Süß wie der Duft der Rosen

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Der Mond scheint hell, als Travis vor einem romantischen Cottage eine wunderschöne Frau einsam im Garten sieht. Wie eine zarte, blonde Blumenfee kommt sie dem reichen Unternehmer vor! Wer ist diese Fremde, die in der lauen Sommernacht sein Verlangen weckt?


  • Erscheinungstag 14.05.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514439
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Das sanfte Klicken, mit dem die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, dröhnte wie ein Donnergrollen in Beth Martons Ohren. Sie erstarrte vor Schreck, drehte sich um und versuchte, die Tür aufzustoßen. Vergeblich, der Riegel war eingerastet.

„Oh, nein!“ Obwohl sie wusste, dass es nichts half, stemmte Beth sich noch einmal fester gegen die massive Holztür. Sie hatte sich ausgesperrt. Wäre ihr dasselbe vor ihrem Londoner Apartment passiert, hätte sie problemlos bei einem Nachbarn klingeln können, um ihre Schwester anzurufen, die einen Ersatzschlüssel besaß. Doch dies war nicht London …

Während sie sich hilflos umsah, wurde ihr voller Schreck bewusst, dass sie nur ihren bonbonrosa Seidenpyjama mit den Spaghettiträgern trug. Die dunkle windige Nacht verhieß nichts Gutes. Außerdem war Regen angesagt.

Eine kalte Nase berührte ihre Hand. Beth blickte zu dem großen Hund herab, der sie erwartungsvoll ansah.

„Ich weiß, ich weiß. Wir sind hier draußen, und dein Abendessen steht da drinnen, aber du warst es, der unbedingt vor die Tür wollte.“

Und sie war Harvey mit einer Laterne nach draußen gefolgt, damit er nicht irgendwo in der Dunkelheit verschwand. Was mehr als unwahrscheinlich war, denn er liebte sein Futter über alles, und den Garten des kleinen Ferienhauses umgab ein Zaun.

Der leichte Rauchgeruch in der Luft erinnerte Beth an das Kaminfeuer, das sie vor wenigen Minuten im Wohnzimmer angezündet hatte. Ohne den Funkenschutz davorzustellen!

Von Panik ergriffen, lief sie einmal um das Haus, in der Hoffnung, ein angelehntes Fenster zu finden, rechnete sich allerdings keine großen Chancen aus. Bei ihrer Ankunft vor einer halben Stunde hatte alles sorgfältig verriegelt ausgesehen.

Nach einer quälend langen Autofahrt im Stau, die sie ihrem ärgsten Feind nicht wünschte, war Beth froh gewesen, das Ferienhaus im Dunkeln überhaupt gefunden zu haben. Sie fand den Schlüssel unter dem vom Makler beschriebenen Blumentopf und trug ihr Gepäck ins Haus. Nachdem sie die verderblichen Lebensmittel im Kühlschrank verstaut hatte, wusch sie sich unter der Dusche den Staub aus den Haaren und den Stress von der Seele. Anschließend schlüpfte sie in ihren Pyjama, öffnete eine Flasche Wein und machte Feuer im Kamin. Der Hundekorb stand an einem behaglichen Platz und das Futter in der Küche, als Harvey plötzlich das dringende Bedürfnis nach einem Ausflug in den Garten verspürte.

„Autsch!“ Beth rutschte aus und landete unsanft auf dem Hosenboden im Schlamm. Den Tränen nahe, umklammerte sie die Laterne und rappelte sich auf, während Harvey, der das Ganze für ein Spiel hielt, fröhlich bellend an ihr hochsprang. Die lange Fahrt von London nach Shropshire hatte ihn gelangweilt, aber jetzt war er in seinem Element.

Auch ohne Licht hätte Beth geahnt, was an ihrem Pyjama und ihren Pantoletten klebte. Der strenge Geruch ließ eindeutig auf frischen Naturdünger schließen.

Nach ihrem Rundgang stand sie ratlos und fröstelnd in der kalten Mainacht vor dem Haus. Tagsüber war es schon recht warm gewesen – entschieden zu warm, um im Stau zu stehen –, aber jetzt blies ein scharfer Wind.

