Überraschung - wir bekommen ein Baby! - 5 herzergreifende Liebesromane

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HEISSE AFFÄRE MIT DEM SPANISCHEN PLAYBOY von JESSICA GILMORE

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  • Erscheinungstag 17.10.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535915
  • Seitenanzahl 485
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jessica Gilmore

Heiße Affäre mit dem spanischen Playboy

1. KAPITEL

Anna Gray umklammerte ihre Kaffeetasse mit beiden Händen und trat vorsichtig auf die knarrende Holzterrasse hinaus. Entsetzt sah sie sich um.

Das Inselresort hatte im Zwielicht der Dämmerung gestern Abend noch einen charmant robusten Eindruck gemacht, doch bei Tageslicht zeigte sich ein völlig anderes Bild. Die niedrigen weißen Bungalows – jeder einzelne mit einem kleinen Privatgarten drum herum – hätten für eine wunderschöne Atmosphäre gesorgt, wären sie in einem besseren Zustand gewesen. Aber nicht einmal die frühe Maisonne konnte La Isla Marina in schillernde Farben tauchen.

Von ihrem Aussichtspunkt aus konnte Anna sogar die Spitze der Insel erkennen. Dort befanden sich die Verwaltungsgebäude und auch das Haus ihrer Mutter, ganz in der Nähe der prunkvollen Villa, die gleichzeitig das Zentrum der Insel darstellte, zusammen mit den Swimmingpools, Tennisplätzen und Erholungsbereichen. Und überall dazwischen diese kleinen Bungalows …

Wenn Anna sich auf die Zehenspitzen stellte, sah sie das tiefblaue Meer und die sanft wippenden Palmen, die den weißen Badestrand umsäumten. Es war alles so herrlich idyllisch.

Fast alles! Wenn man die Umgebung genauer betrachtete und hinter die exotische Fassade blickte, fielen einem sofort die abblätternde Farbe, die herausgerissenen grünen Fensterläden und die vernachlässigten Gartenanlagen auf. La Isla Marina war zwar bekannt für ihre außergewöhnlich schöne Flora, doch dieser Bereich hier glich mittlerweile einem ungepflegten Dschungel.

Was war mit dem hochpreisigen Resort passiert? Zugegeben, alles hier war schon vor drei Jahren ziemlich heruntergekommen gewesen, als sie der Beerdigung ihres Großvaters beigewohnt hatte. Allerdings war damals das Hotel immer noch der magische, idyllische Ort gewesen, an dem sie als Kind jeden Sommer verbracht hatte.

Das altbekannte Schuldgefühl ergriff sie wieder. Ihr war klar, wie unorganisiert ihre Mutter war, und man hätte diese Entwicklung vorhersehen müssen. Es hätte den tränenreichen Anruf nicht gebraucht, der sie hierher zitiert hatte, um zu helfen.

Das schlechte Gewissen wurde stärker. Es war nämlich nicht die ungewöhnlich Panik in der Stimme ihrer Mutter, die Anna überzeugt hatte, sondern ihr eigenes Bedürfnis, eine Auszeit zum Nachdenken zu nehmen. Wäre sie nicht selbst in einem Ausnahmezustand gewesen, wäre sie wohl in Oxford geblieben und hätte ihrer Mutter eine Absage erteilt.

Jedes Mal, wenn sie Kontakt hatten, fragte ihre Mutter, ob Anna bald zu Besuch kommen könnte. Und Anna hatte bisher immer eine Ausrede parat gehabt. La Isla Marina zu besuchen in dem Wissen, dass ihre Großeltern nicht mehr dort sein würden, war einfach ein zu deprimierender Gedanke gewesen.

Außerdem standen sie und Sancia sich nicht unbedingt nahe. Ihre Mutter hatte ihrerseits jedenfalls keine Anstrengungen unternommen, um sich mit ihr zu treffen.

Nein, Anna hatte der Bitte ihrer Mutter am Ende aus rein egoistischen Motiven nachgegeben. Ein paar entspannte Wochen in der Sonne, weit weg von Oxford, waren genau das, was sie jetzt brauchte.

Doch ihre Zuversicht schwand, während sie sich in dieser verwahrlosten Umgebung umsah. Hier konnte man sich unmöglich entspannen!

„Guten Morgen, querida , wie hast du geschlafen?“

Anna drehte sich zu ihrer Mutter um. „Großartig, danke. Ich war echt müde nach der langen Reise.“ Kritisch musterte sie die ältere Frau und bemerkte die neuen grauen Strähnen in ihrem dichten Haar und die feinen Linien in ihrem Gesicht, die drei Jahre zuvor noch nicht da gewesen waren. „Wie geht es dir?“

„Alles läuft super.“

Anna verkrampfte sich, als ihre Mutter die Arme um sie legte und sie an sich zog. „Ich bin froh, dass du da bist, querida . Es ist schon zu lange her.“

„Tja, nun …“ Vorsichtig trat Anna einen Schritt zurück und bemühte sich, dabei keinen Kaffee zu verschütten. „Ich war ziemlich beschäftigt, weißt du? Mit dem Buch und als Dozentin … Was ist hier eigentlich passiert, Mama?“

„Passiert?“

Während ihre Mutter recht unsicher wirkte, schluckte Anna ihren Frust herunter. Sancia Garcia lebte einfach in ihrer eigenen Welt. Sie hatte nie eingesehen, weshalb ihre Töchter beispielsweise pünktlich in der Schule sein sollten. Oder warum sie überhaupt zur Schule gehen mussten, wenn die Sonne schien. Wieso man ein Abendessen vorbereiten oder einen bestimmten Zeitplan einhalten sollte.

Als sie zehn wurde, begriff Anna allmählich, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen musste, wenn sie wie andere Familien sein wollten. Sie musste selbst Verantwortung übernehmen – für sich und für ihre Schwester Rosa.

Ihr Inneres zog sich zusammen. Es hatte sich absolut nichts geändert. Es würde sich nie etwas ändern …

Sancia war es sogar gelungen, sich derart verträumt und gleichgültig von ihrem Ehemann zu trennen, dass es fast den Anschein hatte, als wäre es unabsichtlich geschehen. Und sie geriet auch niemals in Panik, weshalb ihr Ruf nach Hilfe auch so ungewöhnlich war. Darum – und um dem Lehrstuhl in Oxford vorübergehend den Rücken kehren zu können – hatte Anna den nächstbesten Flug genommen, ihren Vater und ihre Pflichten hinter sich gelassen, und war in Richtung Spanien abgereist.

Doch im Augenblick schien Sancia nicht im Mindesten gestresst zu sein.

„Das Hotel, Mama. Es sieht nicht danach aus, als wäre es in letzter Zeit instandgehalten worden. Wie konnte es in diesen Zustand geraten?“

Sancia zuckte die Achseln. „Pedro hat nach dem Tod deines Großvaters gekündigt, genau wie Bonita kurz darauf, und die beiden hatten vorher eben alles im Griff. Es ist schwer, gutes Personal zu finden. Leute, die bleiben wollen. Irgendwie ist alles auf einmal passiert, querida . Zuerst fielen die Lampen aus, danach ein paar Toiletten und die Filteranlagen für die Pools. Und ich kann das alles nicht allein regeln.“

„Kein Wunder, dass die Buchungen zurückgehen. Wieso hast du nicht früher um Hilfe gebeten?“

„Du warst so beschäftigt und hast doch dein eigenes Leben, Anna, genau wie deine Schwester. Ich wollte euch nicht unter Druck setzen. Mir war völlig klar, dass sich irgendwann etwas ergibt, und das stimmt ja auch. Diese Hochzeit wird alles wieder ins rechte Lot bringen.“ Begeistert klatschte sie in die Hände. „Das ganze Geld und die Publicity! Der Glamour! Wir können La Isla Marina wieder zu altem Glanz verhelfen, genau wie in meiner Jugend, als deine Großeltern dieses Hotel aufgebaut haben.“

Die Hochzeit. Dieses magische Ereignis, an das ihre Mutter all ihre Hoffnungen knüpfte. In einem Monat sollte die Feier stattfinden, obwohl die Insel ganz und gar nicht darauf vorbereitet war. Schlimm genug für eine gewöhnliche Trauung, aber hier ging es um die Vermählung eines Supermodels mit einem berühmten Millionär. Diese Menschen erwarteten Fünf-Sterne-Luxus, und momentan brachte es die Insel mit Mühe vielleicht auf zwei Sterne!

„Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Niemand würde hier eine Traumhochzeit feiern wollen, schon gar nicht Leute, die jedes einzelne Detail ihres Lebens im Internet posten“, kommentierte Anna trocken.

Beruflich verbrachte sie ihre Zeit hauptsächlich in Bibliotheken und Büros, und obendrein war sie ein geschultes Organisationstalent. Ihre Mutter benötigte dringend einen Businessplan, eine verlässliche Kostenaufstellung, Marketing und tägliche Arbeitspläne – genau das entsprach Annas Kernkompetenz.

Obendrein mussten die zweiundfünfzig Bungalows grundgereinigt, renoviert und neu gestrichen werden. Anna blieb nur zu hoffen, dass sie sich dafür ihre Hände nicht schmutzig machen musste. Aber glücklicherweise war ihre Schwester wesentlich praktischer veranlagt als sie. „Wann kommt Rosa denn her?“

Mit gemischten Gefühlen wartete Anna auf eine Antwort von ihrer Mutter. Sie hatte ihre Schwester seit Jahren nicht mehr gesehen, es hatte auch keine Telefonate oder Nachrichten gegeben. Anna hatte nicht vergessen, wie sie vor drei Jahren auseinandergegangen waren.

„Sobald sie kann. Du musst wissen, sie hat gerade ein wichtiges Projekt im Gange. Das könnte noch zwei Wochen dauern, aber danach ist sie da.“

Genervt presste Anna die Lippen aufeinander. Natürlich! Für ihre Mutter war alles unendlich wichtig, was Rosa zu tun hatte. Sie war schon immer von Rosas sorglosem, unkonventionellem Lebensstil beeindruckt gewesen.

Viel mehr als von meiner Qualifikation und Leistung.

Mit ihren achtundzwanzig Jahren sollte Anna eigentlich alt genug sein, diesen Umstand nicht mehr allzu persönlich zu nehmen, doch sie konnte die Tatsache nicht verdrängen, dass im Apartment ihrer Mutter zahlreiche Fotos von Rosa hingen, sich aber kein einziges Exemplar ihres Buches dort befand.

„Zwei Wochen?“ Entgeistert ließ Anna ihren Blick schweifen. Es war unmöglich, mit den notwendigen Renovierungen noch so lange zu warten. Also blieb ihr keine Wahl: Sie musste über sich hinauswachsen, und zwar sofort.

„Packen wir’s an!“, murmelte Anna, nachdem sie eine zweite Tasse vom exzellenten Kaffee ihrer Mutter getrunken hatte.

Als Erstes brauchten sie eine Liste. Mehrere Listen. Eine für die nötigen Reparaturen, eine für die notwendigen Materialien. Das bedeutete, die Bungalows mussten gründlich in Augenschein genommen werden, genauso wie jeder Weg, jeder Stuhl und Tisch, die Strandbars, Tennisplätze … Sie brauchte eine Extra-Liste für all diese Listen!

Also ließ sie Sancia in der Küche zurück, um sich einen Überblick zu verschaffen, und genoss die Stille um sich herum, nachdem sie schon den ganzen Morgen mit ihrer Mutter verbracht hatte.

Früher, als ihre Großeltern noch lebten, war die Hotelanlage aufregend lebendig gewesen, und überall hatten sich Besucher, Gäste und Personal getummelt. Jetzt wirkte das Gelände wie eine Geisterstadt. Es gab nur eine Putzfrau, einen Verwalter, einen Koch und ein paar Aushilfskräfte, die vom Festland herüberpendelten. Gäste? Fehlanzeige!

Anna unterdrückte ein Schaudern. Es war schlicht zu ruhig. Vielleicht würde sie heute selbst die Insel verlassen, nur für ein Mittagessen unter fremden Menschen.

Die Insel war nicht sehr groß, und Anna brauchte nicht lange, um den Strand zu erreichen, von dem aus man das Festland sehen konnte. Palmen umgaben den weißen Sandstrand, und sie machte eine Pause, um tief durchzuatmen. Dabei nahm sie die salzige Seeluft und das Zitrusaroma der kleinen Plantage in der Nähe auf.

Das Meer war tiefblau und türkis, und es lockte Anna zu sich. Schnell streifte sie die Schuhe ab und vergrub die Zehen im weichen Sand. Wann war sie eigentlich zum letzten Mal barfuß draußen herumgelaufen?

Instinktiv breitete sie die Arme aus und ließ sich von der Sonne wärmen. Von ihrer Mutter hatte sie die schwarzen Haare und die olivgetönte Haut geerbt, und wenn sie ehrlich sein wollte, war es in Oxford niemals warm genug für ihren Geschmack. Die mediterrane Sonne hatte ihr gefehlt, auch wenn es erst Mai war.

Das Geräusch eines Staubsaugers in der Ferne brachte sie in die Realität zurück. Sie war nicht allein auf dieser Insel und machte auch keine Ferien. Nein, sie war hier, um ihrer Mutter zu helfen und dabei ihre eigenen Sorgen zu vergessen. Einen ganzen Monat fern von ihrem Kurs, ihrer Forschung, fern von allen Erwartungen, das brachte ihr hoffentlich die Erholung, die sie so dringend benötigte.

Sie zückte ihr Notebook und nahm sich vor, die Boote auf ihre Seetüchtigkeit zu überprüfen. Der kleine Hafen befand sich links von ihr und trennte den Badestrand von den eher felsigen Buchten dahinter. An einem weitläufigen Holzsteg dümpelten all die Kajaks und Ruderboote, die den Gästen zur Verfügung standen, um den ruhigeren Teil der See zu erkunden.

Seufzend schob sie ihre Füße wieder in ihre Sneaker und folgte dem schmalen Pfad, der um die Ecke und an den Bäumen entlang führte, bis sie sich durch einen besonders überwucherten Teil des Weges auf den Holzsteg drängte. Dann blinzelte sie verwundert. Was war das?

Sie blieb stehen und starrte ungläubig auf den Steg. Neben mehreren Kajaks und Booten, die zum großen Teil hoch auf den Kiesstrand gezogen worden waren, befand sich ein schneeweißes Boot, das stolz im tieferen Wasser trieb. Es war groß genug, um ein Hochseeschiff zu sein, und war mit glänzenden Schienen verziert. Die Größe, die schneeweißen Segel … all das wies auf das Spielzeug eines reichen Mannes hin.

Ein ebenso modernes Schlauchboot war am Steg befestigt, ein deutliches Zeichen dafür, dass jemand an Land gekommen sein musste. Die Insel war Privateigentum, aber gelegentlich legten Tagesausflügler oder vorbeifahrende Boote an. Und wenn sie Geld mitbrachten, waren sie normalerweise herzlich willkommen.

