Schatten der Sünde

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Um die Liebe der bezaubernden Natasha und den stattlichen Besitz Tredennick House kämpfen zwei Rivalen: der elegante Anwalt David und der abenteuerlustige Unternehmer Ryan. Natasha sehnt sich besonders nach Ryans Küssen. Aber sie findet auch David nett. Dass er ein Schuft sein soll, kann sie Ryan nicht glauben!


  • Erscheinungstag 07.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756420
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ryan Gardini verstaute die Champagnerflasche in der Flugtasche und ließ den Blick über die beunruhigend langen Beine, den engen Rock, die üppigen Rundungen und den Schmollmund der attraktiven Blondine schweifen.

„Natürlich muss ich hin“, erklärte Ryan kurz angebunden. „Es wird Zeit, dass ich mir Natasha vornehme.“ Er lächelte grimmig und richtete sich langsam auf, um sich seine Ungeduld nicht anmerken zu lassen.

„Natasha, Natasha!“, ereiferte Caroline sich. „Du scheinst von dieser Frau besessen zu sein …“

„Von Rachedurst“, berichtigte Ryan sie trocken. „Schließlich warte ich seit vier Jahren geduldig darauf, es ihr heimzahlen zu können.“

„Du und geduldig warten!“, spöttelte Caroline.

„Es gibt nun mal Dinge, die mehr Spaß machen, wenn man sie gründlich vorbereitet.“ Ryan lächelte ironisch. „Das langsame und genussvolle Hinarbeiten auf den Höhepunkt macht ja erst den eigentlichen Reiz aus. Schon allein die Vorfreude ist die Sache wert.“

Ryans brutale Einstellung ließ Caroline erschaudern. „Das ganze Vorhaben erscheint mir reichlich gefährlich“, gab sie zu bedenken. „Du lässt dich da auf ein Abenteuer ein, das leicht schief gehen kann.“

„Ach, das Fliegen macht mir nichts aus“, erwiderte Ryan gelassen. „Die Seitenwinde sind tückisch, aber ich weiß, worauf ich mich einlasse.“

„Ich meinte Natasha“, klärte Caroline ihn auf. „Wenn sie wirklich zwei Gesichter hat, wie du sagst …“

„Ich bin bestens gerüstet.“ Ryan schloss den Reißverschluss seiner schwarzen Lederjacke über der nackten Brust. „Außerdem waren meine Eltern Sizilianer“, setzte er stolz hinzu und streifte die Lederhandschuhe über. „Da liegt mir der Rachedurst gewissermaßen im Blut. Und gierig, wie Natasha nun mal ist, wird sie sich bei der Aussicht auf schnell verdientes Geld und die Möglichkeit, einen reichen Mann zu schröpfen, förmlich überschlagen.“

Caroline machte ein säuerliches Gesicht. „Dann dürfte sie ja voll auf dich abfahren.“

„Das hoffe ich.“ Ryan lächelte sarkastisch. Er wusste, dass auch Caroline eine Schwäche für reiche Männer hatte.

Leidenschaftslos betrachtete er sie, als sei sie ein unscheinbares geschlechtsloses Wesen statt einer wohl geformten, atemberaubenden Blondine. Caroline wurde zu besitzergreifend. Mit dem Problem würde er sich später befassen müssen.

Ryan schob eine Locke seines schwarzen Haares zurück, die ihm in die Stirn gefallen war. Der Gedanke an die bevorstehende Gefahr ließ seine Augen erregt glitzern. Dies würde seine riskanteste Landung werden, und es bestand die Möglichkeit, dass sie schief ging.

Ryan hatte es plötzlich eilig. „Ich melde mich nur im Notfall über Funk“, erklärte er knapp. „Du weißt, was du zu tun hast, falls ich im Bach lande.“

„Ryan …“ Caroline sprach nicht weiter. Sie kannte ihn lange genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, ihn zur Vorsicht zu mahnen.

„Wenn ich ertrinke, darfst du auf meiner Beerdigung singen“, bemerkte Ryan gleichmütig. „Aber klammere nicht“, setzte er warnend hinzu. „Du wusstest von Anfang an, dass ich ein Einzelgänger bin und es nicht mag, wenn jemand sich an mich hängt. Ich liebe meine Freiheit, und dabei wird es auch in Zukunft bleiben.“ Damit ging er davon.