Um ins Haus zu gelangen, müsste sie wohl ein Fenster einschlagen. Unschlüssig betrachtete Beth die kostbaren alten Bleiglasscheiben, die sie schon bei ihrer Ankunft bewundert hatte. Das Cottage, ein schmuckes kleines Fachwerkhaus mit strohgedecktem Dach, strahlte den Charme vergangener Jahrhunderte aus, doch das nützte ihr jetzt auch nichts.

Harvey knurrte der Magen, und das Spiel verlor allmählich seinen Reiz. Er fing jämmerlich an zu jaulen, und da er ein riesiger langhaariger Deutscher Schäferhund und kein Schoßhündchen war, konnte Beth bei dem Lärm keinen klaren Gedanken fassen.

„Schon gut, Harvey.“ Mit einem Fingerschnippen brachte sie ihn zum Schweigen.

Es würde beträchtlichen Schaden anrichten, eines der schönen alten Fenster einzuschlagen, aber eine bessere Lösung fiel ihr nicht ein. An ein Haus auf den letzten Meilen der Zufahrtsstraße konnte Beth sich nicht erinnern. Außerdem war sie für eine Nachtwanderung durch das ländliche Shropshire nun wirklich nicht passend angezogen.

Im Lichtschein der Laterne versetzte sie einer der Fensterscheiben einen kräftigen Stoß, doch die Bleiverstrebungen erwiesen sich als stahlhart. Zu allem Überfluss war Beth nicht einmal sicher, ob es ihr überhaupt gelingen würde, durch ein kaputtes Fenster einzusteigen. Die Autofenster boten auch keine Alternative, denn im kalten Auto würde sie sich vermutlich über Nacht den Tod holen. Und am nächsten Morgen vor demselben Problem stehen, da sowohl die Autoschlüssel als auch all ihre Sachen im Haus lagen.

„Oh, Harvey!“ Jetzt war ihr wirklich zum Weinen zumute. Nach allem, was sie in letzter Zeit erlebt hatte, ertrug sie diese Panne einfach nicht mehr. Warum stieß sie überall auf Hindernisse, obwohl sie doch nur zur Ruhe kommen wollte? Das war nicht fair. Beth schluchzte, und Harvey, der spürte, dass etwas nicht stimmte, drängte sich schützend an ihre Beine. Resigniert setzte sie sich auf die Treppe vor dem Haus, legte die Arme um den zotteligen Hundehals und ließ ihren Tränen freien Lauf. Doch während sie das Gesicht in das warme Hundefell schmiegte, sah sie plötzlich Scheinwerfer in der Ferne. Ein Auto!

Beth sprang auf, lief an ihrem Wagen vorbei zum Tor und öffnete es, um den Autofahrer heranzuwinken. Mit der einen Hand schwenkte sie eifrig die Laterne, mit der anderen hielt sie Harvey am Halsband fest. In ihrem Pyjama würde man sie wohl kaum für einen Straßenräuber halten, aber ihr möglicher Retter sollte gleich wissen, dass sie einen Wachhund dabeihatte. Hörte man nicht ständig Schauergeschichten von Frauen, die von vermeintlich hilfsbereiten Fremden überfallen wurden?

Die Zeit, die der Wagen brauchte, um endlich das Tor zu erreichen, kam Beth wie eine Ewigkeit vor. Sekundenlang tauchten gleißende Scheinwerfer die Straße in helles Licht, dann war der stattliche Kombi vorbeigebraust. Einen bangen Moment glaubte Beth, der Fahrer habe sie übersehen, bis sie den Wagen hinter der nächsten Kurve mit quietschenden Reifen bremsen und zurücksetzen hörte. Gleich darauf hielt er neben ihr an.

