Verbotene Sehnsucht nach deinen Küssen

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Auf einer Geschäftsreise nach Singapur geschieht es: Serena verbringt eine heiße Nacht mit Barbesitzer Caleb. Das erotische Feuerwerk der Leidenschaft ist betörend, doch zurück in London findet sie schnell heraus, dass die sinnlichen Stunden süße Folgen hatten! Auch wenn Caleb nicht an feste Liebesbeziehungen glaubt – das hat er ihr bereits verraten –, muss er wissen, dass er Vater wird. Umso mehr erstaunt Serena seine Reaktion. Er besteht auf einer Heirat, natürlich nur eine Ehe zum Schein! Doch die Hochzeitsnacht folgt ihrem eigenen Gesetz …


  • Erscheinungstag 06.01.2026
  • Bandnummer 2735
  • ISBN / Artikelnummer 9783751541572
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Rosie Maxwell

Verbotene Sehnsucht nach deinen Küssen

1. KAPITEL

Diesen Teil des Abends hasste Serena Addison. Den Moment, in dem ihre Freunde in die eine Richtung verschwanden und sie in die andere musste.

Heute Abend verpasste sie nicht bloß einen Feierabenddrink in der Bar um die Ecke ihres Londoner Büros, sondern ein einzigartiges Erlebnis in Singapur. Der Club, den ihre Freunde besuchen wollten, zählte zu den angesagtesten der Stadt.

Morgen früh würde sie sich die Erlebnisse ihrer befreundeten Kollegen in allen Details anhören müssen. Und sie würde lächeln und so tun, als würde es sie nicht frustrieren, dass sie wieder einmal außen vor war und nur von Erfahrungen hörte, statt sie selbst gemacht zu haben. Vor Wut hätte Serena am liebsten geschrien.

„Du könntest doch mitkommen“, hatte ihre beste Freundin Evie ihr zugeflüstert. „Wir sind siebentausend Meilen von London und Marcia entfernt. Sie wird es nie erfahren.“

Doch in einer von Social Media beherrschten Welt waren siebentausend Meilen bedeutungslos. Ein einziges Partyfoto von ihr würde ausreichen, damit ihre Stiefmutter ihre Drohungen wahr machte, sie aus dem Haus warf und ihr jeden Kontakt zu ihren beiden jüngeren Geschwistern verbot.

Dazu hatte Marcia als deren Adoptivmutter jedes Recht.

Diesen Preis wollte Serena nicht zahlen. Eine Trennung von Kit und Alexis kam nicht infrage. Niemals. Nach dem herzzerreißenden Verlust ihrer Mutter, die bei der Geburt der Zwillinge gestorben war, hatte sie sich von deren erstem Lebenstag an um die beiden gekümmert. Ihre Verbindung ging weit über eine normale Geschwisterbeziehung hinaus. Nach dem unerwarteten, erschütternden Tod ihres Vaters vor sechs Jahren war Serena ihre einzige Blutsverwandte. Und sie gehörten zusammen. Das war nicht verhandelbar. Nicht nur, weil Serena der Gedanke unerträglich war, das Versprechen zu brechen, das sie ihrer Mutter während der Schwangerschaft gegeben hatte – nämlich immer für ihre jüngeren Geschwister da zu sein. Sondern weil sie bereits genug Verluste für ein ganzes Leben erlitten hatte.

Erst ihre Mutter, dann ihr Vater – und schließlich ihr Baby.

Sie war achtzehn und in der zehnten Woche schwanger gewesen. Die Umstände hätten kaum schwieriger sein können. Besonders nachdem ihr Freund, auf dessen Unterstützung sie gebaut hatte, einfach verschwunden war. Serena hatte eine so innige emotionale Bindung zu dem ungeborenen Kind aufgebaut, dass der Verlust sie schwer getroffen hatte. Ohne die Unterstützung und den Trost liebevoller Eltern war es der schmerzhafteste Schicksalsschlag von allen gewesen. In dem Moment war ihr klar geworden, dass sie keinen weiteren Verlust ertragen konnte. Sie schwor sich, nie wieder in eine Situation zu geraten, in der sie jemanden verlieren könnte.

