Tiffany Sexy Band 91

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LÜGEN, SEX UND ADRENALIN von YARDLEY, CATHY
Oh, wie gern würde er sie auf ihrem Designer-Sofa verführen! Aber unmöglich: Lincoln soll die bildhübsche Juliana bei ihrer Aufnahmeprüfung im legendären Player’s Club begleiten. Da muss er sich beherrschen. Wenn das bei dem It-Girl bloß nicht so verteufelt schwer wäre …

BRUCHLANDUNG AUF LOVE ISLAND von WILDE, LORI
Italienische Lederslipper, hundert Dollar-Haarschnitt, arrogant: Die Pilotin Sophia Cruz findet ihren Passagier nicht übermäßig sympathisch. Doch ihre Bruchlandung auf einer kleinen Insel ändert alles: Gibb ist barfuß, sein Haar ist zerzaust. Und arrogant? Nicht nach einer heißen Nacht …

SCHLAFWAGEN FÜR ZWEI von WEBER, TAWNY
Es liegt nicht am Rhythmus der Eisenbahn, dass Hunter erotische Träume hat, sondern an der sexy Fremden, die morgens in seinen Armen liegt und ihn verführerisch anlächelt. Plötzlich ist alles möglich: gefährliche Entgleisungen oder Weichenstellung für die Zukunft …


  • Erscheinungstag 07.01.2014
  • Bandnummer 91
  • ISBN / Artikelnummer 9783733751920
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cathy Yardley, Lori Wilde, Tawny Weber

TIFFANY SEXY BAND 91

CATHY YARDLEY

Lügen, Sex und Adrenalin

Julianas Ziel: eine Realityshow über den berühmtberüchtigten Player’s Club. Die Voraussetzung: Sie muss drei riskante Aufgaben meistern, um aufgenommen zu werden. Die Komplikation: Lincoln Stone, ebenso kühles wie vorsichtiges Gründungsmitglied, scheinbar immun gegen ihren Sex-Appeal. Julianas letzte Chance: Lincoln zu beweisen, wozu sie fähig ist …

LORI WILDE

Bruchlandung auf Love Island

Die Blitzhochzeit seines Kumpels gefährdet Gibb Martins Businesspläne. Kurzentschlossen chartert er ein Flugzeug samt der bildhübschen Pilotin Sophia Cruz, um rechtzeitig in Key West Nein zu sagen. Aber auf halber Strecke – Notlandung! Auf einer einsamen Insel finden sich der Milliardär und die Pilotin wieder. Nur er und sie und ein Meer der Versuchung …

TAWNY WEBER

Schlafwagen für zwei

Zugegeben, es ist ein unmoralischer Plan: Reporterin Marni weiß, dass ein Kronzeuge undercover den Nachtzug nach San Francisco nimmt. Also beschließt sie, in ebendiesem Zug den Mann zu finden und ihn dazu zu bringen, ihr alles zu erzählen. Natürlich ohne zu verraten, wer sie ist! Aber Marni hat die Rechnung ohne das Schlafwagenabteil für zwei gemacht …

1. KAPITEL

„Ein Hoch auf die beste Gastgeberin der Welt, unser Geburtstagskind Juliana Mayfield!“.

Juliana stand aufrecht da, die Schultern gestrafft, den Bauch eingezogen, und strahlte mit den Scheinwerfern und dem Blitzlichtgewitter der Digitalkameras um die Wette. Sie hob ihr Glas und prostete zurück. „Danke, vielen Dank!“ Dann nickte sie Andre, dem DJ, zu und er startete seinen mitreißenden Mix aus den Wallflowers und Mos Def.

Die Party war ein Riesenerfolg. Jetzt musste sie nur noch dafür sorgen, dass sie sich auch finanziell auszahlte. Sie zog sich in eine ruhige Ecke im VIP-Bereich zurück und atmete tief durch, damit ihre Gesichtsmuskeln durch das stetige Lächeln für die Kameras nicht verkrampften. Das war ihr vor Jahren einmal bei einer Veranstaltung passiert, als sie noch Ambitionen als Model gehabt hatte. Ihre Mutter war ein erfolgreiches Model gewesen und ihr Vater ein berühmter Schauspieler. Daher schien es ihr in die Wiege gelegt zu sein, ebenfalls erfolgreich zu werden.

Was für ein Reinfall, erinnerte sie sich schmunzelnd. Die Model­welt wollte völlige Schlankheit, im Grunde genommen halbwüchsige Knaben, nur ohne die baumelnden Teile. Doch leider hatte die Natur sie so reich beschenkt, dass sie ziemlich schnell nicht mehr das schmalhüftige, flachbrüstige Ideal verkörpert hatte.

Aber zum Glück war es ihr scheinbar gelungen, berühmt zu bleiben, einfach indem sie, nun ja … berühmt war. Und der Treuhandfonds ihrer Eltern hatte das seine dazu beigetragen. Jemand klopfte ihr auf die Schulter und als sie sich umsah, riss sie überrascht die Augen auf.

„Bernie“, stammelte sie. Der Gentleman setzte sich ihr gegenüber. Sein glänzend weißes Haar war perfekt gestylt und sein marineblauer Anzug wirkte im Nachtclub so fehl am Platz wie ein Pinguin auf einem Flamingo-Kongress. „Ich, ähm, habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen.“

„Das kann ich mir vorstellen“, antwortete Bernie und blinzelte gegen das grelle Licht an. Es war Mitternacht und der gebrechliche alte Mann sah aus, als müsste er schon längst im Bett liegen. „Aber du hast die Rechnungen für die Party über das Büro laufen lassen, also dachte ich, ich sehe mal nach dir. Da du ja auf keinen Anruf und keine E-Mail reagiert hast.“

Sie zuckte zusammen. Ja, sie war ihm aus dem Weg gegangen. Und der treue Dackelblick, den er just in diesem Moment zur Schau trug, war genau der Grund.

Bei einem Namen wie „Bernie, der Buchhalter“ würde man meinen, er sei ein nicht ganz koscherer Zahlenjongleur im Gangstermilieu. Doch Bernie war ein ruhiger Mann aus den Südstaaten mit einer noch viel schlimmeren Waffe: dem enttäuschten Blick.

Er sah sie bekümmert an. „Juliana, wir haben doch schon so oft über deine Ausgaben gesprochen. Wenn ich mir deine Gewinn- und Verlustrechnung anschaue, kann ich nur den Schluss ziehen, dass du meine Ratschläge ignorierst.“

Sie wand sich auf der schwarzen Lederbank wie ein aufgespießter Schmetterling. „Das hier ist eine gerechtfertigte Investition.“

Sein Blick wurde noch bekümmerter. „Inwiefern ist eine Geburtstagsparty eine Geschäftsinvestition?“

„Es geht hier um Publicity, Bernie“, versicherte sie ihm leise in der Hoffnung, dass ihnen niemand Beachtung schenkte. „Ich habe dir doch erzählt, dass ich gerne eine eigene Reality-TV-Show hätte, oder?“

Er nickte, noch immer skeptisch.

„Jedes Mal, wenn etwas über mich geschrieben wird oder Fotos von mir im Internet auftauchen, nützt das meinem Image“, sagte sie. „Nur darum geht es. Morgen früh sind Bilder von mir in jedem Boulevardblatt, wie ich auf den Tischen tanze und oben ohne in Champagner bade – das kommt erst später, keine Sorge“, beruhigte sie ihn, als sie seinen schockierten Blick sah. „Was ich meine ist: Es ist alles genauestens geplant.“

Er schürzte die Lippen, diesmal eher missbilligend als enttäuscht, womit sie besser umgehen konnte. Das war sie seit der Highschool gewöhnt. „Und wann soll dieser Reality-Show-Deal über die Bühne gehen?“

Sie biss sich auf die Unterlippe. „Diese Dinge brauchen Zeit“, versuchte sie sich herauszuwinden. „Ich habe noch nichts Schriftliches, aber es gibt eindeutiges Interesse …“

„Juliana“, unterbrach sie Bernie traurig. „Ich glaube nicht, dass du Zeit für so etwas hast.“

Sie lachte und es klang unbekümmert, obwohl sich gerade ein Klumpen Eis in ihrem Bauch bildete. Wenigstens waren die vielen Stunden Schauspielunterricht nicht umsonst gewesen. „Ach, Bernie, du alter Pessimist.“

„Wenn du nur meine Nachrichten abgehört hättest, dann wüsstest du, dass wir noch nicht einmal genug Geld hatten, um das Catering hierfür zu zahlen.“

„So schlimm ist es nicht.“

„Meine Liebe“, sagte er in dem liebenswürdigen Tonfall, an dem sie genau ablesen konnte, wie ernst die Situation war. „Du wirst die Eigentumswohnung verlieren, wenn du nicht bald etwas verdienst, und zwar sehr bald.“

Ihr schnürte sich der Hals zu und sie schwieg.

„Wir müssen uns etwas überlegen, Juliana“. Er tätschelte ihr mit betretener Miene die Hand, als wäre jemand gestorben. „Du hast dich mit Promis und reichen Kids rumgetrieben und das bisschen Geld, das du hattest, verschleudert. Und außerdem haben auch noch deine Eltern deinen Fonds beliehen.“

Julianas Blick verfinsterte sich. Ihre Eltern hatten den Fonds eingerichtet, weil reiche Leute so etwas eben taten. Und jetzt plünderten sie ihn, weil das Modeln als Geldquelle irgendwann versiegte, egal wie schön man war, und die Schauspielerei ihres Vaters nie an die Dramen herangereicht hatte, zu denen er im wahren Leben imstande war.

„Du hast einen Monat, maximal zwei“, schloss Bernie mit grimmiger Miene. „Komm ins Büro, dann werden wir eine Strategie entwickeln, die dich wieder auf die Beine bringt. Aber es muss sich etwas ändern, das wissen wir beide.“

Wie hatte nur plötzlich alles so schieflaufen können? Noch vor einem Jahr ging es ihr gut. Und auch noch vor sechs Monaten hatte die Lage nicht so düster ausgesehen.

„Hey Jules“, sagte ihre Freundin Carolyn während sie sich Champagner verspritzend neben sie auf die Bank fallen ließ. Carolyn war eine alberne Rothaarige, aber sie war auch die Tochter des Polizeipräsidenten, was bedeutete, dass sämtlicher Ärger, den sie sich einhandelte, sich meist schnell in Wohlgefallen auflöste. Carolyn war nicht gerade Julianas beste Freundin, doch sie kam zu allen Partys, die Juliana veranstaltete, vor allem, wenn die Getränke umsonst waren. „Diese Party ist der Wahnsinn! Die Musik, das Essen. Verdammt, sogar einen roten Teppich gibt’s! Wer hat so einen schon auf einer Geburtstagsparty?“

„Nur die berühmt-berüchtigte Juliana Mayfield“. Die betrunkene Stimme gehörte einem rothaarigen Mann, der in diesem Moment in ihre Sitzecke stolperte.

Juliana runzelte verärgert die Stirn. „Wer hat dich denn reingelassen, George?“

„Ach, du weißt schon, meine kleinen Freunde hier“, sagte er und wedelte mit ein paar Scheinen vor ihrer Nase. Carolyn lachte, ihre Augen leuchteten gierig auf.

