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"Ich will dich!" Der griechische Tycoon Christophe Donakis begehrt seine Ex-Geliebte Erin mehr denn je. Obwohl sie ihn einst betrog, löst sie wildes Verlangen in ihm aus. Doch jetzt will er sie endlich vergessen! Eine letzte Liebesnacht soll seine Lust ein für alle Mal stillen …


  • Erscheinungstag 26.11.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520850
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als der griechische Unternehmer Christophe Donakis die Broschüre der zum Verkauf stehenden Hotelgruppe Stanwick Hall aufschlug, traf ihn ein unerwarteter Schock.

Dabei brauchte es eine ganze Menge, um Christo zu schockieren. Der dreißigjährige Besitzer einer Kette von Luxushotels hatte in seinem Leben schon etliche Schicksalsschläge hinnehmen müssen: Mit fünf Jahren war er zur Vollwaise geworden und in die Obhut von Pflegeeltern gekommen, die er zwar über alles liebte, mit denen er aber kaum etwas gemein hatte. Dem weiblichen Geschlecht begegnete Christo mit einer gehörigen Portion Zynismus, denn die Erfahrung hatte ihn gelehrt, seine Erwartungen herunterzuschrauben. Zwar hatte er mit den besten Absichten geheiratet, aber seine Ehe war in die Brüche gegangen. Nein, was Christo jetzt hinter seinem Schreibtisch aufspringen und wegen der besseren Lichtverhältnisse zum Fenster eilen ließ, war ein beunruhigend vertrautes Gesicht, das er inmitten der leitenden Angestellten von Stanwick entdeckt hatte – ein Gesicht aus der Vergangenheit.

Erin Turner – die eiskalte Verführerin mit dem glänzenden, weißblonden Haar und den Augen in der Farbe von Amethysten. Sofort zog ein finsterer Schatten über sein attraktives braungebranntes Gesicht. In seinem Leben nahm Erin tatsächlich eine Sonderstellung ein, denn schließlich war sie die einzige Frau, die ihn je betrogen hatte. Und obwohl seitdem schon drei Jahre vergangen waren, tat ihm die Erinnerung immer noch weh. Nun sah er sie auf dem Foto lächelnd neben Sam Morton stehend, dem etwas älteren Besitzer von Stanwick Hall. In ihrem dunklen Hosenanzug und mit dem zurückgesteckten herrlichen Haar sah sie ganz anders aus als die sorglose, lässig gekleidete junge Frau, die er damals gekannt hatte.

Plötzlich ging eine Anspannung durch ihn, und seine dunkelgoldenen Augen glänzten fiebrig. Für eine Sekunde hatte er das Bild von Erins herrlichem Körper in Dessous aus Satin und Seide vor Augen. Noch deutlicher erinnerte er sich an das wundervolle Gefühl, ihre sinnlichen Kurven unter seinen Händen zu spüren. Er atmete tief ein, um die Reaktion seiner Lenden in den Griff zu bekommen. Eine Frau wie Erin war ihm nie wieder begegnet. Allerdings hatte er auch kurz nach der Affäre eine andere Frau geheiratet und genoss erst seit wenigen Wochen wieder die Freiheiten des Single-Daseins. Jemals wieder eine Frau zu treffen, die es mit Christos Libido nicht nur aufnehmen, sondern sie bisweilen sogar überbieten konnte, war dennoch höchst unwahrscheinlich. Vermutlich war es eben jenes unstillbare Verlangen gewesen, das Erin in die Arme ihres nächsten Liebhabers getrieben hatte. Aber Christo war nun einmal ein Workaholic: Da er ein paar wichtige Geschäfte außer Landes hatte abwickeln müssen, hatte er sie mehrere Wochen allein gelassen. Womöglich hatte er damit das Ende ihrer Affäre heraufbeschworen. Wäre sie mit ihm gereist, wäre es vielleicht nie zu dem Bruch gekommen.

