Heart of Texas - Das Land so weit

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Willkommen in Promise, dem Herzen von Texas

Fünf Jahre ist es her, dass Caroline nach Promise zurückgekehrt ist - gemeinsam mit ihrer kleinen Tochter Maggie. Niemandem hat sie je erzählt, wer Maggies Vater ist. Sie beide sind ein Team, und nur das zählt. Doch dann findet Grady, der ruhige, etwas schroffe Bruder ihrer besten Freundin, endlich den Mut, sie um ein Date zu bitten. Schnell kommen sie sich näher, und plötzlich scheint die Antwort auf die Frage nach Maggies Vater immer wichtiger zu werden ...

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  • Erscheinungstag 22.03.2022
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783745702934
  • Seitenanzahl 208
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Mit festem Griff umklammerte Grady Weston die Briefe in seiner Hand. Er lief im schmalen Flur der Post auf und ab und betrachtete abwesend die Schließfächer, während er seinen Mut zusammennahm. Es kostete ihn einige Überwindung, Caroline Daniels, die Leiterin der Filiale, anzusprechen.

Er bezweifelte, dass er überhaupt ein Wort herausbringen würde. Warum fiel es ihm nur so verdammt schwer, einer Frau zu sagen, dass er sie attraktiv fand?

»Grady?«, hörte er Carolines Stimme.

Überrascht drehte er sich um, doch er konnte sie nicht sehen.

»Öffne dein Postfach«, wies sie ihn an.

Also nahm er den Schlüssel aus der Tasche, zog die kleine rechteckige Tür auf und spähte hinein. Auf der anderen Seite blickten ihm Carolines braune Augen entgegen, ihre Stupsnase und ihr süßer Mund.

Doch mehr als ein schroffes »Hallo« brachte er nicht über die Lippen.

»Hallo.«

Sie hatte wunderschöne Augen, die ihn an die eines Kälbchens erinnerten. Allerdings wollte eine Frau das sicher nicht hören, selbst wenn er es für ein großes Kompliment hielt. Das ist das Problem, dachte er. Er wusste nicht, wie man sich mit einer Frau unterhielt. Sein letztes Date war über sechs Jahre her.

»Kann ich dir helfen?«, fragte Caroline.

Er wollte sie zum Essen einladen, schaffte es aber nicht. Vielleicht lag es daran, dass sie bisher nie länger freundlich miteinander gesprochen hatten. Meistens waren sie verschiedener Meinung und stritten – falls sie überhaupt ein Wort wechselten. Einmal hatten sie miteinander getanzt. Das war schön gewesen, doch er hatte sich erst entspannen können, als er nicht mehr befürchtete, dass er ihr auf die Füße trat.

Wem machte er etwas vor? Sie in den Armen zu halten war nicht nur schön gewesen, sondern großartig. Seitdem musste er ständig daran denken. Wenn er abends im Bett lag und die Augen schloss, konnte er sie beinahe wieder spüren und ihren Duft wahrnehmen. Da sie ihn zum Tanzen aufgefordert hatte, hoffte er, dass sie auch etwas für ihn übrighatte.

»Hast du schon mittaggegessen?«, erkundigte er sich schroff, obwohl er nicht unfreundlich klingen wollte. Sein rauer Ton hatte ihm viele Probleme mit Maggie, Carolines fünfjähriger Tochter, eingebracht. Seit Monaten versuchte er nun schon, die Sympathie des kleinen Mädchens zu gewinnen, allerdings mit wenig Erfolg. Doch er gab nicht auf und hoffte, dass Caroline und Maggie es zu schätzen wussten.

