Traummänner und Traumziele: Einmal rund um die Welt 4

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HOCHZEITSGLOCKEN AUF MALLORCA von PENNY JORDAN
Lucy glaubt zu träumen: In einem Luxushotel auf Mallorca stellt der attraktive Bankier ihr die alles entscheidende Frage. Mit Schmetterlingen im Bauch, aber auch voller Zweifel, sagt Lucy Ja. Die Nächte der stürmischen Leidenschaft mit Marcus sind zwar wunderschön – doch das Wichtigste vermisst Lucy in ihrer jungen Ehe nach wie vor: Von Liebe spricht Marcus nicht …

STÜRMISCHE LIEBE IN DEN HIGHLANDS von MARGARET MCPHEE
Alles würde Phoebe tun, um ihren Vater aus dem Gefängnis zu retten! Sogar ihr Herz verraten, das nur für den geheimnisvollen schottischen Schlossherren Mr. Hunter schlägt. Er hat in ihr eine Sehnsucht geweckt, so wild wie die Highlands. Doch weil das Leben ihres Vaters in Gefahr ist, muss sie Mr. Hunter hintergehen …

NEAPEL SEHEN – UND SICH VERLIEBEN von LUCY GORDON
Wie in einem goldenen Käfig fühlt Celia sich an der Seite von Francesco Rinucci. Dabei möchte Celia doch nur ihr neues, aufregendes Leben am Golf von Neapel genießen. Und auch wenn sie den erfolgreichen Unternehmer begehrt wie noch keinen Mann zuvor, steht sie vor einer schweren Entscheidung …

MIT DIR AM STRAND DER LIEBE von ANNE MATHER
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SOMMERTRÄUME IN MARBELLA von PENNY JORDAN
Er ist einer der begehrtesten Junggesellen des Jetset: Die hübsche Julia hat sich nur auf den reichen Silas Cabot Carter eingelassen, um über eine schwere Enttäuschung hinwegzukommen. Wie hätte sie denn auch ahnen sollen, dass Silas, der kühle Geschäftsmann, unter der Sonne von Marbella so ein Feuer in ihr entfacht?


  • Erscheinungstag 16.06.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514644
  • Seitenanzahl 800
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Penny Jordan, Margaret Mcphee, Lucy Gordon, Anne Mather

Traummänner und Traumziele: Einmal rund um die Welt 4

IMPRESSUM

Hochzeitsglocken auf Mallorca erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
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Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© by Penny Jordan
Originaltitel: „Blackmailing the Society Bride“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA
Band 1728 - 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Umschlagsmotive: GettyImages_Dragos Cojocari

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733719401

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

„Sie behaupten also, dass mein Unternehmen und ich so gut wie bankrott sind?“

Lucy blickte ihren Anwalt starr an. Entsetzen und Furcht packten sie, gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass ihre Lage zu schrecklich war, um real zu sein.

Aber sie war real: Ihr Exmann hatte dem guten Ruf und den Finanzen der von ihr vor ihrer Heirat mit viel Enthusiasmus und Freude gegründeten Event-Agentur so geschadet, dass die Firma nicht mehr lebensfähig war.

In ihrer kurzen Ehe hatte Nick sie permanent betrogen – sexuell wie finanziell, andererseits hatte sie selbst auch gemogelt. Ein schlechtes Gewissen hilft mir jetzt nicht, ermahnte Lucy sich.

„Ich habe Aufträge für den Rest des Jahres“, sagte sie zu ihrem Anwalt und hoffte, dass er sie nicht fragen würde, wie viele. Weil es so wenige waren. „Vielleicht würde die Bank in Anbetracht dessen …?“

Doch er schüttelte den Kopf. Mr. McVicar mochte seine junge Klientin, und sie tat ihm aufrichtig leid, aber seiner Meinung nach war sie für die harte Geschäftswelt zu sanftmütig. „Sie haben mir selbst erklärt, dass mehrere Kunden ihre Aufträge storniert und ihre Anzahlungen zurückverlangt haben, und ich fürchte … Nun ja, Vertrauen ist auch in der Geschäftswelt von unschätzbarem Wert.“

„Sie meinen, dass wegen Nicks Betrügereien niemand mehr Vertrauen zu ‚Prêt a Party‘ hat?“, fragte Lucy verbittert. „Obwohl Nick in der Agentur und in meinem Leben keine Rolle mehr spielt und ich diejenige bin, die das Unternehmen gegründet hat?“

Der mitfühlende Blick ihres Anwalts genügte als Antwort.

„Vermutlich darf ich es meinen Kunden nicht verübeln, dass sie aussteigen. Aus ihrer Sicht kann ich wohl nicht besonders vertrauenswürdig sein, wenn ich so dumm war, Nick zu heiraten“, meinte Lucy sarkastisch. Marcus glaubte das zweifellos.

Wenn es einen Menschen gab, den sie gern aus ihrem Leben und ihren Erinnerungen wegzaubern würde, dann war es Marcus.

„Kann ich denn gar nichts tun, um die Firma zu retten?“

„Falls Sie einen Teilhaber finden, der für seine Integrität und sein finanzielles Format bekannt ist, dem die Leute vertrauen und der bereit ist, genug Kapital einzubringen, um alle ausstehenden Verbindlichkeiten abzuwickeln und …“

„Aber ich will meine Schulden selbst bezahlen. Ich habe noch immer Geld auf meinem Treuhandkonto“, unterbrach ihn Lucy heftig.

„Ja, natürlich, das weiß ich. Ich fürchte nur, dass die Schuldentilgung das Vertrauen der Kunden nicht wiederherstellen wird, Lucy. Bedauerlicherweise hat Ihr Exmann den Ruf des Unternehmens fast irreparabel geschädigt. Und dass Ihre beiden leitenden Mitarbeiterinnen Prêt a Party verlassen haben …“

„Aber doch nur, weil sie inzwischen verheiratet sind und andere Verpflichtungen haben. Carly ist wieder schwanger und muss sich um ihren Sohn kümmern, außerdem engagiert sie sich für die Waisenhäuser, die Ricardo gegründet hat. Und Julia hat ihr Baby und arbeitet für die Stiftung …“

„Das weiß ich alles, Lucy“, besänftigte sie ihr Anwalt. „Aber unglücklicherweise sieht die Außenwelt – von der Sie sich neue Aufträge erhoffen – diese Dinge nicht. Es tut mir wirklich leid.“ Er machte eine Pause. „Haben Sie daran gedacht, sich an Marcus zu wenden? Er …“

„Nein! Niemals! Und ich verbiete Ihnen, ihm irgendetwas von dem zu erzählen, was wir hier besprechen, Mr. McVicar.“ Lucy stand so unvermittelt auf, dass sie fast ihren Stuhl umwarf. Panik und Kummer schnürten ihr die Kehle zu. Wie Marcus es lieben würde, sie darauf hinzuweisen, dass er sie die ganze Zeit über vor genau dieser Situation gewarnt hatte. Wie er die Nase über sie rümpfen und sie eiskalt ansehen würde, während er aufzählte, was sie alles falsch gemacht hatte.

Manchmal hatte Lucy das Gefühl, ihr ganzes Leben lang immer nur versagt zu haben. Zunächst einmal war sie nicht der ersehnte Sohn und Erbe, sondern eine Tochter, die unter die Haube gebracht werden musste. Und obwohl ihre Eltern nach ihr noch einen Sohn bekommen hatten, war Lucy niemals den Gedanken losgeworden, sie enttäuscht zu haben, weil sie die Erstgeborene war und das falsche Geschlecht hatte. Nicht, dass sie jemals etwas zu ihr gesagt hätten, doch Lucy, die sehr sensibel war, hatte die Enttäuschung ihrer Eltern gespürt. Ebenso, wie sie später Marcus’ Ungeduld und Verärgerung klar erkannt hatte.

Allerdings musste niemand lange raten, was Marcus dachte. Er brachte seine Meinung kompromisslos zum Ausdruck. Und hatte von Anfang an – schon beim ersten Treffen in seinem Londoner Büro – klipp und klar erklärt, wie sehr er es missbilligte, dass ihr verstorbener Großonkel ihr so viel Geld vererbt hatte.

„Deshalb hast du dich also bereit erklärt, mein Treuhänder zu sein. Weil du nicht damit einverstanden bist, dass ich das Geld bekomme, und mir das Leben so schwer wie möglich machen willst“, hatte Lucy ihn daraufhin beschuldigt.

„Eine derartige Bemerkung bestätigt nur, dass ich zu Recht um den Geisteszustand deines Großonkels besorgt war, als er sein Testament aufgesetzt hat“, hatte Marcus schneidend erwidert.

„Du hast wohl gehofft, er würde sein Geld dir hinterlassen?“

„Sei nicht so verdammt kindisch“, hatte Marcus kalt gesagt.

Natürlich war ihr damals noch nicht klar gewesen, dass Marcus selbst Millionen, wenn nicht Milliarden besaß, die in den Stahlkammern der Familienhandelsbank lagen, deren Vorstandsvorsitzender er war.

Voller Mitgefühl beobachtete Mr. McVicar Lucy. Er wusste von dem gespannten Verhältnis zwischen seiner Mandantin und dem reichen Bankier, den ihr verstorbener Großonkel als Treuhänder des Vermögens eingesetzt hatte, das er ihr vermacht hatte.

Inzwischen war von dem Geld nicht mehr viel übrig. Die Habgier und Unterschlagungen ihres Exmannes sowie der Zusammenbruch ihres früher einmal erfolgreichen kleinen Unternehmens hatten fast alles verschlungen. Moralisch war Lucy über jeden Tadel erhaben, aber leider war sie zu leichtgläubig gewesen, und jetzt zahlte sie den Preis dafür.

Dagegen war Marcus Cannings Geschäftssinn legendär und nach Ansicht des Anwalts am besten geeignet, um Lucy in ihrer gegenwärtigen schwierigen Situation zu helfen. Doch da sie diesen Rat nicht befolgen wollte, kam Mr. McVicar auf seine frühere Empfehlung zurück. „Wenn Sie einen reichen Geschäftspartner gewinnen könnten, der bereit wäre, viel Geld in die Agentur zu investieren …“

„Genau das habe ich schon getan.“ Was, in aller Welt, soll denn das, fragte sie sich entsetzt, sobald die Worte heraus waren. Nur weil Mr. McVicar Marcus erwähnt hatte, log sie ihn an und erfand einen Geldgeber. Allein sein Name genügte, um sie zu einer trotzigen Abwehrhaltung zu provozieren.

Mr. McVicar sah sowohl erleichtert als auch überrascht aus. „Nun, das ist eine hervorragende Neuigkeit, Lucy. Dadurch bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht. Tatsächlich ist es die allerbeste Lösung. Aber natürlich müssen wir das besprechen. Ich denke, wir sollten uns so bald wie möglich mit Ihrem zukünftigen Teilhaber und seinen Beratern zusammensetzen. Oh, und selbstverständlich müssen wir Ihre Bank darüber informieren. Ich bin sicher, dass sie sich viel flexibler zeigen wird, wenn sie erst einmal weiß, dass frisches Kapital in die Agentur investiert wird. Außerdem wäre es gut, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, vielleicht sogar eine halbseitige Anzeige in eine prominente Glamourzeitschrift zu setzen. Darin könnten sie noch einmal erklären, dass Ihr Exmann nichts mehr mit Prêt a Party zu tun hat, und gleichzeitig geben Sie die neue Teilhaberschaft bekannt. Das sollte die destabilisierenden Auswirkungen von Nicks Betrügereien ausgleichen.“

Warum hatte sie sich bei dem Gedanken an Marcus zu so einer Dummheit hinreißen lassen? Lucy fühlte sich, als würde sie in einem tiefen, besonders klebrigen Morast feststecken. Was, in aller Welt, hatte sie getan? Wie sollte sie jetzt noch zugeben, dass sie gelogen hatte?

„Im Moment kann ich Ihnen noch nicht sagen, wer es ist, Mr. McVicar“, begann sie nervös. „Die Angelegenheit muss bis auf weiteres geheim bleiben. Geschäftsverhandlungen sind immer … tja, Sie wissen, wie das ist.“

„Natürlich. Aber vergessen Sie nicht, dass Zeit hier von entscheidender Bedeutung ist.“

Lucy nickte und verabschiedete sich so schnell wie möglich. Wie hatte sie so lügen können? Das widersprach all ihren Überzeugungen. Sie fühlte sich schuldig, schämte sich und blinzelte Tränen des Selbstmitleids weg, während sie vor der Kanzlei ihres Anwalts in der strahlenden Herbstsonne stand. Was sollte sie tun? Nur ein Wunder könnte sie jetzt noch retten. Wie ferngesteuert bog sie um die Ecke und eilte in die Bond Street, ohne einen Blick in die Schaufenster der teuren Läden zu werfen. Moderne Designermode war nicht ihr Fall. Lucy mochte Vintage-Kleider, die sie auf Straßenmärkten fand und von den Dachböden der Familie rettete. Die alten Stoffe waren so luxuriös, und sie liebte es, wie sich Seide, Kaschmir, Wolle, Baumwolle und Leinen auf der Haut anfühlten. Chemiefasern mochten für das Großstadtleben von heute praktisch sein, aber Lucy war in vielerlei Hinsicht eine altmodische Frau, die sich nach der ruhigeren feineren Lebensart vergangener Zeiten zurücksehnte.

Insgeheim hatte sie sich immer gewünscht, zu heiraten, Kinder zu bekommen und sie mit ihrem Ehemann in einem großen Landhaus großzuziehen. Sie beneidete ihre beiden besten Freundinnen um ihre glücklichen Ehen und ihre Kinder, aber das hatte sie noch nie jemandem anvertraut, nicht einmal Carly und Jules. Schließlich hatte sie ihren Stolz. Aus diesem Stolz heraus hatte sie Prêt a Party gegründet. Und gerade eine dumme Lüge erzählt.

An einem Kiosk blieb Lucy stehen und sah sich die Zeitungen und Zeitschriften an. Wie immer lag A-List Life in der vordersten Reihe. Lucy lächelte. Der exzentrische Eigentümer und Chefredakteur des Klatschmagazins war ihr ein guter Freund gewesen. Für Dorland Chesterfield hatte sie mehrere Events organisiert, und zu seinen Partys kam immer die High Society der Glamourwelt. Vielleicht hätte sie sogar darüber nachgedacht, ihn um Hilfe aus dem ganzen, von Nick verursachten Schlamassel zu bitten, wenn sie nicht gewusst hätte, dass Dorlands Liebe zum Klatsch garantiert seine Gutherzigkeit überwältigen würde. Und die Geschichte ihres Ruins in A-List Life zu lesen hatte ihr gerade noch gefehlt!

Natürlich hatten ihre beiden Freundinnen – und inzwischen Exmitarbeiterinnen – extrem reiche Ehemänner, und Carly und Julia hatten sie nacheinander besucht und ihr behutsam finanzielle Hilfe angeboten. Doch Lucy konnte sie nicht annehmen. Zum einen lag das an ihrem elenden Stolz, zum anderen brauchte sie nicht nur Geld, sondern jemanden, der mit ihr in der Agentur zusammenarbeitete. Ihr Geld zu geben, damit sie die Schulden der Firma bezahlen konnte, war eine großzügige Geste, aber sie wollte, sie musste beweisen, dass sie nicht das dumme Ding war, für das sie offenbar jedermann hielt, und mit ihrem Unternehmen Erfolg haben konnte.

Nick zu heiraten war ein Fehler gewesen. Außerdem hatte sie ihn viel zu überstürzt geheiratet, wie Marcus ihr unbarmherzig bewiesen hatte. Nur hatte sie ihre Gründe gehabt – Gründe, die Marcus niemals erfahren durfte.

Lucy kaufte ein Exemplar von A-List Life und überquerte die Straße. Funkelnd glitzerte das Sonnenlicht in ihrem schulterlangen naturblonden Haar, und der Fahrer eines großen Mercedes mit Diplomatenkennzeichen bremste ab und musterte sie bewundernd.

Wieder auf dem Bürgersteig, schlug sie die Zeitschrift auf und überflog den Inhalt. Nur aus Gewohnheit, denn inzwischen war es über drei Monate her, dass sie einen großen Event organisiert hatte, ganz zu schweigen von einem, der glamourös genug war, um einen Platz in Dorlands Zeitschrift zu finden. Zu ihrem Erstaunen sah sie jedoch plötzlich den Namen ihrer Agentur unter den Worten „A-List Life’s Lieblingsparty aller Zeiten“.

Verwirrt blätterte Lucy zu der angegebenen Seitenzahl. Ihre Augen wurden groß, als sie die Fotos erkannte, die den ganzen Mittelteil des Magazins einnahmen. Denn sie stammten von der riesigen Sommerabschlussparty, die Prêt a Party im vergangenen Jahr für A-List Life organisiert hatte.

Vor Rührung kamen ihr die Tränen. So eine Großzügigkeit war typisch für Dorland. Wie großherzig, diese Fotos noch einmal zu bringen – auch wenn es gleichzeitig eine Möglichkeit war, sich selbst zu schmeicheln.

Obwohl sie damals schon wusste, dass ihre Heirat ein Fehler gewesen war, wollte sie es zu dem Zeitpunkt noch niemandem gegenüber zugeben. Sie hatte auch gewusst, dass Nick ihr untreu war. Allerdings ahnte sie nicht, dass er nicht nur sie, sondern auch ihre Firma und ihre Kunden betrog. Carly und Jules dagegen hatten viel früher Verdacht geschöpft. Doch aus Sorge um sie behielten beide für sich, was vorging. Nicht so Marcus. Nie würde Lucy vergessen, wie demütigend es gewesen war, wie ein begossener Pudel vor seinem Schreibtisch zu stehen, während er ihr mit kalter Wut Nicks betrügerische Aktivitäten bei Prêt a Party aufzählte.

„Warum, zum Teufel, hast du ihn überhaupt geheiratet?“, hatte er grimmig gefragt, aber sofort hinzugefügt: „Nein, du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich kenne die Antwort schon. Ist dir denn niemals eingefallen, dass du auch ohne eine Heirat Sex mit ihm hättest haben können?“

„Vielleicht wollte ich mehr als Sex“, erwiderte Lucy. Natürlich hatte sie mehr gewollt, es jedoch nicht bekommen. Aber andererseits hatte sie Nick auch nicht mehr gegeben. Und was den Sex betraf …

Vor ihrer Heirat hatte Nick so eindringlich und schmeichelhaft von seinem Verlangen nach ihr gesprochen, doch unmittelbar danach verspottete er sie wegen ihrer mangelnden sexuellen Erfahrung und höhnte, sie sei nicht begehrenswert. Und wer konnte ihm das verübeln? Schon sehr schnell nach der Heirat musste sie die Fantasievorstellung, dass sie verrückt nach ihm war, begraben. Immer wieder behauptete Nick, sie sei frigide und würde ihm jede Lust nehmen, und Lucy litt zu sehr unter ihren Schuldgefühlen und ihrem Selbstekel, um zu protestieren.

„Mehr als Sex? Wirklich? Hast du tatsächlich geglaubt, du würdest von einem Mann wie ihm mehr bekommen?“, fragte Marcus zynisch.

„Dass du mich kritisierst, ist ja gut und schön, aber du selbst hast ja auch nicht gerade Erfolg mit Langzeitbeziehungen!“

„Vielleicht liegt das daran, dass ich mich nicht festlege. Sollte ich es irgendwann tun, wird die Bindung gründlich durchdacht und dauerhaft sein. Ich werde mich nicht zu einer Heirat entschließen, nur weil ich im Urlaub Sex im Freien hatte und mir danach einbilde, verliebt zu sein.“

Bei diesen verächtlichen Worten und dem widerlich arroganten Marcus-Blick ballte Lucy in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten. „Das war kein … ich habe nicht …“, versuchte sie, sich zu verteidigen.

„Oh, hör schon auf damit“, unterbrach er sie scharf. „Wir alle wissen, was passiert ist. Schließlich waren sämtliche Klatschblätter mit den Fotos gepflastert. Du, wie du oben ohne an Nick Blayne klebst und sagst, du wollest dich amüsieren und seiest auf der Suche nach allem, was dazugehöre.“

„Du meine Güte, du hast dir die Bildunterschrift Wort für Wort gemerkt. Wie lange hast du gebraucht, um sie auswendig zu lernen, Marcus?“, schlug Lucy zurück.

Natürlich hatte sie ihre idiotische Äußerung bereut. Aber wenn man am Jetlag litt und in solcher Hetze gepackt hatte, dass nicht zueinander passende Bikinioberteile und – hosen im Koffer gelandet waren, und wenn man dann von einem Paparazzo ertappt wurde, überspielte man die missliche Lage eben mit einem Scherz. Besonders, da Paparazzi für den geschäftlichen Erfolg so wichtig sein konnten. Sie hatte gemeint, es sich nicht leisten zu können, den Mann zu kränken, der sie geknipst hatte.

