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Trotz aller Zweifel: Alessandra und Cameron sind nach ihrer Blitzhochzeit weiter glücklich! Ihr Geheimrezept? Nur eine Wochenend-Ehe führen! Bis Alessandra der heimlichen Sehnsucht nachgibt und Cameron bei einer Tagung überrascht - und etwas passiert, das alles verändert …


  • Erscheinungstag 23.12.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766436
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

Das Telefon auf Alessandras Schreibtisch klingelte durchdringend, und bereits nach dem ersten Läuten nahm sie den Hörer ab.

“Ja, bitte?”, fragte sie kurz angebunden.

Bei Holloway Advertising – der Werbeagentur, für die sie arbeitete – sagte man ihr nach, sie würde weder Worte noch Zeit verschwenden. Einmal hatte sie zufällig gehört, wie eine Sekretärin einer anderen gegenüber bemerkte, Alessandra Walker sei tüchtig wie ein Roboter, und sie hatte nicht glauben wollen, dass man tatsächlich von ihr sprach.

“Alessandra, wo zum Teufel hast du den ganzen Tag lang eigentlich gesteckt?”, erklang die Stimme ihres Bosses Andrew Holloway aus dem Hörer.

Alessandra schätzte ihn, weil er, wie sie gleich gemerkt hatte, Fantasie und einen ausgeprägten Sinn für wirkungsvolle Werbung besaß, nur hielt er sich leider für unwiderstehlich und für ein Geschenk an alle Frauen.

“Ich habe einige Entwürfe persönlich abgeliefert und bin gerade erst ins Büro gekommen”, erklärte sie.

“Ich muss dringend mit dir reden, Alessandra.”

“Tut mir leid, aber ich bin sehr beschäftigt”, erwiderte sie energisch und schnitt beim Anblick ihres vollen Schreibtischs ein Gesicht. “Kann das Gespräch nicht warten?”

“Das kann es ganz sicher”, antwortete Andrew voller Genugtuung. “Wie wäre es, wenn wir uns nach Dienstschluss bei einem Drink unterhalten würden?”

Alessandra hatte das Gefühl, er hätte es bewusst darauf angelegt, dass sie um einen Aufschub der Besprechung bat, damit er seine Einladung anbringen konnte. Das ist die reinste Manipulation, dachte sie seufzend. “Nein, Andrew, es geht nicht. Ich habe noch viel zu erledigen, bevor ich Feierabend machen kann.” Ihre Stimme klang plötzlich sanfter, während Alessandra das Hochzeitsfoto auf ihrem Schreibtisch betrachtete. “Und zu Hause wartet dann, wie du dich vielleicht erinnerst, mein Mann auf mich.”

Das ist nicht wirklich gelogen, sagte sie sich ein bisschen zerknirscht. Sie erwartete ihn zwar von einer Geschäftsreise zurück, aber er würde erst spät nach Hause kommen. Außerdem würde er niemals auf sie warten, denn nur eins war bei ihrem hinreißenden und unergründlichen Ehemann vorhersagbar: Cameron Calder wartete auf niemanden.

“Alessandra, mein Herzblatt, bitte komm nachher mit!”

Es amüsierte sie, dass ihr Boss ihr gegenüber nach drei Jahren noch immer seinen Charme spielen zu lassen versuchte. Andrew gab einfach nicht auf und verstand nach wie vor nicht, warum sie ihm nicht schon längst in die Arme gesunken war.

Na ja, er war durchaus attraktiv: groß und athletisch, blond und blauäugig. Außerdem war er wohlhabend und liebenswürdig, und Frauen mochten ihn, deshalb brauchte er nicht mit einer Abfuhr zu rechnen, wenn er eine Frau einlud. Außer bei ihr, Alessandra. Er hatte sie oft genug gebeten, mit ihm auszugehen, sie hatte seine Einladungen jedoch aus einem ganz einfachen Grund niemals angenommen: Sie war nicht im Geringsten an ihm interessiert. Bisher war sie nur an einem Mann jemals interessiert gewesen – und den hatte sie geheiratet.

