Traummänner & Traumziele: Griechische Inseln

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Insel meiner Sehnsucht
Sehnsüchtig denkt Annie an die Zeit mit Josh Issac auf der malerischen griechischen Insel Skiathos zurück. Dort verlebten sie Wochen des ungetrübten Glücks. Bis der erfolgreiche Journalist ihr nach drei Wochen plötzlich vorwarf, sie würde ihn betrügen, und sie Hals über Kopf verließ … Erst zwei Jahre später trifft sie ihn auf einer Hochzeitsfeier wieder. Wie am ersten Tag sprühen die Funken zwischen Josh und ihr. Und Annie muss sich eingestehen: Er war und ist immer noch ihre einzige große Liebe. Was muss geschehen, damit sie sein Vertrauen - und sein Herz! - zurückgewinnt?

Auf der Insel der Sehnsucht
Prinz Damian Aristedes hat alles, was das Herz begehrt: Macht, Geld, gutes Aussehen. Nur eine Frau, mit der er sein Leben teilen kann, hat er noch nicht gefunden. Bis er Ivy Madison in New York begegnet. Er brennt vor Verlangen nach der zarten Blondine mit den grünen Augen - und macht einen großen Fehler: Statt sie geduldig zu umwerben, befiehlt er ihr ganz einfach, ihn auf seine Insel Minos in Griechenland zu begleiten. Doch er rechnet nicht mit Ivys Sehnsucht nach einem Liebesgeständnis! Kaum landet sein Privatjet auf Minos, versucht sie zu fliehen ...

Dem siebten Himmel so nah
Tausend Pläne hat Serena, was ihre Zukunft angeht. Da würde eine feste Bindung nur stören! Aber das heißt nicht, dass sie nicht mal flirten kann. Zum Beispiel mit diesem gutaussehenden Piloten Pete Bennett, der ihr auf einer griechischen Insel über den Weg läuft. Vielleicht ist Pete sogar ein bisschen zu perfekt für eine Sommerromanze: Mit ihm fühlt Serena sich dem Himmel der Liebe so nah wie nie. Doch Pete scheint auch nicht mehr als eine kurze Affäre zu wollen. Bis er ihr plötzlich einen Heiratsantrag macht! Andere Frauen wären überglücklich –Serena ist entsetzt...

Wie einst in jenem Sommer
Nur ein Urlaubsflirt in Griechenland – trotzdem hat Carrie den attraktiven Andreas Stillanos nie vergessen! Jetzt bringt die Sorge um ein kleines Mädchen sie zurück auf seine griechische Insel. Wie selbstverständlich bestimmt Andreas: Carrie wird bei ihm wohnen, in seiner Villa, am türkisblauen Meer. Und er geht noch weiter: Für das Wohl seiner verwaisten Nichte Lilly schlägt er eine Blitzhochzeit vor. So nah wie einst in jenem Sommer ist das unerwartete Glück… Soll Carrie daran glauben –obwohl Andreas eine Trennung nach zwei Jahren vorsieht?

Wie Feuer auf Eis
Unter Rose splittert das Eis in letzter Sekunde rettet sie ein attraktiver Mann vor dem Ertrinken! Mathieu Demetrios bringt sie in Sicherheit, doch die Gefahr ist nicht gebannt: Erst küsst er sie glühend, dann besteht er darauf, dass sie sich ab sofort als seine Verlobte ausgibt! Vergeblich weigert Rose sich: Im Privatjet fliegt Mathieu mit ihr von Schottland auf seine griechische Insel. Dort weckt er in einer heißen Nacht die Lust in ihr, und hilflos erkennt Rose: Ihr Verführer hat sie zwar vor dem Eis gerettet, aber seine Leidenschaft droht sie zu verbrennen...


  • Erscheinungstag 06.07.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787080
  • Seitenanzahl 752
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Sandra Marton, Rosalie Ash, Kelly Hunter, Kathryn Ross, Kim Lawrence

Traummänner & Traumziele: Griechische Inseln

Sandra Marton

Auf der Insel der Sehnsucht

IMPRESSUM

JULIA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Brieffach 8500, 20350 Hamburg
Telefon: 040/347-25852
Fax: 040/347-25991

© 2007 by Sandra Marton
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1806 (7/1) - 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: SAS

Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 03/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86349-263-2

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

 

1. KAPITEL

Damian stieg gerade aus dem Taxi, als er sie zum ersten Mal erblickte.

Er war übelster Laune, ein Zustand, der bereits die letzten drei Monate über anhielt. Zudem ein Zustand, der ihn während dieser Zeit komplett unempfänglich für alles Schöne gemacht hatte.

Ein Mann müsste allerdings tot sein, um diese Frau nicht zu bemerken.

Umwerfend, so lautete sein erstes Urteil. Zumindest, was er von ihr sehen konnte. Eine große schwarze Sonnenbrille mit breiten Bügeln verdeckte die Augen und den oberen Teil ihres Gesichts, aber der Mund … ihr Mund war voll und versprach unsagbare sinnliche Freuden. Selbst ein Mönch würde bei ihrem Anblick in Versuchung geführt werden.

Sie hatte langes Haar. Eine seidige Mähne, die ihr in hellbraunen und goldenen Strähnen über die Schultern fiel.

Und sie war groß, ungefähr eins achtzig, die perfekte Modelgröße. Sie bewegte sich entsprechend graziös und trug ihre Kleidung so selbstbewusst, dass sie mit der teuren hellbraunen Wildlederjacke, der eng geschnittenen schwarzen Hose und den hochhackigen schwarzen Stiefeln aussah, als wäre sie direkt dem Titelbild der Vogue entstiegen.

Vor drei Monaten hätte Damian nicht nur hingesehen. Vor drei Monaten wäre er auf sie zugegangen, hätte sie angelächelt und sie charmant gefragt, ob sie wohl auch gerade auf dem Weg zum Lunch ins „Portofino’s“ sei.

Heute tat er das nicht.

Wohl auch nicht in absehbarer Zukunft, dachte er mit zusammengepressten Lippen.

Ganz gleich, was sich hinter dieser riesigen Brille verbergen mochte, er war nicht interessiert.

Entschlossen wandte er sich ab und reichte dem Taxifahrer ein paar Dollarnoten durchs Fenster. Hinter dem Taxi hupte jemand ungeduldig. Damian warf einen Blick zu dem Wagen, schob sich zwischen den Autos durch, setzte den Fuß auf den Bürgersteig …

Und dann bemerkte er, dass die Frau die Sonnenbrille abgenommen hatte. Sie schaute jetzt direkt in seine Richtung, mit klarem, offenem Blick.

Sie sah nicht umwerfend aus.

Sie sah sensationell aus.

Ihr Gesicht hatte die perfekte ovale Form, mit ausgeprägten hohen Wangenknochen, dazu eine aristokratische gerade Nase. Unglaubliche Augen. Riesengroß und dunkelgrün, von langen dichten Wimpern umrahmt.

Und dann dieser Mund. Die Dinge, die dieser Mund anstellen könnte …

Verflucht!

Damians Körper reagiert prompt und intensiv. Er konnte es nicht fassen. Andererseits … seit drei Monaten war er nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen.

Es war die längste Zeitspanne ohne Sex für ihn, seit er mit sechzehn zum Weihnachtsfest in die Mysterien der körperlichen Liebe eingeweiht worden war. Von der Geliebten seines Vaters.

Der Unterschied: Damals war er ein Junge gewesen.

Heute war er ein erwachsener Mann. Ein Mann mit kaltem Hass in seinem Herzen und nicht dem geringsten Wunsch nach einer Frau in seinem Leben. Nicht jetzt. Noch nicht. Nicht einmal eine, die so schön war, so begehrenswert …

„He, Mann, das hier ist New York! Bildest du dir ein, der Bürgersteig gehört dir allein?“

Damian wirbelte herum, auf einen Streit oder sogar auf Handgreiflichkeiten eingestellt, und erblickte den Mann, der ihn gerade angesprochen hatte … und fühlte, wie die Angriffslust in ihm verebbte.

„Reyes“, sagte er freudig.

Lucas Reyes grinste breit. „Genau der, wie er leibt und lebt.“

Auch aus Damians Lächeln wurde ein Grinsen. Er streckte die Hand aus, murmelte: „Ach, was soll’s“, und zog seinen Freund in eine kräftige Umarmung. „Tut gut, dich zu sehen.“

„Gleichfalls.“ Lucas ließ die Arme sinken und trat zurück. „Lust auf Lunch?“

„Habe ich jemals keine Lust auf ein Essen im ‚Portofino’s‘ gehabt?“

„Sicher, immer. Ich meinte nur …“ Lucas räusperte sich. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Mir geht’s gut.“

„Du hättest dich melden sollen. Bis ich in der Zeitung von … äh … von dem Unfall gelesen hatte …“

Damian versteifte sich. „Vergiss es einfach.“

„Mann, das muss ein Schock gewesen sein. Die Verlobte zu verlieren …“

„Ich sagte, vergiss es.“

„Ich kannte sie ja nicht, aber …“

„Lucas, ich will nicht darüber reden.“

„Wenn du meinst …“

„Genau das meine ich“, erwiderte Damian so klirrend, dass Lucas endlich verstand.

„Na schön.“ Er setzte ein gezwungenes Lächeln auf. „In diesem Falle … Ich habe die hintere Nische bei Antonio für uns reserviert.“

Auch Damian zwang sich zu einem Lächeln. „Bestens. Vielleicht steht heute ja sogar trippa alle savoiarda auf der Karte.“

Lucas schüttelte sich angewidert. „Was ist los, Aristedes? Ist Pasta nicht mehr gut genug für dich?“

„Kutteln sind eine Delikatesse, du Ignorant.“

Und damit verfielen sie mühelos in den gutmütigen Schlagabtausch, der durch jahrelange Freundschaft ermöglicht wird.

„Ganz wie in alten Zeiten“, meinte Lucas.

Nichts wird mehr wie in den alten Zeiten sein, dachte Damian still, doch er ließ es auf sich beruhen und schenkte seinem Freund einen freundlichen Blick.

Die hintere Nische war gemütlich wie immer, und auch Kutteln standen auf der Karte. Doch Damian bestellte sie nicht. Bei Innereien schüttelte es ihn ebenso wie Lucas.

Die Fopperei gehörte einfach zu ihrer Freundschaft. Dennoch, nachdem sie das Essen bestellt hatten und die Drinks vor ihnen standen – ein doppelter Wodka auf Eis für Damian und ein Whiskey ohne Eis für Lucas –, fehlte ihnen der Gesprächsstoff.

„Also“, setzte Lucas dann schließlich an, „was gibt’s Neues bei dir?“

Damian zuckte die Achseln. „Nicht viel. Wie sieht’s bei dir aus?“

„Ach, das Übliche. Letzte Woche war ich auf Tahiti. Um mir ein Strandgrundstück anzusehen.“

„Das Leben ist hart, was?“, meinte Damian gespielt mitfühlend.

„Tja, aber irgendjemand muss die schwere Arbeit ja übernehmen, nicht wahr?“

Wieder Schweigen.

Lucas räusperte sich. „Ich hab Nicolo und Aimee am Wochenende gesehen. Große Dinnerparty. Jeder hat nach dir gefragt.“

„Wie geht’s den beiden?“ Damian hatte nicht vor, auf die Bemerkung einzugehen.

„Wunderbar. Auch dem Baby geht es prächtig.“ Er nippte an seinem Whiskey.

Es blieb still am Tisch.

„Nicolo sagte, dass er versucht hat, dich anzurufen.“

„Ich weiß, ich habe seine Nachrichten bekommen.“

„Ich hab’s auch versucht. Wochenlang. Ich war wirklich froh, als du gestern endlich den Hörer abgenommen hast.“

„Ja, ich auch.“ Damian sagte es, als würde er es wirklich so meinen. Doch das tat er nicht. Keine zehn Minuten, und schon bereute er, dass er Lucas’ Anruf entgegengenommen und sich auf die Lunchverabredung eingelassen hatte.

Ein Fehler wie dieser konnte zumindest wiedergutgemacht werden.

Er sah auf seine Armbanduhr. „Leider ist mir was dazwischengekommen. Ich glaube nicht, dass ich lange bleiben kann. Ich meine, ich werd’s versuchen, aber …“

„Unsinn.“

Damian sah auf. „Wie?“

„Du hast schon richtig verstanden, Aristedes. Ich sagte, Unsinn. Nichts ist dazwischengekommen. Du willst dich nur aus dem Staub machen, bevor es unangenehm wird.“

„Wieso sollte es unangenehm werden?“

„Weil ich dir eine Frage stellen möchte.“

„Na, dann schieß los.“

„Warum hast du Nicolo und mir nicht Bescheid gegeben, als es passierte? Warum mussten wir es aus der Klatschpresse erfahren?“

„Das sind zwei Fragen“, bemerkte Damian ungerührt.

„Da kommt noch eine dritte. Warum hast du uns nicht um Hilfe gebeten? Es gab keinen einzigen vernünftigen Grund, das alles allein durchzumachen.“

„Was alles?“

„Komm schon, Damian, stell dich nicht blöd. Du weißt genau, was alles. Mann, wenn man die Frau verliert, die man liebt …“

„Bei dir hört sich das an, als hätte ich sie verlegt.“ Damians Stimme klirrte vor Kälte.

„Du weißt genau, wie ich es meine. Nicolo und ich haben uns darüber unterhalten, und …“

„Haben du und Barbieri nichts anderes zu tun, als wie zwei alte Klatschbasen zusammenzuhocken und über mich zu reden?“

Er sah, wie Lucas die Augen zusammenkniff, und konnte es ihm nicht einmal verübeln. Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat er die Sorge des Freundes ab und warf sie ihm zurück vor die Füße. Doch das scherte Damian im Moment keinen Deut. Das Letzte, was er brauchte, war Mitleid.

„Wir machen uns Gedanken um dich“, sagte Lucas jetzt leise. „Wir wollen dir helfen.“

Damian lachte bitter auf. Er sah Lucas blinzeln und lehnte sich über den Tisch. „Helfen wollt ihr mir? Damit ich meine Trauer verarbeiten kann?“

„Ja, Mann. Warum nicht?“

„Die einzige Art, wie ihr mir helfen könntet, ist Kay zurückzubringen“, sagte Damian leise.

„Das verstehe ich, aber …“

„Nein“, unterbrach Damian, „du verstehst gar nichts. Ich will sie nicht zurückhaben, weil mich die Trauer umbringt.“

„Warum sonst?“

„Ich will sie zurückhaben, damit ich ihr sagen kann, was ich von ihr halte. Sie war eine …“

Der Ober kam mit dem zweiten doppelten Wodka für Damian. Ein knappes Nicken, und schon stand das Glas vor ihm.

„Bringen Sie mir auch noch einen.“ Lucas hob sein Whiskeyglas. „Und machen Sie einen doppelten daraus.“

Sie warteten, bis auch der Whiskey serviert worden war, dann lehnte Lucas sich vor.

„Hör zu, ich weiß, du bist verbittert. Jeder wäre das. Deine Verlobte, schwanger mit deinem Baby. Ein betrunkener Autofahrer, eine enge Straße. Ich meine, ich kannte Kay nicht, aber …“ Er nahm einen langen Schluck. „Das muss hart sein.“

„Jetzt sagst du schon zum zweiten Mal, dass du sie nicht gekannt hast. Und damit hast du verdammt recht.“

„Du hast dich Hals über Kopf in sie verliebt, hast ihr praktisch sofort einen Antrag gemacht, und dann …“

„Mit Liebe hatte das nichts zu tun.“

Lucas riss die Augen auf. „Nicht?“

Damian hielt den Blick eindringlich auf seinen Freund gerichtet. Vielleicht lag es am Wodka. Vielleicht auch daran, wie sein alter Freund ihn anstarrte. Vielleicht hatte auch die Frau, der er vor dem Restaurant begegnet war, etwas in ihm ausgelöst. Schließlich hatte es eine Zeit gegeben, da hätte er sie begehrt und sich nicht dafür verachtet.

Wer konnte schon sagen, woran es lag. Nur eines erkannte er mit absoluter Klarheit: Er hatte die Nase voll davon, die Wahrheit zu verschweigen.

„Ich habe ihr keinen Antrag gemacht. Sie ist bei mir eingezogen, hier in New York.“

„Nun …“

„Sie war schwanger“, fuhr Damian tonlos fort. „Dann hat sie das Baby verloren. Hat sie zumindest behauptet.“

„Was soll das heißen?“

„Sie ist nie schwanger gewesen.“ Damians Wangenmuskeln arbeiteten. „Das mit dem Baby war eine Lüge.“

Lucas wurde blass. „Verdammt! Sie hat dich gelinkt?!“

Hätte auch nur ein Hauch von Mitleid in seinen Worten gelegen, Damian wäre aufgestanden und gegangen. Doch von Mitleid gab es keine Spur. Alles, was er aus Lucas’ Stimme heraushörte, war Schock, Empörung und eine willkommene Andeutung von Wut.

Plötzlich waren die Stimmen und das leise Lachen der anderen Gäste, das Klirren der Gläser und das Klappern von Besteck unerträglich störend. Damian schob seinen Stuhl zurück, legte einige Geldscheine auf den Tisch und sah Lucas an.

„Ich habe eine Eigentumswohnung gekauft, sie liegt nur ein paar Blocks von hier entfernt.“

Lucas stand schon, noch bevor Damian zu Ende gesprochen hatte. „Dann lass uns gehen.“

Und in diesem Moment, zum ersten Mal, nachdem die ganze Geschichte angefangen hatte, überkam Damian das Gefühl, dass er sein Leben wieder in den Griff bekommen würde.

Wenig später saßen die beiden Männer sich in Damians überaus großzügiger Maisonette-Wohnung gegenüber. Wodka und Whiskey waren gegen eine Kanne starken schwarzen Kaffees ausgetauscht worden.

Im Wohnzimmer boten drei Glasfronten einen überwältigenden Blick auf die Stadt, doch die schöne Aussicht interessierte keinen der beiden Männer. Der einzige Blick, der zählte, war der Einblick in die Seele einer eiskalt kalkulierenden Frau, und den gewährte Damian seinem Freund nunmehr ohne Vorbehalt.

„Ihr kanntet euch schon eine Weile“, sagte Lucas leise.