Caroline lächelte strahlend. »Mittag? Noch nicht, und ich sterbe vor Hunger.«

Sofort fasste er wieder Mut. »Na ja, dann … Ich habe auch noch nicht gegessen. Hast du Lust, mich zu begleiten?«

»Gern. Aber wie darf ich das verstehen – ist das ein Date?«

»Nein«, erwiderte er, ohne nachzudenken. Er hatte seine Gefühle für sie so lange verleugnet, dass ihm die Antwort ganz automatisch über die Lippen kam. Außerdem befürchtete er, dass Caroline ihn falsch verstehen könnte. Er fühlte sich zwar zu ihr hingezogen und wollte sie besser kennenlernen, aber er hatte keine Ahnung, wie es dann weitergehen sollte. Was er über Liebe und Ehe wusste, hätte in eine kleine Spalte in der Promise Gazette gepasst.

Ihr Lächeln wirkte nicht mehr ganz so glücklich. »Wir treffen uns in ein paar Minuten draußen«, sagte sie und verschwand aus seinem Blickfeld.

Grady klappte das Schließfach zu. Wie konnte ein Mann wie er, der eine florierende Ranch im texanischen Hügelland führte, sich Frauen gegenüber so dämlich anstellen?

Er hieb mit der Faust gegen das Schließfach. »Caroline!« Hastig öffnete er die kleine Tür wieder. »Caroline!«

Ihr Gesicht tauchte auf der anderen Seite auf. »Was hast du denn? Ich habe doch gesagt, dass ich gleich komme.«

»Das hier ist ein Date, okay?«

Starr blickte sie ihn an.

»Okay?«, wiederholte er. »Es ist ein Date.«

Sie schwieg. »Ich hätte dich nicht fragen sollen«, sagte sie schließlich.

»Ich bin froh, dass du es getan hast.« Es war die perfekte Gelegenheit, endlich die Karten auf den Tisch zu legen. Hätte er lediglich Gesellschaft haben wollen, hätte er seine Schwester Savannah, ihren Mann oder Cal Patterson fragen können. Aber er hatte Caroline gefragt, weil er mit ihr zusammen sein wollte. Er wollte sich in Ruhe mit ihr unterhalten, ohne dass seine Schwester sich einmischte und ihm irgendwelche Ratschläge gab oder Maggie dabei war. Heute Nachmittag würde er endlich mit Caroline allein sein.

Grady nahm seinen Stetson ab, als sie wenige Minuten später zu ihm kam.

»Das ist ja eine nette Überraschung«, sagte sie.

»Ich war sowieso in der Stadt.« Dass er seinen ganzen Tagesablauf darauf abgestimmt hatte, verschwieg er lieber. »Wo möchtest du hingehen?«

Es gab drei gute Restaurants in Promise: das Café im Bowlingcenter, das Chili Pepper, ein Grillrestaurant, und das mexikanische Restaurant der Familie Chavez.

»Wie wär’s mit dem Mexican Lindo?«, schlug Caroline vor.

Das hätte er auch ausgesucht. »Ja, gern.«

Da das Restaurant in der Fourth Avenue und damit in der Nähe der Post lag, gingen sie zu Fuß und plauderten auf dem Weg. Oder vielmehr plauderte Caroline, während er einsilbig antwortete.

Ihm war schon lange klar, dass Small Talk nicht zu seinen Stärken zählte – im Gegensatz zu seinem Bruder Richard, der mit seinem Charme jeden um den Finger wickeln konnte.

Daher war Grady sehr erleichtert, als sie das Restaurant betraten.

Kurz nachdem die Kellnerin sie zu einem Tisch geführt hatte, brachte sie ihnen zwei Gläser Wasser und eine Schale Tortillachips mit extra scharfer Salsasoße. Grady griff sofort zu. Erst nach einem Moment fiel ihm auf, dass Caroline nichts aß.

Er hörte auf zu kauen und sah sie fragend an.

»Ich esse keine Tortillachips«, erklärte sie. »Ich werde davon sofort satt.«

Er schluckte und nickte. »Oh.«

Dann schwiegen sie eine Weile, und er überlegte, ob Caroline ihm damit zu verstehen geben wollte, dass sie auf ihr Gewicht achtete. Vielleicht erwartete sie, dass er ihr versicherte, sie solle sich darüber keine Gedanken machen, weil sie toll aussah. Das tat sie nämlich. Sie war schlank, und ihr glattes dunkelbraunes Haar fiel offen auf ihre Schultern. In seinen Augen war sie perfekt.

