann, aber ich muss schließlich arbeiten.“ Er war ernst geworden und vermied es, ihr in die Augen zu sehen. „Es gibt Leute, die sich auf mich verlassen. Meine Partner, meine Angestellten, sogar Sie. Wenn ich nicht arbeite, bekommt bald niemand mehr sein Gehalt.“

Das eigentliche Problem lag woanders. Sie wussten es beide und mieden bewusst das Thema. Für Jane machte es keinen großen Unterschied, aus welchen Gründen er sich nicht genug um Shirley kümmerte. Ob er es nicht konnte oder nicht wollte, war doch gleichgültig. In jedem Fall musste er jemand finden, der diese Aufgabe für ihn übernahm.

„Shirley braucht eben eine Mutter. Sie sind der einzige Mensch, der ihr eine verschaffen kann. Ich verstehe völlig, dass Sie bei Ihrer Arbeitsbelastung keine Zeit haben, sich nach einer Frau umzusehen. Darum bin ich auf die Idee mit der Anzeige gekommen. Sie könnten es auch mit einer Partnervermittlung probieren. Viele Menschen in Ihrer Situation entscheiden sich für diesen Weg.“

„Das kann durchaus sein. Vielleicht haben Sie sogar recht.“ Er ließ ihren Entwurf für die Anzeige auf den Tisch fallen und wies ratlos auf die Fotografie von Shirleys Mutter in dem wertvollen Silberrahmen. „Danke für Ihre Mühe. Ich werde darüber nachdenken, aber können wir jetzt bitte weitermachen?“

„Es ist drei Jahre her, Mark“, sagte sie und weigerte sich, das Thema fallen zu lassen. „Caroline hätte gewollt, dass Sie einen Neuanfang machen. Sie hätte von Ihnen erwartet, dass Sie Shirley geben, was jedes Kind braucht.“

Es war ihm deutlich anzumerken, wie unangenehm ihm das Gespräch war. „Wo soll ich denn eine Frau finden, die sich um ein fremdes Kind kümmert?“

„Das ist doch gar nicht mehr so ungewöhnlich. So viele Menschen sind heutzutage geschieden und alleinerziehend.“

Das ist nicht das Problem, dachte Jane. Viel schlimmer ist, dass in seinen Augen keine Frau so wundervoll, so perfekt und so schön ist wie Caroline.

„Also gut.“ Er sah ein, dass er sie von dem Thema nicht abbringen konnte. „Ich brauche also eine Frau, die bereit ist, eine einseitige Beziehung einzugehen. Mehr könnte ich ihr nämlich nicht bieten.“

Dass er es laut ausgesprochen hat, ist ein erster Schritt, stellte Jane zufrieden fest. Er sah hinüber zu seiner Tochter, die ganz in ihre Zeichnung vertieft war. „Ich weiß, Sie meinen es gut. Aber Sie werden mir recht geben, dass ich so etwas von keiner Frau verlangen kann. Ganz bestimmt nicht von einer, die all die Qualitäten mitbringt, die ich mir für Shirley wünsche.“ Er sah traurig aus.

Jane konnte seinen Schmerz nachfühlen. Mark tat ihr furchtbar leid. Am liebsten hätte sie sein Gesicht umfasst und ihm gesagt, dass alles gut werden würde, wenn er ihr nur vertraute.

Sie versuchte, einen geschäftsmäßigen, sachlichen Ton anzuschlagen. „Unterschätzen Sie sich nicht, Mark. Was Sie einer Frau bieten können, ist ein schönes Heim, ein bequemes Leben und Freundschaft. Viele Frauen wären glücklich über eine solche Chance.“

„Glauben Sie wirklich? Und woher wüsste ich, dass es diesen Frauen nicht nur um mein Geld ginge? Wie könnte ich verhindern, dass die ‚warmherzige, liebevolle Nichtraucherin mit Sinn für Humor‘ nicht nach einem Jahr die Scheidung einreicht und Anspruch auf die Hälfte meines Vermögens erhebt?“

Damit hatte er die Schwachstelle in ihrer Argumentation gefunden. Sie, Jane, war sicher gewesen, dass ihm dieser Punkt ins Auge springen würde. Und sie war darauf vorbereitet.

„Das können Sie ruhig Shirley überlassen. Sie wird jede Frau, die es auf Ihr Geld abgesehen hat, sofort durchschauen.“

Ihre schlagfertige Antwort entlockte ihm ein Lächeln. „Ganz bestimmt.“ Er lehnte sich zurück und betrachtete sie über den breiten Schreibtisch hinweg. „Sie haben sich das sehr gründlich überlegt, nicht wahr?“

„Selbstverständlich. Ich würde nie mit einer unausgegorenen Idee zu Ihnen kommen.“

„Nein, bestimmt nicht.“ Er fuhr fort, sie nachdenklich zu mustern. „Sagen Sie, Jane, würden Sie sich denn auf eine platonische Ehe einlassen?“

Das war die Frage, auf die sie gewartet hatte. Sie schluckte. „Meinen Sie das persönlich?“, hakte sie nach. Ihre Stimme klang ruhig, während ihr das Herz bis zum Hals schlug.

„Ja. Ich würde gern wissen, ob Sie einen Mann heiraten würden, der Sie nicht liebt.“

Sie schüttelte den Kopf und brachte ihre Frisur damit noch mehr in Unordnung. „Nein, Mark, das habe ich nicht gemeint.“ Als er verständnislos die Stirn runzelte, verlor sie beinah den Mut. Es war noch nicht zu spät, um einen Rückzieher zu machen. „Ich wollte wissen, ob Ihre Frage ein Heiratsantrag war.“

2. KAPITEL

Einen Moment lang herrschte völlige Stille. Mark versuchte zu ergründen, ob Jane es ernst meinte.

Sie saß ihm am Schreibtisch gegenüber wie an einem ganz normalen Arbeitstag. Sie sah genauso aus wie immer. Aufmerksam, mit einem Lächeln auf den Lippen, das sich beim geringsten Anlass vertiefen würde und ihr ganzes Gesicht erstrahlen ließe. Wie immer hatte sie alles perfekt im Griff – die Frisur ausgenommen. Jetzt saß sie ruhig und gelassen da und wartete darauf, dass er ihre Frage beantwortete.