Damian nickte. „Wenn ich in New York war, trafen wir uns.“

„Und du wolltest es beenden.“

„Richtig. Sie war schön wie die Sünde, unvorstellbar sexy … Aber je näher ich sie kennenlernte … Es mag sich verrückt anhören, aber es war gerade so, als hätte sie eine Maske getragen, die sie nun Stückchen für Stückchen fallen ließ.“

„Das ist keineswegs verrückt. Es gibt genügend Frauen, die nur darauf aus sind, sich einen Mann mit Geld zu angeln.“

„Mehr und mehr zeigte sie eine Seite an sich, die mir vorher überhaupt nicht aufgefallen war. Kay interessierte sich nur noch für materielle Dinge und behandelte andere Menschen, als wären sie Dreck. Egal, wen – Taxifahrer, Kellnerinnen …“ Damian trank einen Schluck Kaffee. „Ich wollte raus aus der Beziehung und hatte überlegt, mich einfach nicht mehr bei ihr zu melden, doch das wäre nicht richtig gewesen. Ich wollte es ihr persönlich sagen. Also rief ich sie an und lud sie zum Dinner ein.“ Er konnte nicht mehr still sitzen, stand auf und stellte sich an eine der Glasfronten, um mit grimmiger Miene auf die Stadt zu schauen. „Ich hatte noch keine drei Worte gesagt, da fing sie an zu weinen und eröffnete mir, sie sei schwanger mit meinem Kind.“

„Du hast ihr geglaubt?“

Damian drehte sich zu Lucas um. „Ich war seit zwei Monaten mit ihr zusammen, Lucas. Du würdest es in so einem Fall auch glauben.“

Lucas seufzte. „Ja, wahrscheinlich.“

„Ich versicherte ihr, ich würde sie und das Baby unterstützen. Sie dagegen sagte, wenn ich mir wirklich etwas aus dem Baby mache, dann sollte sie bei mir einziehen dürfen.“

„Herrgott, Damian …“

„Ich weiß. Aber sie trug mein Kind im Bauch. Zumindest glaubte ich das.“

Wieder kam ein Seufzer von Lucas. „Ja, sicher.“

„Es war der reinste Albtraum.“ Damian erschauerte. „Vermutlich dachte sie, dass sie nun alles erreicht hatte und das Theaterspielen aufgeben konnte. Sie behandelte meine Hausangestellten wie Sklaven, hinterließ eine sechsstellige Rechnung bei Tiffany’s …“ Er biss die Zähne zusammen. „Ich wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben.“

„Auch nicht im Bett?“, fragte Lucas offen heraus.

„Nein. Ich konnte mir nicht einmal mehr erklären, warum ich überhaupt mit ihr geschlafen hatte. Sie glaubte, mein Interesse sei erlahmt, weil sie schwanger war.“ Er zog eine Grimasse. „Dann erwähnte sie immer öfter, wie anders die Dinge doch sein könnten, wenn sie nicht …“ Damian ging auf den Serviertisch mit der Kaffeekanne zu, überlegte es sich anders und steuerte den Barschrank an. „Was trinkst du?“, fragte er Lucas.

„Das Gleiche wie du.“

Die Antwort hauchte die Andeutung eines Lächelns auf Damians Gesicht. Er schenkte großzügig Courvoisier in zwei Cognacschwenker ein und reichte Lucas einen davon.

„Keine zwei Wochen später teilte sie mir mit, sie hätte eine Fehlgeburt erlitten. Ich fühlte mich … Ich weiß nicht, was ich fühlte. Ich meine, ich hatte mich mit dem Gedanken an ein Baby angefreundet, es war ein Baby für mich, kein Zellklumpen.“ Er schüttelte den Kopf. „Als ich die Enttäuschung überwunden hatte, verspürte ich eigentlich nur Erleichterung. Wir konnten die Beziehung beenden.“

„Nur, dass sie die Beziehung nicht beenden wollte.“

Damian lachte bitter auf. „Du bist cleverer als ich. Nein, sie wurde komplett hysterisch. Behauptete, ich hätte ihr ein Versprechen gegeben. Was natürlich nicht stimmte. Das Einzige, was uns zusammengehalten hatte, war das Baby, richtig?“

„Richtig.“ Mehr brauchte Lucas nicht zu sagen. Der Damm war gebrochen, alles strömte aus Damian heraus.

„Sie verfiel in Depressionen, so sah es wenigstens aus. Blieb den ganzen Tag im Bett, aß nicht mehr. Sie ging zu ihrem Arzt – behauptete sie –, und der schlug eine erneute Schwangerschaft als Heilmittel vor.“

„Aber …“

„Genau. Ich wollte ja gar kein Kind, nicht mit ihr.“ Damian nahm einen Schluck Cognac. „Sie flehte mich an, bettelte, kam nachts in mein Zimmer …“

„Ihr hattet getrennte Schlafzimmer?“

Ein kaltes Glitzern trat in Damians Augen. „Natürlich. Von Anfang an.“

„Natürlich. Entschuldige.“

„Sie war wirklich gut. Trotzdem schickte ich sie weg. Bis auf die eine Nacht …“ Sein Kinn wurde hart. „Ich bin nicht stolz darauf.“

„He, Mann, mach dir keine Vorwürfe. Wenn sie dich verführt hat …“

„Ich benutzte ein Kondom. Das machte sie verrückt. ‚Ich will ein Kind von dir‘, sagte sie immer wieder. Und dann …“ Damian brach ab.

Lucas beugte sich vor. „Ja?“, hakte er nach.

„Und dann“, Damian holte tief Luft und atmete seufzend aus, „dann sagte sie mir, sie sei wieder schwanger. Ihr Arzt habe es ihr bestätigt.“

„Aber du hast doch ein Kondom …“

„Es sei gerissen, behauptete sie, als sie …“ Damian räusperte sich. „… als sie es mir abgenommen hat. Herrgott, warum sollte ich das anzweifeln? Es ist doch allgemein bekannt, dass diese Dinger reißen.“

„Also war sie wieder schwanger.“

„Nein“, sagte Damian tonlos. „Sie war nie schwanger. Weder das erste noch das zweite Mal. Oh, sicher, sie hat das ganze Repertoire durchgespielt: morgendliche Übelkeit, Pralinen und saure Gurken mitten in der Nacht. Nur schwanger war sie nicht. War es nie gewesen. Kay war nur hinter meinem Namen her, hinter meinem Geld.“ Verbittert lachte er auf. „Sogar der Adelstitel, der heute, wie wir beide wissen, keinen Pfifferling mehr wert ist, reizte sie. ‚Prinzessin‘ wollte sie sein. Sie wollte alles. Und um das zu bekommen, hat sie mir all diese Lügen aufgetischt.“

„Wann hast du es herausgefunden?“

„Als sie verunglückte.“ Damian trank den letzten Schluck aus seinem Glas und schenkte sich nach. „Ich flog wieder nach Athen zurück, geschäftlich. Ich rief sie regelmäßig an, um mich nach dem Verlauf der Schwangerschaft zu erkundigen. Später fand ich heraus, dass sie einen Lover hatte, mit dem sie die ganze Zeit während meiner Abwesenheit zusammen war.“

„Teufel noch eins“, sagte Lucas leise.

„Sie waren auf Long Island, auf einer schmalen gewundenen Straße an der Nordküste. Er saß am Steuer, beide waren sie vollgepumpt mit Alkohol und Kokain. Der Wagen stürzte über die Leitplanke. Für beide kam jede Hilfe zu spät.“ Damian schaute von seinem Glas auf. „Du hast vorhin von Trauer gesprochen. Damals habe ich wirklich getrauert, um mein ungeborenes Kind. Bis ich in Kays Papieren einige Zeitungsausschnitte fand. Sie hatte aus allen möglichen Zeitschriften Artikel über Schwangerschaftssymptome gesammelt. Ich habe dann mit ihrem Arzt gesprochen. Er hat es mir bestätigt. Kay war nie schwanger.“

Die beiden Freunde schwiegen, während die Sonne langsam am Horizont versank. Irgendwann räusperte Lucas sich.

„Ich wünschte, ich könnte dir etwas Hilfreiches sagen.“

Damian lächelte. „Du hast mich zum Reden gebracht. Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut mir das getan hat. Die Erinnerung daran hat ständig an mir genagt.“

„Ich habe eine Idee. Mein Club, erinnerst du dich noch? Ich treffe mich heute dort mit jemandem, der mich ausbezahlen will.“

„Du stößt den Club ab? Schon?“

„Du weißt doch, wie es in New York ist. Heute noch ‚in‘, und morgen kräht schon kein Hahn mehr danach.“ Lucas sah auf seine Armbanduhr. „Komm mit mir in den Club. Du nimmst einen Drink, während ich das Geschäftliche erledige, und dann gehen wir zusammen aus.“ Er grinste. „Zwei Junggesellen unterwegs. Wie früher.“

„Danke, mein Freund, aber heute Abend wäre ich kein amüsanter Gesellschafter.“

„Natürlich wärst du das. Und wir werden auch sicher nicht lange allein bleiben. Ein paar hübsche Damen lassen sich bestimmt finden.“

„Von Frauen habe ich bis auf Weiteres genug.“

„Verständlich, aber …“

„Nein, wirklich, ich brauche eine Pause.“

„Bist du sicher?“

Aus einem unerfindlichen Grund tauchte das Bild der grünäugigen Frau mit der langen Mähne vor Damian auf. An sie hatte er nun wirklich nicht denken wollen. „Definitiv“, bekräftigte er.

„Du weißt doch, was man über Reiter sagt, die vom Pferd fallen. Man soll sich sofort wieder in den Sattel schwingen …“

„Vor einem Jahr habe ich Ähnliches zu Nicolo gesagt, an dem Abend, als er Aimee traf. Für ihn traf dieser Rat zu, aber nicht für mich. Bei mir ist es anders.“

Lucas’ Lächeln schwand. „Du hast recht. Ich rufe diesen Kerl, mit dem ich mich treffen wollte, einfach an und verschiebe …“

„Nein, tu das nicht. Ich möchte einen ruhigen Abend verbringen, alles überdenken, die Dinge in meinem Kopf sortieren. Damit ich diese Sache endlich hinter mir lassen kann.“

Lucas schaute Damian fragend an. „Das ist kein Problem, wirklich nicht. Ich kann den Mann auch morgen treffen.“

„Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich fühle mich schon sehr viel besser nach unserem Gespräch.“ Damian streckte die Hand aus. „Geh zu deinem Termin. Und, Lucas … danke.“

„De nada.“ Lucas lächelte. „Ich ruf dich morgen an, okay? Vielleicht können wir uns ja morgen Abend zum Dinner treffen.“

„Würde ich gern, aber ich fliege morgen früh schon wieder nach Minos zurück.“ Damian legte Lucas die Hände auf die Schultern. „Pass auf dich auf, filos mou.

„Du auch.“ Lucas runzelte die Stirn. Damian sah besser aus als noch vor ein paar Stunden, aber da lag immer noch dieser gehetzte Ausdruck in seinen Augen. „Ich wünschte, du würdest es dir noch mal überlegen. Vergiss die Frauen, gehen wir zusammen in den Fitnessclub. Wir stemmen Gewichte, laufen ein paar Runden …“

„Du glaubst, es hilft mir, mich besser zu fühlen, wenn ich dich wieder schlage?“

„Einmal hast du mich geschlagen. Und zwar in Yale. Das ist mindestens hundert Jahre her.“

Beide Männer lachten. Den Arm um Lucas’ Schulter gelegt, führte Damian den Freund zur Tür. „Mach dir keine Sorgen um mich, Reyes. Ich stelle mich unter die Dusche, gönne mir danach noch einen Cognac als Schlummertrunk, und dank deinem Talent als guter Zuhörer werde ich heute zum ersten Mal seit drei Monaten ruhig schlafen.“

Die Freunde schüttelten sich zum Abschied die Hände. Damian schloss die Tür hinter Lucas und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Sein Lächeln schwand.

Er hatte Lucas die Wahrheit gesagt. Nach ihrem Gespräch fühlte er sich wirklich besser. Drei Monate lang, seit Kays Tod, hatte er Freunde und Bekannte gemieden und sich stattdessen in die Arbeit gestürzt, in der Hoffnung, so könne er seine Wut loswerden.

Welchen Sinn hatte es, wütend auf eine tote Frau zu sein? Oder auf sich selbst, weil er sich von ihr hatte übertölpeln lassen?

„Keinen“, sagte er laut vor sich hin und stieg die Treppe zu seinem Schlafzimmer empor. „Absolut keinen.“

Kay hatte ihn zum Narren gehalten. Na und? Männer überlebten weit Schlimmeres. Und falls es wirklich irgendwo in seinem Unterbewusstsein einen Teil gab, der um ein Kind trauerte, das nie existiert hatte und von dem er nie gewusst hatte, dass er es wollte … nun, auch dafür gab es eine Lösung.

Er war einunddreißig. Vielleicht war es an der Zeit, sesshaft zu werden. Zu heiraten. Eine Familie zu gründen.

Thee mou, war er jetzt komplett übergeschnappt!?

Ohne eine Frau konnte man weder heiraten noch Kinder zeugen. Und so bald würde er sich auf keine Frau einlassen. Was er brauchte, war genau das Gegenteil von „sesshaft werden“.

Lucas hatte das völlig richtig erkannt. Sich in den Armen einer Frau zu verlieren war das beste Heilmittel. Ein warmer, nachgiebiger Körper. Ein williger Mund. Eine Frau ohne Hintergedanken, eine, die keine Pläne schmiedete, sondern der nur daran lag, Momente der Leidenschaft und der sinnlichen Freuden zu genießen.

Da war es schon wieder, das Bild der Frau mit den herrlich grünen Augen. Teufel, was für eine Chance hatte er sich da durch die Finger schlüpfen lassen! Sie hatte ihn direkt angesehen, und selbst so schlecht gelaunt, wie er war, hatte er sofort gewusst, was dieser Blick bedeutete.

Die Lady war interessiert.

Eine schlichte Wahrheit: Frauen waren generell interessiert.

Und er selbst war ja schließlich auch interessiert. Oder er wäre es gewesen, wenn er nicht so damit beschäftigt wäre, sich selbst zu bemitleiden. Denn genau das war es – Selbstmitleid. Natürlich tobte auch Wut in ihm, aber gemischt mit einem guten Schuss von „Ach, ich Armer“.

Es reichte.

Er würde Lucas anrufen, ihm sagen, dass er es sich überlegt hatte. Der Vorschlag war gut. Gemeinsames Dinner, einige Drinks, ein paar schöne Frauen, selbst wenn sie keine grünen Augen und keine blond gesträhnte Mähne vorweisen konnten.

In dem Moment klingelte es an der Wohnungstür. Damian hob die Augenbrauen. Zu seinem Apartment gelangte man nur mit dem Privatlift. Der Portier ließ nur Leute passieren, wenn die Erlaubnis von Damian vorlag.

Es sei denn …

Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Lucas.“

Sofort eilte er die Stufen wieder hinunter. Sein Freund hatte nicht aufgegeben und war noch einmal zurückgekommen.

Damian riss die Türen auf. „Reyes“, sagte er strahlend, „hast du telepathische Kräfte? Ich wollte dich gerade anrufen …“

Doch in dem marmorverkleideten Vorraum stand nicht Lucas Reyes.

Sondern die Frau, der Damian vor dem „Portofino’s“ begegnet war.

Die grünäugige Schönheit, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen war.

2. KAPITEL

Welch ein Bild!

Damian Aristedes bekam seinen Mund nicht mehr zu. So etwas Famoses war Ivy schon lange nicht mehr passiert.

Seine Hoheit war wohl nicht an unerwünschte Überraschungen gewöhnt. Damian sei nicht aus der Ruhe zu bringen, hatte Kay gesagt. Nun, so hatte sie es eigentlich nicht ausgedrückt. Man kommt nicht an ihn heran, das war es, was sie gesagt hatte.

Was allerdings auch nicht stimmt, dachte Ivy jetzt. Man musste sich den Mann ja nur ansehen!

„Wer sind Sie? Und was wollen Sie hier?“

Doch sie antwortete nicht. Das Triumphgefühl, ihn überrumpelt zu haben, ließ nach. Gründlich hatte sie sich auf diesen Moment vorbereitet, doch jetzt, da es so weit war … kam sie halb um vor Angst. Ihr Herz hämmerte so laut, er müsste es eigentlich hören können.

„Sie waren heute vor dem ‚Portofino’s‘.“

Damian gewann seine Fassung zurück. Autorität klang jetzt in seiner Stimme mit, die hellgrauen Augen hatte er leicht zusammengekniffen.

„Sind Sie Reporterin? Von irgendeinem Klatschblatt? Ich gebe keine Interviews.“

Er hatte also wirklich keine Ahnung, wer sie war. Sie hatte sich schon gefragt, ob Kay ihm jemals ein Foto gezeigt hatte, oder zumindest ein Bild von ihr in den einschlägigen Magazinen. Doch bereits vor dem Restaurant, wohin sie ihm von seinem Bürogebäude auf der 57th Street gefolgt war, hatte sie diese Möglichkeit verworfen.

Damian Aristedes hatte sie angesehen, wie praktisch alle Männer sie ansahen. Interessiert, verlangend – mit der Art von Begehren, die sie verabscheute. Die Art, die ihr zu verstehen gab, dass sie ein Püppchen war und der Mann gern ein neues Spielzeug hätte.

Obwohl … als dieser Mann sie heute ansah, nur für eine Sekunde – ganz sicher nicht länger! – hatte sie etwas gefühlt …

Ja, was?

Auf jeden Fall hatte es sie durcheinandergebracht. Sie war froh gewesen, dass noch ein anderer Mann dazugestoßen war. Wenn jemand bei ihm war, würde sie ihn nicht mit ihrer Geschichte konfrontieren. Dieses Gespräch musste unter vier Augen stattfinden.

Und was den Verlust ihrer Entschlossenheit anbelangte … zeigte ihr nur überdeutlich, wie gefährlich Damian Aristedes war.

Dass Kay völlig hingerissen und wie hypnotisiert von diesem Mann gewesen war, verwunderte sie nicht. Bei dieser Art Männer hatte bei Kay immer der Verstand ausgesetzt. Sie selbst hatte seine Wirkung für eine Sekunde gespürt, und dieser Moment überzeugte sie davon, dass sie ihn richtig einschätzte.

Der Prinz überschaute sein Reich. Wie eine geschmeidige Dschungelkatze, immer auf der Suche nach Beute. Ein wunderschönes Raubtier. Nur schade, dass er kein Herz hatte, keine Seele, kein …

„Sind Sie taub? Wer sind Sie? Was wollen Sie? Und wie sind Sie hier heraufgekommen?“

Jetzt trat er zwei Schritte vor, gerade weit genug, um den Abstand zwischen ihnen auf eine unbehagliche Nähe zu verringern. Zweifelsohne eine subtile Form der Einschüchterung. Normalerweise hätte sie auch sicherlich die gewünschte Wirkung gehabt. Er war so groß, dass Ivy, trotz ihrer eigenen Größe, den Kopf leicht nach hinten legen musste, um ihm in die Augen sehen zu können. Doch Ivy war an derartige Einschüchterungstaktiken gewöhnt.

