Sinnliche Verführung im Palazzo

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Als der erfolgreiche Unternehmer Zach Merrill sie in seinen Palazzo einlädt, um für ihn als Fotografin zu arbeiten, ist Olivia sofort Feuer und Flamme. Mit dem charmanten Witwer und seiner kleinen Tochter zusammenzuleben, fühlt sich schon bald so richtig an. Für sie steht fest, dies ist nicht nur ein Traumjob, Zach ist auch der Mann ihres Lebens! Jeder Tag mit dem Single-Dad ist eine Verheißung, jede Nacht in seinen Armen sinnliche Verführung. Doch Olivia spürt, auch wenn der Milliardär sie feurig küsst, in Gedanken ist er bei einer anderen …


  • Erscheinungstag 25.08.2020
  • Bandnummer 172020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714369
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Etwas höher! Nein, noch höher. Stopp! So … nein, so! Okay, bleiben Sie so!“

Mit zusammengebissenen Zähnen hielt Olivia Gardner den Silberreflektor in der richtigen Position. Sie verstand nicht, warum Ralph Holdsworth sich jedes Mal in ein Monster verwandeln musste, wenn es darum ging, eine Hochzeit zu fotografieren. In der restlichen Zeit war er einigermaßen erträglich, wenn auch äußerst reizbar.

Ralph war der angesagte Hochzeitsfotograf für reiche Leute, die sich seine Dienste leisten konnten, und er war unbestritten ein Könner auf seinem Gebiet. Doch ihm assistieren zu dürfen, war alles andere als der Traumjob, den Olivia sich davon versprochen hatte. Wenn sie nicht so viel von Ralph hätte lernen können, hätte sie den Job bei ihm schon vor Monaten hingeworfen.

Jetzt trat der Fotograf ein Stück zurück, ließ die Kamera sinken und winkte in Richtung der Braut. „Okay, Darling, wir machen am Fenster weiter. Liv! Das Kleid …?“

Olivia stellte den Reflektor ab und ging in die Hocke, um das Hochzeitskleid der jungen Frau so zu arrangieren, wie ihr Chef es wollte. Sie hasste seine Angewohnheit, alle Bräute mit „Darling“ anzureden. War es denn wirklich zu viel verlangt, die jeweilige Frau bei ihrem Namen zu nennen? Olivia selbst legte Wert darauf, sich vor jeder Hochzeit genau über die beteiligten Personen zu informieren.

Die heutige Braut hieß Sophie. Sie war eine bildhübsche junge Frau mit Porzellanteint, blondem Haar und zierlicher Figur. Ihr elfenbeinfarbenes Seidenkleid, über und über mit winzigen Perlen bestickt, fühlte sich leicht und weich wie Papier an, als Olivia es vorsichtig ausbreitete. Ralphs mürrische Miene ignorierend, drapierte sie das Ende des hauchzarten Spitzenschleiers kunstvoll über die Schulter der jungen Frau. Er sah aus, als wäre er ein Familienerbstück.

Die Braut dankte ihr mit einem Lächeln und einem mit den Lippen geformten „Danke“, und Olivia, die ihr anmerkte, wie aufgeregt sie war, drückte ihr beruhigend den Arm. Dann wollte sie den Reflektor wieder in Stellung bringen, doch Ralph scheuchte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung davon.

„Nein, lassen Sie das! Den brauche ich jetzt nicht. Sehen Sie lieber zu, dass Sie ein paar von den Gästen vor die Linse bekommen.“

Mühsam unterdrückte Olivia ihren Ärger. Sie wusste, dass Ralph es nicht böse meinte, aber es störte sie, wenn er im Beisein von Kundinnen in diesem Ton mit ihr sprach. Ohne etwas zu erwidern, griff sie nach ihrer Kamera und verließ das Zimmer.