George Macalister war ein Partylöwe erster Güte, reich und vollkommen zügellos. Früher waren sie viel gemeinsam auf Partys unterwegs gewesen. Doch irgendwann hatte sie genug von seiner prahlerischen Art gehabt. Außerdem hatte er sich ständig an sie herangemacht und dabei seine Hände nicht bei sich behalten können.

Wie kommen Männer nur auf die Idee, dass sie damit ankommen?

Juliana lächelte gepresst und überlegte, die Türsteher kommen und ihn rausschmeißen zu lassen. Die Sache war nur: George war eine große Nummer in der jungen Jetset-Szene und seine Familie sehr reich. Daher konnte er ihr Schwierigkeiten machen, wenn er wollte. Sie beschloss, ihn zu ignorieren. Schließlich hatte sie so schon genügend Probleme.

„Ich hab gehört, du versuchst, eine eigene Reality-Show zu bekommen“, sagte er, wie aufs Stichwort. Er beugte sich vor und strich ihr mit den Fingern über den Unterarm. Sie schreckte zusammen und versuchte, auszuweichen, ohne dass es zu offensichtlich wirkte. Er ließ nicht locker. „Ich hab selbst auch mit einem Produzenten über eine Show gesprochen. Hab praktisch schon eine Zusage.“

„Wirklich?“ Sie hasste sich selbst dafür, zwang sich jedoch zuzuhören. „Welcher Produzent?“

Georges Blick wurde misstrauisch. „Ach, so ein Typ, den ich kenne. Sein Studio ist drüben in Pleasanton, aber er hat auch ein Büro in der Stadt. Wir sind noch in Verhandlungen.“

„Worum geht es in der Show?“ Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie so ein lüsterner und zugleich langweiliger Typ wie George eine Show bekommen konnte und sie nicht.

Er lehnte sich vor und blies ihr seinen widerlichen Whiskey-Atem ins Gesicht. „Weißt du, was der Players Club ist?“

Sie blinzelte. Dann lachte sie auf. „Niemals bist du Mitglied im Players Club.“

Er wich zurück und sein Blick verfinsterte sich. „Da kannst du deinen Hintern drauf verwetten. Ich habe das verdammte Ding gegründet.“

„Wirklich?“, fragte Carolyn, lehnte sich zu ihm hinüber und presste ihre Brüste gegen seinen Arm. Juliana rollte mit den Augen.

„Na ja, ich und mein Cousin“, berichtigte er sich und lächelte Carolyn an. „Jedenfalls hatte ich die großartige Idee, ihn für eine Show neu zu gründen.“

„Du hast also grünes Licht bekommen?“, fragte Juliana.

Sein Blick wurde noch düsterer. „Noch nicht.“

Sie lächelte. Das bedeutete wohl nie.

„Na ja, dann viel Glück damit, George“, sagte sie und spürte, wie sie Kopfschmerzen bekam. Warum hatten nur all diese Idioten so viel Geld? War das etwa gerecht?

„Also, wann schläfst du endlich mit mir, Schönheit? Komm schon, Jules, deine Freundinnen haben dir doch bestimmt schon viel Gutes von mir erzählt – schließlich habe ich es mit den meisten schon getan. Willst du nicht selbst erleben, wovon sie schwärmen?“ Dann brach er in raues Gelächter aus. Carolyn kicherte idiotisch.

Juliana lächelte und tat so, als würde sie ihn necken. „Ach nein, danach würdest du mich nur sitzen lassen und mir das Herz brechen. Ich weiß doch, wie du mit Frauen umgehst.“

Er lächelte. Offenbar gefiel ihm das Bild von sich. Idiot. „Aber mit dir wäre es anders“, sagte er, jetzt mit Jagdfieber im Blick. „Noch keine hat mich so lange hingehalten. Vielleicht bist du genau die, die ich brauche, die mich bekehrt. Warum sagst du immer wieder Nein?“

Sie stand auf. „Weil“, sagte sie, diesmal mit Nachdruck, „ich eher Terpentin trinken und Glas essen würde, als mit dir Sex zu haben. Würdest du mich entschuldigen?“

Sie schlängelte sich durch die Menge. Ihre Haut kribbelte immer noch von Georges Berührung, und sie spürte den Knoten im Bauch, den ihr das kurze Gespräch mit Bernie beschert hatte. Sie beobachtete den gut gekleideten, angeheiterten Haufen, wie er tanzte und zechte. Inzwischen war der Champagnerpool aufgebaut. Sie würde nicht wirklich oben ohne baden – für den Notfall trug sie sogar Burstwarzenpasties unter ihrem Bikini –, aber sie würde trotzdem jede Menge Publicity bekommen.

So sehr wie niemals zuvor brauchte sie jetzt etwas, das ihr Aufmerksamkeit und vor allem die Reality-Show einbringen würde. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ansonsten zu Geld kommen sollte. Wie ihr Vater zu sagen pflegte: „Wir Mayfields können nur zwei Dinge: berühmt sein und uns nicht kleinkriegen lassen.“ Also hatte sie ihr Möglichstes getan, sich an beides zu halten, ihr Leben lang.

„Jules“, rief ein Partygast ihr mit einem verschlagenen Grinsen zu, „bist du wirklich erst achtundzwanzig?“

Sie hielt die Hand vor den Mund, zwinkerte und lächelte dem Gast übertrieben unanständig zu, bevor sie weiterging.

„Jules!“ Diesmal waren es die Paparazzi, die sie aufforderten zu posieren. Sie tat ihnen bereitwillig den Gefallen. Niemand hätte ihre Sorgen auch nur erahnen können.

Ihr Handy vibrierte: eine SMS. Sie warf einen Blick darauf und runzelte kurz die Stirn.

Herzlichen Glückwunsch zum 28. Geburtstag, meine Kleine! Hab dich im Internet gesehen, sieht aus, als hättest du einen tollen Abend. Alles Liebe, Mom

Sie seufzte, während sie die Nachricht löschte. Natürlich wusste sie, dass sie nicht wirklich achtundzwanzig war.

Sie wusste außerdem, dass dies nicht wirklich ihr Geburtstag war.

Doch sie brauchte ein Medienereignis und dies schien die einfachste Möglichkeit. Ihre geschiedenen Eltern vergaßen ihren wahren Geburtstag sowieso immer. Und sie konnte wetten, dass ihre Mutter die Partybilder nur gesehen hatte, weil diese ihren eigenen Nachnamen gegoogelt hatte.

Sie stöberte ihre PR-Agentin auf, eine seriös aussehende Frau namens Emily im kleinen Schwarzen und mit Brille.

„Wo ist Stephen?“, zischte Juliana leise. „Oder der andere, Leo?“

Emily presste die Lippen zusammen und überflog die Gästeliste.

„Die Fernsehproduzenten“, legte Juliana nach, und schaffte es, einem Gast zuzulächeln, obwohl ihre Stimme vor Anspannung bebte. „Wo hast du die Produzenten platziert? Sie sind der einzige Grund, warum ich diese blöde Party organisiert habe – wo sind sie?“

Emily holte tief Luft. „Sie sind nicht aufgetaucht.“

„Was?“

„Mr Trainer hat sich in letzter Minute mit einer SMS entschuldigt“, erklärte Emily. „Und von Leo kam gar nichts, er ist einfach nicht gekommen.“ Juliana hätte am liebsten laut geschrien, doch Emily schüttelte nur bedauernd den Kopf. „Tut mir leid, aber du weißt, dass sie unsichere Kandidaten waren. Ich konnte für nichts garantieren …“

„Verdammt, verdammt.“ Juliana drückte eine Hand an ihre Schläfe – just in dem Moment, in dem ein Fotograf ein weiteres Foto von ihr schoss. Sie atmete tief durch, riss sich zusammen und setzte eilig ein Lächeln auf. Bernie saß ihr im Nacken und der finanzielle Super-GAU rückte immer näher. Sie konnte nicht modeln, nicht schauspielern und hatte auch sonst keine vermarktbaren Fähigkeiten, von denen sie wüsste. Alles, was sie konnte, war sie selbst zu sein und zu hoffen, dass jemand das interessant genug fand.

Sie musste an George denken. Konnte er ihr vielleicht helfen?

Lieber würde ich mir die Augen eigenhändig mit einer Shrimpsgabel ausstechen.

Doch er hatte behauptet, Mitglied im Players Club zu sein … und er hatte gesagt, dass er Produzenten am Haken hatte. Wahrscheinlich war beides gelogen, obwohl es geklungen hatte, als sei diesmal mehr dran als an seinen üblichen Prahlereien.

Was, wenn George tatsächlich den Club mit seinem Cousin gegründet hatte? Sie hatten das nötige Geld und die Beziehungen, um einen Geheimbund von Nervenkitzel suchenden Radaubrüdern zu gründen. Vielleicht war Georges flegelhaftes Auftreten nichts als Fassade. Möglicherweise verbarg er nur seine wahre Natur.

Obwohl, da er so damit prahlt, ist es doch eher unwahrscheinlich, überlegte sie stirnrunzelnd. Soweit sie wusste, hatte er nur einen einzigen Cousin, den Haupterben des Familienvermögens, Finn Macalister. Sie hatte lange nicht mehr mit ihm gefeiert und hatte ihn als schlaksigen, beinahe schüchternen Jungen in Erinnerung. George hatte einmal etwas von einer Krankheit erwähnt, die ihr nicht mehr einfiel. Aber trotz allem war Finn ganz süß – er konnte seine Hände bei sich behalten und hatte einen feinen Sinn für Humor, den sie mochte.

Konnte ein Typ wie er einen solch berühmt-berüchtigten Geheimbund wie den Players Club ins Leben rufen?

Dann stutzte sie plötzlich und blinzelte zweimal.

Berühmt-berüchtigt.

Wenn es diesen Club wirklich gäbe und sie dort Mitglied werden könnte…

Welcher Produzent wäre nicht an einer derartigen Show interessiert?

Sie lächelte. Vielleicht musste sie einfach nur den guten alten Finn Macalister ausfindig machen.

Lincoln Stone hielt sich selbst nicht für besonders spirituell. Und genauso wenig für einen amerikanischen Ureinwohner – wahrscheinlich deshalb, weil er keiner war. Er hielt sich jedoch für einen Teamplayer. Weshalb er jetzt in der glühenden Hitze eines großen Tipis irgendwo südlich von Lafayette saß und dem kehligen Singsang eines alten, runzeligen Häuptlings lauschte.

Finn schlug ihm auf den Arm und machte ihm Zeichen, ihm zu folgen. Lincoln nickte den anderen Männern zu, die im Kreis saßen, und hielt in Richtung des Mannes in der Mitte diskret den Daumen hoch – er war der heutige Anwärter, Jerry Knox.

