Tiffany Sexy Band 85

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Stephanie Bond

Mach's noch einmal, Luke!

Egal, dass alle sie "Eisprinzessin" nennen: So wagt sich wenigstens kein Mann an Carol heran! Nur Luke kümmert ihre kühle Art nicht: Ohne zu fragen, küsst er sie voller Verlangen. Und zeigt ihr, was in ihrem Leben fehlt: Heiße Lust und wahre Leidenschaft! Carol genießt die Stunden der Ekstase - doch Luke will mehr als Sex. Und dazu ist sie nicht bereit …

Candace Havens

Marine oder Model?

Er ist ihr Retter in größter Not: Für ihre Show auf der Fashion Week braucht Designerin Hannah unbedingt ein männliches Model. Beherzt fragt sie Will Hughes, Captain des US Marine Corps, und dienstlich in New York. Er sagt zu, der verzweifelten jungen Frau zu helfen. Und Hannah weiß sofort, wie sie ihm ihre Dankbarkeit zeigen wird - auf höchst erotische Weise …

Jo Leigh

Männertausch

Jackpot! Bree zuckt zusammen, als sie die Tauschkarte von Charlie Winslow zieht. "Er ist ideal für dich", bestätigt ihre Freundin Rebecca. Die "Männer-Tauschbörse" scheint ein voller Erfolg. Doch während auf der Karte des überzeugten Singles "One-Night-Stand" steht, könnte sich Bree durchaus mehr vorstellen. Gerade nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht.


  • Erscheinungstag 08.01.2013
  • Bandnummer 85
  • ISBN / Artikelnummer 9783954464852
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Stephanie Bond, Candace Havens, Jo Leigh

TIFFANY SEXY, BAND 85

STEPHANIE BOND

Mach's noch einmal, Luke!

Egal, dass alle sie „Eisprinzessin“ nennen: So wagt sich wenigstens kein Mann an Carol heran! Nur Luke kümmert ihre kühle Art nicht: Ohne zu fragen, küsst er sie voller Verlangen. Und zeigt ihr, was in ihrem Leben fehlt: Heiße Lust und wahre Leidenschaft! Carol genießt die Stunden der Ekstase – doch Luke will mehr als Sex. Und dazu ist sie nicht bereit …

CANDACE HAVENS

Marine oder Model?

Er ist ihr Retter in größter Not: Für ihre Show auf der Fashion Week braucht Designerin Hannah unbedingt ein männliches Model. Beherzt fragt sie Will Hughes, Captain des US Marine Corps und dienstlich in New York. Will sagt zu, der verzweifelten jungen Frau zu helfen. Und Hannah weiß sofort, wie sie ihm ihre Dankbarkeit zeigen wird – auf höchst erotische Weise …

JO LEIGH

Männertausch

Jackpot! Bree zuckt zusammen, als sie die Tauschkarte von Charlie Winslow zieht. „Er ist ideal für dich“, bestätigt ihre Freundin Rebecca. Die „Männer-Tauschbörse“ scheint ein voller Erfolg. Doch während auf der Karte des überzeugten Singles „One-Night-Stand“ steht, könnte sich Bree durchaus mehr vorstellen. Gerade nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht …

1. KAPITEL

Diesen Valentinstag macht Amor keine Gefangenen …

Carol Snow griff nach der Cartoon-Grußkarte auf dem Schreibtisch ihrer Assistentin, die den berühmten Himmelsboten in Tarnkleidung zeigte, mit Pfeil und Bogen im Anschlag. Gleichmütig klappte sie die Karte auf, um einen Blick auf die Grußworte innen zu werfen.

Kapitulation ist daher deine einzige Chance. Im Hintergrund wehte matt eine weiße Fahne. Unten war der Name „Stan“ hingekritzelt. Stirnrunzelnd drehte Carol die Valentinskarte um und stellte nicht wirklich überrascht fest, dass sie ein Produkt von Mystic Touch Grußkarten war, der Firma, für die sie arbeitete. Stan musste auch ein Angestellter sein. Genervt von der fröhlichen Gefühlsduselei warf sie die Karte zurück auf den vollgepackten Schreibtisch. Zum Glück hatte sie mit dem kreativen Bereich des Unternehmens nichts zu tun und war nicht den ganzen Tag von diesem hirnlosen Blödsinn umgeben.

Carol warf einen ungehaltenen Blick auf ihre Assistentin Tracy, die ihr den Rücken zuwandte, während sie leise im Flüsterton telefonierte, womit sie, soweit Carol es mitbekommen hatte, die meiste Zeit des Tages verbracht hatte. Carol verdrehte die Augen. Bestimmt ein neuer Lover. Wahrscheinlich Stan, der Typ, der die Valentinskarte geschickt hatte.

Ihren zunehmenden Frust verdrängend schaute Carol auf ihre Uhr – wenn das so weiterging, würde sie zu spät zum monatlichen Meeting ihres Buchclubs kommen.

Sie räusperte sich demonstrativ. Tracy legte eine Hand über die Sprechmuschel des Telefons und drehte sich mit reichlich banger Miene zu Carol um. „Ja, Ms Snow?“

„Bevor ich gehe, muss ich mit Ihnen über dieses Projekt sprechen.“

„Okay.“

Ihre Assistentin stockte, woraufhin Carol die Lippen spitzte und einwarf: „Und ich muss jetzt gehen.“

Tracy sah auf die Uhr. „Aber es ist erst achtzehn Uhr … Sonst bleiben Sie bis zwanzig oder einundzwanzig Uhr.“

Carol erstarrte, als die junge Frau unterschwellig auf ihr Privatleben anspielte.

„Heute Abend nicht.“

„Sind Sie krank?“

Carol runzelte die Stirn. „Nein. Würden Sie bitte auflegen, damit wir reden können?“ Tracy nahm die Hand von der Muschel und murmelte leise etwas, bevor sie den Hörer wieder in die Basisstation stellte. „Was gibt’s denn?“

Carol biss sich innen auf die Wange. Was es gibt? „Nun, dieses Memo für den Quartalsbericht. Es strotzt nur so vor Tippfehlern.“ Sie reichte das Blatt Papier hinüber, auf dem sie die Fehler mit einem roten Marker eingekringelt hatte.

Tracy biss sich auf die Lippe. „Oh. Ich werde es noch mal machen.“

„Wenn ich morgen früh komme, möchte ich die korrigierte Version auf meinem Schreibtisch“, sagte Carol.

„Ja, Ma’am.“

„Und, Tracy: Sie haben viel Zeit mit Telefonieren zugebracht – dadurch hinken wir beide in der Arbeit hinterher.“

Die junge Frau nickte. „Ja, Ma’am. Tut mir leid.“

Carol stieß einen Klagelaut aus und zog sich wieder in ihr Büro zurück. Es war mit dunklen Möbeln eingerichtet und angemessen geräumig für die Leiterin der Finanzabteilung. Ein Erkerfenster bot eine schöne Aussicht auf die Skyline von Atlanta, ließ dennoch genug Freifläche für die riesigen Aktenschrankreihen ringsum an den Wänden.

Carol ordnete ein letztes Mal ihren bereits aufgeräumten Schreibtisch, holte sich anschließend ihre Handtasche, ihren Aktenkoffer und den roten Beutel mit Büchern für ihr Buchclub-Meeting. Als sie an Tracys Schreibtisch vorbeiging, schnappte sie empört nach Luft. Die Frau hing ja schon wieder am Telefon! Kopfschüttelnd lief Carol zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Wenn Tracy weiterhin ihr Liebesleben vor den Job stellte, würde sie unweigerlich eine herbe Enttäuschung erleben.

Männern. Konnte. Nicht. Vertraut. Werden.

Diese Erkenntnis sollte jemand aus der Kreativ-Abteilung auf einer Karte von Mystic Touch zum Ausdruck bringen.

Ein leises „Ping“, ertönte, die Türen des Aufzugs glitten auf und gaben den Blick auf den einzigen Insassen frei: Luke Chancellor, Vertriebsleiter und hausinterner Playboy. Ein breites Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Geht’s heute früher nach Hause, Snow? Sie müssen ein heißes Date an diesem kalten Dienstagabend haben.“

Carol stieß sich mit der Zunge von innen gegen die Wange – sie war nicht in der Stimmung für Sticheleien. „Eigentlich, Chancellor, wollte ich gerade die Treppe nach unten nehmen.“

Sie drehte sich um und stolzierte – das donnernde Lachen des Mannes ignorierend – zum Treppenhaus. Luke Chancellor war ein unverschämter Charmeur, der sie zu seinem Lieblingsflirtobjekt gemacht zu haben schien. Um ihm tunlichst auszuweichen, joggte Carol, so schnell, wie es ihre High Heels erlaubten, die Treppen hinab. Im Foyer angekommen, sah sie mit Erleichterung, dass der Aufzug noch nicht da war. Taschen und Koffer irgendwie auf den Armen jonglierend, düste sie durch die Eingangstür des Bürogebäudes zum Auto. Wenn alle Ampeln zwischen Buckhead und der City von Atlanta auf Grün standen, könnte sie es pünktlich zu ihrem Buchclub-Treffen schaffen.

„Hey, Carol!“

Carol zuckte kurz zusammen, als Lukes Stimme hinter ihr ertönte, und lief weiter. Aber in ihrer Hektik geriet sie mit einem Absatz ihrer roten Stilettos in eine Ritze zwischen den Pflastersteinen und stolperte. Ihr Aktenkoffer, Bücherbeutel und ihre Handtasche flogen ihr aus den Händen. Wild mit den Armen rudernd, versuchte sie die Balance zu halten, stellte sich jedoch geistig schon darauf ein, hart auf dem Asphalt aufzuschlagen. In der letzten Sekunde hielten ein paar starke Arme sie davon ab, vornüber auf die Nase zu fallen.

„Ich hab Sie“, flüsterte Luke ihr ins Ohr. Der erdige Duft seines Rasierwassers stieg ihr in die Nase, was ihren Atem stocken ließ. Erst im zweiten Moment registrierte sie, dass seine kräftigen Hände sie hielten, die Berührung seiner Finger auf ihren Schultern schien auf ihrer Haut zu brennen. Sie fühlte seine Unterarme durch den Stoff ihres Kostüms hindurch gegen ihre Brüste gepresst. Ungebetene Lust durchflutete ihr ihren Unterleib und erinnerte Carol daran, wie lang es her war, dass sie einem Mann so nah gewesen war. Diese lang entbehrte Empfindung ließ sie aus dem unerwarteten Moment der Sinnlichkeit erwachen.

„Lassen Sie mich los“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor, während sie sich seinem Griff entzog. Sie richtete sich auf und klopfte ihr Kostüm ab.

