Sinnliches Wintermärchen mit einem Prinzen

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Eingeschneit mit einem Prinzen? Die erfahrene Hotelmanagerin Imogen kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. Doch das Flair von Macht und die samtig-tiefe Stimme von Prinz Luca erwecken in ihr Gefühle so unberechenbar wie der Schneesturm, der sie beide von der Außenwelt abschneidet. Und die vorweihnachtlichen Stunden, die sie am knisternden Kaminfeuer miteinander verbringen, sind erst der Anfang ihres sinnlichen Wintermärchens. Doch als der Sturm sich legt, ist Imogen verzweifelt, denn Luca hat ihr etwas Unglaubliches verheimlicht …


  • Erscheinungstag 03.11.2020
  • Bandnummer 222020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714512
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Erneut und ganz und gar überflüssigerweise strich Imogen Albright mit der Hand über das perfekt gemachte Bett. Das glatte Laken aus ägyptischer Baumwolle fühlte sich seidenweich unter ihren Fingerspitzen an, während ihr ein klarer, sauberer Duft in die Nase stieg.

Sie seufzte unterdrückt, steckte sich eine honigblonde Strähne ihres schulterlangen Haares hinters Ohr und sah prüfend um sich. Wie alle Zimmer der Crystal Lake Lodge, einem Boutique-Hotel in den kanadischen Rocky Mountains, war auch dieses mit einem Kamin und wunderschönen handgefertigten Holzmöbeln ausgestattet – subtil luxuriös und eine Spur rustikal.

Nur … war es auch gut genug für einen Prinzen?

Als Tochter der Hotelmanager hatte Imogen seit frühester Kindheit das Motto des Hotels verinnerlicht, das seither elitäre Gäste aus der ganzen Welt anzog: das Versprechen von Luxus im Herzen einer ursprünglichen Natur. Und wie ihre beiden Schwestern war sie daran gewöhnt, von berühmten Schauspielern, Sportlern und Staatsoberhäuptern wahrgenommen und sogar verwöhnt zu werden. Einige Gäste kamen jedes Jahr wieder und wurden sogar zu Freunden der Familie. Als Teenager hatten sämtliche Klassenkameraden der drei Mädel sie um ihre Sammlung signierter Promi-Fotos beneidet.

Aber soweit Imogen wusste, hatte noch keine royale Persönlichkeit hier genächtigt.

Es war eine Sache, sich mit The Bold and The Beautiful auf einer Ebene zu bewegen, doch Imogen wusste sehr wohl, dass auch die Reichen und Schönen nur Menschen waren. Mit wenigen Ausnahmen ließen sie an einem Ort wie diesem gern lästige Barrieren fallen und wollten normal behandelt und als Privatperson akzeptiert werden.

Prinz Antonio Valenti könnte jedoch die berühmte Ausnahme sein, wenn man das dicke Protokollbuch, das erst gestern geliefert worden war, als Hinweis nahm. Die umfangreiche Mappe wirkte so einschüchternd, dass Imogen es bisher vermieden hatte, sie zu öffnen. Konnte es sein, dass sie deshalb so nervös war?

Normalerweise sah sie der Ankunft neuer Gäste absolut entspannt entgegen, nur dieser Gast erschien ihr irgendwie mysteriös.

Zum einen reiste der Prinz ohne große Entourage an, nur in Begleitung eines Bodyguards. Außerdem war die Buchung ohne Vorankündigung erfolgt … und dann auch noch in der Nebensaison!

Imogen trat ans Fenster. Obwohl sie hier aufgewachsen war, verschlug ihr die Aussicht jedes Mal aufs Neue den Atem. Die Lodge lag hoch oben in den Bergen. Von hier aus wirkte die Stadt in dem engen Tal unter ihr wie eines dieser weihnachtlichen Miniaturdörfer, die Touristen häufig aus Nostalgiegründen kauften und sammelten.

