Verbotene Leidenschaft unter griechischer Sonne

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Priya braucht einen Ehemann! Nur so kann sie die altehrwürdige Privatbank ihrer Familie vor dem Ruin retten. Der arrogante und höllisch attraktive Eros Theodorou bietet ihr Hilfe an – nicht ganz uneigennützig. Durch die Heirat mit Priya will der smarte Geschäftsmann sich sein Erbe sichern. Obwohl es eine Zweckehe auf Zeit ist, weckt Eros in Priya ein nie gekanntes Verlangen. Auf einer paradiesischen griechischen Insel erliegt sie seinen Verführungskünsten. Doch sie weiß, dass es keine gemeinsame Zukunft für sie geben kann …


  • Erscheinungstag 16.11.2021
  • Bandnummer 2518
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507103
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Eros Theodorou stand auf dem Balkon seines Athener Penthouses, schaute hinüber zur Akropolis und hob sein Glas Ouzo dem Nachthimmel entgegen. Neben ihm stand seine Mutter und starrte blicklos in die Ferne. In ihren Augen lag ein gequälter Ausdruck.

„Dass du die trauernde Witwe spielst, hätte ich nicht erwartet“, sagte er verärgert.

„Ich bin zwar nicht seine Witwe. Aber ich habe ihn geliebt.“ Arista seufzte und sah ihn mit ihren hellgrauen Augen kühl an. „Ich war bis zum Schluss bei ihm.“

Bei dem Gedanken, dass seine Mutter Krankenschwester gespielt und die Launen dieses Mannes ertragen hatte, sah Eros rot. Arista Theodorou war für zwei Dinge bekannt: ihre beachtliche Karriere als Rechtsanwältin und ihre desaströse On-Off-Beziehung mit Zeus Mytikas.

„Der Mistkerl hat dich immer nur manipuliert.“ Eros fluchte leise und ballte die Fäuste, als Groll und Hass wieder in ihm hochkamen – Gefühle, die er vor langer Zeit gelernt hatte zu unterdrücken.

„Du bist nicht zur Trauerfeier gekommen“, sagte Arista vorwurfsvoll.

Zeus hatte bestimmt, dass sein Leichnam in seine Heimat überführt wurde. Halb Athen war gekommen, um seinen mächtigsten Ex-Bürger zu betrauern. Angewidert verzog Eros den Mund. „Hätte ich ein öffentliches Spektakel besuchen wollen, wäre ich in den Zirkus gegangen.“

„Er war dein Vater.“ Sanft berührte sie seinen Arm, eine seltene Geste der Zuneigung. Einen Moment genoss er dieses Gefühl, schob dann aber ihre Hand weg.

„Nein“, widersprach er. „Den Titel ‚Vater‘ muss man sich verdienen.“ Zeus’ Blut floss durch seine Adern. Diese genetische Verbindung konnte er nicht auslöschen – egal wie viel Geld und Macht er anhäufte. „Warum bist du hier, Mutter?“

„Wir sehen uns so selten.“ Sie wich seinem Blick aus und berührte die kleine Aktentasche zu ihren Füßen. „Ich dachte, wir könnten zusammen essen und reden.“

„Die Wahrheit.“ Eros verdrehte die Augen. Wie immer versuchte seine Mutter, ihre wahren Motive hinter Nettigkeiten zu verstecken. Doch er durchschaute sie.

„Na gut.“ Sämtliche Freundlichkeit verschwand aus ihrem Blick. „Wir haben ein paar dringende Angelegenheiten zu besprechen.“

„Beeil dich. Ich bin in einer halben Stunde verabredet.“

„Natürlich,“ erwiderte sie angespannt. „Ich weiß, du verurteilst seine Affären, aber …“

„Wenn du den Satz beendest, kannst du gleich gehen“, warnte Eros. „Im Gegensatz zu deinem geliebten Zeus respektiere ich die Frauen, mit denen ich zusammen bin. Sie wissen, dass ich nicht an einer langfristigen Beziehung interessiert bin. So gibt es keine Missverständnisse. Das nennt man Kommunikation, Mutter. Solltest du mal versuchen.“

„Denkst du, nur weil du den Frauen sagst, sie sollen sich nicht in dich verlieben, hast du nicht der einen oder anderen das Herz gebrochen? Bist du wirklich so arrogant?“ Arista nahm einen dünnen schwarzen Ordner aus ihrer Designer-Handtasche.