Langsam ging sie den breiten Korridor entlang zur Treppe. Sie hätte sich liebend gern selbstständig gemacht, doch dazu fehlte ihr bislang der Mut. Schließlich hatte sie schon einmal einen vergeblichen Vorstoß in diese Richtung gewagt. Mit ihrem Abschlussdiplom als Fotografin in der Tasche hatte sie als Freiberuflerin für ein Kunstmagazin gearbeitet, aber die Aufträge waren spärlich und das Honorar jämmerlich. Ein Jahr lang hatte sie durchgehalten und sich in der Zwischenzeit ein Portfolio angelegt, mit dem sie sich bei anderen Magazinen bewarb, aber nie genommen wurde. Die Verlage hatten ihre eigenen Fotografen, mit denen sie bevorzugt zusammenarbeiteten.

Als sie Ralph Holdsworth kennenlernte, arbeitete sie als Teilzeit-Barista in einer Bar. Er hatte ihr die Stelle als seine Assistentin angeboten, und natürlich hatte sie sofort zugeschlagen. Ralph war ein Tophochzeitsfotograf und bestens vernetzt in der Branche. Anfangs hatte er ihr nicht erlaubt, eine Kamera auch nur anzurühren. Sie durfte bei einer Hochzeitsfeier lediglich Reflektoren halten, Brautkleider in Form zupfen und die Verwandtschaft zum Foto zusammentrommeln.

Im Atelier bestand ihre Aufgabe darin, eine endlose Flut von Hochzeitsfotos zu bearbeiten, was laut Ralph äußerst lehrreich sei. Darüber hinaus erledigte sie sämtliche Büroarbeiten für ihn, denn er verabscheute alles, was seine Kreativität beeinträchtigte. Zwölf Monate und gut vierzig Hochzeiten später hatte er ihr endlich eine Kamera in die Hand gedrückt und sie zu seiner Hilfsfotografin erklärt, zuständig für Schnappschüsse und Details am Rande, gleichzeitig musste sie ihm immer noch bei den Brautfotos und den Gruppenbildern assistieren.

Die heutige Hochzeit fand im Garten von Kensall Manor statt, dem Elternhaus der Braut. Es war ein altehrwürdiges Gebäude im Tudorstil mit eichenvertäfelten Wänden und hellem Mauerwerk. Olivia verharrte jetzt auf der Empore im ersten Stock und sah gebannt auf das Gewusel in der Eingangshalle hinunter, wo Mitarbeiter der Cateringfirma mit voll beladenen Tabletts und Gäste auf der Suche nach dem Gabentisch umherliefen.

Dann plötzlich leerte sich die Halle. Olivia wollte schon weitergehen, als sie einen großen dunkelhaarigen Mann im schwarzen Anzug zur Tür hereinstürmen sah. Er trug einen Karton mit Ansteckblumen, und etwas an seiner breitschultrigen Gestalt und seinem dynamischen Auftreten erregte ihre Aufmerksamkeit. Neugierig beugte sie sich über die Brüstung. Im selben Moment hob der Mann den Kopf und entdeckte sie.

Beim ersten Blick in seine Augen stockte ihr der Atem, und auch er sah sie einen Moment lang seltsam verwirrt an, bevor er sie sichtlich erfreut begrüßte.

„Hallo, Sie da oben! Wissen Sie zufällig, wo sich der Bräutigam herumtreibt?“

Er hatte tiefblaue unergründliche Augen. Olivia spürte, dass ihr Herz zu hämmern begann und prickelnde Hitze in ihr aufstieg, während sie in Gedanken die Gästeliste überflog. Der Mann musste Zach Merrill sein, der ältere Bruder und Trauzeuge des Bräutigams. Sie räusperte sich.

„Nein, es tut mir leid, aber wenn ich ihn sehe, sage ich ihm, dass sein Trauzeuge ihn sucht.“

Der Fremde sah sie erstaunt an. „Woher wissen Sie …?“

„Sie tragen ganz offensichtlich die Last der Verantwortung auf Ihren Schultern.“

Sein Lächeln war atemberaubend. „Sieht man mir das so deutlich an?“

Olivia nickte.