Aber selbst dieses Wissen vermochte die flammende Wut in ihrem Inneren nicht zu löschen, während sie zusah, wie Evie und die anderen Mädchen im Nachtclub verschwanden. Serenas Herz pochte schwer, weil sie so verzweifelt bei ihnen sein wollte. Mehr als alles andere wollte sie Spaß haben, Cocktails trinken und die Nacht durchtanzen. Aber das war unmöglich, solange ihre strenge Stiefmutter jeden ihrer Schritte überwachte.

Zwischen ihnen hatte es nie Nähe gegeben. In all den Jahren hatte Marica ihr niemals auch nur einen Funken Liebe, Unterstützung oder Verständnis entgegengebracht. Nicht einmal, als ihr Vater gestorben war. Und schon gar nicht, als Serena die Fehlgeburt erlitten hatte. Ratlos und verstört hatte sie sich nach einer tröstenden Umarmung gesehnt. Stattdessen hatte sie nur den gefühllosen Kommentar zu hören bekommen, es wäre wahrscheinlich besser so. Sie hatte die Scherben aus eigener Kraft zusammenkehren und wieder auf die Beine kommen müssen. Und das hatte sie geschafft.

Nur damit Marcia erneut zuschlagen konnte.

Voller Misstrauen, Serena könnte erneut Schande über den Familiennamen bringen und einen Skandal verursachen, hatte Marcia Serenas Traum vom Kunststudium im Keim erstickt. Serena wusste, dass sie kein Engel gewesen war – besonders nicht nach dem Tod ihres Vaters, als sie versucht hatte, ihre Trauer mit Partys und Freunden zu verdrängen –, aber die Strafe war kaum angemessen gewesen.

Da sie Kit und Alexis nicht verlieren wollte, hatte sie all die lächerlichen und einengenden Regeln von Marcia ertragen. Fünf lange Jahre. Keine freizügige Kleidung. Keine langen Nächte. Keine Bars oder Clubs. Keine Freiheit. Kein Spaß. Die Liste war endlos.

Obwohl es sich gelohnt hatte, bei Kit und Alexis zu bleiben, waren die Opfer nie leicht gewesen. In jüngster Zeit fühlte sich Serena mehr denn je gereizt von all den Einschränkungen. Der Frust brodelte in ihr und kam immer näher an die Oberfläche. Immer öfter ertappte sie sich dabei, wie sie sich nach dem Tag sehnte, an dem sie endlich den Fängen ihrer Stiefmutter entkommen und so frei leben konnte, wie sie wollte.

Bald, erinnerte sich Serena und atmete tief durch. Der zwölfte Geburtstag der Zwillinge stand bevor. In ein, zwei Jahren, wenn Marcia ihnen den Kontakt nicht mehr verbieten könnte, würde sie ihre Freiheit in vollen Zügen genießen. Aber bis dahin musste sie nach Marcias Regeln spielen, wenn sie weiterhin Teil von Kits und Alexis’ Leben sein wollte. Sie hatte es bis hierher geschafft, also würde sie es auch noch ein paar weitere Jahre aushalten. Zumindest redete sie sich das ein.

Es war ja nicht alles schlecht. Das Leben innerhalb Marcias strenger Grenzen hatte verhindert, dass sie jemanden zu nahe an sich heranließ und Liebe am falschen Ort suchte. Wie bei Lucas. Sie hatte sich keinem weiteren Herzschmerz aussetzen können. Zumindest dafür war sie dankbar.

Aber es hat mich auch davon abgehalten, irgendetwas zu erleben.

Serena musste etwas tun, damit ihre Stimmung nicht noch weiter sank. Also drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte zu den Aufzügen. Wäre sie in London, würde sie sich in ihrem kleinen Zimmer unterm Dach einschließen und ihre Wut in leuchtenden Ölfarben auf die Leinwand bringen. So hatte sie den unermesslichen Kummer nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters und dem Verlust ihres Babys ertragen. Kunst war immer noch ihr Weg, Emotionen zu verarbeiten. Da sie hierzu aber keine Möglichkeit hatte, würde sie stattdessen ins Hotel-Fitnessstudio gehen und sich den Frust von der Seele boxen.

Sie hatte erst wenige Schritte gemacht, als sie gegen etwas Hartes prallte und nach hinten taumelte. Erst dank des Griffs eines kräftigen Arms um ihre Taille erkannte sie, dass sie mit jemandem zusammengestoßen war.