Habe ich ihr einen Heiratsantrag gemacht? überlegte er.

Die Antwort lautete natürlich Ja, wenn man es im streng rhetorischen Sinne betrachtete. Aber Jane wollte mit ihm nicht über sprachliche Spitzfindigkeiten diskutieren. Sie war geradeheraus und direkt. Nie spielte sie Spielchen, und sie trickste und manipulierte auch nicht, wie viele Frauen es oft taten, um ihre Ziele zu erreichen. Eigentlich sah er sie gar nicht als Frau. Darum war es ja auch so angenehm, mit ihr zusammenzuarbeiten. Vermutlich hatte er sie deshalb auch so gern in seiner Nähe.

Sie hatte ihm eine ernsthafte Frage gestellt und erwartete darauf eine ernsthafte Antwort. Wenn er Nein sagte, wäre sie nicht gekränkt. Hier ging es nicht um Gefühle, sondern um die praktische Lösung eines Problems, das inzwischen nicht mehr nur sein Privatleben betraf, sondern auch die Abläufe in seinem Architekturbüro beeinträchtigte.

Je länger er zögerte, die Idee als verrückt von sich zu weisen, umso mehr neigte er dazu, es nicht zu tun. Der Gedanke, Jane zu heiraten, erschien ihm bei näherer Betrachtung sogar ziemlich vernünftig.

Er war an sie gewöhnt und kannte sie gut. Zwischen ihnen gäbe es nicht die üblichen Schwierigkeiten, wie sie in einer neuen Beziehung anfangs unweigerlich auftraten. Es gab kein Risiko, beide wussten, worauf sie sich einließen. Sie arbeitete hart, war freundlich und loyal. Zudem besaß sie den Sinn für Humor, den sie in ihrem Kontaktanzeigenentwurf erwähnt hatte, in überdurchschnittlichem Maße. Sie kannte ihn, Mark, ebenfalls gut und verstand ihn. Auf keinen Fall würde sie mehr von ihm erwarten als Loyalität und Freundschaft.

Sie wäre in jeder Hinsicht die perfekte Ehefrau. Ob er dagegen der richtige Mann für sie war, bezweifelte er.

„Würden Sie denn hier einziehen?“, fragte er.

„Meinen Job aufgeben und stattdessen rund um die Uhr auf Shirley aufpassen? Als was? Tut mir leid, Mark. Für Sie wäre es natürlich ideal, aber so gern ich Shirley auch habe, das wäre für mich nicht gerade ein Schritt nach oben auf der Karriereleiter.“

Sie nahm an, dass er ihr jetzt ein großzügiges finanzielles Angebot machen würde, wenn sie als seine Angestellte vom Büro in sein Privathaus wechselte. Deswegen ließ sie ihn gar nicht erst zu Wort kommen. „Da halte ich es für besser, wenn Sie mich die Anzeige aufgeben lassen.“

Shirley hatte ihren Namen gehört und sah auf. „Ich bin fast fertig, Jane.“ Sie hielt ihr Bild hoch und zeigte ihnen, was sie gemalt hatte. Es waren drei Strichmännchen neben einem Haus. „Daddy, Jane und ich“, erklärte die kleine Künstlerin stolz.

Jane stand auf und ging zu ihr. „Sehr hübsch, Mäuschen.“ Sie war erstaunt, dass sie so ruhig sprechen konnte, während sie so aufgeregt war. „Möchtest du nicht noch einige Blumen in den Garten neben dem Haus malen?“, schlug sie der Kleinen vor.

Wenigstens Shirley weiß, was sie will, dachte sie. Mark hatte ihr, Jane, zwar ein Angebot gemacht, aber er hatte die ganze Sache noch nicht so recht durchdacht.

Ich werde ihm Zeit geben, beschloss sie. Er sollte sich ruhig mit einigen Frauen treffen, die sich zweifellos scharenweise auf die Anzeige hin melden würden. Jane wusste genau, dass er sich auf eine Beziehung, die er nicht kontrollieren konnte, nicht einlassen würde. Egal, wie nett und attraktiv die betreffende Frau auch sein mochte. Jede dieser Frauen würde mehr von ihm erwarten, als er zu geben bereit war, und dieser Gedanke würde ihn wirkungsvoll abschrecken.

Als sie auf ihren Platz vor dem Schreibtisch zurückkehrte, blätterte Mark gerade in seinem Kalender. Offensichtlich hatte er die Gelegenheit genutzt, die Shirley ihm geboten hatte, um das Thema zu wechseln. Macht nichts, dachte Jane. Immerhin habe ich ihn auf die Idee gebracht, und er wird sie im Kopf behalten. Die nächste häusliche Krise kam bestimmt, und dann würde ihm ihr Vorschlag wieder einfallen. Sie, Jane, hatte gelernt zu warten.

„Ich habe die Besprechung mit den Inspektoren von der Baubehörde auf morgen verlegt“, ging sie zum Geschäftlichen über. „Ist Ihnen halb zehn recht? Bringen Sie Shirley ruhig mit ins Büro, ich werde auf sie aufpassen.“

Er notierte sich den Termin und blickte dann von seinem Kalender auf. „Würde Ihnen der nächste Dienstag passen?“

„Wieso der nächste Dienstag?“

„Ich schätze, dass während der Woche auf dem Standesamt nicht viel los sein wird.“ Als sie nicht antwortete, sprach er weiter: „Sie bestehen doch nicht auf einer großen Hochzeit, oder?“

„Hochzeit?“ Sie wurde blass. Eben hatte sie die Situation noch unter Kontrolle gehabt und das Gespräch geschickt in die von ihr gewünschte Richtung gesteuert. Jetzt auf einmal war sie völlig verwirrt. Sie hatte ihn zwar auf die Idee gebracht, dass eine Heirat die Lösung seiner Probleme wäre, aber an die Hochzeit selbst hatte sie noch nie gedacht.

„Sie wollten wissen, ob meine Frage ein Heiratsantrag war. Nun, wenn ich die Wahl zwischen Ihnen und der Anzeige habe, dann nehme ich lieber Sie.“

Das ist wahrscheinlich der unromantischste Heiratsantrag, den je eine Frau bekommen hat, dachte Jane. Es fehlte so ziemlich an allem, was diesen Moment normalerweise zu einem ganz besonderen machte. Nur etwas war so, wie es sein sollte. Mark war der Mann, den sie von ganzem Herzen liebte.

