Sehnsüchtige Begegnung in Rom

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Wie konnte Leonizio Fellani mit nur einem Kuss ein Feuerwerk der Sinnlichkeit in ihr entfachen? Anwältin Ellie Benson ist über ihre eigene Schwäche schockiert - noch nie hat ein Mann sie so berauscht wie er. Dabei zählt für Ellie doch sonst nur Disziplin! Aber für Reue ist es jetzt zu spät, denn ihr One-Night-Stand hat Folgen. Trotzdem wird sie den dominanten Leo nicht heiraten! Denn um Kind und Karriere zu verbinden, braucht sie keinen Mann! Warum träumt sie dann jede Nacht von den leidenschaftlichen Umarmungen des italienischen Tycoons?


  • Erscheinungstag 01.08.2017
  • Bandnummer 2295
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708535
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Später würde Ellie Benson sich immer an den Tag erinnern, als alles seinen Anfang nahm. Als ihre Welt ins Wanken geriet und nichts mehr war wie zuvor.

Es begann an einem trüben, nasskalten Morgen im Februar. Sie steckte im Stau und würde zu spät zur Arbeit kommen. Nervös trommelte sie mit den Fingern auf das Lenkrad.

Für die Außenwelt verkörperte sie das, was man eine Karrierefrau nannte. Eine hochqualifizierte Anwältin mit einer Anstellung in einer der renommiertesten Kanzleien Londons. Zu spät zur Arbeit zu erscheinen war definitiv nicht ihr Stil, aber genau das würde passieren.

Als sie endlich im Büro eintraf, teilte ihr Rita, die junge Assistentin, aufgeregt mit: „Der Chef fragt schon alle zwei Minuten nach Ihnen!“

Der Chef war Alex Dallon, Gründer und Direktor von Dallon Ltd. Er war ein erfolgsorientierter, anspruchsvoller Mann, und es war eine beachtliche Leistung von Ellie, seine Anerkennung errungen zu haben.

„Ist er verärgert, weil ich zu spät dran bin?“, fragte sie besorgt.

„Ein bisschen schon. Signor Fellani trifft gleich ein, und Mr. Dallon hat keine Zeit, ihn selbst zu empfangen.“

„Ich wusste nicht, dass Signor Fellani heute einen Termin hat.“

„Hat er auch nicht, aber Sie kennen ihn ja. Er ruft an und sagt, dass er kommt.“

„Und wir müssen springen“, ergänzte Ellie trocken.

„Oh, ich würde gern für ihn ‚springen‘“, meinte Rita verträumt. „Er sieht einfach umwerfend aus.“

„Darum geht es nicht“, erwiderte Ellie milde tadelnd. „Das Aussehen ist nicht entscheidend.“

„Bei ihm schon.“

„Bei keinem Mann“, widersprach Ellie fest.

Ritas Antwort bestand aus einem zynischen Blick, den Ellie nur zu gut verstand. Sie wusste, wie sie auf ihre Sekretärin wirken musste. Rita war eine hübsche, lebenslustige junge Frau und eifrig auf der Suche nach dem Richtigen. Ellie war beruflich erfolgreich, Ende dreißig und alleinstehend. Ein Schicksal, dem Rita unbedingt entgehen wollte. Für sie war ein attraktiver Mann wie Leonizio Fellani nicht nur ein Mandant, sondern der Stoff für hochfliegende Träume.

Ellie konnte verstehen, dass die naive Rita für ihn schwärmte. Er war wirklich nicht leicht zu übersehen – groß, schlank, um die dreißig, mit vollem schwarzem Haar und faszinierenden dunklen Augen. Kräftig und durchtrainiert, wie er war, bewegte er sich mit einer natürlichen Geschmeidigkeit, die alle Blicke auf sich zog.

Sein Gesicht war, wie Ellie zugeben musste, ebenfalls sehr attraktiv, nur viel zu oft von grimmiger Anspannung gezeichnet.

Sie hatte ihn nur ein einziges Mal lächeln sehen und ganz kurz einen Eindruck von dem netten, sympathischen Mann bekommen, der er auch hätte sein können, wenn nicht gleich wieder seine harte, unnachgiebige Seite die Oberhand gewonnen hätte.