„Oh mein Gott. Es tut mir so leid. Ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich gehe, und ich …“ Als Serena aufblickte, sah sie direkt in ein Paar silbergrauer Augen. Und alles, was sie sagen wollte, war wie weggefegt.

Ihr Körper bebte unter der Anziehung, die in ihrer Brust pulsierte. Hitze stieg ihr ins Gesicht. Sie konnte nichts anderes tun, als diesen Mann anzustarren. Diese Augen. Und ihr Herz schlug einmal. Zweimal. Dreimal. Jeder Schlag war kraftvoller als der vorherige. Das hier war zweifellos der atemberaubendste Mann, dem sie je begegnet war.

Die Konturen seines Gesichts waren markant, seine ebenmäßigen Züge sonnengebräunt. Das Kinn ausgeprägt, aber nicht kantig, mit einem Hauch von Bartstoppeln, die er mit lässiger Eleganz trug. Das Haar war kurz geschnitten, die dunklen Brauen gerade und ausdrucksstark. Und darunter diese ungewöhnlichen, faszinierenden Augen in einem schimmernden Grau.

Serena war auf eine Art fasziniert, die sie in Flammen zu setzen drohte. Irgendwo in ihrem Kopf schrillte eine Alarmglocke, die ihr riet, augenblicklich wegzusehen. Oder besser noch, einfach abzuhauen. Aber sie brachte nicht die nötige Willenskraft auf.

Dann schenkte er ihr ein Lächeln, das eine Welle der Begierde in ihrem Bauch auslöste.

„Schon gut. Ich habe auch nicht darauf geachtet, wohin ich gehe.“

Als sie seinen Akzent – südafrikanisch? Australisch? – wahrnahm, schoss noch mehr Hitze in ihre Wangen. Die starke Anziehungskraft, die von diesem Mann ausging, überraschte sie. Es war Ewigkeiten her, dass sie auch nur ansatzweise so etwas wie Begehren gefühlt hatte. Und sie sollte jetzt wirklich wegsehen, bevor es sich noch deutlicher in ihrem Gesicht abzeichnete und sie sich restlos blamierte.

Aber sie konnte nicht.

Denn er starrte sie ebenso aufmerksam an. Sein fesselnder Blick hielt sie regelrecht gefangen.

„Das ist nett von Ihnen, aber wir wissen beide, dass es mein Fehler war“, stieß sie atemlos hervor. „Sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht wehgetan habe?“

„Ja, alles gut. Aber ich könnte eine kleine Verletzung vortäuschen. Als Vorwand, damit Sie noch ein bisschen bleiben.“

Der unverschämte Vorschlag brachte Serena zum Lächeln. „Das wäre ziemlich dreist, meinen Sie nicht?“

„Ohne Frage.“

Sein funkelnder Blick enthielt so viel maskuline Wärme, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann zuletzt ein Mann sie so angesehen hatte. Unter Marcias Regeln war es schwer, nicht das Gefühl zu bekommen, dass sie langsam unsichtbar wurde. Aber er sah sie.

Und anscheinend gefiel ihm, was er sah.

„Ich habe grundsätzlich nichts gegen ein wenig Dreistigkeit“, sagte er. „Vor allem wenn es mir hilft, zu bekommen, was ich will.“

Sein Lächeln jagte einen Stromstoß ihre Wirbelsäule hinauf, und unwillkürlich fragte sie sich, wie sich seine Lippen wohl auf ihrer Haut anfühlen würden.

„Und was genau wollen Sie?“ Die Frage kam ihr schneller über die Lippen, als ihr lieb war.

Sie begab sich auf sehr dünnes Eis. Normalerweise hätte sie längst kehrtgemacht. Aber irgendetwas an ihm löste Gefühle in ihr aus, die sie seit Jahren unterdrückt hatte. Weil sie wusste, wohin das führen konnte.

„Was ich will“, sagte er schließlich und ließ den Blick langsam und ungeniert über sie wandern, „ist, dass Sie etwas mit mir trinken.“

Seine Worte ließen ihren Puls bis in die Fingerspitzen pochen. Doch sie schüttelte den Kopf, bevor ihr Mund noch mehr Unsinn anstellen konnte.

„Das geht nicht.“

„Es geht nicht?“ Er wirkte sichtlich irritiert.