Sie nahm das Foto mit dem Silberrahmen in die Hand, das nach ihrer Trauung mit Cameron aufgenommen worden war – einer ganz schlichten Zeremonie, da sie beide aus unterschiedlichen Gründen keine aufwendige Feier gewünscht hatten.

Camerons Eltern waren tot, er hatte keine Geschwister, und ihre, Alessandras, große Familie lebte in Italien. Als erfolgreicher Unternehmer hatte er natürlich viele Geschäftsfreunde und Bekannte, beim Gespräch über die Planung der Hochzeit hatte er jedoch energisch gesagt: “Wir laden entweder alle ein oder keinen. Was ist dir lieber, eine ganz schlichte Trauung oder eine mit allem Drum und Dran?”

Alessandra fiel die Entscheidung leicht. Sie hatte nur wenige enge Freundinnen, die nicht gekränkt sein würden, wenn sie keine Einladung erhielten. Ihre Familie würde das Geld für die Flugtickets nach England nur schwer erübrigen können und sich mit ihrem zukünftigen Mann wahrscheinlich nicht auf Anhieb verstehen. Es gelang ihr, Alessandra, einfach nicht, sich den kühlen, undurchschaubaren Cameron im Umgang mit ihren chaotischen, lauten und lebhaften Angehörigen vorzustellen.

Nein, von der Hochzeit wollte sie kein großes Aufhebens machen! Man brauchte sich ja nur vor Augen zu halten, wie viele Leute das taten und sich bald danach schon wieder scheiden ließen. Außerdem hatte sie immer Bedenken gegen die Ehe gehabt, ja, sie hatte sich sogar geschworen, niemals zu heiraten – und bei dem Entschluss wäre sie vermutlich geblieben, wenn Cameron ihr nicht begegnet wäre. Kein anderer, dessen war sie sich sicher, hätte sie in einer derart entscheidenden Frage umstimmen können. Er war jedoch ausgesprochen hartnäckig gewesen – und wie hätte sie einem wahren Traummann wie ihm widerstehen können?

“Ich möchte eine schlichte Trauung”, verkündete sie schließlich.

Cameron blickte sie mit zusammengekniffenen Augen forschend an, und um seine schön geschwungenen Lippen zuckte es. “Darunter verstehe ich eine kurze Zeremonie auf dem Standesamt mitsamt zwei Trauzeugen. Keine Kirche, keine Blumen, keine Orgelmusik – und kein langes weißes Kleid. Bisher dachte ich immer, jede Frau würde sich eine solche Traumhochzeit wünschen.”

Herausfordernd hob Alessandra das Kinn, da entdeckte sie das Funkeln in seinen blaugrauen Augen, das ihr verriet, dass er sie nur necken wollte. Oh nein, auf den Köder würde sie nicht anbeißen! “Ich nicht”, antwortete sie nachdrücklich und fragte sich, ob er tatsächlich ein bisschen enttäuscht aussah. Oder bildete sie es sich nur ein?

Einige Tage nach dem Gespräch kaufte sie sich ein schlichtes Kleid für die Trauung und verzichtete bewusst auf das traditionelle Weiß. Stattdessen wählte sie ein kurzes, enges rotes Leinenkleid, das ihre gute Figur betonte und ihre großen braunen Augen und das dunkle Haar zur Geltung brachte.

Die Nacht vor der Hochzeit verbrachte sie mit Cameron in seinem Apartment, weil ihr wirklich nichts an überholten Traditionen und Bräuchen lag, und fuhr am nächsten Tag mit ihm zusammen zum Standesamt. Sie war überrascht und erfreut zugleich, als er den Taxifahrer auf dem Weg dorthin anwies, an einem Blumengeschäft zu halten, und ihr den größten Strauß leuchtend roter Rosen kaufte, den sie jemals gesehen hatte. Dann baten sie zwei Passanten, als Trauzeugen zu fungieren, und heirateten. Nach der kurzen Zeremonie hatte Cameron seltsam still gewirkt.