Als sie das Zelt verließen, schlug ihnen die kühle Nachtluft wie ein eiskalter Wodka-Shot entgegen, erfrischend und berauschend zugleich. „Alles okay mit dir?“, fragte Lincoln und sog die Luft tief in die Lungen ein. „Manche kippen in den Schwitzhütten aus den Latschen.“

„Nee, mir geht’s gut“, sagte Finn und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Außerdem war das ja eine eher harmlose Mutprobe.“

Lincoln seufzte. „Aber …?“

Finn seufzte ebenfalls. „Versteh mich nicht falsch – ich bin froh, dass wir George rausgeschmissen haben.“

„Definitiv“, murmelte Lincoln. Er wusste, dass Finn immer noch ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie seinen Cousin aus dem Players Club geworfen hatten, doch Lincoln war heilfroh, dass sie den arroganten und frauenfeindlichen Säufer los waren. „Also, wo ist das Problem?“

„Ich finde es ja gut, dass wir die Regeln geändert haben und jetzt mehr aufpassen, wen wir aufnehmen“, sagte Finn. „Aber vielleicht sind wir zu vorsichtig geworden.“

Lincoln runzelte die Stirn und ging ein paar Schritte über die Wiese, um sich die Beine zu vertreten. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie in der Hütte gesessen hatten. „Was meinst du mit ‚zu vorsichtig‘?“

„Die Mutproben. Das mit dem ‚Was würdest du tun, wenn du nur noch sechs Monate zu leben hättest‘ finde ich ja gut, aber wir kriegen immer nur dieselben Antworten. Ich reise ja gerne, aber ich war jetzt schon in Amsterdam, Paris, Indien – sogar in der Antarktis.“

„Die Mutprobe war aber jetzt nicht gerade langweilig“, merkte Lincoln an.

„Aber es ist alles schon mal da gewesen. Wir brauchen junges Blut … jemanden, der ein paar neue Ideen für die Mutproben hat.“

Lincoln verzog das Gesicht. „Wir sind doch gerade mitten in einer neuen Mutprobe. Jerry ist ein guter Typ.“

„Ja, ja, es sind alles gute Typen“, sagte Finn. „Aber er ist der erste neue Anwärter seit Monaten. Und wir haben jede Menge weitere Anfragen. Warum können wir nicht noch mehr Leute aufnehmen?“

Lincoln drehte sich überrascht zu seinem Freund um. „Wir sind doch schon dreißig“, wand er ein. „Es ist jetzt schon schwer genug, unser Geheimnis zu bewahren, aber wenn wir noch mehr Mitglieder aufnehmen …“

„Wir waren fast sechzig Leute bevor wir George und seine Bande rausgeschmissen haben.“

„Ja, und dann erinnere dich mal daran, wie gut das lief.“

Finn schnaubte verärgert. „Hör zu, ich sag doch nicht, dass es wieder werden soll wie mit George. Ich will doch das Gesaufe, die Schikane und den ganzen Machokram auch nicht mehr. Aber ich möchte auch nicht, dass wir so vorsichtig werden, dass wir nicht mehr das tun, weshalb wir den Club gegründet haben: um uns dem zu stellen, wovor wir Angst haben und das zu tun, was wir sonst bereuen würden, nicht getan zu haben. Außerdem glaube ich nicht, dass wir viele neue Rekruten brauchen. Aber wenn wir nur alle paar Monate neue Leute aufnehmen, lass uns wenigstens welche suchen, die uns, und sich selbst, wirklich herausfordern.“

Lincoln starrte Finn an. Seit neun Jahren war er sein bester Freund. Doch manchmal hatte er das Gefühl, dass sie in einigen Dingen grundlegend verschiedener Meinung waren. Zudem wurde Finn immer rastloser … es war manchmal fast beängstigend.

Trotzdem vertraute er ihm … und um nichts in der Welt würde er sich über das hinwegsetzen, was er sagte.

„Hast du jemand Bestimmtes im Kopf?“

„Klar, ich wüsste ein paar Kandidaten“, sagte Finn.

„Jemand dabei, den ich kenne?“

„Wie wäre es mit Tark?“

„Ellis Tarkington?“, fragte Lincoln. Das Wehklagen im Zelt wurde lauter, als jemand anfing, dazu zu trommeln. Lincoln wurde langsam kalt und er wünschte, er hätte daran gedacht, sein T-Shirt mit rauszunehmen. „Der Typ, der versucht hat, dem Magier nachzueifern und sich selbst in einem Eisblock eingefroren hat?“

„Sie haben ihn ja noch rechtzeitig rausgeholt“, sagte Finn achselzuckend. „Aber okay, da ist was dran. Was ist mit Mike Romello? Er hat’s auf den Mount Everest geschafft, zweimal sogar.“

Lincoln schloss die Augen. „Ich glaube, der hat keine Zeit.“

„Aha, und warum nicht?“

„Weil er gerade wegen Veruntreuung in den Knast gewandert ist“, erklärte ihm Lincoln und freute sich, als Finn große Augen machte. „Was meinst du, womit er seine Mannschaft am Mount Everest bezahlt hat?“

Finn seufzte. „Ich mein’s ernst. Ich bin nicht wie George. Er wollte den Club als seine eigene private Burschenschaft nutzen, als seinen Egotrip, und er hätte jeden ausgeschlossen, der damit nicht einverstanden war. Das ist überhaupt nicht das, was ich will. Aber jetzt ist alles so vorhersehbar, das wird mir zu langweilig.“

Lincoln presste die Lippen zusammen. „Du weißt, warum wir den Club gegründet haben, Finn.“

Finn fuhr sich frustriert durchs Haar. „Ehrlich gesagt, kann ich mich kaum mehr erinnern.“

„Wir lagen im Krankenhaus“, sagte Lincoln. „Du hattest gerade eine heftige Runde Strahlentherapie hinter dir und ich hatte gerade mein Auto zu Schrott gefahren und beide Beine im Gips.“

Finn grinste. „Na schön. Das werde ich natürlich nie ver­gessen.“

„Und …“

„Und da wir schon fast gestorben wären, haben wir überlegt, wir könnten uns die Zeit bis es wirklich so weit ist, mit ein bisschen Spaß vertreiben.“

„Naja, das war mehr deine Idee. Ich fand nur, dass es Zeit für mich war, mich wie ein Idiot zu verhalten, mein Leben in blödsinnigen Stunts zu riskieren und vor der Vergangenheit wegzulaufen.“ Eine Vergangenheit, über die er nie wirklich mit Finn gesprochen hatte, gestand er sich ein. Finn hatte jedoch auch nie gefragt. Seine Loyalität und seine Bereitschaft, Lincoln so zu akzeptieren, wie er war, machten ihn zu so etwas wie einem Bruder.

Finn nickte. „Also haben wir unsere Liste geschrieben und uns unseren Mutproben gestellt.“

„Und dann wurde dir langweilig“, bemerkte Lincoln und grinste ebenfalls. „Also beschlossen wir, mehr Leute aufzunehmen. Wie deinen Cousin George.“

„Das wird mir wohl ewig anhängen, oder?“

„Die Idee war gut“, sagte Lincoln. „Nicht George, aber die, einen Club daraus zu machen. Und immer, wenn ich jetzt ein neues Mitglied reinhole, habe ich mich vor Augen. Wie ich damals dachte, das Leben wäre nur etwas, durch das man sich durchmogelt, das nicht wirklich wichtig ist. Bevor wir Sachen ausprobiert haben, von denen wir kaum zu träumen gewagt hätten. Und ich weiß, dass der Neue kurz davor ist, sein ganzes Leben zu ändern, nur weiß er es noch nicht.“

Finn atmete geräuschvoll aus. „Okay, ich schäme mich etwas.“

Lincoln schüttelte den Kopf. „Das solltest du nicht. Ich sage dir nur, was der Club meiner Meinung nach ist.“

„So zu leben, als wäre man kurz davor zu sterben?“, fragte Finn.

„Ist vielleicht ein Klischee“, sagte Lincoln. „Aber ich beschwere mich nicht. Und die anderen Mitglieder genauso wenig, Finn.“

„Aber wenn sie weitergehen wollen … wenn wir die Leute im Club halten wollen“, beharrte Finn, „finde ich, es würde nicht schaden, neue Mitglieder reinzuholen, die ihnen etwas Neues zeigen können. Nicht nur Reisen und Fallschirmspringen. Wir brauchen etwas wirklich Neues.“

„In Ordnung, Finn. Wen auch immer du als Nächstes aufnehmen willst, ich bin einverstanden. Nur zu.“

Finn lächelte. „Danke, Mann. Ich werd mal sehen, wen ich diese Woche auftreiben kann.“

„Nur …“ Lincoln presste die Kiefer aufeinander. Für ihn war der Club so etwas wie seine Familie – sein Baby. „Lass mich ihn zuerst kennenlernen, okay?“

Finn zuckte mit den Schultern. „Okay, Dad. Bist du bereit, da wieder reinzugehen?“

Sie waren gerade dabei, Jerry bei seinem Aufnahmeritual in den Indianerstamm zu begleiten. Davon hatte er sein Leben lang geträumt und er hatte sich geschworen, es zu tun, bevor er starb.

„Jawohl“, antwortete Lincoln. „Das will ich nicht verpassen.“

2. KAPITEL

Juliana lächelte, als das Telefon klingelte. „Hey, Finn.“

„Hey, Jules. Du, mein Kumpel und ich, wir sind fast da, aber … bist du sicher, dass die Adresse stimmt?“

„Ja, absolut.“

Es war kurz still am anderen Ende der Leitung. „Weil … na ja, es ist ein Geschäft.“

„Ja, ich weiß.“

Erneute Stille. „Du willst uns also ernsthaft bei Agent Provocateur treffen?“ Er klang amüsiert.

„Japp.“

„Ähm, darf ich fragen wieso?“

„Weil ich ein paar neue Tangas gebrauchen könnte“, sagte sie. „Wir treffen uns bei den Umkleidekabinen, okay? Die Verkäuferinnen können euch sagen, wo die sind.“

„Ich weiß, wo sie sind“, antwortete er, und jetzt musste sie lachen. „Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass mein Freund nicht sicher ist, ob er dich in den Club aufnehmen will.“

„Genau deshalb habe ich diesen Treffpunkt ausgewählt“, erklärte sie. „Keine Sorge, Finn. Ich weiß, wie man Männer überzeugt. Wenn Dein Freund hetero ist, wird er mir innerhalb von dreißig Sekunden aus der Hand fressen.“

„Das will ich sehen. In ein paar Minuten sind wir da“, sagte Finn und legte auf.

Sie steckte das Handy zurück in ihre Handtasche und betrachtete sich im Spiegel. Ja, sie wusste, wie Männer tickten … vor allem die Art von Männern wie George, die in einem Geheimbund wie dem Players Club mitmachten. Sie verurteilte sie nicht, sie wusste einfach nur, welche Knöpfe sie drücken musste.

Sie zog die Körbchen ihres blau-violetten Strapsbustiers zurecht und drehte sich einmal um sich selbst. Das Haar hatte sie im Stil von Brigitte Bardot hochgesteckt, ein paar lose Locken umspielten ihre Schultern. Sie sah sexy aus und gefährlich und ein wenig unanständig. Nur in ihren Augen blitzte eine winzige Spur von … nein, es war keine Nervosität, stellte sie fest, während sie ihr Make-up kontrollierte. Nur Anspannung und ein gewisses Kalkül. Sie streckte ihre Brüste vor. Wenn sie ihre beiden Mädels vor Augen hatten, schauten ihr die wenigsten Männer in letztere.

