Sizilianischer Zauber

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Top-Model Fallon O‘Connell ist entschlossen, Stefano Lucchesis feurigem Charme zu widerstehen. Beharrlich geht sie ihm während der Modeaufnahmen in seinem romantischen Castello auf Sizilien aus dem Weg. Doch der Multimillionär will sie erobern und er ist ein Mann, der niemals aufgibt! Aber was Stefano wirklich für sie empfindet, erfährt Fallon erst nach einem dramatischen Unfall. Das Ende ihrer Karriere scheint gekommen. Wendet der leidenschaftliche Italiener sich jetzt von ihr ab - oder liebt er sie genug, um in dieser schweren Zeit zu ihr zu halten?


  • Erscheinungstag 30.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779702
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Sonne stand wie ein blassgoldener Ball am Himmel, während der übers Meer kommende Schirokko durch die Ruinen des Castellos heulte. Der Klang erinnerte an das Gebrüll der aufständischen Gladiatoren, die diesen Teil Siziliens einst gegen den Machtanspruch des alten Roms verteidigt hatten.

An diese Männer dachte Stefano Lucchesi, als er die letzte der Steinstufen erklomm, die auf die Klippe führten. Im Westen schlummerte friedlich der Ätna in der feuchtwarmen Luft. Unter ihm brachen sich die stürmischen Wellen des Mittelmeers an den Felsen.

Wie oft wohl mochte an dieser Stelle ein Wächter gestanden und nach dem Feind Ausschau gehalten haben? Römer, Griechen, Araber und Normannen, sie alle hatten auf ihren Eroberungsfeldzügen hier Blut vergossen, während draußen auf dem Meer, einem Rudel hungriger Wölfe gleich, Piraten auf der Lauer gelegen hatten, um unvorsichtige Schiffe zu kapern.

Das Land seiner Vorfahren war von einem Eindringling nach dem anderen erobert worden, bis es ihm endlich gelungen war, seine Fesseln abzuschütteln. Dann allerdings schuf es sich seinen inneren Feind – in Gestalt von Feudalherren, die sich nicht scheuten, die Menschen, die dieses karge Land bestellten, rücksichtslos auszubeuten.

Stefano Lucchesi kehrte dem Meer den Rücken, schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und ließ den Blick über seinen Besitz schweifen. Die Zeit war nicht sehr pfleglich mit ihm umgegangen. Eingestürzte Steinmauern und ein paar Säulen, mehr war von dem Castello nicht geblieben.

Aber vielleicht war das ja gut so. Es lag eine gewisse Ironie darin, wie die Zeit die Waagschalen der Gerechtigkeit am Ende ausbalanciert hatte. Was sein Urgroßvater dreimal wiederaufgebaut und sein Großvater in einer blutigen Fehde schließlich ganz verloren hatte, war schon vor langer Zeit zerfallen.

Sogar das Land war verscherbelt worden. Doch Stefano hatte den berühmten Anwalt Jack Lenard beauftragt, es von griesgrämigen alten Männern in ausgebeulten schwarzen Anzügen Stück für Stück zurückzukaufen. Stefano hatte einen mehr als fairen Preis geboten, aber am Ende war der Anwalt mit leeren Händen zurückgekehrt.

Dabei schienen die alten Männer ein Interesse daran zu haben, das karge und weitgehend unfruchtbare Land möglichst schnell loszuwerden. Bis sie den Namen des Käufers hörten.

„Lucchesi?“, fragten sie.

Einer spuckte gar auf den Boden, um seiner Verachtung Ausdruck zu verleihen.

Stefano war überrascht, dass der Name nach mehr als siebzig Jahren immer noch so viel Empörung hervorrief. Sein Anwalt grinste nur und riet ihm, sich Der Pate anzusehen.

„So ist die Mafia eben“, fügte Jack hinzu. „Als jemand, der sizilianisches Blut in den Adern hat, müssten Sie das eigentlich wissen. Diese Burschen kannten Ihren Großvater. Sie haben ihn gehasst. Warum sollten sie Ihnen da entgegenkommen?“

Ja, warum?

