Silberner Mond über Piros

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Es ist einfach alles perfekt auf der romantischen Insel Piros: weißer Strand, türkisblaues Meer und Constantine, der Jade so heiß küsst, dass sie am liebsten für immer bleiben würde. Als Constantine ihr am Abreisetag tatsächlich einen Heiratsantrag macht, zögert Jade jedoch mit der Antwort …


  • Erscheinungstag 25.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756710
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Oh, verdammt!“, fluchte Jade leise, als sie aus dem kristallklaren Wasser kam und feststellte, dass die beiden Möchtegern-Romeos, die wie sie aus London stammten, noch näher an ihr Handtuch herangerückt waren. Verärgert schüttelte sie die Tropfen aus ihrem langen blonden Haar. Sie hatte keine Lust, den beiden wieder einmal zu sagen, sie sollten sich von ihr fern halten.

Das Salzwasser begann bereits auf ihrer Haut zu trocknen. Das Meer war lauwarm, und sobald sie aus dem Wasser gekommen war, schien die Sonne erbarmungslos auf sie herunter. Aber in Griechenland war es nun mal heiß.

Die kleine Insel Piros war der schönste Ort, an den sie je gereist war – der Himmel war tiefblau, und der helle, weiche Strandsand bildete einen schönen Kontrast zum tieferen Blau des Meeres. Überall zirpten die Zikaden, und in der Luft lag der betörende Duft von Zitronenbäumen und Pinien. Kein Wunder, dass Griechenland für viele Leute wie das Paradies war!

Wenn es nur nicht so furchtbar heiß gewesen wäre!

Während Jade auf ihren Platz zuging, sprang einer der Romeos auf.

„Hallo, Schöne“, begrüßte er sie wenig einfallsreich. „Kann ich dir einen Drink holen?“

„Nein danke“, erwiderte sie kühl und fragte sich, warum einige Männer es partout nicht merkten, wenn sie sie abblitzen ließ.

„Und wie wär’s …?“ Als er den Blick über ihre Brüste schweifen ließ und dabei anzüglich die Brauen hochzog, hob Jade schnell ihren Sarong auf, um ihre Blöße wenigstens teilweise zu bedecken. Sie trug nämlich nur einen knappen gelben Bikini.

„… wenn ich dir den Rücken eincremen würde?“, fuhr er unverschämt fort.

„Wie wär’s“, ließ sich plötzlich eine tiefe Stimme mit einem drohenden Unterton hinter Jade vernehmen, „wenn Sie diesen Strand verlassen und nicht wiederkommen würden?“

Jade wirbelte herum und erkannte den Mann aus dem Restaurant. Beim Anblick seiner markanten, attraktiven Züge wurde ihr Mund ganz trocken.

Ihr Landsmann gab jedoch nicht auf. „Was geht Sie das überhaupt an?“, erkundigte er sich herausfordernd.

„Verschwinden Sie von hier!“, entgegnete der Grieche. „Ansonsten sehe ich mich gezwungen, eigenhändig nachzuhelfen.“

Der Ausdruck in seinen dunklen Augen bewies, dass der Mann keinen Widerspruch duldete, und die beiden Engländer wurden trotz ihrer Sonnenbräune blass. Jade beobachtete, wie sie ihre Sachen aufhoben und sich davon trollten wie zwei Hunde, die man zurechtgewiesen hatte.

Seltsamerweise schüchterte die Anwesenheit des Fremden sie ein, und Jade wusste nicht, was sie als Nächstes tun sollte. Als sie ihn schließlich anblickte, stellte sie fest, dass er sie schweigend betrachtete, als hätte er das Recht dazu. Obwohl sie ihm erst einmal begegnet war, hatte sie ihn sofort wiedererkannt, denn er war ein Mann, den eine Frau nicht vergaß. Dabei hatten sie nicht einmal ein Wort miteinander gewechselt, als sie sich am Vortag in der Taverne gesehen hatten …

