Süßer Zauber Sandrine

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Wütend verlässt die schöne Sandrine die gemeinsame Wohnung. Was fällt Michel nur ein, von ihr zu verlangen, dass sie ihre Filmkarriere aufgeben soll, nur weil sie mit ihm verheiratet ist! Ein paar Wochen Trennung muss ihre Ehe schon vertragen können. Also fliegt sie ohne ihn nach Australien und steht einige Wochen später nicht nur ohne Mann, sondern auch noch ohne Job da: Das Budget ist geplatzt, der Film scheint verloren! Da erscheint völlig überraschend Michel. Er will Sandrine zurückerobern, denn ohne sie gibt es nun mal keine Liebe in seinem Leben. Also erklärt er sich bereit, den Film zu Ende zu finanzieren. Wenn Sandrine dafür zu ihm kommt, in seine Arme, in sein Bett ...


  • Erscheinungstag 02.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745936
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Schnitt“, rief der Regisseur. „Das war’s.“

Die schönsten Worte des ganzen Tages dachte Sandrine, während sie die schwere, kunstvoll gearbeitete Perücke abnahm. Ein historisches Kostüm war nicht gerade das bequemste Kleidungsstück, und lästig war auch das mit Fischbeinstäbchen versehene, eng geschnürte Korsett, mit dem sie einen Taillenumfang von fünfundvierzig Zentimetern erreichte und durch das ihre Brüste unmöglich hochgeschoben und fast unsittlich entblößt wurden.

Wenn man die Hitze der Studioscheinwerfer dazurechnete, die übersteigerte Selbstgefälligkeit und den Größenwahn des Hauptdarstellers und den höllischen Regisseur, war der Grundsatz „Für seine Kunst muss man leiden“ noch nie so passend gewesen.

„Auf ein Wort, Schatz.“

Sandrine erstarrte. Aus Tonys Mund war „Schatz“ kein Kosename. Langsam drehte sie sich um und sah den alternden Regisseur an, dessen Talent legendär war, dessen Manieren jedoch gelegentlich eher in eine Seitenstraße in Neapel gehörten.

„Heute Abend zum Essen bei mir. Um sieben.“ Er blickte Sandrine durchdringend an. „Sei da.“ Er machte eine Handbewegung, die fünf ihrer Kollegen umfasste. „Ihr auch. Alle.“

Sandrine unterdrückte ein Stöhnen. Sie wollte nur noch das Kostüm loswerden, duschen, ihre eigenen Sachen anziehen, zu der Villa am Wasser fahren, die bis zum Ende der Dreharbeiten ihr Zuhause war, eine Kleinigkeit essen und ihren Text für den nächsten Tag durchlesen.

„Dürfen wir uns nach dem Grund erkundigen?“, fragte der Hauptdarsteller gereizt.

„Geld. Der Film braucht es. Mein Gast hat es“, erwiderte der Regisseur kurz angebunden. „Er hat darum gebeten, die Besetzung kennenzulernen, und wenn uns die Erfüllung seines Wunsches eine unbedingt erforderliche Finanzspritze sichert, dann machen wir das so.“

„Heute Abend?“, wiederholte Sandrine und wurde mit einem finsteren Blick bestraft.

„Hast du ein Problem damit?“

Ja. Aber das zu sagen würde überhaupt nichts nützen. Sie zuckte resigniert die Schultern. „Ich denke nicht.“

Er sah die anderen Mitwirkenden scharf an. „Noch jemand?“

„Du hättest uns früher Bescheid geben können“, beschwerte sich der Hauptdarsteller, was ihm einen derben Fluch einbrachte.

„Schwierig, wenn der Mann erst gestern in Australien angekommen ist.“

„Okay, okay, ich verstehe.“

„Freut mich, das zu hören. Weiter“, befahl Tony.

