Scheinverlobung mit dem sexy Boss

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Fassungslos starrt Eva ihren sexy Boss Joss Dawson an. Gerade hat er erklärt, sie seien verlobt! Sie ahnt, warum: Sein Vater, Gründer der exklusiven Warenhaus-Kette Dawson‘s, hat nicht mehr lange zu leben. Dass Joss verlobt ist, macht ihn glücklich. Aber für Eva beginnt ein gefährliches Spiel mit dem Feuer. Viel zu lange sehnt sie sich schon nach ihm. Doch diese erotische Scharade wird vorbei sein, sobald Dawson Senior für immer die Augen schließt! Was geschieht dann mit ihrem Herzen? Denn Eva weiß genau, dass Joss nicht an Liebe glaubt … Quälend nah war ihm ihr Körper, von dem er so oft geträumt hatte. Nah und doch unerreichbar.


  • Erscheinungstag 04.12.2018
  • Bandnummer 2365
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710583
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Hilfst du mir jetzt mit dem Reißverschluss? Oder willst du nur dumm rumstehen?“

Reflexartig schloss Joss die Bürotür, damit niemand Zeuge der ungewöhnlichen Situation wurde.

„Tut mir leid, Eva. Ich suche meinen Vater. Was machst du in seinem Büro? Und warum bist du halb nackt?“

Eva zuckte nur mit den Schultern – und Joss beobachtete fasziniert, wie sich die Schulterblätter unter ihrer hellen Haut bewegten, wo das halb geöffnete Kleid sie freigab.

„Edward ist schon im Besprechungsraum. Was machst du noch hier? Egal. Könntest du mir bitte helfen? Ich hätte längst dort sein sollen, aber ich habe mich mit Kaffee bekleckert.“

Joss warf einen Blick zurück zur Tür. „Mein Vater wollte mich eigentlich vor dem Meeting sprechen, aber ein wichtiger Anruf hat mich aufgehalten.“

Er versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, als er eilig den Reißverschluss hochzog.

Überrascht blickte Eva ihn über ihre Schulter hinweg an, und sofort spürte er die vertraute Anziehungskraft, die die langjährige Assistentin seines Vaters auf ihn ausübte.

„Äh … Joss? Du solltest ihn eigentlich öffnen …“

Auf gar keinen Fall! Seit so vielen Jahren ging er dieser Frau aus dem Weg, weil auch seine Selbstbeherrschung Grenzen hatte. Und er wusste nur zu gut, dass er diese Grenzen bereits ausreizte, indem er ihr jetzt so nahe war – weiter würde er nicht gehen.

„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre …“

„Joss, komm schon. Mach einfach die Augen zu, wenn es sein muss, aber befrei mich aus diesem Kleid! Ich bin nicht nackt darunter, falls dich das beruhigt.“

Er atmete tief durch und zog den Verschluss herunter, verhakte sich jedoch in der Mitte.

„Er hängt fest.“

„Schon wieder? Na toll! Ich hatte gehofft, man müsste nur im richtigen Winkel ziehen. Bitte versuch es noch einmal.“

Joss war sich nicht sicher, ob er das wollte – zumal, wenn es bedeutete, dass er damit noch mehr Haut freilegte.

Trotzdem mühte er sich so lange mit den verkeilten Zähnen und einigen dazwischengeratenen Fäden ab, bis der Reißverschluss endlich an Evas Rücken hinunterglitt. Zum Vorschein kam ein zartrosa Seidenslip mit cremefarbenem Spitzenbesatz, der es nur noch schlimmer machte. Quälend nah war ihm ihr Körper jetzt. Nah, und doch so unerreichbar.

„Endlich!“, rief Eva, stieg hastig aus ihrem Kleid und griff direkt nach einem anderen, das über der Stuhllehne seines Vaters hing. Sobald sie es über ihren Kopf zog, wandte Joss sich zur Tür. Doch Eva hielt ihn zurück. „Warte – kannst du dieses hier schließen? Ich will nicht noch später kommen als sowieso schon.“

Joss seufzte, kam aber zu ihr zurück und machte sich an dem Reißverschluss zu schaffen.

Noch bevor er ihn richtig hochgezogen hatte, öffnete sich die Tür.

„Eva, bist du hier …?“

Sein Vater und sein schreckliches Timing!