Als Eros die offiziellen Dokumente betrachtete, vergaß er, was er hatte erwidern wollen. „Was ist das?“

„Zeus’ letzter Wille. Sein Testament.“

„Du machst Witze.“ Er lehnte sich gegen die Balkonmauer und lachte bitter auf. „Nachdem er versucht hat, mein Unternehmen zu ruinieren, nach all den Drohungen, ich sollte nicht einmal daran denken, sein Imperium zu übernehmen …“ Fassungslos verstummte er. Seine Mutter seufzte tief und setzte sich neben ihn auf einen Stuhl. Ihr Haar war ebenso blond wie seines. Dafür war er dankbar. Wenigstens hatte er nicht das schwarze Haar der mächtigen Mytikas-Familie geerbt. Man sah ihm nicht sofort an, dass er einer von ihnen war. Nur seine tiefblauen Augen erinnerten ihn ständig an den Mann, der ihn gezeugt hatte.

Eros setzte sich ebenfalls und legte die Füße auf den Tisch vor ihm. „Lass mich raten … Er hat alles mir hinterlassen und seinen anderen unehelichen Kindern nichts.“

Bei dem Hinweis darauf, dass sie nicht die einzige Frau war, die ein uneheliches Kind vom reichsten Mann der Welt hatte, zuckte Arista zusammen. „Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt ein paar Bedingungen.“

„Schau dich um.“ Die Penthouse-Suite lag im obersten Stock seines eigenen Hochhauses mitten in Athen. „Warum sollte ich sein vergiftetes Imperium übernehmen wollen? Ich habe mein eigenes aufgebaut. Ich muss nicht nach seiner Pfeife tanzen.“

Eros war der zweite der drei unehelichen Söhne, die Zeus zu seinen Lebzeiten anerkannt hatte. Unwillkürlich sah er Xanders Gesicht vor sich. Sein verräterischer Halbbruder hatte klargestellt, wem seine Loyalität galt. Und zwar in dem Moment, als er Zeus’ Namen annahm und in die Rolle des verlorenen Sohnes geschlüpft war. Nysio Bacchetti, der dritte und Jüngste im Bunde, ein menschenscheues Mitglied einer der ältesten Adelsfamilien Italiens, hatte verhindert, dass der Name seiner mächtigen Familie in irgendeiner Weise mit dem seines Erzeugers in Verbindung gebracht werden konnte.

„Diese Bedingungen … Gelten die für uns alle drei?“, erkundigte sich Eros betont ruhig. „Was haben die anderen beiden dazu gesagt?“

Arista schüttelte den Kopf. „Nysio wollte nicht einmal mit mir sprechen. Er will auf keinen Fall, dass die Vaterschaft herauskommt. Und Xander weiß schon lange, was für ihn auf dem Spiel steht, sollte Zeus seine Meinung geändert haben. Nämlich seine Position als Hauptaktionär und amtierender Geschäftsführer.“

Eros nahm seiner Mutter die Dokumente ab und las den markierten Textabschnitt. Er spürte ihren besorgten Blick.

Der Erste, der eine gültige Ehe eingeht und mindestens ein Jahr verheiratet bleibt, erbt alles.