„Jules, bist du da?“

Sie lächelte und zog in Betracht, einen hauchdünnen grauen Morgenrock überzuziehen. Doch dann schüttelte sie den Kopf, wobei sich noch ein paar weitere Locken aus ihrer Frisur lösten und ihre Wangen eine hübsche rosige Farbe annahmen. Sie hauchte ihrem Spiegelbild einen Kuss zu.

Dann trat sie aus der Umkleidekabine. „Da bin ich.“

Sie betrachtete die beiden. Finn war ein wenig muskulöser geworden, stellte sie anerkennend fest. Er hatte immer schon gut ausgesehen, wie der nette schlaksige Junge von nebenan – ganz anders als George, mit seiner aufdringlichen, dreisten Art. Finn trug ein T-Shirt und ein paar lange Shorts, kombiniert mit Skateschuhen aus Wildleder. Wenn man ihm einfach so auf der Straße begegnet wäre, hätte man niemals vermutet, dass er millionenschwer war. Das gefiel ihr an ihm. Sie fühlte sich dadurch freier, einfach sie selbst zu sein. Sie gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange mit einer Portion echter Zuneigung, doch trat dann schnell genug zurück, damit er nicht auf falsche Gedanken kam. Dann wandte sie sich dem wahren Problem zu: ihrem Gegner, Finns Kumpel. Sie lächelte.

Als sie ihn anblickte, war ihr Kopf plötzlich wie leer gefegt.

Er war fast einen Meter neunzig groß und hatte walnussbraunes, fast schwarzes Haar. Seine Augen hingegen waren hell, von einem sanften Haselnussbraun mit grünen und goldenen Sprenkeln, und verliehen seinem schlanken, markanten Gesicht etwas Hypnotisches. Er trug einen Anzug, der wie für ihn gemacht war und die Breite seiner Schultern ließ ihr Herz spürbar schneller schlagen. Sein düsterer und ernster Gesichtsausdruck bildete einen seltsamen Kontrast zu Finns albernem Grinsen.

Lecker, dachte sie, während sie sich bemühte, die Fassung wiederzuerlangen. Ihn zu bezirzen würde jedenfalls kein großes Opfer sein. Sie streckte die Hand aus und säuselte: „Du musst Lincoln sein. Finn hat mir schon viel von dir erzählt.“ Aber nicht, dass du so groß, gut aussehend und verdammt heiß bist.

Er hielt ihre Hand ein paar Sekunden lang fest. Sein energischer Händedruck ließ ahnen, wie stark er war und dass sein sportliches Training aus mehr als dem gelegentlichen Gang zum Kopierer und zur Kaffeemaschine bestand.

„Von dir hat er mir gar nichts erzählt.“

Schnell entzog sie ihm ihre Hand und schätzte die Situation neu ein. Lincoln warf Finn einen stechenden Blick zu. „Ich bin die neue Anwärterin“, sagte sie, sich daran erinnernd, wie Finn sie genannt hatte. „Ich werde eurem Players Club beitreten.“

Lincolns Blick wanderte zu ihr hinüber. Dann scannte er das Lingerie-Geschäft, um herauszufinden, ob ihnen jemand zuhörte. Eine der Verkäuferinnen faltete Trägertops auf einem der glänzenden schwarzen Tische, eine andere arrangierte ein seidenes Negligé auf einer gesichtslosen, aber kurvenreichen Schaufensterpuppe in einem der Fenster. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie niemand belauschte, wandte er sich wieder ihr zu.

„Du wirst dem Club nicht beitreten.“

In seiner Stimme schwang unterdrückte Wut mit. Er starrte sie an, als wünschte er sich, sie nie kennengelernt zu haben und als würde er sie niemals in seinen hochgeschätzten Club lassen. Sie verschränkte die Arme.

„Warum nicht? Weil ich bin, wer ich bin?“

„Was?“ Fragend sah er zu Finn hinüber. „Wer ist sie denn?“

Finn seufzte. „Das … ist Juliana Mayfield“, antwortete er mit leiser Stimme. Zu ihrem Entsetzen blieb Lincolns Gesicht völlig ausdruckslos.

„Das heißt?“

„Sie ist … ähm, berühmt“, erklärte Finn. „Jedenfalls irgendwie“. Er sah sie entschuldigend an.

Sie wusste, dass sie kein richtiger Star war, aber berühmt war sie, verdammt noch mal. Manche würden es vielleicht „berühmt-berüchtigt“ nennen. Und jetzt wurde sie nicht nur von diesem umwerfenden, arroganten Mann vollkommen ignoriert, sondern ihr alter Freund Finn entschuldigte sich auch noch für sie.

Das lief überhaupt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.

„Sie ist eins von diesen It-Girls, oder?“ Lincolns Stimme war voller Abscheu.

„Nein, nein. Sie ist in Ordnung.“

„Und sie steht hier genau vor euch“, unterbrach Juliana. Schnell hatte sie ihre Verletzlichkeit mit ihrer zweitbesten Waffe umhüllt: Wut. Nicht irgendeine Wut, sondern die Wut einer Südstaatenlady. Sie mochte zwar in Los Angeles geboren sein, doch ihre Mutter war ein Prachtweib aus Georgia. Sogar noch als elfenhaftes Model konnte sie mit ihren Worten Männer in Scheiben schneiden wie mit einer Rasierklinge und ihnen dabei lächelnd Kuchen anbieten.

„Mir war nicht klar, dass du Lincolns Erlaubnis brauchst, um mich aufzunehmen, Finn.“ Sie machte eine Pause, um ihre Worte wirken zu lassen. „Arbeitest du etwa für ihn?“

Finn war zwar kein idiotischer Macho wie sein Cousin, doch kein Mann wollte gerne als der Untergebene seines Freundes gelten.

„Das tue ich nicht“, sagte Finn und blickte Lincoln finster an. „Ich habe da so eine vage Erinnerung, dass mir jemand gesagt hat, ich könnte den nächsten Anwärter auswählen. Weißt du noch?“

„Sie ist keine Anwärterin“, antwortete Lincoln ruhig. Er ließ den Blick seiner haselnussbraunen Augen über sie gleiten und sie spürte wie er innerlich kochte. Er war ganz offensichtlich verärgert über sie.

Und gleichzeitig wollte er sie. Sie lächelte und ließ ihre Zunge schnell, beinahe unmerklich über ihre Unterlippe gleiten. Er wollte es vielleicht nicht zeigen und es sich noch nicht einmal selbst eingestehen, doch er wollte sie.

Das werde ich zu nutzen wissen, dachte sie und lächelte noch breiter.

„Ach, wirklich? Ich bin also keine Anwärterin?“ Sie trat näher an Lincoln heran und lächelte ihm kokett zu, während ihre Augen ihn gleichzeitig anfunkelten. Ihr war bewusst, dass sich ihre Brust hob und senkte, wenn sie stärker atmete, und sie nutzte es zu ihrem Vorteil. „Was genau bin ich denn dann?“

Erneut überraschte er sie. Obwohl sie ihm so schamlos ihr Dekolleté vor die Nase hielt, wich sein Blick nicht von ihren Augen.

„Du bist eine Frau, die öffentliche Aufmerksamkeit sucht; die dafür lebt.“ So aufgebracht wie Juliana war, ließ seine tiefe, rauchige Stimme sie erschauern. „Du bist eine Frau, die weiß, was sie will und sich nicht vorstellen kann, dass jemand Nein zu ihr sagt. Du bist klug genug, zu wissen, dass du einen Mann um den Finger wickeln kannst, wenn du in Unterwäsche vor ihm herumstolzierst – und dumm genug, zu glauben, dass ich so ein Mann bin. Und du bist ganz sicher eine Frau, die glaubt, wenn sie dem Players Club beitritt, wird sie etwas davon haben, anstatt etwas geben zu müssen.“

Er schaute sie vernichtend an und trat einen Schritt zurück. „Finn, sie ist raus. Such dir einen anderen Anwärter.“

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging davon.

Finn war krebsrot im Gesicht. „Tut mir leid, Jules.“

„Was? Das war’s jetzt einfach?“, fragte sie entsetzt. Wie hatte nur alles so unglaublich schieflaufen können? „Er sagt Nein und du nimmst es einfach so hin? Folgst seinen Anweisungen?“

Finn straffte die Schultern. „Hör auf zu drängeln, Jules“, gab er zurück und seufzte frustriert.

„Wer zum Teufel ist der Kerl?“, fragte sie und verschränkte die Arme.

„Lincoln Stone. Er ist mein bester Freund und in letzter Zeit ein ziemlicher Blödmann“, brummelte Finn. „Hör mal, lass mich daran arbeiten. Ich ruf dich auf jeden Fall ganz bald an, okay?“

Entschuldigend drückte er kurz ihre Schulter und eilte dann der sich entfernenden Silhouette Lincolns nach.

Juliana blieb in ihrem aufgedonnerten Outfit regungslos stehen.

„Dieser Strapsbustier ist ein Traum, die Farbe steht Ihnen so gut! Wollen sie ihn kaufen?“, fragte die Verkäuferin, die beflissen auf sie zuschwebte.

„Nein“, antwortete Juliana mit einer Stimme, die so kühl war wie Lincolns Blick vorhin. „Ganz offensichtlich funktioniert er nicht.“

„Das kannst du vergessen, Finn.“

Lincoln stolzierte aus dem Geschäft und lief blindlings in Richtung Union Square. Erst als er an der nächsten Straßenecke ankam, fiel ihm auf, dass er nicht mehr wusste, wo er sein Auto geparkt hatte. Er fühlte sich benommen, beinahe wie betrunken.

Finn packte ihn am Arm. „Du hast gesagt, ich könnte jeden in den Club holen, den ich wollte“, murrte er. „Und mit Jules bin ich schon seit Jahren befreundet.“

„Du hättest mich vor ihr warnen können“, sagte Lincoln, während er Finns Hand abschüttelte und kurz überlegte, ob er ihm einen Schwinger verpassen sollte. Was hatte sich Finn nur dabei gedacht? Oder vielmehr, mit welchem Körperteil hatte er gedacht? „Aber nein. Stattdessen arrangierst du ein Treffen mit ihr, ohne mir den geringsten Hinweis darüber zu geben, wer oder was sie ist. Und all das in einem gottverdammten Dessousgeschäft!“

Als ob sich ihr Anblick nicht für immer in sein Gehirn eingebrannt hätte. Wenn er auch nur annähernd an sie dachte, erschien das Bild so scharf und verführerisch vor seinem inneren Auge wie im IMAX-3D-Kino. Er bekam einen ganz trockenen Mund, als er daran dachte, wie sexy sie ausgesehen hatte und wie ihre Augen neckisch geblitzt hatten, da sie genau wusste, dass jeder Mann, der sie sah, würde haben wollen …

Jetzt knurrte er vor Unmut über sich selbst.

„Was hast du für ein Problem?“, fuhr ihn Finn an. „Du reagierst vollkommen über. Dann ist sie halt mal in der Boulevardpresse und meinetwegen in ein paar Magazinen aufgetaucht. Na und?“

„Sie ist publicitysüchtig“, murrte Lincoln. „Glaubst du wirklich, sie will nur beitreten, weil ihr langweilig ist und sie auf der Suche nach einem neuen Kick ist?“

„Ja, das tue ich“, antwortete Finn. Dann sah er sich um. „Lass uns diese Unterhaltung nicht mitten auf der Straße führen, okay?“

Jetzt erst bemerkte Lincoln, dass er mit seiner Szene den gesamten Fußgängerverkehr aufgehalten hatte und verzog das Gesicht. Er hatte die Frau nur einmal kurz gesehen und schon verlor er, der sonst so unerschütterlich war, die Beherrschung. Was würde erst passieren, wenn er noch mehr Zeit mit ihr verbrachte? Der Gedanke ließ ihn erschaudern.