„Zach!“, erscholl es in diesem Moment quer durch die Halle.

Der Angesprochene winkte dem Rufenden zu, sah dann wieder zu Olivia hoch. „Sie können die Suchaktion abblasen, ich habe ihn gefunden.“

Diese blauen Augen! Olivia fand nur mit Mühe ihre Stimme wieder. „Was für ein Glück! Eine Hochzeit ohne Bräutigam wäre auch schwierig geworden …“

Der Mann lachte und wandte sich zum Gehen. „Na dann, auf Wiedersehen!“

„Auf Wiedersehen.“ Olivia sah ihm verträumt lächelnd nach, schüttelte dann den Kopf und lief die Treppe hinunter. Mit dem Trauzeugen zu schwatzen, gehörte definitiv nicht zu ihren Aufgaben. Allmählich stellte sich das Lampenfieber ein, das sie jedes Mal vor einer Hochzeit überfiel.

Sie liebte es, Hochzeiten zu fotografieren. Alles, vom kleinsten Detail bis hin zum großen Auftritt. Am schönsten aber fand sie die Trauung selbst. Den Moment, wenn Braut und Bräutigam, ein zaghaftes Lächeln auf den Lippen, die Augen feucht vor Glück, einander das Jawort gaben. Sie fand, es hatte etwas Magisches an sich, wenn zwei Menschen einander versprachen, ihren Weg von nun an gemeinsam zu gehen. Es machte sie jedes Mal glücklich, das miterleben zu dürfen.

Sie trat in die warme Frühlingssonne hinaus, hängte sich die Kamera um den Hals und schlug den Weg zum hinteren Teil des Gartens ein. Von der Terrasse des Hauses schallten Stimmengewirr und Gläserklirren zu ihr herüber, doch anstatt sich unter die Gäste zu mischen, machte sie lieber noch einen Abstecher zu dem Teich, an dessen Ufer die Trauung stattfinden sollte. Es war ein traumhafter Ort zum Heiraten!

Sie hob die Kamera an und stellte sich beim Blick durch den Sucher vor, sie selbst stünde dort Hand in Hand mit dem Mann, den sie liebte. Sie würden einander in die Augen sehen, sich ewige Liebe und Treue schwören und dann … der Kuss!

Seufzend ließ sie die Kamera sinken und beobachtete ein einsames Blesshuhn, das auf der spiegelglatten Wasseroberfläche dahinglitt. Sie wusste selbst nicht, warum ihre romantischen Teenager-Fantasien sie immer wieder einholten. Ihre eigenen Eltern waren nicht einmal verheiratet gewesen, das wäre ihnen viel zu spießig erschienen.

Besorgt warf sie einen Blick über die Schulter. Wenn Ralph sie dabei erwischte, dass sie hier herumstand und den improvisierten Traualtar bestaunte, konnte sie ihren Job vergessen. An Tagen wie diesen brachte ihn jede Kleinigkeit auf die Palme. In gewisser Weise war er ein Opfer seines eigenen Erfolgs. Jeder erwartete von ihm, dass er immer und überall die großartigsten Bilder produzierte, und das setzte ihn enorm unter Druck.

Besser, sie provozierte ihn gar nicht erst und machte sich schleunigst auf den Weg zur Terrasse. Schließlich bedeutete „Gäste vor die Linse zu bekommen“ einen gewaltigen Sprung auf der Karriereleiter, wenn man vorher nur die Fotoausrüstung tragen durfte.