Er betrachtete Sam Morton, dessen Körpersprache und Gesichtsausdruck recht aufschlussreich waren. Die zierliche Managerin seiner hoteleigenen Spas löste offenbar Beschützerinstinkte in dem Mann aus, der über sechzig sein musste. Das selbstzufriedene Lächeln und der Arm, den er um Erins Schulter gelegt hatte, verrieten tiefere Gefühle. Christo stieß einen griechischen Fluch aus. Nein, eine andere Interpretation gab es nicht: Wieder einmal konnte Erin es nicht lassen und ging mit ihrem Boss ins Bett! Eigentlich hätte er es gleichmütig hinnehmen sollen, dass sie ihre weiblichen Reize noch immer möglichst gewinnbringend einsetzte. Doch der Gedanke, dass sie die gleichen alten Spielchen spielte, machte ihn rasend. Ob sie Morton wohl ebenfalls bestahl?

Nachdem er von Erin so bitter enttäuscht worden war, hatte Christo sie sofort fallengelassen. Doch das hatte die Bitterkeit in ihm nicht auslöschen können, und nachdem er erfahren musste, dass sie ihn auch noch tüchtig ausgenommen hatte, war dieses Gefühl fast unerträglich geworden. Er hatte Erin vertraut, ja, sich sogar gefragt, ob sie eine gute Ehefrau abgeben würde. Als er dann aber in ihrem Schlafzimmer den anderen Mann und die Weingläser und Kleidungsstücke entdeckte, die ihre eigene schmutzige Geschichte erzählten, hatte ihn das eiskalt erwischt. Und wie hatte er reagiert?

Zerknirscht musste Christo sich den größten Fehler seines Lebens eingestehen. Nachdem er Erin auf die Schliche gekommen war, hatte er eine Entscheidung getroffen, die er noch heute bereute. Er hatte einen falschen Schachzug getan und überstürzt geheiratet. Im Nachhinein wusste Christo genau, warum er so und nicht anders gehandelt hatte. Dennoch konnte er sich den fatalen Missgriff nicht verzeihen, der so viele Menschen in Mitleidenschaft gezogen hatte. Mit mürrischem Gesichtsausdruck betrachtete er das Foto erneut. Erin sah immer noch fantastisch aus und setzte sicherlich jedes erdenkliche Mittel zu ihrem eigenen Vorteil ein, während der arme Tropf an ihrer Seite ihr blind vertraute und den Boden anbetete, den ihre zarten Füße berührten.

Aber Christo wusste, dass er es in der Hand hatte, den Boden unter eben jenen zarten Füßen zum Wanken zu bringen. Er bezweifelte, dass der seinem Ruf nach konservative und moralisch rechtschaffene Morton auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass Erin in ihrem Herzen nichts als eine ganz gewöhnliche Diebin war.

Diese Bombe war nur wenige Wochen nach der Trennung von Christo und Erin geplatzt. Eine Wirtschaftsprüfung hatte erhebliche Unstimmigkeiten in den Büchern des Spas, das Erin für Christo geleitet hatte, aufgedeckt. Teure Wellness-Produkte waren verschwunden. Rechnungen gefälscht, ja sogar freie Mitarbeiter erfunden worden, die Honorare für nie geleistete Arbeit erhielten. Nur Erin hatte Zugang zu diesen Unterlagen, und eine verlässliche, langjährige Angestellte der Firma hatte bezeugt, dass Erin kartonweise Produkte aus dem Lager entwendet hatte. Vom ersten Tag ihrer Tätigkeit an hatte Erin die Firma offensichtlich um mehrere Tausend Pfund erleichtert. Warum hatte er den Diebstahl nicht zur Anzeige gebracht? Sein Stolz hatte ihn davon abgehalten, öffentlich zuzugeben, dass er nicht nur mit einer Kriminellen ins Bett gegangen war, sondern ihr sogar seine Geschäfte anvertraut hatte.