Nun betrachtete Alessandra das Hochzeitsbild in ihrer Hand. Es war das einzige Foto, das an jenem Tag gemacht worden war. Sie stand neben ihrem frischgebackenen, umwerfend gut aussehenden Ehemann und lächelte unsicher in die Kamera. War ich damals wirklich unsicher, fragte sie sich.

Ja, und sie war es bis zu einem gewissen Grad immer noch, verbarg es jedoch bewundernswert gut. Es mangelte ihr zwar nicht an Selbstbewusstsein, aber Cameron war so großartig und sie so in ihn verliebt, dass sie sich manchmal nicht sicher war, ob sie nur träumte oder wirklich mit ihm verheiratet war. Er hätte jede Frau haben können, und ausgerechnet sie hatte er gewählt!

Seltsamerweise fiel es ihr mittlerweile schwer, sich weiterhin so kühl und unnahbar zu geben wie damals, als er sich in sie verliebt hatte, und sie musste aufpassen, dass sie nicht zu einer kritiklos bewundernden Ehefrau wurde, die wie eine Klette an ihrem Mann hing. Eine solche Frau würde Cameron bestimmt verachten.

Wie immer, wenn sie an ihn dachte, durchzuckte Erregung sie. Rasch stellte Alessandra das Foto zurück. Nach sechs Monaten Ehe hätten sich die Schmetterlinge in meinem Bauch eigentlich beruhigen müssen, aber sie sind lebhafter als jemals zuvor, stellte sie fest. Cameron war wie eine Droge für sie. Sie konnte einfach nicht genug von ihm bekommen. Wenn sie nur an ihn dachte, empfand sie jedes Mal sofort heißes Verlangen, was ihr manchmal ziemlich peinlich war.

Sie erinnerte sich noch genau daran, wie er einmal unerwartet ins Büro gekommen war und sie ins Savoy zum Mittagessen eingeladen hatte. Dort blickten sie einander über den Tisch hinweg an und tauschten dabei stumme, sehr sinnliche Botschaften aus. Beim ersten Gang merkten sie kaum, was sie da eigentlich aßen. Dann nahm Cameron sie, Alessandra, unvermittelt bei der Hand, buchte ein äußerst teures Zimmer und verbrachte die übrige Zeit ihrer Mittagspause damit, sie leidenschaftlich und hingebungsvoll zu lieben.

Leider hatte eine der Sekretärinnen in der Agentur bemerkt, dass sie, Alessandra, ihren Pullover bei ihrer Rückkehr mit der Innenseite nach außen trug, und das war ihrem Ruf nicht gerade förderlich gewesen.

Mühsam verdrängte sie die Gedanken an Cameron und fragte ihren Boss, der am anderen Ende des Telefons geduldig auf ihre Antwort gewartet hatte, während sie ihren Gedanken nachhing: “Was gibt es so Dringendes zu besprechen, dass es nicht bis morgen warten kann?”

In seiner Stimme schwang Triumph mit, als Andrew erwiderte: “Zwei Direktoren eines sehr angesehenen amerikanischen Autokonzerns haben sich an mich gewandt …”

“Um welchen Konzern handelt es sich?”, fragte Alessandra schnell dazwischen.

Andrew sagte ihr den Namen, und sie pfiff anerkennend. Der Konzern war zwar noch nicht der weltweit führende Autohersteller, aber auf dem besten Weg dazu. “Und weiter?”, hakte sie nach, da Andrew plötzlich in Schweigen verfallen war. Wahrscheinlich will er mir Gelegenheit geben, gebührend beeindruckt zu sein, dachte sie ironisch.

“Sie wollen sich mit uns treffen”, verkündete er schließlich.