Ellie ließ sich von gut aussehenden Männern nicht mehr beeindrucken. Früher war sie ein paar Mal schwach geworden, wie sie es selbst bezeichnete, aber es hatte sich nie mehr daraus entwickelt. Also hatte sie sich wieder hinter ihre Schutzmauern zurückgezogen.

Mit ihrem eigenen Aussehen war sie nicht sonderlich zufrieden. Sie hatte ein angenehmes, aber kein auffallend hübsches Gesicht. Ihr einziger Pluspunkt war ihr Haar. Ließ sie es offen, so ergoss es sich in üppigen, seidig glänzenden Wellen bis über ihre Schultern. Doch sie zog es vor, es als im Nacken hochgesteckten Knoten zu tragen.

Geschäftsmäßig korrekt, dachte sie, wenn sie sich wieder einmal verdrossen im Spiegel betrachtete. Niemand wird bei diesem Anblick ins Schwärmen geraten.

Allerdings neigte sie dazu, übermäßig hart mit sich ins Gericht zu gehen. Viele Frauen hätten sie um ihre gertenschlanke Figur beneidet, sie aber hielt sich für zu dünn und zu kantig. Es lag in ihrer Natur, sich illusionslos einzugestehen, dass sie nicht dem landläufigen Schönheitsideal entsprach. Im Gegensatz zu Rita käme sie nie auf die Idee, sich angesichts eines Mannes wie Signor Fellani in romantische Fantasien zu versteigen.

Fellani war ein wichtiger Mandant. Ein reicher, selbstbewusst auftretender Italiener. Aus reiner Neugier hatte Ellie recherchiert, dass Leonizio „der Löwenhafte“ hieß, was hervorragend zu seiner gebieterischen Art passte.

Er hatte ein Vermögen mit der Herstellung von Schuhen verdient. Seine luxuriösen, eleganten Modelle wurden weltweit gehandelt, vor allem in Großbritannien. Gleich gegenüber von Ellies Büro gab es ein großes Schuhgeschäft mit einer breiten Auswahl seiner Produkte.

Sein Hauptwohnsitz war Rom, aber Dallon Ltd. sollte ihn bei der Scheidung von seiner englischen Ehefrau vertreten. Alex Dallon überließ es gern Ellie, sich um diesen Mandant zu kümmern, da ihre Großmutter Italienerin war und sie über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügte. Auch wenn sie die gar nicht brauchte, denn Signor Fellanis Englisch war, wie alles an ihm, makellos.

„Gibt es neue Einlassungen von den Anwälten seiner Frau?“, fragte Ellie. „Soweit ich weiß, ist sie nicht bereit, über das Sorgerecht zu verhandeln.“

„Da sie sich von ihm getrennt hat und das Kind noch nicht geboren ist, wird es ihr wohl zugesprochen werden“, bemerkte Rita.

„Ich freue mich nicht gerade darauf, ihm das mitzuteilen. War etwas Wichtiges in der Post?“

„Ich bin noch nicht ganz durch, aber ich sehe sofort nach.“

Rita verschwand, und Ellie setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm die Fellani-Akte zur Hand und ging die Einzelheiten noch einmal durch.

Vor drei Jahren hatte Leonizio Fellani sich in einer Blitzheirat mit Harriet Barker vermählt, einer Engländerin, die in seiner Heimatstadt Rom ihren Urlaub verbrachte. Doch die erste Euphorie war rasch verflogen, und mit der Ehe ging es zügig bergab. Als Harriet feststellte, dass sie schwanger war, verließ sie ihren Mann und kehrte Hals über Kopf nach England zurück.

Ihr Ehemann war ihr gefolgt und hatte sie aufgefordert, zu ihm zurückzukommen. Als sie sich weigerte, hatte er seinen Anspruch auf das gemeinsame Sorgerecht für das ungeborene Kind geltend gemacht, doch darauf ließ die werdende Mutter sich nicht ein.