Seit Jahren wurde sie von wahren Experten herumkommandiert. Aber man wurde nur verletzt, wenn man es an sich heranließ.

„Drei Fragen“, sagte sie endlich. „Soll ich sie in der Reihenfolge beantworten, oder darf ich wählen?“

Er bewegte sich blitzschnell, packte ihr Handgelenk und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Es tat weh, sein Griff war wie eine eiserne Klammer. Einem verwöhnten Aristokraten hätte sie so viel Kraft nicht zugetraut.

„Nehmen Sie Ihre Hände von mir.“

„Es kostet mich einen kurzen Anruf bei der Polizei, dass ich einen unerwünschten Eindringling in meinem Apartment habe. Wollen Sie das?“

„In Ihrem eigenen Interesse sollten Sie die Polizei lieber aus dem Spiel lassen, Hoheit.“

Seine grauen Augen schienen sie beinah zu durchbohren. „Und warum?“

Jetzt! Ivy holte tief Luft. „Ich heiße Ivy.“

Nichts, keine Reaktion.

„Ivy Madison“, ergänzte sie, als könnte das einen Unterschied machen.

Der griechische Prinz zuckte mit keiner Wimper. Entweder war er ein exzellenter Schauspieler, oder … Ein alarmierender Gedanke durchzuckte sie. „Sie sind doch Damian Aristedes?“

Er lächelte dünn. „Die Frage kommt ein wenig spät, aber ja, der bin ich.“

„Dann muss Ihnen mein Name bekannt sein.“

„Muss er?“

„Ich bin Kays Schwester. Ihre Stiefschwester.“

Endlich reagierte er – sein Blick wurde eiskalt. Er ließ ihr Handgelenk los. Nein, eher schleuderte er es angewidert von sich. Fast erwartete Ivy, er würde sich die Hand an der Hose abwischen.

Auf Distanz bedacht, trat er von ihr zurück. „Sind Sie hier, um mir Ihr Beileid auszudrücken? Nach drei Monaten?“

„Ich hatte erwartet, dass Sie sich bei mir melden.“

Humorlos lachte er auf. „Warum, zum Teufel, sollte ich das tun? Ich wusste ja nicht einmal, dass Kay eine Schwester hat.“ Er hielt inne. „Falls Sie überhaupt ihre Schwester sind.“

„Was reden Sie da! Natürlich bin ich ihre Schwester. Und Sie kennen mich.“

Diese Frau, die behauptete, Kays Schwester zu sein, sprach mit felsenfester Überzeugung. Damian glaubte ihr trotzdem nicht.

Sie konnte nichts Gutes im Schilde führen. Warum tauchte sie persönlich auf? Sie hätte auch anrufen oder eine E-Mail schicken können. Verdammt, was ging hier überhaupt vor?

Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Er griff nach seinem Handy, das auf dem Tisch in der Apartmentdiele lag.

„Was haben Sie vor?“

„Ich lasse Ihren Bluff platzen. Ich rufe die Cops. Mir wollen Sie keine Fragen beantworten? Fein. Sie können Ihre Geschichte auf dem Polizeirevier erzählen.“

„Sie sollten es sich besser noch einmal überlegen, Mr. Aristedes, bevor Sie die Nummer wählen.“

Seine unerwünschte Besucherin hatte anfangs wie ein Pokerspieler mit einer unschlagbaren Hand geklungen, diese Sicherheit war jetzt jedoch verpufft. Ihre Stimme bebte, und die grünen Augen – so grün, dass er sich fragte, ob sie Kontaktlinsen trug – standen riesengroß in ihrem Gesicht.

Ein Täuschungsmanöver. Sie hatte etwas vor. Die Frage war nur, was.

„Prinz.“ Er überraschte sich selbst, dass er seinen Titel anführte. Eigentlich wollte er immer bei Vor- oder Nachnamen genannt werden, nicht bei seinem Adelstitel. Wenn allerdings aristokratische Arroganz nötig war, um diese wildfremde Frau einzuschüchtern, würde er sie einsetzen. „Es heißt Prinz Damian. Und ich gebe Ihnen genau eine Sekunde, um endlich zu reden. Wie sind Sie hier heraufgekommen?“

„Sie meinen, wie es mir gelungen ist, den Wachhund in der Lobby zu überlisten?“

Kokettierend versuchte sie, wieder die Kontrolle an sich zu reißen. Damian würde den Teufel tun und das zulassen. Als er dieses Mal auf sie zutrat, verkürzte er nicht nur den Abstand, sondern drängte sie bis in die Ecke zurück.

„Sie sollten nicht mit mir spielen, Lady. Ich will klare Antworten hören.“

Sie zog die Unterlippe zwischen die Zähne, ließ dann los und fuhr sich flüchtig mit der Zungenspitze über die gereizte Stelle.

Damian spürte ein Ziehen in den Lenden. Lucas hatte es richtig erkannt. Es war viel zu lange her, seit er eine Frau gehabt hatte.

„Ein Bote hat mir die Tür aufgehalten.“ Ein dünnes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Er war sehr zuvorkommend. Ich habe die Feuertreppe benutzt.“

„Wenn Sie Kays Schwester sind, warum haben Sie nicht einfach den Portier gebeten, Sie anzumelden?“

„Ich habe drei Monate darauf gewartet, dass Sie sich melden. Dem Portier zu sagen, dass ich hier bin, erschien mir wenig nützlich.“

„Können Sie sich ausweisen?“

„Wie bitte?“

„Ich will einen Ausweis sehen, irgendeine Bestätigung, dass Sie sind, wer Sie vorgeben zu sein.“

„Ich kann wirklich nicht verstehen, wie Kay Sie hat lieben können“, murmelte Ivy bitter.

Damian ermahnte sich, dass es besser sei, darauf nichts zu erwidern. Stumm beobachtete er, wie sie eine Brieftasche aus ihrer Schultertasche hervorkramte und einen Führerschein hervorzog.

„Hier, bitte. Zufrieden?“

Nein, zufrieden nicht, dafür umso verwirrter. Der Führerschein wies sie als Ivy Madison aus, Alter siebenundzwanzig, wohnhaft in Chelsea. Das Foto passte, es war eindeutig die Frau, die vor ihm stand.

Damian sah von dem Dokument auf. „Das beweist immer noch nicht, dass Sie Kays Schwester sind.“

Wortlos griff sie wieder in die Handtasche und zog eine kleine Fotomappe hervor. Klappte sie auf und hielt sie hoch. Das Foto war schon einige Jahre alt, aber bei den Gesichtern der beiden Frauen konnte kein Zweifel bestehen.

„Also schön. Selbst wenn Sie Kays Schwester sind … Was wollen Sie hier?“

Ivy starrte ihn an. „Die Frage meinen Sie nicht ernst!“

Doch, durchaus. Und dann schoss ihm die Erkenntnis mit erschreckender Klarheit durch den Kopf. Die beiden Frauen mochten sich nicht ähnlich sehen, was jedoch nicht bedeutete, dass der Apfel weit vom Stamm gefallen war.

„Ich erspare Ihnen weitere Bemühungen“, sagte er kalt. „Ihre Schwester hat kein Geld hinterlassen.“

Verachtung leuchtete in den grünen Augen auf. „Ich bin nicht des Geldes wegen gekommen.“

„Es gibt auch keinen Schmuck, keine Kriegsbeute, nichts. Alles, was ich ihr geschenkt hatte, habe ich einer Wohltätigkeitsorganisation gespendet.“

„Darum geht es mir nicht.“

„So?“ Aufbrausend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Sie meinen, Sie sind auf den Jackpot aus.“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Sie egoistischer, überheblicher, eingebildeter Kerl! Glauben Sie mir, Prinz oder Mr. oder wie auch immer, Sie werden nie erfahren, was Ihnen entgeht.“

Eine emotionsgeladene kleine Ansprache, die wohl ihren Höhepunkt darin finden sollte, dass sie sich an ihm vorbeischob und zum Lift strebte.

Umso besser! Wenn sie so schnell aufgab und bereit war zu verschwinden, war es nur vernünftig, sie gehen zu lassen.

Zum Teufel mit der Vernunft!

Damian verstellte ihr den Weg und drängte sie zurück in die Ecke. Sie beschimpfte ihn, weit weniger zivilisiert als zuvor, streckte die Arme aus und wollte ihn wegstoßen.

Aber er lachte nur, fasste ihre Handgelenke und zog ihre Hände an seine Brust. Trotzige Wut färbte ihre Wangen dunkelrot.

„Verflucht, lassen Sie mich los!“

„Ich verstehe nicht, Süße“, raunte er. „Erst wollen Sie mich unbedingt sehen, und jetzt gehen Sie schon wieder?“

Mit voller Kraft trat sie ihn mit ihren Stiefeln gegen sein Schienbein. Es tat verflucht weh, aber er ließ sich den Schmerz nicht anmerken. Stattdessen zog er sie näher zu sich heran, sodass sie der Länge nach an seinen Körper gepresst stand.

Mühsam überzeugte er sich davon, er tue das nur, um zu verhindern, dass sie noch einmal ausholte und ihn trat. Und dass es absolut keinen Grund gab für die heiße Lust, die ihn überkam, während er in ihr hochrotes Gesicht schaute.

Ihre Augen blitzten, ihr Haar glich einer goldenen Flutwelle, ihre Lippen zitterten. Zitterten und waren leicht geöffnet.

Natürlich, deshalb war sie gekommen! Wie konnte er nur so begriffsstutzig sein!

Kay hatte ihr von ihm erzählt. Dass er Geld hatte, einen Adelstitel, eine Schwäche für schöne Frauen. Kay war tot, aber Ivy … Ivy war sehr lebendig.

Sein Blick glitt wieder zu ihren vollen Lippen. „Sie müssen mich ja wirklich für einen Idioten halten. Natürlich weiß ich, warum Sie hier sind.“

„Gott sei Dank! Ich dachte schon …“

Damian brachte sie mitten im Satz zum Schweigen. Er schob seine Finger in ihr Haar, zog ihren Kopf zu sich heran und küsste sie. An seinen Lippen schrie sie auf, trommelte mit den Fäusten gegen seine Brust. Wirklich gute Show, dachte er mit einer Kaltblütigkeit, die seine steigende Libido Lügen strafte.

Sie war gekommen, um den Platz ihrer Schwester einzunehmen. Nun, er würde ihr eine kleine Kostprobe gewähren. Ein Kuss, der ihr zeigte, dass sie keine Chance hatte, und dann würde er sie hochkant hinauswerfen.

Nur … es kam anders, als er sich das vorgestellt hatte.

Vielleicht hatte er wirklich zu lange keine Frau mehr gehabt.

Seine Sinne liefen Amok. Sex und Begehren scherten sich weder um Vernunft noch um Gründe, sie verlangten nur nach Erfüllung. Er wollte sie. Hitze erfasste ihn, so rasend wie Feuer einen Strohhaufen.

Die Frau in seinen Armen wehrte sich, versuchte, sich freizumachen.

Sie tat nur so, das wusste er. Das gehörte alles mit zu ihrer Show. Leicht biss er auf ihre Unterlippe, und sie stieß einen leisen Schrei aus. Seine Lippen versuchten, die ihren zu erobern, und er genoss ihren Geschmack. Ein protestierender Laut entrang sich ihrer Kehle. Er küsste sie, bis der Laut in ein Wimmern überging, bis sie die Hände flach auf seine Brust legte, bis sie sich an ihn schmiegte …

Thee mou!

Damian ließ ruckartig von ihr ab. Die Frau taumelte zurück.

Herr im Himmel, was tat er hier?! Sie war genau wie Kay. Eine Sirene, die einen Mann ins Verderben lockte …

Doch kurz darauf holte sie aus und verpasste Damian einen Kinnhaken. „Mistkerl!“, stieß sie hervor. „Sie widerwärtiger, abartiger Mistkerl!“

„Lassen Sie das Theater“, knurrte er abfällig. „Sonst fallen mir auch noch ein paar Schimpfworte für Sie ein.“

„Wie konnte Kay Sie jemals lieben!“

„Ihre Schwester hat nichts geliebt, an dem nicht ein Preisschild hing. Und jetzt verschwinden Sie endlich, bevor ich meine Meinung ändere und doch noch die Cops rufe.“

„Sie hat Sie auf jeden Fall genug geliebt, um sich von Ihnen zu dem Baby überreden zu lassen!“

Damian hatte sich schon abgewandt, jetzt drehte er sich wieder zu Ivy Madison um. „Welches Baby?“

„Sie wissen ganz genau, welches Baby! Das erste hat sie verloren. Doch anstatt ihr Trost und Mitgefühl zu spenden, wollten Sie Kay vor die Tür setzen, weil sie Ihnen keinen Erben schenken konnte.“

War es möglich, dass die Lügen einer Frau einen Mann sprachlos machten? Damian öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton hervor, während er versuchte, den Sinn dieser Worte zu begreifen.

„Sie wollten die Frau, die Sie liebte, die Sie anbetete, hinauswerfen, weil sie keine Kinder bekommen konnte. Also beschloss meine Schwester, Ihnen Ihren Erben zu geben, ganz gleich, was es kosten würde.“

„Moment mal …“

Die grünen Augen standen groß in Ivys bleichem Gesicht. „Sie haben ihre Liebe ausgenutzt, Ihnen war doch egal, was mit ihr passierte …“

Mit zwei großen Schritten war Damian bei ihr, fasste sie mit eisernem Griff bei den Schultern und hob sie mühelos hoch, bis ihre Augen auf gleicher Höhe waren.

„Raus“, knurrte er gefährlich leise. „Raus aus meiner Wohnung und aus meinem Leben, bevor ich Sie verhaften lassen. Und wenn Sie glauben, man würde Sie nach zwei Stunden wieder auf freien Fuß setzen, dann täuschen Sie sich. Meine Anwälte werden dafür sorgen, dass Sie die nächsten hundert Jahre hinter Gittern verbringen.“

Es war eine leere Drohung. Was sollte man ihr denn vorwerfen? Dass sie eine erstklassige Lügnerin war? Natürlich wusste er, dass er nichts gegen sie in der Hand hatte. Was zählte war, dass sie es nicht wusste.

Doch das hielt sie nicht davon ab, ihre Schwester in Schutz zu nehmen. „Kay hat Sie geliebt.“

„Ich sagte Ihnen bereits, was Kay geliebt hat. Ich gebe Ihnen fünf Sekunden, Miss Madison. Eins, zwei …“

„Sie hat eine Lösung gefunden, um Ihr Kind zu bekommen. Damals waren Sie einverstanden, aber jetzt weigern Sie sich anzuerkennen …“

„Leben Sie wohl, Miss Madison.“ Damit schob Damian Ivy unsanft zur Tür. Sie taumelte auf den Lift zu. „Ich rufe den Portier an. Sollte er Sie in den nächsten Minuten nicht aus diesem Aufzug kommen sehen, werden die Cops Sie abholen.“

„Das können Sie nicht tun!“

„Wollen Sie wetten?“ Die Lifttüren glitten auf. Damian schob Ivy am Ellbogen hinein.

Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie ist in der Lage, auf Kommando Tränen abzurufen, genau wie Kay, dachte er ohne einen Funken Mitleid. Kay hatte es allerdings nie zu solcher Perfektion gebracht. Zwar würde ihr Gesicht rot anlaufen, ihre Haut würde hektische rote Flecke bekommen, aber ihre Nase, die war immer trocken geblieben.

Ivys Augen schimmerten tränenfeucht, ihre Haut war bleich, und ihre Nase … Verdammt, ihre Nase lief!

Netter Touch, sehr realitätsnah, merkte er in Gedanken an, trat aus dem Aufzug und sah zu, wie die Türen sich schlossen.

„Es war dumm von mir, hierherzukommen.“

Damian hielt die Türen mit einer Hand an. Die Worte waren kaum verständlich gemurmelt worden. Noch ein netter Touch. Er lächelte boshaft. „Hat wohl nicht so geklappt, wie Sie sich das vorgestellt haben, oder?“

„Ich hätte es mir denken können. In all den Monaten kein einziger Anruf von Ihnen … Ich hatte Kay gewarnt, dass es keine gute Idee sein würde, aber sie wollte nicht auf mich hören.“

„Da gehe ich jede Wette ein. Zwei Betrügerinnen, die sich zusammentun, um einen reichen Trottel zu überlisten. Das muss ein äußerst interessantes Gespräch gewesen sein.“

„Auf eines können Sie Gift nehmen, Prinz Aristedes.“

„Es heißt Prinz Damian“, korrigierte er kalt. „Wenn Sie auf einen Platz in der Welt des Hochadels aus sind, sollten Sie sich wenigstens mit den richtigen Anreden auskennen.“

„Bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten Ihre Meinung ändern, wenn das Baby geboren ist.“

„Nicht einmal im Traum würde mir das ein…“ Er zuckte zusammen. „Von welchem Baby reden Sie überhaupt?“

„Sie werden das Kind nicht bekommen, ganz gleich, wie viele Anwälte Sie auf mich hetzen.“

Vor Verblüffung ließ er die Lifttüren los. Im letzten Moment stoppte er sie, bevor sie sich ganz schlossen. „Welches Baby?“

„Sie wissen genau, welches Baby!“ Ihr Kinn hob sich. „Meines. Ich meine, Kays und Ihres.“

Der Boden schien plötzlich unter seinen Füßen nachzugeben. Es gab doch ein Baby? Unmöglich. Kay war nie schwanger gewesen, ihr Arzt hatte es ihm bestätigt. „Sie sind eine ausgekochte Lügnerin!“

„Fein. Halten Sie immer an diesem Gedanken fest. Denn ich werde mein – Kays – Kind niemals in die Nähe eines solchen Widerlings wie Ihnen lassen.“

Sie stieß einen erschreckten Schrei aus, als er sie an den Armen aus dem Aufzug zerrte, durch die offen stehende Apartmenttür schob und auf einen Sessel im Wohnzimmer drückte.

„Wovon, zum Teufel, reden Sie eigentlich?“ Er stand vor ihr, mit gespreizten Beinen und vor der Brust verschränkten Armen. „Los, erklären Sie es mir. Und es sollte besser die Wahrheit sein.“

Sie sprang auf. „Gehen Sie mir aus dem Weg!“

„Von welchem Baby reden Sie? Und wer ist der Vater? Antworten Sie endlich!“

Ivy sah in sein Gesicht. Sekunden dehnten sich zu Stunden. Dann riss sie sich aus seinem Griff los und legte eine Hand auf ihren Bauch.

„Dieses Baby hier. Das in mir heranwächst. Ich bin schwanger, Prinz Damian. Von Ihnen.“

3. KAPITEL

Schwanger? Von ihm?