Der Ort war an den Ufern vom Crystal Lake erbaut worden, dessen ruhige Wasseroberfläche die Farben des Herbstes reflektierte. Smaragdgrüne Wälder bedeckten den unteren Teil des Berges, ehe sie in schroffe Felswände übergingen, die bis an den Himmel zu reichen schienen, wo sie von strahlend weißen Schneehügeln gekrönt wurden.

Es war ein später Nachmittag im Oktober, und Imogen wusste, dass der Geruch des Herbstes sie umhüllen würde, wenn sie das Fenster öffnete: sauber und erdig mit den leisesten Anklängen von Holzrauch …

Trotzdem: Was wollte der Prinz ausgerechnet um diese Jahreszeit hier? Die Sommersaison mit einem türkisfarben schillernden See voller Kajaks und Kanus und lautem Kindergeschrei von denen, die mutig genug waren, ins eisige Bergwasser zu tauchen, war vorbei. Und bis zur Skisaison dauerte es mindestens noch einen Monat.

Die Bergrouten waren ebenso berühmt wie beliebt und ein Magnet für Wanderer und Freizeitbergsteiger aus der ganzen Welt. Und exakt solche Touristen waren um diese Jahreszeit auch die Hauptkundschaft der Lodge: Outdoor-Enthusiasten.

Doch als die Anfrage des Prinzen eingegangen war und sie den Grund für den Besuch erfragt hatte, war sie abgewiesen worden, als hätte sie bereits mit der Frage ein Tabu gebrochen. Noch spezieller wurde die Buchung, als der Beauftragte des Prinzen darauf bestand, sie auf das gesamte Hotel auszudehnen, obwohl nur der Prinz und sein Bodyguard angekündigt wurden.

Dem Himmel sei Dank für die Nebensaison, sonst hätte Imogen dieser ungewöhnlichen Bitte nicht nachkommen können!

„Gabi …“, murmelte sie, als sie nach einem letzten Rundumblick den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss. „Wo bist du, wenn ich dich brauche?“

„Hast du gerufen?“ Rachel, eine junge Einheimische, die das benachbarte Zimmer für den Bodyguard gerichtet hatte, steckte ihren Kopf durch die Tür. Sie war frisch verheiratet, und ihr Schwangerschaftsbauch rundete sich geradezu dramatisch von Tag zu Tag.

Wie es schien, war in Chrystal Lake ein Babyboom ausgebrochen!

Wohin Imogen auch schaute, sah sie Säuglinge oder Schwangere. Und jedes Mal spürte sie diesen Schmerz von Verlust und Bedauern.

„Nein, ich spreche nur mit mir selbst“, erklärte sie Rachel.

„Und was ist mit Gabi?“

„Ich habe mich nur gefragt, wo sie ist. Das ist alles.“

„Das fragt sich wohl jeder hier. Sag Bescheid, wenn du etwas hörst.“

Imogen nickte und lächelte unverbindlich. Das war das Schöne oder manchmal auch Nervtötende an kleinen Gemeinden: Niemand konnte wirklich ein Geheimnis haben.

Ob auch Gabi möglicherweise eines hütete?

„Rachel, pass auf dich auf. Nicht so schwer heben“, mahnte Imogen, um vom Thema abzulenken.

„Ha! Meine Mutter hat noch Holz gehackt, bis die Wehen anfingen.“

Dazu sagte Imogen nichts, weil sie wusste, dass Rachels Schwangerschaft trotz des flapsigen Einwands nicht komplikationsfrei verlief. Sie war bereits in der Stadt bei einem Spezialisten gewesen und sollte später auch in der dortigen Klinik entbinden.

Wiederholt hatte sie die junge Frau eindringlich gebeten, sich eine Auszeit zu nehmen, doch Rachel berief sich darauf, einem robusten Stamm anzugehören. Imogen vermutete jedoch, dass es in erster Linie um das Geld ging, das die junge Familie gut brauchen konnte. Aber zumindest hatte sie dafür gesorgt, dass Rachel nur leichte Dienste verrichtete und für die Reinigung keine schädlichen Chemikalien verwendete.