“Etwa um uns einen Auftrag zu geben? Ausgerechnet uns?”, fragte sie ungläubig. Holloway Advertising hatte einen sehr guten Ruf, weil die Mitarbeiter kompetent waren und originelle Werbung lieferten, was in den vergangenen zwei Jahren sogar mit zahlreichen Preisen honoriert worden war. Es war jedoch eine relativ kleine Agentur, die hauptsächlich für mittelständische Betriebe in Großbritannien arbeitete. Nein, sie, Alessandra, konnte sich nicht vorstellen, dass Holloway Advertising imstande war, sich einen derart bedeutenden Kunden zu sichern.

“Ihnen hat deine Kampagne für die kalorienarmen Schokoladenkekse ausgesprochen gut gefallen”, teilte Andrew ihr gleichmütig mit.

“Aber doch bestimmt nicht so sehr, dass sie daraufhin uns, einer winzigen Agentur in England, einen Auftrag geben”, erwiderte Alessandra. Ihre Stimme klang unnatürlich hoch, denn ihre übliche Weltgewandtheit hatte sie vorübergehend im Stich gelassen.

“Ich will es mal so formulieren: Sie sind mit ihrer jetzigen Agentur nicht besonders glücklich”, sagte Andrew unverbindlich. “Und sie haben angedeutet, dass Aufträge zu haben wären. Es liegt jetzt an uns, sie zu überzeugen, dass wir diese ausführen können – und zwar brillant.”

“Das traust du uns wirklich zu?”

Andrew lachte. “Herzblatt, bei dem Werbeetat, den sie haben, stellen wir für sie eine Plakatwand auf dem Mond an, wenn sie es wünschen. Verdammt noch mal, ich würde sogar hinfliegen und das Ding eigenhändig aufstellen. Und um die Herren zu überzeugen, dass wir die einzig Wahren für sie sind …” Er schlug einen verschwörerischen Tonfall an. “… brauche ich dich. Du bist eine wahre Augenweide, und …”

“Andrew, hör mit dem Unsinn auf!”, unterbrach Alessandra ihn eisig. Komplimente über ihr Aussehen akzeptierte sie nur von ihrem Ehemann. “Ich bin ihn leid.”

Andrew lachte. “Das war doch nur ein Scherz. Ich möchte, dass du an der Besprechung teilnimmst, weil du kreativer bist als alle anderen und zudem so erschreckend logisch denkst, dass wir Normalsterblichen dich nur bewundern können. Sagt dir dieses Kompliment mehr zu?” Nach einer kurzen Pause redete er weiter. “Komm schon, Alessandra! Haben wir beide nicht von Anfang an genau darauf hingearbeitet? Ist das nicht der Traum, dessen Erfüllung wir uns nicht vorstellen konnten? Uns bietet sich die Chance unseres Lebens! Das siehst du doch sicher ein, oder?”

Alessandra blickte starr auf ihre linke Hand, an der neben dem schlichten Ehering der Verlobungsring mit dem großen Smaragd funkelte. Cameron hatte ihn ihr geschenkt, gleich nachdem sie zugestimmt hatte, ihn zu heiraten. Wieder schweiften ihre Gedanken ab.

Sie und Cameron hatten im Bett gelegen, nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Als sie Cameron ernst sagte, sie würde ihn heiraten, sah er zufrieden aus, aber seine Miene wirkte zugleich unergründlich.

Er hob die Hose auf, die er vor dem Bett hatte fallen lassen, und nahm den Ring aus der Tasche. Dann steckte er ihn ihr, Alessandra, an den Finger.

Ihr stockte der Atem, und sie sah Cameron verblüfft an, obwohl sie sich immer eingeredet hatte, ihr würde nichts an einer Ehe und folglich schon gar nichts an dem traditionellen Beiwerk einer Hochzeit oder Verlobung liegen. “Oh Cameron, der ist ja wundervoll!”, flüsterte sie. “Woher wusstest du, dass er mir passt?”