In Damians Kopf drehte sich alles. Thee mou, ein Mann hörte eine solche Eröffnung höchst ungern von einer Frau, die er nicht liebte. Aber gleich zweimal hintereinander …

Dann klärte sich sein Verstand. Diese Frau da, diese Ivy, mochte ja durchaus schwanger sein, aber mit ihm hatte das nichts zu tun. Es sei denn, man hatte einen ganz neuen Weg gefunden, Sex mit einer Frau zu haben, die man noch nie gesehen, geschweige denn berührt hatte.

Sie starrte ihn an, Entrüstung und Verstocktheit in ihren Zügen. Worauf wartete sie? Etwa, dass er sich jetzt entsetzt die Hand an die Stirn schlug?

Er wollte nichts anderes, als sie zur Tür hinauswerfen. Aber zuerst … zuerst …

Damian schnaubte. Schnaubte noch einmal. Und dann begann er zu lachen. Ivy Madison warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Wie können Sie darüber lachen!“

Doch der Prinz lachte noch lauter. Er hatte ja schon so einiges gehört. Sein Vater war da sehr kreativ gewesen, vor allem in der Zeit, als er die Firma an den Rand des Ruins geführt hatte. Aber das hier, das war die Krönung!

Es war richtig drollig.

Und ließ Rage in ihm aufkochen. Hielt sie ihn für einen kompletten Trottel? Ihre Schwester hatte ihn schon dafür gehalten. Aber immerhin hatte er mit Kay geschlafen. Sie hätte also durchaus schwanger sein können.

„Könnten Sie mir vielleicht sagen, was daran so lustig ist, Prinz Damian?“

Lustig? Sein Lachen erstarb. „Um genau zu sein, ich fühle mich beleidigt.“

Sie blinzelte. „Beleidigt?“

„Dass Sie mir so eine ungeheuerliche Lüge auftischen.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und seufzte theatralisch. „Wissen Sie, Miss Madison, man muss mit einer Frau schlafen, damit sie schwanger wird. Aber Sie und ich …“ Plötzlich wusste er, was sie plante. Von solchen Intrigen hatte er schon gehört. Eine Frau suchte sich einen reichen Mann aus. Einen Mann mit einem bekannten Namen. Einen Namen, der sich gut in den Klatschspalten machte. Dann behauptete sie, schwanger von ihm zu sein. Wenn er abstritt, der Vater zu sein, würde sie herzerweichend zu weinen beginnen. Auf der Party sei er betrunken gewesen, würde sie sagen. Er habe sie verführt, würde sie sagen. Ob er sich denn nicht erinnere? Sie erinnere sich nämlich noch ganz genau.

Jedes Wort, jeder Seufzer, jede Berührung habe sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Und wenn er die Details nicht in irgendeinem Skandalblatt nachlesen wolle, dann würde er jetzt das einzig Richtige und Anständige tun.

Ihr nämlich finanziell unter die Arme greifen. Großzügig. Das habe natürlich nichts mit Schweigegeld zu tun, nein, die Summe solle nur helfen, die schwere Zeit zu überstehen.

Manche Männer würden in so einer Situation nachgeben, selbst wenn sie das Gegenteil beweisen könnten. Sie würden alles tun, um dem Medienrummel zu entgehen.

Damian biss die Zähne zusammen. Die schöne Betrügerin würde erfahren müssen, dass er nicht zu dieser Sorte Mann gehörte. Er war einer Madison-Schwester auf den Leim gegangen. Ein zweites Mal würde ihm das nicht passieren.

Er hob die Hände und begann langsam zu applaudieren.

„Ausgezeichnet“, meinte er lächelnd. „Eine erstklassige Darbietung. Eines haben Sie allerdings außer Acht gelassen, kardia mou. Ich habe Sie durchschaut.“

„Wie bitte?“

„Sie haben schon richtig verstanden. Ich kenne das Spiel, das Sie spielen. Nur denke ich gar nicht daran, mich darauf einzulassen.“

„Spiel? Sie halten das für ein Spiel? Nach dem Tod meiner Schwester komme ich zu Ihnen, weil Sie nicht genügend Anstand besitzen, Kontakt mit mir aufzunehmen, und Sie halten das für ein Spiel?“

„Möglich, dass ich den falschen Ausdruck benutzt habe. Melodrama ist vielleicht passender. Sie, die unschuldige Maid, ich, der herzlose Schurke.“

„Was reden Sie da überhaupt?“

Damian ging auf sie zu und bemerkte, wie sie sich versteifte. Sie wollte zurückweichen, sogar weglaufen. Gut, dachte er kalt. Sie hatte Angst vor ihm. Die sollte sie auch haben. „Wollen Sie mir nicht den Rest erzählen? Die Details unserer leidenschaftlichen Liebesnacht?“

Ivy betrachtete ihn, als hätte er den Verstand verloren. „Welche leidenschaftliche Liebesnacht?“

„Kommen Sie schon, Süße. Haben Sie Ihren Text vergessen? Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem Sie mir ins Gedächtnis rufen müssen, wie es zwischen uns war. Ich war ja zu betrunken, um mich erinnern zu können.“ Zentimeter vor ihr blieb er stehen, ein eiskaltes herzloses Lächeln auf den Lippen. „Wo ist es passiert? Hier? Oder in Athen? Vielleicht während einer wilden Party auf meiner Jacht vor der Côte d’Azur? Eigentlich egal. Die Geschichte bleibt immer die gleiche.“

„Ich habe nie behauptet …“

„Richtig, mein Fehler. Ich gab Ihnen ja gar keine Gelegenheit, Ihre kleine Geschichte zu erzählen. Aber warum sollten wir Zeit verschwenden. Ich war betrunken, ich habe Sie verführt, und jetzt ist es … wie viele Monate später, sagten Sie?“

„Drei. Das wissen Sie doch. Genau wie Sie wissen, dass dieser Unsinn, den Sie da von sich geben, nicht stimmt.“

„Habe ich etwa die Tatsachen verdreht?“ Er kniff die Augen zusammen, seine Stimme wurde klirrend. „Ehrlich gesagt, es könnte mich nicht weniger interessieren. Das Einzige, was mich interessiert, ist, dass ich Sie nie wieder sehen möchte, Lady. Ist das klar?“

Oh ja, glasklar, dachte Ivy. Dieser Mann, den ihre Schwester angebetet hatte, dieser … dieser Adonis, bei dem das Herz jeder Frau höher schlagen musste, dieser Mann, für den Kay bereit war, alles zu tun … Er log ihr kaltschnäuzig ins Gesicht.

„Muss ich deutlicher werden, Miss Madison?“ Damian packte sie mit beiden Händen bei den Schultern. „Verschwinden Sie, bevor ich die Beherrschung verliere.“

Der Prinz sprach mit leiser Stimme, seine Finger drückten schmerzhaft in ihr Fleisch. Er war wütend und, da war Ivy sicher, würde auch grob werden können.

Eines jedoch hatte sie auf jeden Fall verstanden: Er wollte nichts wissen von dem Kind, das sie unter dem Herzen trug. Das hatte sie sich schon gedacht, nachdem er sich nach Kays Unfall nicht bei ihr meldete. Nach dem Schock hatte sie auf einen Anruf von ihm gewartet, mit wachsender Verzweiflung, bis ihr klar geworden war, dass das Schweigen des Prinzen die eigentliche Botschaft war.

Doch das reichte ihr nicht.

Damian Aristedes würde den Verzicht auf seine Rechte über sein Kind schriftlich erklären müssen. Sie brauchte ein Dokument in den Händen, dass er das Baby nicht wollte, eine Erklärung, dass er sie für eine Lügnerin hielt, anstatt die Vaterschaft anzuerkennen.

Selbst das war keine Garantie. Aristedes war ein mächtiger Mann. Er konnte sämtliche Anwälte in Manhattan anheuern, ohne seinem Vermögen auffallenden Schaden zuzufügen. Nicht nur konnte er seine eigenen Regeln aufstellen, er war auch in der Lage, sie zu ändern, wenn es ihm in den Sinn kam. Doch falls sie etwas Schriftliches hatte, für den Fall, dass er jemals seine Meinung ändern sollte …

„Ich kann geradezu sehen, wie die Rädchen in Ihrem Kopf arbeiten, Miss Madison.“

Ivy blinzelte. Der Prinz stand vor ihr, mit vor der Brust verschränkten Armen, und musterte sie unverwandt.

Es machte sie nervös. Dabei war sie es gewohnt, angestarrt zu werden. Ein Nebeneffekt ihres Model-Jobs. Wenn einem das eigene Gesicht von unzähligen Titelblättern entgegenblickte, musste man damit rechnen, angestarrt zu werden. Das war der Preis, den man zahlte, wenn man es als Model ganz nach oben geschafft hatte.

Männer starrten sie an. Musterten sie ungeniert.

Aber nicht so.

Damian Aristedes’ Miene drückte weder Bewunderung noch Verlangen aus, sondern Verachtung. Wie konnte er es wagen! Natürlich hatte sie sich auf einen Handel mit dem Teufel eingelassen, das wusste sie selbst. Dennoch … er war es, der das Ganze ins Rollen gebracht hatte. Und jetzt tat er so, als wisse er von nichts.

Auch gut. Nein, perfekt sogar. Das hieß, sie hatte ihr Versprechen gehalten. Jetzt konnte sie die Vergangenheit hinter sich lassen und sich auf die Zukunft konzentrieren. Auf das Kind, das sie bald haben würde.

Ihr Kind. Nicht seines.

Es machte sie nur wütend, dass er sie für eine Lügnerin und Betrügerin hielt.

Aber … da war auch ein Augenblick gewesen – mehrere –, da er sie mit einem anderen Ausdruck in den Augen angesehen hatte. Nicht mit Verachtung, sondern mit Begierde. Mit einem Hunger, den nur sie stillen konnte.

Und in diesen Momenten, da hatte ein Gefühl sie überkommen, ein Gefühl …

„Sie sind so durchschaubar, Miss Madison.“

Jahre vor der Kamera hatten ihr beigebracht, ihre Mimik zu beherrschen. „Interessant. Lesen Sie Gedanken, wenn Sie nicht gerade damit beschäftigt sind, sich um Ihre Verantwortung zu drücken, Hoheit?“

„Sie wollen Kapital schlagen aus dem ersten Schock, der mir anzusehen war, als Sie behaupteten, ich sei der Vater Ihres Babys.“ Er lächelte überlegen. „Glauben Sie mir, das funktioniert nicht.“

Zum Teil hatte er recht. Sie wollte wirklich etwas von ihm. Nur mit Kapital hatte das nichts zu tun. Ivy holte tief Luft. „Ich gehe nur zu gern, und noch lieber wird es mir sein, wenn ich Sie nie wiedersehe, Prinz Damian. Doch zuerst …“

„Ah! Zuerst wollen Sie einen Scheck von mir über … Wie viel? Hunderttausend? Fünfhunderttausend? Eine Million? Schütteln Sie nicht den Kopf, Miss Madison. Wir beide wissen doch, dass Sie mit genauen Vorstellungen über die Höhe der Summe hierhergekommen sind.“

„Ich will keinen Scheck.“

„Dann also bar.“

Das selbstbewusste Lächeln schwand, und Ivy schauderte unwillkürlich. Der Prinz war ein nicht zu unterschätzender Gegner. „Ich will kein Geld. Ich will eine schriftliche Erklärung von Ihnen, dass Sie alle Rechte auf das Kind abgeben.“

Er lachte. Lachte!

Thee mou, Lady. Wissen Sie nicht, wann das Spiel vorbei ist?“

„Unterschreiben Sie die Erklärung, und Sie hören nie wieder von mir.“

„Jetzt reicht’s!“, stieß er zwischen den Zähnen hervor. „Verschwinden Sie, bevor ich etwas tue, das wir beide bereuen.“

„Nur zwei Zeilen, mehr nicht …“

Er sagte etwas in einer Sprache, von der Ivy annahm, dass es Griechisch war. Sie verstand kein Wort, aber das war auch nicht nötig. Damian Aristedes legte ihr die Hände auf die Schultern und schob sie vor sich her.

„Und sollten Sie dumm genug sein, irgendjemandem diese lächerliche Geschichte zu erzählen … Wenn Sie wirklich schwanger sind, wenn ein Mann wirklich beschränkt genug war, sich von Ihrem Gesicht blenden zu lassen, sodass er nicht gemerkt hat, was für ein verschlagenes, raffiniertes Biest Sie in Wirklichkeit sind …“

Ivy schwang herum, holte aus und traf ihn mit der Faust am Kinn. Der Mann war groß und stark, und sicherlich konnte er einiges einstecken, aber sie hatte das Überraschungsmoment auf ihrer Seite. Er blinzelte konsterniert und taumelte rückwärts.

Heißes Triumphgefühl schoss in ihr auf. „Sie … Sie aufgeblasener Affe!“ Unsicherheit und Angst waren verschwunden, seine unglaubliche Arroganz trieb sie zur Weißglut. Ivy stieß ihm den Zeigefinger in die Brust. „Hier geht es nicht darum, was oder wer Sie sind oder wie viel Geld Sie haben! Hier geht es überhaupt nicht um Sie! Von Ihnen will ich gar nichts, Prinz Damian. Ich wollte nur …“

„So, Sie wollen nichts von mir?“ Kampfbereit bleckte er die Zähne. „Deshalb sind Sie also gekommen? Weil Sie nichts von mir wollen?“

„Ich dachte, ich sei Ihnen das schuldig. Offensichtlich habe ich mich geirrt. Ich schulde Ihnen gar nichts. Aber ich warne Sie. Sollten Sie sich einfallen lassen, in einem Monat, in einem Jahr, in zehn Jahren Ansprüche auf mein Kind …“

„Verdammt, es gibt kein Kind! Es kann kein Kind geben! Ich habe nie mit Ihnen geschlafen!“ Damian fasste ihr Handgelenk. „Bei Ihrem Plan haben Sie zwei Faktoren nicht bedacht, Miss Madison. Erstens: Ich trinke nie so viel, dass ich nicht mehr weiß, was ich tue. Und zweitens: Ich vergesse nie eine Frau, mit der ich im Bett war.“ Sein Blick glitt anzüglich von Kopf bis Fuß über sie. „Glauben Sie mir, Lady, hätte ich Sie gehabt, würde ich mich daran erinnern.“

„Für mich ist das Thema beendet.“

„Aber für mich nicht.“ Er zog sie zu sich heran, bis sie nur Millimeter voneinander entfernt standen. „Sie behaupten, wir seien intim gewesen. Ich sage, wir waren es nicht. Warum klären wir die Frage nicht ein für alle Mal?“

„Es ist die Sache nicht wert. Und ich habe nie behauptet, wir seien intim gewesen.“

„Ah, Ivy, Ivy. Sie enttäuschen mich. Sie treten schon den Rückzug an? Das ist Ihre Chance. Überzeugen Sie mich davon, dass wir miteinander geschlafen haben. Erinnern Sie mich daran, wir es mit uns war.“

„Hören Sie auf! Und lassen Sie mich endlich los!“ Sie schnappte nach Luft, als er ihr mit einer Hand über den Hals streichelte. „Sie wissen genau, dass wir nie …“

Er küsste sie.

Ihre Lippen waren kühl und weich, und sie gab einen entsetzten Laut von sich.

So ließ sie es zumindest klingen. Aber das gehörte ja alles mit zu der Show, die sie hier abzog, und …

… und sie schmeckte süß. Süßer als beim ersten Mal, als er sie geküsst hatte, vielleicht, weil er ihren Mund schon kannte. Die sinnliche Fülle. Die erotische Seidigkeit …

Augenblicklich packte ihn eine stürmische Erregung. Er legte eine Hand an ihren Rücken und presste sie an sich. Damit sie es fühlte konnte. Himmel, er stand in Flammen!

Noch ein Laut entrang sich ihrer Kehle, er spürte ihn an seinen Lippen. Und dann nahm auch er die Veränderung wahr, die in ihr vorging. Ihre Lippen wurden weicher, ihr Körper nachgiebiger, und sie lehnte sich an ihn.

Damian ermahnte sich, dass das alles nur Teil ihres Plans war.

Doch es half nicht.

Er wollte sie besitzen. Wollte sie schmecken. Wollte sie fühlen. Sie warf ihm etwas vor, das er nie getan hatte. Warum sollte er das jetzt nicht nachholen?

Sie auf seine Arme heben. Nach oben tragen, in sein Schlafzimmer. Sich nehmen, von dem sie behauptete, es sich bereits genommen zu haben. Immer und immer wieder …

„Bitte“, flüsterte sie, „bitte …“

Ihr hilfloses Flehen erregte ihn nur noch mehr. Damian ließ eine Hand unter ihre Jacke gleiten und umfasste die feste Rundung ihrer Brust. „Bitte – was? Ich soll Sie berühren? Sie verführen?“

Mit dem Daumen rieb er über die Knospe unter der seidenen Bluse. Sie wurde sofort hart. Und eine Welle der Lust schlug über ihm zusammen, als Ivy ein leises Stöhnen hören ließ. Eine Lust, die ihn in ihrer Intensität erschreckte.

Ursprüngliches Verlangen flutete unaufhaltsam durch ihn hindurch. Er schob die Hände in ihren Hosenbund, spürte die kühle, samtene Haut ihres Pos an seinen Fingerspitzen. Er wollte sie, ihm war gleich, wer oder was sie war. Und sie wollte ihn, so wie er sie wollte …

Panagia mou! Damian stieß Ivy von sich. Tränen rannen über ihr Gesicht. Wüsste er es nicht besser, er könnte glatt glauben, ihre Tränen seien echt.

„Es ist mir unbegreiflich, dass Kay Sie geliebt hat, dass sie Ihnen ein Kind schenken wollte!“

„Sie wiederholen sich. Außerdem bringen Sie jetzt alles durcheinander. Sie sind doch diejenige, die schwanger ist. Mit der ich geschlafen habe.“

„Das ist doch gar nicht wahr! Wieso sagen Sie so etwas, wenn Sie wissen, dass wir nie zusammen im Bett waren?“

„Ach ja“, seine Stimme triefte vor Sarkasmus, „das vergesse ich immer wieder. Wir waren nicht im Bett. Haben wir etwa dabei gestanden? Oder in einem Sessel gesessen? Vielleicht auch auf dem Sofa …“

„Es gab weder Sessel noch Sofa, das wissen Sie. Nur … nur Ihr Sperma. Eine Injektionsnadel. Und … und mich.“

„Sicher, klar. Sie, mein Sperma, eine Spritze.“ Damian zuckte zurück. „Wie bitte?“

„Das wissen Sie verdammt gut! Sie hatten nicht einmal den Anstand, persönlich zum Termin zu erscheinen. Sie machten sich ja solche Sorgen um die Publicity! Nein, Sie schickten nur ein benutztes Kondom, um …“ Ihre Worte klangen jetzt bitter. „Ich wusste genau, was für ein Mann Sie sind, als Sie es nicht einmal für nötig hielten, sich vorher mit mir zu treffen. Sie hielten es auch nicht für nötig, mit Kay zusammen zu mir zu kommen, als ich … an dem Tag, als es vorgenommen wurde.“

Damian war sprachlos. Er wollte irgendetwas sagen, doch ihm fiel einfach nichts ein. Sein Kopf war völlig leer. Diese Geschichte war wahrhaft fantastisch, eine ganz neue Version der alten „Er-ist-der-Vater-meines-Kindes“-Story.