Aus einigem Abstand nahm sie die Gäste ins Visier und fing mithilfe des Teleobjektivs einige hübsche Momentaufnahmen ein – lächelnde Gesichter, farbenfrohe Hüte, vergnügt plaudernde Grüppchen. Dann wechselte sie mehrmals den Standort und den Winkel, hielt hier und da ein interessantes Detail fest: in der Sonne funkelnde Champagnerflöten, eine elegant gekleidete Frau mit knallrotem Lippenstift und rot lackierten Fingernägeln. Zwischen den Beinen der Gäste sah sie ein kleines Mädchen hervorlugen, ein niedliches kleines Ding mit ernsten dunklen Augen. Sie ging in die Hocke, spielte ein wenig Verstecken hinter der Kamera, und die Kleine, die sich an den Rockzipfel einer älteren Frau klammerte, strahlte sie an. Olivia machte mehrere Fotos von ihr, zwinkerte ihr zu und ging weiter. Kinder zu fotografieren, machte ihr Spaß. Kinder machten kein Getue, kannten keine falsche Eitelkeit.

Nachdem sie genug Bilder im Kasten hatte, schlenderte sie erneut durch den Garten, um noch einige Aufnahmen von dem schmucken Landsitz zu machen, an dessen Mauern sich üppig wuchernder Blauregen und Clematis emporrankten.

Ralphs sämtliche Kunden besaßen Häuser wie diese, und manchmal konnte Olivia kaum glauben, dass dies nun die Welt war, in der sie verkehrte: vornehme Herrenhäuser und luxuriöse Hotels. Ein krasser Gegensatz zu dem bescheidenen Cottage in Sussex, in dem sie aufgewachsen war.

Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr stellte sie fest, dass im Haus inzwischen die Tische für den Hochzeitsbrunch gedeckt sein mussten. Um sie in ihrer ganzen Pracht fotografieren zu können, musste sie noch vor den Gästen dort eintreffen. Sie eilte die breite Auffahrt hinauf, blieb aber plötzlich wie angewurzelt stehen.

Vor dem Haus standen vergnügt lachend und scherzend einige Männer beisammen. Einer davon war eindeutig der Bräutigam, und daneben stand … Zach!

Bei seinem Anblick schlug ihr Herz gleich doppelt so schnell. Wie gut dieser große, muskulöse Mann in seinem perfekt sitzenden Anzug aussah! Sie hätte ihn stundenlang einfach nur ansehen können …

Reiß dich zusammen, Liv!

Wenn sie ins Haus wollte, musste sie notgedrungen an dem Grüppchen vorbei. Am besten, sie gab sich ganz cool und ungezwungen. Gut vorbereitet, wie sie war, erkannte sie in den anderen beiden Männern die Cousins des Bräutigams: Charlie und … Will? Oder war es Bill? Die beiden waren etwas kleiner als die Merrill-Brüder und offenbar zwei richtige Spaßvögel.

„Guten Morgen, zusammen!“ Sie spürte, dass Zachs Blick auf sie gerichtet war, konzentrierte sich aber auf den jungen Mann, der der Bräutigam sein musste. „Lucas, richtig? Schön, Sie zu sehen! Ich bin Olivia Gardner, die Assistentin von Ralph Holdsworth.“

Lucas schüttelte ihr die Hand. „Hi, Olivia! Es freut mich, Sie kennenzulernen.“ Sie bemerkte ein bisschen Zahnpasta in seinem Mundwinkel und die leicht herabhängende Rose in seinem Knopfloch, während er ihr seine Begleiter vorstellte. „Das ist mein Bruder Zach, und die beiden Nichtsnutze hier sind Charlie und Will.“

Charlie stieß ihn in die Seite. „Nun werd mal nicht frech, Bürschchen!“

Während sich zwischen den jungen Männern ein freundschaftliches Gerangel entspann, stellte Zach sich schützend vor Olivia. Es war eine ritterliche Geste, die allerdings bedeutete, dass er ihr ziemlich nahe kam.

Er verdrehte die Augen, lachte und meinte: „Jetzt sehen Sie, was ich Ärmster auszuhalten habe!“ Dann reichte er ihr die Hand. „Schön, Sie noch einmal offiziell kennenzulernen, Olivia. Sind Sie den ganzen Tag hier?“

Sein Händedruck fühlte sich ausgesprochen gut an. „Ja, bis nach dem ersten Tanz.“

„Ganz schön anstrengend, oder? Ihre Kamera sieht nicht gerade leicht aus.“ Er strich sich das volle dunkle Haar aus der Stirn, das ihm bis über den Kragen reichte. In seinem sonnengebräunten Gesicht zeigten sich einige feine Lachfältchen, sein Blick war freundlich, aber so durchdringend, dass sie fast zu antworten vergaß.