Mit einem unterdrückten Seufzer kehrten ihre Gedanken zurück zu Gabi. Gabriella Ross betrieb die Buchhandlung in Crystal Lake. Sie waren Freundinnen von Kindesbeinen an und immer füreinander da gewesen. Ihr Verhältnis wurde noch enger, nachdem Imogens Schwestern Jobs im Ausland angenommen hatten und seit ihre Eltern ein wärmeres Klima vorzogen.

Gabi und sie kannten die größten Geheimnisse und Träume der anderen … zumindest war das bis vor Kurzem so gewesen. In letzter Zeit wirkte ihre Freundin ziemlich gestresst und enorm beschäftigt. Sonst hätte sie ihr sicher voller Begeisterung dabei geholfen, sich auf die Ankunft des geheimnisvollen Prinzen vorzubereiten.

Imogen runzelte die Stirn, während sie die breite, geschwungene Treppe hinunter und weiter in die Küche ging.

Als Bücherwurm hätte Gabi normalerweise voller Begeisterung recherchiert, was es über das Inselkönigreich Casavalle zu wissen gab. Für den dicken Protokollschmöker hätte sie nicht mehr als eine Stunde gebraucht und ihr anschließend eine ebenso kurze wie prägnante Zusammenfassung des Inhalts präsentiert.

„Einschließlich der Leib- und Magenspeisen Eurer Hoheit!“, stöhnte Imogen und öffnete die Tür zu dem riesigen Industriekühlschrank aus Edelstahl.

Doch anstatt sie zu unterstützen, war Gabi nach ein paar mehr als vagen Andeutungen wie vom Erdboden verschwunden … Keine Frage, sie hatte ein Geheimnis!

Und Geheimnisse zwischen besten Freundinnen fühlten sich nicht gut an.

Gabi war es auch gewesen, die ihr über ihre geplatzte Verlobung mit Kevin hinweggeholfen hatte. Sie wusste, wie schwer Imogen das strahlende Lächeln fiel, wenn der Name ihres Exverlobten fiel, und dass sie es bis heute nicht fertiggebracht hatte, das Verlobungsfoto als Bildschirmschoner von ihrem Handydisplay zu tilgen.

Imogen spürte, wie sich ihr Herz beim Gedanken an Kevin zusammenkrampfte. Er hatte sich so sehnlichst Kinder gewünscht. Doch in den Jahren nach ihrem schweren Skiunfall erhärtete sich der bedrückende Verdacht, dass es diesbezüglich Probleme geben könnte.

Als Kevin sie nach drei wundervollen Jahren eines Abends zu ihrem Lieblingschinesen einlud und sie nach dem Essen ihren Glückskeks aufbrach, fand sie darin einen schlichten Diamantring und eine Botschaft: Ich will, dass du meine Frau wirst, und ich möchte Babys mit dir haben.

Natürlich hatte sie Ja gesagt. Das Foto von ihrem Handydisplay hatte eine Kellnerin gemacht … Sekunden, nachdem Imogen ihren Verlobungsring angesteckt hatte.

Kevins ausdrücklicher Kinderwunsch hatte sie veranlasst, sich weiteren Untersuchungen auszusetzen. An sein entsetztes Gesicht, als sie ihm das Ergebnis mitgeteilt hatte, erinnerte sie sich noch genau. Er hatte zwar behauptet, es würde ihm nichts ausmachen, doch Imogen war weder naiv noch dumm, und sie hatte recht behalten.

Nachdem sie ihn freigegeben hatte, verlor Kevin keine Zeit, sich eine neue Liebe zu suchen, die ihn zum Vater machen konnte. Inzwischen war er längst verheiratet und seine Frau schwanger …

„Hör endlich auf, dich selbst zu quälen!“, rief sie sich zur Ordnung.