„Okay.“ Sie liefen weiter in Richtung Union Square. Hier waren sie zwar nicht unter sich, doch es war ein schöner, ruhiger öffentlicher Platz, an dem sie nicht auffallen und niemand sie belauschen würde. „Ich weiß, sie ist deine Freundin, Finn, und ich weiß, ich habe gesagt, du könntest mitbringen, wenn du willst …“

„Jetzt mach mal einen Punkt.“ Die Kälte in Finns Stimme überraschte Lincoln, sodass er stehen blieb und ihn anstarrte. „Du benimmst dich, als wärst du König und Gott des Players Club in einer Person. Ich muss dich nicht um Erlaubnis bitten, Lincoln. Wir haben den Club zusammen gegründet. Ich bin nicht dein kleiner Bruder oder gottverdammter Angestellter.“

Lincoln runzelte die Stirn. Mit dem Argument hatte Juliana ins Schwarze getroffen. „Du hast recht“, sagte er.

„Gut. Da wir das jetzt geklärt hätten: Seit wir George rausgeworfen haben, bist du total nervös.“ Finn verschränkte die Arme. „Was ist los, Mann? Warum bist du so komisch? Du bist total paranoid – als wäre jeder Anwärter darauf aus, uns dranzukriegen. Wovor hast du solche Angst?“

Lincoln holte tief Luft. „Es war mir nicht klar, dass ich so, äh … nervös war“, sagte er vorsichtig. Und das stimmte. Die Tatsache, dass er seine gesteigerte Vorsicht den Club betreffend nicht bemerkt hatte, beunruhigte ihn noch mehr. „Na ja … Der Club bedeutet mir eben sehr viel.“

„Denkst du, mir nicht?“

Lincoln antwortete nicht sofort. Er und Finn waren wie Brüder – Finn stand ihm näher als irgendwer sonst auf der Welt.

Trotzdem hatte er Finn noch nicht alles über sich und seine Vergangenheit erzählt. Und auch jetzt war ihm nicht danach.

„Lass mich dir ein paar Fragen stellen“, sagte Lincoln, wo­raufhin Finn ungeduldig mit den Augen rollte. „Erstens: Hattest du die Idee sie einzuladen, bevor sie angerufen hat oder danach?“

Finn kickte das Gras vor seinen Füßen. „Danach. Aber wenn sie mir vorher eingefallen wäre, hätte ich sie angerufen.“

Lincoln fühlte eine böse Ahnung in sich hochkriechen wie eine Schlange. „Warum hat sie dich denn überhaupt kontaktiert?“

„Ihr war langweilig und sie stieß auf mich, als sie die Nummern in ihrem Handy durchging. Und dachte, sie ruft mich einfach mal an.“ Finn lächelte kurz. „Wir standen uns nie wirklich nahe, aber sie kennt alle, die ich kenne. Und so etwas sah ihr ähnlich. Juliana Mayfield ist keine Frau, die mit Langeweile umgehen kann.“

Das konnte er sich vorstellen. Sie hatte etwas Spitzbübisches und Faszinierendes an sich, schien impulsiv wie eine Springflut. Ein weiterer Grund, weshalb er ihr gegenüber lieber vorsichtig war. „Du hast doch immer genauso wie ich darauf geachtet, das Clubgeheimnis zu bewahren.“ In Finns Augen war das lediglich eine weitere Facette des Clubs, die ihn zu etwas Besonderem machte. Ihm war nicht klar, wie wichtig die Verschwiegenheit für Lincoln war. „Warum hast du ausgerechnet ihr davon erzählt? Einem Dauergast der Klatschzeitungen?“

„Es ist einfach passiert“, entgegnete Finn abwehrend.

„Obwohl du seit Jahren keinen richtig Kontakt mit ihr hattest, dachtest du also, sie würde eine gute Anwärterin abgegeben?“

„Nachdem wir vor der Schwitzhütte darüber gesprochen hatten, dass wir Leute brauchen, die ein wenig Leben in den Club bringen könnten, fand ich, sie wäre die perfekte Kandidatin für uns“, gab Finn trotzig zurück. „Zumal wir ja auch mehr Frauen aufnehmen wollten.“

Lincoln schloss die Augen und fluchte leise. „Du siehst einfach nicht, dass sie das wahrscheinlich alles geplant hat, oder?“

„Wie ich schon sagte – du bist paranoid.“ Finn lief verärgert im Kreis. „Wenn du so weitermachst, wird es gar keine neuen Anwärter mehr geben. Dann bleiben wir die dreißig Jungs und die, was, zwei Mädels, die wir jetzt sind und werden nie frischen Wind reinbekommen. Du magst das Vorsicht nennen, aber dafür haben wir den Club nicht gegründet und das weißt du.“

Lincoln seufzte. „Du hast recht. Aber ich habe ein schlechtes Gefühl bei der Sache. Mein Bauch sagt mir, dass sie uns benutzen will.“

„Für was?“

„Ich weiß es nicht“, gab Lincoln zu.

„Na, ein Glück. So hörst du dich schon weniger durchgeknallt an“, sagte Finn kopfschüttelnd. „Ich werde sie anrufen und ihr sagen, dass sie als Anwärterin akzeptiert ist, okay? Außerdem schafft sie die Mutproben vielleicht sowieso nicht. Sie hat schon fast alles gemacht, was auf diesem Planeten möglich ist. Was auch immer sie sich für ihre nächsten drei Abenteuer ausdenkt, es wird auf jeden Fall ganz schön abgedreht sein.“

Gegen seinen Willen wurde Lincoln neugierig. Was würde eine Frau wie sie sich für ihre drei Mutproben ausdenken?

Doch er gab sich der Vorstellung, dass sie versagen würde, lieber nicht hin. Irgendetwas sagte ihm, dass diese Frau, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, genauso beharrlich sein würde wie er. Eine Sekunde lang musste er daran denken, wie sie wohl sein würde, wenn sie die Entschlossenheit im Hinblick auf ein lustvolleres Ziel einsetzte.

Er presste die Kiefer zusammen. Die Vorstellung, wie sie nackt in seinem Bett lag, beherrschte seine Gedanken für einen Moment und bereitete ihm weiche Knie.

„Ich werde darauf achten, dass sie nichts allzu Verrücktes anstellt“, sagte Finn, was Lincoln bitter auflachen ließ.

„Sie davon abhalten zu wollen, etwas Leichtsinniges zu tun, ist ungefähr so, als würdest du Keith Richards als Anstandsdame für den Highschoolabschlussball einstellen.“ Lincoln schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin einverstanden damit, dass sie sich bewirbt, aber ich will ihr Mentor sein.“

„Du?“ Finn zog die Augenbrauen hoch. „Du hasst sie doch regelrecht. Wie willst du ihr da helfen?“

„Vielleicht kenne ich sie einfach noch nicht gut genug“, sagte Lincoln. Er fühlte sich schon etwas ruhiger, hatte sich wieder besser im Griff. Wenn er herausfände, was sie vorhatte, könnte er Finn beweisen, was sein Bauchgefühl ihm jetzt schon sagte: dass sie zwar verdammt sexy war, aber auch gefährlich und nichts Gutes im Schilde führte.

Finns Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wenn du mir nicht vertraust, Lincoln“, sagte er leise, „dann weiß ich nicht, wie lange ich noch ein Player sein will.“

Lincoln fühlte einen Stich. „Ich vertraue dir doch, Mann.“ Und das war nicht gelogen. Er würde Finn sein Leben, sein gesamtes Vermögen anvertrauen. Das Einzige, was er ihm noch nicht anvertraut hatte, war sein Geheimnis. Doch er hatte schon sein ganzes Leben damit zugebracht, die Lügen seiner Eltern aufrechtzuerhalten. Und auch wenn Finn der beste Freund war, den er jemals gehabt hatte: alte Gewohnheiten waren schwer zu ändern.

Fazit: Er vertraute Juliana Mayfield nicht. Und er würde seinen besten Freund und seine Familie – den Players Club – beschützen. Ob sie seinen Schutz nun wollten oder nicht.

3. KAPITEL

Die Lichter der Bay Bridge funkelten vor dem dunkelblauen Abendhimmel. Juliana betrachtete sie einen Moment lang durch die deckenhohen Fenster ihres Luxusapartments im 37. Stock und ging dann zurück zu ihrem Laptop. Es war gerade ein Uhr morgens.

Sie seufzte und trank einen Schluck des köstlichen Weins aus ihrem Designerglas. Es war einer ihrer guten Jahrgangsweine, und sie hätte ihn wahrscheinlich nicht öffnen sollen, doch nach dem Verlauf des heutigen Tages hatte sie ein Glas Wein gebraucht.

„Lincoln Stone, Lincoln Stone“, murmelte sie, während sie schnell auf der Tastatur tippte. „Wer zum Teufel bist du eigentlich, Lincoln Stone?“

Diese Frage hatte sie beschäftigt, seit sie sich angezogen und Agent Provocateur verlassen hatte, ohne auch nur einen einzigen Slip zu kaufen. Sie hatte den ganzen Tag am Telefon verbracht und jede Person in ihrer Kontaktliste gefragt, ob sie ihn kannte. Doch bisher ohne Ergebnis. Entweder sagte er ihnen gar nichts oder sie waren sich nicht sicher, ob und woher sie ihn kannten. Da sie sich keinen Privatdetektiv leisten konnte, hatte sie das Nächstbeste getan: ihren Computer angeworfen und eine Google-Suche gestartet.

Nach ein paar Stunden hatte sie immer noch nichts gefunden. Sofern er nicht insgeheim Immigrationsanwalt in L. A., ein Schauspieler in New York oder ein riesiger Steinbrocken mit Abraham Lincolns Gesicht darauf war, ergab der Lincoln, den sie suchte, keine Treffer.

Sie nahm jedenfalls an, dass er reich war. Seine Kleidung sah exklusiv, wenn auch dezent aus – sein marineblaues Hemd war aus teurem Leinen und seine Hose maßgeschneidert. Sogar seine Schuhe sahen nach italienischem Leder aus. Finn hingegen mochte sich zwar wie ein Collegestudent kleiden, schwamm aber im Geld. War das ein Fall von: Gegensätze ziehen sich an … oder etwas Schlimmeres? War Lincoln eine Art Schnorrer, der seinem reichen Freund das Geld aus der Tasche zog?

Sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Dann ließ sie das Treffen mit Lincoln in dem Geschäft noch einmal vor ihrem inneren Auge ablaufen wie einen Film. Er wirkte so kalt, hart und unerbittlich wie der Stein, in den das Gesicht seines Namensvetters gemeißelt war. Seine selbstherrliche Art hätte sie eigentlich abschrecken müssen; sie mochte keine Männer, die den großen Macker markierten. Doch in seinem Fall sah es nicht nach Show aus. Er wirkte eher argwöhnisch als machohaft. Ja, überheblich, das schon. Aber zugleich seltsam wachsam, wie ein Agent vom Secret Service oder so etwas.