Stefanos Kenntnisse über die Mafia waren begrenzt. Sein Großvater war Jahrzehnte vor seiner Geburt von Sizilien nach Amerika ausgewandert. Als sein Vater starb, war Stefano noch ein Baby gewesen. Und zwölf beim Tod seiner Mutter, die mit ihm, immer auf der Suche nach einem neuen Kick, durchs Land gezogen war. Daraufhin hatten ihn seine Großeltern väterlicherseits, die er kaum kannte, zu sich genommen.

Sie hatten es mit dem intelligenten, zähen Jungen, der seine Ängste mit Arroganz zu tarnen pflegte, bestimmt nicht immer leicht gehabt. Seine Großmutter hatte ihm Essen und Kleidung gegeben, sonst aber hatte sie sich nicht weiter um ihn gekümmert. Sein Großvater hatte ihn ertragen, diszipliniert und schließlich von ganzem Herzen geliebt.

Dass Stefano das, was Jack „das Mafia-Gen“ nannte, nicht im Blut hatte, hing vielleicht damit zusammen, dass sein Großvater schon alt gewesen war, als er Stefano zu sich genommen hatte. Er hatte ihm nie Geschichten von Blutvergießen und Rache erzählt, sondern immer nur von La Sicilia, vom Castello Lucchesi, den Klippen, dem Vulkan und dem Meer.

Dies war das Erbe, das in Stefanos Adern pochte, ein Erbe, das er liebte und wertschätzte, obwohl er es nie mit eigenen Augen gesehen hatte.

Erst auf dem Totenbett hatte der Alte zu Stefano mit leiser Stimme von Ehre und Stolz und la famiglia gesprochen. Er hatte ihm erzählt, warum er seinen Besitz zurückgelassen hatte und nach Amerika ausgewandert war. Um zu retten, was zu retten war: Stefanos Vater und so indirekt auch ihn selbst, Stefano.

„Ich werde alles zurückholen“, hatte Stefano damals gelobt.

Das brauchte Zeit. Jahre voller Ungeduld auf dem College, in denen er nur darauf wartete, endlich seinen Abschluss in der Tasche zu haben. Während verschiedener Praktika in den Sommerferien war ihm klar geworden, dass er beruflich seinen eigenen Weg gehen wollte, ohne auf die – oft genug verlogene – Hilfe bestimmter Seilschaften angewiesen zu sein.

Sein Zimmergenosse TJ sah das genauso. TJ wusste alles über Computer. Zu jener Zeit konnte man praktisch über Nacht mit einem der wie Pilze aus dem Boden schießenden Internetunternehmen zum Milliardär werden. TJ würde einer dieser Milliardäre werden. TJ hatte eine tolle Idee, er hatte die Fähigkeiten und eine Vision …

Alles, was er jetzt noch brauchte, war ein Startkapital.

An einem Tag im Winter stieg Stefano, in der Tasche das sauer verdiente Stipendium fürs letzte Semester, in seinen klapprigen VW. Er fuhr in Richtung Yale und weiter nach Norden. Dort gab es ein Casino, wo er sich an einer Pokerrunde mit hohem Einsatz beteiligte. Das war die erste unvernünftige Handlung, zu der er sich hinreißen ließ, seit er seinem Großvater auf dem Totenbett versprochen hatte, die Ehre der Lucchesis wiederherzustellen. Aber diesmal weigerte er sich, vernünftig zu sein.

Stattdessen redete er sich ein, dass er sich nach Monaten harter Arbeit einen freien Tag redlich verdient hatte. Er war ein guter Pokerspieler, im College spielten sie oft, eines Nachts hatte er bei einem solchen Spiel sogar seinen VW gewonnen.

An jenem Tag im Casino gewann Stefano allerdings mehr als einen klapprigen VW.

Er gewann auf Anhieb mehrere Tausend Dollar.