In dem Dokument war eindeutig festgelegt, dass derjenige von Zeus’ drei unehelichen Söhnen, der zuerst heiratete und mindestens ein Jahr lang verheiratet blieb, der Alleinerbe war. Zeus’ Versuch, seine Söhne noch aus dem Grab heraus in eine Ehe zu drängen, war ziemlich beeindruckend. „Also weiß Xander Bescheid?“

„Ja, und er ist bereits verlobt. Keine Meldung in der Zeitung, keine Verlobungsparty. Alles geschah still und heimlich.“

„Wie praktisch“, murmelte er, lehnte sich zurück und rieb sich die schmerzenden Schläfen. Ehe?

„Eros, er benimmt sich, als hätte er bereits gewonnen. Bei der letzten Vorstandssitzung ging es größtenteils um seine Pläne, überflüssige Positionen im Unternehmen zu streichen. Er stellte klar, dass meine Position in diese Kategorie fällt“, fügte sie kalt hinzu.

Voller Zorn wandte Eros sich an seine Mutter. Seine Verabredung hatte er vergessen. „Dieses Gespräch ist völlig sinnlos. Du weißt, dass ich nie heiraten werde.“

„Nicht einmal, um Xander zu ärgern?“ Als sie fortfuhr, klang ihre Stimme höher. „Ich muss die Kontrolle über Mytikas behalten. Und das kann ich nur, wenn mein eigener Sohn das Ruder übernimmt. Bitte, Eros.“

Ihr Ausdruck wurde weicher. Sie spielte ihm wieder etwas vor. Arista war eine starke Frau, schauspielerte aber oft, um ihre Ziele zu erreichen. Sie versprach einem die Sterne vom Himmel, vergaß ihr Versprechen jedoch prompt, sobald sie bekam, was sie wollte. Als Kind hatte er beobachtet, wie sie den Mann, der sie wirklich liebte, manipulierte, um mit dem anderen, der sie nie lieben würde, zusammen zu sein. Sein Stiefvater war ein stolzer Mann gewesen, der sich nach einem normalen Familienleben sehnte. Er starb in der Hoffnung, Arista würde sich noch ändern. Früher einmal hatte auch Eros das gehofft.

Er schaute zum Sternenhimmel und versuchte, diese neuen Informationen zu verarbeiten. Als Kind hatte er gestottert und Jahre gebraucht, dieses Handicap zu überwinden. Auch heute noch war er sich der Momente bewusst, die einen Rückfall verursachen könnten. Er spannte die Kiefermuskeln an und atmete tief ein und aus, bevor er sprach. Nur um sicherzugehen. „Was erwartest du von mir? Dass ich in die Kirche stürme und Einspruch erhebe? Das kannst du auch selbst tun.“

„Ich darf meine Position nicht riskieren, das weißt du. Wenn wir verhindern wollen, dass diese Ehe geschlossen wird, reicht es nicht, nur die Trauung zu ruinieren.“

„Verstehe“, sagte er betont ruhig und unterdrückte den aufkeimenden Zorn. „Du brauchst nicht nur meine Hilfe, Mutter. Sondern meinen schlechten Ruf.“

„Ich muss sichergehen, dass man diese Braut gar nicht mehr heiraten kann. Wenigstens habe ich dann Zeit, das Testament anzufechten. Wenn du schon nicht bereit bist, die Bedingungen darin selbst zu erfüllen.“

„Der Gedanke, Xanders perfekten Plan zu durchkreuzen, ist ziemlich reizvoll“, gab Eros zu und rieb sich das Kinn.

„Machst du es nun oder nicht? Ich will ja nur, dass dein Bruder dafür bezahlt, wie er dich betrogen hat. Er darf nicht gewinnen!“

Unwillkürlich ballte Eros die Fäuste. Seine Mutter hatte sich bisher nie für ihn eingesetzt. Sie hatte Zeus jederzeit zur Verfügung gestanden, während Eros angetrieben von seinem Zorn und seiner Bitterkeit ganz allein sein Unternehmen aufgebaut hatte. Er unterdrückte diese Erinnerungen, nutzte aber die von ihnen hervorgerufenen Emotionen, als er aufstand und die Hände seiner Mutter nahm. Hoffnungsvoll leuchteten ihre Augen auf. Es grenzte an ausgleichende Gerechtigkeit, dass sie denselben schicksalhaften Fehler machte wie der Mann, den sie so sehr geliebt hatte. Genau wie Zeus hielt Arista ihren Sohn für schwach und ließ nun unwissentlich den Fuchs in den Hühnerstall.