Er brachte eine Saite in ihr zum Klingen. Die meisten ihrer Freunde würden sie aus Geldgier oder auch nur aus Langeweile, vermutlich ohne mit der Wimper zu zucken, vor einen Bus stoßen. Die Tatsache, dass er vermutlich versuchte, Finn zu beschützen, gefiel ihr.

Er vertraute ihr nicht. Das tat weh, doch er lag damit nicht falsch. Und vor allem war er nicht dumm. Ein weiterer Punkt der für ihn sprach, auch wenn das ihre Pläne durchkreuzte.

Die Tatsache, dass er außerdem durchdringende braune Augen und einen schlanken, aber muskulösen Körper hatte, der sie darüber nachdenken ließ, wie er wohl nackt aussah, vervollständigte das Paket. Sie seufzte bei dem Gedanken daran, wie gern sie das Strapsbustier unter anderen Umständen vor ihm getragen hätte. Er hat tolle Hände, dachte sie und strich sanft mit den Fingern über die Tastatur. Gedankenverloren überlegte sie, ob er wusste, wie er sie zu benutzen hatte. Und sein Mund. Was konnte er mit diesen überraschend sinnlichen Lippen anstellen, wenn er sie nicht wütend zusammenpresste?

Oder, noch besser: Was konnte sie mit ihnen anstellen? Sie stand auf und lief auf dem plüschigen weißen Teppich hin und her. Der Unterhalt dieses Apartments fraß ihr die Haare vom Kopf. Sie konnte es sich nicht leisten, über einen Typen zu fantasieren, den sie gerade erst kennengelernt hatte. Sie musste sich auf das eigentliche Ziel konzentrieren: in den Players Club zu kommen. Einen Deal für eine Reality-Show klarmachen. Und ihre Rechnungen zahlen.

Lincoln mochte heißer als ein hawaiianischer Vulkan sein, doch im Moment stand er ihr einfach nur im Weg.

Ihr Handy klingelte und ließ sie zusammenzucken. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Nummer. Wahrscheinlich war es die betrunkene Carolyn, die sie fragen wollte, warum sie nicht auch im neusten angesagten Club oder auf irgendeiner wilden Party war. Sie hatte schon ein paar SMS bekommen, die sie auf Georges Yacht locken sollten. Sie stöhnte und überlegte, das Handy auszuschalten. Doch da sie die Nummer nicht kannte, wurde sie neugierig und hob schließlich doch ab.

„Hallo?“

„Hier ist Lincoln“, sagte er ohne Umschweife. Als er nach einer kurzen Pause weitersprach, konnte sie einen ironisch-amüsierten Unterton in seiner Stimme ausmachen. „Ich bin der Typ, den du heute Morgen getroffen hast. Als du nichts als Unter­wäsche anhattest.“

„Das ist nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal“, sagte sie kess, auch wenn es in ihrem Kopf surrte. Warum um alles in der Welt rief er sie um diese Zeit an? „Aber zufälligerweise vergisst man dich nicht so leicht.“

„Das lässt sich ohne Probleme auch von dir sagen. Ich bin in deiner Lobby. Was dagegen, wenn ich hochkomme?“

Sie wurde blass. „In meiner Lobby?“, wiederholte sie verblüfft. Ihre Nummer hatte er vermutlich von Finn, aber ihre Adresse? „Woher weißt du, wo ich wohne?“

„Ich habe so meine Methoden“, sagte er und es war eindeutig, dass er lächelte. „Ich weiß, es ist spät, aber ich würde dich gerne sehen, um über den Club zu sprechen.“

„Ach ja?“ Sie war wie elektrisiert. Wollte er ihr ein Angebot machen? Was hatte er vor? „Ich lade um ein Uhr nachts normalerweise keine Männer in meine Wohnung ein. Vielleicht sollten wir das verschieben.“

„Ich habe dich doch schon halb nackt gesehen“, erinnerte er sie. Seine Stimme klang jetzt tief und leise, sie streichelte ihre Haut wie Nerz. „Ich kann dir versichern: Wenn ich damals deine Tugend unbefleckt gelassen habe, dann werde auch jetzt keine Gefahr für dich darstellen.“

Sie erschauerte … und sah dann an sich herab. Sie trug eine ausgebeulte Yogahose und ein Trägerhemd mit Sponge-Bob-Aufdruck. Sie hatte sich bereits abgeschminkt. Tja, in diesem Zustand würde er vermutlich nicht gerade über sie herfallen, dachte sie und versuchte sich daran zu erinnern, wann zuletzt ein Mann sie ohne Make-up gesehen hatte. „Okay, aber morgen früh muss doch reichen.“

„Du hast nur eine Chance, in den Club zu kommen“, sagte er. „Und dafür muss ich innerhalb der nächsten fünf Minuten mit dir reden.“

„Ein Mann, der es ernst meint“, murmelte sie irritiert. „Na schön. Ich wohne im 37. Stock. Die Aufzüge …“

„Ich sehe sie schon“, sagte er. „Ich bin in einer Minute oben.“ Dann legte er auf.

„Okay … unhöflich.“ Sie machte ihr Telefon aus und rannte dann ins Bad. Ihr Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Erst die Kleider oder das Make-up? Das Make-up. Eilig tupfte sie sich Puder aufs Gesicht, pinselte Farbe auf ihre Wangen und Lider und bemalte ihre Lippen in Rekordzeit mit Lipgloss. Sie zog gerade die Jogginghose herunter, als sie sein leises, aber eindringliches Klopfen an der Tür hörte.

„Ich komme!“, rief sie und fluchte leise. Sie zog sich das Trägerhemd über den Kopf und griff nach dem ersten annehmbaren Kleidungsstück, das sie finden konnte – ein schlichtes, hautenges Kleid, das zu einfach war, um elegant zu sein, aber doch so verführerisch, dass es nicht leger wirkte. Obwohl sie sich idiotisch vorkam, zwang sie sich zu einem Lächeln. Sie lugte durch den Spion und sah seine große imposante Gestalt durch das winzige Guckloch. War er durch das Glas verzerrt oder waren seine Schultern wirklich so breit?

Sie öffnete die Tür. „Was für eine Überraschung“, murmelte sie und bat ihn mit einer Handbewegung herein. „Du wolltest über den Club sprechen?“

Er nickte. „Dauert nur ein paar Minuten.“

„In Ordnung. Kann ich dir ein Glas Wein anbieten?“

„Nein danke.“ Er folgte ihrer Aufforderung nicht, sich auf die Couch zu setzen und ging stattdessen zum Fenster. „Schöner Ausblick.“

„Ja.“ Sie fühlte sich nervös … und ungeduldig. „Also, was führt dich zu so später Stunde zu mir, Lincoln?“

Er drehte sich um und sah sie an.

„Ich möchte wissen, was du wirklich mit dem Players Club vorhast, Juliana“, sagte er ruhig. „Und ich gehe erst, wenn ich mit der Antwort zufrieden bin.“

Er hatte sie überrumpelt und das war genau sein Plan gewesen. Lincoln setzte sich auf das Sofa und versuchte, sich zu konzentrieren. Doch er konnte nicht umhin, sie anzustarren, in ihrem knappen pflaumenblauen Seidenkleid.

Hatte sie jemanden hier? Bei dem Gedanken verkrampften sich seine Muskeln vor Ärger, dann schalt er sich selbst. Was zum Teufel kümmert dich das? Das geht dich gar nichts an.

Inzwischen schien sie sich von der Überraschung erholt zu haben. Das war etwas, was er an ihr bewunderte – sie kam schnell wieder auf die Beine. Eilig hatte sie ihr keckes Lächeln wieder aufgesetzt.

„Glaub mir, die meisten Männer, die mein Apartment verlassen, sind zufrieden“, sagte sie und durchschritt barfuß den Raum, wobei ihr honigfarbenes Haar ihre nackten Schultern umspielte und der Stoff ihres Kleides ihre Haut umschmeichelte. Am liebsten hätte er die Hand ausgestreckt und sie zu sich auf die Couch gezerrt. Sie eng an sich gezogen und sie gekostet. Sie einfach genommen.

Er schüttelte den Kopf. „Ich meine es ernst, Juliana.“

„Ich meine es meistens ernst, wenn es um Befriedigung geht“, gab sie schelmisch zurück, während sie sich auf einen Bürostuhl setzte und ihren Laptop zuklappte. Als er dabei einen Blick auf den Bildschirm erhaschte, zog er die Augenbrauen hoch.

„Du hast mich gegoogelt?“

„Wie bitte?“, fragte sie unschuldig.

„Lüg mich nicht an, Juliana“, warnte er sie mit ruhiger Stimme.

Sie seufzte und der unschuldige Ausdruck in ihrem Gesicht wandelte sich in leichte Irritation. Sie stand auf und verschränkte die Arme. „Ich habe versucht rauszufinden, wer du verdammt noch mal bist und was dein Problem ist.“ Sie neigte leicht den Kopf und sah ihn verärgert an. „Anscheinend bist du ein Geist.“

Er lächelte grimmig. Allein der Gedanke, dass sie Nachforschungen über ihn anstellte, schnürte ihm die Kehle zu. Sein Gesicht blieb ausdruckslos, während er versuchte, seine unwillkürliche Besorgnis unter Kontrolle zu halten. „Mir ist meine Privatsphäre eben wichtig.“

„Im Gegensatz zu mir, meinst du.“

Er hatte schon so viele Männer in Filmen sagen hören: „Du bist schön, wenn du wütend bist.“ Und nun konnte er den klischeehaften Satz zum ersten Mal nachvollziehen. Ihre goldschimmernde Gesichtshaut war von einem sanften Rosaton überzogen; ihre Augen leuchteten wie ein Amethyst im Feuerschein; die Pupillen waren geweitet wie bei einer Frau, die gerade Sex hat. Ihre Brüste hoben und senkten sich sanft im Rhythmus ihres beschleunigten Atems.

Er fühlte eine unangenehme Spannung im Körper, als er sich fragte, wie schwer es sein würde, ihre Energie von einer Form der Leidenschaft in die andere übergehen zu lassen.

„Ich wollte dich nicht attackieren“, sagte er in dem verzweifelten Versuch, das Gespräch in Gang zu halten. „Aber da du es schon erwähnst, weise ich dich gerne darauf hin, dass eine Frau, die ständig von Paparazzi verfolgt wird, keine gute Kandidatin für unseren Club ist – etwas, woran Finn hätte denken müssen, als er dich als Anwärterin vorgeschlagen hat.“

„Ich kann ein Geheimnis für mich behalten“, sagte sie. „Und außerdem verfolgen die Paparazzi mich nicht. Sie fotografieren mich auf Veranstaltungen und ab und zu beim Shoppen, aber normalerweise muss ich ihnen einen Hinweis geben, damit sie das tun.“

Er runzelte die Stirn. „Einen Hinweis?“

„Du weißt schon. Sie anrufen, ihnen sagen, wo ich bin.“

„Du willst tatsächlich, dass sie dir folgen?“, fragte er entsetzt.