Irgendwann würde er ihr das auch sagen, aber jetzt wäre es zu früh. Außerdem wollte er nicht den Eindruck vermitteln, dass er sich nur für ihr Aussehen interessierte. Er bewunderte vieles an ihr, vor allem, dass sie Maggie ganz allein großzog. Genau wie er wusste sie, was es bedeutete, Verantwortung zu tragen und Opfer zu bringen.

Da sie ihn erwartungsvoll ansah, erklärte er: »Ich hätte dich auch zum Essen eingeladen, wenn du dick wärst.«

Verwirrt zog sie die Stirn kraus.

»Das sollte ein Kompliment sein«, fügte er schnell hinzu, doch dann wurde ihm klar, dass er besser den Mund hielt. Zum Glück kam in diesem Moment die Kellnerin zurück, um ihre Bestellung aufzunehmen. Er entschied sich für Enchiladas, und Caroline schloss sich ihm an.

»Das ist wirklich sehr nett«, sagte sie und trank einen Schluck.

»Ich wollte gern mit dir allein sein.«

»Gibt es dafür einen bestimmten Grund?«

Er lehnte sich zurück und sah ihr in die Augen. »Ich mag dich, Caroline.«

»Ich mag dich auch«, erwiderte Caroline und senkte dabei den Blick.

»Wirklich?« Ihm wurde ganz leicht ums Herz, und er fühlte sich regelrecht euphorisch.

»Wir kennen uns schon so viele Jahre.«

»Ich kenne dich fast mein ganzes Leben lang.« Noch während er die Worte aussprach, wurde ihm bewusst, dass er sie eigentlich gar nicht richtig kannte. Er wusste ja nicht einmal, wer Maggies Vater war. Offenbar hatte das bisher jedoch niemand in Promise erfahren. Er fragte sich, warum Caroline diesen Mann nicht geheiratet hatte und warum dieser sie damals hatte sitzen lassen. Seit der Geburt ihrer Tochter hatte sie sich völlig verändert. Vielleicht würde sie sich ihm eines Tages anvertrauen, und er hoffte, dass er sich dann richtig verhielt.

Kurz darauf brachte die Kellnerin das Essen, und als er Caroline eine halbe Stunde später zur Post zurückbegleitete, war er so glücklich wie lange nicht mehr.

»Ich rufe dich morgen an«, erklärte er und betrachtete sie eingehend. »Wenn du willst.«

»Klar.« Sie klang neutral.

»Ich würde gern mal wieder mit Maggie sprechen, wenn sie nichts dagegen hat.«

»Du kannst es heute Nachmittag versuchen. Sie ist bei Savannah.«

Er hatte das Haus am Morgen früh verlassen und beim Frühstück nur wenige Worte mit seiner Schwester gewechselt – kein Wunder also, dass er davon nichts wusste.

»Dann werde ich ihr Hallo sagen.« Sein Herz klopfte schneller, als ihm klar wurde, dass er Caroline noch einmal sehen würde, wenn sie Maggie abholte.

Nachdem sie sich voneinander verabschiedet hatten, ging er pfeifend zu seinem Pick-up. Der Nachmittag war besser gelaufen, als er erwartet hatte.

Gerade als er die Fahrertür öffnen wollte, hörte er Max Jordans Stimme: »Hast du einen Augenblick Zeit, Grady?«

Er drehte sich um und sah, wie Max auf ihn zueilte. Ihm gehörte Jordan’s Town and Country, ein Laden für Westernbekleidung.

»Tag, Max.« Grady schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Was kann ich für dich tun?«

Max wirkte ziemlich unbehaglich. »Es ist mir wirklich unangenehm, es dir wieder sagen zu müssen, aber Richard hat die Sachen, die er im April bei mir gekauft hat, immer noch nicht bezahlt.«

Seine Hochstimmung verflog schlagartig. »Ich dachte, Richard hätte dir einen Scheck geschickt.«

»Das hat er mir auch erzählt, aber es ist jetzt über zwei Wochen her, und ich habe immer noch keinen Scheck erhalten. Ich möchte nicht noch länger warten.«

»Ist gut, ich werde mit ihm reden«, versprach Grady.