Ellie fand es mutig von Harriet, ihrem Mann die Stirn zu bieten. Leonizio Fellani war ein dominanter Typ, der wusste, wie man anderen seinen Willen aufzwang. Bei ihren wenigen Treffen hatte er Ellie kühl, aber zuvorkommend behandelt, doch sie hatte die unnachgiebige Härte gespürt, zu der er fähig war. Auf seine Ehefrau mochte er durchaus bedrohlich wirken. Vielleicht hatte sie sich deshalb vor ihm in Sicherheit gebracht.

Rita kam mit einem Brief in der Hand zur Tür herein. „Wenn er das erfährt, dreht er durch.“

Mit wachsendem Entsetzen las Ellie, was Harriets Anwälte geschrieben hatten:

Ihr Mandant hat kein Anrecht auf dieses Kind, da er nicht der Erzeuger ist. Seine Ehefrau hat ihn verlassen, weil sie einen neuen Lebenspartner gefunden hat und von diesem schwanger ist. Ein DNA-Test hat zweifelsfrei erwiesen, dass das Kind, das sie erwartet, nicht von ihrem Ehemann stammt.

Unsere Mandantin ist an einer baldmöglichen Scheidung interessiert, um den Vater ihres Kindes noch vor der Niederkunft ehelichen zu können.

Insofern können wir Sie nur bitten, Ihren Mandanten Signor Fellani zur Vernunft zu bringen.

Eine Kopie des DNA-Tests, der die Vaterschaft des anderen Mannes zweifelsfrei belegte, war beigefügt.

„Ach, du meine Güte“, stöhnte Ellie. „Wie soll ich ihm das nur beibringen?“

„Und ausgerechnet heute“, ergänzte Rita.

„Warum, was ist denn heute?“

„Valentinstag, der Tag der Liebenden!“

„Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Aber er ist Italiener. Vielleicht gibt es in Italien keinen Valentinstag. Ich hoffe es, sonst trifft es ihn umso härter.“

Kaum war Ellie wieder allein im Büro, hörte sie draußen einen Wagen vorfahren. Sie drehte sich zum Fenster und sah Signor Fellani aus einem Taxi steigen. Gleich darauf betrat er mit entschlossener Miene ihr Büro.

„Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie so kurzfristig überfalle, aber es sind veränderte Umstände eingetreten“, sagte er gleich zur Begrüßung.

Wusste er etwa schon Bescheid?

„Ich war gestern Abend bei Harriet“, fuhr er fort. „Ich dachte, wir könnten noch einmal in Ruhe über alles reden und einen Weg finden, wie wir dem Kind zuliebe unsere Zukunft gemeinsam gestalten können. Aber Harriet war nicht da. Sie ist verschwunden, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Warum tut sie das? Warum läuft sie vor mir davon?“

Er weiß es nicht, dachte Ellie frustriert. Ihnen beiden standen ein paar schreckliche Minuten bevor.

„Sie möchte offenbar nicht mit Ihnen reden“, sagte sie vorsichtig. „Vielleicht sollten Sie einfach akzeptieren, dass es vorbei ist.“

„Zwischen ihr und mir vielleicht, aber nicht zwischen mir und meinem Kind“, versetzte er scharf.

Ellie, die ein Desaster auf sich zukommen sah, schwieg betroffen, woraufhin er einen etwas milderen Ton anschlug.

„Ich weiß, Sie finden mein Verhalten irrational. Warum laufe ich einer Frau hinterher, die nichts mehr von mir will? Warum lasse ich sie nicht gehen? Aber so einfach ist das nicht. Ich kann sie gehen lassen, aber nicht das Kind. Durch dieses Kind sind wir für immer miteinander verbunden. Wenn sie denkt, sie kann mich von ihm fernhalten, dann hat sie sich getäuscht. Das lasse ich nicht zu.“

Nie zuvor hatte dieser harte, selbstbeherrschte Mann sich ihr gegenüber so emotional gezeigt. Es brach Ellie das Herz, zu wissen, welche Enttäuschung sie ihm gleich bereiten musste.