Caroline verfolgte, wie er aufstieg – geschmeidig, mühelos, überlegen, wie immer, wenn er etwas in Angriff nahm. Nachdenklich fragte sie sich, was Ryan Gardini zu diesem zynischen, erbarmungslosen Einzelgänger gemacht haben mochte.

Natasha parkte den Wagen oberhalb von Penmellin’s Sandbucht und stellte ihr Gepäck vor die Tür des Hauses. Ihr Blick schweifte zum Himmel, und sie beobachtete fasziniert, wie ein leuchtend roter Heißluftballon, den Windungen des Pereuil Creek folgend, heranschwebte.

„He, Sie! Hallo!“, rief sie und schwenkte die Arme so übermütig, dass eine Schar weiß-schwarzer Austernfischer erschrocken aufstob. Die Brenner unterhalb der Ballonhülle gaben einen Flammenschub von sich, und das Innere des Ballons leuchtete wie ein rot glühender Ball auf.

„Sagenhaft!“ Natasha seufzte andächtig. „Einfach toll!“

Daheim! Endlich wieder zu Hause! Sie schlang die Arme um sich und atmete die Luft tief ein, diese berauschende Mischung aus Salz- und Flussgeruch, die sie so lange vermisst hatte. In den letzten Jahren hatte sie sich unausgefüllt und einsam gefühlt, trotz der Abwechslungen und Verlockungen des Lebens in der Großstadt. Doch diese Dinge bedeuteten ihr nichts. Und obwohl sie am liebsten sofort heimgekehrt wäre, hatte sie erst jetzt die Kraft aufgebracht, sich der Vergangenheit zu stellen.

Die Halbinsel Roseland und die schmerzlichen Erinnerungen daran hatten Natasha gleichzeitig gelockt und abgeschreckt. Da waren die Wege und verschlungenen Pfade, auf denen sie mit Ryan Hand in Hand spazieren gegangen war … die bewaldeten Täler, in denen sie gepicknickt hatten …

Natasha wanderte am verlassenen Flussufer entlang und berührte gedankenverloren die verfallenen Mauern des alten Kalkofens. Sie sah Ryan wieder vor sich, dessen Körper im Schein des Lagerfeuers nach dem mitternächtlichen Schwimmen nass glänzte. Die baufälligen Fischkeller hinter dem Haus waren in der Kindheit ihre Ritterburg gewesen, von der sie nach Schmugglern Ausschau gehalten hatten …

„Ryan“, flüsterte Natasha wehmütig. Er war für sie verloren. Dabei hatte er ihr alles bedeutet. Kein Wunder, dass sie es nie geschafft hatte, ihn aus ihrem Leben zu streichen …

Geistesabwesend fuhr Natasha über die raue Rinde der Fichte, unter der sie mit Ryan Piraten gespielt hatte … bis er in die wirkliche Welt hinausgezogen war, auf der Jagd nach Gold und Frauen.

Natasha dachte an den verächtlichen Ausdruck in Ryans Augen, das kalte Lächeln auf seinen Lippen, als er ihre Hoffnungen und Sehnsüchte mit wenigen Worten brutal zerstört hatte.

„Du kannst mir nicht mehr wehtun“, sagte sie laut, als könne sie die bösen Erinnerungen so verscheuchen. „Ich bin jetzt glücklich.“

War sie das wirklich? Ihre Unterlippe zitterte leicht, und die alte Verletzlichkeit war wieder da, die Natasha längst besiegt zu haben glaubte.

Sie legte den Kopf an den Stamm der einsamen Fichte und zwang sich, die Schuldgefühle abzustreifen, mit denen sie so lange gelebt hatte, dass sie ihr fast zur Gewohnheit geworden waren. Ryan hatte den Ruin verdient. Er war gewissenlos und eiskalt, und Roseland hatte an ihm nichts verloren. Dennoch wusste Natasha, dass sie Ryan nie würde vergessen können … seinen trügerischen Charme, seine sinnliche Stimme, die leidenschaftlichen Küsse …

Natasha rief sich zur Ordnung. Sie war kaum zehn Minuten zurück, und schon spukte ihr dieser Mann wieder im Kopf herum.