»Glaub mir, ich ziehe dich da nur ungern mit rein«, erklärte Max mit bebender Stimme.

»Mach dir darüber keine Gedanken, Max. Das verstehe ich.«

Der ältere Mann nickte und wandte sich ab.

Grady stieg in den Wagen und umklammerte wütend das Lenkrad. Es sah Richard ganz ähnlich, mal wieder zu lügen, zu betrügen und zu stehlen!

Doch diese Sache hatte Grady selbst zu verschulden. Er hatte seinem kleinen Bruder schließlich erlaubt, auf der Yellow Rose Ranch zu bleiben. Er hatte ihm erlaubt, den Ruf der Familie zu gefährden. Denn er hatte geglaubt, ja, gehofft, Richard hätte sich während seiner Abwesenheit geändert.

Nun gab er sich keinen Illusionen mehr hin. Richard hatte alles darangesetzt, ihn zu ruinieren, und es beinah geschafft. Sein eigenes Leben hatte er auf jeden Fall zerstört.

Da er charmant und sympathisch war und gute Führungsqualitäten besaß, hätte er viel erreichen können. Stattdessen setzte er sein Charisma ein, um andere zu hintergehen. Allerdings war Richard offenbar nicht klar, dass er dabei auch sich selbst betrog.

Vor sechs Jahren hatte er Gradys Unterschrift gefälscht und war mit dem Geld durchgebrannt, das ihre Eltern ihnen hinterlassen hatten. Der Betrag hätte gereicht, um die Erbschaftssteuern und die Beerdigung zu bezahlen. Doch durch Richards Verrat hatten Savannah und Grady vor dem finanziellen Ruin gestanden, während sie den tragischen Tod ihrer Eltern verkraften mussten. Sechs lange, harte Jahre hatte es ihn gekostet, die Ranch wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen.

Nachdem Richard das Geld durchgebracht hatte, war er ohne einen Cent in der Tasche zurückgekehrt und hatte behauptet, er bräuchte eine Bleibe, bis der Scheck über seine Abfindung eintreffen würde.

Grady hatte ihm glauben wollen, und Savannah hatte ihn schließlich überredet, ihren kleinen Bruder bei ihnen wohnen zu lassen. Leider hatte sich einmal mehr herausgestellt, dass Richard sich nicht verändert hatte.

Trotz der Klimaanlage herrschte eine drückende Hitze im Auto, die Grady müde machte. Es ist das letzte Mal, dass Richard mich belogen hat, schwor er sich.

Oh ja, dies war der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

***

Richard Weston saß auf seinem Bett in der Blockhütte, in der normalerweise die Aushilfsarbeiter der Ranch untergebracht wurden. Er dachte daran, dass seine Tage in Promise gezählt waren. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Grady die Wahrheit erfahren würde. Eigentlich überraschte es ihn, dass er es so lange hatte hinauszögern können. Aber in einer Kleinstadt waren die Leute nun einmal besonders leichtgläubig. Sie hatten seine Lügen hingenommen, weil sie ihm glauben wollten, und daher war es ihm auch nicht besonders schwergefallen, sie zum Narren zu halten. Fast hätte er laut gelacht, als er daran dachte, wie glatt alles gelaufen war.

Trotzdem hatte er kein gutes Gefühl dabei, derart hohe Schulden zu hinterlassen. Max Jordan war ein anständiger Mann, wenngleich ein alter Narr. Und Billy, dem die Kneipe Billy D’s gehörte, war ebenfalls in Ordnung. Wenn Richard irgendwann mal Geld übrig hatte, würde er seine Schulden bei ihnen vielleicht begleichen, ebenso die bei Grady und Savannah.