Erin hatte jede Menge Tricks auf Lager, wie er sich bitter eingestehen musste. Natürlich war sich Morton nicht im Geringsten bewusst, dass seine ach so unschuldige Angestellte mit vollem Körpereinsatz ein lukratives Spielchen trieb. Ob sie Mortons Namen ebenfalls herausstöhnte, wenn sie den Höhepunkt erreichte? Ob sie ihn auch nach allen Regeln der Kunst verführte, wenn er sich die Wirtschaftsnachrichten ansehen wollte? Wahrscheinlich tat sie alles das, denn schließlich hatte sie von Christo gelernt, worauf Männer stehen.

Irritiert, dass die Erinnerung an die längst vergangene Zeit noch so intensiv war, goss Christo sich einen Whisky ein, um sich zu beruhigen. Der Satz „Reg dich nicht auf, räch dich lieber“ war schließlich so etwas wie sein Lebensmotto. Erin benutzte also immer noch ihren Verstand und ihren Körper, um die Karriereleiter nach oben zu klettern. Überraschte ihn das etwa? Und warum glaubte er, dass Morton so naiv war, nicht zu wissen, mit wem er sich da eingelassen hatte? Die meisten Männer würden sofort auf einen Deal eingehen, bei dem so viel Sex wie möglich für sie heraussprang.

Zu seiner Überraschung stellte Christo in diesem Moment fest, dass auch er nicht anders als die meisten Männer war, die vor allem an die eigene Befriedigung dachten. Ich könnte sie noch einmal haben. Bei dem Gedanken strömte das Adrenalin durch seine Adern. Ich würde es genießen, sie noch einmal zu haben. Bei einem alten Mann war ihr Talent nur verschwendet. Sie war so unersättlich, dass ein Mann mit konventionellem Geschmack es nicht mit ihr aufnehmen konnte. Neugierig blätterte er in der Broschüre. Erins reicher Boss war Witwer, vielleicht hatte sie den Ehrgeiz, die zweite Mrs Morton zu werden? Warum sollte eine gewiefte Goldgräberin wie sie sich bei ihrem Arbeitgeber einschmeicheln, wenn es nur um Brosamen ging? Christo war überzeugt, dass Erin der Versuchung nicht hatte widerstehen können, sich in den Spas von Sam Morton ebenfalls zu bedienen.

Ihr Überlebensinstinkt und ihre Durchtriebenheit beleidigten Christos Gerechtigkeitssinn. Aber hatte er wirklich geglaubt, dass eine mit allen Wassern gewaschene Ränkeschmiedin sich nach dem Ende ihrer Affäre bessern würde? Es war wirklich an der Zeit, sie zu vergessen, und was würde sich dafür besser eignen, als ein letztes sexuelles Abenteuer, mit dem er sich diesen Teufel austrieb?

Er hatte Erins wahres Ich durchschaut und wusste, dass die Erinnerung an die gemeinsamen Nächte ihn trog. Die Erinnerung verklärte Erins Bild und ließ sie in einem Licht erstrahlen, das nichts mit der Wirklichkeit gemein hatte. Er musste endlich aufhören, sich in Fantasien über ihren Körper zu ergehen. Eine persönliche Begegnung würde sicherlich den gewünschten Effekt bringen. Ein grausames Lächeln wanderte über seine Lippen, als er sich den bestürzten Gesichtsausdruck ausmalte, den das Wiedersehen bei ihr auslösen musste.

„Erst wägen, dann wagen“, hatte die Pflegemutter in seiner Kindheit oft gesagt, da sie nicht begreifen konnte, warum Christo sich von riskanten Unternehmungen so angezogen fühlte. Trotz der unermüdlichen Versuche seiner Pflegeeltern, sein wildes Temperament zu zähmen, hatten sich bei Christo die draufgängerischen Gene der Donakis-Familie durchgesetzt.