Man bot ihm an, kostenlos im Hotel des Casinos zu übernachten. Er taumelte in sein Zimmer, duschte, schlief, aß, und wenig später saß er wieder am Spieltisch. Nach drei Tagen kehrte er schließlich ins College zurück und warf seinem verblüfften Zimmergenossen ein kleines Vermögen aufs Bett.

„Ich brech zusammen. Hast du eine Bank ausgeraubt oder was?“

„Dein Startkapital“, erklärte Stefano. „Ich steige mit einundfünfzig Prozent ein.“

Stefanos Wangenmuskeln zuckten, während er nachdenklich übers Meer schaute. Ein Dutzend Jahre im Schnelldurchlauf.

Das Start-up-Unternehmen hatte ihn reicher gemacht, als er sich je hätte träumen lassen. Doch trotz seines Vermögens, das er nach und nach in Fluggesellschaften, texanisches Öl und Luxusapartmenthäuser in Manhattan investierte, hatte er nie das seinem Großvater gegebene Versprechen vergessen.

Vor zwei Jahren schließlich war er angetreten, es einzulösen, aber die Unterredung mit seinem Anwalt hatte ihn daran erinnert, dass die vergessen geglaubte Vergangenheit offenbar immer noch lebendig war.

Der heiße Schirokko zerrte an Stefano, peitschte ihm dunkle Strähnen in das markante Gesicht. Er strich sich das Haar zurück und versenkte die Hände wieder in seinen Hosentaschen.

„Verdoppeln Sie einfach das Angebot“, hatte er seinen Anwalt angewiesen.

„Auf keinen Fall. So viel ist das Land nicht wert …“

„Das Land nicht, aber ihr Stolz. Unterbreiten Sie den Burschen das Angebot, aber weisen Sie darauf hin, dass ich ebenfalls meinen Stolz habe. Machen Sie den Leuten klar, dass dies ein Angebot ist, das sie nicht ablehnen können.“

Danach hatte Jack lange geschwiegen.

„Sie haben sich diese Filme angesehen, richtig?“, hatte er schließlich gefragt.

Stefano hatte gelacht. „Machen Sie einfach nur das Angebot und informieren Sie mich, was dabei rausgekommen ist.“

Diese Geschichte lag nunmehr hinter ihm. Jetzt gehörte alles ihm, das Land, die Klippen, die Überreste des Castellos und der grenzenlos weite Blick. Ebenso wie das Haus, das er jenseits der Ruinen erbaut hatte. Es verschmolz mit der felsigen Küstenlandschaft und war mit Steinen der alten Burg erbaut – ein schönes Haus mit hohen Decken und Außenwänden aus Glas, durch die man auf den Vulkan und das Meer hinausschauen konnte.

Stefano lächelte. Wenn das sein Großvater sehen könnte.

Heute Abend, wenn der Mond aufgegangen war, würde er noch einmal hierher zurückkommen, mit einer Flasche moscato und einem Glas. Dann würde er all jenen zuprosten, die lange vor ihm da gewesen waren.

Und er würde alles tun, diesen Ort vor der Welt geheim zu halten.

Für die Boulevardpresse wäre es ein gefundenes Fressen. Die Neuigkeit wäre ein Sahnehäubchen auf all den Gerüchten, die über ihn in Umlauf waren. Zum Beispiel, dass er dabei war, sich ein Imperium aufzubauen. Er war ein Mann mit Geheimnissen. Er war uno lupo solo. Ein einsamer Wolf.

Damit zumindest hatten sie recht. Durch Lucchesi Enterprises war Stefano zu einer öffentlichen Person geworden. Das war der Grund dafür, weshalb er mit Adleraugen über seine Privatsphäre wachte.

Beim Bau seines neuen Hauses hatte er nur Firmen beauftragt, die bereit gewesen waren, eine Geheimhaltungsklausel zu unterschreiben. Und er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er über seine Anwälte gnadenlos auf Einhaltung dieser Klausel bestehen würde. Natürlich war damit immer noch nicht garantiert, dass absolut nichts durchsickerte, aber mehr konnte er nicht tun.