Womöglich wäre alles gut gegangen, wenn Elaine Frasier ihn geheiratet hätte. Doch offenbar kam er nicht mehr so gut bei den Frauen an wie früher. Als Elaine ihm mitgeteilt hatte, sie habe sich für Glen Patterson entschieden, hatte ihn das wirklich schockiert.

Genau wie Grady war Glen ein echter Hinterwäldler. Daher war es ihm unbegreiflich, dass sie ausgerechnet ihn heiraten wollte. Nun ja, er hatte Frauen schon immer für launisch gehalten, aber bisher war es ihm meist gelungen, sie umzustimmen.

Bei Elaine hatte er allerdings keinen Erfolg gehabt – leider, denn mit ihrem Erbe hätte er seine Probleme vielleicht in den Griff bekommen. Es nützte jedoch nichts, sich zu fragen, was gewesen wäre, wenn. Er war ein Überlebenskünstler, und das würde er erneut unter Beweis stellen.

Ihm blieben nur noch wenige Tage, bis alles auffliegen würde. Grady dachte offenbar, dass er seine Zeit vertrödelte, aber Richard hatte hart gearbeitet und die nötigen Vorkehrungen getroffen. Schon kurz nach seiner Rückkehr auf die Ranch hatte er begonnen, alles für diesen Tag zu planen.

Natürlich tat es ihm auch leid, Promise zu verlassen. Im Laufe der Jahre hatte er öfter mit dem Gedanken gespielt, hierher zurückzukehren, jedoch aus anderen Gründen.

Als er auf der Ranch eingetroffen war, hatte er beim Anblick des Hauses einen Anflug von Sentimentalität verspürt. Dieses Gefühl war jedoch längst verflogen, zumal Grady ihn aus dem Haus geworfen und ihn gezwungen hatte, in der Blockhütte zu wohnen.

Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, warum sein Vater und jetzt Grady sich der Ranch verschrieben hatten. Er hasste Rinder, und das Leben auf einer Ranch war noch nie sein Fall gewesen. Nur leider merkte das niemand. Nicht einmal seiner Mutter war es richtig bewusst gewesen – genauso wenig wie Savannah. Seine Schwester ergriff ohnehin viel seltener für ihn Partei, seit sie mit Laredo verheiratet war.

So traurig es war, seine Zeit auf der Yellow Rose Ranch neigte sich dem Ende zu.

»Richard?«

Maggie Daniels spähte in die Blockhütte. In letzter Zeit ging sie ihm ziemlich auf die Nerven, aber er war bei Kindern schon immer sehr beliebt gewesen.

»Tag, Kleine«, sagte er gespielt fröhlich. »Was machst du?«

»Nichts. Möchtest du Karten spielen?«

»Jetzt kann ich nicht. Später vielleicht.« Er lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.

»Das hast du letztes Mal auch gesagt.« Sie zog einen Schmollmund.

Kinder sind wie Frauen, dachte er. Wenn sie ihren Willen nicht bekommen, sind sie beleidigt.

»Wo ist Savannah?«, fragte er, um sie abzulenken.

»In ihrem Garten.«

»Wollte sie heute Nachmittag nicht Kekse backen?« Das stimmte zwar nicht, aber irgendwie musste er Maggie loswerden.

»Wirklich?«, erwiderte sie aufgeregt.

»Das hat sie selbst gesagt. Frag sie doch. Du kannst mir auch welche bringen.«

Ihre Augen strahlten vor Freude, und er lachte. Es gefiel ihm, dass Maggie ihn lieber mochte als Grady. Sein großer Bruder konnte überhaupt nicht mit Kindern umgehen. Es war komisch, zu beobachten, wie Grady krampfhaft versuchte, sich mit Maggie anzufreunden. Die Kleine wollte absolut nichts mit ihm zu tun haben.

»Na gut, ich komme mit«, erklärte Richard. »Wir fragen Savannah mal nach den Keksen.«

»Aber sie ist doch in ihrem Rosengarten beschäftigt.«

»Für uns hat sie Zeit«, versicherte er. Seine Schwester konnte Maggie schließlich nie etwas abschlagen.