Er lächelte sie unnachahmlich verführerisch und zugleich gelassen an. Dieses Lächeln hatte sie von der ersten Begegnung an gegen ihren Willen betört, und auch jetzt pochte ihr Herz wie rasend.

“Ich habe es einfach gewusst.” Seine Augen funkelten vielsagend, als er hinzufügte: “Warte nur ab, bis ich dir Dessous kaufe. Die werden dir ebenfalls perfekt passen. Ich kenne jetzt nämlich jeden Zentimeter deines hinreißenden Körpers, meine Schöne. Er hat sich mir unauslöschlich eingeprägt”, fügte er heiser hinzu und ließ einen Finger langsam und verführerisch von ihrem Hals zum Nabel gleiten.

Sie war so verliebt in Cameron und so erregt durch seinen zärtlichen Blick, dass sie es nicht wagte, ihn ebenfalls zu berühren oder zu küssen. Sie hatte Angst, zu überschwänglich zu wirken und ihn damit abzuschrecken. Deshalb gab sie sich so, wie er es von ihr erwartete, und lächelte nur verhalten.

“Wann hast du den Ring gekauft?”, fragte sie so beiläufig, als würde sie sich lediglich nach der Uhrzeit erkundigen.

“Das ist also alles, was dir dazu einfällt”, bemerkte Cameron ungläubig und lachte dann spöttisch.

“Was würdest du denn gern von mir hören?”

“Ich nehme an, du weißt, dass Frauen seit Jahren versuchen, mich in den Hafen der Ehe zu lotsen?”, erwiderte er ironisch. “Die meisten von ihnen wären überwältigt gewesen, meinen Verlobungsring an ihrem Finger zu sehen.”

Er klang sehr arrogant, aber ein Mann wie Cameron Calder konnte es sich erlauben, denn er hatte, wie sie wusste, nicht übertrieben. Und obwohl sie nicht viel Erfahrung im Umgang mit Männern hatte, war sie durchaus weltklug genug, um zu erkennen, dass gerade ihre scheinbare Ungerührtheit sie für ihn attraktiv machte. “Und diese Frauen wären dir vermutlich, von Dankbarkeit überwältigt, zu Füßen gesunken?”, fragte sie gespielt ernsthaft.

Cameron sah sie nachdenklich und bewundernd zugleich an, weil sie denselben spöttischen Tonfall angeschlagen hatte wie er. “Du bist so kühl und durch nichts aus der Ruhe zu bringen”, sagte er anerkennend. “Eine Frau wie dich habe ich bisher noch nie kennengelernt.”

Dieser trockene Kommentar bestätigte ihr, wie gut sie daran getan hatte, Cameron nicht zu gestehen, dass sich für sie die ganze Welt nur noch um ihn drehte. Ja, sie war erleichtert, weil sie der Versuchung nicht nachgegeben hatte. Er hatte sich in eine kühl, heiter und ausgeglichen wirkende Frau verliebt, anders gesagt, in die Alessandra Walker, wie jeder sie kannte, weil sie sich ihrer Umwelt bewusst so präsentierte. Von den Frauen, die seiner Arroganz im Gegensatz zu ihr nicht spöttisch die Stirn boten, sondern ihm mit jedem Blick verrieten, wie sehr sie ihn als Herrn und Meister akzeptierten, hatte er genug.

Ihre dunklen Augen funkelten amüsiert, als sie Cameron ansah. “Wann hast du den Ring denn nun gekauft?”, hakte sie nach.

“Als ich beschlossen habe, dich zu heiraten, Alessandra.”

“Du meinst, als du beschlossen hast, mich zu fragen, ob ich dich heiraten will”, verbesserte sie ihn.

“Nein.” Er schüttelte den Kopf und wiederholte: “Als ich beschlossen habe, dich zu heiraten.”