Vor einer Weile hatte er einen Hubschrauber gehört. Was nichts Ungewöhnliches war, Hubschrauber gehörten immerhin zum einundzwanzigsten Jahrhundert. Trotzdem schaute er jetzt in den Himmel, in der Befürchtung, dass ihm die Paparazzi womöglich schon auf den Fersen waren.

„Ste-fa-no!“

Stefano lauschte mit angehaltenem Atem. War das der Wind? Bestimmt.

Ste-fa-no. Halloho! Hörst du mich nicht?“

Er stutzte. Der Wind konnte keine Sätze bilden, konnte nicht die schlanke Gestalt einer Frau zeichnen, die vom Fuß der Klippe zu ihm aufschaute, wobei sie sich mit einer Hand das windzerzauste Haar aus dem Gesicht hielt, während sie die andere als eine Art Trichter an den Mund gelegt hatte.

Carla? Sein Herz begann schneller zu klopfen. Unmöglich. Sie war in New York. Dort hatte er sie letzte Woche weinend zurückgelassen. Doch als ihr klar geworden war, dass er es ernst meinte, hatte sie aufgehört zu weinen und ihm ihre Meinung ins Gesicht geschleudert.

Angefangen hatte es damit, dass sie unangemeldet bei ihm hereingeplatzt war. Er hatte gerade am Esszimmertisch gesessen, Kaffee getrunken und sich die Fotos angeschaut: Felsen, an denen sich schäumend die Wellen brachen, die alte Burgruine, das neue Haus.

„Oh mein Gott“, sagte sie nun atemlos. „Was ist denn das, Schatz?“

Es wäre sinnlos gewesen, Unwissenheit vorzuschützen. Der Architekt hatte eine hübsche Mappe zusammengestellt, und jedes Foto war fein säuberlich beschriftet.

Castello Lucchesi, Sizilien.

„Ein Haus.“

„Dein Haus“, korrigierte sie, in dieser atemlosen Art, auf die er früher so abgefahren war, aber das war vorbei. „Und es würde sich perfekt auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe von Bridal Dreams machen.“

„Kommt gar nicht infrage.“

„Hör zu, Stefano“, sagte sie, wobei sie sich auf seinen Schoß setzte. „Du weißt, dass ich dafür bezahlt werde, aus Bridal Dreams das beste Frauen- und Lifestylemagazin der Welt zu machen. Die erste Ausgabe kann für mich entscheidend sein.“

Er ließ sich nicht erweichen. Da drehte sie sich auf seinem Schoß um, setzte sich im Reitersitz auf ihn und presste ihren heißen Mund auf seinen.

In diesem Moment hätte er sie hinauswerfen sollen, so viel war ihm heute klar. Ihre Beziehung war schal geworden; es war vorbei, und er wusste es. Er hatte an Carla das Interesse verloren – sie war egozentrisch und oberflächlich und erwartete Dinge von ihm, die er ihr nicht geben wollte: einen Platz in seinem Leben, eine gemeinsame Zukunft.

Es gab mindestens ein Dutzend Frauen, die sich in der Vergangenheit dasselbe von ihm erhofft hatten. Aber er war an einer dauerhaften Beziehung mit Carla ebenso wenig interessiert wie mit allen anderen. Obwohl sie das von Anfang an wusste, hatte sie sich auf ihn eingelassen – angeblich, weil sie sowieso nur für ihren Beruf lebte. Doch irgendwann hatte sie beschlossen, die Spielregeln zu ändern.

Deshalb schob er sie jetzt von sich weg und wiederholte sein Nein. Als sie anfing zu weinen, klingelte sein Telefon. Sein Pilot informierte ihn, dass der Learjet gewartet sei und sie jederzeit losfliegen könnten.

„Wohin gehst du?“, fragte Carla schluchzend. „Du musst mir diesen Gefallen einfach tun, Stefano. Du musst!“

Und jetzt war sie hier. In Sizilien, auf seinem Grund und Boden. Kam die Klippe heraufgestolpert wie eine Erscheinung aus einem schlechten Traum.