Jade war in den Ort gegangen, um einige Lebensmittel einzukaufen, und wie immer war es sehr heiß gewesen. Sie fuhr sich mit der Hand durch das dicke Haar, während sie sehnsüchtig die schattigen Sitzplätze vor der Taverne betrachtete. Genüsslich atmete sie den Duft des Lammfleischs auf dem Grill ein und ließ den Blick über die Tintenfische schweifen, die vor der Zubereitung in Zitronensaft eingeweicht wurden. Sie hatte keine Lust, allein in den Restaurants zu essen, die hauptsächlich von Touristen besucht wurden, aber in dieser Taverne schienen vor allem Familien zu sitzen und, was noch interessanter war, viele Griechen. Also muss es gut sein, dachte sie, während sie auf einen der Tische zuging.

Sie hatte griechischen Salat, einen Teller mit Oliven und ein Glas Bier bestellt und war gerade beim Essen, als ein kleines Mädchen mit dunklen Locken an ihren Tisch kam. Die Mutter rief es auf Griechisch zurück, doch Jade lächelte ihr zu und schüttelte den Kopf. Dann begann sie mit der Kleinen zu spielen, die schließlich auf ihren Schoß kletterte und verwundert eine Strähne ihres blonden Haars in die Hand nahm. Für Jade war es eine ganz neue Erfahrung, ein Kind auf dem Schoß zu haben, sodass sie das Mädchen spontan umarmte, als es wieder herunterkletterte.

Während der ganzen Zeit hatte Jade gespürt, dass jemand sie beobachtete. Tatsächlich hatten die meisten Gäste sich ihr zugewandt und zugesehen, wie sie mit dem Kind gespielt hatte.

Das Gefühl, das sie jetzt empfand, war jedoch anders, denn sie verspürte eine seltsame Erregung …

Sie kniff die Augen zusammen und blickte in das klimatisierte Restaurant, wo es im Gegensatz zu draußen ziemlich dunkel war. An einem der Tische sah sie einen Mann in Begleitung von vier anderen Männern, die ihm zuhörten. Er trug ein weißes Hemd und eine weiße Jeans und hatte dunkle, funkelnde Augen, wie sie nun feststellte, als ihre Blicke sich begegneten. Einen Moment lang hatte Jade ihn wie gebannt angeschaut, unfähig, den Blick abzuwenden. Ihr Herz hatte förmlich gerast, und sie war von einer ungewohnten Erregung, einem primitiven Verlangen erfasst worden.

Es war derselbe Mann, der mit seiner autoritären Ausstrahlung die beiden aufdringlichen Engländer vertrieben hatte und jetzt am Strand vor ihr stand.

Der Fremde musste Grieche sein, denn er besaß die stolze Haltung und die klassischen Züge seiner Vorfahren. Allerdings war er im Vergleich zu seinen Landsmännern ziemlich groß – fast ein Meter neunzig, wie Jade schätzte. Seine Haut war olivfarben und schimmerte leicht, sodass die Muskeln an seinem nackten Oberkörper noch betont wurden. Sein dichtes schwarzes Haar war gewellt und im Nacken etwas länger. An diesem Tag trug er nichts außer einer ausgeblichenen abgeschnittenen Jeans und alten Turnschuhen. Beim Anblick von so viel nackter Haut musste Jade unwillkürlich schlucken. Wider Erwarten war sie jedoch nicht eingeschüchtert, sondern erwiderte standhaft seinen kühlen Blick.

Als er sie dann mit einem distanzierten und zugleich anerkennenden Ausdruck in den Augen musterte, verspürte sie wieder dieselbe Erregung wie am Vortag. Ihr Herz begann schmerzhaft zu pochen, und ihre Sinne schienen zu neuem Leben zu erwachen. Sie errötete verlegen und versuchte verzweifelt, die Fassung zu wahren.

„Warum sind Sie allein hier?“, erkundigte der Fremde sich kurz angebunden.

Seine männliche Überheblichkeit verschlug ihr die Sprache. „Weil ich gern allein bin“, erklärte Jade schließlich kühl, nachdem sie sich einigermaßen gefangen hatte.