Luke verzog seinen sagenhaften Mund zu einem kleinen Lächeln. „Gern geschehen“, sagte er trocken und bückte sich, um ihre Sachen vom Boden einzusammeln.

Er trug einen mokkafarbenen Anzug, der sein dunkles Haar und seine braunen Augen gut zur Geltung brachte. Aus einer Tasche lugte – wie ein Seitenhieb auf die formelle Unternehmenskultur der Firma – der Zipfel einer roten Seidenkrawatte hervor. Der Mann war bekannt für seinen lässigen Führungsstil und seine Scherze. Vor zwei Jahren hatte Luke bei Mystic Touch Grußkarten angefangen, seitdem einen fulminanten Durchmarsch hingelegt, und mittlerweile stand er als Abteilungsleiter auf einer Ebene mit Carol. Die Feministin in ihr hatte einige seiner Promotion-Aktionen öffentlich als Fehler kritisieren wollen. Allerdings hatte Luke seit seinem Einstieg auch maßgeblich dafür gesorgt, die schwächelnden Verkaufszahlen wieder anzukurbeln.

Nur noch wenige Tage vor dem größten Kartenverkaufstag des Jahres – dem Valentinstag – erfreute sich die Firma rekordverdächtiger Gewinne. Sie musste wohl oder übel seine beruflichen Leistungen anerkennen.

Etwas zerknirscht beugte sich Carol herunter, um ihm bei ihren Sachen zu helfen. „Sorry“, murmelte sie. „Sie haben mich erschreckt. Danke, dass Sie … mich aufgefangen haben.“

„Kein Problem“, sagte er locker. „Ich muss Sie wohl mit meinem Rufen abgelenkt haben.“

„Ja.“ Carol hob ihre Handtasche und ihren Aktenkoffer auf. „Was wollten Sie, Luke? Ich bin spät dran für meinen Buchclub.“

„Ach, sieh an.“ Er hielt einige der Bücher hoch, die aus ihrem Tragebeutel gefallen und verstreut auf dem Gehweg gelandet waren. „Lady Chatterleys Liebhaber? Venus im Pelz? Fanny Hill? Die Sklavin?“ Sein sündhaftes Grinsen ging von einem Ohr zum anderen. „Was für einer Art Buchclub gehören Sie an?“

Die Röte stieg ihr ins Gesicht. „Das geht Sie nichts an.“

Er neigte sich näher. „Nehmen Sie auch männliche Mitglieder auf?“ Sein Ton war unschuldig, aber seine Augen funkelten amüsiert wegen der Zweideutigkeit.

Anstatt zu antworten, versuchte Carol, ihm die erotischen Klassiker zu entreißen, aber er hielt sie außer Reichweite. Empörung stieg in ihr auf. „Wie alt sind Sie? Zehn? Geben Sie mir meine Bücher!“

Mit provozierend hochgezogenen Brauen besah er sich die gewagten Cover. „Ich wusste, dass Sie eine wilde Seite haben, Snow. Sie behalten sie einfach nur für sich.“

Aufgebracht stellte Carol fest, dass man ihn am ehesten aus dem Konzept bringen konnte, wenn man seine Aufmerksamkeit ablenkte. Sie verschränkte die Arme. „Was wollen Sie, Chancellor?“

Als wäre es eine Antwort auf ihre Frage, ließ er seinen Blick derart über sie schweifen, dass sie dabei Flattergefühle spürte. Nur mit großer Anstrengung gelang es ihr, die kühle Miene der Geringschätzung beizubehalten.

Luke seufzte schwer und ließ seine Schultern hängen. „Okay, zurück zum Geschäftlichen. Ich dachte, es wäre nett, am Valentinstag eine Firmenparty zu veranstalten.“

Verwirrt kniff sie die Augen zusammen. „Am Valentinstag?“

„Warum nicht? Wir könnten sie auf den Freitag legen.“

„Freitag, den dreizehnten?“

Er zuckte die Achseln. „Passt doch gut. Der Valentinstag ist der Kalendertag, an dem wir unseren größten Umsatz erzielen. Mit der Party als Plus wäre es eine gute Gelegenheit, Boni zu verteilen – was meinen Sie?“

„Ich meine, dass diese Firma noch nie Boni gezahlt hat“, blaffte Carol.

„In der Vergangenheit nicht“, stimmte Luke zu. „Aber Mystic hat so ein gutes Jahr hinter sich, da hielt ich es nur für fair, die Liebe weiterzugeben, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich bin sicher, die anderen Abteilungsleiter werden mir da zustimmen.“

Zorn erfasste Carol – Boni aus Geldern auszuschütten, die Luke fast allein erwirtschaftet hatte, würde ihn in den Augen der etwa fünfhundert Mitarbeiter zu einem echten Helden machen. Der Mann würde so noch vor Jahresende Geschäftsführer werden … zum Teufel!

Die Schultern straffend wählte sie ihre autoritärste Stimme: „Meiner Meinung nach, wäre es der klügere Schritt, die Gewinne zu nehmen, die wir in guten Jahren einfahren, und sie in neue Technologien zu investieren.“

Sein scheinbares Dauergrinsen geriet wohl nie ins Wanken. „Und meiner Meinung nach sollten Sie Ihren unanständigen Buchclub ausfallen lassen, und dann sollten wir das bei einem Drink besprechen.“

Die Anziehungskraft seines Körpers auf ihren ließ sich nicht leugnen. Seine dekadent braunen Augen waren fast hypnotisierend, beschworen sie, ihm überallhin zu folgen. Ihre Brustwarzen wurden hart, und ihre Oberschenkel zuckten vor Erregung. Ihr Mund öffnete sich, und zu ihrem Entsetzen merkte sie, dass sie dabei war, Ja zu sagen.

Carol schnellte mit dem Kopf nach hinten. „Auf keinen Fall.“ Die Antwort fiel heftiger aus, als sie es gewollt hatte – vielleicht war es besser so. „Wir können am Morgen beim Meeting über die Party und die Boni sprechen – im Beisein aller.“

Luke runzelte die Stirn. „Spielverderberin.“

Sie streckte den Arm aus und hielt ungeduldig die Hand auf. „Meine Bücher, bitte?“

Er gab ihr widerwillig die Bände. „Ich bin noch nie von einem Buch auf den zweiten Platz verwiesen worden.“

„Soweit Sie wissen.“ Carol rang sich ein kurzes Lächeln ab, als sie die erotischen Bücher in ihren roten Tragebeutel gleiten ließ. „Wiedersehen, Chancellor.“ Sie drehte sich um und ging zu ihrem Auto, nunmehr sicher, dass sie wegen dieses aufdringlichen Mannes zu spät zu ihrem Buchclub-Meeting kommen würde.

„Sie sollten gelegentlich das wahre Leben ausprobieren, anstatt nur darüber zu lesen!“, rief Luke ihr hinterher.

Carol war versucht, sich umzudrehen und ihm den Mittelfinger zu zeigen, aber angesichts des Ortes und der neugierigen Blicke, die sie bereits von den Kollegen, die auf dem Parkplatz herumstanden, geerntet hatten, ging sie weiter. Sie wollte die Mitglieder des Buchclubs nicht warten lassen.

Und Luke Chancellor nicht die Genugtuung geben, die Tränen zu sehen, die seine letzte Bemerkung ihr plötzlich in die Augen getrieben hatte.

2. KAPITEL

Alle Ampeln zwischen Carols Büro und der City von Atlanta standen, was nicht überraschte, auf Rot. Wie nicht anders zu erwarten, kam sie verspätet zum Treffen ihres Buchclubs.

Und zwar so verspätet, dass sie im Auto auf dem Parkplatz der Stadtbücherei von Atlanta sitzen blieb, wo sich die Gruppe regelmäßig traf, und überlegte, einfach wieder wegzufahren. Sie warf einen Blick auf die auf dem Beifahrersitz liegende Schachtel mit Mandelkeksen, die sie gekauft hatte, um sie mit den anderen Mitgliedern zu teilen, und grübelte nachdenklich, ob die Süßigkeiten ein anständiges Abendessen für sie abgeben würden – Mandeln waren voller Ballaststoffe … oder nicht? Dachte sie dagegen daran, was sie wohl drinnen erwartete, verspürte Carol den plötzlichen Drang, der Gruppe ganz den Rücken zu kehren. Die anderen Frauen würden sie nicht vermissen. Womöglich würden sie sogar froh sein, wenn sie ging.

Wahrscheinlich saßen sie jetzt da, sprachen über sie, das abtrünnige Mitglied, das sich geweigert hatte, bei dem Experiment mitzumachen, das ihre Organisatorin vorgeschlagen hatte: Alle Mitglieder wenden die Erkenntnisse an, die sie aus den gelesenen Kapiteln der erotischen Romane gewonnen haben, um den Mann ihrer Träume zu verführen.

Die anderen Frauen waren von der Herausforderung vollauf begeistert gewesen. Carol hingegen … eher nicht.

Ihr Mobiltelefon summte, und als sie darauf blickte, sah sie, dass eine SMS angekommen war.

Stehst du im Stau? Wir wollten nicht ohne dich anfangen. Gabrielle.

Gabrielle war die Organisatorin des Buchclubs Roter Beutel. Carol konnte ihr erleichtertes Lächeln, nicht verbergen – sie war ihnen doch nicht egal. Schnell schrieb sie zurück, dass sie in ein paar Minuten da sein würde, griff sich danach die Keksschachtel und den roten Tragebeutel voller Bücher, mit denen sie ihre einsamen Abende in den letzten paar Monaten verbrachte hatte. Schließlich stieg sie aus dem Auto und joggte zum Eingang der Bücherei.

Drinnen angekommen blieb sie stehen, um tief den markanten Geruch der Bücher einzuatmen und das gemütliche Surren der Computer und gedämpften Stimmen in sich aufzunehmen. Die meiste Zeit ihrer Jugend war sie eine begeisterte Leseratte gewesen, aber im Erwachsenenalter von dem Vergnügen abgekommen. Als sie die Anzeige für den Buchclub für Frauen gesehen hatte, die ihrem Leseleben etwas Pep verleihen wollten, war sie fasziniert, aber auch ein bisschen skeptisch gewesen. Doch die Gruppe von Frauen, die sich an jenem ersten Abend getroffen hatte, war ihr erstaunlich ähnlich – in den Dreißigern, gebildet und Single.

Abgesehen davon, dass sie alle, ihr unähnlich, Bedarf an einem Freund oder Lover zu haben schienen, was sie beides nicht reizte.