Anna sah sich um. Sie hatte niemanden auf dem Hauptweg gesehen. „Hallo?“, rief sie. „Hallo? Ist da jemand? Kann ich Ihnen helfen?“

Keine Antwort.

Sie zögerte. Das Schild an der Anlegestelle wies die Besucher in sechs verschiedenen Sprachen eindeutig an, sich bei der Rezeption zu melden. Nicht, dass dort tatsächlich jemand auf Besucher wartete …

Als hätte ich nicht genug zu tun, dachte sie ärgerlich. Was erwartete ihre Mutter eigentlich von ihr? Wie konnte sie davon ausgehen, dass eine vierköpfige Mannschaft genügte, um diese Insel für die Saison in Form zu bringen, geschweige denn, sie auf die Hochzeit des Jahres vorzubereiten? Sancias optimistische Zusicherungen, dass bald genug Saisonpersonal anreisen würde, klangen unglaubwürdig.

Erschrocken schnappte Anna nach Luft, als sie eine große, breite Gestalt lässig am nächstgelegenen Bungalow stehen sah. Der Mann spähte durch die Fensterläden, als hätte er das Recht, genau dort zu sein. Sie schob ihre Schultern zurück, und Empörung verschaffte ihr zusätzliches Adrenalin. Dieser Kerl bewegte sich auf Privatbesitz. Ohne zu überlegen, marschierte sie auf ihn zu und schob sich dabei geschickt durch die wuchernden Bäume und Sträucher.

„Entschuldigen Sie!“ Ihr Spanisch klang sogar für ihre eigenen Ohren fremd und schrill, als sie den Bungalow erreichte. „Was, um alles in der Welt, machen Sie da?“

Die Wut hatte ihr Mut verliehen, doch der verabschiedete sich wieder, als sie den Eindringling direkt vor sich sah. Dies war kein dekadenter, übergewichtiger Geschäftsmann, wie sie erwartet hatte. Sondern ein Pirat.

Groß und stark, kein Gramm Fett am Leib, und sein nackter Oberkörper war durch sein offenes weißes Hemd freigelegt. Er hätte Michelangelos David als Vorlage dienen können. Sein dunkles Haar war kurz geschnitten, und seine noch dunkleren Augen musterten sie mit einer Arroganz, die sie vor Scham erzittern ließ.

Ihr wurde bewusst, wie schmuddelig sie aussah: kein Make-up, ein zerknittertes altes T-Shirt, das Haar hastig hochgebunden. Sie widerstand dem Drang, ihr Oberteil zurechtzuzupfen und tat ihr Bestes, streng und souverän zu wirken.

„Was ich hier mache?“, entgegnete er mit einem schweren englischen Akzent. „Ich frage mich, ob ich im Set eines Katastrophenfilms gelandet bin.“

„Wir sind noch nicht auf die kommende Saison vorbereitet“, antwortete sie ausweichend und wurde rot bei dieser Ausrede.

„Wie es aussieht, haben Sie noch nicht einmal mit den Vorbereitungen angefangen. Keine Ahnung, was Sie hier für ein Theater abziehen, aber ich sage Ihnen gleich, meine Schwester wird da nicht mitspielen.“

„Ihre Schwester?“

„Keine Sorge, sie wird eine andere Location für ihre Hochzeit finden.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und lief den Steg entlang.

Annas Hirn versuchte fieberhaft, das Gehörte zu verarbeiten. Die Megahochzeit, das Model, die Veranstaltung, wegen der ihre Mutter ihre beiden Töchter zur Hilfe gerufen hatte. Ein Event, das dem alten Hotel zu neuem Glanz verhelfen sollte.

Der Zustand dieser Insel mochte dem Missmanagement ihrer Mutter geschuldet sein, aber sie empfand dennoch Stolz für das Erbe ihrer Großeltern. Und wer immer dieser Mann war, sie durfte nicht zulassen, dass er diesen Ort einfach aufgab.

„Dann sind Sie der Bruder der Braut?“, hakte sie nach.

Es folgte eine kurze Pause. „Si.“

Hilflos sah Anna sich um. Er durfte seine Schwester nicht davon überzeugen, die Buchung zurückzuziehen. Eilig folgte sie ihm auf den Steg. „Hören Sie mal! Ich weiß, die Insel befindet sich momentan nicht im besten Zustand. Aber ich verspreche Ihnen, zur Hochzeit wird hier alles perfekt sein.“

Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Wie wollen Sie das denn schaffen? Mit einer Armee von Heinzelmännchen?“

„Nein, keine Armee“, keuchte sie. „Ich gebe zu, wir liegen ein bisschen hinter dem Zeitplan, aber bisher habe ich meine Projekte immer fristgerecht abgeschlossen. Und dieses hier bildet keine Ausnahme.“ Ihr drehte sich der Magen um. Wie immer, wenn sie an die ungeduldigen E-Mails ihres Agenten dachte. Trotzdem hob sie mutig den Kopf und ignorierte das Kribbeln, das der Fremde in ihr auslöste. „Bitte geben Sie mir die Chance, es Ihnen zu beweisen!“

Die Frau vor ihm machte einen verzweifelten Eindruck. Leo musterte sie. Mit ihrem dichten schwarzen Haar und der gebräunten Haut sah sie aus wie eine mediterrane Nymphe. Hypnotische tiefblaue Augen, die von langen, dunklen Wimpern umrahmt waren … und der hübsche Kussmund leuchtete in verführerischem Rosa.

„Sind Sie hier die Besitzerin?“, wollte er wissen. Nicht, dass es einen Unterschied machte. Er musste dringend zum Boot zurück und Valentina telefonisch mitteilen, dass diese Location ein absoluter Reinfall war.

Es war ja nicht so, als hätte seine Halbschwester keine andere Wahl für den Ort ihrer Hochzeit. Die Mutter ihres Verlobten hatte dem Jubelpaar ihr viktorianisches Haus auf Martha’s Vineyard angeboten, aber seine Schwester hatte diesen Vorschlag rigoros abgelehnt. „Sie möchte die Hochzeit geschmackvoller gestalten“, hatte sie sich mit Verachtung in der Stimme beschwert.

Valentina selbst neigte dagegen zur Überschwänglichkeit und Übertreibung, was sich bei ihrer Hochzeit natürlich widerspiegeln würde. Und wenn Valentina etwas wollte, dann bekam sie es normalerweise auch.

Mithilfe dieser Entschlossenheit hatte sie sich vom Teilzeitmodel und It-Girl zur erfolgreichen Online-Königin mit Supermodelvertrag hochgearbeitet. Ihre Bereitschaft, jeden Augenblick ihres Lebens mit dem perfekten Filter und dem treffenden Hashtag viral zu teilen, unterschied sie vom Großteil anderer hübscher Möchtegern-Sternchen. Harte Arbeit und ein genialer Geschäftssinn machten sie zu einer erfolgreichen globalen Marke.

Leo verstand nicht, wie Valentina es ertragen konnte, ihr Leben auf Millionen von Bildschirmen zu sehen – aber das musste er auch nicht verstehen. Vielleicht holte sie ja auf diese Weise ein Stück ihrer Kindheit nach und verschaffte sich die Aufmerksamkeit, die ihre Familie ihr nie hatte zuteilwerden lassen. Er wollte sie nur glücklich sehen.

Deshalb hatte er ihr auch seine Hilfe angeboten, nachdem er hörte, dass ihre erste Hochzeitslocation durch ein Feuer zerstört worden war. Er war nach La Isla Marina gefahren, um nachzusehen, ob sie dort wirklich kurzfristig eine opulente Hochzeit ausrichten konnten.