Er spürte, wie sich vor Wut alles in ihm zusammenzog. So eine Frechheit. Was fiel ihr ein, einfach so hier einzudringen?

„Hallo, Schatz“, quietschte sie, als sie ihn erreicht hatte. „Bist du nicht überrascht, mich zu sehen?“

„Wie hast du mich gefunden?“, fragte er schroff.

„Na, das ist ja eine nette Begrüßung.“

„Es war eine Frage. Antworte mir.“

Sie erhob sich lächelnd auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf den zusammengepressten Mund.

„So schwer war es auch wieder nicht. Ich weiß, dass du mich für nicht übermäßig intelligent hältst, aber sogar ein Kind …“

„Tut mir leid, dass du dich umsonst herbemüht hast, Carla.“

„Mehr hast du mir nicht zu sagen, nachdem ich den weiten Weg gekommen bin, nur um bei dir zu sein?“

Er verzog unwirsch den Mund. Sie hatte ihre eigenen Gründe gehabt herzukommen, das wusste er. Und sie wusste, dass er es wusste.

„… so ein zauberhafter Ort, Schatz, und wenn ich mir jetzt vorstelle, dass du nicht vorhast, ihn mit mir …“

„War das dein Hubschrauber?“

„Ja. Er ist auf einem Feld hier in der Nähe gelandet, und dann habe ich mich von einem Taxi …“

„Geh zurück und lass dich wieder zum Flughafen bringen …

Carla blinzelte. „Was?“

„Ich sagte …“

„Ich habe dich verstanden. Ich kann nur nicht glauben, dass du mich so einfach wegschickst.“

In ihren Augen glitzerten Tränen. Das kann sie gut, dachte er grimmig. Hervorragend.

„Carla.“ Er sprach leise, aber er spürte, dass sein Wutpegel bedenklich anstieg. Er war jedoch entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. „Ich tue es aber.“

„Du meinst …“ Ihr Mund zitterte. „Du meinst, ich bin nicht willkommen hier.“

Er hätte fast gelacht. Glaubte sie wirklich, er würde auf ihr Getue hereinfallen?

„Ich meine damit, dass ich dich nicht eingeladen habe“, formulierte er sorgfältig.

„Das brauchst du auch nicht. Wo wir doch schon so lange zusammen sind.“

„Vier Monate.“ Seine Stimme klirrte vor Kälte. Er hörte es, aber es war ihm egal.

„Vier Monate“, wiederholte sie, als wäre es ein ganzes Leben, „und nur, weil ich dich um einen einfachen Gefallen gebeten habe …“

„Ich habe dir eine einfache Antwort gegeben. Ich erlaube es nicht, dass mein Zuhause auf das Titelblatt einer Zeitschrift kommt.“

„Dann ist das also wirklich dein Zuhause?“, sagte sie mit einem hinterlistigen Lächeln. „Du hast nicht vor, aus diesem Ort ein Ferienparadies zu machen?“

Stefano schimpfte sich einen Idioten. „Adieu, Carla“, sagte er, während er versuchte, an ihr vorbeizugehen.

Sie hielt ihn am Ärmel fest.

„Das Haus soll nicht nur aufs Titelblatt, Stefano. Es soll auch im Innenteil Schwerpunktthema werden.“

Er lachte.

„Es wird die aufregendste Zeitschrift werden, die je ein Mensch zu Gesicht bekommen hat!“, fuhr sie fort. Er riss sich los und begann, den Abhang hinunterzugehen. Carla blieb ihm dicht auf den Fersen, leicht schliddernd auf ihren hohen Absätzen. „Jetzt hör mir doch mal zu.“

Er antwortete nicht.

„So wie ich es mir vorstelle, wird auf der einen Seite deine kostbare Privatsphäre geschützt, während dadurch die Fotos noch intimer und geheimnisvoller wirken.“

Sie waren am Fuß der Klippe angelangt. Stefano schaute sich nach dem Taxi um, aber Straße und Einfahrt waren leer.