„Sei beruhigt. Ich werde die Hochzeit verhindern. Und um die Braut kümmere ich mich auch“, sagte er ruhig. „Konzentrier du dich auf die Anfechtung des Testaments. Ich erledige den Rest.“

„Dieser Handel bleibt aber unter uns“, warnte sie. „Habe ich Erfolg, gehören das Haus in den Hamptons und der Sitz im Aufsichtsrat mir. Den Rest kannst du haben.“

„Natürlich“, erwiderte er mit butterweicher Stimme. „Habe ich dir je Grund gegeben, mir zu misstrauen?“

Ihr Gesichtsausdruck wurde weich, nun da sie ihr Ziel erreicht hatte. Genüsslich trank sie einen Schluck von ihrem Ouzo.

Erst als Eros wieder allein war, lächelte er zynisch, nahm sein Handy und gab im Internet den Namen der Braut seines Bruders ein, den seine Mutter ihm gegeben hatte. Er hatte sich immer wieder vorgestellt, was er tun würde, bekäme er je die Gelegenheit, sich an jenen zu rächen, die ihm Unrecht zugefügt hatten. Dass es dabei Kollateralschäden geben könnte, hatte er nicht bedacht. Er würde nach New York gehen, den Plan seines Bruders zunichtemachen und sicherstellen, dass es bald keine Mytikas Holding mehr gab, um die sie sich streiten könnten.

Eros betrachtete das Foto auf seinem Handy. Xander hat sich eine hübsche Braut ausgesucht. Ob die Schönheit wohl weiß, in welche Welt sie einheiratet? Selbst wenn nicht, würde er sich keine Schuldgefühle gestatten. Es war ja nicht seine Schuld, dass sein Bruder eine Unschuldige mit ins Kreuzfeuer gezogen hatte.

In dieser Familie war alles erlaubt – in der Liebe und im Krieg.

„Was, um Himmels willen, tust du da?“

Als Priya Davidson Khan plötzlich die Stimme ihrer besten Freundin hörte, stieß sie vor Schreck den Stapel Dokumente um, die sie gerade durchlas. „Ich musste mich noch um ein paar Dinge kümmern.“

„An einem Sonntag?“ Aria betrat das Büro und schaute Priya vorwurfsvoll an. „Müsstest du nicht dringend an einem anderen Ort sein?“

„Geld schläft nicht.“ Wütend suchte Priya die verstreuten Seiten zusammen. Nach einer weiteren schlaflosen Nacht hatte sie in dem menschenleeren Büro noch einmal die aktuellen Zahlen der Firma überprüfen wollen, die sie bald besitzen würde. Endlich würde ihr Erbe ihr allein gehören. Doch erst musste sie die nächsten Stunden überstehen.

„Lass sie liegen“, befahl Aria.

Priya, die gerade weitere Blätter unter dem riesigen Schreibtisch aus Mahagoni zusammensuchte, schaute auf. Erst da bemerkte sie, dass ihre Freundin bereits das extravagante pinke Brautjungfernkleid anhatte und einen langen weißen Kleidersack trug, auf dem vorne in großen Lettern „Braut“ stand. Ihr Magen verkrampfte sich.

„Wenn du wieder vor einer Hochzeit davonlaufen willst, hättest du dir einen schöneren Ort aussuchen können.“ Aria lächelte gutmütig.