Mechanisch sortierte sie den Kühlschrankinhalt, der sich deutlich von der normalen Bevorratung unterschied: Er beherbergte kornische Wildhühner neben seltsamen Würsten, undefinierbares Gemüse, tropische Früchte und in den Regalen darüber exotische Gewürze in Mengen.

Zum Glück musste sie sich nicht damit auseinandersetzen, was wozu passte und wie das Ganze zubereitet werden sollte. Alles war auf Geheiß eines pensionierten Sternekochs von Weltklasse besorgt worden, der morgen noch vor Prinz Antonio und seinem Leibwächter eintreffen würde.

Imogen schloss die Kühlschranktür und hielt überrascht inne. In Crystal Lake waren Helikoptergeräusche nicht ungewöhnlich, da diese Touristen von A nach B transportierten, eventuelle Brände aufspürten oder verwegene Paraglider auf den Berg flogen. Allerdings nicht unbedingt um diese ruhige Jahreszeit.

Sie öffnete die rückwärtige Küchentür und reckte den Kopf gen Himmel. Trotz des strahlenden Sonnenscheins war die Luft überraschend kalt. Imogen warf einen Blick in Richtung Mount Crystal und sah die drohende dunkle Wolke. Dank ihrer langjährigen Erfahrung mit dem wechselhaften Bergklima wusste sie, was das bedeutete: Schnee …

In der nächsten Sekunde tauchte ein kleiner Helikopter oberhalb der Baumgrenze auf und schwebte einen Moment anmutig in der Luft, bevor er über das Dach der Lodge flog und, angesichts des zunehmenden Lärms, offenbar auf der anderen Hausseite zur Landung ansetzte.

Imogen schloss die Hintertür und kam über einen steinernen Pfad, der sich um die Lodge schlängelte, gerade rechtzeitig auf der Frontseite an, um das elegante, silberne Flugobjekt mit der getönten Frontscheibe aufsetzen zu sehen. Es war wie in einem James-Bond-Film. Das Dröhnen verstummte, sobald die erwarteten Gäste gelandet waren. Allerdings hatte sie sie erst morgen erwartet … und schon gar nicht im Hubschrauber!

Gerade hatte sie sich mit dem umfangreichen Protokollschinken zurückziehen wollen, um ihn bei einem Gläschen Wein durchzuarbeiten. Was jetzt?

Während Imogen nach Atem rang, stieg der Pilot aus. Obwohl er keine Uniform trug, gehörte er hundertprozentig dem Militär an, wofür sowohl die straffe Haltung als auch der markante Kurzhaarschnitt sprachen. Nachdem er sie eindringlich von Kopf bis Fuß gescannt hatte, ließ er seinen scharfen Blick über das gesamte Gebäude, über Fenster und Türen wandern, bevor sich die breiten Schultern sichtbar entspannten.

Dann trat er zur Seite, und noch jemand stieg aus dem Helikopter. Sein wachsamer Begleiter verbeugte sich leicht und sagte etwas zu ihm, das Imogen nicht genau mitbekam – außer, dass er den anderen Mann Luca nannte.

Seltsam … schließlich erwartete sie einen Prinzen namens Antonio.

Doch schon in der nächsten Sekunde spürte sie ihr Herz oben im Hals pochen. Dichtes, kaffeebraunes Haar, das bis über die ebenfalls dunklen Brauen reichte, ein goldbronzener Teint, ein herber Mund und eine Kerbe im markanten Kinn. Zwei Meter imposante Körpergröße, breite Schultern unter einer perfekt geschnittenen Anzugjacke und lange Beine in einer eleganten Hose mit messerscharfer Bügelfalte. Den Neuankömmling umgab ein Flair von Macht, Selbstbeherrschung und einer undefinierbaren Lässigkeit, wie sie Imogen in dieser Kombination noch nie zuvor begegnet war.

