Sündige Verführung auf Sizilien

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Als ein attraktiver Fremder vor ihrer sizilianischen Villa auftaucht, um sich angeblich von dem Haus seiner Kindheit zu verabschieden, fühlt sich Erbin Claudia Buscetta sofort in seinen Bann gezogen. Sie verliebt sich nicht nur sofort in Ciro Trapani, sondern stimmt auch einer glamourösen Blitzhochzeit zu. Wie berauscht fühlt die schöne Unternehmertochter sich in den Armen des verführerischen Milliardärs. Auch in der Hochzeitsnacht zeigt Ciro ihr immer wieder, wie heiß er sie begehrt. Doch schon bald deckt Claudia eine erschütternde Lüge auf …


  • Erscheinungstag 03.11.2020
  • Bandnummer 2464
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714499
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wir müssen das in Ordnung bringen.“ Ciro Trapani stürzte seinen Bourbon in einem Zug hinunter und starrte danach in das verzerrte Gesicht seines Bruders.

In den letzten vier Tagen war Vicenzu um ein Jahrzehnt gealtert. Das unbekümmerte Lächeln war verloren gegangen, und auch der amüsierte Glanz in seinen Augen war verschwunden. Stattdessen stand ihm sein schlechtes Gewissen praktisch auf die Stirn geschrieben.

Sie teilten beide den Kummer und die Schuld, aber für Vicenzu war es schlimmer als für ihn.

Nach einer langen Pause, in der Vicenzu sein Glas leerte, begegnete er schließlich Ciros Blick. Dann nickte er kurz.

„Wir müssen es zurückbekommen“, sagte Ciro. „Und zwar alles.“

Ein weiteres Nicken.

Ciro beugte sich vor. Er musste sicher sein, dass Vicenzu sich an das halten würde, was sie heute vereinbarten. Das Familienunternehmen war weg. Gestohlen. Das Haus der Familie war weg. Gestohlen.

Ihr Vater war tot.

Sein ganzes Leben lang hatte Ciro zu seinem Bruder aufgeschaut, und obwohl sich ihre Persönlichkeiten und ihr Temperament stark unterschieden, hatten sie sich immer sehr nahegestanden.

Doch der Mann, der hier gerade mit ihm in dieser Bar in Palermo saß, war für Ciro ein Fremder. Er wusste, dass Vicenzu eine angemessene Trauerzeit abwarten wollte, bevor sie etwas unternahmen, um ihren Vater zu rächen. Aber Ciro war wütend und wollte seine Pläne jetzt in die Tat umsetzen. Aber dafür brauchte er Vicenzu.

Was gestohlen worden war, musste mit allen notwendigen Mitteln zurückgeholt werden. Ihre verzweifelte Mutter brauchte ihr gewohntes Zuhause.

„Vicenzu?“

Sein Bruder sackte auf seinem Stuhl zusammen und schloss die Augen. Nach einer weiteren langen Pause sprach er schließlich. „Ja, ich weiß, was ich tun muss. Und ich werde es tun. Ich werde das Unternehmen zurückbekommen.“

Ciro presste die Lippen zusammen. Cesare Buscetta, der Feind ihres Vaters aus Kindertagen, hatte das Geschäft und das Heim ihrer Eltern legal „gestohlen“. Anschließend hatte er das übernommene Familienunternehmen seiner ältesten Tochter geschenkt: Immacolata.

In diesem Zustand traute Ciro seinem Bruder nicht zu, es mit ihr aufzunehmen und zu gewinnen. Vicenzu war ihrem Vater immer näher gewesen als Ciro. Sein plötzlicher Tod vor vier Tagen und die anschließenden Enthüllungen von allem, was ihnen sonst noch genommen worden war, hatten die natürliche Fröhlichkeit seines Bruders erstickt und ihn in diese verlorene geisterhafte Person verwandelt, die nun vor ihm saß.

Vicenzu musste den Zweifel seines Bruders gespürt haben, denn er richtete sich auf. „Ich werde die Firma zurückbekommen, Ciro. Das liegt allein in meiner Verantwortung.“

„Bist du sicher, dass du damit umgehen kannst?“ Eine Frage, die er vor vier Tagen nie hätte stellen müssen, bevor ihre Welt aus den Fugen geraten war.

