Traumtage in Italien

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Die schöne Musikerin Ally Parker reist an die Blumenriviera, um Licht in die Vergangenheit ihres verstorbenen Mannes Jim zu bringen. Fragen, auf die nur der Herzog Gino di Montefalco ihr Antwort geben kann. Doch in dem märchenhaften Palazzo - mitten in einem Meer von blühendem Lavendel - zählt schon bald nicht mehr, was einmal war. Ally verliebt sich unsterblich in den faszinierenden Adligen mit den samtbraunen Augen. Aber die dunklen Geheimnisse stehen zwischen ihnen...


  • Erscheinungstag 22.02.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733787967
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Lieutenant Davis?“

Der Kriminalbeamte der Polizei von Portland sah von seinem Computer auf.

„Schön, dass Sie so schnell kommen konnten, Mrs Parker.“

„Ihre Nachricht klang, als wäre es dringend.“

„Das ist es auch“, erwiderte er ernst. „Bitte treten Sie ein, und nehmen Sie Platz.“

Ally setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch.

„Ich nehme an, es gibt Neuigkeiten?“

„Allerdings. Die Frau, die bei dem tödlichen Autounfall mit Ihrem Mann im Wagen saß, konnte endlich identifiziert werden.“

Obwohl Ally ihren Ehemann vor zwei Monaten beerdigt hatte, sehnte sie diesen Moment herbei, um endlich mit den Ereignissen abschließen zu können. Andererseits hatte sie sich davor gefürchtet. Jetzt musste sie sich den schmerzhaften Tatsachen stellen. Die Zeit der nutzlosen, aber hoffnungsvollen Vermutungen war vorüber.

„Wer war sie?“

„Eine vierunddreißigjährige, verheiratete Italienerin namens Donata di Montefalco.“

Endlich bekam die Frau einen Namen und ein Gesicht.

„Die italienischen Behörden haben uns mitgeteilt, dass sie die Frau des Duca di Montefalco war, eines sehr vermögenden, prominenten Adligen aus Montefalco. Das ist eine Stadt in der Nähe von Rom. Laut Aussagen der mit dem Fall betrauten Polizei hatte der Duca auch seine eigenen Leute nach ihr suchen lassen.“

„Natürlich“, flüsterte Ally. Hatte der Duca seine Frau geliebt? Oder war seine Ehe genauso in Auflösung begriffen gewesen wie ihre?

Obwohl der Polizist es nie ausgesprochen hatte, wusste Ally, dass er Jim der Untreue verdächtigte. Der Gedanke war Ally auch gekommen. Sie hatte schon länger gespürt, dass die Ehe kurz vor dem Aus stand. Nur wollte Ally es damals nicht wahrhaben.

Jim hatte sich so sehr verändert. Den hingebungsvollen Familienmenschen, den sie geheiratet hatte, sah sie mit der Zeit gar nicht mehr in ihm. Allmählich schwand die Liebe, auch wenn Ally im Nachhinein nicht mehr den genauen Zeitpunkt benennen konnte.

Zweieinhalb Jahre waren sie verheiratet gewesen, und in den letzten sechs Monaten hatte sie Anzeichen dafür bemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Jims Dienstreisen dauerten immer länger, sein Mangel an Leidenschaft fiel ihr auf, wenn sie sich nach seiner Rückkehr liebten. Außerdem schien er sich gar nicht mehr für ihr Leben zu interessieren, wenn er seine kurzen unbefriedigenden Anrufe zu Hause machte. Und er wollte erst dann Kinder haben, wenn er mehr Geld verdiente.

Auch wenn die Neuigkeit noch keinen endgültigen Beweis für eine Affäre lieferte, so untermauerte sie immerhin den Verdacht. Der Gedanke versetzte Ally einen schmerzhaften Stich. Sie musste aus diesem Büro verschwinden, um mit ihrem Kummer allein zu sein.

Schon seit zwei Monaten bemühte sie sich, die Tatsache zu verstehen, dass ihr Mann nicht allein gestorben war. Dennoch hatte Ally zum Teil immer gehofft, dass die andere Frau älter gewesen sei, jemand, den Jim aus Freundlichkeit mitgenommen hatte. Doch von dieser Illusion konnte Ally sich jetzt verabschieden. Sie kämpfte mit starken Gewissensbissen. Warum hatte sie ihn nicht genug geliebt, um ihn zur Rede zu stellen, bevor es zu spät gewesen war?