„Zum Teufel mit dir, Ryan Gardini!“, rief sie und blickte zu dem langsam dahingleitenden Ballon auf. Sein Anblick beruhigte sie, und sie beobachtete ihn eine Weile gebannt.

Die sanfte Brise blies ihr das lange seidige blonde Haar aus dem Gesicht, sodass sie an eine schwimmende Meerjungfrau erinnerte. Schließlich machte sie kehrt und betrachtete versonnen ihr Heim.

Das Steinhaus stand seit über zweihundert Jahren oberhalb des Flusses und war für Natasha der Inbegriff von Geborgenheit und Beständigkeit. Hier konnte sie ganz sie selbst sein und war nicht mehr die tüchtige selbstständige Karrierefrau, die Angst vor Bindungen hatte. An diesem Ort konnte sie der Herzenswärme und Zuneigung altvertrauter Freunde gewiss sein. Hierher gehörte sie. Dies war ihr Zuhause.

Beschwingt öffnete Natasha die Haustür, um sich umziehen zu gehen. Ihr enges hellgraues Kostüm passte nicht ins abgelegene Cornwall.

„Vorsicht dort unten!“

Der erstickte Schrei ließ Natasha herumfahren. Entsetzt hielt sie den Atem an, als sie sah, dass der Ballon nur noch in etwa fünfzehn Meter Höhe schwebte. Er lief Gefahr, in den Bäumen des schmalen Hangstreifens hängen zu bleiben, der von „Tredinnick House“, dem alten Herrenhaus, zum Strand hinunterführte, war jedoch zu weit vom Flussufer entfernt, um auf dem Sand aufsetzen zu können.

„Oh mein Gott!“, flüsterte sie und blieb wie angewurzelt stehen.

„Ich komme runter!“, warnte der Pilot.

Ehe Natasha reagieren konnte, begann der obere Teil des Ballons schlaff zu werden, und sie wusste, dass der Mann jetzt eine Notlandung versuchen musste. „Nein!“, wisperte sie entsetzt.

„Achtung!“, schrie der jetzt nicht mehr sichtbare Pilot, und der Ballon begann wie ein Stein zu fallen.

Der Mann würde zu Tode stürzen oder sich schreckliche Verletzungen zuziehen. „Ich komme!“ Natasha streifte ihren engen Kostümrock hoch, zog rasch die hochhackigen Schuhe aus und rannte, so schnell sie konnte, zum flachen Strand hinunter.

Der Boden des Korbes schlug krachend auf dem Sand auf, und Natasha hörte den Mann, der darin hocken musste, laut aufstöhnen. Mit wenigen Schritten war sie beim Korb und wollte nach einer der Seilschlaufen greifen, als die Stoffmassen der Ballonhülle sich seitwärts senkten. Mit leisem Zischen traf die Seide auf Natashas Gesicht, wurde wieder in die Luft gehoben und legte sich dann raschelnd über Natasha. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, fand sie sich im Sand unter einem Meer roter Seide wieder.

Und unter einem Mann. Ein regloser Männerkörper lag auf ihr. Er trug Lederkleidung und war schwer. Natashas Herz setzte einen Schlag aus. War er … tot?

„H-i-l-fe … mphh!“

Ihr panischer Schrei wurde von einem Berg weicher wabernder Seide erstickt, und Natasha schlug verzweifelt um sich in dem Versuch, ihren Mund zu befreien. Der Stoff bedeckte selbst die Nasenlöcher und machte ihr das Atmen schwer.

Der Mann stöhnte erneut. „Mutter“, murmelte er undeutlich, und da merkte Natasha, dass sein Gesicht in ihrem dichten Haar vergraben war.

Er war also nicht tot! Natasha entspannte sich etwas. Der Pilot mochte halb betäubt, betrunken oder vielleicht sogar ein Verrückter sein, aber er lebte!

Der Mann verlagerte aufstöhnend das Gewicht, dabei berührten seine in Lederhandschuhen steckenden Hände Natashas Schenkel. Natasha zuckte zusammen und machte sich ganz steif.