„Tut mir leid, Edward. Ich bin gleich da.“ Eva griff selbst nach dem Verschluss und zog ihn in ihrer Hektik nur weiter herunter, während sie sich zu ihrem Boss umwandte.

„Nein, nein … Ich sehe schon, ich störe“, erwiderte Edward. „Ich verlass mich darauf, dass ihr pünktlich kommt.“

Selbst in der Stimme seines Vaters konnte Joss dessen breites Grinsen hören. Offensichtlich musste Edward an sich halten, um nicht laut loszulachen.

„Wir warten dann auf euch.“

Er hatte den Raum verlassen, bevor Joss hätte erklären können, dass gar nichts zwischen Eva und ihm vorgefallen war. Er warf ihr einen Blick zu und sah, dass sie genauso überrumpelt war wie er selbst. Noch immer kämpfte sie mit dem Kleid, und er zog den Reißverschluss für sie hoch – dieses Mal ohne zu zögern – und eilte zur Tür.

„Was machen wir jetzt …?“, begann Eva.

„Ich kümmere mich darum.“

Auf dem Weg zum Besprechungsraum hatte er immer noch den verschwörerischen, aber auch erfreuten Gesichtsausdruck seines Vaters vor Augen, der die Situation offensichtlich völlig falsch interpretiert hatte.

Normalerweise wirkte sein Vater eher enttäuscht, wenn es um Joss und die Frauen ging. Noch immer gab er ihm die alleinige Schuld für das Ehe-Aus.

Immerhin schätzte sein Vater seine geschäftlichen Fähigkeiten. Joss arbeitete schon seit der Schulzeit für die familieneigene Kette von Luxuskaufhäusern und hatte sich die Position als Vizepräsident für Dawson’s englische Filialen redlich verdient. Aber seinen Vater auf beruflicher Ebene stolz zu machen oder auf persönlicher, waren zwei verschiedene Paar Schuhe, und er wusste genau, dass das eine das andere nicht ersetzen konnte.

Die Scheidung hatte Joss ziemlich zu schaffen gemacht, Schlafstörungen waren das geringste Übel gewesen. Noch immer litt er unter den Nachwirkungen der Depressionen, die ihn während seiner Ehe fest im Griff gehabt hatten. Doch zu seinem Entsetzen hatte er irgendwann festgestellt, wie attraktiv er die Assistentin seines Vaters fand. Aber er hatte sich geschworen, unter keinen Umständen etwas mit ihr anzufangen, denn er wusste um die Zuneigung, die sein Vater ihr entgegenbrachte. Edward würde ihm ganz gewiss übelnehmen, wenn er ihre Gefühle verletzte. Und aus seiner Ehe – deren Ende unausweichlich gewesen war – hatte Joss schmerzhaft gelernt, dass er eine Frau nicht glücklich machen konnte.

Alle Köpfe wandten sich ihnen zu, als Eva und er den vollbesetzten Sitzungssaal betraten. Sie fanden freie Plätze in einer Ecke. Die Sonne fiel durch die alten Bleiglasfenster und tauchte den Konferenzraum in gleißendes Licht.

Joss versuchte vergeblich, Blickkontakt zu seinem Vater aufzunehmen, denn dieser ignorierte ihn entweder, oder er war so fasziniert von der Aussicht, dass er den Blick nicht abwenden konnte. Obwohl Joss es von seinem Platz aus nicht sehen konnte, so wusste er doch, dass die Straßen Kensingtons voller Touristen waren, die die prunkvollen Schaufenster bestaunten, für die das traditionsreiche Kaufhaus berühmt war.

Schließlich räusperte sich der alte Herr und blickte in die Runde, wobei er jedes Vorstandsmitglied einzeln ansah.

„Vielen Dank, dass ihr alle gekommen seid“, begann Edward mit einem seltsamen Lächeln. „Vor allem möchte ich mich für die kurzfristige Einladung entschuldigen. Ich weiß, es ist Freitagmittag, und ihr wärt jetzt alle lieber beim Lunch. Doch ich fürchte, was ich zu sagen habe, duldet keinen Aufschub. Wie ihr euch sicherlich denken könnt, verheißt eine überraschende Vorstandssitzung selten Gutes. Leider ist auch das heutige Meeting keine Ausnahme. Zu meinem großen Bedauern muss ich euch mitteilen, dass ich das Unternehmen verlasse. Gesundheitliche Gründe zwingen mich, meine Ämter mit sofortiger Wirkung niederzulegen.“

Ein flaues Gefühl breitete sich in Joss’ Magengegend aus, als ihm die Tragweite dieser Worte klar wurde. Sein Vater musste sehr schwer erkrankt sein, um einen Ausstieg aus der Geschäftswelt auch nur in Erwägung zu ziehen.