Es hatte ungefähr fünf Sekunden gedauert, eine Antwort darauf zu finden. Die Insel war komplett ungeeignet … und doch war er hier. Den Blick immer noch auf die Meeresnymphe gerichtet, fragte er sich, wie ihre rosafarbenen weichen Lippen wohl schmeckten.

„Nein, ich bin nicht die Besitzerin, sondern ihre Tochter. Hören Sie, ich weiß, es sieht nicht danach aus, aber wir haben hier alles unter Kontrolle.“

Doch sie schaffte es nicht, ihm direkt in die Augen zu schauen, während sie diese Worte sagte. Leo verschränkte die Arme und betrachtete sie kritisch. Er bemerkte, dass sich eine tiefe Röte auf ihren Wangen ausbreitete. „Dann sind Sie bestimmt eine erfahrene Hochzeitsplanerin? Oder vielleicht Eventmanagerin? Hotelfachfrau? Vielleicht sogar im handwerklichen Bereich tätig?“

Sie blinzelte. „Nun, nein.“

„Nein? Was dann?“

„Ich bin Dozentin, nur finde ich keine …“

„Dozentin? Für ein bestimmtes Handwerk?“

Ihre Wangen färbten sich noch dunkler. „Für europäische Geschichte. Also, ich betrachte die Geschichte hauptsächlich aus feministischer Perspektive und …“ Sie sah ihn an und brach sofort ab.

„Das wird sicherlich sehr nützlich sein, da bin ich mir sicher“, kommentierte er ironisch. „Ich glaube nicht, dass ich noch mehr sehen muss.“ Es ergab keinen Sinn, länger zu bleiben, egal, wie hübsch diese hilfsbereite Nymphe war. Plötzlich summte sein Telefon, und er zog es aus der Hosentasche. Valentina. „Hallo?“

„Ist es herrlich dort? Ach, ich wünschte, ich könnte bei dir sein. Aber ich muss morgen nach Japan fliegen, und danach bin ich für eine Woche in Australien, ehe ich zu einem superwichtigen Shooting nach New York hetze. Darum ist es für mich unmöglich, vor der Hochzeit noch auf die Insel zu kommen. Aber ich bin dir so dankbar, dass du da bist und alles vorbereitest. Es ist doch perfekt, oder? So wie in meiner Erinnerung?“

„Valentina …“, unterbrach er sie, aber seine Schwester plapperte munter weiter.

„Das fühlt sich richtig an, Leo. Es ist zwar eine Schande wegen der Villa, in der wir heiraten wollten, aber ich habe die glücklichsten Sommer auf La Isla Marina verbracht. Und das muss doch ein gutes Omen sein, nicht wahr? Für mich wird es, als würde ich nach Hause kommen, wenn ich hinfliege. Todd ist bestimmt auch begeistert“, fügte sie zuversichtlich hinzu. „Ich weiß, auf Vineyard ist es schön. Aber ich möchte, dass diese Hochzeit mich widerspiegelt, und dafür soll sie so wenig wie möglich mit New York zu tun haben.“

Leo seufzte innerlich. Valentina war inzwischen extrem wohlhabend und heiratete in alten New Yorker Geldadel ein. Allerdings stammte sie aus ärmlichen Verhältnissen, weil ihr Vater die üble Angewohnheit hatte, seine Mätressen und die gemeinsamen Sprösslinge abzuschieben, sobald ihm ihre Forderungen zu unbequem wurden.

Während Leo im einsamen, strengen Luxus des Castillos erzogen worden war, hatte Valentina ihre Kindheit in einer winzigen Wohnung im schlechteren Teil der Stadt verbracht. Wer könnte ihr vorwerfen, ein Märchen leben zu wollen, wenn sich diese Gelegenheit bot? Sie hatte es verdient. Immerhin war sie die Tochter eines Conde , auch wenn der berühmte Graf sich weigerte, sie offiziell anzuerkennen.

Leo sah sich um und betrachtete die Insel mit neuen Augen. Sie wirkte heruntergekommen, sicher, aber es würde kein Vermögen verschlingen, sie wieder auf Vordermann zu bringen. Dafür brauchte es nur etwas Zeit und Sorgfalt. Leo könnte das leicht organisieren, sozusagen als Hochzeitsgeschenk für seine Schwester, die viele Jahre zu spät in sein Leben getreten war. „Es braucht natürlich noch etwas Arbeit, ist aber alles machbar. Nichts, was nicht problemlos repariert werden kann. Keine Panik.“

„Wie könnte ich in Panik geraten, wenn du dort bist und dich um alles kümmerst, mi hermano ? Auf dich kann ich mich doch verlassen! Ich will keine perfekte Umgebung für Leute, die sich nur um Oberflächlichkeiten scheren. Ich möchte nur, dass es perfekt für mich ist. Und für Todd.“

„Das wird es sein“, versprach Leo. Damit legte er sein Handy beiseite. Seine Optionen waren klar: Entweder fand er für seine Schwester eine andere verwunschene spanische Insel als Veranstaltungsort, die in der Lage war, in einem Monat mehr als hundert Hochzeitsgäste unterzubringen, oder … er musste dafür sorgen, dass sich dieses Eiland in einen Ort der Träume verwandelte. Zum Glück hatte er momentan auch nichts Besseres zu tun!

Er fixierte die Nymphe mit hartem Blick. „Geben Sie mir dieses Notizbuch“, verlangte er. „Wir haben viel zu tun!“

2. KAPITEL

Die junge Frau klammerte sich fest an ihr Buch und funkelte ihn an. „Wir?“

„Ja, wir“, bestätigte Leo. „Im Moment wäre dieses Hotel höchstens für eine Halloweenparty geeignet. Ich bin mir sicher, dass Ihr Wissen über die Geschichte der europäischen Feministinnen sehr nützlich sein wird, wenn es darum geht, die tropfenden Duschen zu reparieren. Aber für den Fall, dass dem nicht so ist, beabsichtige ich, hier zu bleiben und den Renovierungsfortschritt zu beaufsichtigen.“

„Wirklich?“ Die strahlend blauen Augen waren eisig. „Und Sie wissen genau, wie man einen tropfenden Wasserhahn repariert, nehme ich an?“

„Ich kann einen Wasserhahn reparieren, eine Wand kacheln oder Schreinerarbeiten erledigen. Können Sie das?“

Was er sagte, stimmte alles, auch wenn die meisten Leute das nicht wussten. Es würde sein sorgfältig gepflegtes Playboy-Image ruinieren, wenn jemand wüsste, wie begabt und geschickt er in handwerklichen Dingen war. Genauso wie niemand wusste, dass er jeden einzelnen Penny, den er scheinbar achtlos ausgab, mit harter Arbeit selbst verdient hatte.

Sein Vater hatte ihm mit achtzehn Jahren sämtliche finanziellen Mittel gestrichen und erwartet, dass irgendwann ein reumütiger und gehorsamer Sohn zu ihm gekrochen kam und um Geld bettelte.

Nun, der alte Mann wartete bis heute. Und es machte ihn wahnsinnig, dass er keine Kontrolle über seinen Sohn hatte und auch nicht wusste, woher Leo das Geld für seinen extravaganten Lebensstil bezog. Genau diese Lebensart seines Sohnes – ständig neue Partys, neue Casinos, neue Supermodels – trieb den alten Mann zur puren Verzweiflung. Immerhin war Leo sein einziger Sohn und der zukünftige Conde de Olvares , da schickte es sich nicht, mit seinen Lastern hausieren zu gehen.