Das Fahrerfenster wurde herabgelassen, und eine tiefe Männerstimme, in der sowohl Verwunderung als auch Belustigung mitschwang, fragte: „Was, um alles in der Welt, treiben Sie denn hier in diesem Aufzug?“

Mich amüsieren, was sonst? Beth verkniff sich die spitze Bemerkung und erwiderte gefasst: „Ich habe mich ausgesperrt, als ich meinen Hund hinausgelassen habe. Sie haben nicht zufällig etwas im Wagen, womit man eine Tür aufbrechen kann?“ Als sie sah, wie der Mann geblendet die Augen zusammenkniff, senkte sie die Laterne. „Entschuldigung.“ Immerhin wusste sie nun, dass es sich um einen jüngeren Mann mit dunklem Haar handelte. Mehr hatte sie auf die Schnelle nicht erkannt.

„Sie meinen, ich soll mal kurz irgendwo einbrechen?“

Angesichts seiner unverhohlenen Heiterkeit fiel es Beth schwer, ruhig zu bleiben. „Ja, so ungefähr. Können Sie mir jetzt helfen oder nicht?“ Während dieser Witzbold sich köstlich amüsierte, zitterte sie am ganzen Körper vor Kälte. Herzloser Kerl!

„Sie frieren“, stellte er fest.

Hoffentlich hatte er nicht bemerkt, dass sich ihre vor Kälte ganz steifen Brustspitzen unter dem dünnen Oberteil abzeichneten.

„Ein bisschen“, erwiderte sie beherrscht.

Der Fremde stellte den Motor ab, öffnete die Fahrertür und stieg aus dem dunklen Wagen. Er reichte Beth eine schwere Jacke. „Hier, ziehen Sie das über!“

Aus Harveys Kehle drang ein leises Knurren, und Beth nahm sich vor, ihn später mit einer Extraportion Biskuits zu belohnen. Soweit sie das im Dunkeln beurteilen konnte, war der Mann auffallend groß und kräftig, was ihr gar nicht behagte.

Völlig unerwartet ging er in die Hocke, brachte sein Gesicht auf eine Höhe mit dem scharfen Hundegebiss und sprach besänftigend auf Harvey ein: „Ruhig, alter Junge. Keiner will deinem Frauchen etwas zuleide tun.“

Das Knurren verstummte, Harvey leckte dem Mann mit seiner großen rosa Zunge die Hand und wedelte freudig mit dem Schwanz. Beth bezweifelte, dass er so fröhlich gewesen wäre, wenn er gewusst hätte, dass er sich soeben um seine Biskuits gebracht hatte.

„Netter Hund.“ Der Mann stand auf. „Geben Sie mir die Laterne und ziehen Sie die Jacke an.“

Was machte es für einen Sinn, ihm zu widersprechen? Wenn er sie überfallen wollte, konnte er sie genauso gut mit der Laterne niederschlagen. Mit Harveys Hilfe war ganz offensichtlich nicht zu rechnen. In die viel zu große, angenehm warme Jacke gehüllt, folgte Beth dem Fremden zum Haus.

„Das habe ich alles schon überprüft“, meinte sie gereizt, als der Mann die Tür und alle Fenster eingehend inspizierte. Ohne dabei auszurutschen, natürlich.

Statt ihre Bemerkung zu kommentieren, fragte er: „Was riecht hier eigentlich so streng?“

„Dünger, nehme ich an. Ich bin gestolpert.“

„Verstehe.“ Er verbarg nicht, wie sehr ihn diese Auskunft erheiterte.

Beth, die nicht vorhatte, noch länger in der Kälte herumzustehen und ihr Missgeschick zu diskutieren, fragte schroff: „Also, was ist? Können Sie mir helfen, ins Haus zu kommen?“

„Ich könnte, aber ich will nicht. Warum sollten wir hier etwas beschädigen, wenn Sie ebenso gut morgen früh den Makler anrufen können? Die Firma Turner ist für dieses Haus zuständig, oder?“

„Ja, aber …“

„Dann schlage ich vor, Sie übernachten bei mir, und alles Weitere regeln wir morgen. Oder haben Sie Essen aufgesetzt?“

Hatte der Kerl den Verstand verloren? Sie würde lieber zum Mond fliegen als bei ihm zu übernachten.