Die Familie wieder in den Besitz ihres Anwesens zu bringen war dagegen die viel einfachere Aufgabe. Cesare hatte das Haus seiner jüngeren Tochter geschenkt. Nach dem, was Ciro über die zurückgezogen lebende Claudia Buscetta herausgefunden hatte, war sie eine verwöhnte Prinzessin ohne nennenswerten Verstand.

Die Nasenlöcher seines Bruders bebten, und ein Schimmer seines früheren Temperaments blitzte in seinen Augen auf. „Ja. Du holst das Haus für mamma zurück und überlässt das Geschäft mir!“

Ciro betrachtete ihn eine Weile, bevor er gemächlich nickte. „Wie du willst.“ Er gab dem Barkeeper ein Zeichen und deutete auf ihre leeren Gläser, bevor er sich erneut an seinen Bruder wandte. „Du musst aber aufhören, dir selbst die Schuld zu geben. Du hast doch keine Ahnung gehabt. Papà hätte sich uns anvertrauen sollen.“

Dass der alte Mann es nicht getan hatte, damit mussten sie nun beide leben.

„Wenn ich mir nicht das ganze Geld von ihm geliehen hätte, wäre er nie gezwungen gewesen, alles zu verkaufen.“

„Wenn ich ihn öfter besucht hätte, wäre ich rechtzeitig zur Stelle gewesen, um zu helfen“, konterte Ciro grimmig. Dies war die Schuld, die so schwer auf seinem Gewissen lastete.

Er war seit Weihnachten nicht mehr auf Sizilien gewesen. Und die gezielte Sabotage gegen seinen Vater hatte gleich im neuen Jahr begonnen.

Papà hätte uns beiden sagen sollen, wie prekär die Familienfinanzen waren – aber das alles ist jetzt unwichtig. Die einzige Person, die Schuld hat, ist dieser Bastard Cesare. Und vielleicht noch seine Töchter“, fügte er hinzu und kräuselte seine Oberlippe vor Abneigung.

Neue Drinks wurden vor ihnen abgestellt, und Ciro hob sein Glas hoch. „Auf unsere Rache!“

„Auf unsere Rache“, wiederholte Vicenzu.

Sie stießen an und ließen sich die feurige Flüssigkeit in die Kehlen laufen. Damit war ihr Plan besiegelt.

1. KAPITEL

Eine Woche später

Claudia Buscetta wischte die Kupferarbeitsplatte sauber und lauschte dabei über Kopfhörer einem romantischen Hörbuch. Ihr Herz sprudelte förmlich über vor Energie.

Sie wohnte erst zehn Tage unter diesem Dach, aber es fühlte sich schon wie zu Hause an. Dies war kein prunkvolles Anwesen wie die weitläufige Villa, in der sie aufgewachsen war, sondern ein richtiges Heim mit einer wunderbar ausgestatteten Küche, in der Claudia nach Herzenslust backen konnte. Außerdem gab es einen Gemüse- und einen Obstgarten, die groß genug waren, um alles anzubauen, was sie beim Kochen gebrauchen konnte.

Zum ersten Mal in ihren einundzwanzig Jahren war Claudia ganz allein. Es sei denn, sie zählte die Sicherheitskräfte mit, die ihr Vater außerhalb des Grundstücks postiert hatte. Eigentlich wollte er seine kleine Tochter lieber bei sich behalten, aber ihre ältere Schwester Immacolata hatte ihn glücklicherweise zur Vernunft gebracht.

Schließlich befand sich die Firma, die Imma geschenkt bekommen hatte, gleich neben dem Bauernhaus, das Claudia nun bewohnte. Imma würde also zur Stelle sein, wenn Claudia Hilfe brauchte – so wie sie grundsätzlich für alle da gewesen war, ihr ganzes Leben lang.

Natürlich hatte ihr Vater ihr das Versprechen abgenommen, ihr neues Zuhause niemals ohne Schutz zu verlassen. Sie musste immer von zwei Leibwächtern begleitet werden. Außerdem konnte sie sowieso nicht allein unterwegs sein, weil sie keinen Führerschein besaß. Das nächste Dorf befand sich zwar nur eine Meile entfernt auf einem Hügel voller Olivenhaine, die den Hauptteil von Immas neuem Business ausmachten, aber dort gab es keine Geschäfte. Wenn Claudia einkaufen wollte, musste sie gefahren werden.