Sie zuckte mit den Schultern und sah ihn an, als wäre er völlig naiv, was er nicht oft erlebte. „Das ist Business, Lincoln. Nichts besonderes.“

Allein der Gedanke daran jagte ihm Schauer über den Rücken. „Du hast mir immer noch nicht gesagt, warum du dem Players Club beitreten willst“, sagte er fordernd.

Sie atmete tief durch. Dann setzte sie sich neben ihn auf die Couch – jedoch nicht so nah, als wollte sie ihn verführen. Sie sah vielmehr entschlossen aus, schaute ihm direkt in die Augen und unterstrich ihre Worte mit Handbewegungen.

„Mich langweilt die Promi-Szene“, sagte sie. „Ich bin auf Partys unterwegs seit meinem Highschoolabschluss, mit Leuten, die sehr viel mehr Geld als Hirn haben. Ja, und ich war genauso dumm. Aber in letzter Zeit ist mir das nicht mehr genug.“

Sie machte eine Pause und aus ihrem Gesichtsausdruck schloss er, dass sie mit etwas zu kämpfen hatte – Schmerz mischte sich in ihren Missmut und er fragte sich, ob ihr das selbst überhaupt klar war.

„Ich versuche, mein Leben wieder in die richtige Richtung zu lenken. Ich hatte ein paar Probleme – die bekomme ich in den Griff, aber ich brauche noch etwas anderes. Und ich glaube, dieses Etwas ist der Players Club.“

Sie klang aufrichtig. In ihrer Stimme schwangen echte Gefühle mit, was in ihm den Wunsch auslöste, sie in den Arm zu nehmen, ihr weiches Haar zu streicheln und sie zu küssen, bis der Schmerz verging. Mehr zu tun, als sie zu küssen.

Er räusperte sich, trotzdem klang seine Stimme ein wenig heiser. „Was hat dir Finn über den Club erzählt?“

Sie blickte hinunter auf die Couch und spielte an einem Ring herum, den sie an der rechten Hand trug. „Er hat gesagt, dass er sein Leben verändert hat. Und dass einem nie mehr langweilig ist.“

Lincoln lachte. „Na ja, das ist jetzt sehr vereinfacht.“

„Ich habe eher das Gefühl, dass du es sehr kompliziert machst, Lincoln“, sagte sie leise und lehnte sich ein wenig mehr zu ihm herüber – nah genug, dass er ihr Parfum riechen konnte. Einen süßen, aufreizenden Duft; Vanille mit einer feinen Zitrusnote. Es erinnerte ihn an die Farm, auf der er einmal gewesen war, einem Ferienheim für Stadtkinder mit Schwierigkeiten. Sie roch nach Sonne und Sommer.

Sie legte ihm die Hand auf den Arm und streichelte ihn leicht.

„Und ich habe das Gefühl, dass du zu kompliziert wärst“, sagte er, nahm behutsam eine Haarsträhne von ihrem Auge und strich sie ihr hinters Ohr. „Sogar für mich.“

Sie schenkte ihm ein sinnliches Lächeln. „Das klingt wie ein Kompliment.“

„Das sollte es auch sein.“

Sie lehnte sich noch weiter zu ihm und er wich nicht zurück.

„Warum möchtest du mich nicht in deinem Club, Lincoln?“, hauchte sie, während sie fortfuhr, zaghaft über seinen Arm zu streichen. „Magst du mich nicht?“

Er atmete tief ein. Ein genauerer Blick auf seinen Schoß hätte ihr verraten, wie angezogen er sich gerade von ihr fühlte. Doch darum ging es jetzt nicht. „Ich mag keine Frauen, die Spielchen spielen.“

Ihre Augen blitzten belustigt auf. „Vielleicht hast du nur noch nicht die richtigen Spielchen gespielt“, sagte sie mit einem sinnlichen Versprechen in der Stimme, das ihm Gänsehaut bereitete. „Oder du hast nie mit den richtigen Frauen gespielt.“

Er lächelte schwach. Dann zog er sie plötzlich ohne jede Vorwarnung näher zu sich heran und küsste sie eindringlich und leidenschaftlich.

Er war sich nicht sicher, was seine Reaktion ausgelöst hatte – eigentlich war er überhaupt nicht der Typ, der übermütig handelte, schon gar nicht bei einer Frau, die er kaum kannte. Er mochte die Jagd und die langsame Verführung; ein lockeres Geben und Nehmen, ohne Druck. Seine bisherigen Beziehungen hatten nie lange gehalten, waren selten unschön geendet und nie ohne sorgfältige Überlegung eingegangen worden.

Doch in diesem Moment war ihm das alles egal.

Der Geschmack ihrer Lippen versetzte seinen gesamten Körper unter Strom. Sie schmeckte nach Kirschen und vollmundigem Rotwein: süß und dezent, elegant und sinnlich. Er folgte seinem Impuls und zog sie auf seinen Schoß, sodass sie rittlings auf ihm saß, vergrub die Hände in ihrem Haar und presste sie fest auf seinen gierigen Mund. Seine übliche Raffinesse war einem Verlangen gewichen, das ihm den Atem verschlug. Der überraschte Aufschrei, der ihr im ersten Moment entfuhr, ging in einen leisen sinnlichen Seufzer über.

Sie ist ganz schön wandlungsfähig, konnte er gerade noch denken, bevor sie selbst zum Angriff überging.

Ihre Finger krallten sich in seine Schultern, während er seine an ihrem seidenen Kleid herabgleiten ließ, ihre Hüften packte und sie gegen seine Erektion rieb. Der Druck ihres Körpers ließ ihn erschauern. Er spürte, wie sie ihre Brüste gegen seinen Oberkörper presste. Seine Zunge schnellte ihrer entgegen und umspielte sie wild und lustvoll.

Das war nicht geplant, rief eine kleine Stimme in seinem Kopf, um Vernunft ringend. Das hatte nicht passieren sollen. Und er würde aufhören … in einer Minute.

Er biss ihr leicht in die Unterlippe und wurde sogleich mit einem unterdrückten Seufzer belohnt. Sie drückte ihre Hüften gegen ihn. Dann ließ er sie los und saugte sanft an ihrem Hals.

„Lincoln“, hauchte sie.

Als er sie seinen Namen sagen hörte, kam er endlich zur Besinnung. Er atmete tief durch, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, und schob sie sanft von sich. Sie sah erschrocken und ein wenig verletzt aus.

„Ich spiele keine Spielchen“, sagte er. Sein Körper schmerzte, vor allem ein bestimmter Teil von ihm, doch er würde keinen Sex mit einer Frau haben, der er nicht vertraute … egal, wie sehr er sie auch begehrte.

Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an, als sei er ein außerirdisches Wesen. Dann schluckte sie hörbar. „Wenn das kein Spiel war, was zum Teufel war es dann?“

Er seufzte. „Das war … ein Ausrutscher“, sagte er. „Tut mir leid.“

„Es tut dir leid?“ Dies schien sie noch mehr zu schockieren.

Er schüttelte den Kopf. „Du bist sehr gefährlich, Juliana“, sagte er. „Und ich gebe zu, ich traue dir nicht. Doch wenn du wirklich dein Leben ändern willst, dann hast du recht: der Club ist ein Ort, an dem du das tun kannst.“

Sie sah immer noch verdutzt aus, nickte aber. „Dann darf ich also dabei sein?“

Er nahm einen tiefen Atemzug. Ihm gefiel die Idee immer noch nicht. Er würde ihr Mentor sein. Das hieß, dass er viel Zeit mit ihr verbringen würde, je nachdem, was ihre Mutproben sein würden.

Er war sich nicht sicher, was noch mehr gemeinsame Zeit mit ihr, vor allem mit ihr alleine, in ihm auslösen würde.

Sie blickte ihn mit großen leuchtenden Augen an. Er presste die Kiefer zusammen.

„Wir werden sehen“, sagte er. „Wenn du wirklich in den Club willst, gehen wir zu einem Treffen.“

„Danke“, sagte sie und hüpfte kurz auf vor Freude. „Vielen Dank! Wann gehen wir hin?“

Er warf einen Blick auf seine Uhr. „Jetzt sofort.“ Der überraschte Ausdruck auf ihrem Gesicht freute ihn. „Und du solltest dir etwas Wärmeres anziehen.“

4. KAPITEL

Juliana wusste nicht genau, was sie von ihrer ersten Players-Club-Versammlung erwartet hatte, doch ganz sicher nicht das.

Sie hatte gegrinst, als Lincoln ihr im Auto die Augen verbunden hatte. Eigentlich hatte sie gehofft, dass er ihre momentane Blindheit ausnutzen und sie vielleicht noch einmal mit einem Kuss überfallen würde wie auf ihrer Couch. Ihre Haut prickelte noch immer bei dem Gedanken daran. Die weiß glühende Leidenschaft, die unter seiner stahlharten Entschlossenheit brodelte, machte Lincoln noch viel unwiderstehlicher.

Doch als sie am Versammlungsort ankamen, war seine kalte Fassade wieder an Ort und Stelle. Während der Fahrt war er all ihren Fragen ausgewichen, allerdings hatte er erwähnt, dass der Club keinen Hauptsitz oder regulären Treffpunkt hatte – das mache es leichter, ihn geheim zu halten. Er hörte sich an wie ein CIA-Agent, doch das machte wohl einen Teil des Reizes aus. Sie genoss es, seinen Arm um ihre Schultern zu fühlen, während er sie zum Versammlungsort führte. Dann nahm er ihr die Augenbinde ab.

Sie hörte Leute lachen und sah sich um. Sie sehen nicht aus wie Player, war ihr erster Gedanke. Keiner von ihnen war besonders glamourös angezogen; sie trugen noch nicht einmal schwarze Kutten wie jeder Geheimbündler, der etwas auf sich hielt. Sie wusste nicht, ob sie Ninjakämpfer oder etwas in der Art erwartet hatte. Diese Leute sahen jedenfalls völlig unauffällig, ja sogar gewöhnlich aus.

Das ergibt keine besonders aufregende Fernsehshow, dachte sie stirnrunzelnd. Na ja, aber die Leute im Dschungelcamp sahen meistens auch nicht besonders gut aus, oder? Sie wurden interessant durch das, was sie taten.

Der Raum hingegen wurde allen Erwartungen gerecht. Er war dunkel, beinahe höhlenhaft. Irgendwo hörte sie Wasser an einen Beckenrand schwappen und es standen lauter Pflanzen herum.

„Alles klar, dann lasst uns mal loslegen“, rief Finn und die ungefähr zwanzig Anwesenden setzten sich auf Stühle, die überall im Raum verteilt waren. Lincoln schubste sie zu einem von zwei schwarzen Klappstühlen. Der zweite war bereits besetzt, von einem Typen, der etwa Mitte zwanzig sein musste. Er war groß und schlaksig, trug eine ausgebeulte Khakihose und ein dunkelblaues T-Shirt mit irgendeinem Computer-Nerd-Spruch darauf.

Sie schüttelte den Kopf. Wenn das eine Art Wettbewerb sein sollte, war ihr der Sieg sicher.