Carol schlängelte sich durch ein Labyrinth von Gängen, um zu dem versteckten Raum zu gelangen, in dem sich die Gruppe traf, um absolut privat zu bleiben. Ihre Buchauswahlen und Diskussionen waren nicht für empfindsame Augen und Ohren bestimmt. Sie klopfte an die Tür, und Sekunden später wurde diese nur so weit geöffnet, dass sie den Blick freigab auf die argwöhnische blauäugige Clubkameradin Cassie Goodwin. Cassies argwöhnischer Gesichtsausdruck ging allerdings sofort in ein Lächeln über, als sie die Tür ganz aufmachte und Carol dort willkommen hieß, wo die anderen drei Clubmitglieder – Page Sharpe, Wendy Trainer und Jacqueline Mays – bereits um den Tisch saßen, die Organisatorin der Gruppe, Gabrielle Pope, am Kopfende.

„Wir wollten gerade einen Toast auf Gabrielle aussprechen“, verriet Cassie, während sie Carol ein Glas von dem eigens dafür eingeschmuggelten Rotwein reichte.

Am Tisch Platz nehmend schaute Carol zu Gabrielle und bemerkte, dass ein Strahlen von der Frau ausging. Was nur eins bedeuten konnte: Sogar ihre unscheinbare, mit Dutt frisierte und Cardigan tragende Leiterin hatte sich einen Mann geangelt. Furcht machte sich in Carols Magen breit.

„Der Toast gebührt nicht mir“, zierte sich Gabrielle, obwohl sie sichtlich erfreut über die Aufmerksamkeit war. „Auf die Verführung nach Buch!“

Carol hob als letzte das Glas, und ihr Lächeln wirkte gezwungen, als sie in die Runde sah. Während der vergangenen vier Monate hatten die anderen vier Mitglieder erotische Bücher ausgewählt, die ihnen als Leitfaden auf dem Weg zur sinnlichen Verführung eines Mannes dienen sollten. Nun hatte sogar ihre Leiterin Gabrielle einen zu ihr passenden Lover gefunden und, wenn sie das Leuchten in den Augen der Frau richtig interpretierte, auch die Liebe.

Und die Letzte bleibt allein, dachte Carol, während sie einen großen Schluck Merlot nahm. Sie blieb die Einzige, die verweigerte, bei der freiwilligen Selbstaufgabe mitzuziehen.

Die Frauen sprachen unisono Glückwünsche aus und gratulierten Gabrielle und hörten aufmerksam zu, als ihre Organisatorin glücklich Einzelheiten über ihren Lover erzählte und schilderte, wie sehr die Entdeckung sexueller Gemeinsamkeiten ihrer Beziehung Flügel verliehen hatte. Dabei redete sie ebenso freimütig und ehrlich über Tantra-Erfahrungen, wie die Mitglieder untereinander sonst immer ihre Buchauswahlen diskutierten. Gabrielle hatte klargemacht, dass kein Thema und keine Ausdrucksweise tabu waren. Und wenngleich Carol einräumte, stets ganz gefesselt von dem aufrichtigen Gedankenaustausch gewesen zu sein, gab sie zu, sich von allen am wenigsten beteiligt zu haben. Und gespürt zu haben, dass die anderen Frauen unterschiedlich stark darüber verärgert waren, dass sie mehr beobachtet als teilgenommen hatte.

Als Gabrielle nun die sinnlichen Aspekte ihrer neuen Beziehung mitteilte, fühlte Carol sich ausgeschlossen. Die anderen Frauen steckten die Köpfe zusammen und schienen eine Geheimsprache zu teilen, in die sie nicht eingeweiht war. Es kam ihr so vor, als würden sie ihr nicht vertrauen, weil sie sich geweigert hatte, dasselbe Risiko wie sie einzugehen und sich verwundbar zu machen.

Carol sackte auf ihrem Stuhl zusammen, wünschte plötzlich, ihrem früheren Impuls, zu gehen, nachgegeben zu haben. Sie wusste, dass die Frauen am Tisch sie für sehr distanziert … womöglich sogar für eine Lesbe hielten. Sie hatten ja keine Ahnung, dass sie mal so gewesen war wie sie – unschuldig und naiv, darauf wartend, dass der richtige Mann ihr Herz eroberte. Und es war erobert worden.

James hatte sie so lange umworben, bis sie sich in ihn verliebt hatte. So sehr, dass sie am Valentinstag vor acht Jahren ihren ganzen Mut zusammengenommen und ihm einen Heiratsantrag gemacht hatte. Aber statt mit dem „Ja, von ganzem Herzen“, das sie erwartet hatte, schloss der Tag mit einem Horrorende, das all ihre Hoffnungen und Träume zunichtemachte. Seitdem hatte sie ihr Herz und ihren Körper sorgsam unter Verschluss gehalten.

Für Carol selbst überraschend, fühlte sich die Kränkung dieses Tages noch immer so frisch an, dass sich ihre Brust schmerzhaft zusammenzog. Aber sie schüttelte es ab. Um sich wieder zu sammeln, senkte sie den Blick auf ihre Füße.

Und das war der Moment, als sie einen kleinen weißen Umschlag mit Karte bemerkte, der aus einem der Bücher in ihrem roten Tragebeutel herausschaute.

Als langjährige Mitarbeiterin einer Firma für Grußkarten war es für sie nichts Ungewöhnliches, vereinzelt Karten in ihrem Aktenkoffer, Auto oder Apartment zu finden – Probestücke, Muster und Auslaufmodelle. Aber diese Karte steckte in einem Umschlag und schien absichtlich dort hineingesteckt worden zu sein. Carol hob den Blick, um zu sehen, ob eine der anderen Frauen es bemerkt hatte, aber diese waren dabei, Gabrielle zu gratulieren und sich auszutauschen. Und sie zu ignorieren.

Carol zog den Umschlag hervor, schob den Daumen unter die Lasche, riss das Kuvert auf und zog die Karte heraus.

Vorn auf der Grußkarte prangte ein frühes Frühlingsfoto mit dem ersten zarten Grün der Zwiebelblumen. Im Vordergrund glitzerte wirkungsvoll ein einzelner großer Eiszapfen. Sie öffnete die Karte und las den mit dem Computer gedruckten Satz innen.

Der Frühling kam, doch Carol Snow wollte immer noch nicht auftauen.

Eine Unterschrift gab es nicht.

Schmerz durchzuckte Carol, ließ ihre Haut brennen. Sie wusste, dass sie bei der Arbeit als kühl galt, wusste, dass die Leute sie als gefühllos und distanziert empfanden. Die Gedanken rasten ihr durch den Kopf, scannten die Gesichter und Namen der Kollegen: Wer von ihnen hatte sich wohl die Mühe gemacht, ihr die schriftliche Mitteilung ins Buch zu legen …

Und ihre Gedanken blieben an diesem Schuft Luke Chancellor hängen. Nicht um über die Boni zu sprechen, hatte er sie heute aufgehalten – er hatte auf eine Gelegenheit gewartet, ihr die Karte unterzuschieben. Wenn sie an seine letzte spitze Bemerkung dachte, leuchtete es ihr sogar noch mehr ein.

Sie sollten gelegentlich das wahre Leben ausprobieren, anstatt nur darüber zu lesen!

Tränen drängten ihr in die Augen, und irgendwas musste sie auch von sich gegeben haben, denn plötzlich drehten sich alle Anwesenden ihr zu.

„Carol, hast du etwas gesagt?“, fragte Page.

Alle schauten sie erwartungsvoll an, forderten sie stumm auf mitzumachen, sich der Gemeinschaft der sexuell aktiven Frauen anzuschließen. Carols Abneigung, an dem Verführungs-Experiment teilzunehmen, war ein unausgesprochenes, jedoch sehr reelles Problem für die anderen Frauen. Anfangs hatte sie es vor sich selbst damit gerechtfertigt, dass sie die anderen kaum kannte und ihnen insofern keine Rechenschaft schuldig war.

Aber im Laufe der monatlichen Meetings hatten sich die Dinge geändert. Carol fühlte sich diesen Frauen inzwischen so nah wie niemandem sonst in ihrem Leben, und sie wollte zu ihnen passen, wollte akzeptiert werden. Ihre Freude auf dem Parkplatz über Gabrielles fürsorgliche SMS bewies, dass sie diese Frauen und diese Treffen brauchte.

Und wenn sie bedachte, wie verräterisch sie heute auf Luke Chancellor reagiert hatte, musste sie zugeben, dass eine eventuelle Verführung ihre körperliche Entspannung begünstigen könnte. Doch wenn sie einen Mann verführte, würde nicht Verlangen in ihren Augen aufblitzen … sondern Rache. Rache dafür, wie Männer sie behandelt hatten, besonders James. Allerdings hatte es noch andere gegeben, die sie sich ohnmächtig hatten fühlen lassen … Männer wie Luke …

Es geschähe dem Schuft nur recht, wenn sie ihn erst verführen, dann fallen lassen würde … den Playboy mit den eigen Waffen schlug

„Ist alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich Cassie leise.

Carol befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge und nickte. „Ich habe nachgedacht …“

Weit aufgerissene Augen starrten sie an, Schultern wurden vorgebeugt. Alle Tapferkeit verließ Carol, hinterließ nur ein paar Schweißperlen, die zwischen ihren Brüsten hinabrannen.

„Ja, Carol?“, durchbrach Gabrielle die sofort eintretende Stille. „Was ist los?“

Ihr Puls galoppierte, doch sie konnte sich ein Lächeln abringen. „Ich habe beschlossen, es mit dem Verführ-Experiment mal zu probieren.“

Glückwünsche hallten durch den Raum, und ihre Buchclub-Kolleginnen lächelten glücklich. Sie schienen gleichermaßen erfreut wie überrascht. Carol fragte sich neugierig, was sie wohl für Gesichter machen würden, wenn sie ihnen erzählte, dass sie Sex dazu benutzen wollte, ihren verletzten Stolz zu rächen, zu demütigen, und hoffentlich ihrem Zielobjekt Schmerz zuzufügen. Bloß Gabrielle schien aus irgendeinem Grund reserviert, musterte Carol forschend über den Rand ihres Weinglases hinweg. Carol konnte der Frau nicht in die Augen sehen.

„Also, wer ist der glückliche Kerl?“, platzte Wendy heraus, förmlich auf ihrem Stuhl auf und ab hüpfend.

„Jemand, mit dem ich arbeite“, antwortete Carol betont lässig. „Sein Name ist Luke.“

„Klingt sexy“, kommentierte Jacqueline lächelnd.

„Er ist perfekt“, stimmte Carol zähneknirschend zu. Unter dem Tisch knüllte sie die Eiszapfen-Karte in ihrer Faust zu einer festen Kugel. Zu spät bemerkte sie, dass Gabrielle es mitbekommen hatte. Als sie dem Blick ihrer Organisatorin begegnete, sah Carol in den Augen der Frau etwas aufblitzen – Besorgnis?