„Sie müssen Sie finden“, sagte er eindringlich. „Ihre Anwälte wollen mir nicht sagen, wo sie ist, aber Sie können es herausbekommen.“

„Ich fürchte, das wird Ihnen nicht viel nützen“, erwiderte Ellie bedrückt.

„Doch, natürlich! Wenn ich weiß, wo sie ist, kann ich zu ihr gehen und sie dazu bringen, mit diesem Theater aufzuhören.“

„Nein!“ Ellie ballte vor Verzweiflung die Hände zu Fäusten. „Es ist kein Theater. Ich muss Ihnen etwas sagen, Signor Fellani, auch wenn es mir schwerfällt.“

„Was denn?“

Sie atmete tief durch. „Das Kind ist nicht von Ihnen.“

Stille.

Er schwieg so lange, dass Ellie sich schon fragte, ob er sie überhaupt gehört hatte.

„Wie bitte?“, fragte er schließlich ungläubig.

„Sie bekommt ein Kind von einem anderen Mann. Ich habe es auch gerade erst erfahren. Hier, bitte.“

Sie reichte ihm den Anwaltsbrief und beobachtete gespannt, wie Leonizio Fellani mit ausdrucksloser Miene die Zeilen überflog und dann ein harsches Lachen ausstieß.

„Das ist doch ein Trick. Glaubt diese Frau, sie kann mich für dumm verkaufen?“

„Es ist kein Trick. Sie hat einen DNA-Test machen lassen, der beweist, dass Sie nicht der Vater sind.“

„Einen DNA-Test an einem Ungeborenen? Ist das nicht gefährlich?“

„Nein, dank neuer Methoden heutzutage nicht mehr.“

„Aber ich habe doch gar keine Vergleichsprobe abgegeben!“

„Der neue Partner Ihrer Frau schon, und das Resultat ist eindeutig“, erläuterte Ellie. „Ich fürchte, es besteht kein Zweifel daran, dass er der Vater ist. Hier, sehen Sie selbst.“

Schweigend studierte er das Testergebnis, und Ellie machte sich auf den Sturm gefasst, der jeden Moment losbrechen würde. Ein Mann wie Leonizio Fellani ertrug keine Niederlage. Den Beweis für die Untreue seiner Frau schwarz auf weiß vor sich zu sehen, würde ihn vor Wut explodieren lassen.

Doch nichts dergleichen geschah. Unheilvolle Stille lastete im Raum, während der betrogene Ehemann reglos auf das Stück Papier starrte, das all seine Hoffnungen auf einen Schlag zerstörte. Er war aschfahl im Gesicht.

Endlich fragte er mit tonloser Stimme: „Kann ich mich auf das Ergebnis verlassen?“

„Ich kenne das Labor“, erwiderte Ellie. „Es ist absolut vertrauenswürdig.“

Da wandte er sich zur Seite und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. „Wie kann man nur so blöd sein!“

Ellie war empört. „Sie bezeichnen mich als blöd, nur weil ich Ihnen eine Nachricht überbringe, die Sie nicht hören wollen?“

„Sie doch nicht“, erwiderte er barsch. „Ich war so blöd, auf diese Frau und ihre billigen Tricks hereinzufallen. Ich bin der größte Idiot auf Erden!“

Ebenso besänftigt wie überrascht von seiner Selbstanklage, blickte Ellie ihn mitleidig an. Er wandte sich mit starrer Miene ab, doch sie sah den Schmerz in seinen Augen. Offenbar war er verletzlicher, als sie gedacht hatte, da konnte ein wenig Mitgefühl nicht schaden. Behutsam legte sie eine Hand auf seinen Arm.

„Ich weiß, wie schwer das für Sie ist.“

„Kein Problem, ich kann damit umgehen“, versetzte er kühl und rückte abrupt von ihr ab. „Ich werde jetzt gehen. Sie wissen, wo ich wohne?“

„Ja.“ Sie nannte ihm den Namen des Hotels.

„Schicken Sie mir die Rechnung dorthin, und vielen Dank für Ihre Bemühungen.“

Mit einem kurzen Nicken verließ er das Büro, und Ellie blieb brüskiert zurück. Eine winzige Geste der Anteilnahme, und schon ergriff er die Flucht. Aber vielleicht, überlegte sie, ist diese innere Abschottung das Geheimnis seines Erfolgs als Unternehmer.