„Danke, dass Sie mich hergebeten haben, Lieutenant.“ Sie stand kurz davor, die Fassung zu verlieren. Es war ein großer Fehler gewesen, alles zu verdrängen. Sie fühlte sich schuldig, weil sie nicht stärker um die Ehe gekämpft hatte. Vielleicht hätten sie ihre Liebe wiederfinden können.

„Ich weiß Ihre Unterstützung sehr zu schätzen.“ Sie erhob sich, und der Beamte geleitete sie bis zur Tür.

„Es tut mir leid, dass ich Sie herbestellen und Sie erneut an Ihren Verlust erinnern musste. Aber ich hatte Ihnen versprochen, Sie zu benachrichtigen, wenn ich neue Informationen bekomme. Ich hoffe, dass es Ihnen gelingt, das alles hinter sich zu lassen. Das Leben geht weiter.“

Wie soll das Leben weitergehen, wenn der Ehemann gestorben ist, mitten in einer traurigen Krise? fragte sich Ally. Wie sollte man weiter funktionieren, wenn die eigenen Träume von einem glücklichen Leben endgültig zerplatzt waren?

Der Polizist sah sie voller Mitgefühl an. „Soll ich Sie noch zu Ihrem Wagen bringen?“

„Nein, vielen Dank“, murmelte sie. „Das ist nicht nötig.“

Eilig verließ sie das Büro und hastete den Gang entlang zum Haupteingang des Polizeireviers.

Mein Gott – wie ist es nur möglich, dass es so zu Ende ging? Nichts war geklärt. Eher gesellten sich noch neue Fragen zu den alten.

Sie musste an den Ehemann der Frau denken. Bestimmt hatte er gerade erst erfahren, dass der Leichnam seiner Frau gefunden und identifiziert war. Abgesehen von Monaten des Leids seit ihrem Verschwinden und seinem Verlust, musste er sich jetzt auch noch fragen, welche Rolle Jim in Donatas Leben gespielt hatte.

Wo auch immer der Duca di Montefalco sich gerade aufhielt – Ally wusste, dass er durch die Hölle ging.

Das konnte sie gut nachvollziehen …

„Onkel Gino? Wie kommt es, dass wir jetzt eine Weile auf deinem Gut leben?“

Rudolfo Giannino Fioretto di Montefalco, der nur von seiner Familie und ein paar sehr engen Freunden Gino genannt wurde, betrachtete seine elfjährige Nichte im Rückspiegel. Das Mädchen saß neben Marcello, Ginos älterem Bruder.

„Weil es Sommer ist. Ich dachte, du und dein Vater genießt es, hinaus in die Natur zu kommen, anstatt im palazzo eingesperrt zu sein.“

„Aber was ist, wenn Mama zurückkommt und wir sind nicht da?“

Gino stählte sich innerlich. Der Moment, vor dem ihm gegraut hatte, war gekommen.

Neben dem Landhaus schaltete er den Motor ab. In den letzten Sonnenstrahlen des Tages warfen die Zypressen Schatten auf die gelblichen Wände.

Um sich zu vergewissern, dass Sofia die Hand ihres Vaters hielt, drehte Gino sich nach hinten. Seit Marcello unter Alzheimer litt und nicht mehr sprechen konnte, war das eine Möglichkeit für seine Tochter, ihre Liebe zu ihm auszudrücken. Sofia hoffte, so auch seine Liebe für sie zu spüren.

„Ich muss dir etwas Wichtiges sagen, Liebes.“

Eine ganze Minute verging. In dieser Zeit war jegliche Farbe aus dem Gesicht seiner Nichte gewichen. „Und was?“, fragte sie schließlich mit zitternder Stimme. Die Anspannung, monatelang in der Ungewissheit zu leben, wo ihre Mutter war, hatte Sofia die ganze Lebensfreude genommen.