Er ignorierte die Anspielung. „Ich rate Ihnen, es nicht wieder zu tun.“

„Was soll ich nicht wieder tun?“, hakte sie verblüfft nach.

Seine Augen funkelten gefährlich. „Gehen Sie kein Risiko ein. Dieser Strand ist zu einsam für eine Frau.“

Plötzlich ging ihr durch den Kopf, dass er redete wie ein Mann, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen und dass man diesen Befehlen Folge leistete.

„Wer … sind Sie überhaupt?“, brachte sie hervor.

Jetzt nahmen seine Augen einen misstrauischen Ausdruck an. „Wissen Sie es denn nicht?“

„Natürlich nicht, sonst würde ich Sie kaum danach fragen, oder?“

„Nein.“ Als der Fremde sie aufmerksam betrachtete, verspürte sie ein seltsames Prickeln. Er sieht aus wie ein Herrscher, dachte sie benommen, denn seine Haltung verriet Stolz und Würde. Aber wie war das möglich, wenn er wie ein Herumtreiber aussah? Sie hatte während ihres Aufenthalts auf Piros schon so viele Liebesromane gelesen, dass sie es eigentlich besser wissen musste!

„Mein Name ist Constantine Sioulas.“ Seine Stimme war tief und melodisch und sein Englisch fast akzentfrei.

Constantine … Es war der schönste Name, den Jade je gehört hatte, und er passte zu dem Fremden, denn er war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte.

„Und Sie?“ Er zog fragend die Augenbrauen hoch. „Wie heißen Sie?“

„Jade“, sagte sie etwas außer Atem, als wäre sie gerade gelaufen. „Jade Meredith.“

„Jade.“ Constantine nickte nachdenklich. „Ja, der Name passt zu Ihnen. Ihre Augen sind grün wie Jade.“

Und meine Wangen sind wahrscheinlich rot wie Rubine, fügte sie in Gedanken hinzu, als er sie erneut musterte. Einerseits freute sie sich über seinen anerkennenden Gesichtsausdruck, andererseits schämte sie sich für ihr Verhalten. Warum fällst du nicht vor ihm auf die Knie und küsst ihm die Füße? fragte sie sich ärgerlich.

„Nein, das sind sie nicht“, widersprach sie und hob trotzig das Kinn. „Meine Augen sind hell-grün. Jade ist dunkler.“

Er schüttelte den Kopf. „Manchmal. In China sagt man, dass die Farbe dunkler und intensiver wird, je mehr Weisheit der Besitzer erwirbt. Es wäre interessant, herauszufinden, ob das stimmt.“ Nun lächelte er beinah widerstrebend – wie ein Mann, der nur selten lächelte. „Soll ich Ihnen Jade kaufen, Jade Meredith? Sie können den Schmuck auf Ihrer hellen Haut tragen, und wir beobachten, wie die Farbe von Tag zu Tag dunkler wird.“

Wenn man bedachte, dass sie sich gerade erst kennen gelernt hatten, waren seine Worte alles andere als angemessen. Constantine wirkte jedoch so selbstsicher, dass Jades Herz noch schneller klopfte.

„Meine Haut ist nicht hell“, protestierte sie. Nachdem sie mittlerweile fast drei Wochen in der Sonne verbracht hatte, war sie zart gebräunt und ziemlich stolz auf ihre gesunde Farbe.

„Doch, natürlich ist sie das.“ Sein leichter Akzent war ausgesprochen verführerisch. „So hell wie Milch – zumindest im Vergleich zu meiner Haut.“

Unwillkürlich ließ sie den Blick über Constantines olivfarbene nackte Brust schweifen, die breiten Schultern und die muskulösen Arme und Schenkel. Dabei sah sie sich im Geiste zusammen mit ihm auf einem Bett liegen, ihren hellen Körper an seinen dunklen geschmiegt … Sie blinzelte energisch, um die verlockende Vorstellung zu verdrängen, aber es funktionierte nicht.

„Wollen wir?“, erkundigte er sich leise.