Außer, dass sie das unbestimmte Gefühl beschlich, ihn schon irgendwo gesehen zu haben. Wahrscheinlich auf der Titelseite eines Klatschmagazins, da heutzutage alle Mitglieder verschiedenster Königshäuser auf die eine oder andere Art als Berühmtheiten galten. Was wohl hauptsächlich das weibliche Geschlecht dazu animierte, diese Hochglanzillustrierten zu kaufen.

Was jetzt?

Die Versuchung, auf der Stelle kehrtzumachen und in die Lodge zu flüchten, war groß, aber keine Option. Auch ohne das Protokollbuch gelesen zu haben, wusste Imogen, dass jetzt eine Art Hofknicks von ihr erwartet wurde. Sie hatte vorgehabt, ihn zu üben, und sich sogar bildhaft vorgestellt, wie Gabriella und sie albern kichernd voreinander knicksen und königlich lächeln würden, bis sie sich nicht mehr halten konnten.

Sie riss sich zusammen, fuhr sich rasch mit einer Hand durchs Haar, hob das Kinn an und trat einen Schritt vor. Egal, was das königliche Protokoll vorsah, sie würde auf keinen Fall in Arbeitsjeans und kariertem Flanellhemd versuchen, vor einem Prinzen zu knicksen!

Als sie sich den Männern näherte, wirbelten beide herum und starrten sie an. Nicht gerade die übliche Reaktion von Urlaubern, die freiwillig in diese unberührte Schönheit der Berge kamen.

„Prinz Luca?“ Imogen lächelte nervös. „Tut mir leid, aber ich erwartete Prinz Antonio.“

Beide schienen ihr mit Blicken sagen zu wollen, dass es ihr nicht zustand, eine derart vorlaute Feststellung zu treffen.

„Willkommen in der Crystal Lake Lodge“, haspelte sie nervös herunter und widerstand dem albernen Impuls, zu salutieren oder sich womöglich noch zu verbeugen!

Stattdessen streckte sie die Hand aus.

Der militärisch wirkende Typ reagierte bestürzt, doch der Prinz ergriff nach kaum merklichem Zögern ihre Finger. Die Berührung war warm, subtil und unbestreitbar sinnlich. Ihre Blicke trafen sich, und wieder schoss Imogen durch den Kopf, dass sie ihn irgendwoher kannte. Aber das war unmöglich.

Und für jemanden, der es sein Leben lang gewohnt war, mit jeder Art von Prominenz Umgang zu pflegen, war ihre nächste Reaktion durchaus verblüffend. Denn plötzlich fühlte sie sich wie ein alberner Teenager, der unerwartet seinem verehrten Rockidol gegenüberstand.

Mit aller Anmut, die sie unter diesen Umständen aufbringen konnte, entzog sie ihre Finger seinem festen Griff und erinnerte sich streng daran, dass jede Art von Verzauberung für sie passé war.

Als würde ein Prinz jemals auch nur ein Auge in ihre Richtung riskieren! Das echte Leben war kein Märchen, denn die endeten grundsätzlich in einem Happy End.

Das würde es für sie ohnehin nie geben mit dem ständigen Damoklesschwert eines unausgesprochenen Kinderwunsches über ihrem Kopf. Besonders für Königshäuser waren Nachkommen als Fortsetzung der royalen Linie doch geradezu Pflicht.

„Prinz Luca? Oder Prinz Antonio?“, brachte sie mühsam heraus. Da keiner der beiden Männer darauf reagierte, stellte Imogen sich selbst vor, um auf diesem Weg hoffentlich die gewohnte Selbstsicherheit zurückzugewinnen. „Ich bin Imogen Albright, die Lodge-Managerin.“

„Es ist mir ein Vergnügen, Miss Albright … Miss ist doch korrekt?“, fragte der Prinz mit der Gelassenheit eines Mannes, der es gewohnt war, jede Situation zu beherrschen.