„Ach, daran gewöhnt man sich.“

„Machen Sie ein Foto von uns, Olivia?“, fragte der Bräutigam.

„Aber gern! Wenn ich vorher noch Ihre Ansteckblume richten dürfte?“

„Charlie, du Idiot, du hast sie zerknautscht“, empörte sich Lucas.

Olivia lachte. „Charlie kann nichts dafür.“ Mit flinken Fingern brachte sie das Malheur in Ordnung. „Rosen sind schwer, die muss man gut feststecken.“

„Und was ist mit meiner?“, fragte Zach.

Ein Hitzeschauer überlief sie, als sie sich auch an dem Aufschlag seines Jacketts zu schaffen machte. Er hob das Kinn an, und der Duft seines Aftershaves, holzig-frisch mit einer feinen Zitrusnote, stieg ihr in die Nase.

„Sie haben einen Blick fürs Detail, Olivia.“

„Das gehört zu meinem Beruf.“ Leise fügte sie hinzu: „Lucas hat Zahnpasta am Mundwinkel. Könnten Sie ihn bitte darauf aufmerksam machen, bevor ich fotografiere?“

Zach blickte sie amüsiert an. „Na klar, mache ich.“

Sie entfernte sich einige Schritte von ihm und atmete tief durch. Dieser Mann brachte sie total durcheinander! Als sie das Objektiv einstellte, zitterten ihr die Finger.

„Okay, Gentlemen!“ Vier Augenpaare richteten sich auf sie. „Lucas und Zach in die Mitte, Charlie und Will an die Flanken.“

„An die Flanken?“, wiederholte Will feixend. „Das gefällt mir.“

Olivia versuchte, vor allem den Bräutigam ins rechte Licht zu rücken, obwohl ihr Blick immer wieder zu Zach glitt. Sie fotografierte fleißig, bis ihr plötzlich siedend heiß einfiel, dass es Ralphs Privileg war, den Bräutigam und sein Gefolge abzulichten.

„Und jetzt noch ein Blödelfoto“, verlangte der Bräutigam.

„Was schwebt Ihnen denn vor?“ Sie konnte ihm die Bitte schlecht abschlagen, er war schließlich der Kunde, aber sie hatte Angst, dass Ralph plötzlich auftauchen könnte. Ihm würde es gar nicht gefallen, was sie hier tat.

Zachs Lächeln genügte ihr, um alle Bedenken in den Wind zu schlagen. Die Männer stellten sich in einer Reihe auf, zählten bis drei und beugten sich alle gleichzeitig zur Seite. Ihre gute Laune war ansteckend, und Olivia musste lachen, als sie auf den Auslöser drückte. Sie mochte spontane Szenen wie diese.

„Olivia!“

Erschrocken ließ sie die Kamera sinken, als sie Ralphs Stimme hörte. Er stand im Hauseingang, unbeweglich wie eine Statue, und starrte zu ihr herüber. Sein Blick machte ihr Angst, aber sie sagte sich, dass sie nichts Schlimmes verbrochen habe. Ralph hatte eine Macke, das war alles. Tapfer lächelnd wandte sie sich wieder den jungen Männern zu, die weiter Faxen machten – alle außer Zach, der sie merkwürdig ansah. „So, jetzt übernimmt Ralph“, sagte sie betont munter, wobei sie es vermied, Zach in die Augen zu sehen. „Viel Spaß noch, die Herren!“

Im Weggehen fragte sie sich, ob Zach ihr wohl nachblickte, doch der Gedanke war schnell vergessen, als sie sich mit einem äußerst zornigen Ralph konfrontiert sah.