Aus irgendeinem Grund wollte er unbedingt einen Keks. Und er wollte ihn jetzt. Er wusste nicht genau, warum – vielleicht, um Savannah auf die Probe zu stellen. Schließlich bekam er immer, was er wollte. Und wann immer er es wollte.

»Du steckst voller Überraschungen, Grady Weston«, murmelte Caroline, während sie die Landstraße entlang zur Yellow Rose Ranch fuhr. Obwohl sie sehr beschäftigt gewesen war, hatte der Nachmittag sich endlos hingezogen. Sie hatte die Stunden und schließlich die Minuten bis zum Feierabend gezählt. Bis sie Grady wiedersehen würde …

Seine Einladung zum Essen hatte sie überrascht, denn sie hatte die Hoffnung auf ein Date mit ihm schon fast aufgegeben. In den vergangenen sechs Monaten hatte sie ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie an ihm interessiert war, doch in dieser Hinsicht war er völlig blind. Allerdings war sie auch nicht viel besser, denn sie hatte erst nach Jahren den Mut aufgebracht, der Liebe noch eine Chance zu geben.

Sie war gelegentlich mit Männern ausgegangen, hatte aber niemanden kennengelernt, zu dem sie sich so hingezogen fühlte wie zu Grady und für den sie gleichzeitig so viel Achtung empfand. Aber sie bezweifelte, dass er sich über seine Gefühle im Klaren war, geschweige denn über ihre. Zweimal hatte sie bisher beschlossen, ihn zu vergessen, und beide Male hatte er ihr wieder Hoffnungen gemacht – so auch heute, mit seiner überraschenden Einladung.

Caroline trat aufs Gas. Sie hoffte, dass es ein Anfang war. Sie wünschte sich eine Beziehung mit Grady. Er war ehrlich, loyal und fleißig, und sie bewunderte ihn dafür, dass er sich so für die Ranch einsetzte.

Savannah und sie hatten einander schon immer nahegestanden, aber noch nie so sehr wie jetzt. Im vergangenen Jahr war ihre Mutter gestorben, und Savannah hatte ihr zur Seite gestanden und mit ihr getrauert. In der Zeit hatte auch Maggie eine sehr enge Beziehung zu ihrer Freundin aufgebaut. Ihre Tochter liebte Savannah ebenso sehr, wie Caroline es tat, und darüber war sie sehr froh.

Für Grady hatte Maggie jedoch nicht annähernd so viel übrig. Caroline seufzte, als sie daran dachte. Ihre Kleine hatte sich von Anfang an ein wenig vor ihm gefürchtet. Dann hatte Grady sie eines Tages am Telefon schroff angefahren, ohne zu wissen, wer da mit ihm sprach. Seitdem wollte Maggie nichts mehr mit ihm zu tun haben, obwohl er versucht hatte, es wiedergutzumachen.

Dieses Problem machte Caroline zu schaffen. Denn falls Grady und sie wirklich ein Paar wurden, mussten die beiden miteinander auskommen.

Sie nahm den Fuß vom Gas, als sie in die unbefestigte Auffahrt einbog, die zur Yellow Rose Ranch führte. Kurz darauf kam das große zweistöckige Wohnhaus in Sicht. Rocket, Gradys alter Hund, tapste auf wackeligen Beinen und mit wedelnder Rute die Verandatreppe herunter, um sie zu begrüßen.

Savannah stand am Round Pen und beobachtete Laredo, der darin mit ihrem preisgekrönten Zuchthengst arbeitete. Maggie saß neben ihr auf dem Zaun. Als sie den Wagen hörte, sprang sie vom Gatter herunter und lief auf sie zu.

Kaum war Caroline ausgestiegen, warf Maggie sich ihr in die Arme. »Savannah und ich haben Kekse gebacken!«, rief sie fröhlich. »Und Richard hat gesagt, dass er noch nie so leckere Kekse gegessen hat. Er hat fünf Stück gegessen!« Sie schlug sich die Hände vor den Mund, als hätte sie ein Geheimnis ausgeplaudert.