Sandrine seufzte erleichtert. Eine Viertelstunde später war sie in der Garderobe fertig, ging zum Parkplatz und stieg in ihren Leihwagen. Sie trug Shorts und ein Top und hatte sich das lange schwarze Haar nachlässig hochgesteckt. Sobald der Motor ansprang, schaltete sie die Klimaanlage ein. Es dauerte nicht lange, bis sie den Highway Richtung Süden erreichte. Sie hatte eine zweistöckige Villa mit Blick aufs Wasser in Sanctuary Cove gemietet, einem renommierten Vorort an der Gold Coast von Queensland, mit dem Auto nur zehn Minuten von den Filmstudios in Coomera entfernt. Als sie die Ausfahrt nach Sanctuary Cove nahm, stellte sie den CD-Player an und versuchte, sich bei Popmusik zu entspannen.

Ein von Bäumen gesäumter Fluss schlängelte sich zu einem Kanalsystem, einer Reihe von schönen Häusern und einem beliebten Golfplatz. Eine Ansicht, die Frieden und Heiterkeit ausstrahlte, wie Sandrine einräumte, während sie nach Sanctuary Cove abbog und kurz darauf durch das Sicherheitstor an der Zufahrt zu einer von mehreren Wohngegenden des Ortes fuhr. Eine sanft geschwungene Straße führte zu der Gruppe von Villen, die direkt am Wasser standen. Sandrine wohnte in einer hellblau angestrichenen mit weißen Fensterrahmen und einem gekiesten Garten, der mit großen Blumenkübeln geschmückt war. Sie benutzte die Fernbedienung, um das Garagentor zu öffnen, stellte das Auto ab und ging ins Haus.

Kühle Marmorböden waren mit elegant lackierten Möbeln und weichen Ledersofas und – sesseln kombiniert worden, und die Küche mit einer Fülle von modernen Geräten war eine Freude für jeden Schlemmer. An einer Seite der Eingangshalle führte eine breite, geschwungene Treppe in das obere Stockwerk, wo sich drei große Schlafzimmer befanden, die alle ein angrenzendes Bad hatten. Schiebeglastüren führten aus dem Wohn- und Esszimmer auf eine gepflasterte Terrasse, an die sich ein Swimmingpool anschloss. Zum Grundstück gehörte auch ein kleiner Bootssteg.

Sandrine zog einen Bikini an und schwamm einige Bahnen. Sie brauchte die Bewegung und das kühle Wasser, um die hartnäckige Anspannung loszuwerden. Danach duschte sie und trocknete sich die Haare mit dem Föhn, bevor sie den großen begehbaren Kleiderschrank öffnete und ihre beschränkte Garderobe durchsah. An ein gesellschaftliches Leben hatte sie nicht gedacht, als sie für den Aufenthalt in Australien hastig eine Reisetasche gepackt hatte. Die meisten ihrer Sachen waren zwischen drei luxuriösen Wohnungen in Paris, New York und Sydney aufgeteilt.

Denk nicht einmal an diese Wohnungen oder den Mann, mit dem du in ihnen gelebt hast, befahl sie sich, während sie ein schwarzes Designerkleid aufs Bett warf und dann schwarze Pumps mit Stilettoabsätzen und eine schwarze Abendtasche aus dem Schrank nahm. Trotzdem sah sie ihn im Geiste vor sich. Es war, als würde sein Blick ihre Seele durchdringen, und Sandrine erschauerte bei der Erinnerung an seine Küsse.

Michel Lanier. Mitte dreißig, zehn Jahre älter als sie. Erfolgreicher Unternehmer, Förderer der schönen Künste, dunkles Haar, schiefergraue Augen, sinnlicher Mund, die Gesichtszüge eines Renaissancefürsten und die Mentalität eines Straßenkämpfers. In Paris geboren, Studium in Frankreich und Amerika.

Ehemann, Liebhaber. Ein Mann, der ihr Herz im Sturm erobert und sie zu seiner Frau gemacht hatte. Sie hatten sich auf der Party eines gemeinsamen Freundes in New York kennengelernt. Sandrine hatte während einer saisonbedingten Pause als Model gearbeitet und sollte in der folgenden Woche nach Sydney zurückkehren, wo die Dreharbeiten an einer schon lange laufenden australischen Fernsehserie weitergingen.