Die Medien liebten fantastische Stories. Sie würden sich wie die Hyänen darauf stürzen. Bis die nächste Story dieses Hirngespinst von den Titelblättern vertrieb, hätte der Skandal schon nicht wiedergutzumachenden Schaden angerichtet. Bei seinem Namen und bei „Aristedes Shipping“, dem Unternehmen, dem er fast zehn Jahre seines Lebens gewidmet hatte, um es wieder aufzubauen.

„Kein Kommentar, Hoheit?“ Ivy stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn vernichtend an. „Oder ist Ihnen endlich aufgegangen, dass Sie mit Abstreiten nicht weiterkommen?“

Die Frau in sein Bett zu zerren war keine Option mehr. Dafür war sie zu clever. „Sie haben recht, Abstreiten bringt uns nicht weiter“, erwiderte er ruhig. „Es wird Zeit, die notwendigen Schritte einzuleiten.“ Er genoss es, dass sie zurückwich, als er einen Schritt auf sie zumachte. „Sie werden sich einem Schwangerschaftstest unterziehen. Wenn Sie tatsächlich schwanger sind, folgt als Nächstes ein Vaterschaftstest.“

Ivy starrte ihn stumm an. Wieso bestand er auf diese Tests? Es sei denn, er sagte die Wahrheit – und er wusste wirklich nichts von dem Baby.

Und wenn er nichts davon gewusst hatte … Was würde passieren, wenn er davon erfuhr?

„Ich werde keine Tests vornehmen lassen“, beeilte sie sich zu sagen. „Sie haben doch schon gesagt, dass Sie das Baby nicht wollen. Ist mir recht. Sie brauchen mir nur diesen Zweizeiler auszuhändigen, und …“

„Oh nein, glyka mou. Sie werden mir eine schriftliche Erklärung geben, ein wasserfestes rechtskräftiges Dokument, dass Sie und ich und eine Spritze in Wahrheit nie zusammengekommen sind, sondern nur in Ihrer erbärmlich berechnenden Fantasie.“

Und damit schob er Ivy zum Aufzug. Sekunden später schlossen sich die Lifttüren.

4. KAPITEL

Die Begegnung mit Damian Aristedes hatte Ivy völlig aufgelöst.

Wenn Kays Freund von dem Baby gewusst hatte, wenn er die ganze Sache sogar inszeniert hatte, wie Kay damals behauptete, warum hatten die Details über die Empfängnis des Kindes ihn derart erschüttert?

Denn erschüttert war er ohne Zweifel gewesen. Sicher, er hatte sich schnell erholt, aber er war außer sich gewesen vor Ungläubigkeit.

Und warum bestand er auf den Tests? Vielleicht wollte er mich damit auch nur loswerden, dachte sie, als sie die Tür zu ihrem Apartment aufschloss.

Das Lämpchen an ihrem Anrufbeantworter blinkte schnell. Eine männliche Stimme, die sich als Anwalt von Prinz Damian Aristedes vorstellte, hatte eine Nachricht auf Band gesprochen.

Ivy habe am nächsten Morgen einen Termin in einer der besten Kliniken der Stadt. Sie solle sich am Empfang melden, man erwarte sie.

Erschöpft sank Ivy in einen Sessel. Dieser schreckliche Tag forderte seinen Tribut. Sie war ausgelaugt und den Tränen nahe. Warum hatte sie Damian Aristedes aufgesucht? Wie hatte sie nur denken können, es sei das einzig Richtige?

Aber sie hatte es nun einmal getan. Und jetzt musste sie einen Schritt vor den anderen Schritt setzen und sehen, wohin dieser Weg sie führte.

Ein großer dunkelhaariger Mann wartete im Eingangsbereich, als Ivy am nächsten Morgen die Klinik betrat.

Ihr Herz setzte aus. War das etwa Damian?

Der Mann drehte sich um. Er hatte eine hohe Denkerstirn und trug eine Brille. Nein, das war nicht der Prinz. Er war ja auch damals nicht mitgekommen, als die künstliche Befruchtung vorgenommen wurde.

Diese Prozedur, die im letzten Augenblick eine so drastische Wendung genommen hatte. Die Erinnerung holte Ivy ein, sie schlang die Arme um sich.

Sie hätte damals nie zustimmen dürfen. Und zu dem heutigen Termin auch nicht.

Ein weiterer Fehler.

Aber um jetzt auf dem Absatz kehrtzumachen, dafür war es zu spät. Der dunkelhaarige Mann hatte sie erspäht und kam auf sie zu, sprach fragend ihren Namen aus und stellte sich als persönlicher Anwalt des Prinzen vor. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war ihm die Angelegenheit ebenso unangenehm wie ihr. Er sei hier, um ihr jedwede notwendige Unterstützung zukommen zu lassen.

„Sie meinen, Sie wurden geschickt, um sicherzustellen, dass ich die Ergebnisse nicht fälsche.“

Immerhin besaß er nicht die Stirn, ihr zu widersprechen, sondern begleitete sie stumm lächelnd zu einem Sprechzimmer, in dem sie von einer resoluten Krankenschwester erwartet wurde.

„Folgen Sie mir bitte, Miss Madison. Der Gentleman kann so lange im Wartezimmer Platz nehmen.“

„Oh, er ist kein Gentleman“, widersprach Ivy gespielt liebenswürdig. „Er ist Anwalt.“

Sogar der Anwalt lachte.

Die Ergebnisse würden in zwei Wochen vorliegen, hatte man ihr gesagt. Ivy erwiderte höflich, das sei in Ordnung. Auch wenn die zwei Wochen sich eher wie zwei Jahrhunderte hinziehen würden.

Man riet ihr, sich zu schonen. Sie befolgte den Rat, obwohl ihr die Ruhe mehr Zeit zum Nachdenken ließ, als ihr lieb war.

Am dritten Tag begann Ivy, Schubladen und Schränke aufzuräumen. Eigentlich eine sinnlose Tätigkeit. Sie hielt grundsätzlich Ordnung, etwas, das man sehr schnell lernte, wenn man in Pflegefamilien aufwuchs. Trotzdem war es eine gute Art, die Zeit totzuschlagen.

Am vierten Tag rief Ivys Agent an. Er hatte einen neuen Auftrag für sie, ein Shooting für das Titelbild von La Belle. Ein absolutes Sahnestück. Ivy lehnte ab. Sie war konstant müde, ihr Rücken schmerzte, und eigentlich modelte sie im Moment sowieso nicht gern. Aber sie brauchte das Geld. Praktisch ihre ganzen Ersparnisse hatte sie Kay überlassen.

Ivy erinnerte sich an Kay, die damals in Tränen aufgelöst zu ihr gekommen war.

Sie lebe mit Damian Aristedes zusammen, hatte Kay erzählt. Natürlich hatte Ivy schon von ihm gehört. Man konnte das People’s Magazin oder die Vanity Fair nicht aufschlagen, ohne dort über seinen Namen zu stolpern. Er wurde als außerordentlich reich und gut aussehend beschrieben. Kay hatte beides bestätigt. Aber er sei knauserig, schaue auf jeden Dollar und weigere sich, die Restsumme der Hypothek für Kays Eigentumswohnung zu begleichen, obwohl er nicht wollte, dass sie weiter arbeitete.

Weil er Kay ganz für sich haben wollte.

Also hatte Ivy der Schwester das Geld gegeben. Eine ziemlich hohe Summe, doch wie hätte sie Nein sagen sollen? Sie verdankte Kay so viel. Mit Geld würde sie diese Schuld nie abtragen können.

Einige Wochen später war Kay wieder zu ihr gekommen. Sie hatte ihr den Rest der Geschichte erzählt. Über die Fehlgeburt. Wie Damian jetzt den Beweis von ihr verlange, dass sie ihm einen Erben schenken könne.

Den Erzählungen nach schien dieser Mann ein gefühlloser Kerl zu sein, doch Kay betete ihn an. Weinend hatte sie beteuert, dass sie ihm dieses Kind schenken wollte. Es wäre ihr größter Wunsch.

Sie erinnerte Ivy an die gemeinsamen Jahre als Teenager – Erinnerungen, die Ivy noch heute zu vergessen suchte.

„Weißt du noch, wie verzweifelt du damals warst?“, hatte Kay unter Tränen geschluchzt. „So verzweifelt bin ich heute. Bitte, du musst mir einfach helfen!“

Letztendlich hatte Ivy zugestimmt, weil sie glaubte, das Richtige zu tun, auch wenn es emotionell mehr als problematisch werden könnte. Allerdings hätte sie nie vermutet, dass es so weit gehen würde. Dass es sich zu etwas entwickeln würde, was sie fast sofort bereute und was ihr Nacht für Nacht den Schlaf raubte …

Etwas, das sie durchaus vor Gericht bringen könnte. Und wie sollte sie dann die Rechtskosten bezahlen?

Ivy griff zum Telefon und rief ihren Agenten an. Sie würde den Job für La Belle doch übernehmen. Er wurde gut bezahlt, und noch waren keine Anzeichen einer Schwangerschaft zu bemerken.

Ob Anzeichen oder nicht, der Fotograf bestand darauf, dass sie von Kopf bis Fuß zurechtgemacht wurde. Den ganzen Tag verbrachte sie mit dickem Make-up auf dem Gesicht, schlüpfte in und aus den verschiedensten Kombinationen, jedes Mal durch passende, aber geradezu gefährlich hohe Stilettos ergänzt.

Es war schon nach fünf Uhr, als sie wieder nach Chelsea zurückkam und vor dem Backsteingebäude stand, in dem ihre Wohnung lag. Sie war erschöpft und hatte Kopfschmerzen. Das Make-up lag noch dick wie eine Maske auf ihrem Gesicht, weil sie nicht dazu gekommen war, sich abzuschminken, und ihre Füße … ihre Füße waren zwei geschwollene Klumpen, in denen es schmerzhaft pochte.

Noch immer trug sie die Stilettos vom letzten Fototermin. „Armer Liebling“, hatte die Stylistin sie zu trösten versucht. „Behalt sie einfach, als kleine Entschädigung.“

Also war Ivy mit den Schuhen zum Taxi gehumpelt und auch leicht wankend wieder ausgestiegen. Wenn sie es jetzt noch die drei Etagen bis zu ihrem Apartment hinauf schaffte …

Drei Etagen. Sie erschienen ihr heute wie die Besteigung des Mount McKinley.

Ivy holte tief Luft und betrat die ersten Stufen. Oben angelangt, zitterte sie vor Müdigkeit. Sie rang um Atem, während sie ihren Schlüssel hervorkramte und ins Schloss steckte.

Gleich. Gleich würde sie diese Schuhe von den Füßen streifen können. Sie würde sich ein weites T-Shirt und eine noch weitere Jogginghose anziehen. Dann würde sie sich Sandwichs zubereiten, eines dick mit Erdnussbutter bestrichen, das andere mit Honig, auf frischem Weißbrot, das die Ernährungsgurus so verteufelten.

Ivy betrat ihre Wohnung, schloss die Tür und legte die Kette ein, wie sie es immer tat, drehte sich um und …

… schrie erschrocken auf.

Ein Mann mit dunklen Haaren und breiten Schultern, in Lederjacke und ausgewaschener Jeans, saß in einem Sessel in ihrem Wohnzimmer.

„Langsam“, sagte er und hechtete aus dem Sessel. Doch da war es schon zu spät. Der Boden kam rasant auf Ivy zu.

„Thee mou“, knurrte eine Stimme.

Sie fühlte noch, wie starke Arme sie packten, dann wurde es schwarz um sie.

So schnell hatte Damian sich noch nie im Leben bewegt. Nur gut, dass er eine gute Reaktionsgabe besaß. Die Frau hing in seinen Armen wie die sprichwörtliche Lumpenpuppe. Man konnte ja Witze machen darüber, dass die Frauen einem zu Füßen sanken, aber wenn es dann tatsächlich passierte … Vor allem, wenn die Frau schwanger war.

Er fluchte blumig in seiner Muttersprache und verdrängte seine besorgten Gedanken. Er war hier, um sich um diese Tatsache zu kümmern. Das würde er auch. Aber im Moment war Ivy wichtiger.

Was sollte er jetzt tun? Sie war erschreckend bleich, ihr Atem ging flach. Sollte er den Notarzt rufen? Warten, bis sie sich rührte? Ob sie irgendwo in diesem Apartment Riechsalz hatte?

Ivy löste sein Dilemma, indem sie die Lider flatternd hob. „Damian?“

Es war das erste Mal, dass sie ihn mit Vornamen ansprach.

„Damian, was ist passiert?“ Verwirrung stand in ihren Augen.

„Sie sind in Ohnmacht gefallen, glyka mou. Meine Schuld. Ich entschuldige mich dafür.“

Sie blinzelte. Als sie die Augen wieder aufschlug, war der verwirrte Ausdruck durch einen vorwurfsvollen Blick ersetzt worden. „Ich erinnere mich. Ich schloss die Tür und …“

„Dann sahen Sie mich.“

„Wie sind Sie hier hereingekommen?“

„Der Hausmeister hat mich hereingelassen. Die Geschichte über Ihren lang vermissten Bruder und eine 100-Dollar-Note haben sein Herz zutiefst angerührt.“

„Dazu hatten Sie kein Recht …“

„Leider haben Sie weder eine Hintertür noch eine Feuertreppe“, unterbrach er sie trocken.

Ivy versteifte sich in seinen Armen. „Lassen Sie mich runter.“

„Was wäre Ihnen genehm? Schlafzimmer oder Sofa?“

„Ich ziehe es vor, mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen.“

Fast hätte er gelacht. Sie war immer noch blass wie ein Geist, aber in ihrer Stimme lag eindeutig Entrüstung. „Sie werden sich hinlegen, bis der Arzt hier ist.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich brauche keinen Arzt. Es war nur der Schock.“

Ivy hatte recht. Er wollte sich auch nicht darüber mit ihr streiten. Zum Streit würde es noch früh genug kommen. „Sie sind eine unnachgiebige Frau, Miss Madison.“

„Nicht halb so unnachgiebig wie Sie, Hoheit.“

Er trug sie zu dem kleinen Sofa hinüber. „Schon erstaunlich. ‚Hoheit‘ klingt bei Ihnen wie eine Beleidigung. Nein, bleiben Sie sitzen, ich besorge Ihnen eine kalte Kompresse.“

„Ich sagte Ihnen doch schon …“

„Und ich sagte, Sie sollen sitzen bleiben. Seien Sie vernünftig!“

Damian fand ein Handtuch in der Küche, wickelte Eiswürfel darin ein und kam ins Wohnzimmer zurück, nicht überrascht, dass Ivy sich an seine Anweisung gehalten hatte.

Ein schlechtes Zeichen. Fast so übel wie ihre fiebrig glänzenden Augen und die blasse Haut. Er wollte sie in seine Arme nehmen und ihr versichern, wie leid es ihm tat, dass er sie so erschreckt hatte.

Zum Teufel damit!

„Hier“, sagte er brüsk und drückte ihr den Eisbeutel in die Hand.

„Das brauche ich nicht“, fauchte sie, hielt sich den Beutel jedoch an die Handgelenke.

Damian nahm sich die Zeit, sie genauer zu mustern. Sie sah abgekämpft aus. Unter dem Make-up waren dunkle Augenringe zu erkennen. Als sie zu ihm gekommen war, hatte sie kein Make-up getragen. Wozu auch, ihre natürliche Schönheit war atemberaubend. Sie trug einen weiten Pullover mit engem Rock, und … Thee mou, was tat sie mit diesen Schuhen! Diese Schuhe würden seinen Blutdruck normalerweise in die Höhe treiben, allerdings nicht, als er sah, wie die Riemchen sich in das Fleisch schnitten.

„Ihre Füße sind geschwollen.“

„Ausgezeichnete Beobachtungsgabe.“

„Sind Sie so eitel, dass Sie unbequeme Schuhe tragen?“

„Ich bin nicht eitel … Was tun Sie da?!“

„Ich ziehe Ihnen diese lächerlichen Dinger aus.“

„Lassen Sie das!“ Sie schlug nach seiner Hand. „Ich sagte …“

„Ich hab’s gehört.“ Er arbeitete schnell, öffnete die zierlichen Verschlüsse, ließ die Stilettos achtlos fallen, stellte Ivys Füße auf den Boden.

Sie musste sich zurückhalten, um nicht vor Erleichterung aufzustöhnen.

„Besser?“ Sie antwortete nicht einmal. Thee mou, noch nie war ihm ein so verstocktes Frauenzimmer begegnet! Er zog ihre Füße auf seinen Schoß und begann, sanft die Fußsohlen zu massieren. „Natürlich ist es besser. Warum eine Frau sich freiwillig einer solchen Folter unterzieht …“

„Ich komme gerade von einem Fotoshooting. Die Stylistin hat mir die Schuhe überlassen. Manchmal sind sie eben großzügig.“ Sie fragte sich, warum, in aller Welt, sie diesem arroganten Mann eine Erklärung ablieferte.

„Und Sie waren so begeistert, dass Sie die Dinger direkt anbehalten haben.“

Ivy kniff die Augen zusammen. „Richtig“, bestätigte sie eisig. Sie zog ihre Füße zurück. „Da Sie jetzt Ihren Kommentar abgegeben haben, warum konzentrieren Sie sich nicht auf das Wesentliche? Zum Beispiel, aus welchem Grund Sie hier sind.“

Ein Muskel zuckte in seiner Wange. Dann zog er einen Umschlag aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch.

Ivy hielt den Atem an. „Sind das die Testergebnisse?“

Damian nickte.

„Die sollten mir zugeschickt werden.“

„Und mir.“

„Das ist nicht fair. Das ist ein Eingriff in meine Privatsphäre. Die Ergebnisse meiner Tests gehen nur mich etwas an.“

Ivy redete Unsinn, und sie wusste es. Sie wollte nach dem Umschlag greifen, brachte es aber nicht über sich, ihn anzurühren. Ihre Hand begann zu zittern. „Sagen Sie es mir.“

„Sie wissen es doch schon.“ Er klang ruhig, doch Ivy spürte, wie sehr er sich beherrschte. „Ich bin der Vater des Kindes in Ihrem Leib. Des Kindes, das als Kays ausgegeben worden wäre.“

Ivy schluckte. „Und das Geschlecht?“

„Es ist ein Junge.“

Sie presste sich die Hand vor den Mund, um den leisen Laut der Freude nicht entschlüpfen zu lassen. Eine verdammt gute Show, dachte Damian gallig.