Wenn er sie erst vierundzwanzig Stunden später erwischt hätte, wäre es ein ganz anderes Foto geworden. Und nachdem sie sich richtig ausgeschlafen und einen Bikini von Jules geliehen hatte, wäre sie vielleicht cool genug gewesen, ihm wahrheitsgemäß zu sagen, dass sie einfach Urlaub machte.

Aber leider setzte sich der Fotograf in den Kopf, dass ihr Leben viel interessanter als in Wirklichkeit war, und hielt sich von da an mit seiner Kamera ständig in ihrer Nähe auf.

Nick genoss die Aufmerksamkeit. Was Lucy damals als Zeichen dafür sah, dass er mit ihrem Job und seinen Auswirkungen auf das gemeinsame Privatleben fertig werden würde. Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass für Nick alles seinen Preis hatte – auch möglichst gewagte Fotos von ihnen beiden an verschiedenen exotischen Plätzen. Dass Nick sie in eine Falle gelockt und Geld für die Fotos kassiert hatte, fand Lucy erst heraus, als es zu spät war und sie groß in allen Zeitungen prangten. Aber da waren Nick und sie längst verheiratet …

In der Öffentlichkeit sah sie natürlich mit einem Schulterzucken darüber hinweg und gab vor, dass sie ihr neues Image als williges sexsüchtiges Partygirl begrüßte und mit dem größten Vergnügen der ganzen Welt zeigte, wie sehr sie ihren frisch gebackenen Ehemann begehrte. Obwohl dieser Ehemann sie zu dem Zeitpunkt schon frigide genannt und mehr Nächte außer Haus als mit ihr im Ehebett verbracht hatte.

Etwas besorgt sah Lucy auf ihre Armbanduhr. Sie war länger als geplant bei ihrem Anwalt gewesen und musste sich an diesem Nachmittag noch auf der Geburtstagsfeier ihrer Großtante Alice sehen lassen, die neunzig wurde.

Ihre Großtante lebte in einer riesigen altmodischen Wohnung in Knightsbridge, die immer eisig kalt war, weil sich Alice trotz ihres Reichtums weigerte, die Heizung einzuschalten. Niemand aus der Familie besuchte sie gern im Winter, und sogar im Sommer schützten sich die Klugen mit zusätzlichen Strickjacken, Paschminaschals und Pullovern gegen die Kälte, die nach Alice’ Meinung gut für die Gesundheit und der Grund dafür war, dass es ihr mit neunzig noch so gut ging.

„Quatsch“, hatte Lucys jüngerer Cousin Johnny dazu gemeint. „Die Alte ist noch am Leben, weil sie zu geizig zum Sterben ist. Ich könnte meinen Anteil an ihren Millionen wirklich gut gebrauchen.“

„Wie kommst du denn darauf, dass sie dir etwas vererben wird?“, fragte Lucys Bruder Piers daraufhin trocken.

„Ich bin ihr Liebling.“

„Ach ja? Nun, du arbeitest zweifellos schwer daran“, spottete Piers.

Mit seinem leicht anrüchigen Lebensstil, dem ständigen Geldmangel und seiner gewinnenden Art genoss der neunzehnjährige Johnny in der Familie einen höchst zweifelhaften Ruf. Lucy vermutete, dass Marcus ihren Cousin ebenso ablehnte, wie er sie ablehnte.

Marcus! Sie hingegen lehnte ihn absolut nicht ab. Und das war die Ursache nicht aller, aber sicherlich der meisten ihrer Probleme. Schließlich hatte sie sich in Nicks Arme gestürzt, um sich vor ihrer Liebe zu Marcus zu retten – und vor dem Wissen, dass er diese Liebe niemals erwidern würde. Trotz aller Versuche, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, liebte sie ihn jedoch noch immer und behandelte ihn deshalb mit Feindseligkeit und Groll. Das war ihr einziger Schutz gegen die Demütigung, die sie erwartete, wenn Marcus – oder jemand anders – jemals herausfinden würde, was sie für ihn empfand.

2. KAPITEL

„Du meine Güte. Es ist tatsächlich einmal warm hier drin!“ Sobald sie die Wohnung ihrer Großtante betrat, zog Lucy die Kaschmirjacke aus, die sie über ihrem zarten Seidenchiffonkleid trug.

„Ja, ich habe Johnson bestochen, damit er die Heizung einschaltet.“ Ihr Bruder Piers lächelte breit.

„Du hättest mich ruhig vorwarnen können“, beschwerte sich Lucy liebevoll, während sie sich mit der Hand Luft zufächelte. „Auf welche Raumtemperatur sollte er den Thermostat denn stellen? Hier drin ist es ja wie in einer Sauna. Die Blumen, die ich gekauft habe, werden verwelkt sein, bevor ich sie Tante Alice gebe.“

„Deine Blumen? Und was ist mit meinen Pralinen?“, erwiderte Piers.

„Piers hat geglaubt, dass Johnson noch in Fahrenheit rechnet“, warf Lucys Vater ein. „Deshalb hat er ihn gebeten, den Thermostat auf achtundsechzig zu stellen. Keiner von uns hat begriffen, was passiert war, bis Johnson gesagt hat, der Regler gehe nur bis dreißig Grad.“

Auch Lucy fiel in das gutmütige Gelächter ein, doch dann erstarrte sie: Marcus trat ein. Bildete sie sich das nur ein, oder folgte wirklich ein kurzes Schweigen, als wären sich die anderen ebenfalls bewusst, wie eindrucksvoll und dominierend dieser Mann war?

Sicher lag es nicht nur daran, dass er über einen Meter achtzig groß, breitschultrig und muskulös war, dichtes dunkles Haar und eisgraue Augen hatte.

Also was veranlasste Frauen wie Männer dann, sich nach ihm umzudrehen? Sich nach ihm umzudrehen und zu ihm aufzublicken. Hatte es damit zu tun, dass er die Handelsbank leitete, die seit so vielen Generationen im Besitz seiner Familie war? Damit, dass er nicht nur für die Gegenwart und Zukunft seiner Kunden verantwortlich war, sondern in vielen Fällen auch die Geheimnisse ihrer Vorfahren kannte?

Aber selbst ohne all das, selbst wenn er als Fremder von der Straße hereinkäme, würden die Frauen ihn ansehen. Und immer weiter ansehen. Weil Marcus sexy war. Sehr sexy. Hastig trank Lucy einen Schluck aus dem Glas Champagner, das Piers ihr gegeben hatte. Damit sie etwas zu tun hatte – und einen Grund, Marcus nicht anzustarren, und um sich Mut anzutrinken.

Marcus trug einen seiner typischen, maßgeschneiderten dunklen Anzüge, ein weißes Hemd und eine dunkelgraue Krawatte.

Sie trank noch einen großen Schluck.

„Möchtest du noch ein Glas?“, fragte Piers.

„Nein, danke.“ Sie machte sich nicht viel aus Alkohol, und in ihrem Job, bei den Events, musste sie immer einen klaren Kopf behalten. Deshalb hatte sie schnell gelernt, nur an ihrem Drink zu nippen und ihn dann diskret irgendwo stehen zu lassen. Der Nachteil war, dass sie nicht mehr als ein kleines Glas vertrug. Aber heute brauchte sie wahrscheinlich einige Gläser, um mit Marcus’ Gegenwart fertig zu werden. Einschüchternd nahe stand er neben ihr, wenn auch nicht so dicht, wie es sich ihr törichtes Herz ersehnte.

„Oh, wie schön. Marcus hat es noch geschafft“, hörte Lucy ihre Mutter sagen. „Charles, bitte ihn doch herüber.“

„Du lieber Himmel, es ist wirklich heiß hier. Ich sollte besser zusehen, dass die armen Blumen ins Wasser kommen.“ Lucy stellte ihr Glas ab und flüchtete in das Labyrinth aus Fluren und kleinen Räumen an der Rückseite der Wohnung, die ihre Großtante noch immer die „Dienstbotenunterkunft“ nannte. Wie, in aller Welt, schaffen es Johnson und Mrs. Johnson bloß, sich nur mithilfe einer Putzfrau um eine so große Wohnung zu kümmern, dachte Lucy mitfühlend, während sie einen der Flure entlang ins „Blumenzimmer“ eilte. Auf der großen Arbeitsfläche standen schon mehrere mit Wasser gefüllte Vasen bereit, und Lucy wickelte ihren Strauß aus und suchte sich eine passende aus.

Hatte sie tatsächlich solche Angst davor, mit Marcus zu sprechen? Sie war neunundzwanzig. Und wie lange war es her, dass sie von der Universität gekommen war, Marcus über seinen Schreibtisch hinweg angesehen und gewusst hatte …?

Tränen stiegen ihr in die Augen.

Damals hatte sie sofort gewusst, dass sie in Marcus verliebt war. Und ebenso schnell hatte sie erkannt, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte und sie ihm sogar lästig war.

Damals war sie jung genug gewesen, um trotzdem davon zu träumen, dass sich das ändern würde. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie irgendwann Marcus’ Büro betreten und er sie anblicken würde, als wollte er ihr die Kleider vom Leib reißen und sie auf der Stelle lieben. Und einige Male hatte sie während seiner Standpauken davon fantasiert, wie er seinen Schreibtisch oder seinen Chefsessel mit ihr für erotische Spiele nutzte, für die sie eindeutig nicht entworfen worden waren.

In Wirklichkeit war natürlich sie diejenige gewesen, die ihm die Kleider vom Leib reißen wollte. Als er sie dann eines Tages wieder einmal gereizt ansah, spürte sie schlagartig, dass ihre erotischen und romantischen Fantasien einfach nur dumm waren. Weder begehrte noch liebte er sie, und er würde es auch niemals tun. An dem Tag beschloss sie, sich einen anderen zu suchen. Weil ihre Gefühle ihr sonst irgendwann über den Kopf wachsen und sie sich vollkommen demütigen würde, indem sie Marcus ihre Liebe erklärte.

Ein Ehemann und Kinder würden sie davon abhalten, das zu tun, dachte Lucy. Aber nicht einmal das hatte sie richtig machen können. Ihre Ehe war eine Katastrophe gewesen.

Sie war nicht der Typ, der allein sein wollte, und sie wünschte sich Kinder. Obwohl sie beide von Herzen gernhatte, beneidete sie ihre beiden besten Freundinnen darum, wie glücklich sie mit ihren Ehemännern waren. Und sie wusste, dass Marcus eines Tages heiraten würde, und wenn er es tat – ihr schauderte vor Qual.

Wenn er es tat, würde sie hoffentlich längst Zufriedenheit und Liebe bei einem anderen Mann gefunden haben und so vor dem Schmerz geschützt sein, den sie sonst empfinden würde. Bei Nick jedoch hatte sie sich törichten und gefährlichen Illusionen hingegeben.

Aber sie konnte nicht ewig hier im Blumenzimmer bleiben. Vielleicht hatte sie Glück, und Marcus war schon wieder gegangen.

Ihr Cousin Johnny hakte sich bei ihr unter, sobald Lucy zurück in den Salon kam. „Toll, ich habe schon nach dir gesucht. Noch etwas Champagner?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, nahm er ein Glas vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners und reichte es ihr. „Ich muss sagen, die Alte knausert nicht mit dem Zeug. Es kostet sie sicher eine hübsche Stange Geld, diese Fete zu veranstalten. Champagner, Kellner … Hast du sie organisiert?“

„Ja.“ Trübselig dachte Lucy daran, wie hart ihre Großtante und sie um die Kosten gefeilscht hatten und wie sie schließlich nachgegeben und vorgeschlagen hatte, dass sie ihr die Arbeitskosten zum Geburtstag schenkte, wenn Alice den Champagner, die Kanapees und die Löhne der Kellner zahlte. Was wahrscheinlich erklärte, warum es nichts zu essen gab.

Marcus stand auf der anderen Seite des Zimmers und beobachtete sie mit grimmigem Gesichtsausdruck, wie Lucy bemerkte. Nervös stärkte sie sich mit einem Schluck Champagner. Sie mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn Marcus von der idiotischen Lüge erfuhr, die sie Mr. McVicar aufgetischt hatte. Wenn nicht ein Wunder geschah, musste sie ihren Investor ebenso schnell wieder loswerden, wie sie ihn erfunden hatte. Ein zweiter Schluck Champagner folgte dem ersten.

„Ich muss etwas mit dir besprechen, Lucy.“

„Wie bitte?“ Endlich gelang es ihr, den Blick von Marcus zu lösen.

„Ich muss mit dir reden“, wiederholte Johnny geduldig.

„So? Ich habe nicht vergessen, dass du mir noch fünfzig Pfund vom letzten Mal schuldest. Wenn du dir also Geld leihen willst …“

„Darum geht es nicht“, versicherte er ihr. „Ein Geschäftsfreund von mir hat mich gefragt, ob ich ihn mit dir bekannt machen kann. Trink noch ein Glas Champagner.“ Johnny nahm ihr das halb leere Glas weg, bevor sie ablehnen oder protestieren konnte, winkte einen Kellner herbei und gab ihr ein neues.

Nach wie vor musterte Marcus sie immer noch unverwandt, und sein Blick war so hart und kalt geworden, dass sie vor Nervosität fast ihren Champagner verschüttete. „Wenn er einen Event möchte …“, begann sie und drehte sich halb herum, damit sie Marcus nicht mehr sah. Leider ohne Erfolg, da auch er sich bewegte.

„Nein, er denkt daran, sich an Prêt a Party zu beteiligen.“

„Was?“ Jetzt verschüttete sie wirklich einige Tropfen, bevor sie es schaffte, einen Schluck zur Beruhigung zu trinken.

„Ja. Er hat mit seinem Dienstleistungsunternehmen ein Vermögen verdient. Er beschäftigt Reinigungskräfte, Köche und Leute, die auf den Mann von den Stadtwerken warten und deine Sachen von der Reinigung abholen. Reichen City-Typen, die keine Zeit haben, nimmt er den ganzen Haushaltskram ab. Jedenfalls hat er den Artikel in A-List Life gesehen und gehört, dass du meine Cousine bist. Und mir hat er gesagt, Prêt a Party sei genau die Kapitalanlage, nach der er suche. Also habe ich ihm versprochen, mal bei dir vorzufühlen.“

„Johnny …“ Ihr war schwindlig, aber das hing sicher nicht mit dem ungewohnten Champagnergenuss zusammen.

„Sprich doch mit ihm, damit er dir selbst erklären kann, was er im Sinn hat. Ich könnte ihm deine Bürotelefonnummer geben …“

Niemals hätte sie geglaubt, dass wirklich ein Wunder geschehen würde. Schon gar nicht eins dieser Größenordnung. Vor Erleichterung schwebte Lucy wie auf Wolken. „Ja, okay“, willigte sie dankbar ein.

„Toll.“ Johnny sah auf seine Armbanduhr. „Himmel, ich muss los. Übrigens, er heißt Andrew Walker.“

Obwohl Lucy ihren Champagner nicht ausgetrunken hatte, stellte sie das Glas auf das Tablett eines vorbeigehenden Kellners und nahm sich geistesabwesend ein neues. Dabei rutschte sie fast aus. Sie hätte diese High Heels nicht anziehen sollen. Schuhe waren Julias Ding, nicht ihres. Gekauft hatte sie die kornblumenblauen Riemchensandaletten mit den viel zu hohen Stilettoabsätzen nur, weil der Farbton perfekt zu ihrem Kleid passte.

Dummerweise waren die Dinger nicht für Parkettfußböden geeignet, besonders, da Tante Alice’ Boden auf altmodische Art geputzt und so glatt wie eine Eisbahn war.

Hilfesuchend sah sie sich im Zimmer um, entdeckte aber weder ihre Eltern noch ihren Bruder. Gerade als sie überlegte, ob sie sich wohl auch unauffällig aus dem Staub machen konnte, tauchte plötzlich Marcus vor ihr auf.

„Meinst du nicht, du hast genug?“, fragte er kühl.

Von was? Genug davon, dich zu lieben? Genug davon, von dir zu träumen? Genug davon, zu wissen, dass du mich niemals lieben wirst? Oh ja, davon habe ich genug.

„Nein, habe ich nicht“, erwiderte Lucy jedoch. Sofort war der vertraute Kummer wieder da und wurde mit jeder Sekunde stärker, die sie in Marcus’ Gesellschaft verbrachte. Ein Kummer, der sie verzehrte, sie mit seinem quälenden Schmerz wahnsinnig machte, sodass sie kaum wusste, was sie sagte.

Jemand hinter ihr trat zurück und stieß dabei versehentlich gegen sie. Erschrocken rang Lucy nach Atem. Stilettos zusammen mit Liebeskummer sind nicht gut fürs Gleichgewicht, dachte sie deprimiert, als Marcus sie fest am Arm packte, damit sie nicht fiel.

„Wie viel Champagner hast du eigentlich getrunken?“

„Nicht genug“, erwiderte sie flapsig.

„Du kannst kaum noch stehen“, kritisierte er sie.

„Na und?“ Trotzig warf sie den Kopf zurück. Sie provozierte Marcus! Was, in aller Welt, passierte gerade mit ihr? Sie brachte ihn auf die Palme und wurde übermütig dabei. Und sie konnte nichts dagegen tun. „Tatsächlich hätte ich gern noch etwas Champagner. Ich feiere nämlich, weißt du.“ Bevor Marcus es ihr wegnehmen konnte, leerte sie ihr Glas und sah sich nach einem Kellner um. Zwar fühlten sich ihre Lippen inzwischen ein bisschen taub an, aber ihre Zehen auch, und die waren schließlich überhaupt nicht mit Champagner in Kontakt gekommen.

„Was feierst du?“, fragte Marcus kurz angebunden.

„Mein Wunder“, erwiderte Lucy.

„Das einzige Wunder hier ist, dass du noch stehen kannst.“

Jetzt war der Kellner fast auf gleicher Höhe mit ihr. Sie wollte sich einen vollen Kelch von seinem Tablett nehmen, aber Marcus umfasste ihre Hand, bevor Lucy das Glas hochheben konnte.

„Lass es, wo es ist“, befahl er ruhig.

„Ich bin durstig“, protestierte sie. Es dürstete sie nach seinem Kuss, dürstete sie nach seinem Mund auf ihrer Haut, überall. Sie sah auf die langen kräftigen Finger, die ihre umschlossen, und wünschte sich, seine Hand mit Lippen und Zunge zu erforschen. Unbändige Sehnsucht durchflutete Lucy, bis sie ganz von ihr erfüllt war.

„Es wird Zeit, dass wir gehen.“

Marcus’ kühle harte Stimme beruhigte Lucys überhitzte Gedanken. „Wir?“, fragte sie argwöhnisch.

„Ja, wir. Ich wollte sowieso gerade gehen, und wenn du nicht willst, dass dich die anderen Gäste deiner Großtante ausgestreckt auf dem Parkett liegen sehen, solltest du besser mitkommen. Tatsächlich bestehe ich darauf.“

„Du bist mein Treuhänder, Marcus, nicht mein Vormund oder mein Wächter.“

„Im Moment bin ich ein Mann, der kurz davor ist, die Geduld zu verlieren. Außerdem muss ich mit dir über Prêt a Party reden.“

Lucy versteifte sich. „Wenn du mir wieder eine Standpauke wegen Nick halten willst …“, begann sie, aber Marcus ignorierte sie und sprach einfach weiter.

„Ich habe vor einer Weile mal erwähnt, dass Beatrice’ Mann fünfzig wird und sie eine Überraschungsparty für ihn geben möchte. Erinnerst du dich daran?“

„Ja.“ Beatrice war Marcus’ ältere Schwester und ihr Mann George ein großes Tier in den mysteriösen höchsten Ebenen des Staatsdienstes.

„Ich werde sie diese Woche besuchen, und Beatrice hat vorgeschlagen, dass ich dich mitbringe, damit sie ihre Pläne für die Party mit dir besprechen kann. Ich dachte, du möchtest vielleicht erst in deinem Terminkalender nachsehen, bevor wir den Tag festsetzen.“

Im Moment war Lucy für jeden Auftrag dankbar, selbst wenn sie Zeit mit Marcus verbringen musste, um ihn zu bekommen. „Ich bin diese Woche einigermaßen frei“, erwiderte sie so lässig wie möglich. Tatsächlich hatte sie eine völlig freie Woche vor sich. Eine Werbeparty für einen Sportmodehersteller war der einzige Event im ganzen nächsten Monat.

Irgendwie hatten sie die Tür zur Diele erreicht, wo ihre Großtante schon einige andere Gäste verabschiedete. Marcus zog sie rücksichtslos hinter sich her, und Lucy überlegte, ob er sie wohl buchstäblich übers Parkett schleifen würde, wenn sie sich weigern sollte.

„Du gehst zu schnell“, beschwerte sie sich atemlos und gab ein erschrockenes „Uff“ von sich, als Marcus auf einmal stehen blieb und sie gegen ihn prallte.