Aber Edward sprach weiter, bevor Joss darüber nachdenken konnte.

„Wie ihr wisst, haben wir uns seit einigen Jahren darauf vorbereitet, dass ich die Zügel einmal weitergeben muss. Wenn ihr also einverstanden seid, steht einem reibungslosen Übergang nichts im Wege, und ich kann meine Position als Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender in die fähigen Hände meines Sohnes Joss übergeben. Eva wird ihm bei der neuen Aufgabe assistieren. Außerdem bin ich überzeugt, dass ihr die beiden unterstützen werdet, wie ihr auch mich all die Jahre unterstützt habt. So, ich könnte mir vorstellen, dass ihr eine Menge Fragen habt. Ich werde sie beantworten, so gut ich kann. Wer macht den Anfang?“

Stille legte sich über den Konferenzraum. Joss musterte seinen Vater mit zusammengekniffenen Augen. War er wirklich krank? Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nicht krank gemeldet, und jetzt dankte er plötzlich ab? Zugegeben, sie hatten über seine Nachfolge gesprochen, aber jeder vernünftige Geschäftsmann hatte Notfallpläne für alle möglichen Eventualitäten, und Edward war immer wichtig gewesen, dass das Unternehmen nicht ins Chaos stürzte, wenn ihm etwas passierte. Dennoch fragte sich Joss, ob mehr dahintergesteckt hatte. Plante sein Vater schon länger aufzuhören?

Das flaue Gefühl in Joss’ Magen steigerte sich langsam zur Panik, als ihm klar wurde, was Edwards Ankündigung bedeutete. Sein Vater würde das Unternehmen nicht aufgrund einer schmerzhaften Hüfte oder sogar wegen ‚einem bisschen Halsschmerzen‘ verlassen, wie er schon einmal betont hatte. Stattdessen hatte Edward immer geschworen, dass sie ihn mit den Füßen voran aus den Dawson’s-Kaufhäusern würden tragen müssen. Dass er freiwillig zurücktrat, zeugte von wirklich schlechten Nachrichten.

Plötzlich bemerkte er zum ersten Mal, dass auf der Haut seines Vaters ein grauer Schatten lag und sich dunkle Linien um seine Augen zogen. Warum war ihm das nicht schon früher aufgefallen? Hatte er sich so wenig um ihn gekümmert? Schließlich war Edward nicht mehr der Jüngste, und er arbeitete immer noch sechzehn Stunden am Tag, während sich andere längst zur Ruhe gesetzt hatten.

Er hätte seinen Vater dazu bringen sollen, es ruhiger angehen zu lassen – hätte ihm mehr abnehmen sollen.

Als Edward endlich seinem Blick begegnete, erkannte er Mitgefühl und Verständnis in seinen Augen. Joss wollte zu ihm eilen und ihn umarmen, aber irgendetwas hielt ihn auf seinem Stuhl zurück. Ein eisiger Schauer durchlief ihn.

Doch dann floss plötzlich wieder Wärme durch seine Fingerspitzen, als sich eine Hand in seine schob und er Evas Stimme hörte.

„Hast du Schmerzen, Edward? Können wir helfen?“

Tränen traten in Joss’ Augen, doch er biss die Zähne zusammen, denn er war fest entschlossen, seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Außerdem hätte er Evas Hand loslassen müssen, wenn er unauffällig eine Träne hätte wegwischen wollen, und er konnte sich wirklich nicht vorstellen, wie er das hinbekommen sollte.

„Vielleicht sollten wir uns in meinem Büro weiterunterhalten?“, schlug Edward Joss mit sanfter Stimme vor. „Und ihr anderen …“, wandte er sich an die übrigen Vorstandsmitglieder, „… streut ein paar gute Bürogerüchte, während ich weg bin. Ihr könnt natürlich auch in eure Mittagspause gehen. Aber überlegt euch eure Fragen, denn ab Ende nächster Woche liege ich entspannt in der Sonne.“

Als sein Vater sich erhob, beobachtete Joss zum ersten Mal, wie er sich schwer auf dem Tisch abstützte.