„Wollen wir was?“, wiederholte sie benommen.

Als er jetzt lächelte, erkannte sie, dass es das Lächeln eines Mannes war, der es gewohnt war, immer zu bekommen, was er wollte.

„Den Schmuck kaufen“, erinnerte er sie. „Doch dafür müssten wir zum Festland fahren, und ich möchte keine kostbare Zeit verschwenden, wo es so viele Alternativen gibt. Kommen Sie, ich bringe Sie zu Ihrem Haus zurück.“

Das war kein Vorschlag, sondern ein Befehl. „Das ist nicht nötig“, entgegnete Jade scharf.

„Allerdings“, widersprach er mit einem harten Unterton. „Ich bestehe darauf.“

Verärgert stellte sie fest, dass seine übertriebene Besorgnis ihr gefiel, so arrogant er auch war. Doch sie, Jade, war eine emanzipierte Frau und konnte ihre Überzeugungen nicht so einfach ablegen. Daher hielt sie seinem Blick stand. „Ich sagte nein. Vielen Dank.“

„Das habe ich gehört, aber es ändert nichts an meiner Absicht.“

Halb belustigt, halb verzweifelt schüttelte sie den Kopf. „Bestehen Sie eigentlich immer darauf, Ihren Willen durchzusetzen?“

Constantine lächelte wieder, und diesmal war es ein strahlendes Lächeln, das ihr fast das Herz brach und ihr zum Verhängnis wurde. „Ich bekomme immer, was ich will“, erwiderte er leise. „Allerdings meistens, ohne darauf zu bestehen“, fügte er arrogant hinzu.

Das konnte sie sich nur allzu gut vorstellen. Sie setzte eine ernste Miene auf und beobachtete, wie er sich bückte, um ihre Tasche und ihr Handtuch aufzuheben und sich beides unter den Arm zu klemmen. Dieses altmodische ritterliche Verhalten war sie nicht gewohnt, und sie wusste, dass sie bereits auf verlorenem Posten kämpfte. Doch schon bald wurde ihr klar, dass sie gar nicht gegen diesen Mann kämpfen wollte. „Also gut, ich nehme Ihr Angebot an“, sagte sie daher. „Vielen Dank.“ Als er die Brauen hochzog, stellte sie fest, dass ihm ihr sarkastischer Unterton nicht entgangen war.

„Es ist mir ein Vergnügen.“ Seine Augen funkelten spöttisch. „Und machen Sie sich keine Gedanken um die beiden Männer. Sie werden Sie nicht mehr belästigen.“

Jade schluckte unwillkürlich, als sie seinen drohenden Tonfall bemerkte. Bisher hatte sie angenommen, Männer wie ihn würde es nur im Film geben. „Sie würden ihnen doch nichts tun?“, erkundigte sie sich besorgt. „Die beiden haben mir schließlich auch nichts getan.“

„Weil ich rechtzeitig dazugekommen bin.“ Constantine blitzte sie an. „Ich habe gesehen, wie der Blonde Sie mit seinen Blicken förmlich ausgezogen hat.“ Er fluchte leise auf Griechisch.

Jade schluckte. Hatte sie tatsächlich nicht gemerkt, dass sie sich in Gefahr befunden hatte? Als sie den harten Ausdruck in seinem attraktiven Gesicht und das bedrohliche Funkeln in seinen dunklen Augen sah, empfand sie so etwas wie Mitgefühl für die beiden Engländer. „Sie würden sie doch nicht verletzen, oder?“, flüsterte sie und stellte erleichtert fest, dass ein Lächeln seine Lippen umspielte.