Körperkontakt mit Marcus. Sie roch den schwachen Zitronenduft seines Eau de Cologne, und plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. Wie viele Stunden hatte sie schon in den Männerkosmetikabteilungen exklusiver Warenhäuser verbracht, nachdem sie den Duft zum ersten Mal an Marcus gerochen hatte? An zig Flaschen hatte sie geschnuppert, hatte getestet, gesucht und gehofft, den Duft wiederzuerkennen. Dann hätte sie sich eine Flasche kaufen und ihn tragen oder auf ihr Kopfkissen sprühen können, um sich Marcus näher zu fühlen. Aber sie hatte nie herausgefunden, welches Eau de Cologne er benutzte.

Wenn er sie doch jetzt nur an sich ziehen und küssen würde … Ihr brannte das Gesicht, als er von ihr abrückte, sie aber weiter am Arm festhielt.

„Marcus, lieber Junge, wie nett von dir, dass du gekommen bist. Und Lucy …“

Der fast flirtende herzliche Ton ihrer Großtante kühlte bei ihrem Namen deutlich ab, wie Lucy feststellte. Gab es überhaupt eine Frau auf der Welt, die immun gegen Marcus’ ganz eigene Art von männlichem Charme war?

„Eine wirklich wunderbare Feier, Alice. Danke, dass du mich eingeladen hast.“

„Mein lieber Junge, wie könnte ich dich nicht einladen? Schließlich kümmert sich deine Familie schon seit dem Krieg Napoleons gegen die Spanier um die finanziellen Angelegenheiten unserer Familie. Natürlich hätte ich etwas zu essen reichen sollen, nur hat Lucy mich dabei leider im Stich gelassen.“

Empört rang Lucy nach Luft. „Das ist … Autsch!“, protestierte sie, als Marcus ihr auf die Zehen trat. Anschließend zerrte er sie wie eine Gefangene in aller Eile aus der Wohnung. Johnson musste ihr die Kaschmirjacke so gut wie zuwerfen, und Lucy hielt sie fest mit einer Hand umklammert.

„Ist dir eigentlich klar, dass du auf meinen Zehen gestanden hast?“, schimpfte Lucy draußen auf der Straße.

„Besser mein Fuß auf deinen Zehen, als dass du ins Fettnäpfchen trittst.“

Es dauerte einen Moment, bis sie verstand, was Marcus meinte. „Großtante Alice hat sich gegen Essen entschieden. Damit hatte ich nichts zu tun.“

„Manchmal erstaunst du mich, Lucy“, erwiderte er. „Hat dir noch nie jemand erklärt, dass ein bisschen Taktgefühl gut fürs Geschäft ist?“

„Das musst du gerade sagen! Du bist nie taktvoll, wenn du mit mir sprichst.“

„Bestimmte Situationen erfordern stärkere Maßnahmen.“

„Wenn du auf meine Ehe anspielst …“, begann Lucy heftig und verstummte. Mit Marcus über ihre Ehe zu reden war zu gefährlich. Keinesfalls wollte sie, dass er das Warum und Weshalb ihrer Beziehung zu Nick ergründete. Sinnlos, sich auf eine Auseinandersetzung einzulassen, die sie nicht gewinnen konnte. „Lass mich jetzt endlich los!“, fauchte sie ihn stattdessen an. Doch Marcus hielt sie weiter fest, während er ein Taxi herbeiwinkte. Und dann stieß er sie fast ins Auto. Als er sich neben sie setzte, rutschte sie demonstrativ so weit weg von ihm, wie sie konnte.

„Wohin?“, fragte der Taxifahrer.

„Wendover Square einundzwanzig.“

„Arncott Street.“

Sie antworteten gleichzeitig.

„Entscheiden Sie sich, bitte“, bat der Fahrer.

„Wendover Square“, wiederholte Marcus.

Lucy starrte ihn finster an. „Mich zuerst abzusetzen wäre einfacher gewesen.“

„Ich will mit dir reden“, entgegnete er kühl.

„Dann tu’s doch.“

„Unter vier Augen“, erklärte er energisch.

Der Taxifahrer bog auf den Wendover Square ein, der mit seinen eleganten georgianischen Häusern einer der attraktivsten privaten Plätze Londons war.

Marcus’ Haus – in dem alle seine Vorfahren gelebt hatten, bis zurück zu dem Canning, der die Bank zur Zeit des Peninsularkrieges Napoleons gegen die Spanier gegründet hatte – besaß die beste Lage am Platz. Vier Stockwerke hoch, mit einem Säulenvorbau und einem großen Garten an der Rückseite, war es das typische Wohnhaus einer vornehmen Familie, und Lucy bemerkte, wie beeindruckt der Taxifahrer war, als er davor hielt.

„Ich hoffe wirklich, dass unser Gespräch nicht allzu lange dauern wird.“ Lucy versuchte, geschäftsmäßig zu klingen, was ihr jedoch schwerfiel, da ihr von der Autofahrt schwindlig war und sie aus irgendeinem Grund nicht deutlich sprechen konnte. „Keine Mrs. Crabtree?“, brachte sie gerade noch heraus, als Marcus die Tür öffnete und seine Haushälterin nicht umgehend auftauchte. Die Frau behandelte ihren Arbeitgeber wie einen Gott.

„Sie ist zu ihrer Tochter gefahren, um ihr mit dem Neugeborenen zu helfen.“

„Huch!“ Lucy stolperte in die Eingangshalle und ließ vor Schreck die Kaschmirjacke fallen.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du zu viel getrunken hast. Und in deinem Zustand kannst du zweifellos nirgendwo allein hingehen.“

Marcus’ Beschuldigung tat weh, umso mehr, weil es einfach nicht stimmte. Sie trank nicht! Aber bevor sie ihm das erklären konnte, sprach er schon weiter.

„Du bist nicht mehr auf dem Laufenden, Lucy. Der beschwipste Bridget-Jones-Typ in den Dreißigern ist passé. In ist jetzt die engagierte berufstätige Mutter mit zwei Kindern und Ehemann. Und wenn du mir nicht glaubst, sieh dir deine Freundinnen an. Carly und Julia sind inzwischen beide Ehefrau und Mutter.“

Als müsste ich daran erinnert werden, dachte Lucy traurig. „Ich bin nicht in den Dreißigern. Und falls du es vergessen hast, ich war verheiratet.“

„Wie, zum Teufel, sollte irgendjemand das vergessen?“

„Und ich habe nicht zu viel getrunken“, fügte Lucy energisch hinzu.

Marcus warf ihr einen Blick zu, bei dem sie tiefrot wurde.

„Nicht? Tja, wenn du in dem Zustand warst, als Nick Blayne dich aufgerissen hat, ist es kein Wunder …“

„Dass ich mit ihm ins Bett gegangen bin?“, unterbrach ihn Lucy. „Nur zu deiner Information, ich bin mit ihm ins Bett gegangen, weil …“

„Verschon mich damit, wie sehr du ihn geliebt hast. Nick hat dich ausgenutzt – finanziell, emotional und nach meinem Eindruck von ihm auch sexuell. Du hast dich von ihm ausbeuten lassen, Lucy. Ich hätte gedacht, dass selbst eine sechzehnjährige Jungfrau sofort wüsste, was für ein mieser Typ er ist.“

„Sechzehnjährige Jungfrauen haben wahrscheinlich bessere Augen als ledige Frauen über zwanzig“, erwiderte Lucy flapsig. Wie oft hatte sie sich schon mit Flapsigkeit zu wehren versucht, wenn Marcus seine Breitseiten gegen sie abfeuerte? Oft genug, um zu wissen, dass sie ihn damit nur noch wütender machte. Aber was konnte sie sonst tun? Ohne ihren Schutzschild aus gespielter Lässigkeit würde sie sich vermutlich in ein schluchzendes schwaches Nervenbündel verwandeln, und das würde ihm noch weniger gefallen!

„Ich habe Nick geliebt“, log sie verzweifelt.

„Wirklich? Oder wolltest du nur mit ihm ins Bett?“

„Heutzutage muss eine Frau nicht heiraten, um mit einem Mann zu schlafen. Sie muss ihn nicht einmal lieben. Sie kann es einfach tun.“

Verächtlich sah Marcus sie an. „Weißt du, wie provozierend das klingt? Und wie verwundbar du bist?“

„Was meinst du damit?“

„Ich meine, dass dich im Moment jeder Mann ins Bett bekommen könnte.“

„Das ist nicht wahr!“

„Soll ich es dir beweisen?“

„Kannst du nicht“, behauptete Lucy leichtsinnig.

„Nein?“

Er griff so plötzlich nach ihr, dass sie nicht einmal Zeit hatte, daran zu denken, ihm auszuweichen. Im nächsten Moment hielt er sie in seinen Armen und küsste sie aus Wut und männlichem Stolz hart auf den Mund. Und Lucy hatte überhaupt nichts dagegen. Zumal die Wirkung viel stärker war als das Sprudeln von tausend Flaschen Champagner. Er küsste sie.

Marcus küsste sie!

3. KAPITEL

„Oh. Hmm …“ Glücklich schlang Lucy ihm die Arme um den Nacken und gab ihrem Verlangen nach. Sie hatte Marcus zu sehr und zu lange begehrt, als dass sie jetzt diesem … diesem Wunder widerstehen könnte. Berauscht von den Empfindungen, die er in ihr weckte, schmiegte sie sich noch enger an ihn. „Oh Marcus …“, seufzte sie, als sie spürte, dass er erregt wurde.

„Lucy … nein!“ Abrupt stieß er sie weg. „Ich habe dich hierhergebracht, um genau so eine Situation zu vermeiden“, sagte er schroff. „Wenn ich dich allein nach Hause hätte gehen lassen …“

„Und wenn ich sie nicht vermeiden will?“, fragte Lucy herausfordernd. „Wenn ich mir wünsche …“ Was, in aller Welt, redete sie denn da? Noch eine Minute, und sie würde Marcus verraten, dass sie davon träumte, seit sie ihm zum ersten Mal in seinem Büro gegenübergestanden hatte.

„Was du willst, spielt keine Rolle“, erwiderte er scharf. „Du musst deinen Champagnerrausch ausschlafen.“

Gedemütigt ging Lucy zur Tür. „Dann sollte ich besser nach Hause“, meinte sie bockig. Betrunken war sie zwar nicht, aber die eineinhalb Glas Champagner, die sie insgesamt getrunken hatte, waren ein ganzes Glas mehr, als sie normalerweise trank – und auf leeren Magen. Dazu kam, dass sie mit Marcus allein in seinem Haus war und so starke Gefühle für ihn hatte. Zweifellos wirkte all das zusammen und führte zu dem brennenden Wunsch, die so lange geheim gehaltenen Wünsche in die Tat umzusetzen. Obwohl ihr schwindlig vor Lust und Sehnsucht war, hatte sie sich noch unter Kontrolle und erkannte, dass sie im Moment am besten in einem bequemen Bett und ohne Marcus aufgehoben war.

„Kommt nicht infrage.“ Marcus hielt sie am Arm zurück. „Du kannst deinen Rausch hier ausschlafen. Los, ab nach oben.“

Er führte sie im Polizeigriff die Treppe hoch! Wütend versuchte Lucy, sich loszureißen. Zu ihrem Ärger verlor sie auf den Stilettoabsätzen auch noch das Gleichgewicht.

„So, das war’s.“ Marcus hob sie hoch und trug Lucy die letzten Stufen hinauf.

Das Gesicht an seine Schulter gedrückt, eine Hand auf seiner Brust, fühlte sich Lucy, als wäre sie plötzlich eine erotische Lucy im Wunderland geworden, die in eine zauberhafte Fantasiewelt gestürzt war.

Am Ende des Flurs stieß Marcus wie ein echter Hollywoodheld eine Tür mit dem Fuß auf. Offensichtlich standen sie in einem Gästezimmer, tadellos sauber und mit einem ziemlich altmodischen und sehr konventionellen Mix aus Chintz und schweren geerbten Möbeln eingerichtet.

Nicht, dass Lucy große Lust hatte, sich die Möbel genau anzusehen. Nicht, wenn Marcus sie gerade so herrlich langsam an seinem Körper hinuntergleiten ließ. Und dann zurücktreten wollte, wie ihr klar wurde. Aber das würde sie ihm nicht erlauben.

Wie ein Adrenalinstoß verwandelte dieser Gedanke sie in eine Frau, die sie kaum wiedererkannte. Eine Frau, die wissen wollte, warum sie nicht bekommen sollte, was sie sich wünschte. Warum sie sich nicht wie andere verhalten und sich einfach nehmen sollte, was sie sich wünschte. Warum sie nicht einmal in ihrem Leben ihren eigenen Bedürfnissen den Vorrang einräumen sollte.

Noch nie hatte sie etwas so Faszinierendes und überwältigend Verlockendes erlebt, und sie würde die Gelegenheit nutzen und Marcus dazu verleiten, mit ihr zu schlafen! Anstatt sich zu versagen, was sie sich so verzweifelt wünschte, würde sie einfach tun, was andere Frauen ständig taten. Warum sollte sie immer diejenige sein, die verzichtete? Diese eine Nacht wollte sie sich gönnen.

Und morgen? Wenn sie sich Marcus’ Zorn und Zurückweisung stellen musste?

Seit Jahren ertrug sie seine Zurückweisung. Die Erinnerungen an eine leidenschaftliche Nacht mit ihm würden sie ihr in Zukunft versüßen.

„Marcus“, flüsterte Lucy an seinen Lippen. Sie rieb sich an ihm und bemerkte zunächst nicht, dass durch ihre Bewegungen die Druckknöpfe an ihrem zarten Seidenchiffonkleid aufsprangen. Als die heruntergerutschten Ärmel sie störten, ließ sie einfach die Arme sinken, sodass das Kleid zu Boden fiel. Nur in ihren High Heels, einem dünnen Seidenmieder und dazu passenden Shorts schmiegte sie sich wieder an Marcus. Lächerlich vielleicht, aber nach der Scheidung von Nick war sie als Erstes in den Laden „Agent Provocateur“ gegangen, an dem sie jeden Tag auf dem Weg ins Büro vorbeikam, und hatte sich die Art von Dessous gekauft, auf die jede sinnliche Frau ein Recht hatte – selbst wenn ihr Mann sie frigide nannte.

Sie bemerkte, dass Marcus sie fest an den Oberarmen packte und etwas sagte, während sie mit dem Mund genussvoll seinen Hals liebkoste und den Duft seiner Haut einatmete. Versunken in den wunderbaren Moment, in das, was gerade passierte, achtete Lucy nicht auf seine Worte. Warum reden, wenn wir doch viel Schöneres tun können, dachte sie, als sie die vertraute Fantasievorstellung heraufbeschwor, die sie so lange getröstet hatte. Die Fantasievorstellung, in der Marcus ihr einfach nicht widerstehen konnte und es auch nicht wollte. Der arme Marcus. In all diesen Sachen fühlte er sich wahrscheinlich schrecklich unbehaglich. Das zugeknöpfte Hemd, die Krawatte – sicher konnte sie ihm helfen, sich auszuziehen.

Zuerst versuchte sie es mit der Krawatte und zog ungeduldig an dem Knoten.

„Lucy!“

„Hm?“ So schwer konnte es doch wohl nicht sein, eine Krawatte zu lösen?

„Lucy“, Marcus legte die Hände auf ihre.

Lächelnd sah sie auf. Wollte er ihr helfen, weil er es nicht erwarten konnte, seine Sachen loszuwerden? Gerade als sie ihn fragen wollte, ruhte ihr Blick auf seinem Mund, und ihre Augen wurden dunkler vor Verlangen nach ihm. „Marcus“, flüsterte sie und drückte zärtlich ihre Lippen auf seine, bedeckte sie mit lauter kleinen Küssen, die immer kühner wurden. Marcus ließ ihre Hände los und packte sie an der Taille. So fest gehalten zu werden war nett, noch netter wäre es allerdings, wenn er ihre Brust berührte. Ohne lange zu überlegen, nahm Lucy einfach seine Hand und legte sie auf ihre Brust, während sie mit der Zunge seinen Mund liebkoste.

„Lucy!“

Was machte Marcus denn da? Er konnte sie doch nicht wegstoßen! Verzweifelt streckte sie die Arme aus, verlor die Balance und kippte nach hinten. Sofort griff er nach ihr, aber es war zu spät, und sie fielen beide aufs Bett. Marcus lag auf ihr und drückte sie mit seinem ganzen Gewicht auf die Matratze. Das fühlte sich so gut an. Er fühlte sich himmlisch an. Glücklich seufzend umarmte Lucy ihn und presste den Mund auf seinen.

Sie hörte Marcus aufstöhnen, und dann fuhren seine Finger durch ihr Haar, hielten ihren Kopf fest, und er küsste sie leidenschaftlich. Hatte sie tatsächlich zu wissen geglaubt, was ein Kuss war? Nichts hatte sie gewusst. Weniger als nichts, gab Lucy zu, als Lust und ungezügeltes Verlangen durch jede Pore ihres Körpers rasten. So fühlte es sich also an, wirklich von einem Mann erregt zu werden und auf ihn zu reagieren. Sofort wollte und brauchte sie mehr.

Benommen dachte Lucy, dass sie um ein Wunder gebeten und gleich zwei bekommen hatte. Funktionierte das etwa so? Wenn man sich sozusagen erst einmal auf Wunder eingestellt hatte, kamen sie tatsächlich, und zwar gleich mehrere von ihnen?

„Ich hoffe doch, es wird noch mehr geben“, flüsterte sie ekstatisch, als Marcus den Kuss beendete.

„Wie bitte?“ Marcus sah auf sie hinunter, ganz Ungeduld, Ärger und männliche Begierde.

„Ich möchte mehr. Viel mehr.“ Lucy lächelte ihn selig an.

„Du willst mehr?“

Warum sah er sie so an? Als könnte er nicht glauben, was er da hörte. Als wäre er nicht erregt.

Sie würde sich ihre Fantasievorstellung nicht zerstören lassen. Jetzt, da er sie geküsst hatte, konnte er ihr nicht länger verweigert werden. Sie wollte ihn, und sie würde ihn bekommen!

„Oh ja“, erwiderte sie. „Es ist so lange her, weißt du.“ So lange, seit sie ihn zum ersten Mal angesehen und sofort begehrt hatte. Ein Wunder ermöglichte es ihr plötzlich, ihn zu besitzen. Natürlich wollte sie mehr. Sie sah ihm in die Augen und gab der Versuchung nach, mit dem Mund seinen Hals zu liebkosen.

Marcus erbebte, und dann berührte er Lucy, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Er streichelte ihre Brüste und schob die feine Seide des Mieders über ihre hart gewordenen Spitzen, bis Lucy vor Wonne hilflos stöhnte. Aber sie zahlte es ihm heim, indem sie seine Krawatte löste, ihm das Hemd aufknöpfte und seine Brust mit lauter kleinen Küssen bedeckte.

Sanft reizte sein Biss ihr Ohrläppchen, und dann küsste er sie auf die empfindliche Stelle gleich darunter. Intensive Lustgefühle durchfluteten Lucy, und sie bäumte sich ihm entgegen und öffnete unwillkürlich die Beine. Fest und verlockend spürte sie seine Erregung an ihrem Körper, während Marcus ihre Hüfte streichelte und dann die Hand tiefer gleiten ließ. Manche Frauen fanden Stringtangas sexy, aber im Moment waren ihre weiten Seidenshorts viel verlockender. Ohne sie ihr ausziehen zu müssen, konnte Marcus sie an ihrer intimsten Stelle berühren.

Als er sie dort streichelte und gleichzeitig eine harte Brustspitze in den Mund nahm, rang Lucy nach Atem. Sie spürte, wie sich ihr ganzer Körper anspannte. „Marcus, ich komme gleich“, protestierte sie heiser.

Er sah auf, sah sie unverwandt an, während er weitermachte, sie ausgiebiger streichelte und reizte, bis sie so erregt war, dass … „Ich will erst kommen, wenn du in mir bist“, brachte sie mühsam hervor. Sehnsüchtig umfasste sie ihn durch den Stoff seiner Hose und erbebte heftig, als ihr bewusst wurde, wie groß und stark er wirklich war.

So schnell, wie Marcus sich auszog und auf sie schob, gab er ihr kaum Gelegenheit, den Anblick seines nackten Körpers zu genießen. Er küsste ihre Brüste, und seine Erregung pochte und rieb sich aufreizend gegen die Stelle, wo sie ihn voller Ungeduld erwartete, bis sie aufschrie und ihn anflehte, sie zu befriedigen.

In dem Moment, in dem sie die Augen aufschlug, wusste Lucy, dass sie nicht in ihrem eigenen Bett lag. Aber es dauerte einige Sekunden, bis ihr bewusst wurde, dass sie in Marcus’ Gästezimmer in seinem Haus am Wendover Square war.