„Sofia, ich habe schlechte Nachrichten. Deine Mama war in einen Autounfall verwickelt, und … sie ist gestorben.“

Schon vor vier Monaten, aber Gino hatte die Information erst am Vorabend erhalten. Den heutigen Tag hatte er mit den Vorbereitungen für Sofias und Marcellos Umzug aufs Land verbracht.

Die Einzelheiten der Tragödie brauchten weder sie noch das vertrauenswürdige Personal im palazzo oder das im Landhaus zu erfahren.

Gino beobachtete Sofias schmerzerfüllten Gesichtsausdruck. Als die Nachricht zu ihr durchgedrungen war, hörte er das Schluchzen des todunglücklichen Mädchens, das den Kopf an die Schulter ihres Vaters drückte.

Marcello sah sie verständnislos an, unfähig, seine Tochter zu trösten.

Unbehaglich saß Gino auf dem Vordersitz und glaubte das Schluchzen des Kindes zu spüren. Tränen schnürten ihm die Kehle zu. Nachdem Donatas Leiche gefunden und identifiziert worden war, hatte der Albtraum ihres Verschwindens ein Ende. Aber gerade begann ein neuer …

Seine mutterlose, jetzt schon äußerst introvertierte Nichte würde mehr Liebe und Verständnis brauchen denn je.

Gino musste mit dem Pfarrer sprechen, um einen privaten Trauergottesdienst zu arrangieren, bei dem Sofia sich – unbeobachtet und vor neugierigen Blicken geschützt – von ihrer Mutter verabschieden konnte. Als Nächstes wollte Gino dann den Wachschutz verstärken, um seine Familie vor der Presse abzuschirmen.

Carlo Santi, der ranghöchste Polizeibeamte der Region und einer der besten Freunde der Familie, tat sein Bestes, um zu verhindern, dass interne Polizei-Informationen zu den Medien durchsickerten. Aber es gab immer tollwütige unersättliche Geier von der Regenbogenpresse, die gnadenlos in die Privatsphäre eindrangen. Stets lauerten diese Leute im Hintergrund, um etwas Pikantes über Gino und seine Familie aufzuschnappen. Das war der Preis, den sie für den Adelstitel und ihren Reichtum zahlen mussten.

Ohne Carlos ständiges Eingreifen in den vergangenen Monaten wäre die Situation vermutlich erheblich früher sehr unschön geworden.

Seit dem plötzlichen Eintreten von Marcellos Krankheit vor zwei Jahren hatte Donatas Selbstsucht die Ehe zerstört. Ihrer Tochter fügte sie damit irreparable Schäden zu. Donata muss wohl eine der gefühllosesten und pflichtvergessensten Ehefrauen und Mütter der Welt gewesen sein, dachte Gino wütend.

Er hatte getan, was in seinen Kräften stand, um Bruder und Nichte vor dem Schlimmsten zu schützen. Dadurch war Gino gezwungen, die Familiengeheimnisse mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit zu hüten. Donata hatte es genossen, sich öffentlich darüber zu beklagen. Ihre unüberlegten Äußerungen fanden zu der Zeit zu oft ihren Weg in die Medien, wodurch ihrer aller Leben überschattet wurde, besonders Ginos. Mit versteckten Andeutungen machte sie aus ihm den habgierigen neidischen Schwager, der sie und den Titel für sich selbst wollte.

Das Einzige, was Donata nie in Betracht gezogen hatte, war ihr eigener Tod.

Wenn die Medien erst einmal Wind von dem tödlichen Unfall bekämen – alles, was Gino getan hatte, um die Familienangelegenheiten unter Verschluss zu halten, würde ans Licht kommen und zu einem öffentlichen Skandal führen. Die Tatsache, dass ein amerikanischer Mann, der altersmäßig zu Donata passte, den Unfallwagen gelenkt hatte, würde den Paparazzi reichlich Stoff bieten. So eine Geschichte würde die Auflagen der Zeitungen in die Höhe treiben und hätte weitreichende Auswirkungen auf Sofia.

Schon die bisherigen Ereignisse könnten seine Nichte möglicherweise zerstören. Was die bösartigen Gerüchte zusätzlich anrichten konnten, wollte Gino sich lieber nicht ausmalen.