Ein eigenartiges Gefühl durchlief sie, und ihr Herz pochte wild. “Und wann war das?”, fragte sie, plötzlich seltsam atemlos.

“Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe”, erklärte Cameron und lächelte verhalten.

“Du warst dir so sicher?”, fragte Alessandra stockend. “Du warst dir meiner so sicher? Völlig überzeugt davon, dass ich Ja sagen würde?”

“Liebling, erwartest du jetzt eine ehrliche Antwort?”

“Selbstverständlich! Ich möchte nicht von dir belogen werden, Cameron.”

“Dann muss ich deine Frage bejahen”, hatte er leise gesagt. “Ich war mir deiner völlig sicher.”

“Alessandra, sag mal, bist du noch dran?”

Andrews Frage brachte sie schlagartig in die Gegenwart zurück.

“Ja, Andrew”, antwortete Alessandra und betrachtete weiterhin nachdenklich den Smaragdring. “Natürlich habe ich nicht aufgelegt.”

“Kommst du heute Abend nun mit oder nicht?”

Sie zögerte und blickte auf ihre goldene Armbanduhr. Es war jetzt kurz vor sechs, und Cameron befand sich im Flugzeug irgendwo über dem Atlantik auf dem Rückflug von New York, wo er die vergangene Woche verbracht hatte. Die Maschine sollte planmäßig um neun Uhr landen, und er wollte sich am Flughafen ein Taxi nehmen, also würde er erst nach zehn Uhr zu Hause sein. Sie, Alessandra, hatte ihm zwar angeboten, ihn abzuholen, aber davon hatte er nichts hören wollen. Und wenn er einmal einen Entschluss gefasst hatte, konnte man ihn nicht davon abbringen. Plötzlich fiel es ihr nicht mehr schwer, die Entscheidung zu treffen.

“Ja, Andrew, ich komme nachher mit”, sagte Alessandra energisch. Cameron hatte in der letzten Woche bestimmt nicht jeden Abend allein im Hotelzimmer verbracht und sich vor Sehnsucht nach ihr verzehrt! Er hatte Bekannte und Geschäftsfreunde in Amerika, mit denen er sicher öfter essen gegangen war. Wo also lag der Unterschied, wenn sie sich abends auch noch mit jemandem traf – rein geschäftlich? Es gab keinen!

“Und was meint Supermann dazu?”, fragte Andrew spöttisch. Er und Cameron konnten sich nicht besonders gut leiden und machten kein Geheimnis daraus. Sie hatte sich bisher aus den Differenzen herausgehalten.

“Wird er nichts dagegen einwenden, dass seine geliebte Gattin nach der Arbeit mit Männern ausgeht?”, fügte Andrew boshaft hinzu. “Du brichst doch sonst alle Geschwindigkeitsrekorde, um auf dem schnellsten Weg nach Hause zu kommen.”

Alessandra lächelte unwillkürlich. ‘Supermann’ war eine durchaus passende Bezeichnung für Cameron. “Ich werde dich diesmal ausnahmsweise nicht dafür ausschimpfen, dass du meinem Ehemann diesen lächerlichen Spitznamen gegeben hast, weil ich mittlerweile finde, dass er auf ihn zutrifft. Du hast recht, Andrew, er ist ein Supermann.”

“Ach, und ich bin es deiner Meinung nach vermutlich nicht?” Man hörte ihm an, dass er in seinem Selbstwertgefühl gekränkt war.

“Nein, du kannst ihm nicht das Wasser reichen”, erwiderte sie neckend und dachte sehnsüchtig daran, dass sie schon bald in Camerons Armen liegen würde. Mühsam riss sie sich zusammen und konzentrierte sich wieder auf das Gespräch. “Wo und wann treffen wir uns denn zu einem Drink?”

“In Henrys Bar. Um sieben Uhr.”

“Ach Andrew, muss es unbedingt dort sein?”, fragte sie bestürzt. Sie trug heute ein graues Leinenkostüm und eine apricotfarbene Seidenbluse – das typische Outfit der Karrierefrau fürs Büro! “Bei Henry sind alle Gäste so elegant.”