„Dachten Sie etwa, ich würde die beiden zusammenschlagen?“ Er wirkte belustigt. „Keine Angst, Kleine. Ich werde nur mit ihnen reden – das dürfte als Abschreckung genügen.“

Sie schaute ihn neugierig an. „Reagieren Sie immer so übertrieben?“

Constantine schüttelte den Kopf. „Ich habe überhaupt nicht überreagiert. Wir Griechen sind es nur gewohnt, unsere Frauen zu beschützen.“

Obwohl sie mit ihren ein Meter fünfundsiebzig recht groß war, kam sie sich plötzlich klein und zerbrechlich vor und erschauerte unwillkürlich. Die Vorstellung, dass dieser dunkeläugige, muskulöse Mann sie beschützte, war sehr aufregend, so altmodisch es sich auch anhören mochte. Bisher hatte Jade in ihrem Leben nämlich wenig Schutz erfahren.

Als sie gemeinsam den schmalen Weg entlanggingen, der vom Strand bergauf führte, brannte die Sonne auf sie herab, und Jade konnte sehen, wie die Luft in der Hitze flimmerte.

„Setzen Sie Ihren Hut auf“, sagte Constantine.

Gehorsam setzte sie ihren Strohhut auf. „Und was ist mit Ihnen?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich brauche keine Kopfbedeckung. Ich bin an die Sonne gewöhnt.“

Und sein dichtes schwarzes Haar schützt ihn bestimmt vor den Strahlen, ging es ihr durch den Kopf.

Vor ihnen flitzten Eidechsen über den Weg, und Constantine konnte nicht nur die einzelnen Arten voneinander unterscheiden, sondern nannte Jade auch die Namen der Pflanzen am Wegesrand, die ihr bisher noch gar nicht aufgefallen waren. Sie lauschte fasziniert seiner tiefen Stimme mit dem verführerischen Akzent, und als sie schließlich das kleine Haus erreichten, das sie, Jade, gemietet hatte, stellte sie fest, dass sie enttäuscht war. Ich möchte, dass dieser Tag niemals endet, dachte sie plötzlich.

„Bestimmt möchten Sie wissen, was wir als Nächstes tun sollen“, erklärte Constantine dann.

Offenbar hatte er ihre Gedanken gelesen oder ihr an der Nasenspitze angesehen, dass sie ihn nicht gehen lassen wollte. „Ich …“ Ihr versagte die Stimme – ausgerechnet ihr, Jade, die nie um Worte verlegen war!

„Wir haben die Wahl“, fuhr er nachdenklich fort, als würde er jeden Tag derartige Gespräche führen. „Sie könnten mir etwas von Ihrem Wasser anbieten, und wir könnten uns hinsetzen und gemeinsam trinken. Wir könnten auch ins Dorf gehen und uns dort in eine Taverne setzen. Oder ich könnte das tun, was wir uns beide am meisten wünschen.“

„Und das wäre?“, erkundigte sie sich überflüssigerweise.

„Sie küssen, natürlich.“ Sein Tonfall glich einer zärtlichen Liebkosung. „Das wünschen Sie sich doch, stimmt’s?“

Nun wurde sie blass. Dieser Mann übte wirklich eine verheerende Wirkung auf sie aus! Er liebte sie förmlich mit seinen Blicken. Und als sie, Jade Meredith, die unerschrockene Journalistin, darüber nachdachte, dass sie sich in einer nicht ungefährlichen Situation befand, stellte sie fest, dass sie noch immer keine Angst hatte. Daher verfiel sie in den harten Tonfall, mit dem sie normalerweise ihre Interviewpartner – Stars aus Seifenopern oder ahnungslose Fußballerfrauen – mit Fragen bombardierte.

„Wer, in aller Welt, sind Sie?“, erkundigte sie sich. Natürlich war sie schon unzähligen Männern begegnet, die vor Selbstvertrauen nur so strotzten und sich ihrer Wirkung auf Frauen bewusst waren, aber noch nie einem Mann, der so von sich eingenommen war!