Das überraschte sie nicht. Er hatte die Ausstrahlung eines Mannes, der so gut wie nie ein Nein hörte. Sowohl beruflich als auch privat. Und erst recht nicht von Frauen.

Erneut schüttelte sie den Kopf. „Ich war auf dem Weg zurück in mein Zimmer. Meine Freundinnen sind nach dem Dinner noch in den Club, aber ich muss früh raus und …“

Er trat einen Schritt näher und Serena verstummte. Alles in ihr begann zu kribbeln, als er den Blick aus seinen silbergrauen Augen auf sie richtete. So glitzernd, als bestünden sie aus Sternenstaub. Sie waren sich wieder so nah, dass nur wenige Zentimeter zwischen ihnen lagen, und sie nahm den Duft seiner Haut wahr – Zitrone und Vanille. Am liebsten hätte sie ganz tief eingeatmet, um diesen Duft festzuhalten.

„Ein Drink. Ich verspreche, Sie nicht lange aufzuhalten.“

Serenas Kehle war inzwischen wie ausgedörrt und tief in ihrem Bauch zog sich etwas zusammen.

Denn das war nicht das einzige Versprechen, das in seinem Blick lag. Da war auch Hitze. Verlockung.

Und – Gott steh ihr bei – sie wollte Ja sagen. Mehr als je zuvor in ihrem Leben.

Es war nicht nur so, dass er sie Dinge fühlen ließ, die sie lange nicht mehr gespürt hatte. Er ließ sie Dinge fühlen, die sie noch nie gespürt hatte. Wie eine geschüttelte Champagnerflasche, die kurz vorm Explodieren war. Und sie wollte mehr davon. Mehr von diesem berauschenden Gefühl. Mehr von dieser köstlichen und gefährlichen Hitze, die sich in ihr entfaltete, wenn sein Blick über sie glitt. Mehr von diesem wilden Herzklopfen, das sie daran erinnerte, dass sie schön war. Sexy und begehrenswert. Obwohl sie sich so oft genau wie das Gegenteil fühlte.

Aber die Konsequenzen …

Drinks mit attraktiven Männern waren noch weniger erlaubt als Clubs und kurze Röcke. Noch beängstigender war das Risiko, das sie mit ihrem Körper und Herzen einging. Serena hatte gute Gründe, warum sie jede Form von Nähe mied. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, noch einmal schwanger zu werden. Der bloße Gedanke reichte, um ihr das Herz zu brechen.

Das Einzige, was sie tun konnte – was sie tun musste –, war, bei ihrer Absage zu bleiben.

Doch dann stellte sie sich vor, wie dieser gut aussehende Fremde sich abwandte und für immer verschwand. Und sie wusste, dass sie nicht Nein sagen konnte.

Wäre ein Drink mit ihm denn wirklich so schlimm? Wäre es so schlimm, sich auf einen kleinen Flirt einzulassen? Es musste ja nicht weitergehen. Und sie war siebentausend Meilen von zu Hause entfernt. Es gab keinen Grund, wieso Marcia je davon erfahren sollte. Nur sie selbst würde es wissen. Es wäre ein Ausbruch aus ihrem tristen Alltag. Eine Erinnerung, an die sie an besonders einsamen grauen Tagen zurückdenken könnte. Und davon gab es viele.

„Na gut. Ein Drink“, sagte sie und ein Feuerwerk explodierte in ihrem Bauch.

Nur dieses eine Mal.

Caleb Morgenthaus erster Gedanke, als er auf die Frau hinabsah, war: Sie ist schön. Rotblondes Haar fiel ihr in weichen Wellen über die Schultern. Ihr heller Teint brachte ihre hohen Wangenknochen und leuchtenden Augen noch mehr zur Geltung. Sie war hinreißend. Sein zweiter Gedanke war: Ist sie vielleicht absichtlich mit mir zusammengestoßen? Frauen hatten schon Verrückteres getan, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sein dritter Gedanke war: Es mir egal, ob es Absicht gewesen ist. Das Ergebnis war dasselbe. Sie interessierte ihn. Und zwar sehr.