Während sie über den Korridor zu Edwards Büro liefen, fiel endlich die lähmende Benommenheit von Joss ab. „Dad? Was ist los? Geht’s dir gut? War es das, worüber du mit mir sprechen wolltest?“

Edward ließ sich in seinen Schreibtischstuhl sinken.

„Ja. Es tut mir leid, mein Sohn. Natürlich wollte ich es dir zuerst sagen, aber du bist nicht zu unserem Gespräch gekommen …“

„Dad, wenn ich das gewusst hätte …“

„Das weiß ich doch.“ Er lächelte freundlich. „Aber Eva hatte schon genug Probleme, alle so kurzfristig einzuberufen. Ich konnte die Sitzung nicht länger aufschieben.“

„Warum nicht? Was ist mit dir, Dad?“

„Setz dich, mein Sohn.“ Sein Vater deutete auf einen Stuhl ihm gegenüber. „Und du auch, Eva. Ihr müsst jetzt beide gut zuhören. Ich habe Krebs, und es gibt nichts, was die Ärzte noch tun können. Offenbar habe ich ihn ein bisschen zu lange ignoriert. Also habe ich mir überlegt, dass es Zeit für den Urlaub ist, den ich mir seit Jahren verspreche und nie gemacht habe. Außerdem möchte ich, dass ihr die Zügel übernehmt, solange ich noch da bin und euch helfen kann, wenn ihr Fragen habt.“

Joss starrte seinen Vater an, während er sich abmühte, seine Worte zu erfassen. Erneut griff er nach Evas Hand und hielt sie ganz fest. Allein ihre Gegenwart und die Wärme, die sie ausstrahlte, gaben ihm Kraft.

„Wie lange noch, Dad?“

„Ach, du weißt doch, wie die Ärzte sind. Sie bleiben immer etwas vage. Ein paar Monate vielleicht. Lange genug, um noch etwas Spaß zu haben, bevor ich gehe. Du weißt, wie sehr ich das Geschäft liebe, aber die Nachricht von meiner Krankheit hat mich ins Grübeln gebracht. Und ehrlich gesagt: Ich möchte nicht, dass mein Büro das Letzte ist, was ich sehe.“

„Es tut mir so leid, Edward.“

Joss konnte Tränen in Evas Stimme hören, und er drückte ihre Hand. Er wusste genau, wie gern sie seinen Vater hatte. Bestimmt traf es sie ebenso hart wie ihn.

„Können wir irgendetwas für dich tun?“

„Mir geht es im Moment so weit gut, meine Liebe. Vielen Dank. Aber jetzt bin ich dran mit Fragen.“ Er sah auf ihre verschränkten Hände. „Wollt ihr mir vielleicht etwas sagen?“

Eva war viel zu schockiert, um irgendetwas zu erwidern. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Edward sterben würde. Vielleicht war er in letzter Zeit ein wenig wackelig auf den Beinen gewesen, aber er hatte sich nie auch nur über eine laufende Nase beschwert. Es war absolut unvorstellbar, dass jemand wie er unheilbar krank sein sollte.

Joss hielt noch immer ihre Hand, und die Berührung brannte auf ihrer Haut. Schon Tausende Male zuvor hatte sie sich vorgestellt, wie es wäre, ihn zu berühren, und es trotzdem nie gewagt. Im Besprechungsraum hatte sie dann nicht weiter darüber nachgedacht, sondern einfach seine Hand ergriffen. Sie hatte seine Angst gespürt und instinktiv darauf reagiert.

Aber jetzt wollte Edward sie auf diese Geste festnageln. Unter anderen Umständen hätte sie das Missverständnis binnen Sekunden aufgeklärt, doch hier ging es um Joss’ Vater, und sie standen beide unter Schock. Es war Joss’ Aufgabe, es zu erklären, nicht ihre.

„Tut mir leid, dass du uns erwischt hast, Dad …“, begann dieser.

„Ach komm schon, das muss dir doch nicht leidtun. Ich bin begeistert! Ob ihr’s glaubt oder nicht: Ich war auch mal jung. Und offen gestanden, warte ich schon länger darauf, dass es zwischen euch funkt. Ich schätze mal, wenn ihr euer Privatleben schon mit zur Arbeit nehmt, ist es wohl etwas Ernstes?“

Eva spürte, wie ihr Mund offen stehen blieb. Sie wartete, dass Joss seinem Vater erklärte, was wirklich geschehen war – mit dem Kleid, dem Kaffee und dem verhakten Reißverschluss. Doch über Joss’ Gesicht huschten so viele verschiedene Emotionen, dass sie sie gar nicht so schnell lesen konnte.