Christo ließ sich allein von dem herrlichen Gefühl der Herausforderung leiten und griff, ohne einen weiteren Gedanken an mögliche Konsequenzen zu verschwenden, zum Telefon. Als der Chef seiner Einkaufsabteilung abnahm, gab Christo ihm den Auftrag, die nächste Verhandlungsrunde mit dem Besitzer der Hotelkette Stanwick Hall in Oxford einzuläuten.

„Was halten Sie denn nun von dem Wagen?“, fragte Sam Morton, den das ungewohnte Schweigen seiner Mitarbeiterin überraschte. „Sie brauchen einen neuen, und hier ist er.“

Erin starrte noch immer mit offenem Mund auf den teuren silbernen BMW, der vor der Firmengarage parkte. „Er ist sehr schön, aber …“

„Aber nichts!“, unterbrach Sam ungeduldig, als rechnete er damit, dass sie das Geschenk zurückweisen würde. Sam, kaum größer als Erin, war ein sportlicher Mann mit einem Schopf weißer Haare und hellblauen Augen, die vor Energie funkelten. „Sie leisten hier bei Stanwick wichtige Arbeit und verdienen ein Auto, das Ihre Position widerspiegelt.“

„Aber doch kein Luxusmodell“, protestierte sie. Nicht auszumalen, was ihre Kolleginnen denken würden, wenn sie in diesem Wagen angefahren käme. „Das ist viel zu teuer.“

„Für meine beste Angestellte ist mir nichts zu teuer“, gab Sam mit fröhlicher Sorglosigkeit zurück. „Immerhin haben Sie mir gezeigt, wie wichtig das Image meiner Firma ist. Und so ein kleiner Sportflitzer schlägt doch nicht sonderlich zu Buche.“

„Ich kann ihn einfach nicht annehmen“, erklärte Erin unbehaglich.

„Sie haben keine andere Wahl“, sagte ihr Boss gut gelaunt und drückte Erin den Autoschlüssel in die Hand. „Ihr alter Fiesta ist weg. Sagen Sie einfach Danke.“

Erin starrte auf den Schlüssel. „Vielen Dank, aber das ist wirklich zu viel.“

„Werfen Sie nur mal einen Blick auf die Gewinne, die unsere Spas einfahren, seit Sie die Leitung übernommen haben. Sie sind für die Firma bestimmt zehnmal so viel wert wie der Preis dieses Autos. Also kein Wort mehr.“

„Sam …“, seufzte Erin, als er den Schlüssel aus ihrer Hand nahm, zum BMW ging und die Fahrertür öffnete.

„Nun steigen Sie schon ein“, drängte er. „Machen wir eine Probefahrt. Vor dem wichtigen Termin heute Nachmittag muss ich noch etwas Zeit totschlagen.“

„Was für ein wichtiger Termin?“, fragte sie, als sie auf dem Fahrersitz Platz nahm, den Rückwärtsgang einlegte und aus der Einfahrt fuhr.

„Ich denke daran, mich zur Ruhe zu setzen“, gestand ihr Boss.

Erin unterdrückte einen Seufzer. Sam Morton redete ständig davon, die drei Hotels zu verkaufen und in den Ruhestand zu gehen. Doch sie glaubte längst nicht mehr, dass er diesen Plan wirklich in die Tat umsetzen wollte. Mit zweiundsechzig Jahren arbeitete er immer noch bis spät in die Nacht. Seit mehr als zwanzig Jahren war er verwitwet, Kinder hatte er keine. Seine Hotelkette war sein Lebenswerk, dem er seine gesamte Zeit und Energie schenkte.

Eine halbe Stunde später, nachdem sie Sam bei seinem Golfclub abgesetzt und die Einladung zum Mittagessen dort ausgeschlagen hatte, war Erin zurück in Stanwick Hall und ging in das Büro von Sams Sekretärin Janice, einer dunkelhaarigen, modisch gekleideten Frau von Anfang fünfzig.