Sandrine flog zusammen mit Michel nach Sydney, stellte ihn ihrer Familie vor, gab ihre Verlobung bekannt und veranlasste die Drehbuchautoren, ihre Rolle in der Serie umzuschreiben. Sobald die Folgen abgedreht waren, in der die Figur, die sie spielte, einen Unfall hatte und starb, begleitete sie Michel zurück nach New York. Zwei Monate später heirateten sie im engsten Familienkreis und pendelten danach zwischen New York und Paris. Michel kaufte eine luxuriöse Wohnung in Sydneys prestigeträchtigem Viertel Double Bay mit herrlicher Aussicht auf den Hafen. Unser australischer Stützpunkt, erklärte er ihr.

Sechs Monate lang war alles perfekt. Die Probleme fingen vor drei Monaten an. Michel und Sandrine verbrachten zwei Wochen in Sydney, und ein Freund gab ihr ein Drehbuch. Die Story war gut, und Sandrine konnte sich sofort mit der noch zu besetzenden Nebenfigur identifizieren. Sie sah sich im Geiste diese Rolle spielen und wurde die Vorstellung nicht wieder los.

Die Dreharbeiten überschnitten sich mit Michels Terminen in Europa, und Sandrine sagte sich, er würde keinesfalls damit einverstanden sein, dass sie vier Wochen ohne ihn in Australien verbrachte. Aus einer Laune heraus sprach sie trotzdem vor. Ihr war klar, dass ihre Chance gleich null war, die Rolle zu bekommen, und sie dachte kaum noch daran, als Michel und sie einige Tage später nach New York zurückflogen.

Völlig unerwartet rief ihr Agent an und teilte ihr mit, sie habe die Rolle bekommen. Die Dreharbeiten würden in einem Monat in den Filmstudios in Coomera beginnen. Begeistert und beklommen zugleich unterschrieb Sandrine den Vertrag und schob es immer wieder hinaus, Michel davon zu erzählen, denn sie war sich nur allzu bewusst, wie er reagieren würde. Je mehr Zeit verging, desto schwieriger wurde es, die Sache anzusprechen. Schließlich waren nur noch wenige Tage übrig. Hundertmal probte sie in Gedanken, was sie sagen wollte, doch dann klang nichts richtig, und aus dem Gespräch wurde ein so gewaltiger Krach, dass sie in den frühen Morgenstunden einige Kleidungsstücke in eine Reisetasche warf und in ein Hotel zog, bis ihr Flug nach Brisbane ging.

Vier Wochen sind nicht die Welt, hatte sich Sandrine beruhigt, aber mit jedem Tag hatten Michel und sie sich mehr voneinander entfernt, bis die Distanz zwischen ihnen so groß geworden war, dass sie zu fürchten begonnen hatte, sie würde sich vielleicht nie wieder überbrücken lassen.

Noch schlimmer, was hatte schief gehen können, war schief gegangen, und aus vier Wochen Dreharbeiten waren sechs geworden. In der siebten Woche brach das Budget zusammen. Die subtropische Hochsommerhitze war mörderisch, die Professionalität der Mitwirkenden wurde auf eine harte Probe gestellt, und Wutanfälle häuften sich.

Sandrine zog schwarze Dessous und eine hauchdünne schwarze Strumpfhose an, schminkte sich, steckte sich das Haar hoch, schob die Füße in die eleganten Pumps, nahm ihre Handtasche und ging nach unten.

Die hohe Tagestemperatur war um ein oder zwei Grad gesunken, und ein leichter Seewind machte die Wärme erträglich. Sandrine überquerte den gepflasterten Vorplatz des Apartmenthauses in Main Beach, betrat die Eingangshalle und fuhr mit dem Lift hoch zu Tonys Wohnung. Minuten später stand sie zusammen mit mehreren ihrer Kollegen auf dem breiten Balkon mit Blick auf den Ozean. Ein tragbarer Grill war aufgestellt worden, und der Küchenchef eines Partyservice legte Fisch, Garnelen und Kebabs auf den Rost.