„Eine Verführung gerade noch rechtzeitig zum Valentinstag“, redete Cassie weiter, nahm die Blicke, welche die beiden anderen Frauen tauschten, gar nicht wahr. „Hast du einen Plan?“

„Nicht wirklich“, gestand Carol. „Obwohl … es zeichnet sich die Möglichkeit einer Firmenparty ab.“

„Klingt vielversprechend“, sagte Wendy grinsend. „Vielleicht kannst du dich mit Luke in eine Abstellkammer verziehen.“

Die Frauen lachten und ließen die Packung Mandelkekse herumgehen, die Carol mitgebracht hatte. Zum ersten Mal fühlte sie sich vollkommen angenommen von ihren Buchclub-Kolleginnen. Als sie im weiteren Verlauf des Abends über die Titel für kommende Auswahlen sprachen, beteiligte sie sich an der Diskussion und fühlte sich akzeptiert. Auch wenn sie sich durchaus bewusst war, dass Gabrielle immer wieder einen nachdenklichen Blick auf sie richtete.

Nach dem Ende des Meetings begleitete Gabrielle sie nach draußen auf den Parkplatz. Ihr Atem bildete Wölkchen in der frostigen Winterluft.

„Es wird wirklich kalt“, sagte die Vorsitzende. „Ich habe was von einem Schneegestöber läuten hören.“

Carol lachte. „Ich glaube, es sind die Lebensmittelhändler, die diese Gerüchte jedes Jahr in die Welt setzen, damit die Leute zu ihnen kommen und Brot und Milch kaufen. In Atlanta schneit es nie.“

Gabrielle nickte, schien dann in sich zu gehen. „Ich muss gestehen, dass mich deine Kehrtwendung in Bezug auf das Verführungsexperiment überrascht. Warum hast du deine Meinung geändert, wenn ich fragen darf?“

Carol bemühte sich um ein lässiges Schulterzucken. Sie knüllte die zerknautschte Karte in ihrer Manteltasche so fest, dass ihr die Hand wehtat. „Ist das wirklich wichtig?“

„Nein“, räumte Gabrielle ein. „Mach dir einfach den Grund dafür klar, sonst bist am Ende womöglich du diejenige, die verletzt wird.“

„Das wird nicht passieren“, versicherte ihr Carol.

Gabrielle lächelte. „Dann tut es mir leid um Luke.“

Als die Frau ging, verabschiedete sich Carol mit einem mokanten Lächeln. Luke sollte wirklich jemandem leidtun. Denn genau der Amor in Tarnkleidung auf der Valentinskarte ihrer Assistentin würde auch Carol diesen Valentinstag keine Gefangenen machen.

3. KAPITEL

Carol saß in ihrem Auto auf dem Parkplatz vor ihrem Bürogebäude und hielt das kalte Lenkrad mit schweißnassen Händen fest umklammert. Sie schaute auf ihre Uhr und versuchte, dem Drang zu widerstehen, hineinzugehen. Um zehn vor acht hatte ihr Arbeitstag normalerweise schon lange begonnen, aber Luke Chancellor kam immer auf den letzten Drücker, also …

Als hätte sie ihn heraufbeschworen, sauste sein silberner BMW in ihr Blickfeld. Sie beobachtete sein Auto im Rückspiegel, achtete darauf, wo er parkte. Dann passte sie den Ausstieg aus dem Wagen zeitlich so ab, dass sie sich auf ihrem Weg ins Gebäude treffen mussten. Es war ein frischer Wintermorgen mit hinreichend Wind, um Carol unter ihrem Rock frösteln zu lassen. Sie bemühte sich, die Kälte zu ignorieren, ging langsamer, damit Luke sie einholen konnte. Leise pfeifend war er dabei, sich eine gelbe Krawatte unter den hochgeklappten Kragen seines weißen Hemdes zu binden. Als er sie sah, wurde er stutzig und drehte das Handgelenk, um auf seiner Uhr nachzusehen.

„Guten Morgen, Snow“, begrüßte er sie grinsend. „In zwei Minuten hätten Sie einen Verweis wegen Zuspätkommens erhalten.“

„Guten Morgen, Chancellor“, erwiderte Carol so nett, wie sie es in Anbetracht der Tatsache konnte, dass sie ihn wegen der Eiszapfen-Karte zur Rede stellen wollte, die er in ihr Buch gesteckt hatte.

„Wie war Ihr Buchclub?“

„Fein“, antwortete sie, während sie sich fragte, ob der Mann obendrein auch noch Gedankenleser war. Das Herz hämmerte ihr in der Brust. Wusste er, dass etwas anders war?

„Etwas ist anders“, merkte er an und musterte sie dabei von oben bis unten.

Sie erstarrte. „Was denn?“

„Sie tragen einen Rock.“ Er besah sich interessiert ihre Beine. „Hübsch.“

Nicht, dass sie es nicht als Kompliment empfand – sie wusste nur nicht, wie sie reagieren sollte, weil sie schon so lange kein Kompliment mehr von einem Mann bekommen hatte. „Danke … schön?“

Er sah sie schräg von der Seite an. „War das eine Frage?“

Verwirrt nickte Carol seinem offenen Kragen zu. „Keine Zeit gehabt, sich zu Hause anzuziehen?“

„Vielleicht war ich heute Morgen ja gar nicht zu Hause.“

Gerade wollte sie mit den Augen rollen wegen seiner Andeutung, die Nacht woanders verbracht zu haben, da erinnerte sie sich an einige strategische Tipps, welche die Frauen aus dem Buchclub ihr gegeben hatten: Zeig dich interessiert … stell Blickkontakt her … flirte … berühr ihn …

„Also … ähm … wo waren Sie?“, fragte sie und klimperte mit den Wimpern.

„Im Fitness-Club.“ Luke blinzelte irritiert. „Haben Sie etwas im Auge?“

„Äh, ja“, log sie und rieb gespielt mit dem Fingerknöchel darin.

„Lassen Sie mich das mal sehen.“ Er blieb stehen, um sich ihr zuzuwenden.

Überrumpelt von seiner plötzlichen Nähe sog Carol scharf die Luft ein, wobei ihr der Duft von Rasierschaum und Seife in die Nase stieg. Obwohl sie ihre High Heels trug, überragte Luke sie um einen Kopf. Die Spitzen seiner dunklen Haare waren noch feucht, ließen in ihrer Fantasie Bilder entstehen … mit ihm unter der Dusche im Fitness-Club … wie er seinen nassen, großen, muskulösen Körper überall einschäumte. Ganz steif wurde sie, weil sie alles anspannte, um die sexuellen Schwingungen abzuwehren, die er aussandte, während er in ihr gänzlich unversehrtes Auge starrte.

Es funktionierte nicht. Obwohl sie im kalten Wind stand, stieg ihre Körpertemperatur um einige Grade.

„Hm“, murmelte er. „Ich sehe nichts. Nein, Moment – da ist was.“

Sie fasste ihn scharf ins Auge. „Was denn?“

Er trat einen Schritt zurück. „Ein paar große, wunderschöne, grüne Augen.“

Sie wollte spöttisch auflachen, aber der Laut, der herauskam, klang wie … ein Seufzen! Prompt fiel Carol ein, dass sie ja von ihm schwärmen sollte. Das stete Vor und Zurück ihrer Gefühle überforderte sie.

Währenddessen schien Luke sich zu amüsieren. Unbeschwerten Schrittes ging er ihr voraus. Sie gab sich einen Ruck beschleunigte ihre Schritte, um mit ihm mitzuhalten, während sie auf das Foyer des Bürogebäudes zusteuerten. Eine leere Aufzugskabine stand mit geöffneten Türen bereit. Luke ging hinein und schaute fragend zu ihr. „Kommen Sie mit, oder nehmen Sie die Treppe?“

Jetzt machte er sich über sie lustig. Und Carol war so nervös, dass sie halbwegs gewillt war, ins Treppenhaus zu fliehen. Vielleicht war dieser Verführungsplan doch keine so wirklich gute Idee. Unter freiem Himmel dicht neben ihm zu stehen, war nervenaufreibend genug … sie war nicht sicher, ob sie dafür gewappnet war, mit ihm allein im Aufzug eingesperrt zu sein …

Jetzt ging eine andere Frau an ihr vorbei in den Aufzug. Das süße brünette Püppchen mit dem stylischen Messerhaarschnitt arbeitete im Marketing, erinnerte sich Carol. Die Frau ließ ein breites Lächeln für Luke aufblitzen – und die Türen glitten langsam zu. In letzter Sekunde schob Carol eine Hand dazwischen – und die Türen sprangen wieder auf. Sie trat herein und sah geradeaus nach vorn. Erst als sich die Türen schlossen, warf Carol schnell einen Blick auf ihr Spiegelbild und stellte dabei fest, dass es ganz und gar nichts Puppenhaftes noch Süßes hatte, wie sie ihre wüsten bronzefarbenen Haare nach hinten zusammensteckte.

Dieses Verführungsding machte sie zunehmend unsicher.

„Luke, haben Sie am Valentinstag schon etwas vor?“, wollte die junge Frau erwartungsvoll wissen.

„Ein Dinner mit einer ganz besonderen Lady“, gab er sich geheimnisvoll.

Carol konnte förmlich spüren, wie der Brünetten der Wind aus den Segeln rauschte, musste aber auch gestehen, dass sie selbst etwas getroffen war, dass Luke jemanden datete, aber immer noch wahllos flirtete. Sie wurde schmallippig. Umso wichtiger war es, ihm einen Dämpfer zu verpassen.

Auf der nächsten Etage stieg die Brünette aus, ließ sie allein auf der Weiterfahrt hoch ins zehnte Stockwerk. Und gleich danach langte Luke zu Carols Bestürzung an die Bedientafel des Lifts und drückte auf die Wahltasten für jedes einzelne Stockwerk.

„Was machen Sie da?“, entfuhr es ihr.

„Wollte mir nur ein paar Minuten verschaffen, um meine Krawatte zu Ende zu binden.“ Er griff sich lässig an den Hals und machte sich wieder an die Arbeit. „Also, ich schätze, ich werde wohl nie verstehen, warum Männer diese Dinger tragen.“

Die Aufzugtüren öffneten sich auf der nächsten Etage, während draußen gerade eine Frau vorbeilief, die hereinspähte und sie beide, weil keiner von ihnen ausstieg, mit einem seltsamen Gesichtsausdruck musterte. Die Türen glitten wieder zu, und Carol schaute zu Luke.