„Es war doch Ihr Ernst, oder?“

Sie versuchte, Ja zu sagen, aber sie brachte vor Aufregung kein einziges Wort heraus. Sie räusperte sich. „Ja, es war mein Ernst.“

„Dann gibt es keinen Grund, warum wir warten sollten. Ich hätte am Dienstagvormittag Zeit. Wie ist es bei Ihnen?“

Jane sah vor ihrem inneren Auge brennende Kerzen, rote Rosen und einen Brillantring vorbeiziehen. Dann lauschte sie dem perfekten Heiratsantrag, dem eine perfekte Hochzeit mit einem langen weißen Kleid und einer Wagenladung voll Orangenblüten folgte. In ihrer Vision streuten kleine Brautjungfern vor der Kirche Blumen. Ihre ganze Familie sah staunend und gebannt zu, wie ihr Vater sie zum Altar führte, wo der Mann ihrer Träume auf sie wartete. Der wunderbarste Mann der Welt. Sie schüttelte die Traumvorstellung ab. Weiß steht mir nicht, dachte sie, und die Orangenblüten wären bestimmt welk.

Mark hatte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Keinen romantischen, aber immerhin einen Antrag. Besser geht es gar nicht, sagte sie sich. Das habe ich schließlich gewollt. Er hatte eine naheliegende, vernünftige Entscheidung getroffen.

„Dienstag ist in Ordnung“, antwortete sie ruhig, als handelte es sich um einen ganz normalen Geschäftstermin. „Soll ich mich um alles Weitere kümmern?“, bot sie an. Bitte sag Nein, flehte sie innerlich.

„Wenn Sie das bitte in die Hand nehmen … wenn du das bitte in die Hand nehmen würdest. Unter den gegebenen Umständen ist es wohl angebracht, dass wir uns duzen.“ Er schien die Situation auf einmal komisch zu finden.

„Natürlich.“ Sie blieb ernst. „Möchtest du jemand einladen? Vielleicht einige Kollegen? Wahrscheinlich willst du deine Familie dabeihaben.“

„Ist das unbedingt notwendig?“, fragte er. Eine steile Falte erschien zwischen seinen Brauen. „Es wäre mir lieber, wenn alles ohne großen Aufwand vonstatten ginge.“

Er will nicht einmal, dass seine Mutter und seine Schwester anwesend sind! Bedeutet es ihm wirklich so wenig?, fragte sie sich enttäuscht. Sie erwartete kein rauschendes Fest, aber etwas Feierlichkeit war sogar bei der schlichtesten standesamtlichen Trauung üblich. Tapfer überwand sie ihren Stolz und bemühte sich, nicht gekränkt zu wirken.

„Nein, es ist nicht notwendig. Alles, was wir brauchen, sind zwei Trauzeugen. Ich kümmere mich darum“, beeilte sie sich vorzuschlagen. Sie befürchtete, dass er sie sonst darum bitten würde, zwei Fremde auf der Straße anzusprechen und sie zu überreden, ihre Eheschließung zu bezeugen. Unsere Ehe wird zwar nicht im Himmel geschlossen, sondern eher im örtlichen Heimwerkermarkt, aber ein wenig Würde soll das Ganze doch haben, fand Jane.

Er nickte. „Du kannst dich auch gleich um eine Nachfolgerin für deinen Job im Büro kümmern.“ Er lächelte bedauernd. „Wirklich schade. Aber die perfekte Lösung gibt es wohl nicht.“

„Nein.“ Da war sie ganz seiner Meinung. Aber der Plan war ja auch noch nicht bis ins Detail ausgearbeitet. Sie hatte ihr erstes Ziel erreicht. Wenn sie erst einmal verheiratet waren, würde sie genug Zeit haben, sich mit den Feinheiten zu beschäftigen und sich dem Hauptteil ihres Vorhabens zu widmen – nämlich wie sie Mark dazu bringen wollte, sich in sie zu verlieben.

„Was wäre mit Patsy?“, sagte sie laut.

Er blickte sie verständnislos an und wusste offensichtlich nicht, wen sie meinte.

„Das Mädchen aus der Planungsabteilung, das mich vertreten hat, als ich im Urlaub war“, erinnerte sie ihn.

„Ist mir nicht aufgefallen.“

Das konnte sie sich gut vorstellen. Immerhin hatte sie, Jane, damals vor ihrer Abreise hart dafür gearbeitet, dass ihre Abwesenheit ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten würde. „Gut. Das spricht sehr für Patsy, also leite ich morgen alles in die Wege.“

„Meinetwegen.“ Er zog die Brauen zusammen und blickte sie an, als wollte er noch etwas sagen. Aber dann überlegte er es sich offenbar anders. „Ist das alles? Nachdem du jetzt mein Leben umgekrempelt hast, können wir ja jetzt mit dem Maybridgevertrag weitermachen.“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, zerknüllte er ihren Entwurf für die Kontaktanzeige, warf ihn in den Papierkorb und griff nach der Mappe mit den Unterlagen.

Es gestaltete sich ziemlich anstrengend, in der Nähe einer lebhaften Dreijährigen konzentriert zu arbeiten. Als Shirley sie zur Abendessenszeit erneut unterbrach, weil sie Hunger hatte, schlug Mark vor: „Was hältst du davon, wenn wir eine Pause einlegen? Ich bringe Shirley ins Bett, und danach können wir noch einige Stunden in Ruhe arbeiten.“

„Ich habe eine bessere Idee“, sagte Jane. „Ich kümmere mich um Shirley, und du machst mit deinen Berechnungen weiter.“

„Würdest du das tun?“ Erleichtert wandte er sich sofort wieder seinen Papieren zu. Gedankenverloren fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar, bis es ganz zerzaust war. So hatte er ausgesehen, als sie, Jane, ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Auch damals hatte er hilflos und überfordert gewirkt. Wie ein Mann, der verzweifelt versuchte, die vielen Herausforderungen zu bewältigen, vor die das Schicksal ihn unversehens gestellt hatte.