Doch Caleb hatte aus früheren Fehlern gelernt. Er ließ sich nur auf Frauen ein, die ähnlich tickten wie er und nichts wollten außer einer Nacht ohne Verpflichtungen. Bevor er also auch nur einen Schritt weiterging, musste er sicher sein, dass sie in dieses Schema passte. Prüfend musterte er sie. Als er die Glut in ihren Augen sah und spürte, dass sie ihn genauso wollte wie er sie, hielt ihn nichts mehr zurück. Also lud er sie auf einen Drink ein. Ihre erste Ablehnung beunruhigte ihn nicht. Sie würde ihn nie ernsthaft abweisen.

Und dann führte er sie hoch in die Rooftop-Bar, wo sie ein oder zwei Drinks nehmen würden, bevor der Abend idealerweise in seinem Bett endete.

In Gedanken war er längst bei dem Moment, in dem er ihr das Kleid vom Körper streifen würde, um endlich zu sehen, was sich darunter verbarg. Er stellte sich vor, wie sich ihr langes rotblondes Haar über seine Kissen ausbreitete, wie ihre helle Haut im Mondlicht leuchtete, wie sie zu ihm aufsah – atemlos vor Ekstase –, während er sie wieder und wieder zum Höhepunkt brachte. Die Vorstellung jagte ihm eine Welle heißer Vorfreude durch den Körper, wie er sie lange nicht gespürt hatte.

Wann hatte er zuletzt eine Frau so sehr gewollt? In jüngster Zeit waren seine Begegnungen alle gleich gewesen. Aber bei dieser Frau, deren Namen er noch nicht kannte, war es anders. Etwas lag in ihrem Blick, der seinen festgehalten hatte. Etwas war in diesem verhaltenen Lächeln, das etwas Unerwartetes versprach. Er fühlte sich auf eine Art zu ihr hingezogen, für die er keine Worte fand.

Er war so in Gedanken versunken, dass ihn erst ihr leiser Ausruf der Begeisterung wieder in die Gegenwart zuückholte, als sie die Dachterrasse betraten.

„Wow! Ich fand die Stadt schon vorher beeindruckend, aber von hier oben ist sie spektakulär.“ Sie nahm Singapurs leuchtende Skyline in sich auf. „Ich bin nur überrascht, dass es hier nicht voller ist“, meinte sie, während er sie zu einem freien Tisch in der Ecke führte. „Ich dachte, die Rooftop-Bar wäre komplett ausgebucht. Meine Freundin Evie wollte vor dem Dinner noch auf einen Drink herkommen und war enttäuscht.“

„Diese Bar ist nur für Mitglieder“, erklärte Caleb, als ein Kellner an ihren Tisch trat und zwei Champagnergläser abstellte. Eines vor ihr, eines vor ihm. „Hier haben nur VIP-Gäste Zutritt.“

Erst sah sie ihn an, dann ließ sie den Blick durch die stimmungsvoll beleuchtete Bar schweifen. Die Tische waren großzügig verteilt. Er beobachtete, wie sie die Augen aufriss, als sie eine Gruppe von Hollywoodstars entdeckte.

„Ich komme mir albern vor, dass mir das nicht gleich aufgefallen ist.“ Sie griff nach ihrem Glas, hob es halb zu ihren vollen rosigen Lippen – und hielt plötzlich inne. „Das heißt, Sie sind auch ein VIP-Gast?“

„Streng genommen bin ich der Besitzer.“ Er streckte ihr die Hand entgegen und in ihrem Gesicht zeichnete sich noch mehr Überraschung ab. „Caleb Morgenthau.“

Es war eine ungewohnte Erfahrung, nicht erkannt zu werden. In Australien war der Name Morgenthau überall bekannt. Als Sohn eines beruflich und gesellschaftlich mächtigen Vaters hatte Caleb immer im Rampenlicht gestanden. Sein eigener geschäftlicher Erfolg – kombiniert mit seinem Ruf als unnahbarer Junggeselle – hatte das Interesse an ihm noch verstärkt. Es begleitete ihn überallhin. Auch sechs Monate in Singapur hatten daran nichts geändert. Frauen fühlten sich oft gerade wegen dieses Rufs zu ihm hingezogen. Das störte ihn nicht, er suchte nichts Langfristiges. Es war angenehm, zu wissen, dass all das bei ihr keine Rolle gespielt hatte. Dass sie aus denselben Gründen hier war wie er: pure körperliche Anziehung.

Langsam, fast zögerlich legte sie ihre weiche, warme Hand in seine – und in dem Moment erfasste ihn unbändiges Begehren. Genauso hatte er sich das vorgestellt. Ihre Hand passte so mühelos in seine, auch der Rest würde perfekt zusammenpassen.