Aber er konnte nicht viel mehr tun. Die beiden auf dem Rücksitz brachte er aus der Schusslinie und an einen sicheren Ort. Hoffentlich genügt es, um skrupellose Journalisten daran zu hindern, alte Lügengeschichten über mich auszugraben, überlegte Gino grimmig. Mit den Storys würden sie den Verkauf ihrer schmierigen Blätter ankurbeln.

Seit seiner Jugend war er dazu verdammt, sich mit der Presse herumzuschlagen. Jetzt schien es Sofias Schicksal zu werden, aber nicht, wenn er es verhindern konnte.

Der Dirigent legte seinen Stock nieder. „Zehn Minuten Pause. Dann machen wir mit Brahms weiter.“

Dankbar für die Verschnaufpause, legte sie die Violine auf den Stuhl und folgte den anderen Streichern hinaus aus dem Konzertsaal. Ally ging den Korridor hinunter, bis sie allein war, und holte ihr Handy aus der Handtasche.

Sie erwartete einen Anruf von ihrem Hausarzt. Nach dem gestrigen Treffen mit dem Kriminalbeamten hatte sie eine heftige Migräne entwickelt, die immer noch nicht abklang. Per Fernabfrage hörte Ally die Nachrichten auf dem Anrufbeantworter ab. Die Sprechstundenhilfe teilte mit, dass der Arzt ein Schmerzmittel verschrieben habe und Ally es abholen könne. Wenn ich nur etwas Erleichterung finden könnte …

Momentan erschien ihr alles ganz unwirklich. Der Schmerz über die missglückte Ehe und die näheren Umstände von Jims Tod, das alles war einfach zu viel für sie.

Jemand anderes hatte noch eine weitere Nachricht für Ally hinterlassen, aber das konnte warten, bis sie nach Hause kam. Das Pochen in ihrem Schädel ließ nicht nach.

„Ally?“ Carol rief nach ihr. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Ich habe eine schreckliche Migräne. Tu mir einen Gefallen, und sag dem Maestro, dass ich nach Hause muss. Morgen früh zur Probe werde ich pünktlich wieder da sein.“

Übermorgen stand die Aufführung des traditionell Ende Mai stattfindenden Konzerts des Philharmonischen Orchesters von Portland auf dem Programm.

„Das tue ich. Und mach dir keine Sorgen wegen deiner Violine. Ich nehme sie mit nach Hause und bringe sie morgen wieder her.“

„Du bist ein Engel.“

Nach einem Zwischenstopp bei der Apotheke, wo Ally sofort eine ihrer Tabletten genommen hatte, fuhr sie direkt nach Hause und legte sich mit einem Eisbeutel auf der Stirn ins Bett. Nach einer Stunde fühlte Ally sich allmählich ein wenig besser. Nur gab es leider keine Pille gegen die Fragen, die ihr im Kopf herumschwirrten und keine Ruhe ließen.

Zum einen wollte sie den Ort sehen, an dem Jim verunglückt war. Ihre Mutter hielt das für keine gute Idee, sie meinte, es wäre zu schmerzhaft.

Aber Ally empfand jetzt schon so viel Schmerz – schlimmer konnte es eigentlich nicht werden. Es war ihr ein Bedürfnis, die Brücke zu sehen, auf der Jims Wagen bei Glatteis ins Schleudern geraten und in den Fluss gestürzt war. Während eines Schneesturms in der Schweiz, in der Nähe von Sankt Moritz, hatte Jim die Kontrolle über das Auto verloren.

Außerdem verspürte Ally auch den Wunsch, Donatas Heim zu sehen. Vielleicht würde sie sich sogar mit dem Duca, ihrem Leidensgenossen, telefonisch austauschen, wenn sie erst einmal in Montefalco angekommen war. Sicherlich quälten ihn auch viele offene Fragen. Möglicherweise konnte ein Gespräch ihnen beiden helfen, etwas besser mit der Tragödie fertig zu werden.

Zielbewusst wie schon seit Monaten nicht mehr, buchte sie für den nächsten Tag einen Flug von Portland in die Schweiz. Von dort aus wollte sie dann nach Italien weiterreisen.