Leo kannte die strengen Regeln seines Vaters und hielt sich absichtlich nicht daran. Im Gegenteil, er kehrte seine vermeintlichen Schwächen gut sichtbar nach außen und verbarg seine Tugenden vor den Augen der Welt. In Wahrheit besuchte er kaum noch irgendwelche Partys, und wenn, dann blieb er normalerweise nur lange genug, um dort offiziell fotografiert zu werden.

Valentina hatte ihm diesbezüglich viel beigebracht. Die allgemeine Wahrnehmung war alles, was zählte, und die ließ sich kinderleicht steuern.

Die Schönheit vor ihm reckte trotzig das Kinn vor. „Ich bin sicher, dass ich es schnell lernen kann. Schließlich kann ich Anweisungen folgen und …“

„Gut zu wissen“, sagte Leo leise, und ihre Wangen wurden rot.

„Schön, ich kann verstehen, warum Sie sich Sorgen machen.“ Sie sah zum nächsten Bungalow hinüber. „Aber ich habe Ihnen versichert, dass wir alles unter Kontrolle haben.“

Leo folgte ihrem Blick. Das Gebäude war schmutzig, die weiße Farbe schälte sich von den Außenwänden herunter, und die Bäume und Blumen wuchsen so dicht an den Mauern, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis alles überwuchert war. Das Dach musste repariert werden, die Fassade neu gestrichen, und die Innenräume brauchten eine gründliche Reinigung. Das bedeutete jede Menge schweißtreibende, harte Arbeit.

Seine Augen verengten sich. Vielleicht tat ihm die Anstrengung ganz gut und half dabei, die Melancholie vorübergehend zu verdrängen, die er einfach nicht ganz abschütteln konnte.

Leo war sich nicht sicher, ob er jemals wirklich glücklich gewesen war, doch in den letzten zwölf Jahren hatte er zumindest so etwas wie einen Glückszustand erreicht: immer in Bewegung, immer mit Geldverdienen beschäftigt und dabei völlig unabhängig. Aber seit Valentina ihre Verlobung angekündigt hatte, war diese geschäftige Zufriedenheit einer düsteren Stimmung gewichen, die in keiner Weise zur glühenden Vorfreude seiner kleinen Schwester passte.

Leo hatte immer geglaubt, sie beide seien aus demselben Holz geschnitzt. Aber inzwischen benahm Valentina sich tapferer und beizeiten auch waghalsiger als er. Sie hatte ihn praktisch abgehängt – zumindest in sozialer Hinsicht –, und das missfiel ihm.

Eigentlich hatte er vorgehabt, ein paar Telefonanrufe zu führen und ein Team von Arbeitern nach La Isla Marina zu schicken, um dann in einem Monat als Hochzeitsgast auf die Insel zurückzukehren. Aber vielleicht waren ein paar Wochen Ärmel hochkrempeln und einem schönen Mädchen nachstellen genau das, was er brauchte. Eine Auszeit im Paradies.

Er drehte sich um und streckte die Hand aus. „Leo di Marquez y Correa“, stellte er sich vor und richtete sich zu voller Größe auf.

In ihren blauen Augen rührte sich nichts: kein Aufflackern, weil sie seinen Namen wiedererkannte. Dabei hatte sich doch fast jeder, dem Leo begegnete, bereits eine Meinung über ihn gebildet. Er wurde praktisch überall erkannt, und die meisten Leute liebten oder hassten ihn auf Anhieb.

Extrem selten traf er auf jemanden, der ihm nur kühle Höflichkeit entgegenbrachte, die fast schon an Verachtung grenzte.

Es würde eine interessante Herausforderung darstellen, diese Verachtung in Verlangen umzuwandeln. Sein Blut regte sich bei diesem Gedanken. Wie gut, dass er für die nächsten paar Wochen keine anderen Pläne hatte!

„Anna Gray“, antwortete sie nach kurzem Zögern und machte keinerlei Anstalten, nach seiner Hand zu greifen. „Dr. Anna Gray.“

„Doktor und Expertin für Feminismus innerhalb der europäischen Geschichte?“, erkundigte er sich ironisch und betrachtete ihren vollen rosa Mund, um zu sehen, ob sein Scherz zündete.

Die Mundwinkel rührten sich nicht, und sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich habe in Oxford promoviert, auch wenn Sie das überhaupt nichts angeht. Damit wir uns verstehen, Señor di Marquez …“

„Leo.“

„Zugegeben, es sieht hier momentan etwas heruntergewohnt aus, und mir ist klar, wie viel Publicity die Hochzeit Ihrer Schwester mit sich bringt …“

„Publicity, von der auch Sie profitieren werden“, unterbrach er trocken.

„Stimmt, daher versichere ich Ihnen erneut, dass wir durchaus in der Lage sind, alles rechtzeitig vorzubereiten.“

„Etwas Hilfe kann dabei ja nicht schaden. Ich werde es Ihnen einfach machen, Dr. Gray. Ich schlafe auf meinem Boot und biete meine Arbeitskraft im Tausch gegen Verpflegung. Und ich werde meiner Schwester auch nicht verraten, wie viel hier noch in Ordnung gebracht werden muss. Können Sie sich wirklich leisten, dieses Angebot abzulehnen?“

Anna umarmte ihr Notizbuch fester, und ihr Verstand arbeitete auf Hochtouren.

Sie sollte Leos Angebot mit beiden Händen ergreifen, aber irgendetwas hielt sie davon ab. Vielleicht war es der raubtierhafte Blick aus seinen dunklen Augen … das wissende Lächeln oder auch der neckende Unterton in seiner Stimme?

Es half nicht gerade, dass er einer der wahnsinnig schönsten Männer war, die sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. In Oxford war sie von übermäßig selbstbewussten Schnöseln umgeben gewesen, die glaubten, sie könnten mit ihrem Charme jeden um den Finger wickeln. Spanische Piraten hatte Anna dort jedenfalls nie getroffen, schon gar keine mit nacktem Oberkörper.

Jedes Mal, wenn Leo sie direkt ansah, wurden ihre Knie weich, und ihr Puls schlug schneller und schneller. Ihre Freunde rieten ihr oft, sich doch mal mit Männern zu verabreden. Hätte sie dieses maskuline Prachtexemplar woanders kennengelernt, hätte sie sich bestimmt spontan auf ein Abenteuer eingelassen. Aber hier und jetzt war der denkbar falscheste Zeitpunkt für Ablenkungen dieser Art.

Ihre Augen verengten sich, während sie sein Angebot überdachte. „Haben Sie keine feste Arbeit? Wie können Sie einen Monat lang eine Auszeit nehmen?“

„Ich bin mein eigener Chef.“

Und ziemlich erfolgreich, wenn man sich mal sein Boot ansah. „Es liegt nicht allein an mir“, räumte Anna schließlich ein. „Die Insel gehört meiner Mutter.“

„Dann folge ich Ihnen gern und werde meine Bewerbung direkt an sie richten, wenn es recht ist.“

Anna versuchte, seinem amüsierten Blick standzuhalten, schaffte es aber nicht. Sie konnte vor einem großen Publikum in einem Hörsaal stehen, ohne ins Schwitzen zu geraten, und sogar selbstsichere Studenten mit einer einzigen hochgezogenen Augenbraue in zitternde Nervenbündel verwandeln, aber vor diesem Mann kapitulierte ihre innere Stärke. „Gut“, stimmte sie zu. „Folgen Sie mir!“

Während sie ihn die überwucherten Pfade entlangführte, bemerkte Anna Leos prüfende Blicke. Kein Mangel an Gebäuden und Gärtchen entging ihm, und sie machte sich von Minute zu Minute mehr Sorgen.