Es bestand absolut kein Grund, seine schwach akzentuierte Stimme wie eine körperliche Liebkosung im Nacken wahrzunehmen.

„Ja, das ist … korrekt“, bestätigte Imogen errötend, wandte sich rasch dem anderen Mann zu und bot ihm ebenfalls die ausgestreckte Hand.

„Cristiano“, sagte er knapp, nahm ihre Hand und verbeugte sich leicht.

Diesmal blieb der gefühlte Stromstoß aus. Für einen lastenden Moment herrschte eine Stille, die Imogen sich beeilte zu füllen. „Offenkundig sind Sie nicht den ganzen Weg von Casavalle mit dem Helikopter hergeflogen. Wie ist es Ihnen nur gelungen, ihn in so kurzer Zeit mit Ihren königlichen Insignien zu versehen?“

Der Prinz hob die breiten Schultern und überließ es Cristiano zu antworten.

„Wir haben nur um eine Verschiebung des Liefertermins gebeten und den Auslieferungsort gewechselt.“

Was mal wieder bewies, dass Macht und Reichtum enorme Antriebsfedern waren, die nahezu alles möglich machten. Und das wiederum machte Imogen ihren Aufzug und ihr Auftreten noch bewusster als zuvor. Zu verwaschenen Jeans trug sie ein übergroßes Holzfällershirt und Turnschuhe mit pinkfarbenen Schnürsenkeln. Auf Make-up hatte sie verzichtet, und zumindest ein Teil ihres kinnlangen Haares wurde immer noch auf Kopfmitte mit einer Spange zusammengehalten.

Dabei hatte sie ihr Empfangsoutfit für die Königliche Hoheit lange sorgfältig geplant und zusammengestellt: ein blassblauer Hosenanzug mit maßgeschneiderter Jacke zur bleistiftdünnen Hose und weißen Seidenbluse. Für Haare und Make-up hätten Fachleute zur Verfügung gestanden.

„Ein großartiger Ort“, stellte Prinz Luca mit Blick auf die Lodge fest.

Das ausladende zweistöckige Gebäude war ein Fachwerkbau mit einer wunderschönen extravaganten Dachlinie, die sich perfekt der Berglandschaft anpasste.

Imogen freute sich über das unerwartete Kompliment von jemandem, der doch mit den attraktivsten Unterkünften rund um den Globus vertraut sein musste. Doch als sich der Prinz von der Lodge abwandte und sich ihre Blicke trafen, stockte ihr der Atem.

Ganz abgesehen von der Anspannung, die sie schon die ganze Zeit über in ihm wahrnahm, lag noch etwas anderes in seinem Blick … Not? Kummer?

Was erneut die Frage aufwarf, was den Prinzen hierhergeführt hatte? Gab es vielleicht eine unsichtbare Wunde, die in der Ruhe der Berge heilen sollte? Wie gern hätte sie eine Hand auf seinen Arm gelegt und ihm versichert, dass alles wieder gut werden würde.

Fast hätte Imogen bitter aufgelacht. Und das ausgerechnet von ihr, die doch besser als andere wusste, dass nicht immer wieder alles in Ordnung kam!

„Es tut mir leid, Eure Hoheit“, sagte sie gepresst und vermied es bewusst, seinen Namen zu nennen. „Aber wir haben Sie heute noch nicht erwartet.“

„Soweit ich informiert bin, wurde eine Nachricht an Ihre Handynummer geschickt“, bemerkte Cristiano kühl.