„Und hier ist mein Konzept, Stefano.“ Carla versperrte ihm den Weg, ihr Gesicht leuchtete im warmen Schein der Lampen, die soeben auf der Rückseite des Hauses angegangen waren. „Ein berühmter Starfotograf, ein erstklassiger Visagist, ein traumhaftes Model …“

Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als er sie etwas zu heftig am Arm packte.

„Schluss jetzt! Bist du taub? Es wird keine Fotos geben, kein einziges. Kein Model, keinen Fotografen, gar nichts.“

„Au! Du tust mir weh.“

Das war gut möglich. Er ließ sie los und trat einen Schritt zurück.

„Wo ist dein Taxi?“

„Ich habe es zurückgeschickt.“ Sie lächelte durchtrieben. „Und den Hubschrauber auch.“

„Warte hier. Ich werde jemanden bitten, dich zum Flughafen zu fahren“, sagte er, bevor er sich – hoffentlich zum letzten Mal – anschickte wegzugehen.

„Stefano.“

In ihrer sanften Stimme schwang ein Unterton mit, bei dem sich ihm die Nackenhaare sträubten, aber er ging weiter.

„In welcher Zeitschrift möchtest du die Fotos lieber sehen, in Bridal Dreams oder in … Whispers?“

Er blieb abrupt stehen.

„Diese Drohung nimmst du auf der Stelle zurück“, verlangte er, während er sich zu ihr umdrehte. „Und dann verschwindest du, sonst …“

Carlas Gesicht war blass geworden. Offenbar befürchtete sie, zu weit gegangen zu sein. Aber sie war auch entschlossen. Das konnte er daran sehen, wie sie den Kopf hielt.

„Ich habe bereits alles gebucht. Das Model, den Visagisten, den Fotografen … Sie werden morgen hier eintreffen.“

Er spürte, wie ihm der Mund offen stehen blieb. Irgendwo ganz weit hinten in seinem Hinterkopf beobachtete er das alles fassungslos, aber neugierig.

„Wie bitte?“

„Ich sagte …“

Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie so heftig, dass ihre Zähne klapperten.

„Wovon zum Teufel redest du eigentlich?“

„Lass mich los!“

„Erklär es mir, verdammt!“

„Wenn du mich nicht sofort loslässt, zeige ich dich wegen Körperverletzung an.“

Es würde nicht um Körperverletzung gehen, sondern um Mord. Er war nur noch einen Atemzug entfernt davon. Erschrocken über sich selbst ließ er sie los.

„Erklär es mir.“

„Das habe ich bereits, aber du hörst mir ja nicht zu.“ Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und schaute ihn an. Ihre Augen blitzten. „Ich will dir mal was sagen: Du weißt zwar, wie man schnell zu Geld kommt, aber du hast keinen blassen Schimmer davon, wie man eine erfolgreiche Zeitschrift macht. Das Wichtigste sind Titelbild und Aufmacher. Es muss ein Thema sein, über das alle reden. Und genau das schwebt mir vor.“

„Mach, was du willst. Aber hierher kommt niemand. Nur über meine Leiche.“

„Wir werden wahrscheinlich nur drei Tage hier sein. Geld werde ich dir keins anbieten, ich will dich schließlich nicht beleidigen.“

Er lachte, und sie wurde rot.

„Zwing mich zu nichts, was ich eigentlich nicht will, Schatz.“

„Zwingen?“, fragte er durch zusammengebissene Zähne.

„Du willst doch sicher, dass dein Leben weiterhin ein großes dunkles Geheimnis bleibt, oder?“ Auf ihrem Gesicht erschien wieder dieses durchtriebene Lächeln. „Mir fallen bestimmt ein halbes Dutzend Zeitschriften ein, die sich nach einem Exklusivinterview mit der Geliebten des berühmten Stefano Lucchesi die Finger lecken würden – zusammen mit Luftaufnahmen seines neuen Verstecks.“

In der nachfolgenden Stille hörte Stefano alle Geräusche überdeutlich. Das wilde Schlagen seines Herzens. Das leise Klatschen der Wellen und den schrillen Schrei eines Vogels überm Meer. Er spürte die Schatten hinter sich, die Geister der Krieger, die alles getan hatten, um diesen Ort zu beschützen.