„Sie sind … nicht meine Mutter“, brachte der Mann matt hervor.

Natasha schaffte es endlich, mit den Ellenbogen ihr Gesicht von einem Teil der Seide zu befreien, sodass sie besser sprechen konnte, doch sie versuchte vergeblich, die massigen Schultern des Mannes wegzudrücken, weil der enge Körperkontakt ihr zu weit ging.

„Da haben Sie völlig recht“, sagte Natasha. „Ich bin froh, dass ich Ihren Sturz abgebremst habe, aber Sie sind ziemlich schwer. Würden Sie also bitte von mir runtergehen?“

„Ein Glück, dass Sie da waren!“ Der Pilot lachte leise, und sein warmer Atem streifte Natashas Gesicht, als er den Kopf von ihrem Hals wandte. Seine Stimme klang immer noch leicht gedämpft, doch irgendetwas an ihr kam Natasha beunruhigend bekannt vor. Das ist unmöglich, dachte sie und spürte, wie ihr Herz heftig zu pochen begann. „Aber ich hatte ja schon immer unverschämtes Glück, nicht wahr?“, setzte der Mann mit klarer Stimme hinzu.

Natasha war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug, als ihr aufging, wen sie vor sich hatte. Ryan! Das war doch Ryans arrogantes Lachen … Ryans muskulöser Körper … das waren Ryans Hände, die ihre Taille umfingen.

„Ryan?“, flüsterte Natasha fassungslos.

Der Druck auf ihrem Körper ließ etwas nach, und sie erkannte Ryans Gesicht, das in dem rötlichen, von der Seide gefilterten Licht fast dämonisch wirkte. Natasha sank in sich zusammen. Ihre Gefühle für ihn waren also nicht gestorben, so wurde ihr entsetzt bewusst. Sie hatten nur auf Eis gelegen. Dabei hatte sie gehofft, Ryan nie wieder zu sehen, und hatte sich geschworen, sich nie mehr nach einem Mann zu verzehren, der es nicht wert war. Dennoch waren die alten Wunden sofort wieder aufgebrochen.

„Hallo, Tasha“, begrüßte er sie umgänglich, als sei es die natürlichste Sache der Welt, vom Himmel zu fallen, um alte Freunde … oder Feinde zu besuchen. „Du hast immer noch so verführerische Lippen.“ Sein warmer Mund berührte ihren kurz. „Darf ich dich mit Scarlett bekannt machen?“

Natasha wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Ryans plötzliches Auftauchen hatte sie so durcheinander gebracht, dass sie seinem Gedankengang nicht folgen konnte. „Mit welcher Scarlett?“, fragte sie benommen.

„So heißt mein Ballon.“ Ryan sah einen Moment amüsiert zu, wie Natasha versuchte, sich unter ihm hervorzuarbeiten, dann drückte er seine Beine, die gespreizt über ihren Schenkeln lagen, auf den Boden und grub die Zehen in den Sand, sodass Natasha gefangen war. „Scarlett ist eine ziemlich flatterhafte junge Dame in ‚Vom Winde verweht‘. Sie landet unsanft auf der Erde, nachdem sie einen gut aussehenden, verwegenen Draufgänger …“

„Ich kenne die Geschichte, mein lieber Ryan“, schnitt Natasha ihm kühl das Wort ab. „Los, geh endlich runter von mir!“

„Freut mich, dass ich dir das Ganze nicht erst zu erklären brauche.“ Ryan lächelte entwaffnend. „Kaum zu glauben, dass ausgerechnet du mir hier über den Weg läufst.“

Natasha spürte, wie sein Oberkörper wieder auf ihre Brüste drückte, die sich mit jedem Atemzug erregt hoben und senkten. Ryan musste merken, dass sie keineswegs so ruhig war, wie sie vorgab. Sein Gesicht war jetzt nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt … wie damals, als sie sich in jener sternklaren Nacht am Strand in die Arme gesunken waren.

„Geh runter von mir“, zischte Natasha. „Du bist auf Privatbesitz gelandet.“

„So? Und ich dachte, das sei öffentliches Gelände“, bemerkte Ryan anzüglich. Er nahm die Hände hoch, so als beugte er sich der Forderung, und Natasha spürte, wie er über ihren nylonbestrumpften Oberschenkel strich. „Interessant“, stellte er fasziniert fest.