Damals hatte sie ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten müssen, um ihm nicht übers Haar zu streichen. Jetzt kämpfte sie gegen dieselbe Versuchung an, und es fiel ihr immer noch genauso schwer.

Es war wunderbar still. Nirgendwo im Haus war ein Geräusch zu hören. Ohne weitere Unterbrechungen führte Mark seine Berechnungen zu Ende. Wo bleibt eigentlich Jane?, fragte er sich, als er fertig war. Sie hatte doch genug Zeit gehabt, um ein kleines Kind zu baden und ins Bett zu bringen. Er ging hinaus in die Diele und lauschte. Es war nichts zu hören. Als er schon nach Jane rufen wollte, fiel ihm ein, dass er damit Shirley aufwecken würde. Das wollte er nicht. Stattdessen ging er leise die Treppe hinauf.

Die Tür zum Kinderzimmer stand offen. Jane saß an Shirleys Bett und strich sanft über deren hellblonde Locken. Der Anblick rührte Mark. Jane hat recht, dachte er. Das ist es, was Shirley braucht und was ihr bisher gefehlt hat.

Erleichterung überkam ihn, dass es dank Jane so einfach gewesen war, das Problem Shirley zu lösen. Gleichzeitig fühlte er sich schuldig, weil es ihm schwerfiel, seinem Kind zu geben, was es brauchte. In dem kurzen Kampf mit seinem Gewissen trug die Erleichterung den Sieg davon. Der Gedanke, Jane würde sich ab jetzt um sein häusliches Leben kümmern, wog den Nachteil auf, dass er eine tüchtige Sekretärin verlor. Auf einmal war es ihm, als hätte ihm jemand eine schwere Last von den Schultern genommen.

Jane sah ihn im Flur stehen und legte warnend die Finger an die Lippen. Sie schaltete das Babyfon ein, dann verließ sie das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Bei dir sieht es so einfach aus“, sagte er bewundernd.

„Ich hatte viel Übung. Immerhin habe ich ein halbes Dutzend Nichten und Neffen“, erwiderte sie.

Jane hatte eine Familie? Daran hatte er noch gar nicht gedacht.

„Du hast wahrscheinlich Hunger. Sollen wir etwas essen, oder willst du gleich weiterarbeiten?“, fragte sie.

„Lass uns erst etwas essen. Ich rufe einen Lieferservice an.“ Er wandte sich zur Treppe. „Worauf hast du Lust? Pizza oder willst du etwas vom Chinesen?“

„Ich mache uns schnell etwas. Was hältst du von Pasta? Oder ist dir ein Omelett lieber?“

Verwundert blickte er sie an. „Du kannst kochen?“

„Ja, du hast das große Los gezogen, Mark. Ich habe eine altmodische Mutter. Sie hat uns alles über Haushalt und Küche beigebracht, was ein Mädchen ihrer Meinung nach können muss.“

Wieder fiel ihm auf, dass er überhaupt nichts über ihre Familie oder ihre privaten Interessen wusste. Er hatte sie nicht einmal gefragt, wohin sie in Urlaub fuhr. Seit drei Jahren benutzte er die Arbeit, um sich von der inneren Leere abzulenken, die er in sich spürte.

Er hatte sich von seinen Gefühlen und dem Leben abgeschnitten. Selbst mit seiner Familie sprach er nur noch, wenn er wieder einmal jemand zum Babysitten brauchte. Aber immerhin ist mir bewusst, wie ich mich in den letzten Jahren verändert habe, sagte er sich. Also bin ich wohl kein hoffnungsloser Fall.

„Wie wird deine Mutter auf unsere Heirat reagieren?“, erkundigte er sich.

„Sie wird ziemlich überrascht sein, nehme ich an. Und erleichtert. Nachdem sie mit meinen Schwestern vier stolze Schwäne in die Welt gesetzt hat, hat sie schon befürchtet, dass ihr hässliches Entlein nie einen Mann finden wird.“

„Du machst Witze!“

Ihre Augen funkelten schalkhaft. Natürlich hatte sie einen Scherz gemacht.

„Warum lässt du dich auf die ganze Sache ein, Jane? Ich sehe die Vorteile alle auf meiner Seite. Du bist jung, du hast dein Leben noch vor dir. Halte nach einem Mann Ausschau, der dir mehr bieten kann als eine Vernunftehe ohne …“ Ohne Liebe, beendete er den Satz in Gedanken. „… ein bisschen Romantik“, sagte er stattdessen unbeholfen.

„Die Mädchen im Büro leben nur für die große Liebe. Aber es kommt dabei nichts weiter heraus, als dass sie sich auf der Toilette einschließen, heiße Tränen vergießen und den ganzen Tag Familienpackungen an Süßigkeiten in sich hineinstopfen. Das wirkt auf mich ziemlich abschreckend. Abgesehen davon, dass es furchtbar schlecht für die Figur ist.“

„Du unterschätzt die Liebe.“

„Nein, das tue ich bestimmt nicht.“ Einen Moment lang sah sie ein wenig traurig aus, doch dann zuckte sie die Schultern. „Ich glaube nur nicht, dass man die große Liebe am Samstagabend in einer Disco findet.“

Er glaubte, sie zu verstehen. Das ist es also, dachte er. Sie hat auch ihre schlechten Erfahrungen gemacht. Dann passen wir ja wirklich gut zusammen. Aber sie würde eines Tages darüber hinwegkommen, im Gegensatz zu ihm.

„Versprichst du mir etwas?“, fragte er.

Sie sah ihn mit ihren glänzenden dunkelbraunen Augen aufmerksam an und wartete gespannt darauf, dass er weitersprach.

„Wenn du dich je verlieben solltest – ich meine, richtig verlieben, mit Haut und Haar –, dann musst du es mir sagen. Ich würde dich natürlich gehen lassen.“

Jane wusste, dass er von einer Liebe sprach, wie er sie mit Caroline erlebt hatte. Sie kannte den Büroklatsch in- und auswendig. Als sie neu in der Firma gewesen war, hatte sie jede Einzelheit über die Ehe der Hilliards erfahren, von der alle behaupteten, es sei die ganz große Liebe gewesen. Eine Romanze, wie sie nur einmal im Leben vorkam. Es war darüber getuschelt worden, dass Mark an dem tragischen Tod seiner Frau beinah zerbrochen wäre.