„Ich könnte dich auf die Klippe zerren und dir einen Schubs geben“, sagte er gefährlich leise. „Kein Mensch würde es je erfahren. Und die Meerestiere würden sich um den Rest kümmern.“

Carlas Lächeln wurde zittrig, trotzdem machte sie einen Schritt auf ihn zu.

„Du kannst manchmal wirklich ein herzloser Schuft sein, Stefano Lucchesi, aber eine Frau ermorden? Niemals.“

Stefano starrte sie lange an. Dann spuckte er vor ihr aus und ging zum Haus.

Das zu seinen Träumen.

Sie hatte diesen Ort besudelt.

Vielleicht war es ja ein weiser Entschluss seines Großvaters gewesen, der Insel den Rücken zu kehren.

2. KAPITEL

Aus über 35.000 Fuß Höhe sahen alle Meere der Welt gleich aus … und war es nicht traurig, dass man an nichts anderes denken konnte, wenn man häufig flog?

Fallon O’Connell lehnte sich zurück und stellte die Lehne ihres weichen Ledersitzes nach hinten, wobei sie sich fragte, seit wann sie eine weltmüde Zynikerin war.

Auf der anderen Seite des Gangs drückte sich ein Knirps die Nase an der Fensterscheibe platt, hellauf begeistert von dem wolkenlos klaren Blick auf das weit unten liegende Meer und voller Erstaunen darüber, dass er am Abend Connecticut verlassen hatte und morgen früh in Italien sein würde … aber für den Kleinen war es eben eine neue Erfahrung.

Vor zehn Jahren, auf ihrem ersten Flug nach Europa, war sie ebenso aufgeregt gewesen wie er.

Fallon schloss die Augen.

Sie flog zu einem einwöchigen Fotoshooting auf eine Insel im Mittelmeer, wo nicht nur eine Suite in einer Villa auf sie wartete, sondern auch noch der beste Visagist der Branche sowie ein Starfotograf, die beide entschlossen waren, wahre Wunder zu vollbringen …

Ihr Mund verzog sich.

Ein bisschen Begeisterung wäre vielleicht angebracht.

Sie seufzte, beugte sich vor und spähte wieder aus dem Fenster.

Nicht dass sie den Job nicht wollte. Welches Model hätte ihn nicht gewollt?

Das Titelblatt der Erstausgabe von Bridal Dreams und im Innenteil Seite um Seite Hochglanzfotos, auf denen sie zu sehen sein würde.

Natürlich wollte sie den Job.

Und was war dann ihr Problem? Das hatte ihr Bruder Cullen sie gestern Abend auch gefragt, nach Keirs und Cassies Hochzeitsfeier.

Das frischgebackene Brautpaar hatte sich irgendwann lachend verabschiedet, aber der O’Connell-Clan war wieder einmal nicht totzukriegen gewesen. Und so verließen sie denn das luxuriöse Ambiente des Tender Grapes Restaurants, um die Festlichkeiten in dem hübschen Steinhaus fortzusetzen, von dem aus man über Deer Run Vineyard schauen konnte.

Sean entfachte ein Feuer in dem großen Kamin.

„Will jemand einen Ochsen grillen?“, fragte er zur allgemeinen Belustigung.

Cullen öffnete noch eine Flasche von Deer Runs preisgekröntem Chardonnay.

„Bloß gut, dass Keir sich ein Weingut gekauft hat und keine Limonadenfabrik“, hatte er gesagt und damit noch mehr Lachen geerntet.