„Die Leute werden über uns reden.“

„Es wird Wunder wirken, was Ihren Ruf angeht … und meinen“, erklärte er freundlich. „Es ist doch eine Win-win-Situation.“

Carol spürte, dass etwas aus ihr heraussprudeln wollte, aber ermahnte sich, dass sie ja mit dem Mann flirten sollte. Der Aufzug fuhr weiter nach oben, aber öffnete und schloss erst auf jeder Etage einmal die Türen, ehe er seine Fahrt fortsetzte. Seit sie Luke auf dem Parkplatz abgepasst hatte, wusste Carol, dass sie die Zeit mit ihm allein jetzt nutzen sollte, aber sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Wie soll ich es machen?“, fragte er, während er sich den Schlips band.

Sie warf einen Blick herüber zu ihm und konnte sich ein Lächeln über den krummen Knoten nicht verkneifen. „Er sitzt schief.“

„Helfen Sie mir, Snow?“

Als Carol näher trat, überkam sie das Déjà-vu-Gefühl, James auch immer bei seinen Krawatten geholfen zu haben. Allerdings war das so lange her – wusste sie überhaupt noch, was zu tun war? Die Knotengröße hing stark davon ab, was in der aktuellen Mode gerade In und Out war, und es gab noch irgendwas mit einer Delle, die man in den Knoten drücken konnte.

Die reine Seide von Lukes senffarbener Krawatte fühlte sich zwischen ihren zittrigen Fingern samtig an. Und Carol konnte sein Herz durch den dicken Stoff seines Anzugs klopfen spüren. Während sie den Knoten zurechtrückte, schien sich ein elektrischer Impuls in ihre Fingerspitzen und auf ihren Arm zu übertragen. Sie begegnete Lukes dunklem Blick und meinte für einen Sekundenbruchteil, darin einen ebensolchen Anflug überraschter Verwirrung zu sehen, wie sie ihn in ihrem Magen flattern fühlte. Doch im nächsten Moment trat stattdessen ein neckendes Funkeln in Lukes Augen.

„Der Gedanke, dass Sie diese unanständigen Bücher lesen, hat mich die ganze Nacht wach gehalten. Ich habe den Eindruck, dass mehr in Ihnen steckt, als es den Anschein hat.“

Seine tiefe raue Stimme wirkte wie Sandpapier auf ihren Nerven, entlockte ihrem Unterleib Reaktionen, die dort schon lange vergessen gewesen waren. Carol lag es auf der Zunge, Luke zu fragen, was die Lady, die er am Valentinstag zum Dinner ausführen wollte, von dieser Bemerkung halten würde, aber sie biss sich darauf, um es nicht auszusprechen, und erinnerte sich noch einmal daran, dass sie so tun musste, als würde er ihr gefallen, wenn sie diesen Kerl verführen wollte, der die Mogelpackung Mann in Person war.

Also strich sie ihm mit der Hand über die Brust, befühlte die straffen Muskeln unter seinem Hemd und zauberte ein verführerisches Lächeln hervor. „Sie sind wie ein Hund, der bellend einem Auto hinterherjagt, Chancellor. Was machen Sie eigentlich, wenn Sie es tatsächlich einholen?“

Sein Kinn klappte nach unten, die Aufzugtüren machten „Ping“ und öffneten sich auf der Zieletage.

„Wir sehen uns dann beim Meeting“, verabschiedete sich Carol, machte auf dem Absatz kehrt und schritt davon.

Und war sich ziemlich sicher, dass er ihr noch hinterher starrte, als die Türen zuglitten.

Langsam atmete Carol aus. Sie hatte ja geahnt, dass sie nervös und unbeholfen darin sein würde, sich sexuell zu behaupten. Was sie aber nicht einkalkuliert hatte, war dieses Gefühl schierer weiblicher Macht. Es stachelte sie an, Luke Chancellor zu beweisen, dass sie nicht der Eisblock war, der er ihr vorwarf zu sein.

Sie würde ihn heißmachen und dann ausbrennen lassen.

„Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Ms Snow?“

Carol drehte sich beim Klang der Stimme um und sah sich ihrer Assistentin Tracy gegenüber.

„Guten Morgen. Ja, mir geht es gut. Warum fragen Sie?“

„Weil Sie verspätet sind.“ Die junge Rothaarige verengte die Augen.

„Ich bin nicht verspätet.“

„Für Sie ist es spät. Und sie haben einen roten Kopf. Fühlen Sie sich krank?“

Carol richtet sich kerzengerade auf. „Es geht mir gut. Haben Sie das Memo korrigiert, über das wir gesprochen haben?“

„Es liegt auf Ihrem Schreibtisch.“ Tracy folgte Carol in ihr Büro. „Möchten Sie einen Kaffee?“

Carol stellte ihren Aktenkoffer ab und blickte überrascht auf – Tracy hatte noch nie angeboten, ihr einen Kaffee zu holen. „Das wäre nett, wirklich, weil ich gleich zu einem Meeting muss.“

„Das Abteilungsleiter-Meeting, ja, ich weiß“, sagte Tracy. „Es kursiert das Gerücht, dass die Firma dieses Jahr vielleicht Boni verteilt!“

Carol runzelte die Stirn. „Sie sollten nicht auf den Kaffeeküchen-Klatsch hören. Die Idee wurde noch nicht einmal vor den Abteilungsleitern thematisiert. Und selbst wenn sie noch zur Sprache kommt, müsste die Entscheidung einstimmig gefällt werden.“

Mit zerknirschter Miene zog sich Tracy in das Vorzimmer zurück. Carol schaute durch ihre offen stehende Tür in das Großraumbüro, in dem die Mitarbeiter ihrer Abteilung untergebracht waren. Viele standen und unterhielten sich in erregter Körpersprache über die Trennwände ihrer Arbeitskabinen hinweg. Carol verfluchte Luke Chancellor leise – garantiert hatte er dieses Gerücht in der Hoffnung in Umlauf gebracht, die Mitarbeiter würden Druck auf ihre Chefs machen, damit sie die Boni bewilligten. Es war in höchstem Maße unverantwortlich, ein Schachzug, um ihn gut dastehen zu lassen. Und es ließ sie zwischen zwei Stühlen sitzen.

Wenn sie den Mann verführen wollte, musste sie mit ihm auf Schmusekurs gehen. Aber konnte sie ihre geschäftlichen Prinzipien zurückstellen und seine eigenmächtige Kampagne unterstützen, nur um ihre ultimative Rache zu nehmen?

Carol überflog das Memo, das Tracy korrigiert hatte und schüttelte den Kopf, als sie zwei neue Tippfehler entdeckte. Sie kringelte diese mit einem roten Marker ein, griff sich Block und Stift, verließ dann ihr Büro.

„Hier ist Ihr Kaffee, Ms Snow. Sie trinken ihn schwarz, oder?“

„Ja, danke.“ Carol nahm den Becher und übergab das Memo. „Versuchen Sie es noch mal, Tracy. Ich wünsche mir ein einwandfreies Exemplar auf meinem Schreibtisch, wenn ich vom Meeting zurückkomme.“

Tracy biss sich auf die Lippe. „Ja, Ma’am.“

Als Carol an den Bürokabinen ihrer Mitarbeiter vorbeiging, bemerkte sie, dass das aufgeregte Gequatsche leiser wurde. Man warf ihr verstohlene Blicke zu und tuschelte hinter vorgehaltener Hand. Sie hatte eine verdammte Wut auf Luke, weil er ihren Mitarbeitern solche Hoffnungen gemacht hatte. Das wurmte sie immer noch, als sie in den Sitzungssaal ging, in dem sich die anderen acht Abteilungsleiter versammelt hatten, abgesehen von einer bemerkenswerten Ausnahme – Luke. Die Gruppe hatte jeweils die Stühle an den beiden Tischenden freigelassen. In stillem Einvernehmen blieb dort stets ein Stuhl für die Person reserviert, die das monatliche Meeting leitete, und der andere für ihren Helden Luke, der wie immer verspätet hereinspazieren würde.

Weil Carol turnusmäßig an der Reihe war, das Meeting zu leiten, nahm sie auf einem der beiden Stühle Platz, machte Smalltalk mit ihren Kollegen und blickte auf die Tagesordnung, die ausgegeben worden war. Ein Briefing von Luke zum Vertrieb war angesetzt, aber die Boni wurden nicht erwähnt. Dennoch hatte Carol schon allein in den wenigen Minuten seit ihrem Eintreffen mehrmals gehört, wie das Wort geflüstert die Runde machte.

Der Mann hatte sein eigenes Netzwerk für Mundpropaganda-Marketing.

„Wollen wir anfangen?“, fragte Carol.

„Sollten wir nicht auf Luke warten?“, gab Teresa Maitlin, die Leiterin des Marketings, zu bedenken. Gerüchten zufolge waren sie und Luke befreundet gewesen … oder so was in der Art. Luke schien sich bewusst zu sein, welche Risiken und rechtlichen Fragen mit Dates am Arbeitsplatz verbunden waren und verkehrte daher nur mit Frauen auf seiner Hierarchieebene. Carol blickte in die Runde und stellte fest, dass sie wahrscheinlich die einzige Singlefrau und Abteilungsleiterin war, der keine Affäre mit Luke nachgesagt wurde. Müde fragte sie sich, ob eine dieser Frauen sein Valentinsdate war.

„Nein“, reagierte sie schließlich spitz und schaute über den Tisch zu einem weiteren Mitglied des Luke-Chancellor-Fanclubs Wurde verführt & wurde verlassen. „Janet, Sie sind zuerst dran, und ich möchte Sie bitten, uns ein Update über die Entwicklungen in der Design- und Kreativabteilung zu geben.“

Janet übernahm das Wort und reichte Muster von Mystic-Touch-Karten herum, die im weiteren Jahresverlauf zu Anlässen wie Halloween, Thanksgiving und Weihnachten aufgelegt werden sollten. „Wir erweitern unser Programm um bewährte Designs, die Kunden richtig ansprechen, nehmen auch Motive aus dem Bereich des Militärs und der Popkultur, etwa der Musik.“ Janet blickte auf den immer noch freien Stuhl. „Ich bin mir sicher, Luke wird Sie ausführlich über die Topseller der Saison informieren.“

Carol stieß einen Laut des Bedauerns aus. „Ich bin sicher, dass er das wird, wenn er denn kommt.“

„Es muss ihm etwas dazwischen gekommen sein“, brachte jemand vor.

„Richtig. Und wir übrigen warten ja gern“, kommentierte Carol kühl. Sie kehrten zur Tagesordnung zurück und machten weiter bis zu dem Punkt, an dem Luke das Wort übernehmen sollte, der immer noch nicht aufgetaucht war.

„Tja, schätze, das war’s“, bemerkte Carol, froh die Idee mit den Boni wieder fallen lassen zu können, ehe sie überhaupt angesprochen worden war.