„Dies sind die neuesten Anwärter“, sagte Finn unter dem Gejohle der Anwesenden. „Ihr beiden werdet in ein Geheimnis eingeweiht. Dieser Club gibt euch die Chance, Dinge zu tun, die ihr euch niemals erträumt hättet. Außerdem sind wir wie eine große Familie. Wer sich mit einem von uns anlegt, legt sich mit uns allen an.“

Als er die Regeln des Players Club aufzählte, schweifte Juliana mit ihren Gedanken ab. Blabla, das ist ja wie beim Baseball, dachte sie und überprüfte gelangweilt ihre Maniküre. Als Lincoln sie anstieß, versuchte sie, sich wieder zu konzentrieren.

„Anwärter Terrence“, sagte Finn und wandte sich an den Typen neben ihr, „kannst du ein bisschen von dir erzählen und uns sagen, warum du dem Club beitreten willst?“

Terrence räusperte sich. „Ich … ähm, mag Videospiele und Computer. Und, na ja, ihr wisst schon … gefährliches Zeugs“, sagte er. Unter den Zuhörern war leises Kichern zu hören. „Ich meine … ähm, verrücktes Zeug. Ich meine, Abenteuer. Ich will, äh … mehr leben.“

Die anderen klatschten höflich und richteten dann die Augen auf sie. Zum Glück hatte Lincoln sie auf ihrer Couch schon in die Mangel genommen.

Und er darf mich gerne jederzeit wieder in die Mangel nehmen.

Sie schluckte und versuchte, der Heiserkeit Herr zu werden, die der Gedanke an Lincoln und ihre kurze, aber intensive Eskapade im Wohnzimmer in ihr auslöste. „Ich habe schon viel gemacht in meinem Leben – Gleitschirmfliegen, Fallschirmspringen, mit Haien schwimmen“, sagte sie und versuchte, so locker wie möglich zu klingen. „Ich würde gerne einen Schritt weiter gehen und ich glaube, der Players Club ist der perfekte Ort dafür.“

Sie fand ihre Antwort überzeugend – zumindest war sie interessanter als die von Terrence, auch wenn sie weniger von Herzen kam. Trotzdem folgte ihren Worten eine Pause und dann zögerliches Händeklatschen.

Im Sturm eroberte sie die Menge nicht gerade.

„Worauf bist du am meisten stolz in deinem Leben?“, fragte Finn.

Worauf ich am meisten stolz bin?

Ihr Kopf war auf einmal vollkommen leer.

„Wir fragen erst einmal Terrence“, sagte Finn freundlich.

Terrence atmete tief ein. „Ähm … Im Sommer war ich mal im Schwimmbad. Und da ging auf einmal ein kleines Kind unter und niemand außer mir hat es bemerkt. Ich hab es rausgeholt und es wiederbelebt. Sie haben gesagt, ich hätte ihm das Leben gerettet.“

Diesmal waren die Reaktionen enthusiastischer. Juliana war ebenfalls beeindruckt. Er war eindeutig der Publikumsliebling.

„Juliana?“, forderte Finn sie auf.

Mist. Sie hatte noch nie jemandem das Leben gerettet. Und ihr fiel auch nichts anderes ein, auf das sie stolz sein konnte. Sie erwog, etwas zu erfinden – zur Schauspielerin hatte es nicht gereicht, aber lügen konnte sie verdammt gut. Sie wollte gerade den Mund aufmachen, als sie Lincolns Hand auf ihrer Schulter spürte.

Ob es nun eine Warnung oder eine Ermunterung hatte sein sollen, ihre Lüge erstarb ihr auf den Lippen. „Ich habe nichts“, murmelte sie. Diese Erkenntnis brannte ihr im Hals wie Spiritus.

Finn blinzelte. „Wie bitte?“

Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte es sich nicht leisten, das hier durch dämliches Selbstmitleid zu vermasseln. Vorwürfe konnte sie sich später immer noch machen.

„Ich war stolz auf mich, als ich vor ein paar Jahren den Marathon geschafft habe“, sagte sie und wurde mit ein paar johlenden Rufen belohnt.

Sie war tatsächlich stolz gewesen und hatte damit geprahlt. Bis ihr klar geworden war, dass es ihre Freunde völlig gleichgültig ließ; sie begriffen nicht, wie viel Disziplin und Training dahintersteckte.

Lincoln drückte ihre Schulter. Sie drehte sich nach ihm um, doch sein Gesichtsausdruck ließ keine Interpretation zu.

„Okay, letzte Frage und dann kommen wir zum spaßigen Teil“, sagte Finn. Na endlich, dachte sie. Finn lehnte sich vor, wie ein Gameshow-Moderator. „Wenn ihr nur noch einen Monat zu leben hättet, welche drei Dinge würdet ihr noch tun wollen, bevor ihr sterbt?“

Sie konnte nicht anders – sie musste mit den Augen rollen. Sie dachte, sie würde einer Gruppe von Spaßmachern und Abenteurern beitreten. Bisher wirkte es aber eher so, als wäre sie in einer Facebook-Gruppe gelandet, die blödsinnige Quizspiele veranstaltete und das verdammt noch mal um zwei Uhr morgens.

Terrence hingegen nahm die Frage ernst und legte seine junge Stirn in Falten. „Hätte ich unbegrenzt Geld zur Verfügung?“

Finn zuckte mit den Schultern. „Nein, aber geh davon aus, dass du ein paar großzügige Freunde hättest.“

Terrence nickte. „Dann würde ich mir das Taj Mahal anschauen. Das wollte ich immer schon mal. Und dann … ähm, na ja … dann würde ich so einem Mädchen aus der Schule, Heidi, sagen, wie sehr ich sie … na ja, ihr wisst schon. Damals, meine ich.“

Er wurde rot. Juliana seufzte. Sie konnte nicht anders – der Junge war einfach süß.

„Und als Letztes …“, er machte eine Pause und dachte nach, „… würde ich das superhässliche Gebäude gegenüber von meinem Büro anmalen. Jeden Tag bei der Arbeit schaue ich auf diesen ausgebrannten Ghetto-Schandfleck. Wenn ich sterben müsste, würde ich definitiv etwas daran ändern.“

Jetzt lachten alle. Sogar Juliana grinste und er lächelte sie scheu an.

„Okay, Jules. Was ist mit dir?“ Finns Augen leuchteten erwartungsvoll. „Was macht die Frau, die schon alles getan hat, wenn sie nur noch einen Monat zu leben hat?“

Es einfach nur hinter sich bringen, dachte sie seufzend und rieb sich die Schläfen. Nur einen Monat zu leben, reiche Freunde … sterben. Hm. Was zum Teufel wollten sie hören? Wenn sie Allerweltsantworten gab, würde Lincoln sie vermutlich rausschmeißen; die Menge war schon jetzt nicht begeistert von ihr und sie musste unbedingt Eindruck schinden.

Plötzlich fühlte sie sich wie auf einer der vielen Partys von Reichenkindern, auf denen sie gewesen war … sie hatte hart kämpfen müssen, um sich zu beweisen. Und all das, ohne den geringsten Schimmer, was von ihr erwartet wurde.

Die Erinnerung daran ließ feindselige Gefühle in ihr aufkommen. „Ach, du kennst mich doch, Finn“, sagte sie säuerlich. „Ich würde wahrscheinlich ein Videotape mit all den Lektionen meines Lebens aufnehmen – wie führt man ein Juliana-Mayfair-Leben.“

Finn deutete ein Grinsen an, doch sie merkte, dass ihre Antwort falsch gewesen war. Die düstere Reaktion der Gruppe bestätigte ihre Theorie. Sie seufzte.

Etwas Emotionales, dachte sie, wie die Schulfreundingeschichte von Terrence. „Ich würde meiner Familie sagen, wie viel sie mir bedeutet“, sagte sie und spürte, wie die Menge wenigstens ein bisschen auftaute. Sie dachten natürlich, sie spräche von tief empfundenen Gefühlen. In Wahrheit bezweifelte sie, dass es ihre Eltern interessieren würde, was sie ihnen gegenüber empfand, solange es nicht geschmacklos war und sie in der Öffentlichkeit darüber redete.

Lincoln hatte allerdings die Hand von ihrer Schulter genommen. Als sie ihn ansah, bemerkte sie, dass er finster, beinahe böse guckte.

Warum war er so unzufrieden? Sie warf ihm ebenfalls einen bösen Blick zu. Was sollte sie denn sagen?

„Eine letzte Sache“, sagte Finn bohrend. „Was ist die dritte Sache, die du tun würdest?“

Sie ging ihre Fantasien und Tagträume durch. Was hatte sie noch nicht getan? Sie dachte an ihre Lieblingsfilme. Hauptsächlich Liebeskomödien: witzige, temperamentvolle Frauen, die Dummheiten anstellten.

Dann fiel es ihr plötzlich ein.

„Weißt du was?“, sagte sie schließlich. „Ich würde etwas stehlen.“

Lincolns Kehle schnürte sich zu.

„Etwas stehlen?“, wiederholte Finn, mit einem breiten, fassungslosen Grinsen.

„Ja, genau.“ Lincoln konnte Julianas Gesicht nicht sehen, da er hinter ihrem Stuhl stand, doch er hörte das Schmunzeln in ihrer Stimme. „Ich stand immer schon auf diese Gentleman-Gangster-Filme. The Italian Job, Thomas Crown ist nicht zu fassen, Ocean’s Eleven.“ Sie lachte. „Und wenn es schiefläuft, müsste ich keine Angst haben, allzu lange im Gefängnis zu sitzen.“

„Du würdest also irgendwo einbrechen und etwas stehlen?“, vergewisserte sich Finn.

Die Menge war wie elektrisiert. Lincoln spürte einen Klumpen im Bauch.

Ich wusste, dass das keine gute Idee ist, dachte er. Ich wusste, dass sie nur Ärger bringen würde.

Er schloss die Augen und spürte für einen winzigen Moment wieder ihre Lippen auf seinen. Schnell dachte er an ein paar mathematische Gleichungen und Baseballergebnisse. Er stand hier vor dem gesamten Club – das Letzte, was er wollte, war, dass alle bemerkten, wie er hinter der umwerfenden Juliana stand und einen Ständer von der Größe des Empire State Buildings hatte. Wahrscheinlich dachten sie ohnehin, er habe den Verstand verloren, dass er ihr Mentor sein wollte.

Verdammt, er hatte schon selbst das Gefühl, den Verstand verloren zu haben.

Er warf Finn einen stechenden Blick zu. Finn zuckte einfach nur mit den Schultern. In seinen Augen blitzte noch immer der Schalk.

Verflucht noch mal. Er wusste, dass Finn unruhig geworden war, aber das war unverantwortlich.

„War’s das jetzt mit den Fragen?“, murmelte Juliana.

„Ja, leider“, antwortete Finn.

„Kommen wir also jetzt zu den Mutproben des heutigen Abends.“ Finn schien sich diebisch zu freuen. „Sie sind eigentlich ziemlich einfach – ihr habt einen Monat, um die drei Dinge zu tun, die ihr gerade aufgezählt habt.“

Autor

Lori Wilde

Lori Wilde wollte schon immer Autorin werden. Sie machte eine Ausbildung zur Krankenschwester und konnte in dieser Zeit auch nebenbei ihrer Leidenschaft zu schreiben nachgehen. Ihr erstes Buch hat sie 1994 veröffentlicht.

Sie arbeitete 20 Jahre als Krankenschwester, doch ihre große Liebe ist die Schriftstellerei. Lori Wilde liebt das Abenteuer....

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