»Und wie viele hast du gegessen?«, fragte Caroline.

»Zu viele«, erwiderte Savannah an Maggies Stelle und lächelte entschuldigend.

»Dann essen wir heute eben später. Ich war heute Mittag im Restaurant, das hält noch eine Weile vor.« Sie wollte ihrer Freundin gerade von Gradys Einladung erzählen, als er höchstpersönlich aus dem Stall stürmte.

»Hast du Richard gesehen?«, rief er mit wutverzerrter Miene. »Er muss hier irgendwo sein.«

Sofort schmiegte Maggie sich an Caroline.

»Grady«, sagte Savannah besänftigend.

Falls er Caroline sah, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

»Hat jemand nach mir gerufen?« Lässig kam Richard aus dem Haus geschlendert. Er war ein attraktiver Mann, schlank und muskulös, vermutlich der attraktivste Mann, der ihr je begegnet war. Doch sie hatte selbst miterlebt, wie er andere manipulierte, sogar Grady und Savannah. Es erstaunte sie, dass Grady ihm erlaubt hatte, auf der Ranch zu bleiben, aber sie verstand es auch. Genauso wie Savannah wollte Grady glauben, dass Richard sich geändert hatte.

Unvermittelt drehte Grady sich um. »Wir müssen miteinander reden. Max Jordan hat gesagt, er hätte immer noch kein Geld von dir bekommen.«

Ein schockierter Ausdruck huschte über Richards Gesicht. »Du machst Witze! Er hat den Scheck nicht bekommen? Ich habe ihn vor zwei Wochen abgeschickt.«

»Er hat ihn nicht erhalten, weil du ihn nicht abgeschickt hast.«

»Was soll das heißen?«

»Grady, bitte.« Savannah eilte zu ihm und legte ihm die Hand auf den Arm. »Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu reden.«

»Sie hat recht«, meinte Richard. »Wir sind nicht allein, falls du es nicht bemerkt haben solltest.«

Offensichtlich merkte Grady es tatsächlich erst in diesem Moment. »Caroline …« Seine Miene verriet Bedauern und Freude zugleich. Er schien unschlüssig zu sein, was er als Nächstes sagen sollte.

»Was macht meine Kleine?« Lächelnd breitete Richard die Arme aus, und Maggie lief zu ihm. Er hob sie hoch, und beide lachten, als hätten sie sich seit Tagen nicht gesehen.

Savannah ging zu Caroline. »Grady hat Richard den ganzen Nachmittag gesucht«, erklärte sie leise. »Unser kleiner Bruder hat den Zeitpunkt mal wieder sehr geschickt abgepasst.«

Ihr war klar, was ihre Freundin damit sagen wollte. Richard war bewusst in diesem Moment erschienen, damit Grady ihn nicht zur Rede stellen konnte. Und er hatte Maggies kindliche Bewunderung geschickt ausgenutzt, um Grady noch mehr lächerlich zu machen.

»Maggie!«, rief Caroline.

Richard setzte die Kleine wieder ab, und zusammen gesellten sie sich zu Caroline und Savannah.

»Ich glaube, Maggie hat mir mein Herz gestohlen.« Seine Augen funkelten amüsiert.

Maggie lächelte ihn an. »Heißt das, du willst mich heiraten?«

»Klar doch.«

»Wirklich?«

Caroline nahm ihre Hand. »Er wird dich nicht heiraten.«

»Sei dir da nicht so sicher.« Richard hockte sich neben Maggie, sah jedoch Caroline an.

»Hallo, Maggie«, sagte Grady dann. Er wirkte immer noch sehr angespannt.

Maggie barg das Gesicht an Richards Schulter.

»Du brauchst vor Grady keine Angst zu haben«, flüsterte Richard so laut, dass alle es hören konnten. Dann lächelte er und gab seinem Bruder damit zu verstehen, dass er nur seine Zeit verschwendete.

»Ich mag Grady nicht«, verkündete die Kleine prompt und zog einen Schmollmund.

»Maggie!«, ermahnte Caroline sie.