Als ihr die Ereignisse des gestrigen Nachmittags und Abends wieder einfielen, stöhnte sie entsetzt auf. Was war nur in sie gefahren? Zugegeben, sie liebte Marcus und würde ihn immer lieben, aber sie hatte … Bei den schockierenden Erinnerungen brannte ihr Gesicht vor Scham.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte ihr, dass es zehn Uhr morgens war.

Ruckartig setzte Lucy sich auf. Das konnte nicht sein! Sie war immer spätestens um sieben aufgewacht, selbst in den Flitterwochen.

Andererseits hatte sie in der vergangenen Nacht mit Marcus Sex gehabt, wie sie ihn mit Nick nie erlebt hatte – weder in den Flitterwochen noch zu einem anderen Zeitpunkt.

Marcus? Wo war er? Scheu zog Lucy die Bettdecke hoch, um ihre nackten Brüste zu bedecken, obwohl sie instinktiv wusste, dass er nicht im Haus war. Er hatte ihre Sachen aufgehoben und ordentlich zusammengelegt, nur ihren Slip konnte sie nicht entdecken. Und am Spiegel der Kommode lehnte ein Briefumschlag mit ihrem Namen. Lucy stand auf und tappte zur Kommode. In dem Umschlag war ein Blatt Papier, darauf standen nur ein paar Zeilen:

Dein Slip ist im Trockner. Geh nicht, ohne zu frühstücken. Kaffee, Obst, Cornflakes etc. sind in den Schränken und im Kühlschrank. Melde mich heute Nachmittag wegen Besuch bei Beatrice.

Ihr Slip war im Trockner! Wie häuslich, wie autoritär – wie Marcus. Und gleichzeitig, wie schön zu wissen, dass er sauber war. Lucy gab ohne Weiteres zu, dass sie fast zu reinlich und ordentlich war.

Mochte die Einrichtung des Hauses auch ein bisschen altmodisch sein, das Gästebad war mit allem ausgestattet, was ein weiblicher Übernachtungsgast ohne Kulturtasche brauchte. Lucy lächelte anerkennend, als sie Duschlotion, Shampoo, Zahnbürste, Zahnpasta, einen Kamm, einen kleinen, ungeöffneten Tiegel Gesichtscreme und ein Deodorant entdeckte.

Zum Glück war ihr Haar von Natur aus glatt, sodass sie es nur unter der Dusche waschen und in Form kämmen musste. Bis sie im Büro ankam, wäre es trocken. Noch besser war, dass sie von hier aus direkt hingehen und sich dort umziehen konnte. Denn für alle Fälle hatte sie in der Agentur mehrere Sachen zum Wechseln.

Ihr Kopf schmerzte. Angst vor dem, was Marcus ihr wegen der vergangenen Nacht sagen würde, und Koffeinmangel, dachte Lucy, als sie in ihrem Seidenchiffonkleid nach unten ging.

Nachdem sie ihren Slip aus dem Wäscheraum geholt und schnell angezogen hatte – ganz gleich, wie schick es angeblich war, sie fühlte sich ohne einfach nicht wohl –, ging sie in die Küche, die natürlich tadellos sauber und aufgeräumt war.

Zehn Minuten später hatte sie alle Schränke durchsucht und nur koffeinfreien Kaffee gefunden. Offensichtlich stellte Marcus sich unter einem anständigen Frühstück etwas völlig anderes vor als sie. Koffeinfreier Kaffee. Naserümpfend machte sich Lucy eine Tasse und aß lustlos eine Banane.

Nicht nur der fehlende Koffeinschuss verursachte ihr ein flaues Gefühl in der Magengegend, sondern auch die Tatsache, dass sie in der vergangenen Nacht Marcus verführt hatte. Schließlich hatte sie sich ihm an den Hals geworfen. Doch ihr Gesicht brannte nicht allein aus Verlegenheit. Sie hatte zwar Schuldgefühle, schämte und fürchtete sich davor, Marcus gegenüberzutreten, aber gleichzeitig durchlebte sie noch einmal voller Wonne jede einzelne intime Liebkosung und jeden Kuss. So guten Sex wie mit Marcus hatte sie noch nie gehabt, außer in ihren wollüstigen Fantasievorstellungen.

Und meine Liebe zu ihm?, fragte sich Lucy traurig, als sie das Haus verließ und sich auf den kurzen Weg zu ihrem Büro in der Sloane Street machte. Sie liebte Marcus und wünschte sich so sehr, dass er ihre Liebe erwiderte. Doch ihr Verstand sagte ihr, dass das schlicht unmöglich war, und warnte sie vor dem Kummer und der Demütigung, die sie herausforderte.

Hin und her gerissen zwischen all diesen Emotionen, war es kein Wunder, dass sie hämmernde Kopfschmerzen hatte. Schnell ging Lucy in den Coffee-Shop, um sich ihren Koffeinschuss zu holen. Zu ihrer Erleichterung war sie die einzige Kundin.

„Wie immer?“, fragte die junge Frau hinter dem Tresen fröhlich.

„Bitte, Sarah – nein, machen Sie zwei draus. Und zwei Brownies.“

Sarah grinste sie an. „Koffein und Kohlenhydrate? Das muss ja eine tolle Nacht gewesen sein.“

„Die beste, zumindest das, woran ich mich erinnern kann.“ Lucy lachte und verdrehte die Augen. Aber nur der erste Teil ihrer gespielt unbeschwerten Antwort war die Wahrheit. Es war tatsächlich die beste Nacht ihres Lebens gewesen. Und sie wird es wahrscheinlich bleiben, dachte sie bekümmert, als sie mit ihren beiden Espressos und den Brownies zurück in den Vormittagssonnenschein ging.

Unter Garantie wollte Marcus keine Wiederholung, und jetzt, da ihre Fantasievorstellungen wahr geworden waren, würde sie niemals einen anderen Mann lieben können und niemals mit einem anderen Sex haben wollen.

Wie traurig, sich das eingestehen zu müssen. Lucy betrat das Gebäude, in dem ihre Büros lagen, und lächelte dem Portier Harry zu.

Früher hatte in den Räumen reges Leben geherrscht: ständig klingelnde Telefone, Kunden, die einen Besuch machten, das Gelächter ihrer beiden besten Freundinnen und Mitarbeiterinnen. Jetzt war es in der Agentur leer und still. Mit ihrem Kaffee und den Schokoladenkuchen balancierend, schloss Lucy mit dem Fuß die Tür und versuchte, nicht daran zu denken, wie Marcus am Vorabend die Tür des Gästezimmers mit dem Fuß aufgestoßen hatte … und was danach passiert war.

Fünf Minuten später hatte sie das Kleid gegen Jeans und ein T-Shirt ausgetauscht und den Slip sorgfältig eingepackt. Sie würde ihn noch einmal waschen und dann als sehr privates Andenken aufbewahren. Während sie den ersten Espresso trank, las sie ihre E-Mails. Keine Anfrage eines potenziellen Kunden. Einzig und allein die Werbeparty des Sportmodeherstellers für einen neuen Fußballschuh stand an, die in einem Schickimickinachtclub stattfinden würde, der bei TV-Promis, Models und Fußballern der Ersten Liga beliebt war.

Alles war schon organisiert, aber während Lucy ihren zweiten Espresso trank, prüfte sie noch einmal die Arbeitszettel. Als Grundlage für den ganzen Event hatte sie das Logo und die Farben des Herstellers genommen und spielte mit dem Thema „Mannschaftswettbewerb“. Cheerleader in einer hocherotischen Version eines Fußballdress würden die Hauptattraktion sein, dazu sollten ein neuer Cocktail und Miniportionen Curry mit Pommes in Plastikbehältern serviert werden.

Als das Telefon klingelte, sah Lucy besorgt hoch. Marcus. Das musste Marcus sein! Nervös befeuchtete sie sich die Lippen, bevor sie den Hörer abnahm.

„Dürfte ich bitte mit der Honourable Lucy Blayne sprechen?“

Wie konnte man gleichzeitig enttäuscht und erleichtert sein? „Hier ist Lucy Cardew“, verbesserte sie den Anrufer taktvoll.

„Oh, hallo. Andrew Walker. Ihr Cousin Johnny hat …“

Andrew Walker. Der Mann, der vielleicht Prêt a Party retten würde und das, was von ihrem Treuhandvermögen noch übrig war.

„Ja, natürlich!“, antwortete sie schnell.

„Hören Sie, ich weiß, es kommt ein bisschen plötzlich, aber ich bin ab morgen außer Landes. Hätten Sie vielleicht Zeit, sich heute mit mir zum Mittagessen zu treffen, damit wir die Sache besprechen und den Stein sozusagen ins Rollen bringen können?“

Lucy sah auf ihre Armbanduhr. Es war kurz nach zwölf. „Ich könnte ein spätes Essen um halb zwei schaffen.“

„Großartig. Ist Ihnen die Brasserie in der Pont Street recht?“

„Perfekt.“ Die Pont Street war gleich um die Ecke, und die Brasserie gehörte zu ihren Lieblingsrestaurants.

„Dann treffen wir uns dort um halb zwei.“

Nachdem sie aufgelegt hatte, blickte Lucy an sich herunter auf ihre Jeans. Für ein Geschäftsessen musste sie sich umziehen. Das Armani-Kostüm, natürlich – von ihren Freundinnen „die Rüstung“ genannt, weil Lucy es jedes Mal trug, wenn sie eine geschäftliche Besprechung hatte. Und immer, wenn sie zu Marcus ging, um Geld aus ihrem Treuhandvermögen zu erbitten.

4. KAPITEL

Um Punkt halb zwei, gestärkt mit zwei weiteren Tassen Espresso, kämpfte sich Lucy an den Paparazzi vorbei, die sich frech vor der Brasserie drängten und auf Prominente warteten. Die Empfangsdame erkannte Lucy und begrüßte sie mit einem herzlichen Lächeln, sobald sie die Tür aufstieß.

„Ich bin mit Mr. Walker verabredet, Andrew Walker.“

Der Maître d’hôtel kam auf sie zu. „Mr. Walker ist bereits hier und wartet an seinem Tisch.“

„Oh, Angelo, Sie sind zurück! War es schön bei Ihrem Sohn und Ihren Enkelkindern in Sydney?“, fragte Lucy freundlich.

„Der Junge macht sich so gut. Er hat inzwischen sein eigenes Restaurant“, erzählte ihr Angelo stolz, während er sie zu einem Tisch führte, der außer Hörweite der anderen stand.

Der Mann, der dort saß, stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. „Andrew Walker“, stellte er sich vor.

Mit einem freundlichen Lächeln schüttelte Lucy ihm die Hand und setzte sich. „Hallo, Andrew. Lucy Cardew.“

Mittleren Alters, mittelgroß und mit einem nichtssagenden freundlichen Gesicht saß Andrew Walker ihr gegenüber. Sein eleganter Anzug war offensichtlich maßgeschneidert. Dasselbe galt für die Schuhe, und das Hemd stammte unverkennbar aus der Jermyn Street. Im Grunde trug er die gleichen Sachen wie Marcus, aber während Marcus sich in seinen förmlichen dunklen Anzügen und maßgeschneiderten Hemden völlig wohlfühlte, wirkte Andrew Walker in seiner Garderobe weitaus weniger souverän.

Während er den Ober heranwinkte, sagte er zu Lucy: „Ihr Cousin hat sicher erwähnt, dass ich daran interessiert bin, Geld in Ihr Unternehmen zu investieren?“

„Ja“, gab Lucy zu. Sie dankte dem Ober für die Speisekarte und schüttelte den Kopf, als Andrew Walker fragte, welchen Wein sie gern hätte. „Danke, nur Wasser für mich.“

Erst nachdem das Essen serviert worden war, sprach Andrew wieder über seine Pläne, und selbst dann beugte er sich über den Tisch und dämpfte verschwörerisch die Stimme. „Ich muss darauf bestehen, dass Sie in diesem Stadium der Verhandlungen mit niemandem sonst darüber reden.“

„Mein Anwalt wird es ja wohl erfahren müssen“, protestierte Lucy.

„Letztlich, vielleicht. Ich würde es allerdings vorziehen, wenn mein Anwalt zuerst alle notwendigen Verträge aufsetzt. Der Erfolg meines Unternehmens hat leider dazu geführt, dass viele Leute unbedingt meine zukünftigen Investitionspläne herausfinden wollen. Wie viele Aufträge haben Sie zurzeit in Arbeit?“

„Sehr wenige“, gab Lucy ehrlich zu. „Ich nehme an, Sie kennen die finanziellen Probleme, denen ich mich im Anschluss an meine Scheidung stellen musste?“

„Natürlich.“

„Im nächsten Monat habe ich einen großen Event, die Werbeparty für einen neuen Fußballschuh.“

„Lohnen sich solche Aufträge?“

„Im Vergleich zu denen von Privatleuten bringen Firmenaufträge viel mehr Gewinn“, erklärte Lucy. „Wenn ich Kunden mein Adressbuch zugänglich mache, damit genug Promis zu dem Event kommen, die eine maximale Presseberichterstattung sichern, kann ich mehr in Rechnung stellen als für die Organisation eines privaten Events, wo der Kunde die Gästeliste liefert. Bei einer Lancierungsparty sind Prominente ein Muss. Für diesen Event, zum Beispiel, gewährleistet der Kunde die Anwesenheit des Fußballstars, der das Werbegesicht für die Marke ist, und ich habe Einladungen an alle Prominenten in meinem Adressbuch geschickt, die garantiert die Presse zu der Party locken.“

„Wer ist ‚alle‘?“

Lucy zuckte die Schultern. „Topmodels und Seifenopernstars – die erste Garde, nicht die B- oder C-Liste –, ein paar It-Girls, Kinder von Rockstars und einige der kontaktfreudigeren Dotcom-Millionäre. Leute, die glamourös und für die Medien interessant sind. Sie werden dem Event Glanz verleihen.“

„Ich verstehe. Dann beruht der Marktwert von Prêt a Party also stark auf Ihrem Adressbuch?“

„Könnte man so sagen“, stimmte Lucy zu.

„Wer ist für die Auswahl der Lieferanten verantwortlich, wenn es darum geht, das Essen und die Getränke, Blumen und all diese Dinge zu organisieren?“

„Einige Kunden möchten einen bestimmten Caterer oder Floristen, aber normalerweise liegt die Entscheidung bei mir. Prêt a Party ist bekannt für erstklassige Qualität, und das schließt die Lieferanten ein, die ich einsetze, ob es sich nun um Festzelte oder Essen dreht.“

„Hm. Haben Sie schon einmal daran gedacht, das Konzept von Prêt a Party als Franchise zu verkaufen?“

„Nein.“

„Tja, ich bin sehr daran interessiert, dass wir diesen Bereich sorgfältig prüfen, wenn wir Geschäftspartner werden. Bis die Gelder der Franchisenehmer eingehen, wird es natürlich erst einmal teuer. Aber ich habe vor, die Kontakte zu nutzen, die ich durch mein Unternehmen schon geknüpft habe, um unsere eigenen Hilfsdienste aufzubauen. Dann versorgen wir unsere Franchisenehmer mit allem, was sie brauchen, plus der Prêt a Party-Qualitätsgarantie. Wir kaufen Zelte aus unserem eigenen Betrieb, und wir schicken die Arbeiter, die sie errichten. Wir liefern die Kellner, die Gläser, die Getränke, die Floristen und das Reinigungspersonal.“

Lucy hatte ihr Essen völlig vergessen und sah Andrew beeindruckt an. „Das ist brillant! Allerdings wird es ein Vermögen kosten …“

„Ich denke, die Investition lohnt sich.“

Einen Moment war sie sprachlos. Bestenfalls hatte sie sich eine Kapitalspritze erhofft, mit der sie die Agentur wieder aufbauen konnte. Und jetzt sprach Andrew Walker von der Gründung eines ganzen Firmenimperiums.

„Wie ich bereits gesagt habe, ich hätte gern Ihre Zusicherung, dass strikt unter uns bleibt, was wir hier besprechen.“

Aufgeregt nickte Lucy.

„Ich möchte die Sache so schnell wie möglich in Gang bringen, aber Sie brauchen sicher Zeit, um sich meinen Vorschlag durch den Kopf gehen zu lassen. Wir sollten uns wieder treffen, wenn ich von meiner Reise zurück bin. Was meinen Sie dazu?“

„Das … ist mir recht“, brachte Lucy heraus und versuchte, sachlich und professionell zu klingen und sich ihre Freude und Erleichterung nicht anmerken zu lassen.

„Hier ist meine Karte. Ich habe mir gerade ein Haus am Holland Park gekauft, das zurzeit renoviert wird. Sobald alles fertig ist, gebe ich dort eine große Party für meine Freunde und Geschäftspartner. Falls unsere Verhandlungen so laufen, wie ich hoffe, wird der Event von Prêt a Party organisiert, und wir stellen an dem Abend unser neues Joint Venture vor.“

„Brillant“, wiederholte Lucy.

Um drei Uhr kam Lucy zurück in ihr Büro, den Kopf voller Gedanken und Pläne. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, und alles nur, weil Andrew Walker zufällig diesen Artikel über Prêt a Party in A-List Life gesehen hatte.

Ärgerlich war nur, dass sie Marcus nichts davon erzählen konnte. Noch nicht, zumindest. Also würde sie ihn nicht bitten müssen, es sich noch einmal zu überlegen und ihr den Rest ihres Treuhandvermögens für die Schuldentilgung und als frisches Betriebskapital zu überlassen. Unsicher sah sie zum Telefon. Auf dem Zettel hatte gestanden, er würde sich melden, aber es war keine Nachricht von ihm da. Hatte er über die vergangene Nacht nachgedacht und entschieden, dass er sie nie wiedersehen wollte? Für den Fall des Falles, dass sie versuchte, ihn noch einmal zu verführen?

Und was würde er sagen, wenn er doch anrief?

Ich brauche einen Espresso, dachte Lucy.

Stirnrunzelnd sah Marcus aus dem Fenster. Sein Vater, Großvater, Urgroßvater und deren Vorfahren hatten in diesem Büro gearbeitet. Sobald er alt genug gewesen war, um solche Dinge zu begreifen, hatte Marcus gewusst, dass er eines Tages die Verantwortung für die Bank und ihre Kunden übernehmen würde. Als sein Vater starb, war Marcus gerade sechs Jahre alt. Er wurde von seiner Mutter und seinem Großvater aufgezogen, der ihm einhämmerte, wie wichtig die Bank war und dass von ihm erwartet wurde, ihr sein Leben zu widmen. Mit einundzwanzig, gerade von der Universität gekommen, ärgerte Marcus sich über diese Verantwortung und darüber, was für ein Leben sie ihm aufzwang. Dennoch fühlte er sich moralisch verpflichtet, beides zu akzeptieren. Damals war sein Großvater fast achtzig gewesen, alt genug, um sich endlich zur Ruhe zu setzen. Deshalb war es Marcus’ Pflicht, die Leitung der Bank von ihm zu übernehmen.

Und so begrub er seinen Traum, um die Welt zu reisen, und konzentrierte sich auf das, was er tun musste.

Er war fast sechs Jahre älter als Lucy – und bei ihrem ersten Besuch in seinem Büro verärgert und ungeduldig. Verärgert, weil er schon genug am Hals hatte, ohne auch noch als ihr Treuhänder fungieren zu müssen. Und ungeduldig, weil er ihr ansah, dass sie sich sofort in ihn verknallte. Auch wenn er sich nicht für eingebildet hielt, hatte er genug Beziehungen hinter sich, um zu wissen, was der Blick bedeutete, den Lucy ihm zuwarf. Die Bank hatte er übernommen, weil er keine andere Wahl gehabt hatte, an der Unabhängigkeit, die ihm geblieben war, hielt er jedoch grimmig fest. Heiraten war ein notwendiges Übel, das er so lange wie möglich aufschieben wollte. Natürlich würde er eines Tages heiraten und der Bank ihren zukünftigen Verwalter schenken, aber noch nicht. Und er würde sich niemals verlieben.

Was für Zerstörungen das „Sich-Verlieben“ anrichten konnte, hatte Marcus am eigenen Leib erlebt. Als er sechs Jahre alt gewesen war, hatte sein Vater sich verliebt und seine Frau und die beiden Kinder verlassen. Marcus hatte sich verraten und beraubt gefühlt. Und weil er seinen Vater nicht hassen konnte, hatte der kleine Junge seinen Hass gegen die Empfindung gerichtet, die seinen Vater fortgetrieben hatte.

Drei Wochen nachdem er seine Familie verlassen hatte, starb Marcus’ Vater bei einem Unfall, zusammen mit seiner Geliebten. Marcus hatte sich geschworen, niemals denselben Fehler wie sein Vater zu machen.

Niemals würde er sich verlieben. Darum schlief er nur mit Frauen, die erfahren waren, ein bisschen älter als er und oft geschieden. Frauen, die Spaß am Sex hatten und die Spielregeln verstanden, nach denen er spielen wollte. Kurz, Frauen, die das genaue Gegenteil von Lucy waren.