„Sowohl unser Satellitenempfang als auch der Handyservice sind ziemlich unzuverlässig“, klärte Imogen ihn auf. „Das liegt an den umliegenden Wäldern und Bergen, was wir den Gästen grundsätzlich vorher mitteilen.“ Als sie bemerkte, dass es sich anhörte, als wolle sie sich rechtfertigen, lächelte sie strahlend und zuckte mit den Schultern. „Ich betrachte es als Teil unseres besonderen Charmes.“

Der Prinz legte den Kopf schief, als müsse er darüber nachdenken. „Ist unsere frühe Ankunft ein Problem für Sie?“

„Nein, natürlich nicht.“ Und ob es ein Problem ist!

Es war fast Mittag, und die gesamte Essensplanung oblag dem extra georderten Koch, nicht ihr! Was sollte sie den beiden Neuankömmlingen nur anbieten? Etwa ein Erdnussbuttersandwich?

„Es ist nur so … der Koch kommt erst morgen, und das Reinigungspersonal ist auch noch nicht ganz fertig.“

„Ich vertraue darauf, dass Sie diese Schwierigkeiten überwinden.“

Seine Stimme klang so samtig und sexy, als hätte er ihr ein Kompliment gemacht, anstatt etwas so Banales von sich zu geben … obwohl banal?

Imogen schluckte unauffällig, um den Knoten in ihrem Hals loszuwerden. Natürlich würde sie diese Schwierigkeiten überwinden. Obwohl sie sich kaum als Meisterköchin bezeichnen würde, war die Lodge gut ausgestattet. Doch bevor ihr eine zündende Idee kommen konnte, ertönte ein Schrei aus dem Haus, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Während sie noch wie gelähmt dastand, stürzten die Männer in Richtung des Haupteingangs davon. Imogen versuchte, ihnen auf dem Fuß zu folgen. Doch obwohl sie ihr Bestes gab, holte sie die beiden erst im Obergeschoss ein, wo sie in einem der Bäder neben Rachel auf dem Fliesenboden knieten.

„Cristiano?“ Fragend schaute der Prinz seinen Begleiter an.

Der sah nur kurz auf. „Sie wird ihr Baby bekommen … in Kürze.“

„Aber der errechnete Geburtstermin ist erst in ein paar Wochen!“, stammelte Imogen.

„Wo ist das nächste Krankenhaus?“, wollte Prinz Luca wissen.

„Es gibt eine Tagesklinik in Crystal Lake, aber die behandeln nur kleine Notfälle. Rachel ist bei einem Spezialisten angemeldet.“

„Ich … das Baby muss im Saint Mary’s Hospital zur Welt kommen“, keuchte die Schwangere mit letzter Kraft. „Da ist man darauf eingestellt und …“ Sie schaffte es nicht, den Satz zu beenden.

„Wie weit ist es bis zu diesem Hospital?“, hakte der Prinz nach.

„Mindestens zwei Fahrtstunden, bei guter Straße.“ Sie dachte an die dunkle Wolke über Crystal Mountain.

„Bring sie im Helikopter hin“, wandte sich Prinz Luca an Cristiano. „Jetzt gleich.“

Sein Leibwächter zögerte, und Imogen verstand sein Zaudern. Seine oberste Pflicht war es, den Prinzen zu beschützen.

„Beeil dich.“

„Ja, Sir.“ Cristiano hob Rachel auf seine muskulösen Arme, als wäre sie eine Puppe. Mit dem Prinzen und Imogen auf den Fersen rannte er nach draußen, wo Imogen sofort registrierte, dass der Wind zugenommen hatte und bedrohlich graue Wolken über den Himmel zogen.

„Ich sollte in einer Stunde zurück sein“, erklärte Cristiano dem Prinzen, nachdem er Rachel überraschend sanft und fürsorglich im Helikopter untergebracht hatte.

„Miss Albright und ich werden versuchen, alle Gefahren tapfer abzuwehren, bis du zurück bist“, versprach der Prinz trocken.