Auch wenn sie, Jane, gerade abgestritten hatte, eine romantische Ader zu haben, hatte sie doch wie jede andere junge Kollegin Liebeskummer gehabt und heimlich Tränen vergossen. Nur dass ihre Tränen Mark gegolten hatten. Daher hatte sie nicht in der Firma geweint, sondern zu Hause in ihrem Schlafzimmer, wo niemand etwas davon mitbekam.

Aber es war jetzt nicht der richtige Moment, um ihm zu gestehen, dass er der Mann war, in den sie glühend verliebt war. Genauso wenig brauchte er jetzt zu erfahren, dass sie ebenso altmodisch war wie ihre Mutter. Sie nahm das Eheversprechen wörtlich. „Bis dass der Tod euch scheidet“, bedeutete für sie eine lebenslange Verpflichtung.

„Jane?“, riss er sie aus ihren Gedanken und berührte sie leicht am Arm. Sein Blick war durchdringend, als er auf ihre Antwort wartete.

„Ich verspreche es“, sagte sie.

„Danke.“

Sie begriff, dass ihr Versprechen es ihm leichter machen würde, sie aus egoistischen Gründen zu heiraten. Er würde sich dann nicht so tief in ihrer Schuld fühlen. Weil ihr daran gelegen war, sein Leben zu erleichtern, sagte sie ihm, was er hören wollte, obwohl es ihr einen kleinen Stich versetzte. Er liebte sie nicht. Immerhin hatte er nicht im Gegenzug das Versprechen von ihr verlangt, dass sie ihn auch gehen ließ, falls er sich einmal in eine andere Frau verliebte. Man muss schon für die kleinen Dinge dankbar sein, sagte sie sich ironisch.

„Möchtest du dich ein bisschen umsehen, wenn du schon einmal hier oben bist?“, schlug er vor und zerstörte damit die Nähe, die für einen Moment zwischen ihnen geherrscht hatte. „Du kannst die Gästesuite mit Blick auf den Garten haben, wenn du willst.“ Er öffnete eine Tür und ließ ihr den Vortritt. „Caroline hat sie entworfen und eingerichtet. Es ist alles vorhanden.“

Beinah hätte Jane laut aufgelacht und gesagt, so wörtlich müsse er die Vereinbarung „platonisch“ nun auch wieder nicht nehmen, aber ihre innere Stimme mahnte sie, ruhig zu sein. Dass sie auf seine Liebe würde warten müssen, wusste sie ja bereits. Wie es schien, musste sie auch auf alles andere warten.

3. KAPITEL

Was hast du getan? Ich glaube, ich habe nicht richtig gehört.“

Jane hatte es sich auf dem Sofa ihrer besten Freundin Laine bequem gemacht und hielt eine Tasse Tee in den Händen. Geduldig wiederholte sie ihre große Neuigkeit: „Ich habe Mark Hilliard gefragt, ob er mich heiraten will.“ Sie kuschelte sich in die Sofaecke und zog verlegen die Schultern hoch. Es war ihr schon nicht leicht gefallen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Aber jemandem davon zu erzählen, fiel ihr noch schwerer. „Zumindest habe ich ihn in eine Position manövriert, in der er nicht anders konnte, als mir einen Antrag zu machen. Das ist praktisch dasselbe.“

„Wie hast du es denn angefangen?“, erkundigte sich ihre Freundin. „Ich könnte einige Tipps brauchen, damit ich Greg auch endlich dazu bringe, mir einen Antrag zu machen.“ Sie betrachtete Jane bewundernd. „Du bist mir ja eine schöne Heimlichtuerin, Jane. Ich wusste ja, dass du verrückt nach deinem Chef bist. Aber ich hatte keine Ahnung, dass ihr neuerdings im Büro Händchen haltet. Deine Mutter muss ja vor Freude ganz aus dem Häuschen sein.“

„Sie weiß noch nichts davon. Wir heiraten am Dienstagvormittag auf dem Standesamt. Außer uns werden nur die Trauzeugen dabei sein. Ich wollte dich fragen, ob du und Greg uns vielleicht den Gefallen tun würdet.“

„Bist du denn völlig von Sinnen? Deine Mutter legt doch so viel Wert auf Tradition. Bestimmt erwartet sie eine Märchenhochzeit mit Kirchenglocken, Chorgesang, einer dreistöckigen Hochzeitstorte und so viel Champagner, dass man die ‚Queen Elizabeth II.‘ damit taufen könnte.“

„Nun ja, unsere ist eben alles andere als eine Märchenhochzeit. Darum erzähle ich es ihr auch erst am Mittwoch, wenn alles vorbei ist.“

„Sie bringt dich um. Nein, sie wird glauben,, dass du schwanger bist, und deinen Vater mit einem Gewehr losschicken.“ Laine verstummte, als ihr plötzlich ein naheliegender Gedanke kam. „Ach du liebe Güte! Bist du etwa schwanger?“

Janes Hände zitterten so stark, dass sie den Tee auf dem Couchtisch abstellen musste, um nichts zu verschütten. Ihre Stimme klang fest, aber ihr Lächeln war ein wenig unsicher. „Eins nach dem anderen, Laine. Erst einmal muss er mich küssen.“

„Das ist nicht wahr. Küssen ist fürs Kinderkriegen nicht unbedingt …“ Sie sprach nicht weiter, als bei ihr der Groschen fiel. „Du meinst, ihr habt euch noch nicht einmal geküsst? Oh Jane, ich hoffe, du weißt, was du da tust!“

Weiß ich das denn wirklich?, fragte Jane sich. Heute Morgen war sie sich ihrer Sache noch absolut sicher gewesen. Aber allmählich bekam sie Zweifel. Wie würde sie sich fühlen, falls sie immer noch in der Gästesuite wohnte, wenn Mark und sie, Jane, einmal ihre Silberhochzeit feierten? Was wäre, wenn er in ihr nie etwas anderes sehen würde als die „gute alte Jane“?

„Jane?“ Laine wartete immer noch auf eine Antwort.