“Die Amerikaner haben das Lokal ausgesucht. Du weißt ja, wie eindrucksvoll es ist.”

“‘Protzig’, wolltest du wohl sagen.” Alessandra seufzte. “Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als vorher nach Hause zu fahren und mir etwas anderes anzuziehen.” Sie bewahrte zwar saubere Sachen im Büro auf, aber die Baumwollhose und der Pullover waren natürlich nur für den äußersten Notfall gedacht – falls sie sich Kaffee über den Rock schüttete oder in einen Wolkenbruch geriet – und noch weniger für einen Abend in Londons schickster Bar geeignet als das Kostüm.

“Wir sind hier nur zwei Minuten von einer der besten Boutiquen der Stadt entfernt”, sagte Andrew. “Warum gönnst du dir nicht einfach ein neues Kleid?”

Er meinte das Geschäft eines bekannten italienischen Designers, zu dessen Kundinnen sehr viele Hollywoodstars zählten. “Weil ich …” Alessandra zögerte, als ihr bewusst wurde, dass sie drauf und dran gewesen war, zu sagen, sie könne sich ein Kleidungsstück in dieser Preisklasse nicht leisten. Das hätte dumm geklungen, denn natürlich konnte sie jederzeit ein neues Kleid erwerben, sogar ein teures. Immerhin verdiente sie sehr gut, und obwohl sie Camerons großzügiges Angebot eines Budgets für Kleidung kategorisch abgelehnt hatte, war sie durchaus in der Lage, in den exklusiven Geschäften einzukaufen, die in der Umgebung der Agentur so zahlreich vorhanden waren.

Nur habe ich noch nie mehrere Monatsgehälter für ein einziges Kleid ausgegeben, dachte Alessandra. Sie schätzte elegante Sachen durchaus, ja, sie brauchte sie sogar, denn man erwartete von ihr als Repräsentantin der Agentur – und als Ehefrau Cameron Calders – ein gepflegtes Erscheinungsbild. Dennoch gab es für alles Grenzen, und alte Gewohnheiten legte man nicht über Nacht ab. Es war ihr aufgrund ihrer Erfahrungen in der Kindheit zur zweiten Natur geworden, aufs Geld zu achten. Ja, es war ihr richtig schwergefallen, zu lernen, wie man es ausgab.

Ihre Eltern waren arm, dabei aber sehr lebenslustig gewesen und hatten das bisschen Geld, das ins Haus kam, häufig für ausgelassene Partys verschwendet, während die Kinder, wie Alessandra sich noch lebhaft erinnerte, Sachen aus der Altkleidersammlung tragen mussten.

“Alessandra!” Wieder unterbrach Andrew ihre Gedanken. “Mach jetzt bloß kein Theater, sondern geh und kauf dir ein Kleid auf Kosten der Firma.”

“Das kommt nicht infrage!”

“Doch!” Er lachte. “Ich bin dein Boss und befehle es dir. Betrachte es einfach als Prämie dafür, dass du uns die neuen Kunden beschafft hast.”

“Und wenn wir keinen Auftrag erhalten?”, hielt sie dagegen, da sie nun mal praktisch veranlagt war.

“Den bekommen wir garantiert”, erwiderte Andrew selbstsicher. “Das müssen wir ja, wenn du bei dem Gespräch mit den Direktoren dabei bist.”

Alessandra fuhr mit dem Lift zu ihrem und Camerons Apartment und gähnte herzhaft. Die Wangen taten ihr vom vielen Lächeln weh – und die Füße vom stundenlangen Stehen. Wer nämlich etwas auf sich hielt, lehnte in Henrys Bar am Tresen, um gesehen zu werden. Pflichtbewusst hatte sie teuren Champagner getrunken und den potenziellen amerikanischen Kunden ihre Ideen unterbreitet, die begeistert aufgenommen worden waren.