Natashas Kehle fühlte sich trocken an, und sie brachte keinen Ton hervor. Langsam und genüsslich vergewisserte Ryan sich, dass auch Natashas anderes Bein unbedeckt war und nur auf seine Berührung zu warten schien.

„Ryan! Bitte …“, flehte Natasha mit brüchiger Stimme. Erregende Schauer durchströmten sie, als er die Finger höher gleiten ließ. Sie hielt unwillkürlich den Atem an und sah Ryan mit weit aufgerissenen Augen an.

„Du meine Güte!“, staunte er. „Das nenne ich einen kurzen Rock!“

Natasha verkrampfte sich und kämpfte gegen die Empfindungen an, die die Berührungen auf ihrer Haut unter den Strumpfbändern auslösten.

Ryans grüne Augen schimmerten dunkel vor Begehren, seine Lippen wirkten einladend und unwiderstehlich. Natashas Sinne regten sich. Gegen ihren Willen genoss sie den warmen Atem, der ihr Gesicht streifte, und das Gefühl, Ryans kraftvollen Körper zu spüren, das sie längst vergessen zu haben glaubte.

Nur nicht schwach werden, ermahnte Natasha sich. Sie wusste ja, wie unwiderstehlich Ryan auf Frauen wirkte. Seit der frühesten Kindheit hatte sie ihn angebetet, in unschuldiger Ehrfurcht zu ihm aufgeblickt und ihn so geliebt, dass er ein Teil ihrer selbst geworden war … bis sie die dunklen Seiten seines Charakters, seine teuflischen Geheimnisse entdeckt hatte, die ihre Liebe getötet hatten.

Und jetzt lag sie erneut in Ryans Armen, und er sah sie an, als fände er sie über alle Maßen begehrenswert.

Natasha wusste, dass sie sich retten musste, indem sie sich die Schmerzen vor Augen führte, die er ihr durch seinen Verrat zugefügt hatte, und nicht die lauen Sommernächte am Creek, in denen sie sich unter überhängenden Weiden geküsst oder in Ryans Ruderboot eng aneinander geschmiegt die Sterne beobachtet hatten.

Natasha griff widerstrebend nach Ryans Hand an ihrem nackten Oberschenkel, doch er zog ihre Finger an seine Lippen und küsste sie mit einer Inbrunst, die Natasha verwirrte und wehrlos machte.

Ruhig … ganz ruhig bleiben, befahl sie sich. „Hör auf damit, Ryan!“

Erstaunlicherweise folgte er der Aufforderung. „Was tust du hier überhaupt?“

„Das Gleiche wie du. Ich genieße unser überraschendes Wiedersehen und versuche, wieder zu Atem zu kommen.“ Ryan lachte vergnügt. „Genau wie du. Ein wunderbarer Tag heute, findest du nicht auch?“

Sie hatten sich in Zorn und Hass getrennt. Jetzt unterhielt Ryan sich mit ihr im Plauderton, als sei nichts gewesen.

Natasha knirschte mit den Zähnen. „Deine Unverfrorenheit ist atemberaubend“, erwiderte sie kühl.

„Das muss wohl so sein. Denn damit komme ich weiter als andere Männer zu träumen wagen.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Natasha warf Ryan einen verächtlichen Blick zu und machte sich unter seinem Körper stocksteif.

„Eine tolle Landung, nicht wahr?“, bemerkte er umgänglich.

„Auf mich wirkte sie eher wie ein Absturz“, entgegnete Natasha abschätzig. „Was tust du hier überhaupt? Ich dachte, du hättest Penmellin für immer verlassen.“

Lässig schob Ryan sich einige Haarsträhnen aus der Stirn. „Ich habe mich eine Weile in Afrika herumgetrieben, mit Frauen, die scharf auf Nervenkitzel waren.“

Natasha machte ein angewidertes Gesicht. „Behalte deine Schlafzimmergeheimnisse für dich.“

„Du solltest nicht immer gleich voreilige Schlüsse ziehen“, tadelte Ryan. „Das ist eine schlechte Angewohnheit von dir. Ich habe die Frauen in Schwimmwesten geschnürt.“

„Das nennst du Nervenkitzel?“, spottete Natasha.