Da sprang die Tür auf, und ein gigantisches Bukett herzförmiger roter Helium-Ballons schwebte herein. Darunter erkannte Carol ein Paar langer Beine. Die Laune von Carol trübte sich. Alle lachten, als Luke herumging und die lustigen Ballons verteilte.

Carol nahm nur widerstrebend einen, denn sie wusste ja, dass sie und die anderen manipuliert wurden. Luke zwinkerte ihr dabei so vertraulich zu, dass sie ihn am liebsten mit der Ballonschnur in ihrer Hand stranguliert hätte.

„Fühlt es sich nicht gut an, etwas aus heiterem Himmel geschenkt zu bekommen?“, wandte sich Luke an die Anwesenden.

Während Carol versuchte, nicht mit den Augen zu rollen, stimmten alle anderen unisono zu.

„Und wir als Grußkarten-Firma, geht es uns nicht gerade darum? Um die Freude, etwas unerwartet geschenkt zu bekommen?“

Seine Fangemeinde jubelte. Carol konnte bei dem Spektakel nur große Augen machen. Der Mann war ein Hypnotiseur.

„Deshalb schlage ich vor …“, fuhr er mit einem vereinnahmenden Lächeln fort, „dass wir den Valentinstag, als Tag mit unserem größten Jahresumsatz, am kommenden Freitag mit einer spontanen Firmenparty feiern. Da er nicht mit einem religiösen Feiertag verknüpft ist, müssen wir uns keine Gedanken darüber machen, ob wir jemandem damit zu nahe treten, oder ob wir politisch korrekt sind – unsere Mitarbeiter können einfach nur ihren Spaß haben.“

Nachdem alle nickten und lächelten, wusste Carol, dass die Party beschlossene Sache war. Und wenn auch die Pragmatikerin in ihr keine Ruhe gab: Ganz insgeheim dachte sie, dass es vielleicht schon Spaß machen könnte.

„Vorausgesetzt, wir setzen dafür ein angemessenes Budget an“, warf sie ein.

Luke lächelte sie an. „Ich dachte, das überlasse ich der Leiterin der Finanzabteilung. Und wo wir gerade beim Thema sind, ich würde gern vorschlagen, jedem Mitarbeiter tausend Dollar Bonus zu zahlen.“

Carol schnappte nach Luft, und sämtliche widerstreitenden Gefühle zwischen „Lukes Idee unterstützen“ und „Luke verführen“ verflogen. „Eine halbe Million an Boni? Das ist ungeheuerlich.“

„Alles andere wäre eine Beleidigung“, konterte Luke. „Wir haben einen Rekord-Jahresumsatz erzielt.“

„Nur ein einziges Jahr!“, hielt Carol dagegen. „Nächstes Jahr kann das ganz anders aussehen. Wäre es nicht besser, dieses Geld in einen neuen High-End-Farbdrucker zu investieren oder in eine Spitzen-Schneidemaschine? Meiner Abteilung würde es etwas bringen, wenn auf jedem Schreibtisch neue Computer stünden. Eventuell könnten wir auch die Gesundheitsvorsorge unserer Mitarbeiter mehr fördern?“

Luke schüttelte den Kopf. „Das ist alles nichts Greifbares. Warum geben wir nicht unseren Werktätigen das Geld, damit sie es so ausgeben können, wie es ihnen passt?“

„Weil das keine kluge Investition ist.“ Carol verschränkte die Arme. Was noch provozierender gewesen wäre, hätte diese Aktion nicht ihren herzförmigen Helium-Ballon dazu bewegt, ihr an die Nase zu stupsen. Sie schlug gegen den Ballon und verlor dabei die Schnur aus der Hand. Er stieg an die Decke, wo er gegen eine heiße Lampe stieß und zerplatzte.

Alle sprangen auf.

„Ja, hm, also …“, fuhr Carol fort, „zugegeben, der Gedanke einer Firmenparty hat was für sich – wenn wir etwas vor Ort machen, wäre es wohl erschwinglich, und jeder könnte es genießen. Aber ich bin nicht überzeugt, dass Mitarbeiter-Boni das Sinnvollste sind, um eine halbe Million Dollar auszugeben.“

Janet biss sich auf die Lippe und bedachte Luke mit einem Achselzucken. „Carol hat nicht ganz Unrecht, Luke. Das Votum muss einstimmig sein, und wenn es um finanzielle Angelegenheiten geht, folge ich immer Carols Vorgabe.“

Luke nickte, klatschte in die Hände. „Da wir uns über die Party alle einig sind, warum fangen wir nicht mit der Planung dafür an, und denken noch mal in Ruhe über die Boni nach?“

Carol verengte die Augen. Das hieß, ihn in Ruhe seine Kampagne zur Unterstützung der Boni führen zu lassen.

„Wir könnten am Freitagmorgen wieder zusammenkommen“, ergänzte er und fasste Carol scharf ins Auge. „Wenn wir uns an diesem Vormittag darauf verständigen, einen Bonus zu zahlen, könnten wir im Anschluss die Schecks noch rechtzeitig drucken, um sie den Mitarbeitern auf der Party am Nachmittag auszuhändigen?“

Carol spitzte die Lippen. „Wenn wir uns darauf verständigen, wäre das wohl möglich.“

„Okay.“ Luke grinste. „Lasst uns Party machen!“

Das Meeting wurde beendet, und Carol staunte nur, wie sich alle zu Luke hingezogen fühlten. Angeregt unterhielt er sich mit Teresa, der Leiterin des Marketings, deren Team für Mitarbeiter-Events zuständig war und die Party koordinieren wollte. Unterdessen wanderten Carols Gedanken zurück zu dem Moment am Morgen, als sie im Aufzug Lukes Krawatte zurechtgerückt hatte. Für einige Sekunden hatte sie etwas zwischen ihnen gespürt, war für Augenblicke … beinahe begeistert gewesen, ihn zu verführen. Allerdings musste sie jetzt zu ihrem Leidwesen ein bisschen gestehen – obwohl sie wusste, ihrem Gewissen nach die richtige geschäftliche Entscheidung getroffen zu haben – dass sie sich gelegentlich ausmalte, was hätte sein können. Sicher, sie hatte ihn nach der Verführung abservieren wollen … aber währenddessen hätte sie vielleicht doch ihren Spaß dabei gehabt…

Luke lenkte seinen Blick zu ihr, über die Köpfe der anderen hinweg und mit einem besitzergreifenden Ausdruck in den Augen, der Carol einen Pfeil der Sehnsucht direkt zwischen die Schenkel sandte. Sie musste an den Spruch Kapitulation ist daher deine einzige Chance.“ auf der Cartoon-Karte denken, denn Luke schaute sie an, als wäre sie der Hügel, den er erstürmen wollte.

Sie kannte diesen Blick: Luke wollte sie wegen der Mitarbeiter-Boni umstimmen. Die Frage war: Wie weit wollte sie, dass er ginge, um sie umzustimmen?

Dadurch, dass sie seinen Vorschlag ablehnte, hatte sie das Verführungsvorhaben umgedreht. Wer würde jetzt wen verführen?

4. KAPITEL

Am folgenden Morgen, Donnerstag, fuhr Carol zu ihrer üblichen Zeit auf den Parkplatz, so früh, dass noch niemand außer dem Wachschutz arbeitete. Allerdings erspähte sie noch ein anderes Auto auf dem Parkplatz – einen silberfarbenen BMW – und lächelte süffisant, als sie Luke herauskommen, ein Gähnen unterdrücken und in ihre Richtung hasten sah. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er mit den Vögeln aufgestanden war, um seinen Versuch zu starten, sie rumzukriegen.

Es war ein frostiger stiller Morgen, ihre Augen und Nase schmerzten, so kalt war es. Carol ließ den Blick zur aufgehenden Sonne hochwandern und entdeckte dort einen unheimlichen rötlichen Farbton, der wie Blut am Horizont aussah. Die seltsame Schattierung des Winterhimmels hinterließ bei ihr eine bange Vorahnung, die sie jedes Jahr um diese Zeit überkam. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie konnte es kaum erwarten, einen weiteren Valentinstag hinter sich zu lassen.

Ihr Mobiltelefon summte, eine SMS. Carol ging langsamer, um das Handy aus ihrer Handtasche zu ziehen und sah auf das Display. Die Nachricht stammte von Gabrielle Pope.

Spüre, es läuft nicht alles gut, hoffe, ich irre mich … lass es mich wissen, wenn ich helfen kann.

Carol kniff verwirrt die Augen zusammen. Wie konnte Gabrielle nur wissen, dass sie bei ihrer Verführung von Luke an etwas gescheitert war?

Der Erwähnte sprang mit einem Satz neben sie. „Guten Morgen, Snow.“

Carol war schon verwirrt über die SMS von Gabrielle. Noch mehr aber verunsicherte es sie, dass ihre sämtlichen Vitalfunktionen verrücktspielten, als sie Luke in seinem anthrazitgrauen Anzug, mit weißem Hemd und lindgrüner Krawatte sah. Flüchtig fragte sie sich, welche Aktivität unter freiem Himmel den Mann so gebräunt und männlich aussehen ließ.

Und wann sie so empfänglich für seine körperlichen Attribute geworden war.

„Ist das eine Morgen-Message von Ihrem Lover?“ Er spähte auf ihr Handy.

Sie presste es gegen die Brust. „Nein.“

„Keine Message oder kein Lover?“, stichelte er.

Carol runzelte die Stirn. „Sie sind früh dran, Chancellor.“

Er lächelte. „Das liegt daran, dass ich die ganze Nacht an Sie denken musste und nicht schlafen konnte, Snow.“

Sie verzog den Mund. „Werden Sie es nicht leid, diesen Satz wieder und wieder zu sagen?“

„Genauer gesagt, vor lauter Nachdenken darüber, was Sie gestern beim Meeting über den Bedarf an neuen Computern in Ihrer Abteilung andeuteten. Ich hätte da vielleicht eine Lösung.“

Sie sah ihn von der Seite an, während er ihr die Tür aufhielt. „Ich höre.“

„Es ist besser, wenn ich es Ihnen zeige“, erklärte er auf dem Weg zum Aufzug. Und reagierte mit einem diabolischen Lächeln auf ihren argwöhnischen Blick. „Vertrauen Sie mir.“

Carol schaute weg. Sie vertraute weder ihm, noch sich selbst. Zum Geier mit der ganzen Verführung nach Lehrbuch, die Gabrielle vorgeschlagen hatte. Vor dem Buchclub war Carol zufrieden mit ihrem Leben ohne Sex gewesen. Sie hatte ihre Energie auf ihre Karriere konzentriert und sich selbst überzeugt, keinen Mann zu brauchen. Aber seit die Idee, Luke zu verführen, in ihr gewachsen war, hatte der sexy Kerl ihre Gedanken und ihre Träume gekapert.