Im Lauf der Jahre verschmolzen seine Verärgerung und Ungeduld zu einer reflexartigen Reaktion, die aktiviert wurde, wann immer er Lucy sah. Dieser Reflex verstärkte sich, bis schließlich Fassungslosigkeit und Wut daraus wurden, als sie Nick Blayne heiratete.

Angeblich sollte Lucy eine intelligente junge Frau sein. Sie hätte doch sehen müssen, was für ein mieser Typ dieser Nick Blayne war. Aber offensichtlich war sie blind vor „Liebe“. Liebe und Begierde, nach den Zeitungsfotos zu urteilen, die Marcus von ihr mit Nick gesehen hatte. Bilder, auf denen sie halb nackt mit ihm auf der Karibikinsel herumhüpfte, auf der sie ihn kennengelernt hatte.

Verärgerung, Ungeduld, Wut – und, wenn er ganz ehrlich war, auch Schuldgefühle. Wofür sollte ich mich denn schuldig fühlen, dachte Marcus gereizt. Er war nicht dafür verantwortlich, dass sie Nick geheiratet hatte. Und er konnte nichts für die katastrophalen Folgen. Tatsächlich hatte er alles in seiner Macht Stehende getan, um Lucy davon abzuhalten, Nick die Vollmacht zu geben, das Treuhandvermögen zu plündern, aber sie hatte nicht auf ihn hören wollen.

Trotzdem fühlte sich Marcus schuldig. Und das machte ihn noch wütender auf Lucy. Als ihr Treuhänder war er fest entschlossen, das zu schützen, was von ihrem Erbe übrig war – notfalls vor Lucy selbst.

Nur zu gut wusste er, dass er damit Groll und Beklommenheit anstatt ihres anfänglichen Errötens, ihrer Schüchternheit und unschuldigen sexuellen Neugier hervorrief. Besonders nachdem er ihr klipp und klar gesagt hatte, dass er ihr nicht erlauben würde, den Rest ihres Treuhandvermögens in ihre kränkelnde Firma zu stecken. Prêt a Party wand sich im Todeskampf eines durch Habgier und Missmanagement ruinierten Unternehmens. Nur noch eine gewaltige Kapitalspritze und ein Geschäftsführer, der mit fester Hand die Kontrolle übernahm, konnten die Firma retten. Für Marcus hieß das seine Kapitalspritze und seine feste Hand, aber während er das Geld problemlos entbehren konnte, hatte er einfach nicht die Zeit, um Lucys Firma zu sanieren. Mit viel Skepsis hatte er zugesehen, wie sie Prêt a Party zu einem netten kleinen Unternehmen aufbaute, und schließlich bewunderte er sie sogar dafür, wenn auch widerwillig und auch wenn sie ihn weiterhin mit ihrer fast aggressiven Feindseligkeit und ihrer Weigerung, auf ihn zu hören, ärgerte.

Aber all das war vor der vergangenen Nacht gewesen! Mit Lucy ins Bett zu gehen war das Letzte, woran er gedacht hatte, als er sie von der Party weggebracht hatte.

Trotzdem hatte er es getan. Und jetzt …

Marcus’ Falten vertieften sich. Bald wurde er fünfunddreißig. In dem Alter waren alle seine männlichen Vorfahren längst verheiratet gewesen und hatten den Erben gezeugt, der schließlich die Bank übernehmen würde. Bisher war er ganz gezielt nur Beziehungen eingegangen, in denen das Thema „Heirat“ nicht existierte, ihm war jedoch immer klar gewesen, dass er irgendwann heiraten musste. Und in diesem Jahr war er sich seiner Pflicht gegenüber der Bank und der Familientradition immer stärker bewusst geworden. Er brauchte eine Ehefrau, und er brauchte einen Erben.

Allerdings könnte es ein Problem werden, die richtige Frau zu finden – sie musste sich seinem Leben anpassen und die Pflichten und die Verantwortung verstehen, die es mit sich brachte. Besonders, da er eine auf Zweckmäßigkeit und nicht auf Liebe gegründete Ehe wollte. Besonders, da er sich einen Erben wünschte.

Es wurde Zeit, dass er sich eine Frau suchte. Eine Frau, die sowohl gesellschaftlich als auch sexuell zu ihm passte. Eine wie Lucy, vielleicht.

Lucy? War er verrückt geworden? Sie nervte ihn wie keine andere, und seit ihrer Ehe mit Nick Blayne war er noch reizbarer geworden.

Aber am vergangenen Abend hatte sie ihn verführt und erregt wie keine Frau vor ihr.

Tatsache war, dass Lucy vor sich selbst geschützt werden musste. Zweifellos wäre er ein viel zuverlässigerer und besserer Ehemann für sie als noch so ein Typ wie Blayne. Eine Heirat würde ihnen beiden nützen. Er brauchte eine Ehefrau, und Lucy brauchte mit Sicherheit einen Ehemann, der sie daran hinderte, den Fehler zu wiederholen, den sie mit Nick gemacht hatte.

Und sie liebte Kinder.

Eigentlich war es völlig logisch, dass sie heirateten. Lucy kannte die Welt, in der er lebte, weil es auch ihre Welt war. Sie wollten beide Kinder, und sexuell hatte er sich die Hörner abgestoßen, auch wenn er noch immer ein bisschen seinen Jugendträumen von den Abenteuerreisen nachtrauerte.

Völlig überrascht von sich selbst, fasste Marcus einen Entschluss. Er würde Lucy heiraten, je früher, desto besser.

Jetzt musste er sie nur noch davon überzeugen, ihn zu heiraten. Aber er glaubte zu wissen, wie er das erreichen konnte.

Gestern hatten ihn ihre Sinnlichkeit und ihre heftige sexuelle Reaktion auf ihn überrascht. Lucy war eine leidenschaftliche Frau, die zurzeit keinen Sexpartner hatte und ganz offensichtlich einen wollte.

Ich muss also nur ihr Verlangen für mich arbeiten lassen, dachte Marcus kühl, ging zum Schreibtisch und nahm den Telefonhörer hoch.

Als Lucy aus dem Coffee-Shop zurück ins Büro kam, blinkte die Lampe des Anrufbeantworters. Sobald sie die Nachricht abspielte und Marcus’ Stimme hörte, schlug ihr Herz schneller. Er hatte mit seiner Schwester einen Termin abgemacht und würde sie um vier Uhr abholen. Vier Uhr? Lucy sah auf ihre Armbanduhr und geriet in Panik. Es war zehn vor.

Dreizehneinhalb Minuten später war Lucy auf dem Weg nach unten, das Haar gekämmt, Gloss auf den Lippen und total aufgeregt.

„Da bist du ja. Los, hier streift eine Politesse rum, und ich will keinen Strafzettel bekommen.“ Hastig ergriff Marcus Lucys Arm, eilte mit ihr zu dem verbotswidrig geparkten Bentley und öffnete die Beifahrertür für sie, bevor er ums Auto ging und sich ans Steuer setzte.

Im Innern des Wagens roch es nach Leder und Marcus. Sich zurücklehnend, schloss Lucy die Augen und atmete so langsam und tief, wie sie konnte.

„Unser Flug geht um sechs. Was bedeutet, dass du gerade noch Zeit zum Packen hast, wenn ich dich jetzt schnell zu deiner Wohnung fahre.“

„Welcher Flug? Wohin fliegen wir?“ Überrascht öffnete Lucy die Augen und setzte sich ruckartig auf.

„Zu Beatrice, natürlich“, erwiderte Marcus. „Erinnerst du dich? Du wirst sie wegen der Geburtstagsparty für George beraten.“

„Aber deine Schwester wohnt in Chelsea!“, protestierte Lucy verwirrt.

„Meistens, ja. Aber sie und George besitzen auch noch eine Villa auf Mallorca, und im Moment ist Beatrice dort. Sie findet es gut, dass sie mit dir sprechen kann, während George hier in London ist. Er soll nicht erraten, was sie vorhat.“

Schweigend verarbeitete Lucy, was Marcus ihr erklärte. Dass sie zu Kunden flog, weil sie ein persönliches Beratungsgespräch wünschten oder ihre Meinung über den gewählten Schauplatz des Events wissen wollten, war nicht ungewöhnlich. Aber Marcus hatte „unser Flug“ gesagt …

„Du fliegst auch nach Mallorca?“

„Ich muss einige Familienangelegenheiten mit Beatrice besprechen, deshalb hat sie gemeint, dass wir ebenso gut zusammen reisen können“, erwiderte Marcus gelassen. „Wir bleiben zwei Tage, also musst du einige Sachen einpacken.“

„Und mich umziehen. Ich kann nicht in meiner Rüstung nach Palma fliegen.“

„Rüstung?“

Als sie ihren Schnitzer erkannte, errötete Lucy. „So nenne ich mein Geschäftskostüm“, murmelte sie.

Sie spürte, wie Marcus sie ansah, aber ein trockenes „Hm“ war sein einziger Kommentar.

Marcus bog auf den Sloane Square ab und fuhr durch mehrere schmale Seitenstraßen, bevor er vor dem Apartmentblock hielt, in dem Lucy wohnte.

„Ich komme mit nach oben.“

Das war eine Feststellung, kein Angebot.

Würde er kein Wort über die vergangene Nacht verlieren? Den ganzen Tag hatte Lucy sich Gedanken darüber gemacht, was Marcus wohl sagen würde und wie sie reagieren könnte. Am schlimmsten wäre es, wenn er die Wahrheit erraten hätte und sie damit provozieren würde. Sie hatte die Szene sogar im Geiste geprobt:

Marcus: Du liebst mich, stimmt’s?

Lucy: Natürlich nicht. Wie kommst du denn darauf?

Marcus: Gestern Nacht?

Lucy, amüsiert und lässig: Ach, das! Du meine Güte, nein. Ich hatte einfach Lust auf Sex, das ist alles.

Aber so würde es offensichtlich nicht ablaufen. Ohne auf Marcus zu warten, eilte Lucy mit einem schnellen „Hallo“ am Portier vorbei und die Treppe hinauf. Ihre Wohnung lag im ersten Stock und war winzig, doch zumindest war Lucy Volleigentümerin, und das Apartment stellte keine finanzielle Belastung dar – anders als die viel größere Wohnung, die Nick nach ihrer Heirat unbedingt hatte mieten wollen.

Lucy schloss die Tür auf und betrat die kleine Diele, die durch die beiden nicht zueinander passenden Spiegel größer und heller aussah. Lucy hatte sie auf dem Dachboden in ihrem Elternhaus gefunden und „ausgeliehen“. Unter einem der Spiegel stand ein kleiner Tisch, den sie ebenfalls davor gerettet hatte, auf dem Dachboden in Vergessenheit zu geraten. Sie hatte ihn cremefarben gestrichen und darauf ihre geliebten Jo-Malone-Duftkerzen und die gesammelten gläsernen Kerzenständer arrangiert. Würde Marcus bemerken, wie geschmackvoll das wirkte, wenn er ihr in die Diele folgte?

Am anderen Ende lag das kleine Wohnzimmer, das komplett in verschiedenen Cremenuancen eingerichtet und blitzsauber war.

„Ich mache mir erst einmal eine Tasse Kaffee“, sagte Lucy. „Möchtest du auch eine?“

„Nein, danke. Wir haben nicht viel Zeit“, erinnerte Marcus sie.

„Du bist derjenige, der so kurzfristig diese Reise organisiert hat. Und ich fliege nirgendwohin, bevor ich nicht meinen Koffeinschuss intus habe“, beharrte Lucy störrisch und steuerte auf die Küche los.

„Ja, schon gut! Wo bewahrst du deinen Reisepass auf?“

„Im Sekretär an der Wand hinter dem Sofa“, rief Lucy aus der Küche.

Marcus öffnete den Sekretär und entdeckte sofort die Pässe. Es waren zwei, mit einem Gummiband zusammengebunden. Um den richtigen mitzunehmen, zog er es ab und schlug den oberen auf, wünschte aber sofort, er hätte es nicht getan. Denn es war der Reisepass, den Lucy während ihrer Ehe benutzt hatte, und das Foto zeigte eine glücklich aussehende junge Frau mit strahlenden Augen. Ihr aktueller Reisepass hingegen, den sie nach der Scheidung erhalten hatte, als sie ihren Mädchennamen wieder annahm, zeigte eine junge Frau mit deutlich schmalerem Gesicht, in deren Blick Kummer und Verzweiflung lag. Was hatte Lucy nur an Nick gefunden? Wie hatte sie ihn lieben können? War es wirklich „Liebe“ gewesen?

„Hast du ihn?“, fragte Lucy, die mit ihrem Kaffee an Marcus vorbeiging und die Schlafzimmertür aufstieß. Dort stellte sie die Tasse auf den Nachttisch, zog einen kleinen Koffer unter dem Bett hervor, legte ihn auf den Sessel und öffnete systematisch Schubladen.

„Soll ich inzwischen schon mal deine Toilettenartikel einpacken?“

Aus ihrem Blickfeld zu verschwinden, anstatt dazustehen und sie dazu zu bringen, an die vergangene Nacht zu denken, war eine gute Idee. Lucy nickte und gab Marcus ihre Kulturtasche. Als er ins Bad ging, atmete sie langsam aus. Energisch faltete sie die Sachen zusammen, die sie aufs Bett gelegt hatte. Anschließend packte sie sie in die Plastikhüllen, die sie auf Reisen immer benutzte.

„Lucy, was ist mit deinen Pillen?“, rief Marcus aus dem Badezimmer.

Dem Himmel sei Dank, dass er sie daran erinnerte! Leider hatte sie auf die harte Tour gelernt, nie mehr ohne ihre Sonnenallergiepillen irgendwohin zu fahren. „Im Schrank, zweites Bord von oben, auf der rechten Seite.“

Während sie die Hüllen in den Koffer legte, hörte sie ihn die Schranktür öffnen, dann rief er: „Ich kann sie nicht finden.“

Lucy ging ins Bad. Sie hielt den Atem an, als sie sich in dem winzigen Raum an Marcus vorbeizwängen musste, um zum Schrank zu kommen. „Da sind sie doch.“ Mit Schwung zog sie die Schachtel mit den Allergietabletten vom Bord.

„Das sind keine Antibabypillen“, wandte Marcus ein.

„Nein. Die Pille nehme ich nicht. Nick war richtig besessen davon, immer ein Kondom zu benutzen. Er hat mir erklärt, er hätte noch nie ohne Sex gehabt und würde niemals ohne Sex haben.“ Aber das war nun wirklich kein Thema, über das sie mit Marcus sprechen wollte. Lucy ging schnell zurück ins Schlafzimmer, fragte sich jedoch dabei, ob Marcus sich in der vergangenen Nacht so gut angefühlt hatte, weil er kein Kondom benutzt hatte.

Marcus runzelte die Stirn. An Empfängnisverhütung oder Safer Sex hatte er am vergangenen Abend und in der Nacht überhaupt nicht gedacht. Dass Lucys Exmann immer ein Kondom benutzt hatte, war dagegen eine sehr gute Neuigkeit. Marcus schloss den Reißverschluss der Kulturtasche, folgte Lucy und beobachtete sie beim Packen. Dabei überfiel ihn eine sehr verräterische schmerzende Anspannung. Er begehrte Lucy.

Anstatt sich zu erlauben, sie zu begehren, sollte er sich darauf konzentrieren, sie dazu zu bringen, ihn zu begehren.

„Fertig?“, fragte er kurz angebunden.

Lucy nickte.

5. KAPITEL

Auf dem Flughafen Palma herrschte immer viel Betrieb, und dieser Tag bildete keine Ausnahme. Immer wieder versuchte Lucy, den Bergen von Koffern auszuweichen und mit Marcus Schritt zu halten, der ihr Gepäck trug und es trotzdem irgendwie schaffte, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Sie öffnete sich, ließ ihn durch und schloss sich dann sofort wieder, sodass sich Lucy mühsam durchkämpfen musste.

Inzwischen hatte Marcus den Ausgang erreicht, wo er von zwei hübschen jungen Frauen angesprochen wurde, die die Uniform einer Mietwagenfirma trugen. Wollen sie ihn überreden, ein Auto zu mieten, oder hoffen sie auf ein Date mit ihm?, fragte Lucy sich eifersüchtig, als sie ihn schließlich einholte.

„Ich habe den Damen gerade erklärt, dass wir vom Chauffeur des Hotels abgeholt werden“, sagte Marcus.

„Welches Hotel?“, fragte Lucy, während er auf die Gruppe der wartenden Fahrer zuging, die Schilder mit den Namen von Hotels oder Gästen hochhielten. „Ich dachte, wir wohnen bei Beatrice.“

„Die Villa ist recht klein und abgelegen, außerdem lässt Beatrice gerade eins der Badezimmer renovieren, also können wir wohl nicht erwarten, dass sie uns aufnimmt. Ich habe uns Zimmer in einem Hotel in Deià reserviert. Es liegt ganz in der Nähe des ‚Residencia‘ und soll angeblich noch besser sein. Und mach dir keine Gedanken wegen der Rechnung. Die bezahle ich. Ah, da ist unser Fahrer.“

Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, konnte Lucy den Mann in der eleganten Chauffeursuniform sehen, auf dessen Schild „Hotel Boutique, Deià“ stand. Von früheren Aufträgen kannte sie Mallorca ziemlich gut, da es in war, hier zu wohnen und Partys zu geben, seit sich mehrere Prominente Grundstücke in einer exklusiven Enklave an einem früher unerschlossenen Abschnitt der Küste mit Villen und kleinen luxuriösen Hotels gekauft hatten. Das „Residencia“ war das Hotel in Deià gewesen, und nach dem, was Lucy gehört hatte, war das neue „Hotel Boutique“ noch exklusiver. Zumindest waren alle Kunden von Prêt a Party, die dort gewohnt hatten, begeistert gewesen.

Wie weicher Kaschmir hüllte die warme Abendluft Lucy ein, als sie zu der großen Mercedes-Limousine gingen. „Wo genau liegt das Haus deiner Schwester?“, fragte Lucy, während sich der Chauffeur in die Autoschlange einfädelte.

„Oben in den Bergen, außerhalb von Palma.“

„Aber das ist weit weg von Deià. Wäre es nicht besser, wenn wir irgendwo in der Nähe wohnen?“

„Das ‚Boutique‘ hat einen ausgezeichneten Ruf, und ich dachte, du würdest lieber dort absteigen.“

„Wie lange dauert es, bis wir dort ankommen?“

„Nicht allzu lange. Warum?“

„Ich brauche dringend einen Kaffee.“

Und ich brauche Lucy, dachte Marcus. „Soll ich den Fahrer bitten, irgendwo anzuhalten?“

„Nein, ich warte.“ Sie wurde müde, hatte Kopfschmerzen und konnte sich trotz des komfortablen Mercedes nicht entspannen. Nicht, wenn Marcus direkt neben ihr saß.

Die Straße stieg an, schlängelte sich durch die Berge und wurde dann abschüssig. Von hier oben sah Lucy die Lichter der Villen, die verstreut auf beiden Seiten der Schlucht lagen, und unterhalb von ihnen den kleinen Hafen. Pures, perfektes Ansichtskartenmaterial.

Kurz danach fuhr der Chauffeur durch einen Tunnel, hinter dem ein gepflasterter Vorhof lag. Ein paar Minuten später standen Marcus und Lucy in der kühlen, nach Jasmin duftenden Hotelhalle. Über ihnen surrte ein riesiger Ventilator, und die Einrichtung entsprach allerbester mallorquinischer Tradition. Der Boden war mit Terrakottafliesen ausgelegt, an den weißen Wänden hingen eindrucksvolle Gemälde und Webteppiche in kräftigen Erdfarben.

„José wird Sie in Ihre Suiten führen.“ Lächelnd reichte die Empfangsdame Marcus zwei Schlüsselkarten, und ein sehr junger und sehr gut aussehender Mallorquiner tauchte wie aus dem Nichts auf, um ihnen behilflich zu sein.

Sie fuhren mit dem Lift nach oben, wo sich ein kurzer breiter Flur vor ihnen erstreckte, dessen Wände weiß gestrichen und mit noch mehr Gemälden behängt waren. Gern hätte Lucy sie sich genauer angesehen, aber ihr Kopf hämmerte, und sie brauchte jetzt wirklich dringend Kaffee.

Nur zwei Türen gingen vom Flur ab. José öffnete die erste und ließ Lucy eintreten. Drinnen weiteten sich ihre Augen vor Staunen. Sie stand in einem großen Raum mit einer hohen Decke, der mit traditionellen, schweren dunklen Holzmöbeln eingerichtet war, einschließlich eines gewaltigen Himmelbetts. Eine Wand des gewaltigen Raumes bestand aus vom Boden bis zur Decke reichenden hölzernen Fensterläden. Als José einen von ihnen öffnete, rang Lucy nach Atem. Hinter den Läden lagen Glastüren, die auf eine gut beleuchtete Dachterrasse mit Whirlpool und freier Aussicht auf das Meer und den Himmel führten.