„Ich sagte Ihnen, dass ich von Ihnen schwanger bin. Aber Sie wollten ja nichts davon hören.“

Damian lehnte sich in das Sofa zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Jetzt will ich es hören. Und zwar alles, von Anfang an. Bitte erzählen Sie es mir.“

Ivy folgte seiner Aufforderung. Mit allen Details. Nun, vielleicht nicht alle. Eine Sache ließ sie aus. Sie wagte es nicht, diesen Umstand zur Sprache zu bringen. Noch nicht. Vielleicht nie.

Aber sie berichtete ausführlich, beantwortete seine Fragen und biss sich auf die Lippen, jedes Mal, wenn er fassungslos den Kopf schüttelte. Denn im Grunde ihres Herzens konnte sie selbst noch immer nicht fassen, dass sie sich zu so einem verrückten Unterfangen bereit erklärt hatte.

„Warum?“, fragte er ungläubig, als sie ihren Bericht beendet hatte. „Warum sollte Kay Sie als …wie nannten Sie es?“

„Als Leihmutter benutzen? Kays Ei und Ihr … Ihr Samen.“ Heiße Röte schoss ihr ins Gesicht. In diesem Falle war das absolut lächerlich. Worum es hier ging, war so intim wie eine Grippeimpfung. „Ich sagte doch schon, warum. Sie wollten einen Erben, und Kay wusste, dass sie keine Kinder austragen konnte.“

Damian sprang auf. „Lügen! Ich habe nie etwas von einem Erben gesagt! Und sie hatte keine Ahnung, ob sie ein Kind austragen konnte oder nicht.“

„Sie wollten, dass ich Ihnen alles erzähle. Das habe ich getan.“ Ivy schnappte nach Luft, als er sie auf die Füße zog.

„Von wegen“, knurrte er. „Wie viel hat sie Ihnen dafür gezahlt?“

„Mir gezahlt?“ Ivy lachte verächtlich auf. „Keinen Penny. Schließlich haben Sie Kay doch sehr knapp gehalten.“

„Noch eine Lüge!“

„Und selbst wenn nicht, für Geld hätte ich das nie getan.“

„Oh ja“, meinte er abfällig, „Sie haben es nur aus Liebe getan, nicht wahr?“

„Das können Sie nicht verstehen, Sie wissen ja nicht …“

„Doch, ich verstehe durchaus. Ihr beide habt euch diesen Plan ausgedacht. Sie sollten das Baby bekommen, das Kay nicht haben wollte. Sie würde mich damit zu einer Heirat zwingen, und bei der Scheidung hätte irgendein zwielichtiger Anwalt eine großzügige Abfindung erstritten, die ihr beide euch dann schwesterlich geteilt hättet.“

Ivy riss sich aus seinem Griff los. „Wissen Sie überhaupt, wie viel ich an einem Tag verdiene? Wie viel ich verliere, wenn ich in den kommenden fünf oder sechs Monaten nicht arbeite? Ach, was rede ich, wahrscheinlich in den nächsten zwei Jahren!“

„Deshalb haben Sie auch heute den Fototermin wahrgenommen, nicht wahr? Weil Sie so viel Geld haben, dass Sie gar nicht wissen, wohin damit.“

„Das geht Sie nichts an!“

„Falsch“, korrigierte er kalt. „Ab heute geht mich alles, was Sie betrifft, etwas an.“

„Da irren Sie sich gewaltig!“

Ivy starrte ihn wütend an, mit vorgeschobenem Kinn, eiskalten Augen, die Hände zu Fäusten geballt in die Hüften gestemmt.

Diese wunderschöne Frau erinnerte Damian an eine der Furien, entschlossen, es mit der gesamten Welt aufzunehmen. Er wollte sie bei den Schultern packen und schütteln. Oder zu sich heranziehen und sie küssen, bis sie vor Verlangen bebte.

Damian hasste die Wirkung, die sie auf ihn ausübte, verachtete sich selbst dafür, dass er sich dieser Wirkung nicht entziehen konnte. Doch darum ging es hier jetzt nicht …

„Wir entfernen uns vom Wesentlichen“, presste er durch die Zähne hervor.

„Das sehe ich auch so, Hoheit.“

Auch das machte ihn verrückt – die Art, wie sie „Hoheit“ aussprach. Es war ernst gemeint, als er ihr sagte, bei ihr höre sich das an wie eine Beleidigung. „Unter den gegebenen Umständen ist es wohl angebracht, dass Sie mich Damian nennen“, meinte er kurz angebunden. Sie wusste genau, worauf er sich bezog. Er sah es daran, dass sie rot wurde.

„Das Ganze ist doch müßig. Was macht es schon für einen Unterschied, wie ich Sie anrede? Sobald wir uns geeinigt haben, wie es nach der Geburt des Babys weitergeht, brauchen wir uns nicht wiederzusehen.“

„Das schwebt Ihnen also vor?“

Da fragte er noch?! Seit dem Tag in seinem Apartment war das alles, woran sie denken konnte. „Ich strebe eine klare und einfache Lösung an, eine, mit der wir beide zufrieden sein können.“

„Und die wäre?“

„Sie sind der Vater eines Kindes, das Sie, Ihrer Aussage nach, nie gewollt haben.“

„Inkorrekt. Ich bin der Vater eines Kindes, von dem ich nichts wusste.“

Wenn das stimmte – und Ivy musste davon ausgehen, dass dem so war –, dann hatte sie Grund, sich Sorgen zu machen. Die Art, wie er die Worte jetzt ausgesprochen hatte, war ein weiterer Grund zur Sorge. Ein Baby nicht zu wollen oder von einem Baby nichts zu wissen, waren nun wirklich zwei grundverschiedene Dinge.

„Nun gut, ein Baby, von dem Sie nichts wussten“, fuhr sie erst einmal fort. „Ein Baby, das meine Schwester wollte.“

„Aber?“ Er lächelte vielsagend. „Ich kann das Wort direkt hören.“

Ivy holte tief Luft. „Aber“, setzte sie an, „die Situation ist jetzt eine völlig andere. Kay ist tot, und ich … ich will dieses Baby behalten. Ich wusste nicht, dass ich so fühlen würde. Ich liebe es schon jetzt und werde es nicht abgeben.“

„Wie nett“, entgegnete er trocken. „Aber sparen wir uns das ganze Theater. Wie viel?“

Verständnislos sah sie ihn an. „Ich sagte doch schon, ich wünsche mir dieses Kind, von ganzem Herzen.“

Kopfschüttelnd kam Damian auf sie zu. „Ich will nichts von Ihrem Herzen hören, sondern von Ihrer Brieftasche. Wie viel muss ich Ihnen zahlen, damit Sie das Kind aufgeben?“

„Hier geht es nicht um Geld.“

„Sie sind doch Kays Schwester. Alles geht um Geld. Also, wie viel?“

„Ich will mein Kind behalten, Damian! Sie wollen es nicht. Das haben Sie selbst gesagt.“

„Sie hören nicht richtig zu, glyka mou. Ich sagte, ich wusste nichts von dem Kind.“ Er schob seine Hand unter ihren Pullover und spreizte die Finger über ihrem Bauch. „Das ist mein Sohn. In Ihrem Leib. Er trägt meine Gene, mein Blut fließt in ihm.“

„Und meines.“

„Sie meinen, Kays.“

Ivy wurde rot. „Ja, natürlich.“

„In Ihnen wächst ein Kind heran, das Sie sowieso hätten aufgeben müssen.“

Die Worte schnitten schmerzhaft in ihr Herz. „Ja“, flüsterte sie kaum hörbar. „Ich dachte, ich könnte es. Aber …“

„Mein Samen, Ihr Leib. Mit anderen Worten, unser Kind.“ Sein Blick, sanft wie eine Liebkosung, ruhte auf ihren Lippen. „Durch eine Injektionsnadel, Ivy. Nicht in meinen Armen, in meinem Bett, so, wie es hätte sein sollen.“

„So ist es nun mal nicht gewesen.“ War das wirklich ihre Stimme, so atemlos, fast nur ein Hauch? „Außerdem hat das nichts mit den Fakten zu tun.“

Natürlich hatte sie recht. Doch Vernunft und Logik griffen nicht mehr. Wie auch, wenn alles an dieser Situation unlogisch war? Damian beugte den Kopf und küsste sie.

Lange. Tief. Und als Ivy ein leiser Seufzer entschlüpfte, vertiefte er den Kuss noch mehr. Seine Zunge bahnte sich ihren Weg. Himmel, sie schmeckte so süß, so unschuldig …

Aber sie war nicht unschuldig.

Sie hatte sich auf einen unseligen Handel mit ihrer Schwester eingelassen, und nicht eine Minute lang glaubte er, sie könne es aus reiner Barmherzigkeit getan haben.

Dann allerdings ließ er das Denken bleiben, schloss Ivy in seine Arme und küsste sie, immer und immer wieder, bis sie sich an seinen Schultern festhielt und sich an ihn schmiegte, bis sie seinen Kuss erwiderte und an seinen Lippen aufstöhnte.

Sie schwankte leicht, als er sie freigab. Und als sie die Lider hob, sah sie so erschüttert aus, wie er sich fühlte.

Er hasste sie dafür. Für ihr billiges Spiel, für das Theater … für die Wirkung, die sie auf ihn ausübte.

„Also.“ Seine Stimme klang ruhig, obwohl ihm das Blut rauschend durch die Adern floss. „Scheint, wir haben ein Problem. Wie kann ich Rechte auf mein Kind anmelden, solange es sich noch in Ihrem Bauch befindet?“

„Können Sie nicht. Ich sagte doch, ich will …“

„Ehrlich gesagt ist mir egal, was Sie wollen. Sie haben sich auf diesen fatalen Handel mit Ihrer Schwester eingelassen, jetzt zahlen Sie den Preis dafür.“

Ihre Augen verdunkelten sich vor Angst. Zumindest wirkte es wie Angst. Aber er wusste ja, es war Gier.

„Kein Gericht der Welt wird einer Mutter ihr Kind wegnehmen.“

„Sie sind nicht die Mutter des Kindes, glyka mou. Ich jedoch bin der Vater.“

„Dennoch …“

„Es gibt kein Dennoch. Genauso wenig, wie es ein Aber oder ein Vielleicht gibt. Ich habe bereits mit meinem Anwalt gesprochen.“

„Ihr Anwalt ist nicht Gott.“

Damian lachte trocken auf. „Erklären Sie ihm das mal. Wissen Sie eigentlich, wie viel ich ihm im Jahr an Honorar zahle?“

„Nein, und es interessiert mich auch nicht. Ihr Geld beeindruckt mich nicht.“

„Eine Million Dollar pro Jahr. Und dabei komme ich noch billig weg.“ Er griff nach ihr, auch wenn sie ausweichen wollte, und zog sie wieder in seine Arme. „Denn er ist jeden Cent wert. Ich kann Ihnen versichern, er wird mir meinen Sohn beschaffen.“

„Nein.“ Tränen stiegen in Ivys Augen auf. „Das können Sie nicht tun.“

„Aber so herzlos bin ich nicht“, fuhr er geradezu sanft fort. „Ich bin sogar bereit zu glauben, dass da ein Körnchen Wahrheit in Ihrem Wunsch liegt, Ihr Kind nicht aufgeben zu wollen. Also habe ich beschlossen, Ihnen ein Angebot zu machen. Eines, das Sie nicht ausschlagen können. Morgen fliege ich nach Griechenland zurück …“

„Meinetwegen können Sie in den Hades zurückkehren!“

Die Lösung, die ihm gestern Nacht eingefallen war, war erstaunlich simpel. Nur für den Fall, dass sich diese Geschichte mit der Schwangerschaft als wahr herausstellen sollte. Und heute Morgen, nachdem die Testergebnisse vorlagen, hatte er seine Idee mit seinem Anwalt durchgesprochen. Dessen Urteil hatte gelautet, dass der Plan, mit ein paar kleinen Änderungen, durchaus gangbar war.

Ivy würde zustimmen, sich von einem Arzt seiner Wahl betreuen zu lassen. Für die Dauer der Schwangerschaft würde sie nicht arbeiten, dafür gewährte Damian ihr finanzielle Unterstützung. Er würde ihr ein Apartment in der Nähe seiner Wohnung besorgen. Und bei der Geburt würde eine einmalige Summe in Höhe von zehn Millionen Dollar an sie ausgezahlt werden. Dafür würde sie ihm seinen Sohn überlassen.

Damian war sogar bereit, ihr ein Besuchsrecht einzuräumen. Viermal pro Jahr. Wenn sie denn wirklich so emotionell an das Kind gebunden war, wie sie vorgab.

Sein Anwalt hielt seinen Plan für mehr als großzügig.

„Was für ein Angebot soll das sein?“, fauchte Ivy feindselig.

Damian räusperte sich. „Zehn Millionen bei der Geburt meines Kindes.“

Sie lachte. Die Frau hatte doch die Stirn und lachte!

„Bis zur Geburt werde ich Sie an einem Ort meiner Wahl unterbringen. Und ich werde Sie finanziell unterstützen.“

Ihr Lachen wurde perlend. Damian fühlte, wie jeder Muskel in seinem Körper sich verspannte. „Sie finden das amüsant?“

„Ich finde es absolut unvergleichlich! Sie bilden sich wirklich ein, Sie könnten mein Kind kaufen? Und mein Leben wollen Sie auch noch gleich kontrollieren?“

„Es ist nicht Ihr Kind, das scheinen Sie immer wieder zu vergessen. Und was Ihr Leben angeht …“ Sein Blick wurde düster. „Ihre Schwester hatte auch ein Leben. Aber wie das aussah, darüber verlieren wir lieber kein Wort.“

„Ach, und Sie werden demnächst heilig gesprochen?“

Damian fühlte, wie er seine Beherrschung verlor. Wer war diese Frau, die sich einbildete, ihm Paroli bieten zu können! Die sich auf einen Handel eingelassen hatte, der sein ganzes Leben ändern würde! „Ich weiß, wer ich bin“, erwiderte er klirrend. „Viel wichtiger jedoch ist, dass ich weiß, wer Sie sind.“ Er musterte sie verächtlich. „Sie sind die Frau, die sich einverstanden erklärt hat, für Geld ein Kind auszutragen.“

„Ich bin es leid, mich verteidigen und ständig erklären zu müssen. Ich bin es leid, herumgestoßen zu werden.“ Ivys Stimme bebte. „Ich will weder Ihr Geld noch Ihre Unterstützung, und ich werde sicherlich nicht in eine Wohnung ziehen, in der Sie mich wie eine Gefangene halten können.“

Hielt sie ihn wirklich für so dumm? Sie lehnte nur ab, weil sie hoffte, sein Angebot in die Höhe treiben zu können.

„Ich bin kein dummes kleines Lämmchen“, fuhr sie fort, „das sich von Ihnen einschüchtern lässt und sofort auf Ihr Angebot anspringt.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn vernichtend an. „Verstehen Sie, was ich sage, Hoheit? Meine Antwort lautet Nein.“

„Es war kein Angebot“, erwiderte er herrisch. „Sondern es ist das, was Sie tun werden. Allerdings ändere ich die Regeln. Vergessen Sie das mit der Wohnung in der Nähe meines Apartments. Ich nehme Sie mit nach Griechenland.“

Sie sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Aber das Gegenteil war der Fall, jetzt sah er die Dinge viel klarer.

Wenn es hoch kam, war er einmal im Monat in New York. Und was würde sie während seiner Abwesenheit tun? Er hatte ein Recht darauf, es zu wissen.

Sie schleuderte ihm eine Obszönität entgegen, die ihn fast zum Lachen gebracht hätte. Erstaunlich, dass so ein Wort über diese wunderbaren Lippen kam!

„Mit Ihnen gehe ich nirgendwohin. Es gibt Gesetze …“

„Gesetze?“ Sein Mund wurde hart. „Ich bin Prinz Damian Aristedes. Was, glauben Sie, bedeuten mir Ihre Gesetze?“

Ivy verschlug es die Sprache. Ihr fehlten die passenden Worte, um diesen Mann zu beschreiben. Hass kam nicht einmal in die Nähe dessen, was sie fühlte. Aber er war ein Prinz, er konnte seine Familie auf Generationen zurückverfolgen. Sie war ein Nichts, ein Niemand. Ihre Erinnerung reichte zurück bis zu einem Heim, wo …, wo …

Nein, sie würde sich nicht erlauben, daran zu denken.

Mit einer Hand hob Damian ihr Gesicht, bis sie ihn ansehen musste. „Verstehen Sie jetzt, was ich sage? Oder sind Sie wirklich naiv genug, um sich auf einen Kampf mit mir einzulassen?“

„Ich verabscheue Sie!“

„Ah, glyka mou, Sie brechen mir das Herz.“

„Sie sind ein Monster. Ihre Nähe ist mir zuwider.“

„Ihre Entscheidung, Ivy. Ich warte.“

Tränen rollten über ihre Wangen. „Sie wissen es doch schon. Sie lassen mir ja keine Wahl!“

Das Triumphgefühl, das in ihm aufwallte, wurde durch den glühenden Hass in ihren Augen vergiftet. Herausfordernd eroberte er ihre Lippen. Doch sein Kuss war gnadenlos, ohne jede Zärtlichkeit, ja grob.

„Nur als Erinnerung“, sagte er kalt. „Bis mein Sohn geboren ist, gehören Sie mir.“

Damit drehte er sich um und verließ ihre Wohnung.

5. KAPITEL

Schäumend vor Rage lief Damian die Treppen hinunter, riss die Haustür auf und trat nach draußen auf den Bürgersteig.

Sein Fahrer hatte ihn zu Ivys Apartment gebracht, der Mercedes wartete am Straßenrand. Charles musste nach ihm Ausschau gehalten haben, denn sobald Damian auftauchte, sprang der Chauffeur aus dem Wagen, um ihm die Tür aufzuhalten.

Charles arbeitete erst seit zwei Monaten für ihn, aber in diesen zwei Monaten hatte Damian ihm mindestens hundertmal gesagt, dass er die Wagentür selbst öffnen konnte.

Wahrscheinlich tausendmal, dachte er, und seine Wut stieg noch an. Dann sah er den ungehaltenen Blick, den Charles ihm zuwarf.

„Entschuldigen Sie, Hoheit, ich vergesse es immer wieder. Es ist nur … Sie sind der erste Arbeitgeber, der es nicht wünscht, dass ich ihm die Tür aufhalte. Tut mir leid, ich verspreche, es wird nicht wieder …“

„Ist schon in Ordnung, machen Sie sich darum keine Gedanken.“ Damian blieb vor dem Wagen stehen. Heute Nachmittag hatte er noch ein Meeting. Genug Zeit, um zum Büro zu laufen und ein paar Papiere durchzuarbeiten.