„Haben Sie das Auto gesehen?“, fragte Erin die Sekretärin und zuckte verlegen die Schultern.

„Ich war sogar mit im Schauraum, um Sam bei der Entscheidung zu helfen – habe ich ihn nicht gut beraten?“, zog die ältere Frau Erin auf.

„Und Sie haben nicht versucht, ihn davon abzuhalten, ein so teures Modell zu nehmen?“, fragte Erin überrascht.

„Im Moment freut sich Sam so sehr über die Gewinne des letzten Quartals, dass er mit dem Geld einfach um sich wirft. Ihnen ein neues Auto zu kaufen, war ein guter Vorwand. Ich habe gar nicht erst versucht, es ihm auszureden. Wenn Sam sich etwas in den Kopf gesetzt hat, wird es ebenso gemacht. Sehen Sie es doch einfach als Prämie für die vielen neuen Kunden, die wir hinzugewonnen haben, seit Sie die Leitung der Spas übernommen haben“, riet Janice. „Sie haben bestimmt bemerkt, dass Sam momentan etwas durcheinander ist.“

Erin sah die Frau hinter dem Schreibtisch fragend an. „Wie meinen Sie das?“

„Seine Laune wechselt ständig, und er wirkt rastlos. Ich glaube, dieses Mal will er wirklich verkaufen und sich zur Ruhe setzen. Das Ganze ist eine neue Herausforderung für ihn.“

Die Einschätzung der Sekretärin überraschte Erin, denn sie hatte sich angewöhnt, Sams Andeutungen, die Hotels verkaufen zu wollen, nicht ernst zu nehmen. In den zwei Jahren, die sie nun schon für ihn arbeitete, waren verschiedene Kaufinteressenten gekommen, aber nach zähen Verhandlungen von Sam allesamt wieder fortgeschickt worden. „Glauben Sie wirklich? Und bedeutet das etwa, dass die Hälfte von uns im nächsten Monat zum Arbeitsamt rennen muss?“

„Nein, da kann ich Sie beruhigen. Im Falle eines Eigentümerwechsels ist gesetzlich geregelt, dass die Angestellten ihren Job behalten. Das weiß ich, weil Sam sich informiert hat“, erklärte Janice.

Die zierliche Erin, heute in einen braunen Hosenanzug gekleidet, ließ sich auf den Stuhl in der Nähe des Fensters fallen. In ihrem Inneren wechselten sich Erleichterung und Misstrauen ab, da sie aus Erfahrung wusste, dass man sich auf solche Aussagen nicht unbedingt verlassen konnte. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass es ihm wirklich ernst ist.“

„Sein sechzigster Geburtstag war der Wendepunkt, wie er selbst sagt. Er ist gesund und vermögend und möchte das jetzt genießen“, meinte Janice. „Ich kann ihn verstehen. Seitdem ich für ihn arbeite, hat sich sein Leben nur um die Firma gedreht.“

„Außer Golf hat er nichts, womit er sich beschäftigen kann“, warf Erin ein.

„Vorsicht, Erin. Er hat Sie sehr gern“, murmelte Janice und betrachtete die jüngere Frau aufmerksam. „Ich hatte immer gedacht, Sam sähe in Ihnen eine Art Tochter. In letzter Zeit bin ich mir da nicht mehr so sicher.“

Die Einschätzung der Sekretärin verursachte Erin Unbehagen. Sie sah der anderen Frau in die Augen, dann brach sie in hilfloses Gelächter aus. „Allein der Gedanke, Sam könne bei mir einen Annäherungsversuch wagen, ist absurd!“

„Sie sind eine schöne Frau, und schöne Frauen wecken in einem Mann selten nur platonische Gefühle“, erwiderte Janice. „Er fühlt sich einsam, Sie können gut zuhören und arbeiten hart. Und er bewundert Sie dafür, dass Sie Ihr Leben neu aufgebaut haben. Warum sollte er keine Gefühle für Sie entwickelt haben?“

„Wie kommen Sie bloß auf die Idee, dass Sam an mir interessiert sein könnte?“, fragte Erin.