„Danke, José. Ich finde mich allein zurecht.“ Lächelnd gab Lucy ihm ein Trinkgeld, damit er gehen und Marcus in seine Suite bringen konnte.

Sobald sie die Tür hinter José geschlossen hatte, bestellte Lucy beim Zimmerservice Kaffee. Erst danach sah sie sich die Suite richtig an. Eine zurückklappbare Holzwand trennte das Schlafzimmer von einem Badbereich mit einer riesigen runden Wanne, die vor den Türen zur Dachterrasse in den Boden eingelassen war, sodass man in der Wanne liegen und über die Terrasse und weiter aufs Meer sehen konnte. Die Wand gegenüber war vollständig verspiegelt, genau wie die Wand im rechten Winkel zu ihr, und in die Ecke war eine Duschkabine ganz aus Glas eingebaut. Man konnte baden oder duschen und sich dabei in den Spiegeln sehen.

Ein Klopfen unterbrach ihre Besichtigung. Ihr Kaffee! Wundervoll! Aber als sie die Tür öffnete, stand Marcus vor ihr.

Er gab ihr eine Schlüsselkarte. „Hier, das hatte ich vergessen. Ich rufe Beatrice an und kläre mit ihr, wann wir uns morgen treffen. Was das Essen heute Abend anbelangt … Unten am Hafen soll es ein ausgezeichnetes Restaurant geben. Ist es dir recht, wenn ich einen Tisch für zehn Uhr bestelle?“

„Ja, in Ordnung.“ Als sie den Zimmerkellner den Flur entlangkommen sah, seufzte Lucy erleichtert.

Zehn Minuten später, mit wieder aufgefülltem Koffeinspiegel, erkundete sie den Rest ihrer Suite. Neben dem Schlaf-Bad-Bereich gab es noch ein Ankleide- und ein Badezimmer mit Dusche, Bidet und Toilette.

Zum Abendessen würde sie sich umziehen müssen. Vorher schnell zu duschen, wäre natürlich schneller, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich in der Wanne zu rekeln.

Wohlig lag Lucy in dem mit Schaum bedeckten warmen Wasser und genoss die sinnliche Erfahrung. Damit sie die Aussicht auf das dunkle Meer und den sternenklaren Himmel genießen konnte, falls sie die Energie aufbringen sollte, den Kopf vom Wannenkissen zu heben, hatte sie die Holzläden offen gelassen. Doch stattdessen sah sie zur Spiegelwand. Sich beim Baden zu beobachten hatte etwas verlockend Erotisches. Eindeutig war dies eine Suite für Liebespaare – und sie wollte nur Marcus als Liebhaber. Er war der einzige Mann, den sie jemals begehrt hatte.

Ob seine Suite genauso war wie ihre? Aalte er sich auch gerade im warmen Wasser? Aber vermutlich duschte er lieber, als faul in einer Badewanne herumzutrödeln.

Noch immer hatte er kein Wort über die vergangene Nacht verloren.

Lucy schloss die Augen und stellte sich vor, dass er bei ihr war und sie berührte, sie streichelte. Prompt wurde ihr heiß, was absolut nichts mit der Wassertemperatur zu tun hatte. Das war gefährlich. Aber sie konnte sich nicht davon abhalten zu träumen, sich zu erinnern …

Fast wäre sie eingeschlafen! Und dabei war es inzwischen nach neun! Schnell griff sie nach dem Stöpsel, stieg aus der Wanne und sah in den Spiegeln, wie der weiße Seifenschaum seidenweich an ihrem Körper hinunterrutschte. Heftiges Verlangen durchflutete sie, und sie berührte sich zart. Ihr Herz raste. Marcus …

Wie aus weiter Ferne hörte sie ein Geräusch. Es klang, als würde eine Tür aufgehen! Sofort zog Lucy die Hand weg und schnappte sich ein Badelaken. Als sie bemerkte, dass Marcus in ihrem Schlafzimmer stand, brannte ihr Gesicht vor Scham. Wie lange war er schon da? Was hatte er gesehen? Hinter ihm erkannte sie eine Verbindungstür zwischen den beiden Suiten, die ihr bisher nicht aufgefallen war. Wahrscheinlich hatte Marcus geklopft, und sie hatte es nicht gehört, weil sie zu beschäftigt gewesen war. Bei dem Gedanken, womit sie beschäftigt gewesen war, nahm ihre Röte noch zu.

„Brauchst du noch lange?“, fragte er. „Es ist fast halb zehn.“

Er hatte sich schon umgezogen und trug eine helle Baumwollhose und ein dunkleres Hemd.

„Ich bin fast so weit“, erwiderte sie, bevor ihr entsetzt klar wurde, wie er ihre Antwort auslegen könnte und wie passend sie war. Sie wagte nicht, ihn anzusehen, während sie an ihm vorbei ins Ankleidezimmer huschte.

„Der Weg zum Hafen ist lang und steil, deshalb habe ich an der Rezeption um einen Wagen mit Fahrer gebeten“, erklärte Marcus, als sie zusammen in die Hotelhalle gingen.

Besorgt sah Lucy auf ihre Riemchensandaletten, dieselben, die sie am Vortag getragen hatte. Normalerweise war sie kein Fan von Schuhen mit Stilettoabsätzen, aber ihr Kleid hatte einen hübschen Taschentuchsaum und verlangte nach einem sehr femininen Schuh.

Vom Hotel schlängelte sich die Straße zum Hafen am Fluss entlang durch die bewaldeten Abhänge nach unten. Zwischen den Bäumen blitzten die Lichter verstreut liegender Luxusvillen.

Der Hafen war klein und voller eleganter, teuer aussehender Jachten, und die Restaurants am Hafen waren voller eleganter, teuer gekleideter Gäste. Wie Notting Hill am Meer, dachte Lucy. Nur Minuten nachdem sie aus dem Auto gestiegen waren, entdeckte sie mindestens ein halbes Dutzend Prominente unter den Leuten, die an den Tischen vor den Restaurants und Bars saßen.

„Das Restaurant, in dem ich uns einen Tisch bestellt habe, ist für seine erstklassigen Fischgerichte bekannt“, erklärte Marcus. „Ich habe es gewählt, weil ich weiß, wie gern du Meeresfrüchte magst.“

„Ja, stimmt.“ Lucy unterdrückte ein Gähnen.

„Schläfrig?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich glaube, mein Bad hat mich müde gemacht“, antwortete sie, ohne lange zu überlegen. Und fürchtete im nächsten Moment, dass Marcus erwidern würde, dass er genau wusste, warum sie sich müde fühlte. Dabei musste ihr etwas so Natürliches doch nicht peinlich sein. Du lieber Himmel, sie kannte keine Frau in ihrem Alter, die nicht offen über den neuesten Vibrator reden konnte. Aber dass Marcus sie gesehen haben könnte, machte sie äußerst verlegen. Besonders nach der gestrigen Nacht. Jetzt dachte er vielleicht, dass ihr Verlangen nach ihm der Auslöser dafür gewesen war.

Er denkt es vielleicht, aber ich weiß es, gestand sich Lucy ein, während Marcus sie in das Restaurant führte. Typisch Marcus, hatte er es geschafft, ihnen den Tisch mit der besten Aussicht auf den Hafen zu reservieren. Und auch mit dem Essen hatte er recht gehabt. Beim Anblick ihres Tellers lief ihr das Wasser im Mund zusammen. In der Pfanne gebratenes Kammmuschelfleisch mit einem warmen asiatischen Salat. Marcus aß ein Thunfischsteak.

„Noch etwas Wein?“

Abwehrend schüttelte Lucy den Kopf. Sie hatte ein ganzes Glas getrunken und fühlte sich angenehm entspannt. Mehr brauchte und wollte sie nicht. Marcus selbst hatte auch nur zwei Gläser Wein getrunken. Und er nickte nicht, als der Ober fragte, ob sie Kaffee wünschten.

„Espresso?“, fragte Marcus, nachdem Lucy bestellt hatte. „Du wirst die ganze Nacht nicht schlafen können.“

„Sieh mir doch dabei zu“, erwiderte Lucy flapsig und wurde sofort scharlachrot. Wenn sie weiter so idiotische Sachen von sich gab, dachte er noch, dass sie ihm ein unmoralisches Angebot machte.

Ihr zusehen? Oh, das würde ich gern tun. Und noch viel mehr als nur zusehen.

„Wann treffen wir uns morgen mit Beatrice?“, fragte Lucy schnell, um das Thema zu wechseln.

„Um halb eins in Palma zum Mittagessen.“ Marcus sah auf seine Armbanduhr. „Ich möchte dich nicht drängen, aber der Fahrer müsste gleich da sein.“

Ihr Espresso war gekommen, und Lucy trank ihn schnell aus, während Marcus um die Rechnung bat.

Wieder in ihrer Suite, zog Lucy zuerst die Sandaletten aus. Wegen der Sache von vorhin wollte sie es lieber nicht riskieren, noch ein Bad zu nehmen. Stattdessen würde sie sich mit einer Dusche begnügen.

Nach der gestrigen Nacht und Marcus’ Auftauchen, während sie sich selbst berührt hatte, hätte sie den ganzen Abend nervös sein müssen, aber sie war so entspannt gewesen, dass sie sogar ein paarmal gelacht hatte. Marcus hatte sich als unerwartet amüsanter und interessanter Dinnerpartner erwiesen. Schade, dass der Abend so schnell zu Ende gegangen war, und nicht nur, weil sie ihn gern in Marcus’ Armen beendet hätte.

Gerade als sie geduscht, sich abgetrocknet und den Hotelbademantel angezogen hatte, klopfte es an der Terrassentür. Draußen stand Marcus. Genau wie sie trug er einen Bademantel, aber während ihr der Mantel zu groß war und auf dem Boden schleifte, reichte er Marcus nur eben bis über die Knie. Was fatal war, denn der Anblick seiner nackten sonnengebräunten Beine weckte sofort ihr Verlangen.

Erst als sie öffnete, bemerkte sie, dass die Terrasse über die ganze Länge beider Suiten verlief.

„Ich wollte gerade ins Bett“, protestierte Lucy.

Doch Marcus ergriff ihren Arm und zog sie zu der steinernen Brüstung. „Komm, sieh dir das an.“

„Was denn?“, fragte Lucy, und dann stand sie ganz still. Tief unterhalb des Hotels, in einer der Villen, wurden Feuerwerkskörper abgebrannt. In diesem Moment zerbarst einer in einem Kreis scharlachroter Sterne.

„Oh!“, flüsterte sie entzückt.

„Mir ist eingefallen, wie sehr du Feuerwerk magst.“ Marcus lächelte.

„Es ist wie Champagner am Himmel. Irgendjemand feiert dort etwas.“

Wie ich dich feiern möchte, dachte Marcus. Aber viel privater und intimer. Liebend gern würde er ein sexuelles Feuerwerk für sie abbrennen.

Die nächste Explosion folgte, und diesmal sank ein Regen aus silbernen und weißen Sternen vom dunklen Abendhimmel.

Atemlos spürte Lucy, wie dicht Marcus hinter ihr stand. Die Wärme seines Körpers schützte sie vor der Kühle des leichten Winds und fachte ihr Verlangen noch mehr an. Nun beugte er sich vor und legte die Hände auf die Brüstung, sodass Lucy eingeschlossen war.

Gold und Karmesinrot zerbarsten in der Dunkelheit und sanken langsam zur Erde.

„Oh Marcus …“ Ohne zu überlegen, drehte Lucy sich um. So nah stand er bei ihr. „Marcus …“ Sie sah auf seinen Mund und hielt den Atem an. Wie sehr sie diesen Mann begehrte. „Sie sind jetzt fertig. Ich sollte besser wieder hineingehen“, sagte sie dann nervös und stieß ihn fast beiseite, weil sie unbedingt von ihm wegwollte, bevor sie wieder etwas Dummes tat.

In ihrer Eile bemerkte sie nicht, dass er ihr in ihre Suite folgte und die Terrassentür schloss. Dann war es zu spät, und als er auf sie zukam, war sie so schwach auf den Beinen, dass sie sich nicht rühren konnte.

Schweigend nahm Marcus ihre Hand und zog Lucy zur Wanne und daran vorbei, bis sie direkt vor der Spiegelwand standen. Genau dort, wo Lucy vorher gestanden hatte, als er … Wieder errötete sie, aber dann umfasste er ihr Gesicht und berührte mit dem Mund immer wieder flüchtig ihren, bis sie alles andere vergaß und nur noch wollte, dass Marcus sie länger und härter küsste. Er schob ihr den Bademantel von den Schultern, drehte Lucy langsam herum und zog sie wieder an sich, sodass sie mit dem Gesicht zum Spiegel stand und Marcus hinter ihr. Während er mit den Lippen die erogene Zone unterhalb ihres Ohrs reizte, glitten seine Hände über ihren Körper und umfassten ihre Brüste.

Hilflos schloss Lucy die Augen. Der Anblick schockierte sie, und gleichzeitig war sie dermaßen erregt davon, dass sie sich wünschte, Marcus würde sie sofort hier nehmen. Dass er ihren Körper führte, ihn vorbeugte, bis sie die Hände an den Spiegel legen konnte. Dass er ihre Hüften umfasste und in sie eindrang, in einer Stellung, die so sinnlich und gleichzeitig so primitiv und direkt war.

„Öffne die Augen, und sieh in den Spiegel, Lucy.“

Sehr langsam tat sie es.

Marcus streichelte ihre hart gewordenen Brustspitzen, bis sie aufschrie und sich ungeduldig an ihn drängte.

„Fühlt sich das gut an?“, fragte er heiser.

Tiefer und tiefer wanderten seine Hände, über ihren Bauch und tiefer … Wie gebannt sah Lucy auf die Bewegung seiner Finger. Ihr Herz pochte laut und wild.

„Ist es nicht schöner so?“, fragte Marcus leise. „Warum dich selbst befriedigen, wenn ich es doch für dich tun kann, Lucy?“ Sanft rieb er mit dem Daumen ihre empfindlichste Stelle.

Einmal. Zweimal. Und schneller. Bis Lucy schwer atmete und ihr ganzer Körper bebte.

Sie konnte kaum stehen und fühlte sich schwach, schwerelos … und befriedigt. Befriedigt, aber nicht zufrieden, wie sie erkannte, als Marcus sie hochhob und zum Bett trug.

Erst nachdem auch er seinen Bademantel ausgezogen und sich zu ihr gelegt hatte, nachdem sie sich das herrliche Vergnügen gegönnt hatte, ihn zu streicheln, dachte sie nach und sagte unsicher: „Marcus, wir sollten das nicht tun …“

„Warum denn nicht? Gestern Nacht hat es dir doch gefallen, oder?“

Natürlich hatte es ihr gefallen. Aber darum ging es nicht, und darauf wollte sie nicht hinaus. „Oh ja“, erwiderte sie trotzdem.

„Und mir auch. Also gibt es kein Problem, stimmt’s?“

„Nein, wohl nicht.“ Wie könnte es irgendein Problem geben, wenn Marcus sie so berührte? So küsste? Lucy seufzte glücklich und schlang ihre Arme fest um ihn.

6. KAPITEL

Liebevoll betrachtete Lucy das Kissen neben ihrem. Es war noch eingedrückt von Marcus’ Kopf. Sie streckte die Hand aus und zog zärtlich die Form der Vertiefung nach, ein glückliches Lächeln umspielte ihren Mund. Wie wundervoll war die letzte Nacht gewesen! Und an Marcus gekuschelt einschlafen zu dürfen hatte sie noch wundervoller gemacht. Während der Nacht war Lucy mehrmals aufgewacht, nur wegen des Vergnügens, beruhigt festzustellen, dass er noch da war.

Aber Marcus würde nicht immer „noch da sein“. Was immer ihn veranlasst haben mochte, sich dieses unerwartete flüchtige Sexabenteuer mit ihr zu gönnen, es würde vorübergehen, und sie wusste schon jetzt, wie sehr es wehtun würde, wenn er der Affäre – und ihrer – überdrüssig wurde. Sie wollte keine flüchtige Beziehung. Sie wollte Marcus für den Rest ihres Lebens. Verzweiflung verdrängte ihre frühere Euphorie.

„Los, Schlafmütze, wach auf. Ich habe Frühstück bestellt, und es wird jeden Moment hier sein.“

Erschrocken fuhr Lucy hoch und bedeckte hastig ihre nackten Brüste, sich nur allzu bewusst, dass Marcus sie belustigt anblickte.

Mit einem verschmitzten Lächeln setzte er sich neben sie auf die Bettkante, zog die Decke wieder weg und küsste erst die eine, dann die andere Brustspitze. „Vielleicht sollte ich beim Zimmerservice anrufen und ihnen sagen, sie sollen das Frühstück erst später bringen.“

„Ja …“, stimmte Lucy schwach zu, bevor sie wieder nach der Decke griff, weil es an der Tür klopfte.

„Ich bitte den Zimmerkellner, unser Frühstück durch meine Suite auf die Terrasse zu bringen.“ Marcus stand auf und schloss die Holzläden. „Aber schlaf ja nicht wieder ein.“

Schlafen ist das Letzte, wozu ich jetzt Lust habe, dachte Lucy, bevor sie duschen ging.

„Gerade wollte ich kommen und mich davon überzeugen, dass du nicht wieder eingenickt bist“, meinte Marcus, als sie zehn Minuten später die Terrasse betrat. „Ich habe Kaffee für dich bestellt, Obstsaft, Rührei mit Tomaten und Champignons, und Toast ist auch da.“

„Englisches Frühstück? Igitt.“ Vor Abscheu schaudernd, setzte Lucy sich an den Tisch und sah sofort sehnsüchtig die Kaffeekanne an.

Marcus schenkte ihr ein, und Lucys Nase nahm begierig das kräftige Aroma in sich auf, während sich ihre Geschmacksknospen auf den ersten Koffeinstoß des Tages vorbereiteten.

„Morgens braucht der Körper Proteine.“ Marcus hob den Deckel von seinem Frühstücksteller. „Ohne kann er nicht richtig funktionieren.“

„Danke, Dr. Atkins“, erwiderte Lucy mürrisch, während sie nach ihrer Kaffeetasse griff. Aber das Rührei sah wirklich appetitlich aus. Sie stibitzte Marcus einen Champignon.

„Iss“, befahl er und reichte Lucy ihren Teller.

Als sie zu essen begann, bemerkte sie erst, wie hungrig sie war.

Marcus wartete, bis sie beide fertig waren, dann sagte er: „Ich möchte etwas mit dir besprechen.“

Jetzt würde er die Erklärung verlangen, vor der sie sich so gefürchtet hatte. „Wenn es um letzte Nacht geht … und vorgestern …“

„Ja. Ich denke, es wäre gut, wenn wir heiraten.“

Hatte sie ihn richtig verstanden? Machte er einen Scherz? „Meinst du eine Heirat zwischen dir und mir?“, fragte sie vorsichtig.

„Natürlich.“

„Aber … aber, Marcus … warum? Warum solltest du … sollten wir … das tun wollen? Du hast mich nicht einmal besonders gern“, stieß sie hervor, zu schockiert, um nicht ehrlich zu sein.

„Ich finde, wir passen sehr gut zusammen.“

Er hatte nicht gesagt, dass er sie gernhatte, registrierte Lucy. Und schon gar nicht, dass er sie liebte.

„Wir haben einen ähnlichen sozialen Hintergrund und – wie ich vermute – eine sehr ähnliche Lebenseinstellung. Ich glaube, wir wollen beide Kinder. Und trotz deiner Scheidung von Nick denke ich, dass du wie ich eine Heirat als eine Bindung fürs ganze Leben ansiehst, in guten wie in schlechten Tagen, in einer Beziehung, auf die man sich völlig festlegt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Falls wir tatsächlich heiraten, werde ich mich völlig an unsere Ehe, an dich und unsere Kinder gebunden fühlen, und ich erwarte dasselbe von dir.“

Eine völlige Bindung an sie? Träumte sie etwa? „Aber … aber …“

„Aber was?“, fragte Marcus kühl. „Wie die vergangenen zwei Tage bewiesen haben, passen wir sexuell außergewöhnlich gut zusammen.“

„Menschen heiraten doch nicht, nur weil sie guten Sex miteinander haben!“, protestierte Lucy. „Deswegen kannst du mich nicht heiraten wollen, Marcus.“

„Es gibt andere Gründe“, räumte er ein.

„Welche?“

„Ich werde im Dezember fünfunddreißig“, erklärte er gelassen. „Alle Männer in meiner Familie – mein Vater, Großvater, Urgroßvater und diejenigen vor ihnen – haben geheiratet, bevor sie fünfunddreißig waren. Es ist eine Tradition, mit der ich nicht brechen will.“

Meinte er, dass er sich eine andere suchen würde, wenn sie ihn zurückwies? Wie würde es sein, mit Marcus verheiratet zu sein, ohne von ihm geliebt zu werden, während sie ihn über alles liebte? Das würde sehr wehtun. Und wie würde sie sich fühlen, wenn er eine andere heiratete, weil er unbedingt vor seinem fünfunddreißigsten Geburtstag Ehemann sein wollte?