Am späteren Nachmittag fühlte sie sich schon wieder fit genug, um zur Bank zu fahren und Reiseschecks zu besorgen. Die Entscheidung, etwas Konkretes zu unternehmen, wirkte offenbar heilsamer als alle Tabletten. Jetzt brachte Ally auch noch die Energie auf, zu packen und ihre Nachbarn darum zu bitten, die Post aus ihrem Briefkasten zu holen.

Dann nahm sie noch eine Tablette und ging zu Bett. Beim Aufwachen am nächsten Morgen ging es ihr erheblich besser.

Während Ally auf das Taxi zum Flughafen wartete, hörte sie die Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter ab, die sie am Abend vergessen hatte.

„Hallo, Jim! Hier ist Troy vom Sportstudio Goldener Arm. Da wir eine neue Geschäftsleitung bekommen, haben wir alle Schließfächer ausgeräumt. Ich habe etwas ziemlich Wertvolles von Ihnen gefunden. Leider habe ich weder Ihre Telefonnummer noch Adresse, weshalb ich jetzt alle J., Jim oder James Parkers in der Stadt durchprobiere, um Sie zu finden. Rufen Sie mich bitte auf jeden Fall zurück, sodass ich Sie gegebenenfalls von der Liste streichen kann. Wenn Sie der richtige Jim sind, kommen Sie bitte innerhalb von vierundzwanzig Stunden vorbei, sonst ist alles weg.“

Ally hatte ihren Mann vor zwei Monaten begraben. Jemanden heute am Telefon nach ihm fragen zu hören ließ sie erschauern. Dieser Anruf war wie ein Geist aus der Vergangenheit.

Da Jim nie Mitglied eines Sportstudios gewesen war, rief Ally sofort zurück, um das dort mitzuteilen.

„Sportstudio Goldener Arm.“

„Ich möchte mit Troy sprechen.“

„Am Apparat.“

„Sie haben gestern hier angerufen. Ich bin die Frau von James Parker, aber ich fürchte, dass Sie den falschen Jim Parker erwischt haben.“

„In Ordnung. Der Jim, nach dem ich suche, arbeitet häufig in Europa und ist nicht verheiratet. Danke, dass Sie Bescheid gesagt haben.“

Er legte auf, aber Allys Finger krampften sich um den Hörer. Es gelang ihr nicht, die Worte abzuschütteln. Im Laufe ihrer Ehe hatte sie zu oft kleine Hinweise ignoriert – weil sie nicht glauben wollte, dass etwas nicht stimmte.

Aber inzwischen hatte sich vieles geändert. Ally war nicht mehr die naive Träumerin, die Jim das Jawort gegeben hatte.

Ally ließ das Taxi auf dem Weg zum Flughafen bei dem Sportstudio vorbeifahren. Weil sie ohnehin wenig Zeit hatte, bat Ally den Fahrer zu warten.

Im Studio trainierten trotz der frühen Stunde schon einige Leute. Der Trainer am Empfangstresen warf ihr einen männlich-interessierten Blick zu. „Hi!“

„Hallo. Sind Sie Troy?“

„Der bin ich.“

„Ich bin Mrs Parker – ich hatte Sie heute Morgen angerufen.“

Er blinzelte. „Hatten Sie nicht gesagt, dass ich bei Ihnen an der falschen Adresse bin?“

„Etwas, was Sie gesagt haben, lässt darauf schließen, dass es doch der richtige Jim war. Hat er Ihnen gesagt, was er in Europa macht?“

„Ja. Er verkauft Skibekleidung. Wir hatten eine Abmachung: Ich ließ ihn kostenlos trainieren und bekam im Austausch dafür von ihm seine beste Skiausrüstung.“

Sie atmete tief durch. „Dann war es mein Ehemann.“

Irritiert sah er sie an. „Was meinen Sie mit ‚war‘?“

„Jim ist vor vier Monaten gestorben.“

„Das kann doch nicht wahr sein … deshalb ist er nicht mehr hier aufgetaucht. Was ist geschehen?“

„Er ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen.“

„Es tut mir leid, Mrs Parker. Da habe ich vermutlich etwas missverstanden, als ich dachte, er sei nicht verheiratet.“

Sie schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Wann ist er denn diesem Club beigetreten?“

„Ungefähr vor einem Jahr.“

Ein ganzes Jahr?