Ryan zog eine Braue hoch und gab Natasha einen Kuss auf den Mund, der sie nur noch wütender machte. „Wie naiv du immer noch bist“, stellte er nachsichtig fest. „Berührungen können unglaublich erregend sein. Ich muss jedoch zugeben, dass es noch aufregender wurde, als wir alle auf Flößen die Stromschnellen des Sambesi runterschossen. Aber das war letzte Woche, und du kennst mich ja. Ich halte es nirgendwo lange aus. Bald beginne ich mich zu langweilen und ziehe weiter.“

„Wie eine Krankheit.“ Natasha versuchte, ihre Eifersucht durch Sarkasmus zu überspielen.

„Klingt nach mir“, pflichtete Ryan ihr bei. „Ein Virus, möglichst noch von Fieber begleitet … so etwas ist unwiderstehlich und kann tödlich sein.“ Er beugte sich über Natasha. „Und jetzt bin ich hier, um dich zu befallen“, sagte er leise. „Ich bin wieder da, auf der Suche nach neuen Vergnügungen, neuem Nervenkitzel, neuen Frauen, die sich anstecken lassen.“

Natasha kam ein schrecklicher Verdacht. Hatte Ryan sie etwa auf die Liste seiner Opfer gesetzt? „Glücklicherweise hat mich eine Überdosis immun gemacht“, erklärte sie eisig. „Bei mir erwartet dich nichts Aufregendes mehr.“

„Da irrst du dich“, widersprach Ryan. „Bis jetzt ist es doch recht aufregend gewesen, oder etwa nicht? Und falls mal eine Flaute aufkommen sollte – ich bin ein Zaubermeister, der im Handumdrehen Bewegung in die Dinge bringt.“

„Es wird mir hier entschieden zu eng.“ Natasha hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. „Wenn du zaubern kannst, mach, dass ich hier rauskomme.“ Sie blickte mit ihren graublauen Augen bittend zu Ryan auf.

Er ließ nicht mit sich reden. „Aber es ist hier unten doch wunderbar dunkel, heiß und abgeschirmt“, sagte er mit rauer, sinnlicher Stimme.

Natasha zwang sich, ruhig zu bleiben. „Das ist es in der Hölle auch.“

„Und wir beide sind darin vereint. Möchtest du mir helfen, das Feuer zu schüren?“

Unter der roten Ballonseide hatte Ryans Lächeln fast etwas Teuflisches. Natasha begann zu zittern. Sie wusste nur zu gut, dass er einer Herausforderung nicht widerstehen konnte, selbst dann nicht, wenn sie verrückt oder abwegig war. Und selbst wenn er einmal eine Niederlage erlitt, verbot ihm sein Stolz, aufzugeben.

„Warum willst du unbedingt mit mir flirten?“, versuchte Natasha es auf eine andere Weise. „Dir liegt doch überhaupt nichts an mir.“

„Nein, das nicht“, gab Ryan prompt zu.

„Dann solltest du aufhören, mich zu küssen und zu befummeln“, forderte Natasha hitzig.

Er lächelte zufrieden. „Das Eis hätten wir geschmolzen. Wie ich sehe, sprudelt der Born der Leidenschaft wieder. Ich genieße es, die Frauen zu küssen. Wozu sind sie sonst da?“

„Es ist mir unverständlich, wie ich so hirnverbrannt sein konnte, dich zu bewundern.“ Natasha kam jetzt richtig in Fahrt. „Du bist ein Primitivling. David hatte recht. Du kennst nur Sex. Seele, Verstand und Gefühle sind unbekannte Größen für dich. Und jetzt verrate mir, wie ich deinen Klauen entkomme.“

Das harte Glitzern in Ryans Augen hätte Natasha warnen müssen. „Entkommen kannst du nur, wenn du lammfromm bist.“

„Aber das bin ich! Das war ich doch immer.“

„Mal sehen.“

In aufkommender Panik versuchte Natasha, Ryan von sich zu schieben, doch er drückte ihre Hände über dem Kopf spielerisch in den Sand und küsste sie auf eine Weise, die ihr heiße Schauer über die Haut jagte und jeden Gedanken an Widerstand auslöschte.