Zach Merrill war nicht entgangen, dass Olivia beim Anblick ihres Chefs zusammengezuckt war. Er hatte das Aufeinandertreffen der beiden beobachtet und aus ihrer Körpersprache geschlossen, dass der Fotograf seiner Assistentin gewaltig die Hölle heißgemacht hatte, während sie trotzig ihren Standpunkt vertrat.

Ihm war schleierhaft, warum Ralph Holdsworth sich so aufregte. Olivia Gardner war äußerst professionell vorgegangen, außerdem hatte sie ein entzückendes Lächeln …

„Okay, los geht’s! Bleiben Sie locker, schwingen Sie die Arme …“

Er konzentrierte sich wieder auf die Anweisungen des Fotografen, der jetzt flach auf dem Bauch vor ihnen im Gras lag. Sie hatten nichts weiter zu tun, als immer wieder fröhlich plaudernd auf ihn zuzugehen, was jedoch mit der Zeit ziemlich anstrengend wurde. Bei der zigsten Wiederholung flüsterte Lucas Zach ins Ohr, dass der Starfotograf die Brauteltern ein Vermögen koste, was vermutlich daran liege, dass er jede Szene hundertmal wiederhole. Sie mussten beide lachen, und das umso lauter, als Holdsworth in diesem Moment zufrieden verkündete, nun habe er den „Millionentreffer“ im Kasten.

Zach gab sich alle Mühe, seinen gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen, aber nachdem die Trauung vorbei war und er mit allen Gästen hinlänglich geplaudert hatte, wurde er langsam unruhig. Er hörte nur noch mit halbem Ohr zu, lächelte höflich in die Runde, hätte sich aber viel lieber unter die Musiker gemischt, die gerade in ihrem Transporter vorgefahren waren und nun ihre Instrumente ausluden: Drums, Keyboard, Gitarren!

Mit einem Glas in der Hand zog er sich in eine ruhige Ecke der Terrasse zurück und beobachtete, wie Ralph Holdsworth unten am Teich das Brautpaar wild gestikulierend zu immer neuen romantischen Posen animierte. Wo war Olivia?

Eben noch hatte sie die Aufstellung für die Familienfotos organisiert, hier eine Krawatte, da eine Ansteckblume gerichtet, alle mit Namen angesprochen und zu ihren Plätzen dirigiert. Zach hatte sie immerzu ansehen müssen. Sie war einfach hinreißend und so geschickt im Umgang mit Menschen! Einige Male waren sich ihre Blicke begegnet. Sie hatte ihn angelächelt, er hatte ihr Lächeln erwidert. Es gefiel ihm, ein wenig mit ihr zu flirten. So reibungslos, wie die Fotosession über die Bühne ging, hätte man annehmen können, Ralph Holdsworth und Olivia Gardner seien ein perfektes Gespann.

Zach sah wieder zum Teich hinüber, wo sein Bruder Lucas und dessen Braut Sophie Stirn an Stirn für den Fotografen posierten. Er sagte den beiden eine glückliche Zukunft voraus. Sie liebten einander und passten wunderbar zusammen, sie seien echte Seelenverwandte, wie er in seiner Hochzeitsrede betonen würde. Ihm wurde das Herz schwer. Würde er die Rede überhaupt halten können? Plötzlich wurde ihm der Trubel um ihn herum zu viel. Er stellte sein Glas ab und floh in den Garten.

Der Lärm der Hochzeitsgesellschaft verlor sich in der Ferne, und bald war er nur noch von Vogelgezwitscher umgeben. Er durchschritt ein schmiedeeisernes Tor und gelangte in einen Obstgarten mit knorrigen rosa blühenden Apfelbäumen, in denen es vor Bienen nur so summte und brummte.