Bei Harriet Barker hatte er eine Ausnahme gemacht und teuer dafür bezahlt.

Als Ellie später an diesem Tag einen Antwortbrief an die Anwälte seiner Frau aufsetzte, fiel es ihr schwer, die richtigen Formulierungen zu finden. Sie war fast sicher, dass ihrem Mandanten ihr höflicher Ton nicht gefallen würde. Konnte man es ihm überhaupt irgendwie recht machen?

Ihrem Eindruck nach bewegte er sich ständig am Rande eines Wutanfalls. Wozu er momentan natürlich auch allen Grund hatte. Am besten, sie stimmte den Wortlaut des Schreibens persönlich mit ihm ab.

„Rita? Ich bin weg. Ich fahre noch bei Signor Fellani vorbei, um etwas mit ihm zu klären“, informierte sie am späten Nachmittag ihre Mitarbeiterin. Mit einem Blick aus dem Fenster setzte sie hinzu: „Du meine Güte, was für ein Wetter!“

„Schnee ohne Ende“, bestätigte Rita. „Ich würde mich nicht darum reißen, jetzt mit dem Auto zu fahren.“

„Ich auch nicht, aber es muss sein.“

Das Hotel, in dem Leonizio Fellani wohnte, lag zum Glück nicht allzu weit von der Kanzlei entfernt am Ufer der Themse. Vorsichtig lenkte Ellie ihren Wagen über das spiegelglatte Pflaster, als ihr plötzlich der Atem stockte.

An der Ufermauer, mitten im dichten Schneetreiben, stand eine reglose Gestalt im dunklen Mantel, das Gesicht dem Fluss zugekehrt.

Ellie hielt an, sprang aus dem Auto und überquerte die Straße.

„Signor Fellani! Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen. Ein Glück, dass ich Sie zufällig gesehen habe.“

Er blickte sie ausdruckslos an, ohne ein Zeichen des Wiedererkennens.

„Ich bin es, Ihre Anwältin“, sagte Ellie. „Ich muss noch etwas mit Ihnen besprechen. Mein Wagen steht gleich da drüben.“

Jetzt erst kam Bewegung in ihn. „Dann lassen Sie uns gehen, bevor Sie sich noch erkälten.“

„Oder Sie“, erwiderte Ellie. „Sie sind ja völlig durchnässt.“

„Machen Sie sich um mich keine Gedanken.“

Von den zwei auf der anderen Straßenseite geparkten Wagen – ein alter, schäbiger und ein neuer, teurer – steuerte Leonizio Fellani zielstrebig auf den älteren zu.

„Nein, der hier ist es.“ Ellie öffnete die Fahrertür ihres schicken Neuwagens.

„Der?“ Aus der erstaunten Miene ihre Begleiters ging hervor, dass er ihr eher die alte Schrottkarre zugetraut hatte.

Sie gab sich alle Mühe, nicht beleidigt zu sein. „Ich mag schöne Autos“, erklärte sie. „Bitte, steigen Sie ein.“

Während der kurzen Fahrt zum Hotel sprachen sie beide kein Wort, erst beim Aussteigen bemerkte er: „Sie zittern vor Kälte.“

„Kein Problem, ich wärme mich später zu Hause auf. Darf ich kurz mit hineinkommen, um einen Brief mit Ihnen abzustimmen?“

„Selbstverständlich, kommen Sie.“

Das Handrin-Hotel war berühmt für seinen Luxus. Wer es sich leisten konnte, hier abzusteigen, musste schon äußerst erfolgreich sein.

„Ziehen Sie sich lieber etwas Trockenes an“, riet Ellie ihrem triefnassen Mandanten, als sie dessen elegante Penthouse-Suite betraten.

„Wollen Sie mir etwa sagen, was ich zu tun habe?“, fragte er nicht eben freundlich.