Ein lautes Summen ertönte und erschreckte sie. Schnell schaltete sie das Hörbuch aus und drückte den Knopf an der Gegensprechanlage, die ihr Vater hatte installieren lassen. „Hallo?“

Einer der Bodyguards meldete sich. „Hier ist ein Ciro Trapani, um Sie zu sehen.“

„Wer, bitte?“

„Ciro Trapani.“

Der Name sagte ihr nichts. „Was will er denn?“

„Er sagt, es geht um eine Privatangelegenheit.“

„Hat mein Vater das genehmigt?“ Das musste er wohl getan haben, wenn die Sicherheitskräfte bereit waren, diesen Ciro in ihr neues Heiligtum vorzulassen. Claudias Zustimmung war nämlich erst erforderlich, nachdem ihr Vater seine gegeben hatte.

Das war der komplizierte Weg in ihre abgeschottete Welt.

„Ja.“

„Okay. Dann lassen Sie ihn durch!“

Neugierig öffnete sie die Haustür und trat nach draußen, um zu warten. Ein elegantes schwarzes Auto fuhr langsam auf sie zu, während sich die elektrischen Tore der Auffahrt in der Ferne schlossen.

Der Wagen blieb vor der Dreifachgarage neben dem Bauernhaus stehen. Seltsam. Ihre bisherigen Besucher – also ihr Vater, ihre Schwester und der Familienanwalt – hatten bisher alle direkt vor dem Haus geparkt.

Irritiert beobachtete sie, wie der attraktivste Mann, den sie jemals gesehen hatte, auf der Fahrerseite ausstieg. Er war sogar ungeheuer sexy! Unglaublich groß, mit dichtem dunklem Haar und markanten Gesichtszügen. Als wäre er direkt dem Cover eines Männermagazins entsprungen.

Er schlenderte mit lässigen Schritten und einem noch cooleren Lächeln auf den sinnlichen Lippen auf sie zu.

Claudia fiel der maßgeschneiderte dunkelgraue Anzug auf, den er zu einem hellblauen Hemd mit offenem Kragen trug. Sie wischte heimlich das Mehl ab, das immer noch an ihrem schwarzen Baumwolltop klebte, und ärgerte sich über die Grasflecken an den Knien ihrer Jeans, die sie sich beim frühmorgendlichen Unkrautzupfen zugezogen hatte.

Als er schließlich vor ihr stand, nahm er die Sonnenbrille ab und fixierte Claudia mit einem Grübchenlächeln, das sie schlagartig schwach werden ließ.

„Miss Buscetta?“ Seine grünen Augen funkelten. Dann streckte er ihr eine große Hand entgegen, und sie starrte auf sein feines dunkles Haar am Handgelenk.

Und diese Stimme. Sie war leicht rau und tief und ging Claudia direkt unter die Haut.

Eine Falte erschien auf seiner gebräunten Stirn, und mit Entsetzen stellte Claudia fest, dass sie ihn viel zu lange stumm angestarrt hatte, anstatt zu antworten oder seine angebotene Hand zu schütteln.

Aber war das ein Wunder? Schließlich war sie noch nie einem solchen Traumtypen begegnet! Die einzigen Männer außerhalb ihrer Familie, die sie kannte, waren die Angestellten ihres Vaters.

Sie riss sich zusammen, verspürte aber einen beunruhigenden Hitzestoß, als sie seine Finger berührte. Hastig ließ Claudia sie los.

„Ich bin Ciro Trapani. Bitte verzeihen Sie, dass ich einfach so hergekommen bin, aber ich war gerade in der Gegend. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich von diesem Ort … verabschiede?“

Jetzt war Claudia diejenige, die ihre Stirn runzelte. „Sie wollen sich ‚verabschieden‘?“ Worüber in aller Welt sprach er da eigentlich?

Wieder zeigten sich seine süßen Grübchen. „Dieses Anwesen gehörte meinen Eltern. Ich bin in diesem Haus aufgewachsen. Aber es wurde an Ihren Vater verkauft, bevor ich mich davon verabschieden konnte.“

„Sie haben hier gewohnt?“ Claudia wusste rein gar nichts über die Vorbesitzer. Nur deren offensichtliche Liebe zu ihrem Zuhause war überall sichtbar.

„In den ersten achtzehn Jahren meines Lebens, ja. Jetzt lebe ich in Amerika, aber Sizilien war schon immer meine Heimat. Ich bedaure nur, dass ich nicht rechtzeitig zurückgekommen bin, um … Abschied zu nehmen, bevor das Anwesen überschrieben wurde.“

Oh, der arme Mann! dachte Claudia. Wie traurig für ihn.