„Mark will keinen großen Aufwand. Und ich auch nicht“, lenkte sie das Gespräch wieder zurück auf die Hochzeitsvorbereitungen. Über Einzelheiten ihrer künftigen Ehe wollte sie lieber nicht sprechen. „Seien wir ehrlich, Laine. Ich bin einfach nicht der Typ für eine Traumhochzeit mit Schleier und weißem Kleid. An mir ist nun einmal keine Märchenprinzessin verloren gegangen.“

Jane kreuzte die Finger wie früher als Kind, wenn sie eine kleine Notlüge gebraucht hatte. „Glaub mir, Laine. Es ist meine Hochzeit, und ich weiß genau, was ich mache.“

Es folgte ein Moment Stille, während Laine über Janes Worte nachdachte. „Das tust du ja meistens“, gab Laine schließlich zu.

„Ich bekomme den Mann, den ich liebe, und dazu eine entzückende kleine Stieftochter.“

„Bist du sicher, dass du ihn wirklich bekommst?“

„Ich arbeite daran.“

„Eine Ehe ist sogar dann ein Wagnis, wenn man bis über beide Ohren verliebt ist.“

„Das Risiko ist geringer, wenn beide Partner genau wissen, was sie in der Ehe zu erwarten haben. Bei uns gibt es keine großen Gefühle, die alles durcheinanderbringen könnten.“

„Ich bin sicher, das Schicksal lässt sich etwas einfallen, um dir bei deinem schönen, durchdachten Plan einen Strich durch die Rechnung zu machen. Was ist denn mit Marks erster Frau? Hast du keine Angst, immer in ihrem Schatten zu stehen?“

Als Jane nicht antwortete, sprach Laine weiter. „War sie nicht eine Schönheit? Ein Mädchen aus guter Familie, über das sogar im Gesellschaftsteil der Zeitung berichtet wurde? Die perfekte ‚Englische Rose‘?“

Jane war ein ganz anderer Typ als die große, blonde und blauäugige Caroline. Sie war dunkelhaarig, hatte dunkle Augen und konnte gerade noch als mittelgroß gelten, wenn sie Schuhe mit Absätzen trug. „Dann muss ich wohl mit der Heckenschere kommen, um mich gegen die ‚Rose‘ zu behaupten“, versuchte sie zu scherzen, aber Laine lachte nicht.

„Wenn du diese Ehe wirklich willst, dann sind Greg und ich natürlich gern deine Trauzeugen.“ Sie sah Jane nachdenklich an. „Willst du es denn?“

„Ich liebe ihn, Laine.“

„Ich verstehe.“ Ihre Freundin verzichtete darauf, die naheliegende Frage zu stellen, ob Mark sie, Jane, denn auch liebte. Offenbar hat sie die Situation tatsächlich verstanden, dachte Jane. Sie wusste aus Erfahrung, dass Laine eine Meisterin darin war, zwischen den Zeilen zu lesen. „Mark Hilliard bekommt ein Kindermädchen, das rund um die Uhr im Dienst ist, und eine Haushälterin in einer Person. Aber was hast du davon?“

„Das Gefühl, gebraucht zu werden.“

„Verkaufst du dich da nicht unter Wert? Unterschätz dich nicht, Jane.“

Jane bekam das Wort „unterschätzen“ allmählich ein bisschen satt. Ich unterschätze niemanden, am wenigsten mich selbst, dachte sie trotzig. „Heute Morgen um zehn Uhr hätte Mark noch nicht einmal im Traum daran gedacht, jemals wieder zu heiraten. Um elf hatte er bereits den Termin beim Standesamt vereinbart.“ Sie zog die Augenbrauen hoch. „Wer unterschätzt hier wohl wen?“

Laine betrachtete sie eine Weile nachdenklich, dann lachte sie. „Unglaublich! Warum trinken wir eigentlich Tee? Es gibt etwas zu feiern.“ Sie nahm eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank. Als sie damit zurück ins Wohnzimmer kam, sagte sie: „Bitte, bitte, darf ich mit dir Unterwäsche einkaufen gehen?“

„Ich denke, die Situation erfordert sehr viel Takt. Reizwäsche wäre ein bisschen geschmacklos.“

„Es gibt sehr dezente Seidenslips. Satinhemden sind ebenfalls ausgesprochen geschmackvoll.“ Sie machte eine kurze Pause. „Du hast dir das alles genau überlegt, stimmt’s?“

„Bis in alle Einzelheiten“, antwortete Jane. „Ich weiß sogar schon, wie ich es meiner Mutter beibringe. Ich glaube, sie wird so erleichtert sein, ihre jüngste Tochter endlich unter der Haube zu sehen, dass sie auf die Märchenhochzeit gern verzichten wird.“

Laine schmunzelte. „Na, da mach dir mal keine falschen Hoffnungen.“

„Nein, wirklich“, beharrte Jane. „Du hättest meinen Vater hören sollen, wie er jedes Mal gestöhnt hat, wenn er wieder einer seiner Töchter eine große Hochzeit ausrichten musste. Er hat meine Schwestern beinah angefleht, dass sie mit ihren Verlobten ausreißen und heimlich heiraten sollten. Im Grund tue ich ihnen einen Gefallen.“

„Dein Vater hat das doch nicht ernst gemeint.“

„Ach, nicht?“ Jane musste auch lächeln. „Aber ich habe es eben geglaubt. Und am Mittwoch wird es zu spät sein.“

„Ich will nicht in deiner Haut stecken, wenn deine Mutter von der Hochzeit erfährt. Du solltest wohl besser das Land verlassen und auf eine schöne, lange Hochzeitsreise gehen, bis sich der Sturm gelegt hat.“ Laine sah sie skeptisch an. „Es gibt doch eine Hochzeitsreise, oder?“

„Nicht bevor der Vertrag für das Maybridge Kunstmuseum unter Dach und Fach ist. Vielleicht könnten meine Eltern eine längere Reise machen? Von dem Geld, das ich gespart habe, wären sie in der Lage, sich eine Luxuskreuzfahrt zu leisten. Das dürfte sie über die entgangene Traumhochzeit hinwegtrösten.“

Jane nahm eins der Weingläser, die Laine eingeschenkt hatte. „Ich habe nur noch ein Problem. Was soll ich am Dienstag anziehen?“

„Etwas Elegantes.“

„Aber trotzdem schlicht.“ Sie wollte nicht in einem weißen Brautkleid auftauchen, das Mark nur erschrecken würde. Für ihn war der Termin nur ein Verwaltungsakt. Er nahm sich eine Stunde von der Arbeit frei, um seine „gute alte Jane“ zu heiraten. Wenn sie auf einmal in Brautkleid und Schleier vor ihm stünde, würde er wahrscheinlich auf dem Absatz kehrtmachen und davonlaufen.