Constantine kniff die Augen zusammen und betrachtete sie eingehend. „Das habe Ihnen bereits gesagt“, erinnerte er sie sanft. „Mein Name ist Constantine.“

„Ja, aber …“ Wieder versagte ihr die Stimme. Was sollte sie, Jade, auch sagen? ‚Ja, Sie haben recht, ich möchte, dass Sie mich küssen‘? ‚Noch nie in meinem Leben habe ich mich so sehr nach etwas gesehnt‘? Sie verstieß schon gegen ihre Prinzipien, indem sie hier mit ihm stand und ihm zuhörte. Was war bloß mit ihrer Entschlossenheit, die sie sich so mühsam angeeignet hatte? Eine Frau durfte einem Mann zuliebe nicht ihre Meinung ändern. Daher riss Jade sich zusammen und nickte höflich. Noch nie in ihrem Leben war ihr etwas so schwer gefallen. „Es war sehr nett von Ihnen, mich zu begleiten, aber ich glaube, Sie sollten jetzt besser gehen.“

Wieder lächelte er. „Damit hat es noch Zeit.“

Er war einen Schritt auf sie zugetreten, und fasziniert verfolgte sie das Spiel seiner Muskeln unter seiner olivfarbenen Haut.

Nun stellte sie fest, dass er doch nicht so groß war, wie sie ihn anfänglich eingeschätzt hatte. Es gab viele Männer, die größer als ein Meter neunzig waren und damit nicht viel größer als sie. Dennoch war Constantine der beeindruckendste Mann, dem sie je begegnet war mit seinen breiten Schultern, der muskulösen, von dichtem Haar bedeckten Brust und den kräftigen Schenkeln. Als sie den Blick über seinen perfekten Körper schweifen ließ, erschauerte sie wieder.

Constantine beobachtete lächelnd, wie sie ihn musterte, doch sein Lächeln war kühl, als würde er nur selten lachen. „Sie haben keine Angst vor mir“, stellte er mit einem belustigten Unterton fest.

„Nein.“ Vielleicht hätte sie das nicht sagen sollen, denn sie wusste, dass die griechischen Männer für ihre altmodischen Ansichten bekannt waren. Wäre es ihm lieber gewesen, wenn sie eingeschüchtert vor ihm zurückgewichen wäre? Komm schon, Jade, schalt sie sich dann im Stillen. Es kann dir doch egal sein, was ihm lieber ist.

„Nicht mal ein bisschen?“, neckte er sie sanft. „Aber Sie machen mir Angst.“

Jade musste erneut schlucken. Jetzt sprach er in Rätseln. „Nein, ich habe keine Angst vor Ihnen“, erklärte sie und hob trotzig das Kinn. „Aber zufällig mache ich Judo und habe einen schwarzen Gürtel – nur für den Fall, dass Sie auf dumme Gedanken kommen sollten.“

Als er daraufhin lachte, kam sie sich vor, als hätte sie den ersten Preis bei einer Tombola gewonnen. „Nicht schlecht“, bemerkte er schließlich. „Aber Ihnen ist hoffentlich klar, dass Ihnen Ihr schwarzer Gürtel nichts nützen würde.“

Dieser arrogante Kerl! Was bildete er sich eigentlich ein? „Dann möchte ich Sie aufklären“, erwiderte sie ruhig, obwohl ihr das Herz bis zum Hals klopfte. „Wie gut man ist, hat nichts mit der Größe zu tun.“

„Ach, tatsächlich?“, erkundigte er sich spöttisch, und seine Augen funkelten schelmisch. Als ihr bewusst wurde, dass ihre Worte zweideutig gewesen waren, begannen ihre Wangen zu glühen. Was hatte sie bloß gesagt?

„Ich meine, die relative Größe“, verbesserte sie sich, entschlossen, sich von ihm nicht einschüchtern zu lassen. „Sie sind größer und offensichtlich auch stärker als ich, aber beim Judo geht es nicht um rohe Kraft, sondern um Körperbeherrschung, die richtige Einschätzung des Gegners und das richtige Timing.“

„Ich weiß. Das habe ich auch nicht gemeint.“

„Oh. Und was haben Sie gemeint? Sie haben doch angedeutet, ich wäre nicht in der Lage, Sie zu besiegen.“

„Absolut“, bestätigte er leise. „Und wissen Sie, warum? Sobald wir uns berühren …“ Er machte eine viel sagende Geste, die sich ein Engländer niemals erlaubt hätte.