Sie wollte ihm zu Hilfe eilen und es selbst aufklären, als Joss endlich die Sprache wiederfand.

„Du hast recht. Es ist uns wirklich ernst. Wir sind verlobt.“

Das war vollkommen verrückt, und sie wollte ihm widersprechen, doch dann sah sie Edwards Miene. Ein breites Lächeln ließ sein Gesicht erstrahlen. Als sie sich daran erinnerte, welch vernichtende Nachricht Joss gerade erhalten hatte, wusste sie, dass sie dem nichts entgegenzusetzen hatte.

Trotzdem entzog sie ihm ihre Hand. Wenn sie einen kühlen Kopf bewahren wollte, musste sie zumindest etwas die Kontrolle behalten.

Seit Jahren versuchte sie sich ihre heimliche Schwärmerei für diesen Mann auszureden. Und jetzt kam er einfach daher und behauptete, er sei in sie verliebt! Aber wenn sie jetzt die Wahrheit sagen würde, wäre das einzige Ergebnis, dass Edward unnötig enttäuscht wurde, und sie liebte Edward fast wie einen Vater. Das konnte sie ihm nicht antun. Stattdessen würde sie mit Joss reden müssen. Er musste es seinem Vater schonend beibringen.

Seltsam, wie Joss ein kleines bisschen unattraktiver wurde, weil sie wütend auf ihn war. Wie lange hatte sie nach einem Grund gesucht, ihn weniger anziehend zu finden?

Denn sie konnte sich keinen unpassenderen Mann vorstellen als den Sohn ihres Chefs, der die meiste Zeit zwischen den englischen Filialen umherreiste, sich ansonsten in seinem Büro hinter Tabellenkalkulationen versteckte und Anrufe enttäuschter Exfreundinnen ins Leere laufen ließ.

Ja, Sekretärinnen tratschen …

Sobald Eva die Anzeichen erkannt hatte – dieses ärgerliche Herzklopfen und die klammen Hände, wenn sie ihn ansah, und dann erst die unangemessenen Träume, aus denen sie nachts völlig erhitzt erwachte und angesichts derer sich fragte, wie weit ihre Fantasie noch gehen würde –, hatte sie reagiert.

Sie war ihm aus dem Weg gegangen, im Büro, im Pausenraum, sogar im Pub. Und sie hatte sich voll und ganz in ihr Single-Leben gestürzt. Im Gegensatz zu Joss, der Dates auf eine sehr klinisch-neutrale Weise betrieb, hatte sie ihren ganzen Enthusiasmus hineingelegt. Sie hatte sich mit gutaussehenden, begehrten Junggesellen verabredet, die sich unbeeindruckt gezeigt hatten von ihrem Gehalt oder den sieben Sprachen, die sie fließend beherrschte. Sie war tanzen gegangen, hatte Cocktails gemixt, gepicknickt und sich mit Adligen amüsiert, ebenso wie mit Jungs aus der Arbeiterklasse.

Aber nicht ein einziger Mann hatte sie auch nur ansatzweise von Joss ablenken können. Und so hatte sie sie alle am Ende des Abends sittsam auf die Wange geküsst. Wie es schien, blieb Joss für sie unvergesslich. Und nun zog er sie in etwas hinein, auf dem ziemlich eindeutig SCHLECHTE IDEE geschrieben stand. In Großbuchstaben.

„Na ja, ich kann nicht sagen, dass es mich überrascht. Ich hab mir schon länger gedacht, dass ihr beide eine Schwäche füreinander habt“, antwortete Edward schließlich, noch immer mit einem zufriedenen Lächeln.

Eva stöhnte innerlich. Wie viel von ihrer dummen Schwärmerei hatte er mitbekommen? Was hatte er sich dabei gedacht? Und noch schlimmer: Was dachte Joss nun von ihr?

„Und es macht mich sehr glücklich, euch noch als Paar zu erleben, bevor ich gehe.“

Darauf schwiegen alle drei und ließen seine Worte nachwirken, die sie wieder an seine Krankheit erinnerten und von der vollkommen absurden Lage ablenkten, in die Joss sie gerade gebracht hatte.