“Wir lieben euren eigenwilligen britischen Stil”, hatte Billy, der ältere der beiden, ihr ernsthaft versichert.

“Ja, der treibt die Verkaufszahlen in die Höhe”, stimmte sein Kollege zu, dessen Blick die ganze Zeit auf ihrem Dekolleté ruhte.

Daraufhin beschloss Alessandra, nie wieder ein derart tief ausgeschnittenes Kleid anzuziehen. Sie ertrug es nicht, wenn fremde Männer sie so lüstern begafften! Ironischerweise hatte sie sich dieses Kleid ausgesucht, weil sie dachte, es würde Cameron gefallen, denn er mochte es, wenn sie Schwarz trug.

Im Geschäft war sie aber so in Eile und damit beschäftigt gewesen, sich vor dem Spiegel hin und her zu drehen und zu überprüfen, wie das Kleid saß und ob es die richtige Länge hatte, dass sie sich von der Verkäuferin hatte überreden lassen, es zu nehmen. Erst später war ihr klar geworden, dass sie sich ein aufsehenerregendes kleines Schwarzes zugelegt hatte, das viel mehr Haut zeigte, als sie sonst zu enthüllen bereit war – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Der tiefe Ausschnitt lenkte den Blick unweigerlich auf ihr Dekolleté und ihre festen Brüste.

Das war dem jüngeren der beiden Amerikaner nicht entgangen.

Nachdem sie etwas getrunken hatten, ließ Alessandra sich, allerdings nur widerstrebend, von Andrew dazu überreden, ihn und die amerikanischen Direktoren zum Abendessen ins Savoy zu begleiten. Sie aß zu viel Kaviar und Hummer, trank noch zwei Gläser Champagner und fühlte sich danach müde und wie ausgelaugt. Um halb zehn verabschiedete sie sich mit der Begründung, dass ihr Ehemann sie nach einer langen, anstrengenden Reise zu Hause erwarten würde. Beim Gedanken an Cameron klopfte ihr Herz vor Vorfreude rascher.

“Verstehe”, sagte Billy und strahlte sie an. “Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mrs Walker.”

“Miss Walker”, verbesserte Alessandra ihn. “Ich habe meinen Mädchennamen behalten.”

“Ach wirklich?”, fragte der Jüngere, der den Blick weiterhin nicht von ihren Brüsten abwandte.

“Ja”, antwortete Alessandra und stand rasch auf. Wenn sie noch länger diesem ekelhaften Starren ausgesetzt war, würde sie womöglich etwas Unhöfliches tun oder sagen und damit den Auftrag aufs Spiel setzen. “Ich bin in der Werbebranche unter diesem Namen bekannt geworden und wollte ihn nicht aufgeben.”

“Das ist heutzutage anscheinend so üblich”, bestätigte Billy und lächelte. “Zwei meiner Töchter leben in Kanada, und dort ist es gang und gäbe, dass jeder Ehepartner seinen Nachnamen behält. Hauptsache, Ihr Mann hat nichts dagegen, Miss Walker.”

Ob Cameron damit völlig einverstanden war, konnte sie nicht genau sagen. Jedenfalls hatte er keinen Einspruch erhoben, als sie ihm mitgeteilt hatte, sie würde sich weiterhin Walker nennen. Nein, er hatte sie nur so kühl und spöttisch angesehen, wie es für ihn typisch war, und dann schweigend genickt.

Autor

Sharon Kendrick
Fast ihr ganzes Leben lang hat sich Sharon Kendrick Geschichten ausgedacht. Ihr erstes Buch, das von eineiigen Zwillingen handelte, die böse Mächte in ihrem Internat bekämpften, schrieb sie mit elf Jahren! Allerdings wurde der Roman nie veröffentlicht, und das Manuskript existiert leider nicht mehr.

Sharon träumte davon, Journalistin zu werden, doch...
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