„Ich wahre nur Ihre Interessen, dafür werde ich bezahlt. Nun machen Sie schon!“

Tatsächlich zog er sich zurück, um kurz darauf in trockener Kleidung wieder aufzutauchen. Er warf Ellie ein Handtuch zu, und dankbar rubbelte sie ihre nassen Haare trocken. Der Einfachheit halber ließ Ellie sie gleich offen, während sie sich auf der Couch niederließ und ihrem Mandanten den Briefentwurf präsentierte.

„Okay“, sagte er mürrisch, nachdem er ihn überflogen hatte. „Da steht zwar nicht drin, was ich wirklich denke, aber das behalte ich wohl lieber für mich.“

„Sie könnten einen Mord begehen, oder?“, fragte Ellie rundheraus.

„Eine Frau, die mich versteht“, erwiderte er ironisch, aber durchaus anerkennend. „Keine Sorge, ich mache keine Dummheiten. Sie müssen mich nicht in einem Mordprozess vertreten.“

Der Humor, der in seinen Augen aufblitzte, ließ eine Art Komplizenschaft zwischen ihnen entstehen.

„Da bin ich aber froh, denn damit wäre ich vermutlich auch überfordert“, sagte sie lächelnd.

„Ich bin sicher, Sie erreichen alles, was Sie wollen“, erwiderte er trocken. „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

Ellie wusste, dass sie jetzt eigentlich hätte gehen sollen, doch ihr war immer noch kalt und gegen ein heißes Getränk war nichts einzuwenden.

„Eine Tasse Tee wäre schön.“

Leonizio telefonierte mit dem Zimmerservice, dann ging er noch einmal die Unterlagen durch. „Verdammt höflich, Ihr Brief. Und was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt tun?“

„So schnell wie möglich der Scheidung zustimmen.“

„Damit Harriet ihren Lover heiraten kann und das Kind ehelich zur Welt kommt?“, entgegnete er schroff. „Ach, richtig, Sie sollen mich ja zur Vernunft bringen. Typisch Anwälte. Soll die betrügerische Ehefrau ruhig ihren Willen bekommen. Spielt ja keine Rolle, wie es mir dabei geht.“

„Das ist jetzt unfair von Ihnen. Ich habe nie etwas dergleichen gesagt.“

„Sie sind Anwältin, oder?“

Ihre Anwältin, nicht die Ihrer Frau. Normalerweise würden wir jetzt versuchen, Ihre Frau zur Vernunft zu bringen. Aber sie erwartet ein Kind von einem anderen Mann, also kann ich Ihnen nur raten, mit ihr abzuschließen und nach vorn zu blicken.“

Bevor Leonizio antworten konnte, kam der bestellte Tee. Er nahm das Tablett an der Tür entgegen, stellte es auf den Couchtisch und schenkte Ellie eine Tasse ein, bevor er sich wieder zu ihr setzte.

„Danke, den brauche ich jetzt.“ Sie trank einen Schluck und fühlte sich gleich besser. „Wieso standen Sie eigentlich unten am Fluss?“, wollte sie wissen. „Hat der Taxifahrer Sie dort abgesetzt?“

„Ich bin den ganzen Weg zu Fuß gegangen. Nein, sagen Sie nichts!“

„Was soll ich nicht sagen?“

Bei diesem Wetter? Sind Sie verrückt geworden? Das denken Sie doch, oder?“

„Geschenkt. Sie standen unter Schock, da tut man schon mal verrückte Dinge.“

„Ich weiß, ich war ein kompletter Idiot.“

„Machen Sie sich keine Vorwürfe. Sie haben Ihre Frau geliebt …“

„Was mich zu einem noch viel größeren Idioten macht“, ergänzte er bitter.

„Schon möglich. Aber wenn man sich von Herzen wünscht, einem Menschen vertrauen zu können, dann ist man auch leichter dazu bereit.“

Er musterte sie interessiert. „Sie scheinen zu wissen, wovon Sie reden.“

„Auch ich habe meinen Anteil an Beziehungskatastrophen hinter mir“, meinte Ellie schulterzuckend.

„Erzählen Sie mir davon“, bat er leise.

Ihre verheerende Beziehungsbilanz war nichts, was Ellie gern zum Gesprächsthema machte, aber bei diesem Mann war alles anders. Der Schlag, den er einstecken musste, ließ ihn zu einem Verbündeten werden, der sie wie kein anderer verstand.

