Süße Spionin

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Entrüstet beobachtet der attraktive Anwalt Dallas Williams, wie Shelby seinen Aktenkoffer aufbrechen will. Er vermutet, dass die neue Empfangsdame der Kanzlei für die gegnerische Seite spioniert, und besteht darauf, sie ein langes, heißes Wochenende in Gewahrsam zu nehmen ...


  • Erscheinungstag 08.04.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522243
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als der Cop mit gezogener Waffe durch die Tür von Gerrys Game-O-Rama Videoarkade stürmte, hätte Shelby Jacobs wissen müssen, dass ihr Tag gelaufen war.

Sekunden später schnellte sein Partner durch die Tür. Shelby trat verwirrt von der Kasse zurück und bereitete sich instinktiv darauf vor, sich vor einem drohenden Kugelhagel zu Boden zu werfen.

Sie hatte gewusst, dass die Black Street nicht in der besten Gegend von Chicago lag, als sie diesen Job vergangene Woche angenommen hatte. Aber es war der erste Job gewesen, der ihr angeboten worden war. Der Shop lag in der Nähe der El Station und befand sich nur fünfzehn Minuten entfernt von dem Appartement ihrer Freundin Allison.

Und wie hieß es so schön: Bettler konnten nicht wählerisch sein.

„Keine Bewegung!“, schrie der erste Cop mit dem Mopsgesicht zwischen den Videoregalen und hielt die Waffe abwechselnd bedrohlich nach links und nach rechts, um alle im Blick zu haben. Dabei stieß er mit dem Halfter gegen eine halb leere Tüte Popcorn, deren Inhalt sich auf den schwarzen Fußboden ergoss.

Cop Nummer zwei hielt mit der Waffe im Anschlag ein Dutzend Teenager in Schach. Die Streetkids vor den Videospielen standen wie erstarrt da.

Shelby konnte sich nicht vorstellen, dass Verbrecher zwischen Raubzügen ausgerechnet hier eine Runde Midnight Run spielen würden. Aber was wusste sie schon davon? Bankräuber mussten ja auch den Rest des Tages hinter sich bringen.

Mit arrogant erhobenem Kinn kam der gedrungene Cop mit dem Mopsgesicht auf sie zu. Ihre Hand schloss sich reflexartig um eine Handvoll Spielmünzen, und ihr Magen krampfte sich derart zusammen, dass er sich wie eine Walnuss anfühlte.

Er beugte sich vor und schaute sie aus zu Schlitzen zusammengekniffenen dunkelbraunen Augen an. „Wir suchen Gerry Bonnaducci.“

Diese Erklärung kam unerwartet. „Sie suchen Gerry?“

„Wo ist er?“

„Was hat er getan?“ Gerry war heute seit zehn Uhr morgens hier gewesen, das hätte sie schwören können.

„Legen Sie die Hände auf den Tresen“, knurrte das Mopsgesicht und richtete die Waffe auf sie.

Der Anblick der Mündung seiner 38er reichte, um Shelby zu veranlassen, Gerrys Aufenthaltsort zu verraten. Loyalität im Job hatte auch eine Grenze.

„Er ist hinten“, erwiderte sie.

„Legen Sie die Hände auf den Tresen, damit ich sie sehen kann.“

„Aber …“

„Sofort!“

Shelby legte die Handflächen auf die schäbige graue Oberfläche des Tresens.

Der Cop nickte seinem Kollegen zu, der zurücknickte und sie im Auge behielt.

Das Mopsgesicht schlich um den Tresen herum auf das Büro zu, wo Gerry gerade Münzen in eine Geldzählmaschine schüttete. Man konnte das Geräusch der Münzen durch die geschlossene Tür hindurch hören. Der Rhythmus der Münzen bildete einen Kontrapunkt zu der Rap-Musik und den synthetischen Stimmen, die den still stehenden Spielern geduldig Anweisungen erteilten.