Doch Arbeit war nicht das, was er jetzt brauchte. Nein, eher einen Drink.

Mit der flachen Hand schlug er auf das Mercedesdach. „Ich komme heute ohne Wagen aus. Fahren Sie zurück und nehmen Sie sich den restlichen Tag frei.“

„Sicher, Sir.“ Charles sah zwar überrascht aus, aber er hütete sich, Fragen zu stellen.

Und das war gut so. Denn Damian hätte ihm keine Antwort geben können. Wenigstens keine, die einen vernünftigen Sinn ergab.

Nichts ergab mehr Sinn in dieser verfahrenen Situation.

An der Straßenecke zog Damian sein Handy hervor, rief seine Assistentin an und wies sie an, das Meeting abzusagen. Dann wählte er Lucas’ Nummer.

„Bist du beschäftigt?“

Die Frage hatte lässig klingen sollen, doch die Reaktion seines Freundes sagte ihm, dass es ihm nicht gelungen war.

„Was ist los?“, hakte Lucas sofort nach.

„Nichts. Was sollte los sein?“ Damian räusperte sich. „Ich kann darüber schlecht am Telefon sprechen. Aber wenn du natürlich zu viel zu tun hast …“

„Ich habe gar nichts zu tun.“

Eine glatte Lüge, da war Damian sicher. Aber eine, die er gerne akzeptierte.

Vierzig Minuten später rannten die beiden Männer keuchend über die Laufbahn des Eastside Clubs. Um diese Uhrzeit stand der Fitnessclub praktisch ihnen allein zur Verfügung. Trotzdem hatten sie bisher kaum mehr als zwanzig Worte miteinander gewechselt.

Damian war klar, dass Lucas ihm die Zeit ließ, um das Gespräch zu beginnen, doch vorerst war er zufrieden, sich mit Gewichten und Laufen den Schweiß aus den Poren zu treiben.

Nichts half besser, mit Wut umzugehen, als ein anständiges Workout.

Das hatte er in den Tagen gelernt, während er „Aristedes Shipping“ wieder aufgebaut hatte. Oft genug hatte es damals Gelegenheiten gegeben, wenn er vom Konferenztisch, an dem er mit den gierigen Geldgebern gesessen und verhandelt hatte, aufgestanden und zu den Docks gegangen war, um eines der Frachtschiffe zu entladen.

Im Moment hatte sich allerdings genug Wut in ihm aufgestaut, um zwei Schiffe zu entladen.

„Damian.“

Vielleicht sogar ein drittes …

„He, Damian! Was soll das? Trainieren wir hier, oder arbeiten wir auf einen Herzinfarkt hin?“

Damian blinzelte, verlangsamte das Tempo, sah sich um und erblickte Lucas, der mitten auf der Bahn stehen geblieben war, in der Hüfte vornüber eingeknickt, die Hände in die Seiten gestemmt. Lucas rang nach Atem, der Schweiß tropfte ihm von der Stirn.

Und ja, auch Damian atmete nur noch rasselnd. Wie viele Meilen mochten sie wohl gelaufen sein? In welchem Tempo? Wenn sie ihr übliches Training absolvierten, sah keiner von ihnen so aus.

Ausgepowert verließ er die Laufbahn, ging zu dem Regal mit den Handtüchern und warf Lucas eines zu. „Sorry, Mann.“

„Es sollte dir auch wirklich leidtun.“ Lucas wischte sich den Schweiß vom Gesicht und grinste. „Von einem alten Mann wie dir hätte ich so ein Tempo nicht erwartet.“

Damian grinste zurück. „Ich bin gerade mal zwei Monate älter als du, Reyes.“

„Na und? Wenn man auf die zweiunddreißig zugeht, zählt jeder Tag.“

Damian warf sich das Handtuch um die Schultern, und Seite an Seite gingen die beiden Männer in die Umkleidekabine.

„Danke“, sagte Damian nach einer Weile.

Lucas warf einen Seitenblick auf seinen Freund, überlegte, ob er so tun sollte, als hätte er ihn nicht verstanden, entschloss sich dann aber für ein offenes Wort. „De nada. So, wie du dich angehört hast, hätte ich ein Treffen mit dem Präsidenten abgesagt. Willst du mir erzählen, was los ist?“

Damian zögerte. „Lass uns erst duschen und anziehen. Dann nehmen wir einen Drink zusammen.“

„Hier?“

Damian musste über das Entsetzen in Lucas’ Stimme lachen. Der Fitnessclub hatte zwar eine Bar, aber da wurden nur Frucht- und Gemüsesäfte serviert. „Nein, nicht hier. Ich mag alt sein, aber so alt nun auch wieder nicht.“

Lucas grinste. „Das erleichtert mich aber ungemein. Wie wär’s mit der Bar zwei Blocks weiter? Die mit der Mahagoni-Vertäfelung?“

„Hört sich gut an.“

Die Bar war gut. Sie war genau so, wie man es von einer Bar erwartete. Dunkel, mit diskreten Nischen und bequemen Polsterbänken. Der Barkeeper war kompetent und fix, der Wodka eisgekühlt.

Zuerst sprachen sie nicht viel. Lucas berichtete von einem Stück Land, das er zu kaufen gedachte, um es seiner riesigen Hazienda in Spanien anzuschließen. Damian hörte zu und gab von Zeit zu Zeit ein aufmunterndes „Klar!“ oder ein fragendes „Tatsächlich?“ als Kommentar ab.

Dann schwiegen sie wieder beide.

Bis Lucas sich räusperte. „Also“, setzte er an. „Alles okay mit dir?“

„Natürlich.“

„Als du anriefst, hörte es sich aber weiß Gott nicht danach …“

„Kays Schwester ist aufgetaucht.“

Lucas riss die Augenbrauen hoch. „Ich wusste nicht einmal, dass Kay eine Schwester hat.“

„Ich auch nicht.“

„Eine Schwester also. Was wollte sie?“

„Stiefschwester, um genau zu sein. Das hat Ivy zumindest …“

„Die Schwester?“

„Richtig. Das hat sie gesagt.“

„Dieselbe Mutter?“

„Wohl derselbe Vater. Glaube ich. Sie tragen den gleichen Nachnamen. Oder er hat eine adoptiert.“ Damian schnaubte. „Ist nicht wichtig.“

„Was ist denn wichtig?“

„Der Rest. Das, was diese Frau, Ivy, mir sonst noch erzählt hat.“ Damian hob sein Glas und nahm einen kräftigen Schluck.

Lucas wartete eine Weile, bevor er fragte: „Willst du mir erklären, was sie dir erzählt hat?“

„Was, den Rest der Geschichte?“ Er trank noch einen Schluck. Nahm eine Handvoll Cashewnüsse aus der Schale, sah sich um. Zuckte mit den Schultern. „Der Rest der Geschichte besteht darin, dass sie von mir schwanger ist.“

Sollte Lucas’ Mund noch länger so offen stehen bleiben, könnte er mit einem seiner Schiffe hineinfahren, dachte Damian.

„Wie bitte?!“

„Ja.“ Damian stieß ein trockenes Lachen aus. „Unmöglich, meinst du?“

„Wie wär’s mit absolut verrückt?“

„Das habe ich auch zu ihr gesagt. Aber …“

„Aber?“

„Es ist unmöglich und absolut verrückt. Das Problem ist nur …“, er holte tief Luft und sah Lucas direkt an. „Sie sagt die Wahrheit.“

Damian erklärte. Genauestens. Auf Lucas’ Bitte hin erklärte er es noch einmal. Lucas gab ab und zu einen verblüfften Laut von sich und sagte etwas auf Spanisch. Damian verstand kein Spanisch, aber das brauchte er auch nicht. Die Reaktion des Freundes ähnelte seiner eigenen aufs Haar.

Als Damian seinen Bericht beendete, trank Lucas erst einmal einen Schluck zur Stärkung.

„Ich begreife nicht ganz. Deine Freundin hat also diese Ivy dazu überredet, Leihmutter zu sein, hat dir aber nichts davon gesagt. Was hatte sie denn vor, wenn das Kind erst auf der Welt ist? Mit einem Baby zur Wohnungstür hereinzumarschieren und zu sagen: ‚Sieh nur, das ist unser Sohn‘?“

Damian nickte. „Das ist mir auch unklar. Aber Kay hatte mit Logik nie viel am Hut. Wie ich sie kenne, hat sie so weit gar nicht vorausgeplant.“

„Und diese Ivy …“ Lucas kniff die Augen zusammen. „Was für eine Frau ist sie?“

„Sie ist attraktiv.“ Eine sehr schöne Frau. Groß, schlank und geschmeidig wie eine Tigerin. Mit grünen Augen in der Farbe von Sommergras, mit gesponnenem Gold in der seidigen Mähne …

„Das meinte ich nicht. Ich will wissen, was für eine Frau sich auf so einen Handel einlässt.“

Damian hob sein Glas an die Lippen. „Gute Frage.“

„Sie ist ein Model, hast du gesagt. Also muss sie gut aussehen.“

„Könnte man sagen, ja.“

„Models verdienen ihren Lebensunterhalt mit ihrem Aussehen und ihrem Körper. Wieso sollte sie mit einer Schwangerschaft ihre Karriere unterbrechen?“

„Weiß ich ni…“

„Aber ich weiß es. Du bist stinkreich, Damian. Sie will an dein Geld.“

„Ich habe ihr zehn Millionen angeboten, wenn sie mir das Baby überlässt. Sie hat abgelehnt.“

„Zehn Millionen.“ Lucas schnaubte. „Das ist ein Bruchteil deines Gesamtvermögens. Ich wette, die Lady hat Erkundigungen über dich eingezogen und weiß genau, wie viel du wert bist, bis auf den letzten Penny.“ Er hob sein Glas, musste feststellen, dass es leer war, und winkte dem Barkeeper, noch eine Runde zu bringen. „Sie sieht gut aus, und sie ist clever.“

„Will heißen?“

„Das heißt, du solltest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Ganze von Anfang an ihre Idee war.“

„Nein. Das passt eher zu Kay.“

„Denk doch mal nach, Damian. Sie wusste, deine Freundin kann keine Kinder bekommen, daher hat sie Kay diese Idee in den Kopf gesetzt …“

„Kay war nicht meine Freundin“, unterbrach Damian ihn schärfer als beabsichtigt. „Wir hatten eine Affäre, eine kurze, die ich beenden wollte, doch dann hat sie mich angelogen und behauptet …“

„Ich weiß.“ Lucas schwieg, bis der Barmann die Drinks vor sie auf den Tisch gestellt hatte. Dann lehnte er sich vor. „Ivy hat das alles mitverfolgt. Sie hat mitbekommen, dass du das Richtige tun wolltest, als ihre Schwester die Schwangerschaft vortäuschte.“ Er lehnte sich wieder zurück, mit grimmiger Miene. „Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir. Es war ihre Idee.“

„Ivys?“

. Über wen reden wir denn hier? Sie sah die Möglichkeit, an viel Geld zu kommen. Sie würde das Kind also austragen. Zwar würdest du nichts davon erfahren, aber wenn das Baby erst einmal auf der Welt ist, würdest du es akzeptieren und ihr jede Summe zahlen. Milliarden, nicht nur ein paar lumpige Millionen. Und sie und Kay hätten für immer ausgesorgt.“

Damian fuhr nachdenklich mit der Fingerspitze über den Rand des eisgekühlten Glases. „Hört sich nach einem perfekten Plan an.“ Als er aufsah, blinkte in seinen Augen eine Spur von Enttäuschung. „Ich habe Ivy diesen Unsinn sowieso nicht abgenommen, dass sie es nur für ihre Schwester getan hat. Aber eine bessere Erklärung fiel mir nicht ein, vor allem nicht, als sie die zehn Millionen ausschlug.“

„Und was willst du jetzt tun? Was hast du dieser Frau gesagt?“

Damian zuckte mit einer Schulter. „Was hätte ich ihr schon sagen können?“

„Dass du sie unterstützt, bis das Kind auf der Welt ist. Dass du für das Kind aufkommst. Für seine Betreuung und später für das beste Internat …“ Lucas runzelte die Stirn. „Wieso schüttelst du den Kopf?“

„Würdest du das tun? Bei deinem Kind, deinem Fleisch und Blut? Das Scheckbuch zücken, um es von dir fernzuhalten?“

„Ja, natürlich.“ Lucas seufzte und rieb sich über sein Gesicht. „Nein“, verbesserte er leise, „würde ich nicht. Ein Kind ist immer ein Geschenk, ganz gleich, unter welchen Umständen es auf die Welt gekommen ist.“

„Genau.“ Damian griff nach seinem Glas, überlegte es sich anders und winkte stattdessen nach der Rechnung. „Deshalb“, er achtete wohlweislich darauf, Augenkontakt mit Lucas zu vermeiden, „habe ich das Einzige getan, was ich tun konnte. Ich habe ihr gesagt, dass ich sie mit nach Griechenland nehme.“

Lucas hechtete fast über den Tisch. „Du hast was?!“

„Ich kann nicht die nächsten sechs Monate in New York bleiben, Lucas.“

„Schon, aber …“

„Ich muss sie im Auge behalten. Ich kenne sie doch gar nicht. Weiß ich, was sie während dieser Schwangerschaft alles anstellt? Wenn sie so ist wie ihre Schwester …“

Der Barmann kam mit der Rechnung. Damian warf einen Blick darauf, zählte ein paar Geldscheine auf den Tisch und machte dem Keeper ein Zeichen, er könne das Wechselgeld behalten. Dann wollte er aufstehen, doch Lucas packte ihn am Arm.

„Warte! Ich glaube nicht, dass du alles bedacht hast.“

„Glaub mir, das habe ich.“

„Damian, hör zu. Wenn du sie nach Griechenland mitnimmst, sitzt sie mitten in deinem Leben und macht sich darin breit. In deinem Leben, Mann! Das kannst du unmöglich wollen.“

„Du hast recht, das will ich nicht. Aber welche andere Wahl habe ich denn? Sie muss beaufsichtigt werden.“

„Du gibst ihr doch genau das, worauf sie aus ist.“

„Ganz bestimmt nicht. Sie hat sich mit Händen und Füßen gesträubt. Ich zwinge sie, etwas zu tun, das sie absolut nicht tun will.“

„Aristedes, du denkst nicht mehr klar. Genau das will sie. Welches Model setzt ihren Körper, ihr Kapital, für eine andere Frau ein? Wieso sollte sie so etwas tun, he?“ Lucas kniff die Augen zusammen. „Ich sage dir wieso. Des Geldes wegen. Und jetzt, da ihre Schwester nicht mehr da ist, hat sich der Einsatz noch erhöht.“

Damian wollte widersprechen, doch wie sollte er, wenn er den gleichen Verdacht hegte? Aber wenn das der Fall war … warum lag ihm dann bei Lucas’ schonungslosen Worten ein schwerer Stein im Magen?

„Sie manipuliert dich, wie eine Marionette.“

„Möglich“, gestand Damian zu. „Was nichts an den Fakten ändert. Sie trägt mein Kind unter dem Herzen.“

„Das wächst auch hier heran, dafür muss sie nicht in Griechenland sein. Du willst wissen, was sie während der Schwangerschaft tut? Engagiere einen Privatdetektiv. Aber spiel ihr um Himmels willen nicht in die Hände. Die Frau ist von Grund auf schlecht, ein verdorbenes, raffiniertes Geschöpf.“

„Rede nicht so von ihr“, knurrte Damian, und Lucas bedachte ihn mit einem Blick, als hätte er den Verstand verloren. Vielleicht hatte er das ja auch. Lucas’ Charakterisierung traf genau zu …

Außer in den kurzen Augenblicken, in denen Ivy nachgiebig in seinen Armen gelegen, in denen er die Süße ihres Mundes geschmeckt und sie seinen Kuss erwidert hatte …

Nein, sie hatte nur so getan als ob, ermahnte er sich und lachte gezwungen. „War nur ein Witz. Du weißt doch, was man in Amerika sagt: ‚Hoch gehalten sei die Fahne, Apple Pie und Mutterschaft‘. Diesen dreien muss man Respekt zollen.“

Lucas sah keineswegs überzeugt aus. „Wenn’s wirklich nur ein Witz ist …“

Damian nickte. „Danke, dass du dir so viel Gedanken um mich machst, aber vertrau mir, Lucas. Ich weiß genau, was ich tue.“

Vertrau mir, ich weiß, was ich tue.

Die eigenen Worte verfolgten Damian den ganzen Tag. Bis in die Nacht hinein. Als er um Mitternacht noch immer keinen Schlaf gefunden hatte, schwang er sich aus dem Bett, brühte sich eine Kanne Kaffee auf und setzte sich damit auf die Terrasse seines Apartments.

Wusste er das wirklich? Er hatte kurze Affären und auch längere Beziehungen gehabt, doch noch nie hatte er eine Frau mit nach Griechenland genommen, um mit ihm zu leben.

Ein Zusammenleben im eigentlichen Sinn würde es ja auch nicht sein. Er würde Ivy in einer der zahllosen Suiten seines Palastes unterbringen. Dennoch … war das wirklich notwendig? Wäre es nicht wesentlich einfacher, auf Lucas’ Vorschlag zu hören und jemanden anzuheuern, der Ivy beobachtete? Oder er könnte jemanden engagieren, der bei ihr wohnte.

Fast hätte er laut gelacht. Er konnte sich ihre Reaktion bestens vorstellen. Einem Privatdetektiv würde sie wahrscheinlich vors Schienbein treten, die Hausdame hochkant hinauswerfen. In Ivy vereinten sich Aphrodites Schönheit und Athenas Streitbarkeit.

Der Wind fuhr ihm durch sein dunkles Haar. Damian erschauerte leicht. Die Nacht war kühl, und er trug nur eine schwarze Jogginghose. Zeit, wieder hineinzugehen. Oder sich ein Sweatshirt überzuziehen.

Noch nicht. Nur noch eine Weile.

Er liebte New York, vor allem um diese Uhrzeit.

Die Leute behaupteten ja, die Stadt würde niemals schlafen, doch um diese Uhrzeit, vor allem an den Wochentagen, wurde es ruhig in Central Park West. Auf den Straßen dort unten waren nur noch wenige Autos unterwegs.

Hatte Lucas recht? Ging Damian die Sache falsch an?

Er könnte Ivy wissen lassen, dass es gravierende Konsequenzen für sie haben würde, sollte sie sich einfallen lassen, das Verhalten ihrer Schwester zu imitieren. Und was das Kind betraf … Viele Kinder wurden ohne Vater groß. Er selbst ja auch. Wenn man es richtig bedachte, war er sogar ganz ohne seine Eltern aufgewachsen. Seine Mutter war zu beschäftigt gewesen, den Jetset zu genießen und von einer Party zur nächsten zu flattern, um Zeit für ihn zu haben. Und sein Vater hatte ihn ignoriert, bis er alt genug war, um auf ein Internat geschickt zu werden.