„Manchmal sieht er Sie auf diese Art an. Und er erfindet immer wieder Gründe, unbedingt mit Ihnen reden zu müssen. Bei Ihrem letzten Urlaub wusste er gar nichts mit sich anzufangen.“

Normalerweise achtete Erin die Meinung der lebensklugen Janice, aber in diesem Fall war sie überzeugt, dass die ältere Frau irrte. Erin war sich sicher, ihren Chef in- und auswendig zu kennen. Zudem empfand sie Mitleid mit Sam – er war ein Mann mit altmodischen Werten und würde es abscheulich finden, dass unter seinen Angestellten solche Gerüchte über ihn kursierten. Kein einziges Mal hatte er auch nur ansatzweise mit Erin geflirtet, sondern sie behandelt wie jede Angestellte, die er schätzte und der er vertraute.

„Ich denke, Sie irren sich, und ich hoffe, dass niemand sonst einen solchen Verdacht hegt.“

„Das Auto wird für Gerede sorgen“, warnte Janice.

Röte stieg Erin in die Wangen. Sie wollte diese quälende Unterhaltung endlich beenden. In den letzten zwei Jahren war ihr Sam Morton ans Herz gewachsen und sie achtete ihn als Mann mit Prinzipien. Es war ihr peinlich, über ihn so zu reden, als hege er die üblichen Absichten. Niemand anderes wollte sie einstellen, doch Sam hatte ihr eine Chance gegeben. Nur Sam hatte sie es zu verdanken, dass sie genug Geld verdiente, um gut über die Runden zu kommen. Was würde aus ihr werden, wenn Sam die Firma verkaufte? Ein neuer Besitzer würde wahrscheinlich seine eigenen Leute mitbringen, und Erin hätte nicht mehr die Freiheit, so zu handeln, wie sie es um Moment tat. Zuhause trug sie große Verantwortung, und allein der Gedanke an Arbeitslosigkeit machte ihr Angst.

„Ich gehe jetzt besser. Bei Owen stellen sich heute Nachmittag zwei Masseure vor“, erklärte sie. „Da will ich ihn nicht warten lassen.“

Während Erin den schnittigen BMW zum Black’s Inn, dem kleinsten Hotel von Sam, fuhr, überlegte sie, wie viel Geld sie in den letzten Monaten auf die hohe Kante gelegt hatte. Es war nicht so viel, wie erhofft. Wenn sie jetzt ihren Job verlor, würde es nicht lange reichen. Ihr fiel wieder ein, wie schwierig es gewesen war, mit der Sozialhilfe über die Runden zu kommen, als ihre Zwillinge Lorcan und Nuala gerade auf die Welt gekommen waren. Ihre Mutter, einst so stolz auf die Tochter, hatte es damals nicht fassen können, dass Erin eine aussichtsreiche Zukunft in den Sand gesetzt hatte. Erin selbst hatte sich wie eine Versagerin gefühlt, aber den Zeitpunkt genau benennen können, als sich ihr Leben zum Schlechten gewendet hatte. Natürlich wäre es toll gewesen, eine wunderbare Karriere und den Mann ihrer Träume zu haben, aber sich beides gleichzeitig zu wünschen, war eben doch zu vermessen gewesen. In Wahrheit hatte sie sich einfach in den falschen Mann verliebt.