Priya schluckte. Wieder. Bei diesem Wort wuchs ihre Angst. Aria meinte das nicht böse. Sie machten oft gemeinsam Witze über Priyas katastrophale erste Verlobung und den gesellschaftlichen Skandal, als Priya nur wenige Stunden vor der Trauung geflüchtet war. Damals hatte sie geglaubt, sie wäre endlich frei von dieser Welt mit ihren Machtspielchen. Sie verdrängte die Furcht, stand auf und wischte sich die vor Nervosität feuchten Hände an ihrer schwarzen Hose trocken.

„Wie spät ist es?“

„Kurz nach zwei.“ Aria schloss die Bürotür hinter sich und schaute Priya besorgt an. „Bist du sicher, dass du das wirklich durchziehen willst? Mit … ihm?“

Priya dachte an Xander Mytikas, ihren zukünftigen Mann. Nein, sie war ganz und gar nicht sicher. Ihr Onkel hatte die Abmachung ausgehandelt in dem verzweifelten Versuch, den Ruin ihrer Familie abzuwenden. Es war schwer, einen Mann zu finden, der einer zeitlich begrenzten Ehe mit einer Frau ihres Vermögens zustimmte, ohne danach eine Abfindung zu verlangen. Sie hatte den mächtigen Finanzier in der letzten Woche ein paar Mal zum Abendessen getroffen. Er hatte seine eigenen Gründe für ihr Arrangement, was Priya gerade recht war. Es gab keinerlei Anziehung zwischen ihnen, also keinerlei Risiko für Komplikationen. Warum hatte sie dann das Gefühl zu ersticken, wann immer sie an ihre Abmachung dachte?

Lag es an dem zweiseitigen Zeitungsartikel, den er bereits in Auftrag gegeben hatte, um die Hochzeit öffentlich zu verkünden? Sein Wunsch nach einer öffentlichen Trauungszeremonie war ein Schock gewesen. Immerhin hatte Priya öffentlich verkündet, niemals heiraten zu wollen. Sie sah die Schlagzeilen bereits vor sich. Aber was sie auch schreiben würden … Niemand kannte die Wahrheit hinter ihrer übereilten Eheschließung.

„Hilf mir einfach, das anzuziehen, ja?“ Seufzend nahm Priya ihrer Freundin den Kleidersack ab, öffnete den Reißverschluss und betrachtete das extravagante weiße Kleid, das die Top-Stylistin für die Hochzeit ausgewählt hatte. Sie hatte die Trauung bisher nur als ein weiteres Ereignis auf ihrem Terminkalender betrachtet. Doch als sie nun mit den Fingerspitzen über die Seide fuhr, spürte sie unter ihrer zur Schau gestellten Fassade der Eiskönigin Panik aufsteigen. Mit jedem Schließen eines kleinen Hakens oder Knopfes fiel ihr das Atmen schwerer. Sie warf einen Blick auf ihr Spiegelbild in dem teuren Seidenkleid und wandte sich schnell ab.

„Könntest du vorfahren und Bescheid sagen, dass ich mich etwas verspäte?“ Priya wich dem Blick ihrer Freundin aus. „Ich … ich brauche einfach noch einen Moment.“

Aria runzelte die Stirn, sagte aber nichts, sondern nahm ihre Freundin kurz in den Arm und verließ das Büro. Priya seufzte laut und sah sich in dem Raum um, der einst das Reich von Arun Davidson Khan war. Der New Yorker Hauptsitz von Davidson Khan Financial war alles, was von dem internationalen Imperium ihres Vaters geblieben war. Das Gebäude war Teil einer ruhmreichen Geschichte und mit seinen großartigen Gewölbedecken und dem unvergleichlichen Blick auf den Hudson in der Ferne immer einer ihrer Lieblingsplätze gewesen. Sie legte die Hände auf das kühle Glas und lauschte den Geräuschen der Stadt, so wie sie es als kleines Mädchen immer getan hatte. Ein Versuch, das Chaos in ihren Gedanken zu verdrängen. Schließlich riss sie sich zusammen und fuhr mit dem Privataufzug hinunter, ihrem Schicksal entgegen.