Zur Erinnerung und Mahnung daran, wie sehr sie ihn verachtete, strich Carol mit den Fingern über die zerknüllte Eiszapfen-Karte, die sie in ihrer Manteltasche gelassen hatte. Luke war doch einfach nur nett zu ihr, weil er wollte, dass sie sein Boni-Vorhaben unterstützte, wenn es morgen beim Geschäftsführungs-Meeting wieder zur Sprache kam.

Männern. Konnte. Nicht. Vertraut. Werden.

Sie betraten den Aufzug und Luke drückte auf die U-Taste für das Untergeschoss.

„Wo fahren Sie mit mir hin?“, fragte sie.

„Das werden Sie schon sehen“, antwortete er augenzwinkernd.

Er war so lässig, so selbstsicher. Der Mann trägt nie einen Aktenkoffer oder einen Laptop, stellte Carol gereizt fest. Verglichen mit ihm kam sie sich vor wie die Streberin, die allabendlich fleißig alle Bücher mit nach Hause schleppte, neben dem Überflieger-Student, der nie lernte.

Die kurze Fahrt mit dem Aufzug schien ewig lang zu sein. Carol schaute nach oben, nach unten, irgendwohin, nur um nicht zu Luke zu schauen und darauf zu achten, wie perfekt sein Jackett seine breiten Schultern modellierte.

„Also haben Sie sich gestern Abend mit einem Buch ins Bett verzogen?“, wollte er plötzlich wissen.

Sie spannte sich an. „Warum interessieren Sie sich für meine Bettlektüre?“

„Mich interessiert alles an Ihnen, Carol, aber Sie sind nicht die einfachste Person, wenn es ums Kennenlernen geht.“

Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Er klang fast … aufrichtig. Sein Blick war intensiv. „Vergessen Sie die Bücher, die Sie lesen“, sagte er leise. „Erzählen Sie mir Ihre Geschichte. Warum sind Sie so kratzbürstig?“

Sie reagierte entrüstet – wer war er, dass er sich anmaßte, über sie zu urteilen? „Dass ich immun gegen ihren Charme bin, Chancellor, heißt noch lange nicht, dass mit mir etwas nicht stimmt.“

Er beugte sich so nah heran, dass sie einzelne Wimpern in seinem dichten dunklen Wimpernkranz erkennen konnte. „Ich glaube nicht, dass Sie so immun sind, wie Sie tun, Snow. Ihr Mund sagt das eine, aber die Farbe Ihrer Wangen sagt etwas völlig anderes.“

„Sie wissen nicht, was Sie reden“, widersprach Carol, aber ihre Widerworte klangen kraftlos, selbst in ihren Ohren. Sie wurde rot. Als sich die Aufzugtüren öffneten, stürzte sie fast heraus, um seiner Nähe zu entkommen. Sie wollte, dass ihr Puls langsamer wurde, ihre Brüste und ihre Schenkel die lockenden Pheromone ignorierten, die dieser Mann so wahllos aussandte wie einst der legendäre Pionier Johnny Appleseed, der während der amerikanischen Kolonialzeit überall, wo er hinkam, ein duftendes Apfelbäumchen gepflanzt hatte.

„Hier werden wir übrigens die Party veranstalten“, unterbrach Luke ihre Gedanken, als sie eine große Freifläche betraten. Am anderen Ende lagen die Büros der Mitarbeiter, die für die Beaufsichtigung der riesigen Drucker und anderen Teile der im Untergeschoss befindlichen EDV-Anlagen zuständig waren. Einer der Mitarbeiter hob die Hand und winkte durch das Fenster der Bürotrennwand, und Luke winkte zurück. Er schien hier jederzeit freien Zutritt zu haben.

Carol folgte ihm, als er sich abwandte und in einen dunklen Flur abbog, der ins Nichts zu führen schien. „Haben Sie vor, mich aus dem Weg zu schaffen, damit Sie hinsichtlich der Boni bei den anderen Abteilungsleitern freie Bahn haben?“

Sein Lachen hallte durch den leeren Raum. „Nein. Ich habe einen besseren Plan.“ Er blieb stehen und knipste ein Licht an, das eine nichtssagende Tür erhellte. Er gab einen Code in ein kleines Bedienfeld ein, der einen Klick auslöste und stieß die Tür auf. „Nach Ihnen.“ Er signalisierte ihr mit der Hand, voranzugehen.

Carol war skeptisch, aber die Neugier überwog. Sie betrat den großen Lagerraum, der voll mit Möbeln und Computergeräten war.

Und es waren schöne Sachen dabei – Schreibtische aus Holz und Sideboards, verglaste Bücherschränke, Flachbildschirme, PC-Tower und schmale Laptops. Es gab lederne Schreibtischstühle, Farbdrucker, Scanner, kabellose Tastaturen, Webcams, und mehr.

Sie ging hinein, um die endlosen Reihen an Möbeln und beladenen Regalen zu überblicken. Luke folgte ihr, und die schwere Tür fiel hinter ihnen zu.

„Wo sind wir hier?“, fragte sie.

„Hier werden Ladenhüter und Gebrauchtes gelagert.“

„Aber wo stammt das alles her?“

„Das meiste vom Verkaufsteam im Außendienst.“

Das Kinn klappte ihr nach unten. „Sämtliche Möbel und Geräte, die hier langsam verstauben, sind schöner als alle, über die meine Mitarbeiter tagtäglich verfügen! Warum wusste ich nichts von diesem Raum?“

„Jetzt … wissen Sie davon.“

Carol stellte ihren Aktenkoffer und ihre Handtasche ab und sah sich staunend um. „Was ist das, eine Art Firmengeheimnis?“

„Ich würde es kein Geheimnis nennen“, gab er sich ausweichend. „Genau genommen gehört das ganze Equipment hier der Vertriebsabteilung.“

Sie wusste besser als jeder andere, dass der Vertrieb immer den Löwenanteil des Verwaltungsetats beanspruchte – ein Etat, den man stark erhöht hatte, seit Luke Geschäftsführer war. Um die besten Talente zu holen, hatte er den Vorstand überzeugt, zusätzliches Geld für Provisionen und Vergünstigungen wie Spitzencomputer und Sonderspesen bereitzuhalten. Die Mehrausgaben hatten sich als eine gute Investition erwiesen, ja, aber hatten auch andere Mitarbeiter verärgert. Carol schob das Kinn vor.

„Also sind wir nur hier unten, damit sie darauf herumreiten können?“

Luke drehte sich zu ihr, und ihr wurde plötzlich bewusst, wie verletzlich sie war – allein hier mit ihm. Sie hatte keine Angst vor ihm, nur Angst vor seiner Wirkung auf sie. In seiner Nähe wurde ihre Atmung flach, und ihre Brustwarzen wurden hart. Sie war froh, dass ihr Wintermantel ihre Reaktion verbarg, aber die Art, wie er sie ansah, fast so, als wüsste er, welche Wirkung er auf sie hatte, war nervenaufreibend. Seine frühere Bemerkung, dass ihre Körpersprache sie verriet, ließ sie sich sogar noch schutzloser fühlen.

„Wo Sie denn darauf herumreiten wollen?“, raunte er.

Carol versuchte, eine entrüstete Entgegnung zu formulieren, aber die zornigen Vokabeln wollten ihr irgendwie nicht einfallen. Nicht einmal, als Luke mit beiden Händen ihre Taille umfasste, sie förmlich einsperrte zwischen dem Regal in ihrem Rücken und seinem großen Körper. Stattdessen schien es, als würde ihr Wille, ihm zu widerstehen, ihren Körper verlassen. Langsam hob Carol den Blick, ließ ihn hochwandern über seine breite Brust, seine schiefe Krawatte, das kantige Kinn, den sinnlichen Mund und die ausgeprägte gerade Nase zu diesen unglaublich braunen Augen, die sie wie magnetisch anzuziehen schienen. Ob die Apparate im Raum elektrische Ströme freisetzen? fragte sie sich, denn die wenige Luft zwischen ihnen knisterte ziemlich.

Sie merkte, dass er sie küssen wollte, und sie wollte ihn nicht aufhalten. Als sich Lukes Mund ihrem näherte, sagte sie sich, dass ich ja ohnehin geplant hatte, ihn zu verführen, oder nicht? War es da nicht egal, wer führte und wer folgte?

Plötzlich wich Luke mit bleichem Gesicht zurück. „Tut mir leid, ich …“ Er richtete sich auf und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. „Carol, ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Es ist irgendwie …“ Er schaute sich um, als würde ihm erst jetzt klar, wo sie sich befanden, machte einen Schritt nach hinten und musterte sie von oben bis unten. „Ist alles in Ordnung?“

Sie nickte, obwohl Wut in ihr aufkeimte. „Es geht mir gut, Chancellor. Bringen Sie alle ihre Eroberungen hierher?“

„Wie bitte? Aber nein. Ich habe nie …“ Er brach ab und hob die Hände. „Ich bitte um Entschuldigung – ich habe den Kopf verloren.“ Er räusperte sich und schien sich zu sammeln. „Es ist doch alles okay zwischen uns, oder?“

Carol glühte vor Scham, weil sie diesen Kuss so sehr gewollt hatte. Sie sollte froh sein, dass Luke sich hatte beherrschen können. Stattdessen hatte er in ihr das Gefühl hinterlassen, dass ihr etwas gestohlen worden war. Alte Gefühle der Zurückweisung kamen wieder in ihr hoch, erschütterten sie. Sie schob die zitternden Hände in die Taschen ihres Mantels und stieß auf die zerknüllte Karte, eine weitere Mahnung daran, dass Luke mit ihr spielte, und sie war darauf hereingefallen.

„Sagen Sie mir jetzt, warum sie mich hierher gebracht haben?“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor.

Er kratzte sich am Kopf, als hätte er es vergessen. „Ich wollte Ihnen helfen, ähm, alles mitgehen lassen, was Ihre Abteilung so an Equipment braucht.“

Carol zögerte. Ihr erster Impuls war – jetzt erst recht – alles abzulehnen, was er anbot. Aber die praktische Seite in ihr konnte nicht leugnen, dass ihre Mitarbeiter gutes Equipment brauchten, und verstand es als Büroklüngel. Luke hatte etwas, das sie benötigte und wollte es ihr schenken. Was die Frage der Boni anging, würde sie deshalb nicht für ihn Partei ergreifen, aber warum sollte sie nebenbei nicht etwas für ihre Leute herausschlagen?