Seitdem hatte sich Erin die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Immer, wenn ihr das Geld fehlte, den Zwillingen etwas Schönes zu kaufen, oder sie die Vorhaltungen ihrer Mutter über sich ergehen lassen musste, wurde ihr schmerzhaft bewusst, dass nur sie selbst die Schuld daran trug. Für ihren Mangel an Voraussicht gab es keine Entschuldigung. Dabei war sie schon in ihrer Kindheit durch eine harte Schule gegangen. Ihre Eltern waren alles andere als wohlhabend gewesen, aber ihr Vater hatte stundenlang damit geprahlt, wie er zu einem Vermögen kommen wollte. Erin hatte ihm zugehört, aber das Vermögen hatte sich nie eingestellt. Im Gegenteil – das bisschen Geld, das sie hatten, wurde in Geschäfte gesteckt, die zum Scheitern verurteilt waren, sodass ihre Familie bald vor einem Haufen Schulden stand. Mit zehn Jahren erlebte Erin, wie ihre schlecht ausgebildete Mutter eine Reihe von Gelegenheitsjobs annehmen musste, um die Familie über Wasser zu halten. Da begriff sie, dass ihr Vater ein hoffnungsloser Träumer war, der gar nicht den nötigen Ehrgeiz besaß, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Und sein eitler Gedanke, er habe etwas Besseres verdient, hinderte ihn daran, sich einen normalen Job zu suchen. Als Erin zwölf Jahre alt war, kam ihr Vater dann bei einem Eisenbahnunglück ums Leben.

Kurz gesagt: Erin hatte schon in sehr jungen Jahren gelernt, dass eine Frau sich am besten nicht auf einen Mann verließ, sondern für sich selbst sorgte. Also hatte sie für die Schule gebüffelt und sich danach an der Universität eingeschrieben, obwohl ihre Mutter sie gedrängt hatte, sich gleich einen guten Job zu suchen. Zwar hatte Erin durchaus Freunde gehabt, sich jedoch vor einer engeren Beziehung gesträubt, da sie ihren Ehrgeiz nicht an den eines anderen Menschen binden wollte. Als sie die Uni mit einem der besten Abschlüsse in Wirtschaftsmanagement verließ, stand ihr der Weg für eine aussichtsreiche Karriere offen. Um ihr Studium zu finanzieren, hatte sie außerdem in jeder freien Minute als Fitnesstrainerin gearbeitet und somit auch praktische Erfahrungen gesammelt.

Nachdem Erin am späten Nachmittag vom Black’s Inn zurückgekehrt war, informierte die Empfangsdame von Stanwick sie, dass Sam sie sofort sehen wolle. Bestürzt, weil sie vergessen hatte, das Handy nach den Vorstellungsgesprächen wieder einzuschalten, klopfte Erin an die Tür von Sams Büro und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten.

„Ah, Erin, endlich. Wo waren Sie den ganzen Nachmittag? Ich möchte Ihnen jemanden vorstellen“, sagte Sam, als sie im Zimmer stand.

„Entschuldigung. Ich habe vergessen, Sie zu benachrichtigen, dass ich drüben im Black’s Inn ein paar Vorstellungsgespräche geführt habe“, erklärte Erin. Sie lächelte entschuldigend, doch dann lenkte eine Bewegung in der Nähe des Fensters ihre Aufmerksamkeit von ihrem Boss ab. Sie wandte den Kopf, sah den großen, kräftigen Mann aus dem Schatten treten und erstarrte, als wäre sie plötzlich von einer gläsernen Wand umgeben, die sie von der übrigen Welt trennte.

„Miss Turner?“, schnurrte eine Stimme mit einem leichten griechischen Akzent. „Ich freue mich, endlich Ihre Bekanntschaft zu machen. Ihr Boss schwärmt ja in den höchsten Tönen von Ihnen.“

Erin zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen. Die volltönende Stimme löste in ihr den Reflex aus, die Flucht zu ergreifen. Selbst in einer großen Menschenmenge hätte sie den Tonfall, der keine Widerrede duldete, sofort erkannt, schließlich war er ebenso unvergesslich wie der Mann selbst.

„Das ist …“, begann Sam.

„Christophe Donakis.“ Christo streckte ihr eine braungebrannte Hand entgegen, als wären sie sich noch nie zuvor begegnet.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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