„Romantik spielt nicht gerade eine große Rolle in meinem Leben“, gestand sie.

„Ich schätze, für Sie steht Ihre Karriere an erster Stelle. Aber da war etwas, oder? Ich wette, Sie haben dasselbe durchgemacht wie ich.“

„Ja, Sie haben recht. Ich habe mir eine Zeitlang Hoffnungen gemacht. Es gab da einen Mann, für den ich Gefühle entwickelt hatte … Nun, es hat nicht funktioniert.“

„Hat er Sie denn geliebt?“

„Das habe ich mir wohl nur eingebildet. Wir schienen wunderbar zusammenzupassen, aber dann lernte er eine andere Frau kennen. Lange blonde Haare, üppige Kurven – ich hatte keine Chance gegen sie.“

„War das alles, was ihn interessierte? Äußerlichkeiten?“

„Geht das nicht allen Männern so?“

„Manchen. Nicht allen.“ Er lachte zynisch. „Ein paar von uns sind in der Lage, den Charakter einer Frau zu erkennen: kalt und egozentrisch oder warm und mitfühlend. Hat der Mann Ihre weiche, liebenswerte Seite denn nicht gesehen? Ich sehe sie.“

„Sie war ihm wohl nicht so wichtig, es sei denn, er konnte sie sich zunutze machen.“

Ellie blickte düster vor sich hin. „Es stimmt, ich habe dieselbe Erfahrung gemacht wie Sie. Jetzt wissen Sie, dass ich nicht nur die vernunftbetonte Anwältin bin. Ich kann lebhaft nachempfinden, wie es Ihnen jetzt geht. Ich weiß, wie es ist, wenn man belogen und betrogen wird und gar nicht glauben kann, wie man so naiv sein konnte, es nicht zu merken. Aber wenn man die Wahrheit nicht sehen will …“ Sie seufzte.

„Dann ist es verlockend, einfach die Augen davor zu verschließen“, beendete Leonizio niedergeschlagen ihren Satz. „Davor sollte man sich nicht nur in geschäftlichen Belangen hüten, sondern auch im Privatleben.“

So viel Selbsterkenntnis hatte Ellie ihm gar nicht zugetraut. Er wirkte völlig verändert auf sie. Freundlich und einfühlsam, so als nähme er ihren Schmerz genauso wahr wie seinen eigenen.

„Ich weiß, wie schwer das alles für sie ist“, sagte sie teilnahmsvoll.

„Ich werd’s überleben“, meinte er forsch, nur um gleich darauf mit müder Stimme hinzuzufügen: „Verdammt, wem versuche ich hier eigentlich etwas vorzumachen? Sieht so jemand aus, der alles im Griff hat?“

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Für mich ist gerade eine Welt zusammengebrochen. Ich wollte Vater sein. Ich wollte einen Menschen haben, der zu mir gehört. Meine Eltern starben, als ich noch ein Kind war, und mein Onkel und meine Tante haben mich adoptiert. Sie waren immer gut zu mir, aber es gab keine wirkliche Nähe. Ich dachte, meine Frau und ich stünden uns nahe, aber das war wohl eine Illusion.“

Er schüttelte traurig den Kopf. „Ich wäre nie darauf gekommen, dass sie mich betrügt. Von einem Tag auf den anderen war sie weg und verlangte die Scheidung wegen unüberbrückbarer Differenzen. Wie ich erfuhr, hat sie sogar einen Privatdetektiv auf mich angesetzt, um herauszufinden, ob ich mich mit einer anderen Frau traf. Tat ich aber nicht. Ich war ein stinklangweiliger, treuer Ehemann. Das war sicher eine große Enttäuschung für sie.“

„Es stärkte nicht gerade ihre Position“, hob Ellie hervor.