Das ließ sich einfach nicht miteinander vergleichen. Sie würde es nicht ertragen, wenn Marcus mit einer anderen Frau verheiratet wäre und sie wüsste, dass sie ihn selbst hätte heiraten können.

„Und da du die Pille nicht nimmst und ich kein Kondom benutzt habe, müssen wir berücksichtigen, dass du vielleicht schon schwanger bist“, erinnerte Marcus sie. „Ich weiß, wie sehr du Kinder liebst, aber du möchtest doch sicher keine alleinerziehende Mutter sein. Außerdem würde ich es nicht zulassen, dass du mein Kind ohne mich großziehst. Es wäre viel praktischer, wenn wir heiraten.“

Praktisch! Lucy wollte ewige Liebe und das Versprechen, dass sie Tag und Nacht mit Küssen überhäuft werden würde.

Aber Marcus liebte sie nicht. Ebenso wie Nick sie nicht geliebt hatte. Und sie musste sich ja nur ansehen, was daraus geworden war.

Sie konnte Marcus nicht heiraten. Aber gleichzeitig war es ihr unmöglich, ihn nicht zu heiraten.

Der Unterschied war, dass sie Nick nicht geliebt hatte. Sie liebte Marcus. Außerdem war er ganz anders als Nick. Wie Marcus ihr gerade unmissverständlich erklärt hatte, würde ihre Ehe für immer sein. Und das wünschte sie sich doch so sehr. Sie wollte jeden Morgen neben ihm im Bett aufwachen, Kinder von ihm bekommen und zusammen mit ihm alt werden.

Liebe konnte sich allmählich entwickeln, oder? Und Marcus begehrte sie. Anders als Nick gefiel es ihm, Sex mit ihr zu haben. Zumindest hatte er es gesagt.

„Marcus, falls wir tatsächlich heiraten … meinst du nicht, dass die Leute es seltsam finden und Fragen stellen werden?“

„Warum sollten sie? Und wenn sie es tun, antworte ich einfach, ich hätte schon immer geplant, dich zu heiraten. Da Nick Blayne mir in der ersten Runde zuvorgekommen sei, würde ich jetzt sichergehen, dass ich dich nicht noch einmal an jemand anders verliere.“

Wenn es doch nur die Wahrheit wäre, dachte Lucy mit Tränen in den Augen.

„Also? Nimmst du meinen Heiratsantrag an? Ich denke wirklich, dass eine Ehe zwischen uns sehr gut funktionieren wird, Lucy. Und ich will alles dafür tun, was in meiner Macht steht.“

„Ich weiß nicht. Ich bin so durcheinander …“

Marcus hörte sich eher an, als würde er eine geschäftliche Besprechung leiten. Aber andererseits war ihre Heirat für ihn tatsächlich so etwas wie ein geschäftliches Abkommen.

„Vielleicht sollte ich wieder mit dir ins Bett gehen“, meinte er sanft. „Möglicherweise hilft dir das, eine Entscheidung zu treffen.“

Augenblicklich schmolz Lucy vor Sehnsucht dahin, und irgendwie nickte sie matt.

„Gut, das ist also abgemacht“, sagte Marcus zufrieden. „Wir geben es erst offiziell bekannt, wenn ich mit deinem Vater gesprochen habe. Außerdem würde ich es vorziehen, dass wir deinen Ring nach unserer Rückkehr in London kaufen. Wir haben einen Familienverlobungsring, den meine Mutter allerdings so hässlich findet, dass sie damals gedroht hat, meinen Vater nicht zu heiraten, wenn er sie nicht selbst einen aussuchen lässt. Ich glaube sowieso, dass es für Verlobte schöner ist, den Ring gemeinsam auszuwählen …“

„Ich bin ganz deiner Meinung“, unterbrach ihn Lucy. Ihr war ein bisschen schwindlig. Passierte dies wirklich? Saß sie hier mit Marcus am Frühstückstisch und redete über ihre Verlobung, nachdem sie eine wundervolle Nacht mit ihm verbracht hatte?

„Wir haben praktisch schon Oktober. Anfang Dezember habe ich Geburtstag, deshalb wäre ich gern spätestens Ende November verheiratet. Nur eine kleine Hochzeit, wenn dir das recht ist?“

„Ja, natürlich. Nur eine standesamtliche Trauung …“

„Nein.“ Entschieden schüttelte Marcus den Kopf. „Nein, ich möchte auch eine kirchliche Trauung, Lucy. Schließlich sind wir uns einig, dass wir eine lebenslange Bindung eingehen. Du hast Nick nicht in der Kirche geheiratet, deshalb sehe ich keinen moralischen oder rechtlichen Grund, warum wir es nicht tun sollten. Ich denke, die Brompton Oratory ist wohl die beste Wahl. Du wirst in deinem Londoner Elternhaus heiraten wollen, und da es in Knightsbridge liegt …“

Starr sah Lucy ihn an. Die Brompton Oratory war die Lieblingskirche vieler Bräute und Brautmütter der High Society und sehr imposant.

Nach einem Blick auf seine Armbanduhr sagte Marcus: „Es ist fast elf, und wir treffen uns um halb eins mit Beatrice in Palma. Also haben wir nur noch eine halbe Stunde, um uns fertig zu machen. Und ich sollte sie besser anrufen und daran erinnern. Meine Schwester hat ein Gedächtnis wie ein Sieb.“

Beide standen auf, und einer plötzlichen Eingebung folgend, umarmte Lucy Marcus und küsste ihn sanft. Traurig spürte sie, wie er starr wurde, und sie ließ ihn los und trat von ihm zurück.

Mit zusammengekniffenen Augen musterte Marcus sie. Dass sie ihn begehrte, war ja völlig in Ordnung, aber er war nicht sicher, was er von seinem heftigen Verlangen nach ihr hielt. Zweifellos würde es seinen Zwecken dienen, wenn sie in seinen Armen die Beherrschung verlor, doch seine Selbstbeherrschung wollte er auf keinen Fall verlieren, schon gar nicht wegen Lucy. Zugeben zu müssen, dass das durchaus möglich wäre, gefiel ihm gar nicht.

Trotzdem, er konnte es sich nicht leisten, sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor den Kopf zu stoßen, indem er sie scheinbar zurückwies.

Als Marcus plötzlich nach ihr griff und sie an sich zog, sah Lucy ihn überrascht an.

Wie und wann hatte er den Gürtel des Bademantels gelöst und die Hände auf ihre nackte Haut gleiten lassen?

Instinktiv schmiegte sie sich an ihn und stellte entzückt fest, wie erregt Marcus war. Dann fiel ihr Beatrice ein.

„Du hast gesagt, wir müssten uns für das Treffen mit deiner Schwester fertig machen“, murmelte sie zwischen seinen immer leidenschaftlicher werdenden Küssen.

„Zum Teufel mit Beatrice“, erwiderte er rau, ließ Lucy aber doch los. „Aber leider hast du recht. Wir sollten uns besser beeilen.“

Sie würde Marcus heiraten. Lucy konnte es noch immer nicht glauben.

Der Chauffeur des Hotels fuhr Marcus und sie nach Palma.

„Ich dachte, wir würden zur Villa deiner Schwester fahren, um die Party zu besprechen“, sagte Lucy.

„Beatrice hat vorgeschlagen, dass wir uns zum Mittagessen in der Stadt treffen“, erwiderte Marcus. „Das Restaurant ist gleich dort unten.“

Da Lucy Palma ziemlich gut kannte, wusste sie, dass dieses Restaurant sowohl von reichen Einheimischen als auch von ausländischen Gästen besucht wurde. Weil Marcus’ ältere Schwester sich sehr teuer und elegant kleidete, hatte Lucy sich für ein konventionelleres Outfit entschieden, als sie es normalerweise getan hätte. Jetzt war sie froh darüber, dass sie den Leinenrock mit der hübschen Lochmusterstickerei knapp über dem Saum, das weiße Trägertop und die asymmetrisch geschnittene Baumwoll-Leinen-Jacke gewählt hatte. So gut wie jede Frau in dem Lokal trug eine Kombination aus eleganten Leinen- und Baumwollsachen.

„Offenbar ist Beatrice noch nicht da, aber wir können ebenso gut sofort zu unserem Tisch gehen und dort auf sie warten“, schlug Marcus vor. „Oder möchtest du erst einen Drink in der Bar?“

„Nein, lass uns direkt zum Tisch gehen.“ Marcus sollte nicht denken, dass sie schon vormittags Alkohol brauchte. Besonders, da es nicht stimmte. Kaffee, tja, das war etwas anderes.

Nachdem sie ungefähr fünf Minuten gewartet hatten, kam Marcus’ Schwester ins Restaurant geeilt. Genau wie er, war sie groß und dunkelhaarig. Sie trug eine schwarze Leinenhose und ein graubeiges Baumwolltop, das Haar war zurückgebunden, und die große „Oliver’s People“-Sonnenbrille saß oben auf dem Kopf.

„Marcus!“, rief sie und küsste ihn auf die Wange. „Es tut mir so leid, dass ich zu spät komme. Und Lucy. Wie nett von dir, dass du mir deine Zeit opferst.“

„Wir haben noch nichts bestellt, Bea. Möchtest du etwas zu trinken?“, fragte Marcus, während ihr der Ober einen Stuhl zurechtrückte.

„Oh, ja … eine Weinschorle, bitte. Ich fahre. Deshalb bin ich auch zu spät gekommen. Ich konnte keinen Parkplatz finden. Wie ist das Wetter zu Hause? Als ich neulich mit Mutter telefoniert habe, meinte sie, es würde regnen. Ich muss bis zu den Herbstferien hierbleiben, und jetzt sagt der verdammte Klempner, dass er die Fliesen nicht bekommt, die wir bestellt haben. Was bedeutet, dass wir nur ein Badezimmer haben, wenn Boffy und Izzy in den Trimesterferien kommen.“

Obwohl Lucy wusste, dass Beatrice entgegen ihrer ziemlich imposanten Erscheinung so etwas wie ein „brünettes dummes Blondchen“ war, verwirrte es sie, dass Marcus’ Schwester über alles Mögliche plapperte, obwohl sie Lucy doch nach Mallorca hatte kommen lassen, damit sie über Georges Überraschungsparty sprechen konnten, ohne dass er davon erfuhr.

„Ich kann das Essen hier absolut empfehlen, Lucy“, sagte Beatrice. „Besonders den Fisch. Aber vielleicht nicht gerade die Bouillabaisse – daran muss man sich erst gewöhnen.“

Während Marcus und Beatrice redeten, oder vielmehr während Beatrice redete und Marcus zuhörte, studierte Lucy ihre Speisekarte.

„Hast du dir schon irgendetwas für Georges Party überlegt?“, fragte Lucy, nachdem sie bestellt hatten.

„Wie? Oh, eigentlich nicht. George möchte eine kleine Feier, nur Verwandte und Freunde. Er mag Schlösser wahnsinnig gern und überlegt, ob wir irgendwo eins mieten könnten. Was meinst du?“

„Das ist sicher möglich.“ Im Geiste verdrehte Lucy die Augen.

Das Essen wurde serviert, und sie starrte hungrig auf ihren Teller. Es muss all der Sex sein, der mir so großen Appetit macht, sagte sie sich und wurde prompt feuerrot, weil sie bei „Sex“ und „Appetit“ daran dachte, auf wie viel verschiedene Weisen Marcus ihren Hunger nach ihm befriedigen könnte.

„Du meine Güte, Lucy, du bist ganz rot im Gesicht. Geht es dir gut? Hier ist es aber auch warm. Lass uns über Georges Party reden, wenn ich wieder in London bin. Schließlich habe ich bis nächstes Jahr Zeit, und im Moment machen mich die Handwerker so nervös, dass ich an nichts anderes denken kann.“

Nach dem Essen sah Marcus Lucy an und fragte ruhig: „Wie wär’s mit einem Dessert?“

„Für mich nicht, danke. Aber ich hätte jetzt noch gern einen Espresso.“

„Espresso? Lucy, meine Liebe, ist das klug? All das Koffein in deinem Körper wird dich für den Rest des Tages nonstop plappern lassen.“

Um nicht loszulachen, biss Lucy sich auf die Lippe, und dann beging sie den Fehler, Marcus anzusehen. Er sah so belustigt aus wie sie, und als er ihr ein gespielt resigniertes, sehr vertrauliches Lächeln schenkte, fühlte sie sich wie im siebten Himmel. Marcus und sie verstanden sich ohne Worte – genau wie zwei Menschen, die eine echte Beziehung hatten.

Plötzlich glaubte Lucy, alles erreichen zu können. Vielleicht sogar, eines Tages, Marcus’ Liebe.

„Ich kann es kaum erwarten, Mutter anzurufen und ihr zu erzählen, dass ich euch beide gesehen habe“, meinte Beatrice zwanzig Minuten später, nachdem Marcus und Lucy sie zu ihrem Auto begleitet hatten. Nicht nur umarmte sie Lucy, sie küsste sie auch liebevoll auf die Wange, bevor sie vielsagend hinzufügte: „Mutter wird sich ja so freuen. Sie hatte schon immer eine Schwäche für Lucy …“

„Marcus, ich fürchte, deine Schwester hat das mit uns erraten“, warnte ihn Lucy, während sie Beatrice nachwinkten.

„Das hoffe ich doch, nach all den Andeutungen, die ich gemacht habe“, erwiderte er trocken.

„Wie bitte? Du wolltest es doch noch nicht bekannt geben!“

„Habe ich ja auch nicht. Ich habe nur Andeutungen gemacht. So, wie ich Beatrice kenne, wird es nicht lange dauern, bis sie sich eingeredet hat, dass sie das mit uns schon vor einer Ewigkeit erraten hat. Und damit entlastet sie uns von unangenehmen Fragen nach dem Tempo, mit dem wir uns verlobt haben.“

Außerdem wird es verhindern, dass Lucy es sich anders überlegt und einen Rückzieher macht, dachte er gleichzeitig für sich.

„Wir haben noch eine Stunde Zeit, bevor der Chauffeur uns abholt. Wie wär’s mit einem Spaziergang?“

„Prima“, stimmte Lucy begeistert zu.

Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass Marcus sie zu einem sehr exklusiven Juweliergeschäft lotsen würde.

„Siehst du irgendetwas, was dir gefällt?“, fragte er vor dem Schaufenster.

„Wollten wir nicht erst einen Ring besorgen, wenn wir wieder zu Hause sind?“

„Ja, und darum geht es mir im Moment auch nicht, Lucy. Du hast gerade meinen Heiratsantrag angenommen. Mit dem Verlobungsring werden wir uns öffentlich dazu bekennen, aber jetzt würde ich das Ereignis gern mit einem eher privaten Geschenk feiern … Ohrringen, vielleicht? Solche wie die dort?“ Zielsicher zeigte Marcus genau auf das Diamantohrgehänge, von dem Lucy den Blick nicht lösen konnte.

„Marcus, du brauchst mir nichts zu kaufen“, protestierte sie.

„Richtig“, sagte er, während er klingelte. „Aber ich möchte es.“

Und schon standen sie im Laden. Dicke Teppiche, Glasvitrinen, das leise Summen der Klimaanlage, Luxus, Reichtum und tadellos gepflegte Verkäuferinnen und Verkäufer.

Sobald Marcus einem von ihnen erklärt hatte, was er wollte, wurden sie in ein kleines Privatzimmer mit bequemen Sesseln geführt.

„Möchten Sie etwas trinken? Wasser, Kaffee?“, fragte der Mann.

„Kaffee, bitte. Danke.“ Lucy sah, wie Marcus die Augenbrauen hochzog. „Okay, also du brauchst kein Koffein“, sagte sie missbilligend, als sie allein waren. „Aber ich!“

„Koffein und Champagner“, erwiderte Marcus spöttisch.

In dem Moment kam der Verkäufer mit ihrem Kaffee und in Begleitung eines älteren, offensichtlich ranghöheren Angestellten zurück. Daher konnte Lucy sich nicht mehr gegen den Vorwurf verteidigen, Champagner ebenso begeistert zu konsumieren wie Kaffee.

„Sie haben einen sehr guten Blick für Schmuck, Señora“, sagte der ältere Verkäufer anerkennend zu Lucy, während er eine Stoffrolle auf dem Glas ausbreitete und die Ohrringe darauflegte. „Diese erstklassigen Steine haben keine Einschlüsse und den höchsten Reinheitsgrad. Jeder hat eineinhalb Karat und ist in Platin gefasst.“

Und bestimmt kosteten sie ein Vermögen. Im Geiste verabschiedete Lucy sich bereits von ihnen. „Sie sind wunderschön, aber …“, begann sie.

„Warum probierst du sie nicht an?“, unterbrach Marcus sie.

Widerstrebend tat sie es und sah in den Spiegel, den ihr der Verkäufer reichte. Blauweiß funkelten die Diamanten, und sie waren lupenrein, wie er gesagt hatte.

„Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Der ältere Mann verließ den Raum und nahm seinen Kollegen mit hinaus.

„Marcus, du darfst sie mir nicht kaufen“, meinte Lucy, sobald sie allein waren.

„Warum nicht? Gefallen sie dir nicht? Ich finde, sie stehen dir hervorragend.“

Nicht gefallen? Wollte er sie aufziehen? Jeder Frau würden solche Diamanten gefallen. „Natürlich gefallen sie mir. Aber darum geht es nicht.“

„Nein? Worum dann?“

„Um die Kosten, selbstverständlich. Sie sind garantiert schrecklich teuer.“

Mit gerunzelter Stirn sah Lucy ihn so bekümmert an, dass Marcus tatsächlich selbst die Stirn runzelte. Von all den Frauen, denen er schon Schmuck gekauft hatte, war Lucy die erste, die ihn bat, es wegen des Preises nicht zu tun.

Der Verkäufer kehrte mit einem viereckigen Etui zurück.

„Wir nehmen die Ohrringe“, sagte Marcus gelassen.

„Ah, Señor, Sie werden es nicht bereuen.“ Der Verkäufer strahlte. „Die Steine werden mehr als ihren Wert behalten. Und mir ist der Gedanke gekommen, dass Sie sich vielleicht auch diesen Armreif ansehen möchten. Denn auch diese Diamanten sind lupenrein, aber jeder hat nur ein Karat. Der Reif selbst ist aus Platin und Weißgold. Ein modernes und dennoch sehr feines Design“, schwärmte er und nahm den Reif aus dem Etui, damit sie ihn betrachten konnten.

Wieder hielt Lucy den Atem an. Der Armreif war wunderschön, schlicht und elegant, mit drei versetzt angeordneten Diamanten.

„Probier ihn an“, drängte Marcus sie.

„Nein“, erklärte sie energisch und stand auf. „Er ist sehr schön, aber ich trage nicht viel Schmuck. Die Ohrringe sind mehr als genug.“

Während Marcus bezahlte, wartete sie taktvoll im Hauptraum des Ladens. Draußen, im Nachmittagssonnenschein, sehnte sie sich danach, näher an Marcus heranzurücken und ihn unterzuhaken. Noch lieber wäre es ihr natürlich gewesen, wenn er ihre Hand nehmen würde. Natürlich tat er nichts dergleichen. Ein kleiner, unerwartet heftiger Schmerz durchfuhr Lucy.

„Danke für die Ohrringe“, sagte sie ruhig. „Sie sind herrlich, doch du hättest das wirklich nicht tun sollen.“

Aber er zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Möchtest du dir noch irgendetwas anderes ansehen? Viel Zeit haben wir allerdings nicht mehr. Unser Wagen müsste in einigen Minuten hier sein.“

Eigentlich wollte sie nur so schnell wie möglich zum Hotel zurückfahren, um mit Marcus allein zu sein. Seit er sie am Morgen vor ihrer Abfahrt geküsst hatte, sehnte sie sich nach ihm, von Minute zu Minute stärker und stärker. Sie begehrte Marcus, begehrte ihn verzweifelt, ungeduldig und total.

„Was hältst du davon, heute Abend auf der Terrasse zu essen? Wir können auch ausgehen oder im Hotelrestaurant essen, wenn du möchtest. Ich dachte nur, dass wir hier oben ungestört sind. Morgen Vormittag kehren wir nach London zurück, und zwar in unseren neuen Rollen als Verlobte, deshalb ist der heutige Abend vielleicht eine gute Gelegenheit, in Ruhe über etwaige Sorgen zu sprechen, die du dir wegen unserer gemeinsamen Zukunft machst.“

„Essen auf der Terrasse klingt wundervoll“, antwortete Lucy wahrheitsgemäß. Sie waren gerade aus Palma zurückgekommen und standen in ihrer Suite.