Cristiano nahm den Pilotensitz ein. Der Motor startete, die Rotoren begannen sich zu bewegen, zuerst langsam, dann so schnell, dass sie vor den Augen verschwammen. Kurz darauf hob der Helikopter vom Boden ab und verschwand vor ihren Augen. Imogen blinzelte, als eine einzelne Schneeflocke sie auf der Stirn traf. Sie kannte die Berge und das Wetter hier und war sich einer Sache ganz sicher: Wenn Cristiano nicht bereit war, durch einen ausgewachsenen Schneesturm zu fliegen, konnte er unmöglich in einer Stunde zurück sein.

„Es tut mir furchtbar leid, dass Ihre Ankunft so stressig verläuft“, entschuldigte Imogen sich bei dem Prinzen und überlegte, ob sie jedes Mal seinen Titel hinzufügen müsste, wenn sie ihn ansprach. „Ich kann Ihnen nicht genug dafür danken, dass Sie Ihren Helikopter für den Transport ins Krankenhaus angeboten haben.“

„Es war mir ein Vergnügen, behilflich sein zu können.“

Imogen lächelte schwach. „Glauben Sie, dass die Geburt normal verlaufen wird?“

„Ich fürchte, dazu kann ich gar nichts sagen.“

Sie stutzte kurz und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Wie konnte sie einen Prinzen mit einer derart unsinnigen Frage belästigen?

„Sie machen sich große Sorgen um die Schwangere, nicht wahr?“, fragte er verständnisvoll.

Imogen nickte. „Ich habe tatsächlich große Angst.“ Durfte man so etwas auch nicht sagen? Sie seufzte. „Sie müssen sicher eine gewisse Distanz zu Ihren Mitarbeitern wahren, aber das ist hier anders“, setzte sie zu einer Erklärung an. „Wir sind ein kleines Hotel, und Crystal Lake ist ein isolierter Ort. In gewisser Weise sind wir alle eine Familie.“

Sein Blick ruhte für einen Moment überraschend eindringlich auf ihr. „Kennen Sie alle, die in Crystal Lake wohnen?“

„Einwohner ja, Besucher nein.“

Darüber dachte er offenbar einen Moment nach, schien weitere Fragen stellen zu wollen, entschied sich dann aber offenkundig anders. Stattdessen vergrub der Prinz seine Hände in den Hosentaschen. Wahrscheinlich, weil er fror. Sein maßgeschneiderter Anzug war schick, aber viel zu leicht für dieses Wetter. Auch das Hemd aus Rohseide hielt die aufziehende Kälte nicht ab.

„Entschuldigen Sie bitte, Prinz Luca“, bat Imogen. „Ich habe mich ablenken lassen. Ich werde Ihnen jetzt Ihr Zimmer zeigen, damit Sie sich dort in Ruhe einrichten können.“

Erst verspätet realisierte sie, dass das so gut wie unmöglich sein würde, da sein Gepäck gerade mit dem Helikopter entschwebt war.

Natürlich führte sie ihn trotzdem zu seiner Suite und unterrichtete ihn über die wechselhafte Geschichte der Lodge, während sie die geschwungene Treppe hinaufstiegen und den breiten Flur hinuntergingen. Sie hatte das über die Jahre hinweg schon so oft getan, dass es ihr leicht über die Zunge ging, dennoch war Imogen froh, als sie endlich in der Suite ankamen, die sie persönlich für ihn vorbereitet hatte. „Ich hoffe, Sie finden Ihre Unterkunft ausreichend komfortabel …“

Der Prinz schaute sich nur flüchtig um und trat dann ans Fenster. Als er sich ihr wieder zuwandte, runzelte er die Stirn. „Es schneit.“

Sie konnte es über seine Schulter hinweg selbst sehen. Was Imogen allerdings beunruhigte, war, wie schnell sich der Schnee vor dem Fenster verdichtete. Sie tat ihr Bestes, sich ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen.

Was, wenn der Helikopter nicht zurückfliegen konnte? Was war mit dem Koch? Und einem Ersatz für Rachel? Und wo war Gabi?

Autor

Cara Colter

Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel.
Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...

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