Jade war klar, dass sie es eigentlich nicht hätte zulassen dürfen, dass er so mit ihr redete. Waren die griechischen Männer nicht bekannt für ihre Einstellung, die englischen Frauen wären leicht zu haben? Jedenfalls würde Constantine bald feststellen, dass sie, Jade Meredith, nicht zu der Spezies Frauen gehörte, die einem gut aussehenden Einheimischen in die Arme sanken, um zwei schöne Ferienwochen zu verleben und dann mit leeren Versprechungen am Flughafen verabschiedet wurden. „Ist das Ihre Art, Frauen anzumachen?“, entgegnete sie sich scharf. „Denn wenn es der Fall ist, bekommen Sie null von zehn Punkten für Feinfühligkeit.“

Constantine zog fragend die Augenbrauen hoch. „Anmachen“, wiederholte er nachdenklich. „Wenn man bedenkt, dass Englisch eine flexible und hoch entwickelte Sprache ist, ist der Ausdruck ziemlich … plump, finden Sie nicht?“

Es ist ziemlich beschämend, dass jemand, dessen Muttersprache nicht Englisch ist, sich so gewandt ausdrücken kann, dachte Jade. Sie war ein wenig verärgert, weil sie ihn in seine Schranken hatte weisen wollen, statt eine Diskussion über die Bedeutung von Wörtern zu beginnen.

„Falls wir diese faszinierende Unterhaltung fortsetzen wollen, möchte ich vorschlagen, dass wir es uns dabei etwas bequemer machen.“ Er blickte demonstrativ zu dem Tisch im Garten, auf dem der leere Wasserkrug stand. „Wollen wir uns nicht setzen?“

Obwohl sie nichts lieber getan hätte als das, ermahnte sie sich zur Vorsicht. „Warum sollten wir? Ich kenne Sie doch gar nicht.“

„Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich Ihnen nicht wehtun würde.“

Verblüfft blickte sie ihn an. Ja, er würde ihr bestimmt nicht körperlich wehtun, aber … Als sie ihm in die funkelnden dunklen Augen schaute, verspürte sie plötzlich eine lähmende Angst, und ihr wurde klar, dass dieser faszinierende Mann mit dem kalten Lächeln und dem harten Blick sehr wohl die Macht besaß, sie zu verletzen. Er konnte sie lehren, was Schmerz wirklich bedeutete – unerträglicher Schmerz … Mit einem Mal begann sie am ganzen Leib zu zittern.

Constantine hatte es bemerkt und umfasste ihr Handgelenk. Die Berührung war wie eine tröstliche Umarmung.

„Keine Angst, ich werde Ihnen nicht wehtun“, versicherte er leise.

Oh doch, dachte Jade. Das Ganze war einfach lächerlich! War sie nach drei Wochen Urlaub in Griechenland zur Hellseherin geworden? Sie schüttelte seine Hand ab, aber er nahm ihre Hand in seine und führte sie an die Lippen.

„Wissen Sie nicht, dass es in Griechenland Brauch ist, einem Reisenden eine Erfrischung anzubieten?“

Sie vermochte kaum zu atmen vor Anspannung und wartete darauf, dass er ihre Hand mit den Lippen streifte.

Stattdessen jedoch ließ er ihre Hand sinken und gab sie frei. Jade war wütend – auf sich, weil sie sich danach gesehnt hatte, dass er ihre Hand küsste, und auf ihn, weil er es nicht getan hatte. Und er sollte nicht in dem Glauben weggehen, dass sie auf ein Abenteuer aus war! Daher straffte sie sich und bemühte sich um einen höflichen, aber kühlen Tonfall.

„Dann müssen Sie sich setzen und etwas mit mir trinken.“

„Danke.“ Seine Augen funkelten schelmisch, und sie musste sich bemühen, ernst zu bleiben.

„Ich hole Wasser und ein zweites Glas“, beeilte sie sich zu sagen.