„Ich habe Feuer im Kamin gemacht. Das kann ich nicht unbeobachtet lassen.“

„Es steigt kaum noch Rauch auf, also sind die Flammen vermutlich schon niedergebrannt. Machen Sie sich deshalb keine Sorgen.“

War er etwa Experte in Sachen Kaminfeuer?

„Ich kann hier nicht weg, verstehen Sie das nicht?“, erwiderte sie ungehalten.

„Natürlich können Sie. Ich kenne John Turner persönlich. Gleich morgen früh rufe ich ihn an und erkläre ihm alles, dann sind Sie spätestens um zehn wieder im Haus. Ihm wäre es mit Sicherheit lieber, wenn nichts zu Bruch ginge.“

„Und warum rufen Sie ihn nicht jetzt gleich an?“

„Geht nicht. Am Freitagabend ist John beim Stammtisch, und nichts und niemand hält ihn davon ab.“

Lächerlich, dachte Beth. „Ich werde keinesfalls mit Ihnen fahren, Mr. …“

„Black. Travis Black. Und warum nicht, Miss …?“

„Ich heiße Beth Marton und pflege nicht bei wildfremden Männern zu übernachten“, erwiderte sie steif, ohne Harvey, der inzwischen fröhlich schwanzwedelnd neben Travis Black saß, eines Blickes zu würdigen. Verräter!

„Wir haben uns einander vorgestellt, also sind wir keine Fremden.“ Das klang gelassen und schon wieder amüsiert. „Und glauben Sie mir, ich bin keineswegs so ausgehungert nach weiblicher Gesellschaft, dass ich Ihre missliche Lage ausnutzen und über Sie herfallen würde. Es ist ein seriöses Angebot, und Sie schlafen allein. Schon wegen Ihres … eigenwilligen Dufts.“

Mistkerl, dachte Beth.

„Besten Dank, aber das kann ich nicht annehmen“, sagte sie würdevoll. „Harvey ist schließlich auch noch da.“

„Ich verlange nicht, dass Sie ihn hier anbinden und allein lassen. Er kommt natürlich mit.“ Damit wandte er sich ab, um zu gehen. „Die Entscheidung liegt bei Ihnen.“

„Wo wollen Sie hin?“ Beths Stimme klang eine Spur zu schrill. Wollte er sie etwa hier stehen lassen? So hartherzig konnte doch niemand sein …

„Ich fahre nach Hause.“ Er drehte sich nicht einmal zu ihr um. „Es ist spät, ich habe einen langen Tag hinter mir, und jetzt fängt es auch noch an zu regnen. Kommen Sie mit, oder bleiben Sie hier, ganz wie Sie wollen.“

Bis er im Auto saß, rührte Beth sich nicht von der Stelle. Erst als er den Motor anließ, gab sie klein bei. Nicht zuletzt, weil sich die anfangs spärlichen Tropfen schnell zu einem kräftigen Regen verdichteten.

Sie lief zur Straße, den Hund auf den Fersen, und klopfte ans Wagenfenster. Diesmal hielt Beth die Laterne so, dass sie den Mann nicht blendete, sie ihn aber sehen konnte. Ein interessantes Gesicht, stellte sie fest. Zu markant, um schön zu sein, zumal eine feine Narbe die eine Wange zeichnete, aber ein Gesicht, dem jede Frau einen zweiten Blick schenken würde. Sein Haar war pechschwarz, die Farbe seiner Augen konnte sie in dem Schummerlicht nicht ausmachen.

„Ich kann nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben“, gab sie kleinlaut zu. „Vielleicht kommt niemand mehr vorbei.“

„Worauf Sie wetten können“, versicherte er freundlich. „Mein Haus ist das einzige im Umkreis. Die Straße endet an meinem Gartentor.“

Nachdem er Harvey im hinteren Teil des Wagens untergebracht hatte, wo der Hund sich so selbstverständlich auf einer Decke niederließ, als hätte er nie etwas anderes getan, hielt der Mann Beth die Beifahrertür auf. Auch wenn er nichts sagte, hätte sie schwören können, dass er lächelte.