Aber auch wenn es nur eine schlichte standesamtliche Trauung in Anwesenheit zweier Trauzeugen war, war es trotzdem eine richtige Hochzeit. Es sollte sich wie eine anfühlen, und Jane wollte so hübsch wie möglich aussehen. Sie wollte Mark diskret daran erinnern, dass es hier nicht nur um einen Jobwechsel und einen Umzug ging. Die Trauung selbst mochte vielleicht nüchtern und formell ausfallen, aber sie würden einander ein feierliches Versprechen geben. Er machte sie schließlich zu seiner Ehefrau.

Was auch immer die anderen dachten, Mark selbst sollte an dieser Tatsache keinen Zweifel hegen.

„Tut mir leid, dass ich dich mit diesem Verwaltungskram belästigen musste, Mark“, sagte Jane, als sie am nächsten Tag gemeinsam das Standesamt verließen. „Ich hätte mir denken können, dass du die Formulare persönlich unterschreiben musst.“

„Kein Problem. Wir hätten sowieso irgendwann zusammen in die Stadt fahren müssen. Die Banken brauchen deine Unterschrift für deine neuen Konten und die Kreditkarten.“

„Welche Konten?“

„Privatkonto und Haushaltskonto.“

„Oh.“

„Da du nicht mehr arbeiten gehst, dachte ich, dass ich dir für deine persönlichen Ausgaben einfach dein bisheriges Gehalt weiter bezahle. Wenn du mehr brauchst …“

„Nein, nein“, sagte sie schnell. Sie ballte die Hände zu Fäusten, und ihre Fingernägel bohrten sich in ihre Haut. Über ihr künftiges Einkommen hatte sie noch nicht viel nachgedacht, aber auf die Idee, dass Mark ihr einfach ihr Gehalt weiterbezahlen könnte, war sie nicht gekommen. Warum eigentlich nicht? Er sah sie als eine Angestellte, die statt im Büro in Zukunft zu Hause für ihn arbeitete. Laine hatte recht. Sie, Jane, war dabei, einen Fehler zu machen. „Mark …“

„Und du brauchst einen Ring.“

Ihr Herz schlug schneller. „Einen Ring?“

„Einen Trauring.“ Sie biss sich auf die Lippe, um nicht vor Freude zu weinen. Den ganzen Vormittag war er distanziert und geschäftsmäßig gewesen. Sie hatte beinah den Mut verloren. Jetzt auf einmal war die Welt wieder wunderschön.

„Wir könnten ihn eigentlich sofort kaufen“, schlug er sachlich vor.

Er schien nichts Besonderes dabei zu empfinden. Das macht nichts, sagte sie sich. Hauptsache, er hat an die Ringe gedacht.

„Trauringe?“ Der Juwelier lächelte das Paar strahlend an. „Herzlichen Glückwunsch!“

„Danke“, antwortete Jane rasch, während Mark verlegen den Blick abwandte.

„Woran haben Sie denn gedacht? Etwas Klassisches in Gold? Platin ist derzeit sehr im Kommen“, sagte der Mann. „Der neueste Trend sind Trauringe, die mit kleinen Edelsteinen besetzt sind.“

Mark wandte sich an Jane. „Such dir aus, was du möchtest.“ Er machte ein Gesicht, als hätte das Ganze nicht das Geringste mit ihm zu tun.

„Ein Ehering sollte nicht modisch sein, sondern praktisch. Immerhin muss er ziemlich viel aushalten“, sagte sie und lächelte dem Juwelier zu. Einer von uns sollte schließlich etwas Freude zeigen, dachte sie. „Ich hätte gern einen schlichten, schmalen goldenen Reif, bitte.“

Der Juwelier maß ihre Ringgröße und brachte eine Auswahl an Ringen, die Janes Beschreibung entsprachen. Die Wahl fiel ihr nicht schwer. „Diesen hier“, sagte sie und nahm einen schlichten, robusten Goldreif heraus, den eine Frau für den Rest ihres Lebens tragen konnte.

Offenbar wartete der Juwelier darauf, dass sie den Ring probierte. Verlegen streifte sie ihn sich über den Finger. „Ja, er passt. Wie findest du ihn, Mark?“

Sie erwartete, dass er nickte und seine Kreditkarte zückte. Stattdessen nahm er ihre Hand, legte ihre Finger auf seine Handfläche und sah sich den Ring lange und gründlich an.

Es war das erste Mal in den zweieinhalb Jahren, die sie ihn kannte, dass er sie auf eine persönliche Weise berührte. Ob man das als Händchenhalten bezeichnen kann?, fragte sie sich.

Seine schmale, wohlgeformte Hand fühlte sich warm an. Ein Prickeln überlief Jane, während er sie berührte. Es fühlte sich genauso an, wie sie es sich immer erträumt hatte. Nein, noch viel besser, dachte sie. Ihre Fantasie reichte bei Weitem nicht an die Wirklichkeit heran. Das hier zählt bestimmt als Händchenhalten, ging es ihr durch den Kopf.

„Bist du ganz sicher?“, fragte er und blickte von dem Ring auf.

Ihre Finger begannen, leicht zu zittern. Damit er nicht merkte, dass ihre Gelassenheit nur Fassade war, zog sie die Hand schnell zurück und tat so, als wollte sie sich den Ring noch einmal aus der Nähe ansehen.

Marks Berührung hatte nichts zu bedeuten. Sie durfte nicht zu viel hineininterpretieren. Er macht sich nur Sorgen, dass ich mir aus falscher Bescheidenheit den schlichtesten Ring von allen aussuche, dachte sie.

Ein zweckmäßiger Trauring für eine Zweckehe.