Ich bin drauf und dran, Ryan erneut zu verfallen, erkannte Natasha entsetzt und riss sich unter Aufbietung aller Kräfte von ihm los.

„Du bist ein Tier! Wie kannst du es wagen, über mich herzufallen? Ein Jammer, dass die Stromschnellen dich nicht verschluckt haben!“, tobte sie.

„Ich gehöre zu den Typen, die alles überleben“, erwiderte Ryan gelassen. „Stromschnellen, Gefahren und Frauen. Ich lande immer obenauf … genau wie jetzt.“ Er lächelte überlegen. „Auf einer so gut gepolsterten jungen Dame zu landen ist wirklich mal was Neues. Nett von dir, dich mir im passenden Moment zu Füßen geworfen zu haben.“

„Gepolstert?“ Natashas Brüste hoben und senkten sich heftig, so empört war sie. „Das ist alles echt!“

„Ich weiß“, bestätigte Ryan. „Ich hab’s ja gefühlt.“

Natasha spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. „Du … du …“

Sie verstummte, weil er ihr die Lippen erneut mit seinem Mund verschloss. Sie hatte das Gefühl unterzutauchen, zu sinken, unter seinem kraftvollen Körper zu schweben, und alles in ihr pulsierte, wie jedes Mal, wenn Ryan sie küsste.

„Klingelt’s jetzt bei dir?“, flüsterte Ryan.

Natasha hörte nur das Rauschen in ihren Ohren. „Es klingelt, wenn die Zeit zum Spielen vorbei ist“, erklärte sie eisig.

„Richtig. Dann darf ich annehmen, dass du für die nächste Lektion bereit bist?“

„Wie meinst du das?“, fragte Natasha argwöhnisch.

Ryan schien die Situation auszukosten. „Nun, für den Anfang würde dir ein bisschen Unterricht im Küssen gut tun.“

„Den bekomme ich anderweitig.“ Zufrieden bemerkte Natasha, dass Ryan die Augen zusammenkniff, so als passte ihre Feststellung nicht in seinen Plan. Plan? Die Vorstellung beunruhigte sie. Was hatte Ryan vor?

„Tatsächlich?“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Viel Erfahrung besitzt er aber offensichtlich nicht. Könnte es sein, dass dein ‚Lehrer‘ … David heißt?“

Natasha blinzelte verständnislos. David? Die bloße Vorstellung war lachhaft! Sie war zurückgekommen, um in der Kur- und Schönheitsklinik zu arbeiten, die er in Kürze eröffnen wollte, und nicht, um aus ihrer Jugendfreundschaft mehr werden zu lassen. David! Wenn sie ihn doch lieben könnte! Dann wäre alles sehr viel einfacher.

„Wie kommst du denn auf die Idee?“, fragte Natasha.

„Nun, von oben sah ich Gepäck vor dem Haus stehen und schloss daraus, dass du offenbar für immer zurückgekehrt bist. Außerdem bin ich sicher, dass David dich seit Jahren beschwört, wieder endgültig nach Hause zu kommen.“

„Das schon, aber …“ Natasha zuckte zusammen, weil Ryan ihren Arm so fest drückte, dass es schmerzte. „Du tust mir weh!“, sagte sie anklagend.

„Warum kommst du erst jetzt zurück?“

Natasha wandte den Blick ab. Die Wahrheit konnte sie Ryan unmöglich sagen. Dann hätte sie ihm gestehen müssen, dass jeder Grashalm, jeder Zentimeter Strand, jeder Weg und jede Hecke in Roseland sie an ihn erinnerte, an die glückliche Zeit, die Zuneigung und Liebe, die sie beide verbunden hatte …

„Mein Beruf …“, setzte Natasha vorsichtig an.

„War dir wichtiger als Roseland? Als Penmellin?“ Ryan schüttelte sie leicht und zwang sie, ihn anzusehen.

Natasha gab sich gleichmütig. „In unserer Gegend bieten sich nicht genügend Möglichkeiten zum Weiterkommen. Hier draußen kann man keine Reichtümer erwerben.“

„Und du möchtest reich werden?“, fragte Ryan.