War das Resort schon damals den Bach heruntergegangen, als ihre Großeltern noch lebten? Sie waren immerhin ziemlich alt gewesen, genau wie ihre Mitarbeiter. Nur verständlich, wenn ihnen die Dinge allmählich aus den Händen geglitten waren.

Ihre Mutter hatte jedoch keine Entschuldigung für den desolaten Zustand der Anlage. Immerhin lebte sie seit fast einem Jahrzehnt hier … seit sie für einen Urlaub die Familie hinter sich gelassen hatte. Ein Urlaub, der sich erst zu einem längeren Aufenthalt und dann zur Trennung von Mann und Kindern entwickelt hatte.

Die alte Enttäuschung stieg wieder in ihr hoch, und Anna ballte ihre Hände zu Fäusten. Zweifellos hatte ihre Mutter sich regelmäßig mit ihrem üblichen Mantra vertröstet: mañana, mañana . Und sich keine Gedanken darum gemacht, wie sie eines Tages mit den angehäuften Problemen fertig werden sollte.

Nun, warum auch? Ich bin ja für sie da. Wie gewöhnlich.

Aber durfte Anna überhaupt mit Steinen werfen? Verhielt sie sich in Bezug auf ihr Buch nicht genauso feige wie ihre Mutter? In der Hoffnung, dass irgendwann ein Wunder geschah und sich alles von allein fügte? Genau wie ihre Mutter lief sie vor ihren Problemen davon …

„Also, erzählen Sie doch mal: Was bedeutet es heutzutage, Dozentin für europäische Geschichte mit feministischer Neigung zu sein?“

Schuldbewusst zuckte Anna zusammen. Es war, als hätte Leo ihre Gedanken gelesen.

„Sie scheinen mir sehr jung für eine solche Position zu sein“, fuhr er fort.

„Das höre ich nicht zum ersten Mal.“ Obwohl die meisten Leute hämisch hinzufügten, sie hätte ihren akademischen Erfolg nur ihrem berühmten Vater, einem anerkannten Historiker, zu verdanken und nicht ihrem eigenen Talent. Oder sie werteten den Erfolg ihres ersten Buches ab, indem sie behaupteten, dass ein populäres Geschichtsbuch nicht gut recherchiert sein konnte. Eine überzeugende wissenschaftliche Arbeit würde eben nur von wenigen Spezialisten auf diesem Gebiet gelesen.

Es war einfacher für sie gewesen, die Kritik zu ertragen, als sie noch nicht an sich selbst gezweifelt hatte. Als sie noch felsenfest davon überzeugt gewesen war, dass sie nichts weiter als ihr akademisches Leben brauchte.

„Kann ich mir denken. Demnach bewegen Sie sich nur zwischen Bibliotheken und Vorlesungen?“

„Meistens“, gab sie zu. „Es ist ein enormer Druck, neben dem Unterricht noch regelmäßig Forschungsergebnisse zu veröffentlichen.“

„Und was haben Sie schon herausgebracht?“

„Artikel, Bücher. Ein Buch“, korrigierte sie schnell und versuchte, nicht an das Durcheinander zu denken, das Buch Nummer zwei für sie darstellte.

„Eine echte Autorin? Wie beeindruckend. Habe ich das Buch vielleicht gelesen?“

„Nur wenn Sie an einer Rehabilitierung von Johanna I von Kastilien aus feministischer Sicht interessiert sind und sich veranschaulichen wollen, wie schwierig es für intelligente Frauen war, sich in einer männlich dominierten Welt durchzusetzen.“

„Das Buch habe ich definitiv ausgelassen! Johanna, die Wahnsinnige? Ist das die Johanna, die den Leichnam ihres toten Ehemannes durch ganz Spanien transportiert hat?“

„Das ist einer der Mythen, die mein Buch zerstreuen soll.“

„Schade. Wenn ich mal heiraten sollte, dann eine Frau, die meinen Leichnam ebenfalls aus Liebe nicht mehr hergeben will. Diese romantische Vorstellung gefiel mir immer.“

Anna warf ihm einen schnellen Seitenblick zu. Johannas Ehemann war als Philip der Schöne bekannt gewesen, aber sicherlich wäre er neben dem kräftigen, gutaussehenden Leo di Marquez völlig verblasst.

Inzwischen starrte sie ihn regelrecht an und spürte, wie sich ihre Wangen wieder aufheizten. Was war nur los mit ihr? Sie wurde doch sonst auch nicht ständig rot. Wenn sie so weitermachte, merkte er noch, wie verlegen sie war.

Zu ihrer Erleichterung erreichten sie endlich die Villa. Leo betrachtete das schmuckvolle, weiße Gebäude, das eher einem maurischen Palast als einer Hotelrezeption mit Büro ähnelte, und pfiff durch die Zähne. „Nett.“

Trotz allem empfand sie einen gewissen Stolz bei diesen Worten. Als Kind hatte sie sich immer wie eine Auserwählte gefühlt, wenn sie ihre Sommer in ihrem kleinen Turmzimmer verbringen durfte, von dem aus man die gesamte Insel im Blick hatte. Wie eine mittelalterliche Königin.

„Das Haus ist nicht so alt, wie es aussieht. Es ist eine Reproduktion des Baus aus dem letzten Jahrhundert, den mein Urgroßvater als Hochzeitsgeschenk für seine Braut gebaut hat“, erklärte sie. „Dies war ihre Privatinsel, aber als mein Großvater sie erbte, konnte er es sich nicht leisten, sie als Zweitwohnsitz zu behalten. Er und meine Großmutter verwandelten die Insel daraufhin in ein Resort. Zu seiner Zeit, in den Fünfzigern, war dies einer der exklusivsten Orte im Mittelmeerraum.“

Sie blickte sich auf der mit Spinnenweben überzogenen Veranda um und versuchte, nicht zu seufzen. Es fiel schwer, sich die Insel in ihrer glanzvollen Blütezeit vorzustellen.

„Und heute?“

„Ich bin seit einer ganzen Weile nicht mehr hier gewesen“, gestand sie leise. „Der Glamour ist definitiv mit den Jahren mehr und mehr verschwunden.“

Das Problem war, dass der Unterhalt für die Insel einem Fass ohne Boden glich. Ihr Großvater hatte oft die Kosten für Personal, Materialien und Lebensmittel beklagt. Auch wenn sich das Festland in ein paar hundert Metern Entfernung befand, konnte man die Insel nur mit dem Boot erreichen.

Vielleicht mussten sie einfach umdenken und dieses Paradies eher zu einem Veranstaltungsort machen als zu einem Hotel mit laufendem Betrieb.

Sie? Anna verzog den Mund. Ihre Mutter war sicherlich nicht in der Lage, diese Art von Geschäft zu führen, und es war unwahrscheinlich, dass Rosa hierbleiben und ihr helfen wollte. Auch wenn der Gedanke Anna das Herz brach, musste ihre Mutter die Insel wohl an jemanden verkaufen, der sich angemessen um sie kümmern konnte.

Sie würde das Thema nach der Hochzeit ansprechen. Es hatte keinen Sinn, vorher ein Familiendrama vom Zaun zu brechen.

Gemeinsam mit Leo durchquerte sie den großen Flur, der jetzt teilweise Rezeptionsbereich des Hotels war, bis sie die riesige Küche erreichten, wo ihre Mutter gerade Geschirr sortierte.

„Hallo“, rief Anna und verdrehte die Augen.

Stapel von bunt bemalten Terrakotta-Tellern, Schüsseln und Tassen bedeckten jede Arbeitsfläche und auch den größten Teil des Bodens. Inmitten des Chaos drehte sich Sancia mit geschlossenen Augen um die eigene Achse, während sie zu ohrenbetäubend lauter Musik aus dem Radio sang.