„Serena Addison.“

Unter seinen Fingern pochte ihr Puls schneller als normal, und in ihren Augen spiegelte sich das gleiche aufgeladene Gefühl, das auch in ihm tobte.

„Serena.“ Er genoss es, ihren Namen auszusprechen. Einen Namen, den er wieder und wieder sagen wollte. „Wunderschön. Er passt zu Ihnen.“

„Danke.“ Ihr Blick hielt seinen fest. So intensiv, dass sein Blut sich angenehm pulsierend in seinen Lenden sammelte. „Meine Mutter war Italienerin. Und obwohl sie einen Engländer geheiratet und sich in England niedergelassen hat, wollte sie ihrer Herkunft mit meinem Namen ein Stück treu bleiben.“

Während Serena sprach, schlug sie die Beine übereinander. Schlank und endlos. Er konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie sie sie um seine Hüften schlang. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, den Blick wieder nach oben zu lenken.

„Italienisch?“ Er griff nach seinem Glas und nahm einen Schluck. „Verbringen Sie viel Zeit in Italien?“

„Nein. Ich war ewig nicht mehr dort.“

„Wie kommt’s?“

„Meine Mutter hat das Land verlassen, weil sie dort keine Familie mehr hatte und neu anfangen wollte. Als ich klein war, sind wir manchmal hingefahren. Aber sie ist gestorben, als ich zwölf war, und seitdem war ich nie wieder dort.“

Sie sprach dieses letzte Eingeständnis schnell aus, als würde es ihr körperlich wehtun. Caleb hörte die Trauer in ihrer Stimme. Den Verlust. Beides veränderte ihren Tonfall, warf für einen Moment einen Schatten über ihr schönes Gesicht. Er ertappte sich bei dem Wunsch, ihn wegzuwischen. Das überraschte ihn. Solche Impulse waren nicht sein Stil.

Der dumpfe Schmerz, keine Mutter zu haben, war ihm vertraut. Doch Serena hatte ihre Mutter gekannt und war von ihr geliebt worden … Seine eigene Mutter war verschwunden, bevor er alt genug gewesen war, um sich an sie zu erinnern. Und man konnte nichts vermissen, was man nie gehabt hatte, oder? Zumindest redete er sich das ein. Besonders in Momenten, in denen er merkte, dass er sich einer sentimentalen Gefühlsduselei hingab.

„Es ist traurig, dass Sie sie so jung verloren haben.“ Er ignorierte das Ziehen in seiner Brust, das er immer spürte, wenn er an die Frau dachte, die ihn geboren und dann verlassen hatte. Die nie zurückgekommen war. Sie hatte eine Leere in ihm hinterlassen, die nie gefüllt worden war. Das hatte bis heute einen Keil zwischen ihn und seinen Vater getrieben.

„Ja, ist es. Ihr Tod hat eine riesige Lücke hinterlassen. Aber für meinen kleinen Bruder und meine kleine Schwester ist es noch schlimmer. Sie hatten nie die Chance, sie kennenzulernen. Ich habe wenigstens meine Erinnerungen.“ Sie blinzelte schnell und wandte den Kopf ab. „Tut mir leid. Ich weiß gar nicht, warum ich so emotional werde. Für einen Drink ist das ein schreckliches Gesprächsthema.“

„Es ist ein gutes Gesprächsthema.“ Er legte ihr sanft einen Finger unters Kinn und drehte ihr Gesicht wieder zu sich. Allein diese kurze Berührung ließ die Luft zwischen ihnen knistern. „Sie müssen sich nicht entschuldigen.“

Mit einem Wimpernschlag verscheuchte sie die Traurigkeit aus ihrem Blick und lächelte wieder. „Jetzt sind Sie dran, Caleb Morgenthau. Erzählen Sie mir was über sich.“ Sie sah ihn so offen und sanft an, dass er völlig gefangen war. Ohne es zu merken, beugte er sich näher zu ihr, als würde ihn etwas Unsichtbares zu ihr hinziehen.