„Aber jetzt muss ich noch ein wenig arbeiten. Also raus mit euch.“

Eva hauchte Edward einen Kuss auf die Wange, bevor sie etwas Unverständliches murmelte und Joss voran durch das Großraumbüro in dessen eigenes eilte.

„Was zur Hölle war das?“, verlangte sie zu wissen, sobald sie allein waren. Sie starrte Joss an, der sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ und das Gesicht in den Händen vergrub.

„Nicht jetzt, Eva.“

„Nicht jetzt? Du hast deinem Vater erzählt, wir wären verlobt! Meinst du nicht, dass ich eine Erklärung verdient habe?“

„Er hat mir gerade gesagt, dass er stirbt. Ich kann jetzt nicht darüber reden.“

Sie setzte sich ihm gegenüber. Übelkeit stieg in ihr auf. Joss hatte recht, er hatte eine schreckliche Nachricht erhalten. So sehr sie ihm auch die Meinung sagen wollte – jetzt war vielleicht nicht gerade der Zeitpunkt dafür.

„Du wusstest von nichts?“, fragte sie leise.

„Er hat kein Wort darüber verloren. Nur, dass er vor der Sitzung mit mir sprechen wollte. Aber dann wurde ich aufgehalten, und … den Rest kennst du. Er wollte es mir sagen.“

„Das konntest du nicht wissen.“ Sie stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und legte eine Hand auf seine Schulter. „Außerdem hätte es nichts an den Tatsachen geändert.“

„Es hätte sich anders angefühlt, wenn er es mir zuerst gesagt hätte, vor allen anderen.“

„Du hast recht. Das tut mir leid.“

Er lehnte seinen Kopf an ihren Arm, und sie strich ihm mit der Hand übers Haar.

„Und es tut mir leid, was ich ihm über uns erzählt habe.“

Plötzlich veränderte sich die Atmosphäre zwischen ihnen, und Eva zog ihre Hand zurück. Sie setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs und betrachtete ihre Füße in den Stilettos. „Warum hast du das überhaupt gemacht? Die Wahrheit wäre sehr viel einfacher gewesen. Das macht es nur schwerer, alles zu erklären. Verlobt oder nicht: Was glaubt er wohl, was wir in seinem Büro getan haben?“

Joss schluckte. „Ich habe gar nicht darüber nachgedacht. Ich wollte nicht, dass er dir irgendetwas unterstellt. Und irgendwie bin ich schneller auf ‚verlobt‘ gekommen als auf ‚Kleiderpanne‘. Du hast sein Gesicht gesehen, als ich ihm erzählt habe, wir wollen heiraten. Ich wusste, dass es ihn freuen würde.“

„Wenn du mich heiratest?“

„Wenn ich glücklich bin … angekommen“, erklärte Joss zerknirscht. „Das ist alles, was er sich für mich wünscht. Und seit meiner Scheidung … Aber das willst du alles gar nicht hören. Vertrau mir einfach. Ich kenne meinen Vater, und ich wusste, dass er sich freuen würde.“

„Aber was wird es dann erst mit ihm machen, wenn du zugibst, dass es diese Verlobung nie gegeben hat?“

Sein angespannter Kiefer und der Ausdruck in seinen Augen verrieten, dass er nicht vorhatte, seinem Vater reinen Wein einzuschenken.

„Jetzt mach dich nicht lächerlich“, sagte sie, wobei sie sich um eine feste Stimme bemühte. „Wir müssen ihm die Wahrheit sagen. Ich werde ihm einfach von dem Kleid und dem Kaffee erzählen. Ich biege es schon wieder hin.“

Joss zuckte die Schultern. „Das mit dem Kleid können wir gerne erklären. Aber ich sehe keinen Grund, warum wir die Verlobung widerrufen sollten.“

Eva stand auf und machte einen Schritt auf ihn zu. Er sollte ruhig wissen, dass sie sich weder von seiner Machtposition in der Firma einschüchtern ließ noch davon, dass er fünfzehn Zentimeter größer war als sie. Vor allem, da er gerade saß und sie sich vor ihm aufbauen konnte.