Sie selbst konnte die Villa, in der sie ihre Kindheit verbracht hatte, jederzeit aufsuchen – darum konnte sie sich kaum vorstellen, wie er sich fühlte.

Anscheinend deutete er ihr Schweigen als Ablehnung, denn er hob seine breiten Schultern und schüttelte reumütig den Kopf. „Es tut mir leid. Ich bin ein Fremder für Sie. Irgendwie bin ich sentimental geworden. Na, ich werde lieber wieder gehen, ich will Sie nicht weiter stören.“

Es dauerte eine volle Minute, ehe sie reagierte. „Sie können ruhig reinkommen.“

Seine Miene hellte sich auf. „Ich möchte mich aber nicht aufdrängen.“

Etwas verlegen verschränkte sie ihre Finger. „Das tun Sie nicht.“

„Sind Sie sicher?“

„Auf jeden Fall.“ Sie streckte den Arm in Richtung Tür aus. „Bitte, kommen Sie!“

Ciro folgte ihr hinein und verbarg sein zufriedenes Grinsen darüber, wie leicht er es ins Haus geschafft hatte.

Eine Woche sorgfältiger Vorbereitung, und alles lief genau nach Plan.

„Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“, fragte sie auf dem Weg in die Küche.

„Das wäre toll, danke. Hier riecht es übrigens köstlich.“

Claudia errötete. „Ich habe gebacken. Bitte setzen Sie sich.“

Während sie sich mit der Kaffeemaschine beschäftigte, schob sich Ciro einen Stuhl am Küchentisch zurecht und nutzte die Gelegenheit, um die junge Frau heimlich zu beobachten. Dann betrachtete er missmutig den Stuhl und die übrigen neuen Küchenmöbel, die ihm vollkommen unbekannt waren.

Mit Mühe unterdrückte er seine Wut, sonst würde er wohl explodieren und seine Chance auf Rache wäre vorbei, bevor sie begonnen hatte.

Geduld war nie eine seiner Stärken gewesen, aber er war klug genug, um zu wissen, dass er seine Gefühle fest unter Kontrolle halten musste.

Diese Claudia Buscetta war viel hübscher, als er erwartet hatte. Ihr kastanienbraunes Haar – das von leuchtend goldenen Strähnen durchzogen war – hatte sie zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, der den halben Rücken herunterreichte. Sie hatte riesige dunkelbraune Augen und hohe Wangenknochen, eine Stupsnase und volle, betörende Lippen.

Ihre zierliche Figur hatte sie unter einem formlosen, übergroßen Oberteil versteckt. Ihre süße Unschuldsmiene nahm er ihr zwar nicht ab, aber ihre Attraktivität war ihm durchaus willkommen. Es würde seine Verführung wesentlich schmackhafter machen!

„Wo leben Sie in Amerika?“, wollte sie wissen, als sie einen Schrank öffnete und zwei Becher herausnahm. Hinter dieser Tür hatten sich bis vor knapp zwei Wochen noch Vorräte von Nudeln und Reis befunden. Und das Regal gleich daneben, in dem die Rezeptbücher seiner Mutter untergebracht gewesen waren, war nun mit bunten Ornamenten verziert.

„New York.“

„Ist es dort nicht ziemlich gefährlich?“

„Nicht gefährlicher als in jeder anderen Großstadt.“

Mit gerunzelter Stirn sah sie ihn an. „Oh. Ich dachte nur …“ Sie blinzelte, schüttelte den Kopf und öffnete den Kühlschrank. „Wie trinken Sie Ihren Kaffee?“

„Schwarz, kein Zucker.“

Der Timer des Ofens schaltete sich aus. Es war ein so vertrautes Geräusch, dass Ciro seine Hände zu Fäusten ballte, um zu verhindern, dass ihn sein unterdrückter Frust übermannte. Diese Zeitschaltuhr hatte seiner Kindheit Struktur verliehen, denn immer nach dem Piepen folgte der Ruf seiner Mutter zum Abendessen.

Claudia zog Ofenhandschuhe über, holte das Blech heraus und erfüllte damit die Küche mit noch mehr köstlichem Gebäckduft. Anschließend schenkte sie den Kaffee ein, brachte die Becher zum Tisch und setzte sich gegenüber von Ciro auf einen Stuhl.