Sie musste sich zusammenreißen, um nicht die Fassung zu verlieren. Entschlossen zog Ally das kleine Foto von Jim aus ihrem Portemonnaie.

Troy betrachtete es, dann nickte er. „Kleinen Moment, ich hole alles, was er hiergelassen hat.“

Eine halbe Minute später kam er mit einem silberfarbenen Laptop aus einem Büro. Ally hatte das Gerät noch nie gesehen. Verlegen bat Troy sie, eine Quittung zu unterschreiben.

„Vielen Dank für Ihren Anruf, Troy. Denn mir liegt natürlich sehr viel daran, alles aufzuheben, was meinem Mann gehört hat.“

„Natürlich. Ich bin froh, dass Sie jetzt gekommen sind, weil wir es sonst verkauft hätten. Das mit Ihrem Mann tut mir sehr leid.“

„Mir auch“, murmelte sie vor sich hin.

Von der Anschaffung dieses Laptops hatte sie nie etwas erfahren. Die Firma hatte Jim einen für die Arbeit unterwegs zur Verfügung gestellt. Die Existenz dieses Computers konnte nur bedeuten, dass er etwas zu verbergen hatte.

Sie musste ihn mit nach Europa nehmen, da sie jetzt nicht mehr nach Hause zurückfahren konnte. Erst auf der Rückreise in die Staaten wollte Ally hineinschauen. Wenn sie dann schmerzliche Geheimnisse entdeckte, würde sie hoffentlich in der Lage sein, besser damit umzugehen.

Wieder im Taxi packte sie den Laptop in ihren Koffer und bat den Fahrer, etwas Gas zu geben. Während der Fahrt schauderte sie bei der Erkenntnis, dass ihr Mann seit acht Monaten in einem Sportstudio trainiert hatte, ohne dass sie etwas davon wusste.

Es war schon traurig genug, zu erkennen, dass sie sich voneinander entfernt hatten. Aber zu entdecken, dass ihr Mann ein geheimes Leben geführt hatte, war schrecklich. Oh Jim. Was ist nur mit dem Mann geschehen, den ich geheiratet habe? Habe ich dich jemals wirklich gekannt?

Ally begann das ernstlich zu bezweifeln …

Mit Unterstützung des Personals half Gino der trauernden Sofia und ihrem Vater in die Limousine, die vor der kleinen Kirche auf sie wartete. Eben hatten sie Ginos Schwägerin auf dem Friedhof unter strengster Geheimhaltung beigesetzt. Zur gleichen Zeit war Donatas Tod auch der Presse bekannt gegeben worden.

„Ich komme in ein paar Minuten nach, Kleines.“

Sofia sah ihn mit verweinten Augen an. „Bleib nicht so lange.“

„Bestimmt nicht, das verspreche ich dir. Ich will mich nur von einigen Leuten verabschieden und beim Pfarrer bedanken.“

Sie nickte, bevor Paolo, Ginos Gutsverwalter, den Wagen startete.

Erleichtert darüber, dass die Beerdigung hinter ihm lag, wandte Gino sich Carlo zu, den er gebeten hatte zu warten, bis sie ungestört miteinander reden konnten.

„Jetzt geht der Ansturm ernstlich los, Carlo.“

„Warum? Was ist geschehen?“

„Einer der Sicherheitsbeamten im palazzo hat gerade gemeldet, dass eine Frau, die behauptet, Mrs Parker zu sein, versuchte, sich Zutritt zu verschaffen, um Marcello zu treffen. Wieder ein neuer Trick der Paparazzi, die es auf meine Familie abgesehen haben.“

Der andere Mann schnalzte mit der Zunge. „Ich muss sagen, es überrascht mich, dass sie unverfroren genug sind, als Ehefrau des Verstorbenen aufzutreten.“

Gino verzog das Gesicht. „Mich erstaunt gar nichts mehr. Sie kam mit einem Taxi. Der Wächter war so umsichtig, sich das Autokennzeichen zu notieren.“

„Soll ich sie suchen und überprüfen lassen?“

Da hatte Gino eine bessere Idee. „Wenn du sie finden kannst, würde ich sie ausnahmsweise gern befragen.“