Seine Gedanken wanderten zurück zu seinem eigenen Hochzeitstag. Er sah Izzy vor sich, wie sie in ihrem schimmernd weißen Kleid unter blühenden Zitronenbäumen auf ihn zugeschritten kam, Sprenkel von Sonnenlicht auf ihrer Haut. Sie hatte dieses besondere Lächeln auf den Lippen, das nur für ihn reserviert war, verflocht ihre Finger mit seinen, und er hätte zerspringen können vor Glück.

Izzy war seine große Liebe gewesen, sein Ein und Alles, doch sie war nicht mehr da. Von ihm genommen, in einem einzigen tragischen Augenblick. Er schluckte schwer, pflückte im Vorbeigehen eine Apfelblüte von einem Zweig. Seine große Liebe zu heiraten, war keine Garantie für eine glückliche Zukunft. Die Zukunft war so zart und zerbrechlich wie die Blüte in seiner Hand.

Er sah auf seine Armbanduhr und fragte sich, ob Alessia inzwischen ihr Mittagsschläfchen beendet hatte. Die vielen neuen Gesichter und das riesige fremde Haus waren ziemlich aufregend für eine Dreijährige. Er hatte überlegt, ob er sie überhaupt mitbringen sollte, aber seine Mutter freute sich immer sehr, ihre Enkelin zu sehen, und Lucas wollte seine kleine Nichte unbedingt auf seiner Hochzeit dabeihaben.

Zach zerdrückte die Blüte zwischen den Fingern und ließ sie fallen. In einer halben Stunde, beim Hochzeitsbrunch, würde er seine Rede halten müssen. Nervös tastete er nach dem Manuskript in seiner Brusttasche. Als Hotelier war er es gewöhnt, vor Publikum zu sprechen, aber von Seelenverwandtschaft und ewiger Liebe zu schwärmen, würde ihm schwerfallen. Am besten suchte er sich ein ruhiges Plätzchen im Haus, schrieb die Rede noch einmal um und ließ den sentimentalen Kram einfach weg.

„Oh, Verzeihung …“ Zach blieb abrupt stehen, als er Olivia Gardner vor einem Laptop sitzen sah, umgeben von ihrem Fotoequipment. „Man sagte mir, der Raum sei leer.“

„Er ist leer bis auf mich.“

Sie hatte wirklich ein bezauberndes Lächeln. „Darf ich trotzdem hereinkommen?“

„Aber sicher.“

Er trat ein, schloss die Tür hinter sich und zog sein Manuskript hervor. „Ich muss noch an meiner Rede feilen.“

„Ah, verstehe. Sie haben auf den letzten Drücker noch Skrupel bekommen, dass Sie Ihren Bruder blamieren könnten, stimmt’s?“

„So ungefähr.“ Tatsächlich wollte er nur sich selbst nicht blamieren. „Hätten Sie vielleicht einen Stift für mich?“

„Klar.“ Sie kramte in ihrer Tasche, zog einen silbernen Kuli hervor und reichte ihn ihm, ein vergnügtes Funkeln in den braunen Augen.

„Danke. Sind Sie schon dabei, die Hochzeitsfotos zu bearbeiten?“

„Nein, ich speichere sie nur ab. Das machen wir immer so, zur Sicherheit.“

„Kann ich mal einen Blick darauf werfen?“ Er bemerkte ihren ängstlichen Blick zur Tür und fügte lächelnd hinzu: „Keine Sorge, Ihr Chef ist noch mit dem Brautpaar am Teich beschäftigt. Er erfährt nichts davon.“

„Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Ralph ist ein großartiger Fotograf …“

„Nur leider ziemlich unausstehlich, verstehe.“

Ihre Mundwinkel zuckten. „Er kann etwas anstrengend sein.“

Extrem anstrengend würde ich sagen.“

Jetzt musste auch sie lächeln. „Ralph ist schon in Ordnung.“

Zach fand es nobel von ihr, dass sie ihren Chef in Schutz nahm, war sich aber nicht sicher, ob Holdsworth ihre Loyalität verdient hatte. „Kann ich wenigstens die Fotos sehen, die Sie von meinem Bruder und uns dreien gemacht haben?“

Sie schnitt ein Gesicht. „Nun, ich stelle gerade eine Diashow zusammen. Wenn Sie also rein zufällig neben mir sitzen und rein zufällig herüberschauen …“

Ihr schalkhaftes Lächeln war einfach unwiderstehlich. „Tja, dann setze ich mich mal neben Sie und arbeite an meiner Rede“, erwiderte er vergnügt.