Shelby fragte sich, ob sie ihnen die Spiele zurückerstatten sollte. Gerry war zwar ein Geizkragen, aber unter diesen Umständen verdienten sie sicher ein Freispiel.

Mopsgesicht stieß mit dem Fuß die Bürotür auf.

„Keine Bewegung!“, schrie er und baute sich breitbeinig mit der 38er in der Hand vor Gerry auf.

Gerry wirbelte auf seinem Stuhl herum. Er machte große Augen, die Zigarre fiel ihm aus dem Mund. Widerstandslos ließ er sich die Handschellen anlegen, und der Cop klärte ihn über seine Rechte auf. Kein Protest, keine Fragen. Es sah ganz so aus, als wenn er das nicht zum ersten Mal erlebte.

Großartig! Sie arbeitete also für einen Kriminellen! Zogen sie schlechte Bosse etwa wie ein Magnet an?

Letzte Woche hatte sie ihr treuloser Mistkerl von Freund in Minneapolis aus der Terra Suma Cocktail Lounge gefeuert. Sie hatte nicht nur ihren Job verloren, sondern auch ihr Zuhause und ihren Freund – und ihre ganzen Zukunftspläne.

Zumindest hatte sie mit Gerry nicht geschlafen.

Jetzt hatte sie schon wieder keinen Job. Und ob sie die Arbeit dieser Woche bezahlt bekommen würde, das stand in den Sternen.

Das war’s. Das nächste Mal würde sie sich einen richtigen Job suchen. Selbst wenn das bedeutete, abends zum College zu gehen. Selbst wenn das bedeutete, was Gott verhüten mochte, wieder zurück zu ihren Eltern zu ziehen.

Sie hätte niemals ihr Philosophiestudium im dritten Jahr aufgeben sollen. Wenn sie es genau bedachte, hätte sie niemals dieses Fach wählen sollen. Sie hätte Buchhaltung oder Business Management studieren oder Krankenschwester werden sollen. Irgendetwas mit Zukunft.

„Hände auf den Rücken, Madam.“

Shelby drehte sich um und sah Cop Nummer zwei auf sich zukommen.

„Aber …“

„Auf den Rücken, Madam.“ Er war größer und jünger als sein Kollege und hatte dunkles, welliges Haar und braune Augen. Er kam rasch auf sie zu.

„Warum?“ Sie hob das Kinn, um den Augenkontakt aufrechtzuerhalten.

„Sie stehen unter Arrest. Wegen des Verdachts des Verkaufs von illegaler Software und verbotenen Feuerwaffen.“

Shelby starrte fasziniert auf die Handschellen. „Feuerwaffen?“

„Hände auf den Rücken, Madam.“ Der Cop griff nach ihren Handgelenken und legte sie ihr geschickt auf den Rücken.

„Aber ich habe nichts getan!“

„Das können Sie alles dem Richter erzählen.“

„Dem Richter?“

„Gerry!“, rief sie panisch. „Sag ihnen, dass ich nichts damit zu tun habe!“

„Womit?“, fragte Gerry im Vorbeigehen, als Mopsgesicht ihn zur Tür führte. Er schüttelte angewidert den Kopf. „Das hier ist ein fauler Zauber.“

„Kollegen von uns durchsuchen gerade Ihr Lager“, meinte Mopsgesicht und scheuchte die zwölf Teenager aus dem Game-O-Rama.

„Aber, ich bin unschuldig.“ Das durfte einfach nicht wahr sein. Es war beinahe halb fünf. Allison wartete auf sie. Sie wollten am Abend ins Balley’s tanzen gehen.

Sie war heute Morgen extra früher aufgestanden, um ihr smaragdgrünes Kleid in die Reinigung zu bringen. Und die Reinigung schloss in einer halben Stunde.

„Ich auch!“, rief Gerry.

Der Cop legte eine Hand auf Shelbys Schulter und forderte sie auf mitzukommen.