Anna wand sich innerlich … unfähig, in Leos Richtung zu blicken.

Die ganze Szene erinnerte sie an ihre Teenagerjahre. Sie hatte früh damit aufgehört, Freunde zu sich nach Hause einzuladen, weil sie nie wusste, was für ein Wahnsinn sie dort erwartete.

Ständig war Sancia mit irgendeinem neuen Spleen beschäftigt: Tanzen, Malen, Bildhauerei, Kochen oder Ähnliches. Was auch immer es gerade war, es endete in einem chaotischen Gewirr aus Farben und Unordnung. Ihrer Mutter ging es ausschließlich um ihre ganz persönliche kreative Reise.

Jedenfalls hatte Sancia das immer wieder verkündet, wenn Anna oder ihr Vater vorschlugen, dass sie ihre freigeistigen Bemühungen zumindest auf nur ein Zimmer beschränken könnte. Am Ende zog Anna es vor, ihre Freizeit lieber bei ihren Freunden zu verbringen. In geordneten, friedlichen Häusern, in denen alles an seinem Platz war und einer verlässlichen Routine folgte.

„Mama!“, rief sie noch einmal, diesmal lauter und schärfer.

Sancia riss die Augen auf und richtete einen vorwurfsvollen Blick auf ihre Tochter.

Querida , du brauchst doch nicht gleich zu schreien.“ Dann sah sie Leo an, und ihre dunklen Augen weiteten sich. „Hallo“, begrüßte sie ihn mit einem breiten Lächeln auf den vollen Lippen.

Sofort bekam Anna Herzklopfen. Sie kannte diesen koketten Gesichtsausdruck nur allzu gut. Es war die Standardmimik ihrer Mutter für jeden einigermaßen attraktiven Mann. Damit hatte sie in der Vergangenheit so manchen Vater von Annas Schulfreunden in Verlegenheit gebracht. Auch wenn Anna wusste, dass keine besondere Absicht außer echter Wertschätzung hinter diesem Lächeln steckte, war es ihr extrem unangenehm, da es nun einmal wie ein Flirtversuch wirkte.

Leo schien auch nicht immun dagegen zu sein. Galant beugte er sich über Sancias ausgestreckte Hand. „Hola“ , murmelte er zur Begrüßung, und seine Stimme war so leise, dass sie eher einem Knurren glich.

Vermutlich seine Methode, das andere Geschlecht um den Finger zu wickeln! Anna war davon überzeugt, dass Leo di Marquez ganz genau wusste, was er da tat.

Strahlend wandte Sancia sich zu ihrer Tochter um. „Wer ist denn dein charmanter Freund, Anna?“

Anna bemühte sich, nicht mit den Zähnen zu knirschen. „Mama, das ist Señor di Marquez, Valentinas Bruder, und er ist gekommen, um sich davon zu überzeugen, ob die Insel für die Hochzeit seiner Schwester entsprechend vorbereitet ist.“

„Was für ein glückliches Mädchen Valentina doch ist, einen so engagierten Bruder zu haben“, antwortete Sancia unbekümmert und starrte Leo an, als würde sie ihn mit Haut und Haaren verschlingen wollen.

Anna versuchte ihrerseits, dem Blick ihrer Mutter auf Leos halb entblößte Brust nicht zu folgen.

„Ihr Resort ist wirklich wunderschön, Señora “, sagte Leo mit einem entwaffnenden Lächeln auf den wohlgeformten Lippen.

Gracias , und bitte nenn mich Sancia. Señora hört sich viel zu alt an. Ich gehe davon aus, dass du mit allem glücklich bist? Wir freuen uns sehr darauf, Valentina und ihren Verlobten in einem Monat hier zu begrüßen.“

Anna starrte ihre Mutter ungläubig an. Dachte sie ernsthaft, dass irgendjemand mit dem Zustand der Insel zufrieden sein könnte? Schließlich wusste sie doch, was für eine Mammutaufgabe sie vor sich hatten. Darum hatte sie ihre beiden Töchter doch angerufen und gebeten, alles stehen und liegen zu lassen, um ihr zu helfen!

Anscheinend hielt Sancia die Arbeit für so gut wie erledigt, weil Anna jetzt die Dinge in die Hand nahm. Sie hatte sich schon immer auf ihre pragmatische Tochter verlassen, wenn es um die tristen, praktischen Verpflichtungen im Leben ging.

„Das ist mein vernünftiges, organisiertes Mädchen“, pflegte sie zu sagen, und zwar in einem Tonfall, als wären dies Eigenschaften, die man eben tolerieren müsse.

Leos Mundwinkel zuckten, als würde ihn Sancias blinder Optimismus amüsieren. „Offensichtlich bist du noch nicht optimal auf die Saison vorbereitet“, begann er diplomatisch, und für Annas Ohren klang die vertrauliche Anrede höchst befremdlich. „Wie du bestimmt weißt, ist Valentina eine überzeugte Perfektionistin. Deshalb habe ich versprochen, dir bei den Vorbereitungen auf der Insel zu helfen. Ich hoffe, das ist akzeptabel?“

Sancias Augen wirkten inzwischen riesig – fast wie bei einer Zeichentrickfigur. „Das ist wahnsinnig nett von dir.“

Anna konnte nicht verhindern, dass ihr Fuß ungeduldig auf den Fliesenboden klopfte. Wollte ihre Mutter dieses Angebot gar nicht hinterfragen? Überprüfen, ob Leo überhaupt Valentinas Bruder war? Oder ob Valentina seine Unterstützung tatsächlich eingefordert hatte? Ob das die ungewöhnlich hohe Summe minderte, die das Brautpaar ursprünglich zu zahlen bereit war?

Energisch nahm sie ihre Mutter beim Arm und zog sie mit sich zur offenen Hintertür. Dort senkte sie ihre Stimme und tat ihr Bestes, Leos sarkastischen Blick zu ignorieren.

„Mama, denkst du nicht, dass du zuerst mit deinem Kunden sprechen solltest? Um sicherzustellen, dass durch diesen Einsatz der Preis nicht neu verhandelt wird? Wir kennen diesen seltsamen Leo doch gar nicht!“

Aber sie merkte, dass sie gegen eine Wand redete.

Querida , die Schicksalsgöttin hat dir einen schönen jungen Mann gebracht, und du willst sofort seine Referenzen überprüfen? Lebe mal ein wenig, Anna! Dauernd bist du über eine Tastatur oder Akte gebeugt, du siehst schon ganz blass und fahl aus. Ein paar Wochen in der Sonne und in angenehmer Gesellschaft sind genau das, was du brauchst.“

„Ich bin nicht wegen meiner Gesundheit hier, Mama, sondern weil du mich um Hilfe angefleht hast.“

„Und dank Señor di Marquez wird die Arbeit nun viel einfacher. Um ehrlich zu sein, bist du in handwerklichen Dingen ja nicht gerade begabt, oder?“ Ehe Anna antworten konnte, drehte sich ihre Mutter wieder zu Leo um. „Wir haben hier viel Platz in der Villa, Señor di Marquez … ähm, Leo. Ich würde dir gern ein Zimmer anbieten.“

„Er hat seine eigene Unterkunft“, warf Anna rasch ein.

Das Lächeln ihrer Mutter verblasste kein bisschen. „Dann werde ich dich zumindest hier im Haupthaus verpflegen, Leo, ich bestehe darauf! Also, sollen wir uns hier um zwei Uhr zum Mittagessen treffen? Ich freue mich wirklich darauf, dich besser kennenzulernen.“

Oh, oh. Anna wusste genau, was das bedeutete: mindestens vier Gänge, Wein und zwei volle Stunden des Tages verschwendet.