„Und ich sehe die Bilder von heute Morgen durch“, ergänzte sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

Er sah sie an, bewunderte ihre zarte Haut, ihr kastanienbraunes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar, ihre vollen rosigen Lippen. Beim Blick in ihre warmen braunen Augen überkam ihn ein seltsames Gefühl von Nähe und Vertrautheit, das ihn so verwirrte, dass er sich lieber rasch dem Bildschirm zuwandte.

Ihre Fotos waren richtig gut. Gestochen scharf und geschickt komponiert. Das Blödelfoto war urkomisch, Lucas würde es lieben. Auch auf der Terrasse waren ihr einige wirklich schöne Schnappschüsse gelungen.

„Stopp!“, rief er, als ihm auf einem der Fotos große dunkle Augen entgegenblickten, umrahmt von dichten schwarzen Wimpern.

Olivia vergrößerte das Bild. „Gut so?“

Er nickte, blickte starr und aufgewühlt auf das Gesicht seiner Tochter. Sie hatte dieses ganz spezielle Lächeln auf den Lippen. Das Lächeln ihrer Mutter. Alessia war ein fröhliches Kind, aber es war das erste Mal, dass er sie so lächeln sah.

„Niedlich, die Kleine, oder?“, fragte Olivia. „Ist sie mit Ihnen verwandt?“

„Ja.“ Er räusperte sich. „Sie ist meine Tochter.“

„Oh! Ich hatte ja keine Ahnung …“

Er hatte sofort ein schlechtes Gewissen, als er sah, wie verlegen sie reagierte. Seine Mutter hatte sich seit dem Morgen um Alessia gekümmert, und als die Familienfotos geschossen wurden, hatte die Kleine schon geschlafen. Woher sollte Olivia wissen, dass er eine Tochter hatte? Für sie war er der Mann, der ihr deutlich signalisiert hatte, dass er nicht abgeneigt war, mit ihr zu flirten. Da war wohl eine Erklärung fällig.

„Sie heißt Alessia“, sagte er, „und auf dem Foto lächelt sie wie ihre Mutter.“

Olivias Blick glitt zu dem Ehering an seiner Hand, und flammende Röte überzog ihre Wangen. „Ist Ihre Frau auch …?“

„Nein, sie ist nicht hier. Sie ist vor zwei Jahren gestorben.“

„Ach, wie furchtbar! Das tut mir leid.“ Olivia hob die Hand, als wollte sie ihn berühren, tat es jedoch nicht, sondern sah ihn nur mitfühlend an. „Ihre Tochter muss damals noch fast ein Baby gewesen sein.“

„Ja.“ Er nickte langsam. „Wir hatten gerade Alessias ersten Geburtstag gefeiert.“ Er erinnerte sich, dass Izzy die selbst gebackene Zitronencremetorte auf den Tisch gestellt hatte, Zuckerguss im Haar und auf der Nasenspitze. Und an die Schrecksekunde, als Alessia um ein Haar in die brennende Kerze gegriffen hätte …

„Wenn Alessia ihr ähnlich sieht, dann war Ihre Frau sicher sehr schön.“

Autor

Ella Hayes

Ella Hayes lebt zusammen mit ihrem Ehemann und ihren beiden erwachsenen Söhnen in einer ländlich geprägten Region von Schottland. Ihre frühere Arbeit als Kamerafrau fürs Fernsehen und als professionelle Hochzeitsfotografin habe ihr eine Fülle an Material für ihre schriftstellerische Tätigkeit beschert, vor allem im Hinblick auf ihre Liebesromane, so die...

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