„Haben Sie sich schon eingelebt?“, erkundigte er sich höflich.

„Ein bisschen.“ Als sie seinem Blick begegnete, wurde sie rot und sprang wieder auf. „Möchten Sie meine Kekse mal probieren?“

„Sicher. Gern.“

Sie kehrte mit einem Keramiktopf zum Tisch zurück und nahm den Deckel ab. „Diese hier habe ich gestern gemacht, aber sie sind noch ganz frisch.“

Er bediente sich und nahm einen Bissen. Sofort füllte sich sein Mund mit purem Genuss, und er blickte überrascht hoch. „Die sind unglaublich lecker!“

Wieder errötete sie. „Danke. Möchten Sie auch etwas von der Aprikosentarte, wenn sie abgekühlt ist? Falls Sie dann noch hier sind.“ Die Farbe auf den Wangen wurde dunkler. „Ich bin sicher, Sie haben noch viel zu erledigen.“

„Eigentlich nicht, wenn ich ehrlich bin“, murmelte er und nahm einen Schluck aus seinem Becher. „Ich mache sozusagen Kurzurlaub.“

„Ach?“

„Mein Vater ist kürzlich verstorben. Jetzt kümmere ich mich um den Nachlass und helfe meiner Mutter.“

„Oh, das tut mir sehr leid. Wie furchtbar. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es Ihnen gehen muss.“

„Als hätte man mir direkt ins Herz geschossen“, antwortete er, ohne zu zögern. „Dabei war er erst sechzig.“

„Das ist kein Alter.“

„Nein, absolut nicht. Wir alle dachten, er hätte noch Jahrzehnte vor sich.“ Theatralisch langsam schüttelte er den Kopf.

Claudia Buscetta mochte eine ausgezeichnete Schauspielerin sein, aber sie hatte keine Chance gegen Ciro. Er hatte eine Woche lang Zeit gehabt, sich auf diesen Moment vorzubereiten, und wusste genau, wie er die Dinge lenken würde. „Es ist das Bedauern, das einem keine Ruhe mehr lässt. Wenn ich jemals heirate und Kinder habe – was ich wirklich hoffe, sobald ich mich ernsthaft verliebe –, wird er sie niemals kennenlernen. Sie werden ohne Großvater aufwachsen. Wenn ich bloß von dem Stress gewusst hätte, unter dem er stand …“ Mit einer Hand rieb er sich übers Gesicht.

„War der Stress schuld an seinem Tod?“

„Wir denken schon. Meine Eltern hatten in letzter Zeit viel um die Ohren.“

Erschrocken fasste sie sich an die Lippen. „Es hatte doch wohl nichts damit zu tun, dass Ihre Eltern aus dem Haus gezogen sind, oder?“

Dass ihnen ihr Heim gestohlen wurde! „Es waren mehrere Faktoren beteiligt“, erklärte er steif.

„Ich kann sehen, wie sehr Ihre Eltern dieses Haus geliebt haben.“ Sie drehte ihren Becher in den Händen. „Mir ist bewusst, dass sie sich verkleinern wollten, aber es muss trotzdem sehr schwierig für sie gewesen sein.“

Wie sie diesen kompletten Unsinn mit ernstem Gesicht von sich geben konnte, war wirklich eine Frechheit! Andererseits war sie eine Buscetta und stammte damit aus einer Familie, die sich ständig an der Grenze zwischen legal und illegal bewegte.

Ciros Vater Alessandro war mit Cesare zur Schule gegangen. Schon als Kind war Cesare ein Schläger gewesen, der alle terrorisiert hatte, einschließlich der Lehrer. Sein Name war im Trapani-Haus seit jeher ein Synonym für Kriminalität gewesen.

Wahrscheinlich verdrängte Claudia ihre Schuld, um ihr Gewissen zu beruhigen. Es war einfacher, als die Wahrheit zuzugeben, nämlich dass ihr Vater einen hochrangigen Mitarbeiter von Alessandro Trapani bestochen hatte, um das Geschäft zu sabotieren. Als Alessandro dann finanziell in die Knie gezwungen war, blieb ihm keine andere Wahl, als das Haus der Familie zu verkaufen, in dem er mit seiner geliebten Frau hatte alt werden wollen … und das Unternehmen abzutreten, das seit Generationen der Familie Trapani gehört hatte.