Anschließend würde ihre Mutter zweifellos eine Siesta vorschlagen, und bevor Anna eine Chance hatte, eine einzige Liste zu schreiben, wäre es schon abends. „Es besteht keine Notwendigkeit für ein formelles Mittagessen“, verkündete sie energisch. „Wir haben viel zu viel zu tun. Außerdem ist es erst Anfang Mai, da kann man zur Not auch in der Sonne durcharbeiten“, schloss sie.

„Oh, Anna …“ Ihre Mutter hätte nicht vorwurfsvoller klingen können, aber ihr trauriger Protest wurde noch von Leo übertönt, der sich mit verschränkten Armen nach vorn lehnte.

„Das Mittagessen auslassen? Absolut nicht. Ich freue mich darauf, Sancia, ganz ehrlich. Was wäre das Leben ohne Zeit für gutes Essen und gute Gespräche?“

Entnervt sah Anna zu dem unbekümmerten Spanier hinüber. „Ich dachte, du wolltest alles perfekt für die Hochzeit deiner Schwester vorbereiten … Leo?“, erinnerte sie ihn und fühlte sich unbehaglich, ihn mit seinem Vornamen anzusprechen.

„Werde ich auch, aber warum können wir nicht ein bisschen Spaß haben, während wir arbeiten?“

3. KAPITEL

Während des ausgiebigen Essens war Leo aufgefallen, dass Anna zunehmend unruhiger wurde. Verständlich, denn ihre Mutter hatte offensichtlich keine Ahnung davon, wie man ein Hotel führte.

Er selbst machte sich weniger Sorgen, denn im Notfall konnte er schließlich ein Team von Arbeitern zur Insel bringen lassen und die schwierigeren Renovierungen in professionelle Hände geben.

Dr. Anna Gray strahlte dagegen überhaupt keine Gelassenheit aus. Sie hatte es abgelehnt, zu den verschiedenen köstlichen Gängen aus der Hotelküche Wein zu trinken, und beschäftigte sich jetzt demonstrativ damit, lange To-Do-Listen anzufertigen, während er sich einen kräftigen Espresso genehmigte.

Hinreißend, dieses Wesen! Und das konnte er nicht oft von einer Frau sagen. Bisher waren ihm die meisten unerträglich oberflächlich vorgekommen, was ihm andererseits auch gut passte. Denn wenn er sich mit einer von ihnen verabredete, wusste er genau, dass sie nicht ernsthaft an seiner Person interessiert war. Das machte die unweigerliche Trennung für ihn leichter.

Doch hier – fern der Öffentlichkeit – galten andere Regeln. Er betrachtete es als Herausforderung, Dr. Anna Gray dazu zu bringen, Stift und Papier aus der Hand zu legen und sich zu entspannen. Obwohl er sie erst wenige Stunden kannte, fesselte sie ihn mehr als jede andere Frau, der er begegnet war … und das machte sie äußerst gefährlich.

„Dann weih mich mal ein“, schlug er vor und stellte seine Tasse ab. „Was ist Punkt eins auf deiner Liste?“

Schützend presste sie ihr Notizbuch an sich. „Ich habe bloß Materialien aufgeschrieben, die wir besorgen müssen, ehe wir richtig anfangen können. Daher müsste ich heute eigentlich aufs Festland, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren.“

„Dafür können wir mein Boot nehmen“, bot er an.

„Die Jolle meiner Mutter reicht auch …“

„Ach, die ist doch viel zu klein“, winkte Sancia ab und setzte sich zu ihnen auf die Veranda. „Das Auto steht wie immer im Hafen, querida , damit könnte ich auch zu dem großen Baumarkt am Stadtrand fahren.“

„Also gut“, erwiderte Anna seufzend. „Dann los!“

Aber Leo rührte sich nicht, und ihre Mutter schüttelte den Kopf.

„Du bist jetzt in Spanien, querida , und die Läden sind während der Siesta geschlossen.“

„Siesta klingt gut“, sagte Leo und stand auf. „Vielen Dank für das leckere Essen, Sancia.“ Zum Abschied verbeugte er sich leicht und zwinkerte dann Anna zu, die ihn finster musterte. „Und wir beide treffen uns am besten in zwei Stunden am Landungssteg.“

Heute Morgen hatte er lediglich vorgehabt, ein vermeintliches Luxusresort zu besichtigen. Und jetzt?

Jetzt konnte er es kaum abwarten, sich mit der gefährlich verführerischen Dr. Anna Gray anzulegen!

Anna starrte nachdenklich in den Eimer mit lauwarmem Schmutzwasser.

Sie hatte beschlossen, die Siesta zu nutzen, um die Außenseiten einiger Bungalows zu putzen. Nicht, dass sie sehr weit gekommen war, aber der Anfang war gemacht.

Ihre Mutter hatte noch nicht erzählt, wann die Saisonkräfte beginnen würden und wie viele sie erwarteten. Ohne ausreichendes Personal waren sie aufgeschmissen.

Zum Glück befanden sich die Innenräume der Bungalows in einem besseren Zustand, als Anna erwartet hatte. Ein paar luxuriöse Details wie neue Kissen, Teppiche und Accessoires – den Rest besorgte der einmalige authentische Charme der La Isla Marina.

Anna fühlte sich ein bisschen wie Aschenputtel, weil sie schuftete, während der Rest des Haushalts schlummerte. Es ärgerte sie, dass ihre Schwester sorglos irgendwo am anderen Ende der Welt herumgondelte. Und dass ihre Mutter sie regelmäßig ansah, als wäre sie zu pingelig und anspruchsvoll. Dazu noch dieser Leo di Marquez …

Welcher Mann nahm spontan einen Monat frei, um die Hochzeit seiner Schwester vorzubereiten? Seufzend leerte Anna den Eimer aus, während ihre Gedanken zu Leos nackter Brust wanderten … und zu seinem sinnlichen Mund.

Er wusste genau, wie attraktiv er war, und Anna misstraute grundsätzlich Männern, die von sich selbst überzeugt waren. Schließlich hatte sie sich an solchen Kerlen schon einmal die Finger verbrannt.

Das passierte ihr nicht noch einmal. Ab sofort würde sie ihren Schutzwall hochfahren und Leo die kalte Schulter zeigen. Jetzt zählten nur noch Kontrolle und Arbeit.

Ihre Mutter und Schwester mochten sich auf Intuition und Spontaneität verlassen, aber Anna setzte auf umfangreiches Wissen und feste Pläne. Deshalb war sie auch Akademikerin geworden, nicht wegen des Erfolgs ihres Vaters oder weil es von ihr erwartet wurde. Sie liebte die Forschung, das Zusammentragen von Fakten und das Erstellen ihrer eigenen Interpretation der Recherche.

Seufzend kehrte sie zur Villa zurück und ging durch die versteckte Tür, die den öffentlichen Bereich von den Privaträumen der Familie trennte. Die Holztreppe dahinter war schmal und dunkel und führte bis hinauf ins Turmzimmer, das Anna seit ihrer Kindheit gehörte.

Nichts hatte sich verändert: Dasselbe eiserne Bett stand noch in der Ecke,...

Autor

Jessica Gilmore
Jessica Gilmore hat in ihrem Leben schon die verschiedensten Jobs ausgeübt. Sie war zum Beispiel als Au Pair, Bücherverkäuferin und Marketing Managerin tätig und arbeitet inzwischen in einer Umweltorganisation in York, England. Hier lebt sie mit ihrem Ehemann, ihrer gemeinsamen Tochter und dem kuschligen Hund – Letzteren können die beiden...
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