Sandrine nahm ein Glas Wein an und trank ihn langsam, während sie den Blick über die Gäste gleiten ließ. Alle waren da, nur der Ehrengast fehlte noch.

„Lächle, Darling. Gleich ist ‚Showtime‘, und von uns wird verlangt, dass wir glänzen“, flüsterte ihr ein Mann ins Ohr.

Sie drehte sich um und blickte den Hauptdarsteller an, der seinen richtigen Namen in Gregor Anders umgeändert hatte. Er sah gut aus, wenn man den ruppigen, leichtlebigen Typ Mann mochte, und er nahm sein vom Studio erschaffenes Image viel zu ernst. Während seiner Karriere hatte er sich so viele Persönlichkeitsschichten angeeignet, dass es fast unmöglich war, festzustellen, was für ein Mensch er wirklich war. „Gregor“, begrüßte ihn Sandrine kühl. „Ich bin sicher, du wirst für uns beide glänzen.“ Es war einfach, sein Können als Schauspieler zu bewundern. Nicht so einfach war es, ihm die hintergründigen Spiele zu verzeihen, die er zu seinem Vergnügen spielte. Aber sein Name war eine Zugnummer. Die Frauen liebten sein Aussehen, seinen Körper, seinen Sex-Appeal.

„Na, na, Darling“, schimpfte er lächelnd. „Wir beide sollen doch eine Beziehung haben, n’est-ce pas?“ Er zog spöttisch die Augenbrauen hoch.

„Im Film, ‚Darling‘“, erwiderte Sandrine honigsüß und hielt völlig still, als er die Hand hob und den Zeigefinger über ihren Arm gleiten ließ.

„Aber es ist so viel angenehmer, wenn wir die Gefühle für die Dauer der Dreharbeiten auf das Privatleben ausdehnen, meinst du nicht auch?“

„Nein.“

„Du solltest ein bisschen lockerer werden“, redete er ihr gut zu und versprühte seinen angeborenen Charme.

„Ich spiele vor der Kamera. Wenn ich nicht auf dem Set bin, gebe ich mich keinen Illusionen hin.“

„Starke Worte“, sagte Gregor. „Ich könnte dafür sorgen, dass du sie bereust.“

„Oh bitte!“, protestierte Sandrine. „Geh und spiel Mr. Macho bei einem der jungen Dinger, die bei dem Gedanken in Verzückung geraten, von dir beachtet zu werden.“

„Während du noch nie wegen eines Mannes in Verzückung geraten bist?“

Du irrst dich, hätte sie fast gesagt, unterließ es jedoch. Klatsch grassierte überall, und in diesen Kreisen wurde er ausgeschmückt, bis nur noch ein Körnchen Wahrheit übrig war. „Würdest du mich bitte entschuldigen?“ Sie zeigte ihm ihr leeres Glas, drehte sich um und ging zur Bar. Einen Moment später trank sie einen erfrischenden Schluck Orangensaft. Ein Ober mit einem Tablett bot ihr Horsd’oeuvres an. Sie lächelte freundlich, wählte eins aus und biss hinein. Es schmeckte köstlich, und plötzlich merkte sie, wie hungrig sie war. Ein Sandwich und ein Apfel zum Mittagessen waren nicht viel.

„Wo bleibt denn der Ehrengast?“, fragte die attraktive junge Hauptdarstellerin gelangweilt.

„Vielleicht plant er einen großen Auftritt.“

„Das ist das Vorrecht einer Frau, Schatz.“

Cait Londons Lächeln war ein bisschen zu affektiert, die Stimme klang zu gekünstelt. Sie war ein Star und ließ es niemand vergessen. Besonders nicht eine Kollegin, die nur eine Nebenrolle spielt, dachte Sandrine.

„Anscheinend weiß keiner, wer er ist“, sagte Cait nachdenklich. „Ein erfolgreicher Unternehmer, mehr will Tony nicht verraten.“ Ihre schönen blauen Augen funkelten habgierig. „Offensichtlich reich. Vorausgesetzt, dass er vorzeigbar und unter sechzig ist, könnte es sich als interessant erweisen, ihn kennenzulernen.“

„Und unverheiratet?“

Cait lachte. „Darling, wen kümmert denn, ob er eine Frau hat?“

Sie nicht, so viel war klar.