„Okay“, lenkte sie ein. „Wie machen wir das?“

„Heute muss ich noch helfen, einiges für die Party morgen zu organisieren. Treffen wir uns dann nach Feierabend wieder hier?“

Alarmglocken schrillten ihr im Kopf. Nach Feierabend … allein … in einem geschlossenen Raum. Gefahr! Gefahr!

Luke hob die Hände. „Ich verspreche, mich von meiner besten Seite zu zeigen.“

„Okay“, hörte Carol sich sagen. Aber dieses Gefühl der Enge in der Brust, als er ankündigte, sich gut zu benehmen, war das Erleichterung – oder Enttäuschung?

5. KAPITEL

Egal, wie sehr Carol versuchte, ihre Gedanken und ihre Hände zu beschäftigen um das Meeting nach Feierabend mit Luke auszublenden: Der Arbeitstag kroch nur so dahin. Im Gegenzug sprühte ihr Körper nur so vor Energie. Sie erklärte es sich so, dass sie wohl einfach nur nervlich angespannt war, auf unkonventionelle Weise das Firmenvermögen umzuverteilen. Doch Lukes Beinahe-Kuss am Morgen hatte sie den ganzen Tag verfolgt – sie konnte fast noch seine Lippen auf ihren spüren. Warum hatte er plötzlich ein Gewissen entwickelt? Offensichtlich würde sie die Kontrolle übernehmen müssen, wenn es zu dieser Verführungsgeschichte kommen sollte. Sie würde einmal mit ihm Sex haben und dafür sorgen – weil sie jetzt so belesen war im erotischen Liebesspiel – dass es die heißeste Begegnung seines Lebens wurde. Und im richtigen Moment würde sie ihn wissen lassen, dass sie wusste, dass er ihr die Eiszapfen-Karte zugesteckt hatte, und ihm dann sagen, dass er verschwinden sollte.

Schließlich sprangen die Zeiger der Uhr auf ihrem Schreibtisch auf siebzehn Uhr. Bereits im Mantel und den Aktenkoffer in der Hand, ging Carol aus ihrem Büro.

Ihre Assistentin Tracy ließ die Augenbrauen nach oben schnellen. „Sie gehen nach Hause?“

„So ist es“, antwortete Carol und biss sich auf die Zunge, um sich davon abzuhalten, eine unnötige Rechtfertigung hinzuzufügen.

„Es ist erst siebzehn Uhr. Ist jemand gestorben?“

Carol presste die Lippen zusammen. „Nein.“ Sie reichte Tracy die letzte Version des Memos, diesmal mit vier rot eingekreisten Fehlern. „Noch mal, bitte.“

Tracy seufzte. „Ja, Ma’am.“

Carol schaute in das Großraumbüro, in dem ihre Mitarbeiter an veralteten Computern arbeiteten, von denen einige gemeinsam genutzt werden mussten. Eine Situation, für die sie ja bald Abhilfe zu schaffen hoffte. Bevor sie sich abwandte, bemerkte sie, dass einige Personen in ihre Richtung starrten, und anschließend wissende Blicke tauschten. Allerdings hatten ihre Mitarbeiter schon den ganzen Tag einen weiten Bogen um sie gemacht, wenn sie es sich jetzt recht überlegte …

Sie wandte sich wieder ihrer Assistentin zu. „Tracy, geht hier irgendwas vor, dass ich wissen müsste?“

Die junge Rothaarige bewegte den Mund hin und her, als wollte sie abwägen, ob sie ehrlich sein sollte. „Na ja, in der Kaffeeküche geht das Gerücht um, Sie würden sich querstellen, dass alle Boni bekommen.“

Carol ließ die Schultern sinken, als ihr klar wurde, dass die kollektive Feindseligkeit gegen sie gerichtet war. Sie war ziemlich überrascht, wie weh die Erkenntnis tat, und ihr Tonfall verschärfte sich. „Ich glaube, das Geld ist besser angelegt, wenn es in die Firma investiert wird. Auf lange Sicht werden wir alle mehr davon profitieren.“

Tracy verzog ihren Mund. „Ich werde das Memo bis morgen früh überarbeitet haben und Ihnen wieder auf den Schreibtisch legen, Ms Snow.“

„Danke. Schönen Abend noch.“

Als Carol hinausging, spürte sie, wie sich ihr die bösen Blicke heiß in den Rücken bohrten. Als leitende Finanzmanagerin der Firma war es allerdings ihr Job, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Sie konnte nur hoffen, dass das neue Equipment dabei half, den Zorn abebben zu lassen.

Tapfer ertrug sie den berüchtigten Rushhour-Verkehr von Atlanta und vertrieb sich ihre Zeit im Stau damit, die mächtige drückende Schwere der Farbpalette des Himmels zu betrachten – Rot- und Orangetöne. Ein Omen für schlechtes Wetter? Was auch immer der Anlass war, es beunruhigte sie aus einem Grund, den sie nicht genau sagen konnte.

Zu Hause angekommen, zog sie sich langsam aus und wieder an, beäugte kritisch ihre seichten Kurven, was sie schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht hatte. Seit ihrer Trennung von James hatte sie sich ein paar Blind Dates aufschwatzen lassen, aber sie war mit niemandem intim geworden. Wenn der entscheidende Augenblick mit Luke kam, wusste sie hoffentlich noch, wie es ging.

Eins war sicher – sie würde stark auf ihren neusten Lesestoff für den Buchclub zurückgreifen müssen.

Plötzlich musste Carol an die SMS von Gabrielle denken. Sie hatte nicht geantwortet, und jetzt sah sie sich dazu genötigt, wenn auch nur, um ihre wohlmeinende Buchgefährtin davon abzuhalten, sich einzumischen. Carol zog ihr Handy heraus und tippte auf den Touchscreen: Danke der Nachfrage, aber alles läuft wie geplant.

Sie drückte auf „Senden“ und biss sich wegen der Notlüge auf die Lippen, doch sie kannte Gabrielle gut genug, um zu wissen, dass die Gute sich sonst Sorgen machen würde.

Als sie zur verabredeten Zeit zurück zum Büro fuhr, fühlte sich Carol wie ein Einbrecher, der sich ins Gebäude schlich, nachdem die meisten Leute bereits nach Hause gegangen waren. Sie winkte dem Mann vom Wachschutz zu, fuhr schließlich mit dem Aufzug ins Untergeschoss. Beim Aussteigen kam ihr der höhlenartige Raum dunkler vor als am Vormittag. Nur in der Hälfte der Büros auf der anderen Seite brannte noch Licht. Sie konnte kaum erkennen, wo sie hintrat.

„Luke?“, flüsterte sie. „Sind sie hier?“ Sie drehte sich um und stieß gegen eine Wand … mit Armen. Sie stolperte nach hinten, aber er streckte die Hände aus und gab ihr Halt.

„Ich hab Sie“, raunte Luke dicht an ihrem Ohr.

„Warum haben Sie nichts gesagt?“, zischte Carol.

„Ich dachte, wenn ich ruhig wäre, würden Sie vielleicht ein bisschen herumtasten.“

Langsam stellten sich ihre Augen auf die Dunkelheit ein, und sie konnte den Schalk in seinen Augen aufblitzen sehen. Geheime Stellen ihres Körpers reagierten empfindlich, ließen sie sich schutzlos ausgeliefert fühlen. Er neckte sie, und sie schmolz wie Wachs.

„Sollten wir nicht anfangen?“, stieß sie hervor, und versuchte, wieder die Oberhand zu gewinnen.

„Ja.“ Er klang wie ein kleiner Junge, der getadelt worden war. „Hier entlang.“

Er nahm sie an der Hand und führte sie in den Gang. Seine Finger um ihre fühlten sich warm und stark an, ließen ihre Gedanken umherschweifen und fantasieren, wie sich seine Hände auf ihrem nackten Körper anfühlen würden. Carol tastete mit der freien Hand an der Wand entlang. „Könnten wir Licht anmachen?“

„Ich möchte lieber niemanden auf unsere kleine geheime Mission aufmerksam machen.“

Sie folgte ihm, bis er stehen blieb. Er ließ ihre Hand los, um den Schlüsselcode einzugeben, und ein Klicken erklang. Luke nahm sich wieder ihre Hand und zog Carol in den Raum, und als die Tür zuging, machte er die Lampen an.

Davon geblendet blinzelte Carol einen Moment, während Luke einen leisen Pfiff ausstieß. Ihr Blick schärfte sich wieder, und sie merkte, dass er sie ansah. „Sie tragen Ihr Haar jetzt offen. Gefällt mir.“

Verlegen kämmte sie sich mit den Fingern durch die widerspenstigen Strähnen. „Danke.“

„Und, wow, ich glaube, ich habe Sie noch nie in etwas anderem als Hosenanzug oder Kostüm gesehen, Snow. Hübsch.“

Sie trug eine schwarze Jeans, einen schwarzen Rollkragenpullover, eine schwarze Fliegerjacke und schwarze Stiefel. Sein Kompliment erfüllte sie mit Zufriedenheit, auch wenn sie bemüht war, es sich nicht anmerken zu lassen. „Entgegen der landläufigen Meinung habe ich einen Schrank voller Kleider und ein Leben außerhalb des Büros.“ Carol machte eine nickende Kopfbewegung zu Luke und seinem Outfit. „Sie sehen auch bequemer angezogen aus als bei unserer letzten Begegnung.“

Faktisch sah Luke atemberaubend attraktiv aus in seinen dunklen Jeans, robusten Sportschuhen und einem roten V-Pullover über einem weißen T-Shirt. Er lächelte und nickte – und beugte sich vor. „Interessante Ohrringe.“

„Danke.“ Carol griff sich an ihr Ohrläppchen und strich mit den Fingern über die baumelnden Zylinder aus Sterlingsilber mit eingefassten Smaragden. James hatte sie ihr geschenkt. Er hatte gesagt, Smaragde seien die „Edelsteine des Liebesglücks“. Was für ein bodenloser Mist. Carol hatte sie heute Abend angelegt, um sich zu ermahnen, dass Männern nicht vertraut werden konnte. Sie würde Luke dazu benutzen, das von ihm zu bekommen, was ihre Mitarbeiter brauchten, aber sie machte sich über seine Motive, warum er ihr half, keine Illusionen.

„Haben Sie eine Liste mitgebracht?“, unterbrach er ihre Gedankengänge.

Autor

Stephanie Bond

Das erste Buch der US-amerikanischen Autorin Stephanie Bond erschien im Jahr 1995, seitdem wurden über 60 Romane von ihr veröffentlicht. Ebenfalls schrieb sie Bücher unter dem Pseudonym Stephanie Bancroft. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, beispielsweise erhielt sie 2001 den RITA-Award. Im Jahr 1998 bekam Stephanie Bond den “Career Achievement...

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Jo Leigh

Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...

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