„Brauchen Sie keine Beweise?“, wollte sie wissen und suchte in rasender Schnelle nach einem Ausweg aus dieser misslichen Lage. Sie war keine Kriminelle. Sie war Kassiererin, Serviererin. Sie besaß sicher nicht die beste Menschenkenntnis der Welt, ganz besonders, wenn es um Männer ging, aber das war wohl kaum ein Verbrechen.

Er sah grimmig aus. „Wir haben einige ziemlich eindeutige Anhaltspunkte.“

„Die mit mir zu tun haben?“

„Ja.“

„Das ist unmöglich.“

„Haben Sie gestern Nachmittag an der Kreuzung Michigan-Eighteenth mit dem Firmenwagen etwas abgeholt oder nicht?“

Shelby dachte angestrengt nach. „Ja. Kaffee.“

Der Cop verdrehte die Augen. „Zweihundert Pfund Ladekisten voller Kaffee?“

„Zwei große Becher Kaffee à 420 Milliliter.“

„Ich spreche von der Ware, die hinten eingeladen worden ist.“

„Was soll das heißen?“

„Ich rede von zwei Kisten voller Maschinengewehre. Sicher können Sie sich an dieses kleine Detail erinnern. Wir haben alles auf Video.“

Shelby fuhr zusammen. „Maschinengewehre?“

„Ja, Madam.“

Sie war insgesamt nur etwa drei Minuten im Coffee Shop gewesen. „Wie kann das angehen? Es war Kaffee. Ich habe Kaffee gekauft.“

Der Cop öffnete vor ihr die Tür. „Das ist Ihre Darstellung der Geschichte. Wollen Sie wirklich dabei bleiben?“

„Das ist die Wahrheit.“

„Soso“, sagte er gedehnt. „Die Maschinengewehre im Lager erzählen eine andere Geschichte.“

„Ich wusste nicht einmal, dass wir ein Lager haben. Ich habe noch nie im Leben ein Maschinengewehr gesehen. Außer im Fernsehen. Und das eine Mal auf dem Flughafen in Brasilien. Ich habe damit nichts zu tun.“

„Sie gelten als seine Komplizin.“

„Das ist ja Wahnsinn“, protestierte Shelby. Langsam wurde sie ärgerlich.

Aber als sie den Gehweg überquerten, ließ ihr Mut nach. Plötzlich wurde sie sich der Autofahrer und Fußgänger auf der geschäftigen Straße bewusst. Sie würde zwar keinen von ihnen wiedersehen, und sie war bestimmt nicht der erste Mensch, der auf der Black Street verhaftet worden war – trotzdem …

„Das können Sie alles dem Richter erzählen“, wiederholte der Cop.

Hoffnung keimte in Shelby auf. „Meinen Sie gleich? Heute Abend?“ Der Richter musste ihr einfach glauben, dass sie unschuldig war. Vielleicht würde er sie freilassen, bevor Allison sich Sorgen machte.

„Könnten wir kurz bei der Reinigung anhalten?“, fragte sie.

„Nein.“

„Aber, mein Kleid …“ Sie bemerkte den Ausdruck in seinen Augen und schwieg.

„Sie werden dort, wo Sie hingehen, kein Kleid brauchen.“

Shelby schluckte, mied seinen Blick und fragte optimistisch: „Sie meinen die Polizeistation, nicht wahr?“

„Ich meine das Gefängnis!“

„Sie wollen mich ins Gefängnis sperren?“

„Das ist das übliche Verfahren.“

„Aber ich habe doch gar nichts getan.“

Der Cop öffnete die Hintertür des Wagens. „Das sagen alle.“

„Habe ich nicht das Recht auf einen Anruf?“ Allisons frischgebackener Verlobter war Anwalt. Vielleicht konnte er ihr helfen.

„Noch nicht. Achten Sie auf Ihren Kopf.“

Shelby starrte auf den düsteren, stinkenden Rücksitz. Eine klaustrophobische Anwandlung ergriff sie. Sie bekämpfte den Impuls, den Cop ins Schienbein zu treten und die Flucht zu ergreifen.