Kurz darauf verstummte das Stimmengewirr einen Moment lang und setzte dann wieder ein. Ein sechster Sinn ließ Sandrine auf der Hut sein, und sie empfand plötzlich Furcht.

„Meiner“, flüsterte Cait.

Sandrine spürte ein verräterisches Prickeln im Rücken. Nur ein Mann hatte diese Wirkung auf sie. Er war so auf sie abgestimmt, dass sie fast wie gleiche Hälften eines Ganzen waren. Sie drehte sich langsam um, nahm das markante Profil in sich auf, das gepflegte dunkle Haar und dachte daran, wie gern sie ihm während seines wundervollen Liebesspiels, auf dem Höhepunkt ihrer Leidenschaft, die Finger in dieses dichte Haar geschoben hatte. Das waren die wilden, süßen Zeiten gewesen, als sie sich nur von der Liebe hatten leiten lassen. Damals hatte sie ihm alles gegeben, ohne auch nur daran zu denken, ihm irgendetwas zu verweigern.

Jetzt beobachtete sie, wie sich Michel mitten im Gespräch zu ihr umwandte, als hätte er ihre Anwesenheit ebenso gespürt wie sie seine. Er blickte sie durchdringend an, und alles und alle im Raum verschwanden an den Rand ihres Gesichtsfelds. Da war nur Michel, der Moment, die starke Anziehungskraft zwischen ihnen. Sandrine geriet so in seinen Bann, dass sie sich empfindlich, ungeschützt und äußerst verwundbar fühlte.

Dann lächelte er, und sie wurde an jenen Abend zurückversetzt, an dem sie sich kennengelernt hatten. Es war die gleiche Situation gewesen. Sie hatten sich in einem überfüllten Zimmer plötzlich angesehen, und er hatte gelächelt. Aber die Vergangenheit hatte in der Gegenwart keinen Platz. Sandrine merkte es an seiner Haltung. Körpersprache. Sie zu studieren gehörte zu ihrem Beruf, und sie konnte jede Bewegung und Geste bestimmen. Erkannte noch jemand die Skrupellosigkeit und die latente Wut, die unter seiner Selbstbeherrschung verborgen lagen? Sie ließen ihn finster und grüblerisch aussehen und deuteten eine Grausamkeit an, die entfesselt vernichtend sein könnte.

Sandrine beobachtete fasziniert, wie er sich beim Gastgeber entschuldigte und auf sie zukam. Ein italienischer Designeranzug betonte seine muskulöse Figur, und er bewegte sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers. Ihr Herz schlug schneller, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn begrüßen sollte. Nach den unüberlegten Worten, die sie ihm vor all den Wochen an den Kopf geworfen hatte, schien ein schlichtes Hallo unglaublich banal zu sein.

Sie hatte keine Gelegenheit, irgendetwas zu sagen, denn Michel umfasste ihr Gesicht und küsste sie. Es war ein Kuss, der Ansprüche anmeldete. Schändlich, ungeheuerlich, verführerisch und verlangend. Schlimmer noch war ihre Reaktion, denn nach dem ersten Schock gab sie jede Vernunft auf und erwiderte den Kuss. Michel begann, mit ihrer Zunge zu spielen, und er brachte Sandrine dazu, alles um sich her zu vergessen.

Als er schließlich aufsah, war sie unfähig, sich zu rühren. Allmählich wurde sie sich der Musik und des Stimmengewirrs wieder bewusst. Du lieber Himmel. Wie lange hatte diese leidenschaftliche Umarmung gedauert? Dreißig Sekunden? Sechzig? Mehr?

Michel brauchte sie nur zu berühren, und sie ging in Flammen auf. In den sieben Wochen hatte sich die heftige Leidenschaft nicht verringert. Was hast du denn erwartet? verspottete sich Sandrine. Sie hatte jede Nacht von ihm geträumt, seit sie ihn verlassen hatte, und so oft an ihn gedacht, dass es fast ihrer Arbeit geschadet hatte.