„Danke“, sagte sie widerwillig.

„Ist mir ein Vergnügen.“

Neben ihm im Wagen fühlte sie sich erst recht klein und verletzlich. „Ich hoffe, ich mache Ihren Sitz nicht schmutzig“, meinte sie besorgt.

„Das Leder ist abwaschbar“, erwiderte er unbekümmert. „Bei mir zu Hause können Sie duschen und etwas Frisches anziehen. Nur in Rosa habe ich leider nichts da.“

„Nicht Ihre Farbe?“, fragte Beth trocken.

„Passt nicht zu meinen Augen“, erwiderte er lächelnd.

„Aha.“ Immerhin bemühte er sich, sie aufzuheitern. „Es ist nett, dass Sie mich mitnehmen“, bedankte sie sich mit einiger Verspätung.

„Ja, so bin ich. Waisenkinder, Streuner, verlorene Schäfchen …“

„Schon klar.“ Beth versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie nahe seine scherzhaft gemeinte Bemerkung der Wahrheit kam. „Wenn Sie mein einziger Nachbar sind, kann ich mich wohl glücklich schätzen, dass Sie gerade vorbeigekommen sind.“

„Zumal ich nicht immer hier lebe. Ich wohne und arbeite in Bristol.“

„Ach, wirklich?“ Sie sah ihn von der Seite an. „Was machen Sie beruflich?“

„Industriedesign.“

Seine Antwort, so vage sie auch war, hatte so schroff geklungen, dass Beth nicht weiter fragte. „Dann haben Sie hier ein Ferienhaus?“

„Eine Art Unterschlupf, ja. Sind Sie berufstätig?“

„Ja, aber ich nehme gerade eine Auszeit. Ich bin Architektin.“

Die meisten Männer, die sie privat kennenlernte, reagierten mit ungläubigem Staunen auf diese Eröffnung, was Beth jedes Mal ärgerte. Offenbar trauten sie einer schlanken zartgliedrigen Frau mit honigblondem Haar und blauen Augen nicht zu, Baustellen zu besichtigen und mit Bauherren zu verhandeln.

Travis Black jedoch nickte nur. „Arbeiten Sie für eine Firma?“

„Ja. Man hält mir meine Stelle dort frei.“

Als er keine weiteren Fragen stellte, lehnte sich Beth, die bisher stocksteif dagesessen hatte, im Sitz zurück. Sie fuhren eine schmale Allee entlang, über ihnen ein Dach aus Ästen und Blättern. In dieser finsteren einsamen Landschaft spendeten die Scheinwerfer das einzige Licht.

Nach ein paar Minuten tauchte vor ihnen ein Tor aus der Dunkelheit auf, das Travis per Fernbedienung öffnete. Eine kiesbestreute Auffahrt führte zum Haus. Mit allem hatte Beth gerechnet, nur nicht mit dieser herrschaftlichen, mitten in einem parkähnlichen Garten gelegenen Villa. Sie musterte Travis erstaunt von der Seite, doch er blickte ungerührt nach vorn. Das Anwesen entsprach bestimmt nicht dem, was man für gewöhnlich mit einem „Unterschlupf“ verband, aber Beth wurde allmählich klar, dass Travis Black kein gewöhnlicher Mann war.

Als sie den hufeisenförmigen Vorplatz der Villa erreichten, befiel sie eine gewisse Befangenheit. Selbst in perfekter Kleidung und frisch frisiert wäre ihr das so ergangen. Dass Travis Black ihr so galant die Tür öffnete, als hätten sie ein Rendezvous, machte die Sache nicht besser. Beth spürte seine warme Hand an ihrem Ellbogen und versuchte, so anmutig wie möglich aus dem Wagen zu steigen. Die Außenbeleuchtung schaltete sich automatisch ein, was ihr endlich Gelegenheit gab, den Mann genauer zu betrachten. Sofort war sie wie elektrisiert. Grau, dachte sie verwirrt. Seine Augen sind grau.