Sie würde heute Abend ins Balley’s gehen – einen trinken und mit Allison über untreue, lausige Freunde und ihre schrecklichen blonden Bettgespielinnen lachen. Sie würde keinen Striptease machen, Haferschleim essen und in einer Zelle auf einer verfilzten Gefängnismatratze nächtigen.

Aber der Cop war weitaus größer und stärker als sie.

„Das hier ist ein Missverständnis“, flüsterte sie.

„Dann haben Sie ja nichts zu befürchten.“ Er schlug die grifflose Tür zu und ging nach vorne.

Shelby wäre gern der gleichen Meinung gewesen wie der nette Polizist, aber es gab viel, worüber sie sich Sorgen machen musste. Die Cops glaubten nicht, dass sie unschuldig war. Gerry würde ihr nicht helfen. Und sie hatten eine Videoaufnahme.

Sie lehnte den Kopf gegen den harten Sitz und schloss niedergeschlagen die Augen. Illegaler Waffenhandel würde sich noch schlechter als Philosophie in ihrem Lebenslauf machen.

Ehre und Prinzipien machten dem Anwalt Dallas Williams schon genug zu schaffen. Und der Gedanke daran, mehr als zehn Minuten im Gefängnis an der Haines Street zu verbringen, verbesserte seine Laune nicht gerade. Dieses Gefängnis war einer der deprimierendsten Orte, die er sich vorstellen konnte. Grelle Oberlichter summten und flackerten an den grauen Decken. Gefangene schreien irgendwelches dummes Zeug in den ewig langen Flur hinein. Und durch die fleckigen, dunklen Walnusspaneele aus den Dreißigerjahren drang der Geruch von Schimmel und Moder.

„Ist der Bericht für Dallas Williams fertig?“, rief der diensthabende Sergeant am Tisch, als zwei Uniformierte einen Mann und eine Frau zu ihm brachten.

Dallas trat der Frau in Handschellen automatisch aus dem Weg. Er war hier, um Hintergrundinformationen von einem Zeugen in Zusammenhang mit einem Unterschlagungsfall zu bekommen.

„Zwei Minuten!“, rief der Sergeant Dallas zu. Dann deutete er auf die blauen Plastikstühle am anderen Ende des Flurs. „Wollen Sie Platz nehmen?“

Dallas schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“

Regel Nummer eins in der Haines Street war, sich von Einrichtungsgegenständen und Klientel fernzuhalten. Er wollte kein Kaugummi an seinem Armani-Anzug kleben haben. Und er hatte keinerlei Verlangen, mit den farbenfrohen südländischen Charakteren zu plaudern, die auf Freunde und Verwandte warteten, damit sie gegen Kaution freikamen.

Er spürte, dass die weibliche Gefangene ihn anstarrte und schaute zu ihr herunter. Ihre grünen Augen leuchteten überraschend hell.

„Sind Sie Dallas Williams?“, fragte die junge Frau.

Sie war ein Meter fünfundsechzig groß und hatte welliges, kastanienbraunes Haar, das knapp ihre Schultern berührte. Ihr Gesicht sah zu frisch aus, um eine Hure vom Lakeshore Drive zu sein, aber das schwarze, eng anliegende Top und der enge Minirock gaben ihm zu denken. Sie war gertenschlank und bestimmt nicht gefährlich genug, um Handschellen zu rechtfertigen.

„Von Turnball, Williams und Smith?“, fuhr sie fort, als er nicht antwortete.

„Ja“, bestätigte er vorsichtig.