Das gegenseitige Verlangen war drängend, elektrisierend und unwiderstehlich, aber der Streit war weder vergessen noch verziehen.

„Was machst du hier?“ War das ihre Stimme? Sie klang so kühl und gelassen, obwohl sie doch von widersprüchlichen Spannungen gequält wurde.

„Ich habe die Angelegenheiten in Europa zum Abschluss gebracht.“

Wichtige Besprechungen, an denen er unbedingt hatte teilnehmen müssen. Sandrine wusste, dass es in diesem Fall unmöglich gewesen war, die Arbeit zu delegieren. Wie hatte er der Familie in Paris ihre Abwesenheit erklärt? Seinem älterem Bruder Raoul, seiner grand-mère? Einen Moment lang hatte sie Gewissensbisse wegen der alten Stammmutter, die mit eiserner Faust regierte, aber ein weiches Herz hatte, und die sie sehr lieb gewonnen hatte. „Und hast festgestellt, dass ich in der New Yorker Wohnung nicht auf dich warte“, sagte Sandrine ruhig. Sie hob herausfordernd das Kinn, und ihre Augen funkelten. „Hast du geglaubt, mich gezähmt und zerknirscht vorzufinden, weil ich dir zuwidergehandelt habe?“

„Schwierig, an zwei Orten gleichzeitig zu sein“, erwiderte Michel sarkastisch. „Und da ihr mit dem Drehplan in Verzug seid, wirst du ja hier aufgehalten.“

Sandrine wollte sagen, dass er das nicht hatte wissen können, und unterließ es. Er musste nur einen kurzen Anruf machen und jemand beauftragen, ihm über jeden ihrer Schritte zu berichten. Es ärgerte sie unerträglich, dass er es getan hatte. „Was hast du vor, Michel?“, fragte sie wütend. Wenn sie allein wären, würde sie ihn schlagen. Oder es zumindest versuchen.

„Du hast auf keine der Nachrichten reagiert, die ich dir auf deinem Speicher hinterlassen habe.“

Sie hatte alle Anrufe auf Voicemail geleitet und war wählerisch darin geworden, wessen Nachrichten sie erwiderte. „Wozu hätte ich das tun sollen? Wir hatten doch alles gesagt.“

„Wütend kann man keine Probleme lösen.“

Also hatte er sie gehen lassen, überzeugt davon, dass sie nach einiger Zeit zur Vernunft kommen und zu ihm zurücklaufen würde? Wie viele Nächte hatte sie wach gelegen und gegen den Wunsch gekämpft, genau das zu tun? Stolz und Loyalität gegenüber einem Projekt sowie ein rechtsverbindlicher Vertrag hatten sie dazu gebracht, zu bleiben, wo sie war.

Sie betrachtete ihn und bemerkte die dunklen Schatten unter seinen Augen. Früher einmal hatten diese dunkelgrauen Augen vor Leidenschaft gefunkelt. Für sie. Nur sie. Sein Blick hatte sie dahinschmelzen lassen. Jetzt war er so finster und kühl, dass sie fröstelte.

„Du hast mir noch nicht erklärt, warum du Tonys Gast bist“, sagte Sandrine gespielt ruhig.

„Kannst du das nicht erraten?“, fragte Michel spöttisch.

Seine Stimme hatte einen stahlharten Unterton, der ihr den Atem raubte. „Jetzt, da du in Europa alles erledigt hast, bist du gekommen, um mich nach Hause zu holen?“

Er lächelte zynisch. „Versuch es noch mal.“

Wut verdrängte die Furcht. „Du willst die Scheidung.“

Er verzog keine Miene, doch sein Blick wurde härter. „In der Familie Lanier hat es seit dreihundert Jahren keine Scheidung gegeben.“

„Du meinst, jahrhundertelang haben Frauen die arroganten, überheblichen, selbstherrlichen Lanier-Männer ertragen, ohne sich zu beklagen?“

„Ich denke, man ist mit Klagen zufriedenstellend umgegangen.“

Sandrine verstand. „Sex löst nicht alle Probleme.“

„Körperliche Liebe.“

Es war ein Unterschied. Du lieber Himmel, und was für einer. Sie brauchte sich nur vorzustellen, mit Michel eins zu werden, und Hitze durchflutete sie.