Während er in den Garten ging und einen der Holzstühle unter dem Tisch hervorzog, eilte sie ins Haus, wo sie den Krug mit Wasser und Eis füllte und ein zweites Glas aus dem Schrank nahm. Als sie in den kleinen Spiegel blickte, der an der weiß getünchten Wand hing, schien es ihr, als würde sie eine Fremde anblicken. Ihre Pupillen waren geweitet und ihre Lippen geschwollen und dunkler als sonst. Sogar ihr dickes blondes Haar, das sie nicht mehr gekämmt hatte, seit sie aus dem Wasser gekommen war, und das inzwischen getrocknet war, umrahmte ihr Gesicht in schimmernden weichen Wellen. Von der Sonne gebleicht, war es noch heller als sonst. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Constantine Blondinen mochte.

Als sie mit dem Krug und dem Glas in Händen nach draußen zurückkehrte, fürchtete sie fast, Constantine könnte inzwischen gegangen sein. Er saß jedoch am Tisch, die langen Beine darunter ausgestreckt, und blickte ihr entgegen.

Plötzlich bekam sie ganz weiche Knie, sodass sie fast hingefallen wäre, wenn er nicht blitzschnell die Hand ausgestreckt und sie fest gehalten hätte. Sie schaffte es gerade noch, den Krug auf den Tisch zu stellen, bevor ihr das Glas aus der Hand fiel und mit lautem Klirren auf dem grauen Steinfußboden zersprang. Das Geräusch klang unnatürlich laut in ihren Ohren.

„Oh, verdammt! Sehen Sie nur, was Sie angerichtet haben!“, warf sie ihm vor. Dann kniete sie sich hin, um vorsichtig die großen Scherben aufzusammeln.

Constantine stand auf und ging neben ihr in die Hocke. „Seien Sie vorsichtig!“, warnte er, doch es war bereits zu spät. Sie hatte sich mit dem Daumen an einer Scherbe geschnitten, und Blut sickerte aus der kleinen Wunde und tropfte auf den Boden.

Jade wollte den Finger in den Mund stecken, aber Constantine kam ihr zuvor. Ohne den Blick von ihr zu wenden, nahm er ihren Daumen in den Mund und begann daran zu saugen.

Wenn nicht so viele Scherben um sie herum auf dem Boden gelegen hätten, wäre Jade sicher umgefallen. Sie spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich, als sie in seine dunklen Augen schaute.

„Das … hätten Sie nicht tun sollen“, brachte sie mit bebender Stimme hervor.

Er hörte auf, daran zu saugen, ließ den Finger jedoch weiterhin in seinem Mund, der warm und feucht war. „Warum nicht?“

„Es ist gefährlich. Das Blut …“

Constantine schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“

„Woher wollen Sie das wissen?“, erkundigte sie sich atemlos. „Wir haben uns doch gerade erst kennen gelernt.“

„Ich weiß es eben“, erklärte er sanft.

Wieder begann er, an ihrem Finger zu saugen, und die Geste war unglaublich erotisch. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte Jade so etwas erlebt. Schließlich nahm er ihren Finger aus dem Mund und hielt ihn hoch, um ihn genauer zu betrachten. „Die Blutung ist gestillt“, verkündete er, und sie musste über die förmlichen Worte und seinen ernsten Tonfall lächeln.

Er hatte es bemerkt und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Was ist?“

„Sie sprechen manchmal sehr förmlich“, gestand sie. „Aber Ihr Englisch ist ausgezeichnet.“

Constantine neigte den Kopf. „Kein Wunder. Ich bin zweisprachig aufgewachsen.“

„Sind Sie eigentlich immer so, Constantine?“ Zum ersten Mal redete sie ihn mit seinem Namen an und lispelte dabei ein wenig, wie es im Griechischen üblich war.

„Was meinen Sie damit?“

Als sie ihm in die funkelnden Augen schaute, verspürte sie ein seltsames Hochgefühl. „Ob Sie immer so verdammt selbstsicher sind.“

Nun wirkte er überrascht. „Ja, natürlich. Müssen Männer das nicht sein? Zumindest die dominanten?“

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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