Sie lächelte, legte den Kopf zur Seite und gab den Blick auf weiße Zähne frei, die ihre Eltern vermutlich ein Vermögen gekostet hatten. Sie wirkte überaus erleichtert, als wenn er gerade zugestimmt hätte, ihr Schutzengel zu sein. „Gott sei Dank. Ich wollte gerade versuchen, Greg anzurufen, aber so ist es noch viel besser.“

Der Sergeant schob ihm einen Umschlag zu. „Hier ist Ihr Bericht, Mr. Williams.“

„Danke.“ Dallas nahm den Polizeibericht und begann, an ihr vorbei zur Tür zu gehen. Er wollte nicht hören, was diese Frau auf dem Herzen hatte.

„Warten Sie!“, rief sie und versuchte, ihm zu folgen, bis der Cop sie am Ellbogen festhielt.

„Sie müssen mir helfen!“, schrie sie.

Dallas schüttelte den Kopf und hielt den Blick auf den Ausgang gerichtet. Schönes Gesicht oder nicht, er vertrat keine Huren, Junkies oder Kriminelle. Niemals.

„Bitte“, flehte sie laut.

Dallas blieb stehen, biss die Zähne zusammen, drehte sich um und schaute sie an. „Ich nehme dreihundert Dollar die Stunde.“

Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, die Farbe schien dabei heller zu werden. Minirock hin oder her, sie passte nicht hierher. „Wirklich?“

„Wirklich“, antwortete er. Nicht, dass ihr Aussehen ein Jota Unterschied machte. Das Haines Street Dezernat brachte keine unschuldigen Menschen hinter Gitter.

Das hatte es nicht nötig. Es gab viele Kriminelle, unter denen sie wählen konnten.

„Wie schnell könnten Sie mich hier herausholen? In fünfzehn Minuten?“

„Bei neuen Fällen habe ich ein Minimum von acht Stunden“, log er.

Sie fuhr zusammen. Diesmal sahen ihre Augen türkis aus.

„Das kann nicht legal sein“, meinte sie.

„Ich versichere Ihnen, das ist vollkommen legal. So etwas lernt man im Studium.“

„Nun, dann ist es definitiv nicht moralisch.“

„Wollen Sie mit mir etwa über Moral diskutieren? Sie sind eine Kriminelle, ich bin ein gesetztreuer Geschäftsmann.“

„Ich bin keine Kriminelle.“

Dallas konnte kaum glauben, dass er diese Unterhaltung führte. Noch weniger konnte er glauben, dass sie die Frechheit besaß, ihn herauszufordern. Konnte nicht glauben, dass sie hier in Handschellen stand und ohne jeden Grund smaragdfarbene Funken sprühte.

„Softwarepiraterie und illegaler Waffenhandel“, meinte der Cop zum Sergeant.

Dallas neigte den Kopf und zog die Brauen hoch. Ein Teil von ihm konnte kaum erwarten zu hören, was sie dazu zu sagen hatte.

„Ich war zur falschen Zeit im falschen Job.“

Der Cop neben ihr grinste und schüttelte den Kopf. Wie Dallas auch, kannte er jede nur mögliche Entschuldigung unter dem Himmel. Diese war noch nicht einmal besonders einfallsreich.

Die Frau warf dem Cop einen verärgerten Blick zu, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder Dallas zuwandte. „Ich bin unschuldig. Und ich bin Allison Kemplers Mitbewohnerin. Wenn Sie mir schon nicht helfen wollen, würden Sie bitte so freundlich sein, Greg wissen zu lassen, dass ich hier bin.“

Bei der Erwähnung von Allisons Namen stöhnte Dallas innerlich auf. Das ließ ihm keine Wahl mehr. Er konnte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Greg war verrückt nach seiner neuen Verlobten. Wenn er Allison verstimmte, würde das eine Menge Ärger machen.

„Greg Smith“, führte sie weiter aus. „Allisons Verlobter.“

„Name und Adresse“, sagte der Sergeant.

„Was werfen Sie ihr vor?“, fragte er den Cop und ging zurück zum Schalter.

„Ich werde Ihnen übrigens nicht zweitausendvierhundert Dollar zahlen“, verkündete sie.