Er bemerkte, wie Sandrine rot wurde und hastig den Blick senkte, um ihre Reaktion zu verbergen. Und er empfand Genugtuung.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“

„Welche?“

Sandrine sah auf. Ihre dunkelbraunen Augen funkelten vor Wut. „Was hast du hier heute Abend zu suchen?“

„Aber chérie, ich bin der Ehrengast bei dieser Soiree.“

„Der Ehrengast, der mit seiner Finanzspritze den Film retten soll?“

Michel nickte. „Ich verlange einen Preis dafür“, erklärte er sanft.

„Und der wäre?“

„Eine Versöhnung“, sagte er kurz angebunden.

Du liebe Güte. Irgendwie brachte sie den Mut auf, gegen ihn anzugehen. „Eine Heiratsurkunde macht mich nicht zu deinem Eigentum.“

Michel nahm in sich auf, dass sie blass und erschöpft aussah und abgenommen hatte. Er hielt sich gerade noch davon ab, sie zu schütteln.

Sandrine wurde sich der Neugier bewusst, die Michel und sie weckten. Cait Londons Blick war eisig. Über ihre Hochzeit war nicht ausführlich berichtet worden. Wahrscheinlich wusste niemand in diesem Zimmer, wer der Ehrengast war, geschweige denn, dass er mit einer wenig bekannten Schauspielerin verheiratet war.

„Dies ist wohl kaum der richtige Moment oder Ort, darüber zu sprechen.“

Michel lächelte humorlos. „Keine Diskussion. Keine Verhandlung. Einfach Ja oder Nein.“

„Einfach? Etwas so Kompliziertes? Du kannst keine Bedingungen stellen.“

„Und ob ich das kann.“

„Erpressung, Michel?“

Er zuckte die Schultern. „Nenn es, wie du willst.“

„Und wenn ich mich weigere?“, fragte Sandrine tapfer.

Seine Augen funkelten gefährlich. „Dann verschwinde ich von hier.“

Und aus ihrem Leben? Wie sie aus seinem verschwunden war? Vorübergehend, verbesserte sie. Jedenfalls hatte sie sich am Anfang gesagt, die Trennung für die Zeit der Dreharbeiten sei keine Katastrophe. Also warum hatte sie jetzt das Gefühl, dass sie am Rand eines Abgrunds stand? Ein einziger falscher Schritt, und sie würde in die Tiefe fallen. Sie erkannte die grimmige Zielstrebigkeit in seinem Blick und schauderte. „Du spielst nicht fair.“

„Dies ist kein Spiel.“

Nein, war es nicht. Aber er manipulierte und taktierte, und sie hasste ihn deswegen.

„Ja oder Nein“, wiederholte Michel vernichtend leise.

2. KAPITEL

Sandrine sah Michel scheinbar gelassen an. Nur sie wusste, wie viel Anstrengung es sie kostete, sich so ruhig zu zeigen. „Ich bin sicher, Tony kann sich das Geld auch woanders beschaffen.“

„Er hat alle Quellen ausgeschöpft.“

„Woher willst du das wissen?“ Die Frage verdient keine Antwort, räumte Sandrine sarkastisch ein. Der Aktienbesitz der Familie Lanier war ungeheuer groß, und Michel war selbst ein sehr reicher Mann. Als solcher hatte er Kontakte und Zugang zu vertraulichen Informationen.

Autor

Helen Bianchin
Helen Bianchin wurde in Neuseeland geboren und wuchs dort als Einzelkind auf. Sie hatte eine äußerst lebhafte Fantasie und liebte schon damals Bücher über alles. Als Teenager begann sie zu schreiben, doch sie vernachlässigte ihr Hobby, als sie als Sekretärin in einer kleinen Kanzlei arbeitete.

Als sie 21 war, setzten...
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