Cullen füllte ihre Gläser. Sean schaute Keirs CD-Sammlung durch und legte ein klassisches Klavierkonzert ein, während es sich ihre Mutter und ihr Stiefvater auf der Couch bequem machten. Megan, Briana und Fallon schüttelten sich mit einem erleichterten Aufstöhnen die hochhackigen Schuhe von den Füßen.

„Hat jemand Lust auf eine kleine Besichtigungstour?“, fragte Bree.

„Ich“, meldete sich Megan, während sie sich bei Bree einhängte. „Vielleicht finden wir ja endlich mal raus, wie viele Zimmer dieses Haus hier tatsächlich hat.“

Sie streckte Fallon die Hand hin, aber Fallon schüttelte lächelnd den Kopf.

„Geht schon mal vor. Ich will erst noch einen Moment Luft schnappen.“

Nachdem ihre Schwestern verschwunden waren, fragte Cullen: „Geht’s dir gut?“

„Ja, klar“, versicherte sie, wieder mit einem strahlenden Lächeln. „Ich will nur kurz mal raus, den Himmel anschauen. Ich sehe nicht oft so viele Sterne.“

Ihr Bruder grinste. „Geht mir genauso. Solche Großstadtpflanzen wie wir vergessen leicht, dass es das noch gibt.“

Fallon nickte, öffnete die Glasschiebetüren und trat auf die Terrasse. Der samtschwarze Himmel war mit unzähligen glitzernden Sternen bestickt, und der Alabastermond wirkte, als ob er sich in den Zweigen einer Baumgruppe verfangen hätte.

Die warme Nachtluft hüllte sie ein.

Mit ihrem Weinglas in der Hand ging Fallon die Steinstufen hinunter, die immer noch einen Teil der Hitze des Tages gespeichert hatten, und durch den terrassenförmig angelegten Weinberg.

Sie spürte die Erde unter ihren nackten Fußsohlen – sie und ihre Schwestern hatten beschlossen, auf Strümpfe unter ihren langen Brautjungfernkleidern zu verzichten. Die laue Nachtluft war mit dem süßen Duft der reifenden Trauben parfümiert.

Es war ein schöner Tag gewesen. Ein herrliches Wochenende. Ihre Mutter war unübersehbar glücklich mit Dan. Fallon genoss es, mit ihrer Familie zusammen zu sein. Ihr ältester Bruder Keir war so unsterblich in Cassie verliebt, dass man schon fast wieder an die Liebe glauben könnte.

Zumindest an die Liebe für jemand anders.

Fallon blieb stehen, trank einen Schluck Wein und fuhr mit der Hand über eine Ansammlung samtiger Trauben.

Und warum fühlte sie sich dann so … so …

Wie? Wie fühlte sie sich? Erschöpft? Nicht gut in Form? Vielleicht sogar ein bisschen niedergeschlagen? Aber dafür gab es keinen Grund, nicht den geringsten …

„He.“

Sie fuhr herum und sah Cullen. „Du lieber Himmel, hast du mich aber erschreckt“, sagte sie leise auflachend.

„Entschuldige. Ich dachte, du hörst mich.“ Er grinste. „Ich habe offensichtlich einen federleichten Gang.“

Fallon grinste zurück. „Federleicht“ war kein Wort, mit dem sie ihre Brüder beschreiben würde. Cullen war ebenso groß und muskulös wie die anderen.

„Haha. So federleicht wie ein Mäuschen. Was machst du hier draußen?“

Cullen zuckte die Schultern. „Dasselbe wie du. Die Sterne anschauen, mir die Beine vertreten, bisschen frische Luft schnappen. Es war ein langer Tag.“

„Ein langes Wochenende, meinst du wohl. Aber es war schön.“

„So wie immer. Obwohl es diesmal nicht ganz so hoch herging wie sonst.“

Fallon lachte. „Hat wahrscheinlich mit Cassie zu tun. Ich nehme an, niemand wollte sie erschrecken. Es ist ja schon eine Leistung, dass sie uns alle auf einmal ertragen hat.“

„Haha. Ich finde sie echt toll.“

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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