„Ihr Hund …“

„Wie bitte?“

„Ihr Hund“, wiederholte er geduldig, und da erst drang das ärgerliche Gebell aus dem Inneren des Wagens auch zu Beths Ohren durch. „Bitte beruhigen Sie ihn. Ich möchte, dass er freundlich zu meinen Hunden ist.“

„Harvey ist immer freundlich“, betonte sie, nachdem sich ihre Verwirrung über seine schönen grauen Augen gelegt hatte. Zu spät fiel ihr ein, dass Harveys Ruf als Wachhund nun endgültig ruiniert war.

„Gut. Sheba und Sky nicht.“ Als Travis die Haustür aufschloss, stürmten zwei Ungeheuer, die wie Grizzlybären aussahen, auf den schwanzwedelnden Harvey zu, doch nach der ersten Schrecksekunde stellte Beth erleichtert fest, dass sich die drei Hunde freundlich beschnupperten.

„Reizende Tiere“, meinte sie halbherzig, ohne die beiden Riesen aus den Augen zu lassen – für den Fall, dass sie doch noch Appetit auf den armen Harvey bekamen. „Welche Rasse?“

„Ich weiß nur, dass es Hündinnen sind.“ Travis schnalzte mit den Fingern, woraufhin beide Tiere angesaust kamen und sich rechts und links von ihm niederließen. „Ein Freund von mir hat sie als Welpen in einem Karton am Straßenrand gefunden. Die Tierärztin bezeichnet sie als Promenadenmischung, aber wen interessiert das schon?“

Er bat Beth ins Haus. Eine breite geschwungene Eichentreppe führte in den galerieförmig angelegten ersten Stock. Moderne Kunstwerke bildeten Farbtupfer an den hell getünchten Wänden, und nur ein kleiner Eichentisch mit zwei Polsterstühlen unterbrach die klare Linie der geräumigen Eingangshalle.

„Sie möchten sicher duschen, während ich die Hunde füttere. Hat Harvey schon etwas bekommen?“, fragte Travis auf dem Weg zur Treppe, an deren unterster Stufe seine Hunde gehorsam haltmachten.

Beth verneinte, ließ Harvey bei den beiden Hundedamen zurück und folgte ihrem Gastgeber die Treppe hinauf zu einem der Schlafzimmer.

„Im Schrank finden Sie T-Shirts, Jogginghosen und einen Bademantel. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause! Wir treffen uns dann später unten in der Küche. Mögen Sie Spaghetti Bolognese?“

„Wie bitte? Oh, natürlich, vielen Dank.“ Verlegen betrat Beth das Gästezimmer mit dem dicken cremefarbenen Teppich, und Travis zog die Tür hinter ihr zu. Der in zarten Beige- und Brauntönen gehaltene Raum war genauso schön wie der Rest des Hauses.

Beim Blick in den großen Wandspiegel im Badezimmer stöhnte sie gequält auf. Nicht nur ihr Pyjama und ihre Pantoletten starrten vor Dreck, auch über ihre Wange zog sich eine Schmutzspur. Stirn und Nase glänzten, das feuchte Haar hatte sich in eine wild zerzauste Mähne verwandelt. Sie sah einfach grauenhaft aus.

Zehn Minuten später, geduscht, eingecremt und mit gewaschenen Haaren, fühlte Beth sich schon viel wohler in ihrer Haut. Sie föhnte ihren schulterlangen, seidig glänzenden Bob und fragte sich flüchtig, ob die säuberlich gefalteten Jogginghosen und T-Shirts im Schrank wohl Travis’ Freundin gehörten.

Dann war es Zeit, ihrem Gastgeber gegenüberzutreten. Obwohl sie sich albern vorkam, spürte Beth ein nervöses Flattern im Magen, als sie auf nackten Füßen die Treppe hinunterlief, um die Küche zu suchen. Einen großen Raum mit Steinfliesen und hellen Holzmöbeln im hinteren Teil des Hauses. Travis, in schwarzem Baumwollhemd und schwarzer Jeans, stand am Herd und rührte bedächtig in einem Topf. Die drei Hunde lagen friedlich zu seinen Füßen.