„Wir werden später über die Rechnung reden“, erwiderte er.

„O nein! Das werden wir nicht. Sehe ich so dumm aus?“

„Nein.“ Verrückt, vielleicht. Aber bestimmt nicht dumm.

„Sie denken vielleicht, dass Sie mich genau da haben, wo Sie wollen …“

„Halten Sie den Mund.“

„Wie bitte?“

Dallas drehte sich um und starrte sie an. Es war unpassend, vor Polizisten über Honorare zu streiten.

„Wir werden uns auf eine beide Seiten zufriedenstellende Honorarhöhe einigen, wenn ich Sie hier rausbekommen habe“, entgegnete er.

Ihre Augen wurden schmal. Sie nickte, aber er konnte sehen, dass es ihr schwer fiel, ihre Gedanken für sich zu behalten.

Der Cop schlug ein schwarzes Notizbuch auf. „Es geht um dreihundert Raubkopien von Midnight Run, zwei Dutzend Uzis, zehn AK-47 und eine Panzerbüchse. Und wir haben einen weiteren Durchsuchungsbefehl für die Garage gegenüber.“

Shelby atmete schnell ein. „Ich habe das nicht getan.“

„Als Ihr Anwalt habe ich Ihnen gesagt, dass Sie Ihren Mund halten sollen.“

Aus ihren Augen stoben weitere Smaragdfunken.

Diesmal spürte Dallas das bis in die Fußspitzen.

Na großartig. Sexuelle Anziehung. Vielleicht wäre einer der Polizisten so gut, ihn jetzt zu erschießen?

„Name?“, wiederholte der Sergeant.

Shelby schwieg.

„Das können Sie beantworten“, meinte Dallas seufzend.

„Danke. Ich heiße Shelby Jacobs. Ich habe nichts von diesen Waffen gewusst. Ich arbeite dort erst seit einer Woche. Fragen Sie Allison …“

„Nur Ihren Namen“, ermahnte Dallas sie.

Sie starrte ihn wütend an.

„Gibt es etwas, dass Ms. Jacobs direkt mit der Angelegenheit in Zusammenhang bringt?“, fragte er.

„Wir haben ein Videoband, auf dem zu sehen ist, wie sie eine Ladung entgegennimmt.“ Der Cop machte eine Pause. „Sie gibt vor, dass sie dachte, es handele sich um Kaffee.“

„Ich …“

Dallas stieß Shelby mit dem Fuß an.

„Haben Sie gesehen, dass sie etwas bezahlt hat?“, wollte er wissen.

Der Cop schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Hat sie die Ware berührt?“

„Nein.“

„Haben Sie Fingerabdrücke von ihr auf den Waffen gefunden oder auf den Kisten oder im Lager?“

„Bisher nicht.“

Der Sergeant schaltete sich ein. „Das hier ist kein Gerichtssaal. Ich bin Sergeant, kein Richter. Könnten wir vorankommen, bevor sich eine Schlange bildet?“

„Steht sie offiziell unter Arrest?“, erkundigte sich Dallas.

„Natürlich …“

„Denken Sie gut nach.“ Dallas starrte den Cop an. „Haben Sie sie verhaftet? Oder sie nur zum Verhör hergebracht? Haben Sie einen Haftbefehl? Haben Sie das Gesetz auf den Buchstaben genau befolgt?“

Der Cop schaute zum Sergeant hinüber. „Sarge?“

Dallas starrte den Sergeant mit einem Blick an, der besagte: Du willst dich doch nicht so kurz vor Schluss mit einem hochkarätigen Anwalt anlegen.

„Lass sie gehen“, meinte der Sergeant.

„Und was ist mit mir?“, stotterte der Mann neben ihr.

„Halt lieber den Mund. Deine Fingerabdrücke haben wir“, erwiderte der Sergeant.

Der Mann schluckte.

„Stellen Sie sicher, das Ihre Mandantin nicht die Stadt verlässt“, wies der Sergeant Dallas an.