„Keinen Grund, Joss? Du bist in Panik geraten und hast ihm frech ins Gesicht gelogen. Und das hat Auswirkungen auf uns beide. Ich habe nicht vor, deinen Vater zu hintergehen. Wenn du also nicht möchtest, dass ich ihm verrate, dass die Verlobung bloß erfunden ist, dann solltest du es schleunigst selbst erledigen.“

„Oder wir könnten ihn einfach glauben lassen, dass es wahr ist.“

Sie wich zurück und starrte ihn an. „Bist du verrückt? Warum sollten wir so etwas tun?“

„Vielleicht bin ich wirklich verrückt geworden. Es wäre nicht das erste Mal … Ich weiß nur, dass mein Vater mir gerade gesagt hat, er stirbt, und ich – wir – können etwas tun, das ihn in seiner verbleibenden Zeit glücklich macht.“

„Indem wir ihn anlügen? Glaubst du wirklich, dass er das möchte?“

„Du hast sein Gesicht gesehen. Entscheide selbst, ob die Lüge ihm schadet.“

Sie zuckte die Schultern, denn sie konnte es nicht abstreiten. „Ich weiß, dass er glücklich aussah, Joss. Aber das kann doch nicht richtig sein. Ich meine, wie lange wollen wir das durchziehen?“

Als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte, verpuffte ihre Wut, und sie setzte sich wieder hin. „Tut mir leid. Das meinte ich nicht so …“

„Ich weiß. Aber du hast recht, wir müssten durchhalten, bis er stirbt. Und ich verspreche dir, dass ich dich nicht wirklich vor den Traualtar zerren werde.“

Für einen Moment hielt Eva inne. Edward hatte tatsächlich sehr glücklich gewirkt, als Joss ihn angelogen hatte, so zufrieden hatte er seit Langem nicht mehr ausgesehen.

Und sie liebte Edward. Er war schon so lange ein fester Bestandteil ihres Lebens, dass sie sich nicht mehr vorstellen konnte, wie es ohne ihn sein würde. Bei diesem Gedanken stieg in ihrer Kehle ein Schluchzen auf, und sie hatte Mühe, es hinunterzuzwingen. Wenn es Edward wirklich glücklich machte, konnte sie bei dieser Scheinverlobung nicht nur mitspielen, dann sollte sie es vielleicht sogar tun.

„Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken“, sagte sie schließlich, um ihre Gedanken nicht sofort zu verraten.

Der Himmel wusste, wie lange sie ihre Gefühle schon vor Joss verbarg. Wenn sie das hier wirklich durchziehen würden, wie sollte ihm dann nicht irgendwann doch auffallen, dass ihre Lippen sich jedes Mal für ihn öffnen wollten, wenn sie ihn ansah? Dass ihre Zunge diese Lippen befeuchten und ihr Körper sich automatisch an ihn lehnen wollte?

„Nimm dir Zeit. Wie es aussieht, wird hier heute Nachmittag ohnehin nicht mehr groß gearbeitet.“

Eva schüttelte den Kopf. „Dein Vater braucht mich.“

„Ich gehe jetzt zu ihm und spreche mit ihm. Es wird ein langes Gespräch werden, und ich kann ihm sagen, dass du mit Kopfschmerzen nach Hause gegangen bist.“

„Während er todkrank weiterarbeitet? Nein danke. Schließ dich mit deinem Vater ein, wenn du willst, aber ich werde an meinem Schreibtisch sitzen, falls einer von euch mich braucht.“

Joss lehnte sich in seinem Stuhl zurück und gab sich geschlagen. „Trotzdem müssen wir reden. Und nicht im Büro. Wie wäre es mit einem Dinner heute Abend?“

Dinner.

Wie oft hatte sie davon geträumt, dass Joss sie einlud. Auch wenn sie natürlich hätte ablehnen müssen. Es war nicht nur die Tatsache, dass er ständig auf Reisen war. Selbst wenn er im Büro arbeitete, war er irgendwie … nicht ganz da. Er blieb distanziert, auch wenn er so nah war, dass sie ihn hätte berühren können.

Mit Fernbeziehungen zu Menschen, die sie innig liebte, kannte sie sich aus. Und sie hatte es immer gehasst. Das Letzte, was sie brauchte, war ein Mann – ein Verlobter – der selbst dann auf Distanz blieb, wenn er bei ihr war.

Aber sie würde sich nicht von ihm fernhalten können, wenn er allen erzählte, dass sie verlobt waren. Sie musste ihn davon überzeugen, dass er seinem Vater reinen Wein einschenkte. Und sich dann überlegen, wie um alles in der Welt sie zusammenarbeiten sollten.

Autor

Ellie Darkins
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