„Mark, ich hätte mir diesen Ring auch ausgesucht, wenn ich den Sultan von Sansibar heiraten würde“, versicherte sie ihm.

Mit seinen grauen Augen blickte er sie amüsiert an. „Willst du damit sagen, dass ich Konkurrenz habe?“, fragte er gespielt ernst.

„Aber ja!“, gab sie zurück. „Der Sultan ruft mich Tag und Nacht an und fleht mich an, in seinen Harem einzutreten.“

„Tatsächlich? Nun, dann sag ihm bitte das nächste Mal, wenn er anruft, dass du bereits vergeben bist.“ Mit einem Lächeln wandte er sich an den Juwelier. „Das war ja eine leichte Entscheidung.“

„Die junge Dame weiß anscheinend genau, was sie will. Eine gute Wahl, wenn Sie mir die Bemerkung gestatten. Sehr klassisch. Wenn ich jetzt bitte Ihre Ringgröße messen dürfte, mein Herr, dann kann ich Ihnen das passende Gegenstück zum Anprobieren bringen.“

„Oh, aber …“ Er machte unwillkürlich eine Faust und zog seine Hand nur ein kleines Stück zurück, aber es genügte Jane, um zu sehen, dass er immer noch den Ehering trug, den Caroline ihm an den Finger gesteckt hatte.

„Wir haben keine Zeit mehr, Mark“, sagte sie schnell. „Wir müssen noch zur Bank.“

Es war das Erste, was ihr einfiel. Jetzt bedauerte sie, dass sie sich nicht an ihren ursprünglichen Plan gehalten hatte. Eigentlich hatte sie Mark sagen wollen, dass sie beschlossen hatte, den Trauring ihrer Urgroßmutter zu tragen. Sie hatte sich vorgenommen, Situationen wie diese unbedingt zu vermeiden.

Alles sollte so glatt wie möglich laufen. Auf keinen Fall sollte er bei jeder Gelegenheit schmerzlich an die Vergangenheit erinnert werden. Aber sie hatte sich von ihrer Sehnsucht hinreißen lassen, von ihm als Ehefrau anerkannt zu werden. Wie sehr hatte sie sich vorhin gefreut, als er vorgeschlagen hatte, ihr einen Ring zu kaufen. „Und Shirley hat bestimmt Hunger“, fügte sie hinzu.

Als sie wieder auf der Straße standen, meinte er: „Es tut mir leid, Jane.“

Sie legte verständnisvoll ihre Hand auf seine rechte, an der er Carolines Ring trug. Aber sie konnte nicht sagen, dass es ihr nichts ausmachte. Es wäre gelogen, denn es machte ihr durchaus etwas aus.

Später im Büro überzeugte sie sich, dass ihre Nachfolgerin gut zurechtkam, und holte dann Shirley aus der Obhut der Empfangssekretärin ab, damit diese wieder in Ruhe arbeiten konnte. Neugierig erkundigte sich die Kollegin: „Stimmt es, dass Sie gehen?“

Da Patsy bereits an ihrem Schreibtisch saß und sie, Jane, offensichtlich dabei war, sie einzuarbeiten, ließ sich kaum abstreiten, dass sie die Firma verlassen würde. Warum sollte ich es auch leugnen? dachte sie. „Ja, es stimmt. Ab heute übernimmt Patsy meinen Job, aber ich werde während der Woche öfter vorbeikommen und nachsehen, ob alles gut läuft.“ Sie setzte das kleine Mädchen in den Buggy.

„Das ist ja ein bisschen plötzlich, oder? Es geht das wilde Gerücht um, dass Sie Mark Hilliard heiraten.“ Die Kollegin lachte und schien zu glauben, dass es sich um einen Scherz handelte. Jane war nicht in der Stimmung, sich von oben herab behandeln zu lassen. Da Mark seine Partner sicher schon über die Lösung seiner häuslichen Probleme informiert hatte, sah sie keinen Grund dafür, ein Geheimnis aus der bevorstehenden Heirat zu machen.

„Ach, wirklich? Nun, sogar an wilden Gerüchten ist ab und zu einmal etwas Wahres dran“, sagte sie. Gern hätte sie hinzugefügt, dass sie nur deswegen so überstürzt heirateten, weil sie, Jane, mit Drillingen schwanger wäre. Aber sie widerstand der Versuchung. Die Gerüchteküche brodelte bereits heftig genug, und bestimmt hatten ihre Kolleginnen und Kollegen sich noch absurdere Theorien ausgedacht. Statt weiter auf das Thema einzugehen, lächelte sie freundlich. „Wenn mich jemand sucht, ich gehe mit Shirley etwas Schickes zum Anziehen kaufen.“ Ob das „Schicke zum Anziehen“ für sie oder für Shirley bestimmt war, ließ sie absichtlich offen.

Mark war wieder in seinem Büro, aber es fiel ihm schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Stattdessen saß er am Schreibtisch und drehte gedankenverloren seinen Ehering am Finger. Der Ring schien so sehr Teil von ihm geworden zu sein, dass er nie auf den Gedanken gekommen war, ihn abzulegen.

Er hatte nicht vorgehabt, je einen anderen zu tragen, und hatte nicht daran gedacht, dass dies jemand von ihm erwarten könnte. Er musste sich eingestehen, dass er häufig nur an sich selbst dachte. Ich bin wohl ziemlich egoistisch, sagte er sich.

Jane hatte die peinliche Situation in dem Juweliergeschäft geschickt überspielt, als er davor zurückgeschreckt war, einen anderen Ring anzuprobieren. Sie hatte Verständnis gezeigt und tröstend ihre Hand auf seine gelegt, statt ihn wegen seiner Gedankenlosigkeit zurechtzuweisen, wie er es zweifellos verdient hatte. Beinah glaubte er, die Wärme ihrer Berührung noch auf der Haut zu spüren.

Nur ihre Augen hatten verraten, wie verletzt sie gewesen war.

Er sah den Ring noch einmal lange und aufmerksam an, dann nahm er ihn vom Finger. Da er nicht wusste, was er damit tun sollte, steckte er ihn einfach ins Portemonnaie. Daraufhin drückte er den Knopf der Sprechanlage. „Penny?“ Nein, das war falsch. „Pansy?“

Autor

Debbie Macomber

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