„Wir werden auch über Prêt a Party reden müssen.“

Erschrocken wurde Lucy klar, dass sie kaum einen Gedanken an ihre Firma verschwendet hatte, seit sie ins Flugzeug nach Mallorca gestiegen war. „Oh, du brauchst …“, begann sie sofort, Marcus zu versichern, dass er ihr kränkelndes Unternehmen nicht retten musste, doch dann verstummte sie. Andrew Walker wollte nicht, dass sie in diesem frühen Stadium der Verhandlungen mit irgendjemandem darüber sprach. Bis er mit einem bindenden Angebot wieder an sie herantrat, hatte sie eigentlich auch nichts zu berichten, oder? Wenn sie Marcus jetzt erzählte, dass ihre Probleme mit der Agentur gelöst waren, weil sie einen Geldgeber gefunden hatte, und Andrew Walker sie dann im Stich ließ, würde sie sehr dumm und leichtgläubig dastehen. Und sie konnte sich noch sehr gut daran erinnern, wie wütend und verächtlich Marcus reagiert hatte, als herausgekommen war, dass Nick sie betrogen hatte. Ein zweites Mal würde ihr das nicht passieren.

„Müssen wir heute Abend über Prêt a Party reden? Ich dachte …“

„Was?“, fragte Marcus.

„Dass dieser Abend für uns ist“, flüsterte Lucy errötend.

„Für uns? Tja, trotzdem wäre es zweifellos gut, wenn wir einige praktische Fragen klären könnten.“

Enttäuscht sah sie ihn an. Das hatte sie nicht gemeint!

„Praktische Fragen?“, wiederholte sie. Vielleicht solche Dinge wie Empfängnisverhütung, dachte sie unsicher. Wenn ja, würde sie ihm erklären müssen, dass sie lieber selbst die Verantwortung dafür übernehmen würde, weil sie es so sehr genoss, ihn ohne irgendetwas in sich zu fühlen.

„Ja. Zum Beispiel, wo wir wohnen werden. Ich würde am liebsten mein Haus am Wendover Square als unser Londoner Zuhause behalten. Schließlich ist es seit fast zweihundert Jahren im Besitz meiner Familie.“

„Es ist ein schönes Haus“, stimmte Lucy zu. „Besonders mit dem Garten. Aber ich würde es gern neu einrichten. Und ich will eine Espressomaschine“, fügte sie schalkhaft hinzu.

„Mit einer neuen Einrichtung habe ich kein Problem“, erwiderte Marcus trocken. „Aber über die Espressomaschine müssen wir erst noch ausführlich sprechen. Im Übrigen würde ich mich gern nach einem Haus auf dem Land umsehen.“

„Ja, das würde mir auch gefallen. Aber ich will weiter arbeiten, Marcus.“

„Natürlich. Ich auch“, entgegnete er humorvoll, dann sah er auf seine Armbanduhr. „Aber vergiss nicht, dass wir ungeschützten Sex hatten. Du könntest schon schwanger sein. Ein Unternehmen zu leiten und sich um ein Baby zu kümmern dürfte nicht einfach sein. Hör zu, es ist inzwischen sechs, und ich brauche eine Dusche. Wollen wir uns um halb acht draußen auf der Terrasse treffen? Dann gehe ich jetzt rüber in meine Suite, bestelle für acht Uhr das Dinner, dusche, ziehe mich um und mache noch einige Anrufe.“

„Perfekt“, erwiderte Lucy, obwohl sie enttäuscht war, weil Marcus sie nicht küsste, bevor er durch die Verbindungstür in seine Suite ging.

Nachdem Lucy Kaffee bestellt hatte, schloss sie die hölzernen Läden und zog die Falttür aus, mit der sich der Badbereich vom Schlafzimmer abtrennen ließ. Im Bad von Marcus überrascht zu werden war eine Sache, etwas völlig anderes war es, wenn der Zimmerkellner hereinkam, während sie in der rundum verglasten Duschkabine stand.

Das Duschen dauerte nicht lange. Lucy liebte den Luxus, sich in die dicken flauschigen Handtücher zu wickeln, die ebenso wie der Bademantel ständig ausgetauscht wurden. Nach dem Abtrocknen cremte sie ihren Körper mit einer herrlich duftenden Lotion ein, bevor sie den Bademantel anzog und die Falttür öffnete.

Nebenan wartete schon ihr Kaffee auf sie, und Lucy ging in glücklicher Erwartung ihres Lieblingsgetränks zu dem Beistelltisch. Stirnrunzelnd musterte sie die in dunkelgrünes Geschenkpapier eingepackte Schachtel, die neben dem Kaffeetablett lag. Den in Gold geprägten Namen auf dem Geschenkband erkannte sie sofort. Es war der Name des Juweliergeschäfts, das sie am Nachmittag besucht hatten.

Lucy entfernte das Papier von dem Schmucketui, das zu groß für ihre Ohrringe war. Ihr Verdacht wurde zur Gewissheit, als sie es öffnete und das Armband sah. Die Ohrringe und der Armreif? Marcus verwöhnte sie wirklich. Zumindest materiell. Nur wäre es ihr viel lieber, wenn er sie mit seiner Liebe verwöhnen würde.

Später beschlossen sie, dass sie ebenso gut in ihren Bademänteln zu Abend essen konnten. Schließlich waren sie ganz allein, und außerdem machte es den gemeinsamen Abend im Vollmondlicht noch intimer. Genießerisch nahm Lucy sich eine Garnele, tunkte sie in die Mayonnaise, aß sie und leckte sich anschließend die Finger ab. Dann lächelte sie.

„Was ist?“, fragte Marcus.

„Ich habe nur gerade an diese Szene in Henry Fieldings ‚Tom Jones‘ gedacht. Du weißt schon, diejenige, in der Sex und Essen …“

„Ach ja? Ist das ein Wink?“

„Natürlich nicht“, erwiderte sie verlegen, aber als Marcus aufstand und um den Tisch kam, schlug ihr Herz schneller vor Aufregung und Vorfreude.

Nur blieb Marcus nicht vor ihr stehen, um sie in die Arme zu nehmen, wie Lucy gehofft hatte. Stattdessen holte er das kleine Etui hervor, in dem ihre Ohrringe waren.

„Ich hätte sie dir vorhin schon geben sollen.“

Er klang so schroff und kühl, dass sie die Stirn runzelte. Zwar wollte er sie heiraten, aber zweifellos verhielt er sich nicht so. „Den hättest du mir nicht auch noch kaufen sollen.“ Dabei berührte sie ihren Armreif, dann griff sie nach dem Etui. Zu ihrer Überraschung schüttelte Marcus den Kopf, nahm ihre Hand und zog Lucy auf die Füße.

Während Marcus ihr die Ohrringe ansteckte, hielt sie den Atem an. Nicht, weil sie Angst hatte, er könnte grob sein, sondern aus Angst zu verraten, was sie für ihn empfand. Allein dass er ihr so nah war und sie berührte, erregte sie dermaßen, dass sie glaubte, vor Sehnsucht zu vergehen.

Jetzt waren die Ohrringe an Ort und Stelle, und hätte Marcus sie geliebt, wäre dies der Moment gewesen, in dem er Lucy geküsst hätte. Aber wieder entfernte er sich von ihr.

Und dann, so plötzlich, dass sie wie elektrisiert war, kam er zurück, küsste sie wild und schob ihr dabei den Bademantel von den Schultern.

Einzig ihr schneller gehender Atem durchbrach die Stille, die sie umgab. Langsam löste Marcus den Mund von ihrem und streichelte Lucy.

Sie wusste, dass niemand auf die Terrasse sehen konnte, und es hatte etwas herrlich Erotisches und Aufregendes, nackt im Mondlicht zu stehen, während Marcus‘ Hände über ihren Körper glitten und seine Lippen ihren Hals liebkosten.

„Du bist erregt“, sagte er rau, als er ihre empfindlichste Stelle berührte.

„Das hast du mit mir gemacht“, erwiderte sie zittrig.

Einen Moment sah er ihre Brustspitzen an, dann beugte er sich hinunter und saugte an einer, gleichzeitig reizte er sie tiefer und fester.

„Marcus …“, stöhnte Lucy. „Ich glaube, ich komme …“

„Gut. Ich möchte, dass du es tust.“

„Ich will dich in mir spüren“, bat sie.

„Später. Nicht reden“, befahl er. „Genieß es einfach.“

Und Lucy schloss die Augen und rang keuchend nach Atem, als ihr ganzer Körper sich anspannte und vor Lust erbebte.

7. KAPITEL

„Bist du sicher, dass wir das Richtige tun, Marcus?“

Sie kamen gerade von einem Besuch bei Lucys Eltern zurück, die überglücklich über ihre Verlobung waren. Trotz der Freude, mit der alle die Neuigkeit aufnahmen, litt Lucy seit ihrer Rückkehr nach London unter Traurigkeit und bösen Vorahnungen.

Tränen trübten ihren Blick, während die Oktobersonne in das hübsche Frühstückszimmer mit Aussicht auf Marcus’ Garten schien und von den Facetten ihres Verlobungsrings zurückstrahlte. Vom ersten Augenblick an hatte Lucy sich in den schlichten rechteckigen Diamanten mit seinem Smaragdschliff verliebt. Marcus hatte ihn in die Hand genommen und leise gesagt: „Mir gefällt dieser, aber natürlich musst du die Entscheidung treffen.“ In dem Moment hätte Lucy fast vor Glück geweint. Doch gewisse Tatsachen ließen sich einfach nicht verdrängen, seit sie wieder in London war.

„Was genau meinst du damit?“, fragte Marcus.

Dabei runzelte er die Stirn und zeigte diese vertraute Mischung aus Ungeduld und Verärgerung, in deren Folge Lucy sich immer verkrampfte vor Qual.

„Nach dem, wie unsere Familien auf unsere Verlobung reagieren, ist doch wohl klar, dass wir das Richtige tun.“ Er stand auf und ging zum Fenster.

Nervös umklammerte Lucy ihren Kaffeebecher. Dass Marcus die Diskussion nicht fortsetzen wollte, war klar, nur brauchte sie … Ich brauche seine Liebe, gestand sie sich hilflos ein. Und da es daran nun einmal mangelte, wünschte sie, er würde zumindest ihre Ängste anerkennen und ihr versichern, dass sie sich vor nichts fürchten musste. Damit sie zumindest hoffen konnte, dass er es lernte, sie zu lieben. Aber nichts davon durfte sie ihm sagen. Er würde ihre Nöte nicht verstehen und nur noch wütender auf sie werden.

„Unsere Familien nehmen an, dass … dass wir uns gernhaben“, begann sie stattdessen vorsichtig. „Und ich weiß nicht, ob eine Ehe ohne Liebe überleben kann.“

„Liebe?“ Mit finsterer Miene fuhr Marcus herum. „Warum sind alle so besessen von dem Wahn, dass diese sogenannte ‚Liebe‘ irgendeinen Wert hat? Hat sie nicht. Gerade du solltest das wissen. Schließlich hast du Nick geheiratet, weil du ihn ‚geliebt‘ hast, und sieh dir an, wohin es dich gebracht hat. Wir beide teilen die praktischen Gründe für eine Heirat, die viel wichtiger sind als Liebe. Ich brauche eine Ehefrau, die meine Lebensweise versteht und meinen Wunsch nach Kindern teilt – ganz bestimmt will ich nicht der erste Canning ohne Erben oder Erbin sein. Sexuell passen wir großartig zusammen, wie wir bereits bewiesen haben. Und du willst auch Kinder und gehörst nicht zu den Frauen, die sie außerhalb einer festen Beziehung bekommen möchten. Du hast schon einmal aus sogenannter Liebe geheiratet, Lucy. Ich hätte gedacht, dass du intelligent genug bist, um deinen Fehler einzusehen und ihn nicht wiederholen zu wollen.“

„Aber was ist, wenn du dich eines Tages in eine andere Frau verliebst, Marcus?“

„Mich verlieben?“ Er sah sie an, als hätte sie vorgeschlagen, er sollte seine Mutter ermorden. „Hast du mir überhaupt nicht zugehört? Für mich ist Liebe nur eine infantile und egoistische, mit sexueller Begierde verbundene Torheit. Mein Vater hat sich verliebt und wegen dieser ‚Liebe‘ seine Familie verlassen. Und wenn er nicht bei dem Unfall ums Leben gekommen wäre, hätte er auch noch die Bank in den Ruin getrieben. Damals habe ich gesehen, wozu ‚Liebe‘ fähig ist, und ich habe mir geschworen, mir so eine Sache niemals zu erlauben.“

Aber du warst sechs Jahre, wollte Lucy protestieren, unterließ es jedoch wohlweislich. Bis zu diesem Moment hatte sie nicht gewusst, dass Marcus so extreme Ansichten über die Liebe hatte.

Ihr Kaffee war längst kalt geworden, trotzdem hielt sie den Becher weiterhin in den Händen, als suchte sie Wärme und Trost.

Marcus bemerkte, wie verzweifelt sie aussah. „Was ist denn los?“

„Ich … ich bin nicht sicher, ob wir heiraten sollten.“

„Jetzt ist es zu spät, um es sich anders zu überlegen“, erwiderte er scharf. „Zum einen plant deine Mutter die Hochzeit, und zum anderen könntest du bereits ein Kind von mir erwarten. Wir heiraten, Lucy. Nichts wird daran noch etwas ändern.“

Und nichts wird seine Meinung über die Liebe ändern, dachte Lucy unglücklich. Wie hatte sie nur auch nur einen Moment glauben können, dass er sie lieben lernen würde? Das war unmöglich. Er wollte sie nicht lieben. Er wollte niemanden lieben.

„Ich möchte mit dir über Prêt a Party sprechen“, fuhr er energisch fort.

Augenblicklich erstarrte Lucy. Per Brief hatte Andrew Walker noch einmal absolutes Stillschweigen über ihr Treffen von ihr verlangt. Er sei noch geschäftlich im Ausland und werde sich nach seiner Rückkehr bei ihr melden. Natürlich sollten Eheleute keine Geheimnisse voreinander haben, aber sie hatte ihr Wort gegeben und nicht die Absicht, es zu brechen. Außerdem hatte Nicks Vertrauensbruch schmerzliche Narben hinterlassen. Natürlich würde Marcus sie niemals finanziell betrügen, trotzdem war es ihr wichtig, an Prêt a Party festzuhalten. Falls Marcus irgendwann zu der Überzeugung gelangen sollte, dass ihre Ehe nicht mit der von ihm gewünschten Präzision eines Uhrwerks funktionierte, brauchte sie ihre Firma. Nicht nur, um für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, sondern auch als Selbstbestätigung.

„In der gegenwärtigen Situation wäre es am einfachsten, wenn ich so viel Kapital in die Agentur stecke, dass die Schulden getilgt werden“, sagte Marcus.

„Nein! Nein, das möchte ich nicht.“

Verständlicherweise überraschte ihn ihre Abwehr.

„Warum nicht? Vor zwei Monaten hast du mich noch angefleht, dir den Rest deines Treuhandvermögens für dein Unternehmen zu überlassen.“

„Das war etwas anderes, weil es mein Geld gewesen wäre und nicht deins. Außerdem …“ Lucy verstummte. Sie durfte ihm nichts von Andrew Walker erzählen, noch nicht. Vermutlich würde Marcus ohnehin nicht verstehen, warum sie einen Fremden als Geldgeber und sogar Teilhaber akzeptierte, aber ihn nicht. Doch ihr erster Ehemann hatte in ihrem Unternehmen mitgearbeitet und es so gut wie ruiniert. Das war ihr eine Lehre gewesen.

Für Marcus hingegen war klar, warum Lucy plötzlich Bedenken wegen ihrer Heirat hatte. Weil sie Nick Blayne noch immer liebte, trotz allem, was er ihr angetan hatte. Und warum lehnte sie sein Angebot ab, die Firmenschulden zu bezahlen? „Lucy …“

„Ich trage die Verantwortung für Prêt a Party, Marcus“, unterbrach sie ihn sofort scharf. „Und ich möchte, dass es so bleibt.“

Weil die Agentur vielleicht ihre Rettung war, falls er jemals beschließen sollte, sich von ihr scheiden zu lassen.

Plötzlich fühlte sie sich sehr einsam. Manchmal kam es ihr so vor, als würde ihr ganzes Gefühlsleben aus quälenden Geheimnissen bestehen, die sie mit niemandem teilen konnte. Am liebsten hätte sie sich ihren Kummer von der Seele geweint, doch natürlich durfte sie das nicht. Ihre beiden besten Freundinnen hatten so viel Glück gehabt. Carly und Julia hatten Männer, mit denen sie alles teilen konnten, kleine Alltagssorgen ebenso wie ihre geheimsten Gedanken. Doch sie selbst hatte ihre tiefsten Sehnsüchte und Gefühle noch nie jemandem anvertrauen können, und von nun an wäre es völlig unmöglich. Marcus zu heiraten bedeutete, ihre stärksten Empfindungen nicht zuzulassen und für immer zu verdrängen. So schlimm das auch war, noch schlimmer wäre es, wenn er eine andere heiratete. Außerdem könnte es tatsächlich zu spät sein, einen Rückzieher von der geplanten Heirat zu machen. Vielleicht war sie schon schwanger.

Lucy sah auf ihre Armbanduhr. Inzwischen war Marcus vermutlich in Edinburgh angekommen. Obwohl er nur zwei oder drei Tage weg war, vermisste sie ihn bereits.

Heute fand die Werbeparty für den neuen Fußballschuh statt. Zu Lucys großer Freude hatten fast alle Eingeladenen zugesagt. Sogar Dorland würde kommen, obwohl Firmenevents, ganz gleich wie luxuriös, eigentlich nicht sein Stil waren.

Als ihr Handy klingelte, erkannte sie aufgeregt, dass es Marcus war. Zwar lebten sie offiziell noch nicht zusammen, aber sie verbrachte mehr Nächte in seinem als in ihrem eigenen Bett. Deshalb vermisste sie ihn auch so fürchterlich und freute sich riesig, als sie jetzt seine Nummer im Display sah.

„Hat deine Mutter die Einladungen zur Hochzeit schon abgeschickt?“, fragte er.

„Sie sind gestern rausgegangen“, erwiderte Lucy. Ganze Nachmittage hatte ihre Mutter im Heiligen Gral der Schreibwaren verbracht, dem Untergeschoss von Smythson’s in der Sloane Street, und eifrig Mustereinladungskarten studiert. „Aus Zeitmangel hat sie allerdings auch etliche Leute einfach angerufen. Dir ist doch klar, wie viele Gäste kommen, oder?“, fragte Lucy in warnendem Ton.

„Bei der letzten Zählung waren es zweihundert – ohne die entfernten Verwandten meiner Cousins zweiten Grades aus Neuschottland –, zumindest nach der Liste, die meine Mutter und Beatrice aufgestellt haben.“

„Was? Nein, Marcus.“ Lucy geriet in Panik. „Das hört sich ja eher an wie …“

„Zweihundert für jeden. Das heißt, meine Mutter liegt bei zweihundert. Deine Mutter konnte ihre Liste nicht unter zweihundertfünfzig drücken.“

„Aber wir wollten doch eine Hochzeit im kleinen Rahmen“, seufzte Lucy.

„Sprich mit deiner Mutter. Anscheinend ist das der kleine Rahmen“, erwiderte Marcus trocken.

Lucy stöhnte. „Zum Glück heiraten wir im Herbst. Neulich meinte Mom, im Sommer hätte sie die Parkanlage deines Square mit Zeltplanen überdacht.“

„Ja, das hat einer der Anwohner schon mal gemacht.“

„Und ich hatte schon Kunden mit solchen Wünschen und weiß, was für eine Knochenarbeit das ist. Jedenfalls waren wir beide uns doch einig, dass wir nur einen schlichten Hochzeitsempfang wollen und nicht fünfhundert Leute und einen Ballsaal im ‚Ritz‘.“

„Tja, aber wir sind nicht unsere Mütter. Hör auf, dich deswegen aufzuregen, und lass ihnen ihren Spaß“, riet Marcus. „Ich will nicht, dass du am Ende zu erschöpft bist, um unsere Flitterwochen zu genießen.“

„Falls ich es bin, liegt das nicht an den Hochzeitsvorbereitungen“, erwiderte sie mutig.

„Schon k. o. vom Sex?“

„Völlig. Wann bist du zurück?“

„Oh, also doch nicht so k. o., dass du nicht mehr willst?“

„Ich habe wegen der Taufe gefragt“, erklärte Lucy würdevoll.

„Ja? Keine Angst, ich habe nicht vergessen, dass wir am Donnerstag losfahren.“

Am Wochenende ließen Jules und Silas ihren sechs Monate alten Sohn taufen, und Lucy war eine seiner Patinnen, zusammen mit Carly, der dritten in ihrem Trio. Obwohl Silas in New York arbeitete, verbrachten er und Julia so viel Zeit wie möglich in England, hauptsächlich wegen Julias Großvater. Die Taufe sollte in der kleinen Kirche auf Amberley, seinem Herrensitz, stattfinden.

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