„Was möchten Sie wissen?“

„Sie sind Australier, oder?“ Als er nickte, lächelte sie. „Wo genau kommen Sie her?“

„Ich bin in Melbourne geboren und aufgewachsen. Aber inzwischen ist mein Zuhause immer da, wo ich gerade eine neue Location aufbaue. In den vergangenen Jahren habe ich in Sydney, Bali, Hongkong und hier in Singapur gelebt.“

„Und in all diesen Städten gibt es einen Ort wie diesen?“

„Nicht genau wie diesen, aber ja. Und ein paar andere noch dazu.“ Caleb grinste. „Jetzt, da dieser Laden läuft und ein gutes Management-Team an Bord ist, geht’s als Nächstes nach Europa. Danach ist Nordamerika dran.“

„Also planen Sie, die Welt zu erobern?“

„Vielleicht.“ Er lächelte, dachte in diesem Moment aber eher daran, sie zu erobern. Kuss für Kuss, Berührung für Berührung, bis sie ganz und gar ihm gehörte.

Das Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte, ließ ihn glauben, dass sie genau wusste, was er dachte.

Sie nahm noch einen Schluck Champagner. „Wo in Europa?“

„Saint-Tropez. Mykonos. Rom und London.“ Er wartete auf den dezenten Hinweis, dass sie diese Orte gern einmal besuchen würde – aber der kam nicht. Das überraschte ihn angenehm. Normalerweise konnten es Frauen kaum erwarten, seine Kontakte zu nutzen, um Zugang zu seiner luxuriösen Welt zu bekommen.

Ihre Augen leuchteten. „Sie haben Glück, in so vielen verschiedenen Ländern leben und arbeiten zu können.“

In ihrer Stimme lag etwas Wehmütiges, das ihn an sich selbst erinnerte. An den Jungen, der sich eingeengt gefühlt hatte, der immer von Freiheit geträumt hatte und davon, auszubrechen. Er fragte sich, woraus Serena gern ausbrechen würde. Aus Verpflichtungen zu Hause? Sie hatte erwähnt, dass sie jüngere Geschwister hatte.

„War das schon immer Ihr Traumjob?“, fragte sie.

„Nicht wirklich. Ich habe den Familienbetrieb geerbt. Mein Großvater hatte vor fünfzig Jahren ein kleines Restaurant in Melbourne. Mein Vater ist mit sechzehn eingestiegen. Und als er es irgendwann übernahm, hat er eine ganze Kette im gesamten Bundesstaat aufgebaut. Später hatten wir Lokale in allen größeren Städten Australiens. Es war klar, dass ich auch ins Business einsteige und es irgendwann weiterführe. Niemand hat mich gefragt, ob ich das überhaupt will. Und damit klarzukommen, dass mir diese Entscheidung über mein Leben abgenommen wurde, war nicht leicht. Ich habe mich …“ Caleb suchte nach Worten. Es war ihm noch nie leichtgefallen, über Gefühle zu sprechen. Schon als Kind hatte er gelernt, dass es besser war, sie runterzuschlucken, als sich von ihnen auffressen zu lassen. 

„Eingesperrt gefühlt“, warf sie ein, als wüsste sie genau, was er meinte.

Es erstaunte ihn, wie leicht sie benennen konnte, was in ihm vorging. Als wären sie irgendwie verbunden.

„Ja. Genau“, sagte er leise, während er sie mit einem merkwürdigen Kloß im Hals ansah. Wann hatte er sich je jemandem so verbunden gefühlt? War es das, was ihn dazu brachte, so viel von sich preiszugeben – wenn er doch sonst nie über seine Gefühle sprach? Natürlich stellte man ihm oft persönliche Fragen. Aber Caleb hatte sich immer geweigert, zu viel von sich zu offenbaren. Besonders Frauen hielt er auf Abstand. Das war sicherer.

„Ich verstehe das. Wenn das Leben schon vorgeplant ist, bevor man auch nur die Chance hatte, es zu seinem eigenen zu machen, ist das nicht leicht.“

Etwas in ihrem Blick verriet ihm, dass sie damit Erfahrung hatte. Da war wieder dieses seltsame Ziehen in seiner Brust.

„Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich Glück habe, Teil von etwas zu sein. Teil dieses Vermächtnisses. Und dass es an der Zeit war, selbst etwas beizutragen. Ich wusste, wie viel es meinem Vater bedeutet.“

„Ihr Vater und Ihr Großvater müssen unglaublich stolz auf das sein, was Sie erreicht haben.“

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