„Was hast du vor?“

„Wie lange könnte man sie festhalten?“

„Nur zwölf Stunden. Wenn du keine Beweise hast, müssen wir sie wieder laufen lassen.“

Ginos Augen funkelten. „Keine Sorge. Sie wird sich wünschen, mir nie ins Gehege gekommen zu sein.“

Ernst zog Carlo einen Notizblock aus der Tasche. „Gib mir die Autonummer, ich lasse nach der Frau fahnden.“

„Wie immer bin ich dir zu großem Dank verpflichtet.“

„Unsere Familien standen sich seit jeher sehr nahe. Ich werde nicht zulassen, dass man euch zerstört – dich und Sofia.“

Diese Worte bedeuteten Gino mehr, als sein Freund ahnte.

Grazie, Carlo.“

Jemand klopfte laut an die Zimmertür.

„Signora Parker?“

Erst seit einer Stunde lag Ally im Bett und stöhnte jetzt ungläubig auf. Die langen Flüge, erst von Oregon in die Schweiz und dann nach Rom, waren schon anstrengend genug gewesen. Aber die schreckliche Zugfahrt nach Montefalco in einem heißen überfüllten Zug hatte ihr den Rest gegeben.

Und damit waren die Probleme noch nicht zu Ende gewesen. Jedes Hotel in der Stadt war aufgrund eines Festivals ausgebucht. Wenn der Taxifahrer sich ihrer nicht erbarmt und Ally bei seiner Schwester untergebracht hätte, wäre sie gezwungen gewesen, für die Nacht nach Rom zurückzukehren. Ein grauenhafter Gedanke!

Das Pochen wurde lauter.

„Signora!“

Ally begriff nicht, was eigentlich los war.

„Kleinen Moment, bitte!“ Sie setzte sich auf und fuhr sich unbewusst mit der Hand durch die kurzen blonden Locken, die sie jünger aussehen ließen als achtundzwanzig.

Nachdem Ally sich einen Morgenmantel übergezogen hatte, eilte sie zur Tür.

Die ältere Frau sah müde aus und klang atemlos. „Schnell! Sie müssen sich anziehen! Ein Wagen vom palazzo di Montefalco wartet auf Sie.“

Allys grüne Augen weiteten sich vor Erstaunen. „Aber das ist unmöglich!“

Vorhin war sie doch von den bewaffneten Wachmännern an den Toren zum Palast abgewiesen worden. Niemand außer ihr konnte wissen, wohin das Taxi danach gefahren war.

„Sie müssen eine sehr wichtige Persönlichkeit sein, wenn der Duca di Montefalco selbst nach Ihnen schickt. Beeilen Sie sich! Sie können den Fahrer nicht warten lasen.“

„Ich werde so schnell wie möglich hinausgehen. Vielen Dank.“

Einer der Wachleute musste dem Taxi hierher gefolgt sein, alles andere stellte für Ally ein absolutes Rätsel dar. Wie sonst wäre es ihnen möglich gewesen, sie hier zu finden?

Aber das spielte jetzt keine Rolle. In ein paar Minuten würde Ally endlich den Mann treffen, dessentwegen sie Tausende von Kilometern geflogen war. Nach ihren vergeblichen Versuchen, ihn von Rom aus telefonisch zu erreichen, und dem Fiasko an der Palasteinfahrt hatte sie schon beinahe die Hoffnung aufgegeben.

Schnell zog sie eine saubere Jeans und eine grün gemusterte Bluse an. Um halb zwei Uhr morgens fühlte Ally sich nicht in der Stimmung für das mitgebrachte Kostüm.

Nachdem sie sich noch die Turnschuhe zugeschnürt hatte, packte sie ihre restlichen Sachen schnell in den Koffer. Anschließend vergewisserte sie sich, dass sie nichts liegen lassen hatte, und legte zweihundert Dollar auf die Kommode. Die andere Frau stand wartend in der Diele.