„Kein Problem“, antwortete dieser.

Sobald Shelby keine Handschellen mehr trug, schob Dallas sie zur Tür. Es war besser, diesen Ort so schnell wie möglich zu verlassen. Dallas hatte nicht die Absicht, den Polizisten Zeit zu geben, sich es anders zu überlegen, und die nächsten vier Stunden in einem schäbigen Verhörzimmer zu verbringen.

Er hatte zu tun.

„Danke.“ Shelby war außer Atem, sie kämpfte darum, mit ihm Schritt zu halten.

Die Luft war relativ kühl an diesem Frühlingsabend. Dallas seufzte erleichtert auf.

Endlich. Er hatte seine Pflicht getan. Zwei Stunden im Büro, dann würde er auf dem Nachhauseweg bei Sebastian’s essen. Dann wäre alles in seinem Leben wieder in Ordnung.

Der feuchte Bürgersteig glänzte im Schein der Straßenlaternen. Menschenmengen strömten von der El Station auf die Straße. Zwei Männer mittleren Alters in Anzügen warfen Shelby auffordernde Blicke zu.

Dallas schaute sie zornig an.

„Haben Sie genug Geld, um mit dem Taxi nach Hause zu fahren?“, fragte er sie.

Sie rieb sich die Arme gegen die wachsende Kälte. „Natürlich – oh nein. Meine Tasche!“

Dallas starrte einen weiteren Passanten nieder. Dieser sah wie ein Bauarbeiter aus. Hatte diese Frau nichts Besseres zu tun, als im Minirock durch Chicagos Straßen zu wandern?

„Ich habe meine Tasche im Game-O-Rama vergessen“, sagte Shelby.

„Nehmen Sie sich ein Taxi und holen Sie sie.“

„Sie haben abgeschlossen. Ich habe keinen Schlüssel. Gerry hat den Schlüssel.“

Dallas legte den Kopf in den Nacken, starrte ein Straßenlicht an und schluckte ein paar Schimpfworte herunter. Warum passierte das ausgerechnet ihm?

Sein Vater mochte jede Frau südlich des Jackson Parks aufgenommen haben, solange sie ihm nur eine herzzerreißende Geschichte aufgetischt hatte, aber Dallas war ganz sicher nicht wie sein Vater. Er war nie so naiv gewesen.

Er hatte keine andere Wahl. Achselzuckend zog er sein Jackett aus und legte es Shelby um die Schultern. „Sprechen Sie mit niemandem, bis ich wieder zurück bin.“

Sie nickte und blickte sich unsicher auf der dunklen Straße um.

Die männlichen Fußgänger lauerten in den Schatten wie eine Horde Schakale. Dallas konnte förmlich spüren, wie der genetische Code seines Vaters in ihm ansprang. Er bändigte den dummen Wunsch, sie nah bei sich zu behalten.

Verdammt.

Er seufzte entnervt. „Ich besorge uns ein Taxi.“

2. KAPITEL

Dallas schlug die Tür hinter ihr zu, während Shelby sich schwor, sich niemals wieder über Taxis zu beklagen. In einem Taxi war es so viel schöner, als in einem Polizeiwagen – weiche Sitze, Griffe im Wageninneren, offene Fenster und kein ekelhafter Geruch nach Erbrochenem, Schweiß und Urin.

Sie schaute auf die Uhr und wünschte sich, dass sie an ihre Tasche gedacht hätte.

Die gegenüberliegende Tür öffnete sich. Dallas setzte sich neben sie. Er war ein Meter fünfundachtzig groß, hatte graue Augen und kurzes, dunkles Haar. Seine angespannten Kiefer verrieten, dass er lieber alles andere gemacht hätte, als sie nach Hause zu begleiten. Hatte sie ihm gedankt? Sollte sie ihm danken? Seine Hilfe würde ja nicht gerade billig sein. Dabei hatte sie schon geplant, ihre mageren Ersparnisse anzugreifen, um am Monatsende die Hälfte von Allisons Miete zahlen zu können.