Er lachte freudlos. „Und ausgerechnet am Valentinstag rückt sie mit ihrer Neuigkeit heraus. Zynischer geht es kaum noch.“

„Feiert man in Italien auch den Valentinstag?“

„Nicht in dem Ausmaß wie hier in England, aber es reicht, um mir die bittere Ironie der Sache bewusst zu machen. Der Tag der Liebenden …“

„Vielleicht hat Ihre Frau nicht daran gedacht.“

„Natürlich nicht. Sie denkt immer nur an sich selbst. Aber ihre Schwangerschaft hat alles verändert. Zum ersten Mal schien es da einen Menschen zu geben, der untrennbar mit mir verbunden war. Ich habe Harriet gesagt, dass ich sie nicht gehen lasse. Sie hat sich nach England abgesetzt, und ich bin ihr gefolgt. Ich wollte sie bei mir behalten, oder wenigstens mein Kind …“

Er stöhnte. „Und nun erfahre ich, dass dieses Kind nicht von mir ist. Jetzt bleibt mir nichts mehr. Nichts.“ Er wirkte am Boden zerstört.

„Sie werden darüber hinwegkommen“, sagte Ellie warmherzig. „Es gibt noch so vieles andere im Leben.“

„Gesetzt den Fall, man will etwas anderes. Ich will ein Kind. Mein Kind.“

Er hörte sich an wie jemand, der es gewohnt war, seinen Willen zu bekommen, doch in seiner Miene spiegelte sich blanke Verzweiflung wider. Selbst er musste einsehen, dass er in diesem Fall machtlos war.

Er tat Ellie unendlich leid. Behutsam legte sie eine Hand auf seine Schulter.

„Was haben Sie jetzt vor?“

„Der Realität ins Auge blicken, so schwer es auch fällt. Ich bin gut darin, mir die Dinge zurechtzubiegen, wie ich sie haben will. Oder mir einzureden, ich hätte es getan. Neben Ihnen sitzt ein Meister des Selbstbetrugs.“

„Ach was, Sie sind stark. Sie werden auch jetzt stark sein.“

„Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen mich doch gar nicht.“

„Kennen Sie sich denn?“

„Ich glaube nicht.“ Er ließ den Kopf hängen und barg das Gesicht in den Händen.

Ellie war so gerührt, dass sie spontan die Arme um ihn legte. Er wandte sich ihr zu und sah sie an. Ihr Blick war sanft, seiner ratlos und verzweifelt.

„Ihr Leben ist noch nicht zu Ende“, sagte sie. „Sie werden eine andere Frau finden und ein Kind mit ihr haben.“

„Als wenn es so einfach wäre“, flüsterte er.

„Das ist es, wenn es erst so weit ist.“

„Nicht für mich. Ich weiß, wie abschreckend arrogant ich wirke. Selbst wenn ich mal eine Frau wirklich mag, treibe ich sie damit garantiert in die Flucht.“

Mitfühlend legte Ellie die Hände an seine Wangen. „Ich finde Sie gar nicht abschreckend“, versicherte sie. „Das Leben hat Ihnen übel mitgespielt, nicht umgekehrt.“

„Wie kann ich mich dagegen wehren? Ist der Kampf überhaupt zu gewinnen? Und woher weiß ich, ob ich gewonnen habe?“

„Vielleicht nie. Manchmal dauert der Kampf ein Leben lang. Aber aufgeben gilt nicht. Es gibt immer etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnt.“

Etwas in seinem Blick veränderte sich.

„Ja, es gibt immer etwas“, sagte er leise und sah ihr tief in die Augen. Dann küsste er sie.

Der sanfte Druck seiner Lippen auf ihren war so verführerisch, dass Ellie nicht anders konnte, als ihn zu erwidern. Bereitwillig öffnete sie die Lippen, als Leonizio sie küsste, erst sanft und zurückhaltend, dann immer leidenschaftlicher. Die süße Erregung, die sie durchflutete, machte sie völlig wehrlos.

„Ellie“, raunte er.

„Ja … ja!“, flüsterte sie, ohne sich recht darüber im Klaren zu sein, worauf sie sich einließ. Wenn er nur nicht aufhörte, sie zu küssen!

Autor

Lucy Gordon
<p>Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman „Das Kind des Bruders“, der in Rom spielt. Mit dem Schreiben erfüllte sich...
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