Er hatte überlebt, oder?

Damian nippte an seiner Tasse. Der Kaffee war inzwischen eiskalt und bitter.

So eiskalt und bitter wie Ivy Madisons Herz?

Diese Möglichkeit bestand. Vielleicht hatte Ivy wirklich diesen Plan ausgeheckt, wie Lucas vermutete. Vielleicht feierte sie gerade jetzt irgendwo in der Stadt ihren Triumph, weil sie mit nach Griechenland fliegen würde, um dort den Jackpot zu knacken.

Feiern? Mit wem?

Nicht, dass es ihn interessieren würde. Nur … die Mutter seines ungeborenen Kindes sollte keinen Alkohol trinken. Sollte auch nicht in einer verrauchten Bar tanzen.

Mit einem anderen Mann. Einem gesichtslosen Fremden, der sie in den Armen hielt. Sie küsste. Mit ihr im Bett lag.

Die Tasse glitt ihm aus der Hand und zerbrach klirrend auf den Granitfliesen. Fluchend sammelte Damian die Scherben ein und marschierte in die Wohnung zurück.

In seinem Schlafzimmer zog er sich an. Jeans, Kaschmirpullover und eine kurze Lederjacke. Dann schnappte er sich die Schlüssel von der Kommode und ließ sie in seine Tasche gleiten, fuhr hinunter in die Tiefgarage, wo der Mercedes und sein schwarzer Porsche Carrera parkten. Den Porsche hatte er sich zugelegt, weil er diesen Wagen liebte. Leider hatte er nur wenig Gelegenheit, den Wagen auszufahren.

Der Carrera war ein hochsensibel eingestimmtes Bündel aus Energie und im Zaum gehaltener Kraft.

Das war Damian im Moment auch. So fühlte er sich, seit er Ivy Madison zum ersten Mal erblickt hatte. Wer, zum Teufel, war sie, dass sie aus dem Nichts auftauchte und sein Leben durcheinanderbrachte?

Die fünfzehnminütige Fahrt zu Ivys Wohnung absolvierte Damian in der Hälfte der Zeit. Die Haustür des Backsteinbaus war nicht verschlossen, aber das hätte ihn so oder so nicht aufgehalten. In Sekunden hatte er die drei Stockwerke bewältigt und hielt den Daumen auf den Klingelknopf unter dem Namensschild, während er mit der anderen Faust gegen die Apartmenttür hämmerte.

„Ivy! Verdammt, Ivy, öffnen Sie die Tür!“

Vorsichtig wurde die Tür einen Spaltbreit aufgezogen, gerade so weit, wie die Vorlegekette es erlaubte. Damian konnte einen Lichtschimmer erkennen, ein Auge, eine goldene Haarsträhne.

„Sind Sie wahnsinnig?“, fauchte Ivy. „Sie wecken ja das ganze Gebäude auf.“

„Machen Sie endlich auf!“

Die Tür schloss sich vor seiner Nase, er hörte das Klappern der Kette, dann wurde sie weit aufgezogen. Damian trat ein und schlug die Tür hinter sich zu. Ivy stand vor ihm, das Haar wirr vom Schlaf, den seidenen Morgenmantel offen, mit bloßen Füßen.

Verängstigt und verschlafen sah sie aus. Und unglaublich sexy.

Sein rasender Puls beschleunigte sich noch.

„Wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?! Was wollen Sie hier?“

„Wichtiger ist doch wohl, ob Sie es wissen.“

Eine Herausforderung schwang in seiner Stimme mit, die Ivy nicht entgangen war. Sie schnappte nach Luft. „Haben Sie etwa getrunken?“

„Nicht genug.“

Er machte einen Schritt vor, sie einen zurück. „Hoheit …“

„Wir sollten die Formalitäten endlich vergessen.“ Noch ein Schritt vor, und sie wich weiter zurück. „Ich heiße Damian.“

„Damian … es ist spät. Warum … warum reden wir nicht morgen?“

Ein weiterer Schritt, und sie stand mit dem Rücken an der Wand.

„Ich habe genug vom Reden.“ Er streckte die Hände nach ihr aus. „Und Sie auch.“

„Nein! Verschwinden Sie, Damian! Raus aus meiner Wohnung.“

„Wenn man bedenkt“, seine Augen glitzerten und hielten ihren Blick gefangen. „Da habe ich ein Stück Papier gesehen, das besagt, ich bin der Vater Ihres Kindes. Meine Hand hat auf Ihrem Bauch gelegen.“ Er griff in ihr Nachthemd und zog sie zu sich heran. „Aber Sie, Sie habe ich noch nie gesehen.“

„Natürlich haben Sie mich …“

„Sie“, wiederholte er belegt. „Ihren Körper. Ich habe nicht gesehen, wie Ihr Körper sich bereit macht für meinen Sohn.“

„Damian, ich schwöre Ihnen, ich schreie …“

Langsam schlug er die beiden Seiten ihres Morgenmantels zurück. Ivy riss die Augen auf, öffnete die Lippen, aber sie konnte nicht schreien. Sie brachte keinen Ton heraus, während sein Blick langsam über sie glitt.

Sie trug ein cremefarbenes Seidennachthemd, das ihr bis zu den Füßen reichte. Geraffte Taille, dünne Träger. Damian sah in ihr Gesicht. Ihre Augen waren noch immer groß, ihre Lippen noch immer geöffnet …

„Nicht“, flüsterte sie.

Er tat es trotzdem. Schob die Finger unter die dünnen Träger, hob sie von ihren Schultern, zog sie langsam über die Arme herab und entblößte ihre Brüste. Wunderschöne Brüste. Hoch. Fest. Rund. Mit rosigen Spitzen, die sich unter seinem Blick aufrichteten.

„Damian …“

„Schhh.“ Er umfasste diese Brüste sanft, reizte die empfindsamen Knospen. Ivy schwankte, als er den Kopf beugte und die Knospen mit Lippen und Zunge liebkoste.

„Damian“, sagte sie noch einmal. Ein Flüstern fast nur, ein Hauch …

Ein Flehen.

Er hob den Kopf. Sie hielt die Augen geschlossen, die langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Wangen. Ihre Brüste hoben und senkten sich im Rhythmus ihres schweren Atems.

Das seidene Nachthemd lag gebauscht zu ihren Füßen. Gott, sie war schön. Wie Aphrodite, die den Schaumkronen entstieg. Die Verkörperung des Traumes eines jeden Mannes. Und mehr.

Und ihr Körper … Ihr Körper war bereit für sein Kind. Er sah es an der leichten Wölbung ihres Leibes, der erblühenden Fülle ihrer Brüste.

Zärtlich legte er eine Hand auf ihren Bauch, fühlte die samtene Haut, die perfekte Rundung unter seiner Handfläche.

Von liebevoller Sehnsucht getrieben, ließ er seine Hand tiefer gleiten. Noch tiefer, ohne ihre Gesicht aus den Augen zu lassen. Hörte das leise Stöhnen, das ihr über die Lippen kam, als er seine Hand zwischen ihre Schenkel schob. Allmächtiger, sie war bereit für ihn …

„Nicht“, seufzte sie, doch ihre Hände lagen flach auf seiner Brust. Dann auf seinen Schultern. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihren Mund an seine Lippen zu drücken.

Sie wollte es. Wollte ihn.

Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, nicht zusammen mit ihr auf den Boden zu sinken und sie gleich hier und jetzt zu nehmen. Er wollte nichts anderes, als sich in ihrer Hitze verlieren …

Aber Lucas hatte recht. Alles war nur gespielt.

Damian ließ sie los. Hob das Nachthemd auf und zog es ihr zurück auf die Schultern. Sie schlang beide Arme um sich, zitternd und außer Atem.

„Erinnern Sie sich noch, was ich heute Nachtmittag zu Ihnen sagte?“

Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Sie sagten … Sie würden mich mit nach Griechenland nehmen.“

Er nickte, rief sich Lucas’ Rat in Erinnerung und trat einen Schritt zurück. „Ich habe es mir anders überlegt.“

„Sie meinen, ich kann hierbleiben?“

Wüsste er es nicht besser, er würde sagen, sie sei erleichtert.

Natürlich war es das, was er meinte. Ganz sicher …

Aber: „Ich meine, ich wäre ja ein Narr, würde ich für Ihren Unterhalt aufkommen, ohne eine Gegenleistung zu erhalten.“ Er zog sie in seine Arme. „Sie werden das Bett mit mir teilen. Sie werden meinen Sohn gebären. Und sollten Sie sich in diesen Monaten als eine befriedigende Geliebte erweisen, heirate ich Sie. Ich werde Ihnen meinen Namen und meinen Titel geben und Ihnen erlauben, die Mutter dieses Kindes zu sein, von dem Sie behaupten, es haben zu wollen.“ Er presste sie enger an sich. „Sollten Sie mich nicht zufriedenstellen, werde ich meinen Sohn behalten und Sie nach New York zurückschicken. Meinetwegen können Sie mich dann vor Gericht zitieren.“

Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Bis Ivy den Blick hob und Damian direkt in die Augen sah.

„Ich hasse Sie.“

Damian presste seine Lippen auf ihren Mund und küsste sie, bis ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg und sie sich wieder hingebungsvoll an ihn schmiegte.

Gehörte das auch zu ihrer Show? Völlig unwichtig.

„Hassen Sie mich, so viel Sie wollen, glyka mou. Vom jetzigen Augenblick an gehören Sie mir.“

6. KAPITEL

Eine Frau, die sich als persönliche Assistentin von Damian Aristedes vorstellte, rief am nächsten Morgen um sechs Uhr bei Ivy an. Ohne eine Entschuldigung für die frühe Störung.

„Besitzen Sie einen Reisepass, Miss Madison?“

Ivy lag es schon auf der Zunge zu verneinen. Doch wozu? Wenn man mit dem Adel reiste, waren Reisepässe sicher nicht notwendig. „Ja.“

„Dann machen Sie sich bitte für den Abflug um acht Uhr dreißig bereit. Pünktlich um acht Uhr dreißig“, betonte sie. „Seine Hoheit mag es nicht, wenn man ihn warten lässt.“

„Muss ich bei seiner Ankunft salutieren?“ Ivy flüchtete sich in Sarkasmus, um gegen die plötzliche Angst anzukämpfen. Sie konnte die pikiert hochgezogenen Augenbrauen der Frau regelrecht vor sich sehen.

„Ein Chauffeur wird Sie abholen, Miss Madison, nicht der Prinz.“

„Natürlich nicht.“ Damian Aristedes würde sich nicht zu derartigen Banalitäten herablassen. Banalitäten wie Frauen, zum Beispiel. Wahrscheinlich arrangierte seine Assistentin ständig solche Dinge für ihn. Flog die eine Frau nach Griechenland, die nächste nach Timbuktu. Der Prinz erwartete sicher, dass zu jeder Zeit an jedem Ort eine Geliebte für ihn zur Verfügung stand.

Na, da konnte er sich aber auf eine Überraschung gefasst machen. Sie würde nie seine Geliebte werden, und schon gar nicht seine Frau. Aber dieser lieblose Antrag war sowieso nur ein Köder gewesen, um sie in sein Bett zu locken.

Nicht, dass er es nötig haben würde, einen Köder auszuwerfen. Er konnte jede haben. Wahrscheinlich musste er sich gegen den Ansturm von Frauen sogar wehren. Wenn man so aussah wie er, mit diesem schönen männlichen Gesicht, dem perfekten Körper, der Aura von Macht, musste es ihm mit erschreckender Leichtigkeit gelingen, eine Frau nach der anderen zu bekommen.

Aber nicht sie.

Eine sexuelle Beziehung mit einem Mann stand nicht auf der Liste von Dingen, die sie in ihrem Leben erreichen wollte. Sollte sich das je ändern – was sie sich nicht vorstellen konnte –, dann sicherlich nicht wegen eines Mannes wie Damian Aristedes. Nein, sie würde jemanden wählen, der das genaue Gegenteil von ihm war.

Einen Mann, der zärtlich war, nicht autoritär. Fürsorglich, nicht despotisch. Ein Mann, dessen Berührungen nicht bedrohlich waren.

Die Berührungen des Prinzen erschütterten sie, ließen sie zitternd zurück. Wenn er sie küsste, dann hatte sie das Gefühl, am Rande einer Klippe zu stehen und jeden Moment hinunterzustürzen.

Oder abzuheben und in sonnendurchflutete Gefilde zu schweben.

Genug davon. Ivy atmete tief durch. In gut einer Stunde kam der Chauffeur des Prinzen, um sie abzuholen. Genug Zeit, um sich fertig zu machen. Eigentlich zu viel. Sie hatte kein Bedürfnis, über das nachzudenken, was vor ihr lag.

Also kochte sie sich eine Tasse Tee, setzte sich in ihrer Küche ans Fenster, sah hinaus auf die Straßen und fragte sich, wann sie wohl wieder hier sitzen würde.

Bald, versprach sie sich. Schon sehr bald.

Um sieben duschte sie, zog sich an und packte. Sie war fertig, lange bevor der Chauffeur an ihrer Wohnungstür klingelte.

Er war sehr höflich. Sie auch.

Der Mercedes fuhr geräuschlos durch die geschäftigen Straßen Manhattans. Ivy starrte durch die getönten Scheiben hinaus zu den Menschen auf dem Weg zu ihrem Job, zu ihren alltäglichen Pflichten, und fragte sich, wie sie es nur so weit hatte kommen lassen können. Zwar hatte sie nicht das Geld, um einen guten Anwalt zu bezahlen, aber sie kannte alle möglichen Leute in hohen Positionen. Einer von ihnen hätte ihr bestimmt geholfen.

Dann allerdings erinnerte sie sich daran, wie alles angefangen hatte. Sie hatte sich bereit erklärt, ein Baby auszutragen in dem Wissen, dass Damian Aristedes der Vater des Kindes sein würde.

Sie hatte keine andere Wahl. Sie tat das Richtige. In Kays Andenken und für das Baby.

„Miss? Wir sind da, Miss.“

„Da“ war der Bereich für Privatflugzeuge des Kennedy Airport. Ivy war oft mit Privatmaschinen von einem exotischen Fotoshooting zum nächsten geflogen. Die Flugzeuge waren häufig groß, aber noch nie hatte sie einen Privatjet von dieser Größe gesehen.

Die Sonne spiegelte sich in den breiten Flügeln. Am Ende der Maschine prangte ein diskretes Emblem. Irgendein Wappen, mit Schild und Lanze. Ein Fabeltier, massig, gefährlich wirkend. Nein, nicht irgendein Wappen, sondern das königliche Wappen der Aristedes-Familie.

„Miss Madison?“

Ein erlesen höflicher Steward nahm sie an der untersten Stufe der Treppe in Empfang. Auf der Brusttasche seines blauen Jacketts war das gleiche Wappen eingestickt.

Was, um alles in der Welt, tust du hier, Ivy?

Sie blieb abrupt stehen. Der Steward sah sie an. Der Chauffeur, der mit ihrem Koffer folgte, auch.

Und noch jemand beobachtete sie, aus dem Innern des Flugzeugs heraus. Sie konnte ihn nicht sehen, aber sie wusste, er war da. Verfolgte jede ihrer Bewegungen mit kühl blickenden Augen. Sah sie zögern. Registrierte dieses Zögern als Schwäche.

Doch vor ihm würde sie niemals Schwäche zeigen!

Ivy holte tief Luft und stieg entschlossen die Stufen hinauf.

Es war kühl in der Flugkabine. Und luxuriös. Helle Wandverkleidungen, dicker Teppich, lederne Sessel, ein Sofa. Türen im hinteren Teil. Und ja, Damian saß bereits in einem der komfortablen Sessel. Er sah jedoch nicht zu ihr hin, sondern hielt den Kopf über einige Unterlagen gebeugt.

„Miss Madison“, kündigte der Steward sie an.

Ivy stellte sich automatisch noch aufrechter hin, nahm die distanzierte Miene an, die sie auf Hunderten von Titelblättern und Tausenden von Anzeigen zeigte. Vorhin bei der Auswahl ihrer Garderobe hatte sie besondere Sorgfalt an den Tag gelegt. Zuerst hatte sie ausgewaschene Jeans und eine abgetragene Jacke anziehen wollen, Sachen, die sie auf einsamen Winterspaziergängen trug, nur um dem Prinzen zu zeigen, wie wenig sein Reichtum sie beeindruckte.

Im letzten Moment hatte sie es sich anders überlegt. Viel besser war es, wenn sie ihn wissen ließ, dass er sie nicht einschüchtern konnte, ganz gleich, wer oder was er war. Also trug sie jetzt eine hauchdünne Seidenbluse und einen Kaschmirpullover unter der weichen Lederjacke.

Doch die Mühe hätte sie sich sparen können. Damian sah nur kurz auf, nickte knapp und widmete sich wieder seinen Papieren.

Seine ignorante Reaktion verärgerte sie. Eigentlich lächerlich, dass sie sich darüber aufregte. Also nickte sie ebenso knapp zurück und wollte an seinem Sitz vorbeigehen, doch sein Arm schoss vor und hielt sie fest.

„Sie sitzen hier.“

„Hier“ hieß der Sitz neben ihm. „Ich sitze lieber im hinteren Teil.“

„Ich kann mich nicht erinnern, Sie nach Ihren Vorlieben gefragt zu haben.“

Sein herablassender Ton machte sie wütend. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, doch sie war nicht dumm genug, ihre Zornausbrüche zu wiederholen. Sie würde ihre Energie für später aufbewahren, wenn es darauf ankam.

Der Steward räusperte sich. „Wünschen Madam einen Kaffee oder Tee, nachdem wir Flughöhe erreicht haben?“

„Weder Kaffee noch Tee“, antwortete Damian an ihrer Stelle, ohne den Kopf zu heben. „Und keinen Alkohol. Miss Madison trinkt Mineralwasser oder Fruchtsäfte.“

Ivys Wangen begannen jäh zu brennen. Warum posaunte er nicht in die ganze Welt hinaus, dass sie schwanger war! Falls er sie provozieren wollte, so würde er allerdings enttäuscht sein.

„Schön, dass einem noch eine Wahl bleibt, selbst eine so kleine“, erwiderte sie ruhig.

Damian sah auf. Seine Mundwinkel zuckten. „Soll Thomas daraus entnehmen, dass Sie gar nichts wollen?“

„Was ich will“, erklärte sie sachlich, „ist meine Freiheit zurück. Ich bezweifle, dass die Erfüllung dieses Wunsches in seiner Macht steht.“

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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