„Setzen Sie sich und schenken Sie sich ein Glas Wein ein“, meinte er. Harvey wedelte bei ihrem Anblick nur freundlich mit dem Schwanz, ohne sich von seinem Platz zu erheben. Der kurze eindringliche Blick, den Travis ihr zuwarf, genügte, um Beths Knie zittern zu lassen. Schnell nahm sie an dem rustikalen Holztisch Platz und griff nach der Weinflasche.

Der schwere rote Wein mit dem Aroma schwarzer Johannisbeeren erwies sich als gutes Beruhigungsmittel für ihre Nerven. Nach einigen Schlucken fühlte sie sich stark genug, um ihrem Gastgeber Hilfe anzubieten.

„Danke, ich bin schon fertig.“ Er stellte zwei Teller Spaghetti Bolognese und eine Schüssel mit geriebenem Parmesan auf den Tisch. „Gewaschen sehen Sie richtig hübsch aus“, sagte er, als er sich zu ihr setzte. „Mehr als hübsch.“

„Danke.“ Zu ihrem Ärger merkte Beth, wie eine gar nicht hübsche Röte ihre Wangen überzog. Nicht, dass sie sonst keine Komplimente von Männern bekäme, aber dieser Mann brachte sie völlig durcheinander. Und das konnte sie momentan überhaupt nicht gebrauchen.

„Vielen Dank, dass Sie Harvey und mich durchfüttern. Es war nicht meine Absicht, Ihnen Umstände zu machen.“

Scheinbar unbeteiligt, musterte er sie aus seinen klaren grauen Augen. Im hellen Lampenlicht traten die kantigen Gesichtszüge und die Narbe auf seiner Wange deutlich hervor, was ihn nur noch interessanter machte. Er hatte eine schmale gerade Nase, markante Augenbrauen und lange Wimpern, so schwarz wie sein Haar. Und einen unglaublich aufregenden Mund. Beth gab es zwar ungern zu, aber Travis Black besaß einen Sex-Appeal, der ihren Körper zum Kribbeln brachte.

„Wir sind doch Nachbarn, zumindest vorübergehend“, erwiderte er nach kurzem Schweigen. „Wenn meine Schwester in Not wäre, würde ich mir auch wünschen, dass ihr jemand hilft.“

Es beruhigte sie, dass er eine Schwester hatte. Obwohl vermutlich auch Axtmörder und andere Übeltäter mit Schwestern gesegnet waren.

„Wie alt ist sie?“, fragte sie interessiert.

„Sandra? Sie ist letzte Woche dreißig geworden, und wie ich sie kenne, feiert sie immer noch. Sie ist – milde ausgedrückt – eine Partygängerin.“

„Und das missfällt Ihnen“, folgerte Beth aus der Art, wie er es sagte.

Er zuckte mit den breiten Schultern und drehte gekonnt eine Portion Spaghetti auf die Gabel. „Sie ist eine erwachsene Frau und führt ihr eigenes Leben.“

Was ihre Frage nicht beantwortete, aber Beth hakte nicht weiter nach, sondern kostete stattdessen die Spaghetti, die ausgezeichnet schmeckten. Kochen gehörte nicht gerade zu ihren Lieblingsbeschäftigungen, und ihre eigenen Gerichte waren in der Regel zerkocht, halb gar oder schlichtweg ungenießbar. Offenbar gehörte Travis Black zu den Männern, denen alles glückte. Genau wie Keith.

Erschrocken verbannte sie die Erinnerung in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses.

Autor

Helen Brooks

Bereits seit über 20 Jahren veröffentlicht die britische Autorin unter dem Pseudonym Helen Brooks Liebesromane, unter ihrem richtigen Namen Rita Bradshaw schreibt sie seit 1998 historische Romane. Weit über 40 Bücher sowie einige andere Werke sind bisher unter dem Namen Helen Brooks erschienen, von Rita Bradshaw gibt es 14 Romane....

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