Anstatt auszusprechen, was ihm auf der Zunge brannte, konzentrierte sich Ciro weiterhin auf das langfristige Ziel und stützte sich bedächtig mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab. „Es war ungeheuer schwer. Was es noch schlimmer macht, ist, dass ich nicht für meine Eltern da war. Aber das hätte ich sein sollen, wie es sich für einen guten Sohn gehört. Er kümmert sich um seine Familie und schultert alle Lasten mit. Mit dieser Schuld muss ich nun leben, aber im Augenblick ist es meine Aufgabe, auf meine Mutter aufzupassen.“

„Wie geht es ihr denn?“, fragte sie leise.

Er verzog das Gesicht. „Nicht gut. Sie wohnt bei ihrer Schwester in Florenz und lebt von einem Tag in den anderen. Ich hoffe, sie ist bald bereit, nach Sizilien zurückzukehren.“ Sobald ich dieses Haus für sie zurückerobert habe! „Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht deprimieren.“

„Entschuldigen Sie sich doch bitte nicht bei mir!“

„Ich weiß nicht, warum ich Ihnen das alles gerade erzählt habe. Wir kennen uns ja nicht einmal.“ Er stellte sicher, dass sie den sehnsüchtigen Blick in seinen Augen bemerkte, der ihr sagte, wie gern er sie näher kennenlernen würde.

Das leichte Flattern ihrer Lider verriet ihm, dass sie die stille Botschaft verstand. Und sogar für seine Avancen empfänglich war. Ciro war zwar kein klassischer Playboy wie sein Bruder, trotzdem mangelte es ihm nie an willigen Frauen. Milliarden auf dem Konto gepaart mit dem entsprechenden Aussehen des Besitzers, sorgten, für einen ungeheuren Sexappeal, wie es schien.

Er hatte die vergangene Woche damit verbracht, so viel wie möglich über Miss Buscetta zu erfahren. Leider gab es da nur wenig zu finden. Bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr war sie in einem Kloster erzogen worden, danach hatte sie bis vor zehn Tagen das Leben einer Einsiedlerin in der streng bewachten Villa ihres Vaters geführt. Ciro wettete seinen letzten Cent darauf, dass sie noch Jungfrau war. Ein Mauerblümchen, das auf den richtigen Mann wartete, dem sie ihre Unschuld schenken würde.

Ein Mann wie Cesare Buscetta sah nichts Falsches an der Art, wie er sich das Haus und das Unternehmen der Familie Trapani unter den Nagel gerissen hatte. Für ihn war es nur ein Geschäft. Ciro wusste das, weil er noch mehr getan hatte, als nur Claudias langweiligen Hintergrund zu untersuchen.

Bevor er hierher gefahren war, hatte er ihren Vater unter dem Vorwand besucht, einen potenziellen Deal aushandeln zu wollen. Er hatte sich mit seinem Feind an einen Tisch gesetzt, weil er wissen musste, wie man die Tochter dieses Kerls am besten um den Finger wickelte.

Wenn Cesare ihn mit Argwohn empfangen hätte, wäre das erste Treffen mit Claudia besser an einem anderen Ort geplant worden. Aber der arrogante Cesare hatte Ciro wie einen längst verlorenen Sohn begrüßt. Er hatte sogar die Frechheit besessen, die alten Schultage mit Alessandro zu erwähnen – angeblich eine Zeit voller unbeschwerter Eskapaden. Auf seine Vorliebe, schwächeren Kindern die Köpfe in die Toiletten zu drücken, wenn sie ihm kein Schutzgeld zahlten, war er nicht eingegangen. Oder auf den Vorfall, als er Alessandro mit einem Messer bedroht hatte, weil er keine Hausaufgaben für ihn erledigt hatte.

Als Ciro am Ende ihres Treffens beiläufig erwähnt hatte, dass er für einen letzten sentimentalen Abschied seinem Elternhaus einen Besuch abstatten möchte, hatte Cesare sofort die um das Bauernhaus postierten Wachen angerufen und den Zutritt gestattet, solange Claudia einverstanden war.

Seine Skrupellosigkeit war genauso atemberaubend wie das falsche Mitgefühl seiner Tochter.