»Sie hat recht«, bestätigte Richard mit einem selbstgefälligen Lächeln. »Grady kann einfach nicht mit Kindern umgehen.«

Caroline verkniff sich eine Bemerkung. Sie traute ihm einfach nicht. Wie hätte sie ihm auch vertrauen können, nachdem er seine Geschwister und alle anderen so ausgenutzt hatte?

»Ich glaube, Maggie braucht jemanden wie mich in ihrem Leben«, fuhr er fort. »Das heißt, es gibt nur eine Lösung.«

»Und die wäre?« Ihr war klar, dass diese Frage nicht besonders klug war.

»Du könntest mich heiraten.« Er beugte sich zu ihr und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Erlöse mich von meinen Qualen, Caroline Daniels, und heirate mich.«

»Oh bitte, Mommy!«, rief Maggie und klatschte in die Hände. »Lass uns Richard heiraten!«

2. Kapitel

Grady freute sich darüber, dass seine Schwester Caroline und Maggie überredet hatte, zum Abendessen zu bleiben. Jetzt musste er sich nur noch normal benehmen. Es war immer dasselbe: Wann immer er die Gelegenheit hatte, Kontakt mit Maggie zu knüpfen, tat er irgendetwas Dummes. Am liebsten hätte er Richard die Schuld daran gegeben.

Während er sich vor dem Essen frisch machte, hoffte er, an diesem Abend endlich einen guten Eindruck bei Caroline und ihrer kleinen Tochter hinterlassen zu können.

Der Tisch war bereits gedeckt, als er in die Küche trat. In der Mitte standen eine Platte mit aufgeschnittenem Roastbeef, eine Schüssel mit Kartoffelpüree, eine mit Salat, Soße und ein Teller voller Maiskolben, außerdem ein Korb mit Savannahs leckeren Buttermilchkeksen. Seine Schwester war eine hervorragende Köchin, und sie würde ihm fehlen, wenn sie mit Laredo in ihr gemeinsames Haus zog. Doch es war höchste Zeit, dass sie ihr eigenes Leben führte. Laredo hatte ihm erzählt, dass die beiden bereits mit dem Gedanken spielten, Kinder zu bekommen.

»Das sieht toll aus.« In letzter Zeit bemühte er sich, Savannah zu zeigen, wie viel ihm an ihr lag. Es stimmte … In den vergangenen Jahren hatte er ihre Arbeit als selbstverständlich betrachtet und ihr Engagement für ihre Rosen und ihren Versandhandel – der mittlerweile ausgesprochen lukrativ war – nicht ernst genommen. Er hatte sich sogar über ihre Ziegen lustig gemacht. Erst seit ihr Auszug bevorstand, war ihm klar geworden, wie sehr er sie vermissen würde.

Eine zarte Röte stahl sich auf Savannahs Wangen. Offenbar freute sie sich über sein Lob.

Caroline lächelte beifällig, und Grady musste ein Seufzen unterdrücken. Wenn alles gut ging, würde er bei Maggie an diesem Abend einiges wiedergutmachen können.

Inzwischen hatten sich alle in der Küche eingefunden, nur Richard fehlte noch. Es war mal wieder typisch für seinen verwöhnten kleinen Bruder, die anderen warten zu lassen.

»Wo ist Richard?«, fragte Maggie und blickte zu ihrer Mutter auf.

Dieselbe Frage stellte Grady sich auch.

»Er kommt doch, oder?«, jammerte sie.

»Das weiß ich nicht, Schatz«, erwiderte Caroline.

Autor

Debbie Macomber
SPIEGEL-Bestsellerautorin Debbie Macomber hat weltweit mehr als 200 Millionen Bücher verkauft. Sie ist die internationale Sprecherin der World-Vision-Wohltätigkeitsinitiative Knit for Kids. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Wayne lebt sie inmitten ihrer Kinder und Enkelkinder in Port Orchard im Bundesstaat Washington, der Stadt, die sie zu ihrer Cedar Cove-Serie inspiriert hat.
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