„Es tut mir leid“, sagte Ally zu ihr, „dass Sie meinetwegen zu dieser späten Stunde geweckt wurden. Besonders weil sie freundlich gewesen sind und mich aufgenommen haben. Ich habe etwas Geld für Sie und Ihren Bruder auf die Kommode gelegt. Vielen Dank noch einmal für alles, speziell für die köstliche Mahlzeit und die Möglichkeit zu duschen. Bitte danken Sie Ihrem Bruder auch von mir. Ich weiß nicht, was ich ohne Ihre Hilfe gemacht hätte.“

Ungeduldig nickte die Frau. „Ich richte es ihm aus. Aber jetzt beeilen Sie sich!“ Schon öffnete sie die Tür, die auf eine enge Gasse hinausging. Der Blick war jedoch von einer glänzenden schwarzen Limousine versperrt, die direkt vor der Tür wartete.

Das Licht aus der Diele beleuchtete den goldenen Falken des Montefalco-Wappens auf der Motorhaube. Als Ally über die Schwelle trat, stieß sich ein in Schwarz gekleideter Mann von der Wand ab, an der er offenbar gelehnt hatte.

Da sie nur einen Meter fünfundsechzig groß war, bemerkte Ally sofort, wie überlegen der kräftige Mann mit den nachtschwarzen Haaren vor ihr stand. Irgendetwas an seiner würdevollen Haltung und seinen beinahe raubvogelartigen Gesichtszügen, die ihn von den meisten anderen Italienern unterschieden, die sie heute gesehen hatte, erschreckte sie.

Mit einer sparsamen Bewegung hatte er sie von der Handtasche und ihrem Koffer befreit.

„Geben Sie das zurück“, schrie sie. Ally versuchte, ihm den Koffer zu entreißen, aber es war hoffnungslos. Sie konnte es nicht mit ihm aufnehmen. Außerdem hatte er inzwischen alles im Kofferraum verstaut.

Mit spöttischem Blick hielt er ihr die hintere Wagentür auf.

Das Licht der Innenbeleuchtung zeigte ihr einen breitschultrigen Mann, der ohne Zweifel sehr stark war. Die Sonne hatte seine von Natur aus eher dunkle Haut gebräunt. Er war mehr als nur das, was man üblicherweise als gut aussehend bezeichnete. Die Worte „prächtig“ und „verwegen“ kamen Ally in den Sinn, bevor sie auf dem Rücksitz Platz nahm.

Dann fragte sie sich, ob es nicht sehr leichtsinnig war, sich von einem vollkommen Fremden von ihrer einzigen Zuflucht in einem fremden Land weglotsen zu lassen. Außer dem Taxifahrer und seiner Schwester kannte Ally hier keine Menschenseele.

Noch schlimmer war, dass sie es auf der Bahnfahrt irgendwie geschafft hatte, das Handy zu verlieren. Jetzt verfügte Ally nicht einmal über die Möglichkeit, Hilfe herbeizurufen. Vermutlich hatte es jemand gestohlen.

Allys Gefühl, vielleicht auf Hilfe angewiesen zu sein, verstärkte sich, als der geheimnisvolle Italiener sich hinter das Lenkrad setzte und die Zentralverriegelung betätigte.

Nachdem er den Motor angelassen hatte, schossen sie die leere Gasse zur Hauptstraße hinunter. Kurz danach wusste Ally mit Sicherheit, dass sie in Schwierigkeiten steckte.

Anstatt den Hügel hinaufzufahren, lenkte der Fahrer den Wagen über gerade Straßen. Er schien ein Ziel anzupeilen, das keinesfalls in der Nähe des ockerfarbenen herzoglichen Palastes oben auf dem Berg lag.

Ach, ich hätte lieber auf meinen Instinkt hören und bis zum nächsten Morgen in dem Zimmer bleiben sollen, anstatt das schützende Bett in der Wohnung der alten Frau zu einer so ungewöhnlichen Uhrzeit zu verlassen.

Seufzend beugte Ally sich in dem Ledersitz nach vorn. „Das ist nicht der Weg zum Palast.“ Sie sprach mit bemüht fester Stimme. „Bringen Sie mich bitte wieder zum Haus der Frau zurück.“

Der rätselhafte Wachmann ignorierte die Aufforderung und fuhr ungerührt weiter, bis sie in eine andere Gasse einbogen. Ally sah verschiedene kommunale Gebäude vor sich aufragen.

„Wohin bringen Sie mich?“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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