Mühsam lächelte Ciro die Frau an, die er ebenso als Feind betrachtete wie ihren Vater. „Wären Sie bereit, mich ein wenig herumzuführen?“

„Sie kennen sich hier besser aus als ich. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie sich allein verabschieden möchten.“

Er schüttelte langsam den Kopf und stellte sicher, dass seine Augen die richtige Mischung aus Interesse an seinem Gegenüber und Trauer über seine Situation ausdrückten. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mich begleiten. Aber nur, wenn Sie es auch möchten.“

Verlegen zupfte sie am Ende ihres Zopfs herum und nickte dann.

Ciro ging mit Claudia Buscetta an seiner Seite durch sein Elternhaus. Ihre Körpersprache sagte ihm laut und deutlich, dass sie sich von ihm angezogen fühlte, und das verschaffte ihm eine ungeheure Genugtuung. Das alles würde noch einfacher werden, als er gedacht hatte. Es war fast unheimlich, wie perfekt sein Plan funktionierte.

„Du wirkst ein bisschen abgelenkt, Prinzessin.“

Claudia, die gerade von einem ganz bestimmten Mann träumte, schaute in das verwirrte Gesicht ihres Vaters und spürte, wie sie rot wurde.

Sie saßen im kleineren Speisesaal der Villa an einem Tisch, an dem immerhin zwölf Personen Platz hatten. Ihr Vater an seinem gewohnten Platz am Kopf der Tafel, Claudia zu seiner Linken. Ihnen wurde ein köstliches Mahl serviert, aber sie schmeckte kaum etwas, weil sie wie auf Wolken schwebte, seit Ciro ihr Zuhause verlassen hatte.

„Ich hatte heute einen Besucher“, begann sie, obwohl ihr klar war, dass er längst davon wusste.

„Ciro Trapani?“

„Papà …“ Sie versuchte, sich ihre Verlegenheit nicht allzu sehr anmerken zu lassen. „Er will mit mir ausgehen.“

Die Augen des alten Mannes leuchteten auf. „Und was hast du ihm geantwortet?“

„Dass ich darüber nachdenken würde. Aber ich wollte zuerst mit dir darüber reden.“

„Braves Mädchen.“ Er nickte bedächtig. „Und was würdest du ihm gern antworten?“

Sie schloss kurz die Augen. „Ich möchte gern zusagen.“

„Dann mach das!“

„Meinst du wirklich?“ Innerlich atmete sie auf. Ihr Vater hatte ihr gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, und ihr war es wichtig, dass er seine Zustimmung gab.

Im Gegensatz zu ihrer überaus gebildeten, klugen Schwester, die sich mühelos von ihm lösen und autark sein konnte – falls sie es jemals für notwendig halten sollte –, konnte Claudia dies nicht so einfach tun. Sie war schlicht von ihm abhängig. Er hatte ihr ein Zuhause geschenkt und sorgte für sie, aber dafür musste sie eben gehorsam sein. Darum saß sie nun auch mit ihm an seinem Tisch zum Abendbrot, anstatt in ihrem eigenen Haus zu essen. Er hatte sie angerufen und eingeladen, kurz nachdem Ciro gegangen war, und Ablehnung war keine Option gewesen!

Sie liebte ihren Vater, aber sie fürchtete ihn auch. Manchmal hasste sie ihn sogar. Die Sehnsucht nach Freiheit und Unabhängigkeit hatte bei ihr in den letzten Jahren stark zugenommen, aber sie sah trotzdem keinen Ausweg für sich. Sie hatte nie rebelliert oder ihrem alten Herrn widersprochen. Das hätte sie nie gewagt.

„Es macht dir also nichts aus?“, hakte sie nach.

„Er ist ein fleißiger Geschäftsmann und stammt aus einer guten Familie, abgesehen von seinem Bruder. Sein Ruf ist tadellos. Außerdem ist er steinreich, wusstest du das? Milliardenschwer. Und er ist in dem Alter, in dem sich ein Mann niederlassen und eine Familie gründen möchte.“

„Papà!“ Sie spürte, wie ihre Wangen wieder purpurrot wurden.

Ihr Vater schenkte sich mehr Wein ein. „Warum sollte er dich nicht zur Frau haben wollen? Du hast ebenfalls einen einwandfreien Stammbaum und gehörst zu einer angesehenen, wohlhabenden sizilianischen Familie. Dazu kommt: Du bist so schön wie deine Mutter.“

Claudia war verblüfft und fühlte sich extrem unwohl bei diesem Gespräch. „Es ist nur ein Date“, erinnerte sie ihn leise.

Ihr erstes Date.

Autor

Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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