Natasha zuckte die Schultern. „Möchte das nicht jeder? Geld bedeutet Sicherheit“, fuhr sie mit harter Stimme fort. Sie wollte nicht heiraten und legte Wert auf finanzielle Unabhängigkeit. „Ich war ehrgeizig und entschlossen, es in London zu etwas zu bringen.“ Um Ryan zu beweisen, dass sie über ihn längst hinweg war, fügte sie hinzu: „Und natürlich wollte ich auch Spaß haben und interessante Männer kennen lernen …“

„Das süße Leben“, bemerkte Ryan zynisch. „Warum bist du dann hierher zurückgekommen, wo du dich mit dem Langweiler David zufrieden geben musst?“

Natasha fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass David sie gebeten hatte, über sein Vorhaben Stillschweigen zu bewahren, bis er die Zulassung für die Klinik erhalten würde. „Er hat mir ein Angebot gemacht, dem ich nicht widerstehen konnte“, entgegnete sie ruhig.

„Tatsächlich?“ Ryan hob den Kopf und lauschte. „Da kommt jemand. Ob das wohl eine neue Schülerin für mich ist?“, sinnierte er erwartungsvoll.

Natashas Herz pochte so laut, dass sie erst jetzt den Wagen hörte, der über den schmalen holprigen Weg herankam. Erleichtert atmete sie auf. Jetzt war sie nicht mehr mit Ryan allein. Das Auto bremste scharf vor dem Haus, dann knallte eine Tür, und eilige Schritte näherten sich.

„Liegt dort jemand unter dem Stoff?“, rief David.

Natasha warf Ryan einen triumphierenden Blick zu. David würde ihr zu Hilfe kommen, wie schon so oft. „Die Rettungsmannschaft ist da“, stellte sie fest.

„Aber bei uns geht die Post jetzt erst richtig ab“, kündigte Ryan an.

Sein sinnlicher Ton warnte Natasha, und sie wollte David rufen, doch Ryan verschloss ihre Lippen mit seinem Mund und küsste sie leidenschaftlich. Natasha hob unter der Seide hilflos die Hände, doch dann glitten ihre Finger wie von selbst in Ryans dichtes schwarzes Haar, dessen Berührung ihr noch immer so vertraut war.

Wie lange war es her, seit sie das letzte Mal so leidenschaftlich geküsst worden war? Ryans geschickte Liebkosungen erregten sie und gaben ihr das Gefühl, etwas Sündiges zu tun. Einem erfahrenen Mann wie ihm war sie nicht gewachsen. Es war ihm ein Leichtes, sie mit seinen Küssen und Berührungen vergessen zu lassen, in welcher Situation sie sich befand. Natasha begann zu zittern und stöhnte hilflos auf.

„Hallo?“, fragte David verunsichert. Er konnte sich auf die Bewegungen unter dem roten Stoff offenbar keinen rechten Reim machen. „Ist jemand verletzt? Brauchen Sie Hilfe?“

Ja, dachte Natasha voller Panik und kämpfte gegen das Verlangen an, das Ryans Lippen in ihr entfachten. Sie hörte Ryans leises triumphierendes Lachen und erstarrte. Plötzlich wusste sie, was er bezweckte.

„Du tust das, um es David heimzuzahlen, weil du mich vor vier Jahren in seinen Armen überrascht hast!“, zischte Natasha.

„Du glaubst also nicht, dass ich dich zum Vergnügen küsse?“, fragte Ryan erheitert. „Was, meinst du, wird David wohl von unserem Gewirr unter dem Stoff halten?“

Natasha war so außer sich, dass ihr das Sprechen schwer fiel. „Du bist ein Scheusal!“, flüsterte sie hasserfüllt. „Du hast mich nur geküsst, um mich zu demütigen!“

Autor

Sara Wood
Sara Wood wurde in England geboren. An ihre Kindheit hat sie wundervolle Erinnerungen. Ihre Eltern waren zwar arm, gaben ihr jedoch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ihr Vater kannte seine Eltern nicht, deshalb war er so glücklich über seine eigene Familie. Die Geburtstagsfeiern, die er gestaltete, waren sensationell: Er...
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