Sie seufzte. „Wie viel schulde ich Ihnen?“

„Vergessen Sie es“, erwiderte Dallas und schlug die Tür zu.

„Das war zehn Minuten Arbeit. Also, mindestens fünfzig Dollar.“

„Wo wohnen Sie?“, fragte er.

Shelby sah wieder auf die Uhr. Viertel nach fünf. Allison würde jetzt schon im Balley’s sein, und ihr Schlüssel befand sich in der Tasche. Schade, dass die Reinigung um fünf Uhr schloss. Oder schloss sie erst um halb sechs?

Sie beugte sich vor und sprach mit dem Fahrer. „Könnten Sie mich zur Kreuzung Black und Wheeler bringen?“

„Allison wohnt in der Rupert Street“, sagte Dallas.

„Da ist meine Reinigung“, erklärte sie dem Fahrer. „Ich muss etwas abholen.“

Dallas lehnte sich zurück. „Sie wollen etwas von der Reinigung abholen?“

„Ich hoffe, dass es noch klappt.“

Das Taxi fuhr los.

„Verstehe ich das richtig?“, meinte Dallas. „Sie sind beinahe verhaftet worden und knapp dem Gefängnis entkommen. Sie haben keine Tasche und kein Geld. Sie haben wahrscheinlich Ihren Job verloren – und das Erste, woran Sie denken, ist, dass Sie etwas von der Reinigung abholen müssen.“

Shelby blinzelte ihn an. „Ja.“ Sie hatte ihre Kreditkartennummer im Kopf. Das würde hoffentlich reichen, um das Kleid auszulösen. „Ich bin mit Allison im Balley’s verabredet. Ich kann dort so nicht hingehen.“

„Korrekt.“

„Macht es Ihnen etwas aus zu warten?“, fragte sie. „Ich könnte von der Reinigung zum Balley’s laufen, aber es sind beinahe anderthalb Kilometer.“

„Natürlich werde ich warten.“

Shelby lächelte. „Danke.“

„Sie sind die Mitbewohnerin von Gregs Verlobter?“

Sie grinste. „Ja, wir sind gute Freundinnen.“

„Wir sind da“, sagte der Fahrer.

Shelby schaute aus dem Fenster. Das Licht war schon aus. Aber jemand schloss gerade die Tür der Reinigung ab. Wenn sie sich beeilte …

Sie löste den Gurt und stieß die Tür auf, bevor der Fahrer angehalten hatte.

„Meine Güte!“, rief Dallas und wollte sie festhalten.

Aber sie war so schnell, dass er sie nicht mehr zu fassen bekam.

Shelby rannte zwischen zwei parkenden Autos auf die kleine grauhaarige Frau zu.

„Wir haben geschlossen“, verkündete die ältere Frau und rückte den Plastikregenhut auf ihrem Kopf gerade. Dann drehte sie sich um und ging los.

„Ich brauche mein Kleid“, flehte Shelby und folgte ihr.

Die Frau lief schneller. „Kommen Sie morgen wieder.“

„Aber …“

„Wir haben geschlossen.“

Shelby ergriff den Arm der Frau.

Die Frau wirbelte herum. „Muss ich erst die Polizei holen?“

Hinter Shelby erklang Dallas tiefe Stimme. „Sie würden mir damit einen persönlichen Gefallen erweisen.“

Die Frau blickte auf und wurde ruhig.

Dallas reichte der Frau einen zusammengefalteten Geldschein. „Wenn es Ihnen nichts ausmachen würde?“

Die Frau nahm das Geld. „Warum nicht?“

Der Schlüssel drehte sich im Schloss. Die Frau fragte Shelby nach dem Beleg.

„Ich habe meine Tasche verloren“, gestand Shelby.

Die Frau guckte sie entnervt an. „Sie bekommen nichts ohne den Beleg.“

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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