Als wäre sie auf dem Weg zum Scheiterhaufen, ballte Priya die Fäuste und bereitete sich seelisch darauf vor, in die Flammen zu gehen, vor denen sie vor sieben Jahren geflohen war. Die Gesellschaft New Yorks war manchmal grausam. Als junges Mädchen, das in der elitären Gesellschaft Longs Islands aufwuchs, hatte Priya mit ihren Freundinnen ihre Märchenhochzeit geplant. Mit einem Seidenschal als Schleier und einem Strauß roter Rosen, die sie aus dem Garten ihrer Mutter stibitzte, hatte sie sich selbst als wunderschöne Braut vorgestellt. So wie ihre perfekt gestylte Mutter es gewesen war. Leider war ihre Mutter alles andere als perfekt. Sie hatte Priya nur dann Liebe gegeben, wenn diese gehorchte und die Regeln für eine Erbin der oberen Gesellschaft befolgte.

Sieben Jahre lang hatte Priya einfach sie selbst sein können. Aber sobald sie verheiratet war, war sie Milliardärin. Verzweifelt schloss sie die Augen. Das Atmen fiel ihr zunehmend schwer. Viel zu schnell erreichte der Privataufzug das Erdgeschoss. Als die Türen sich öffneten, versperrte ein großer breitschultriger Mann in einem eleganten schwarzen Anzug ihr den Weg. Verwirrt musterte sie sein markantes Gesicht mit den tiefblauen Augen und den vollen Lippen. Ein wirklich schöner Mann.

Einen Moment lang konnte sie ihn nur anstarren. Normalerweise bezeichnete man Männer nicht als „schön“, doch bei diesem Gesicht fiel ihr einfach nichts Passenderes ein. Sein blondes Haar war ordentlich zurückgebunden. Sicher würde es ihm sonst bis auf die Schultern fallen. Und dieser gepflegte Bartschatten an seinem Kinn … Irgendwie wirkte er gefährlich, was nicht zu seinem gelassenen Lächeln passte.

Als könne er ihre Gedanken lesen, verstärkte sich sein Lächeln. „Sie müssen die Braut sein.“ Er hatte eine tiefe Stimme und sprach mit leichtem Akzent.

Priyas Herz klopfte heftig. Ihre Kehle war plötzlich staubtrocken. Sie schluckte und rief sich zur Ordnung. Benimm dich nicht wie ein schmachtender Teenager, der gleich in Ohnmacht fällt. Du bist die Braut und kommst noch zu spät zu deiner eigenen Hochzeit.

„Hat mich das weiße Kleid verraten?“, fragte sie scharfzüngig.

„Eher diese überwältigende Vorfreude“, entgegnete er in demselben Tonfall. Auf einer seiner Wangen erschien ein Grübchen.

Schnell schaute Priya auf die weiße Zutrittskarte in seiner Hand. Eine solche Karte bekamen nur Sicherheitsleute oder Fahrer. „Ich habe keinen Wagen bestellt.“ Sie runzelte die Stirn. „Xander denkt wirklich an alles.“

Kurz verdunkelte sich sein Blick. Doch er lächelte weiter und hielt ihr die Tür zur Seitenstraße auf. „Brauchen Sie Hilfe mit dem Kleid?“

„Nein, danke“, erwiderte sie steif. Warum kam ihr sein Hilfsangebot unpassend vor? Ja, er sah gut aus. Aber sie hatte viele Jahre im Ausland für Investmentfirmen gearbeitet und schon viele gutaussehende Männer getroffen. Allerdings hatte sie sich nie zu einem von ihnen hingezogen gefühlt. Gleich würde sie einen der mächtigsten Männer New Yorks heiraten. Wieso kamen ihr dann unpassende Gedanken über ihren Chauffeur in den Sinn?

Draußen nieselte es. Plötzlich war Priya froh, dass dieser breitschultrige Mann sie vor den Blicken der Passanten schützte. Gemeinsam gingen sie zu der am Bordstein wartenden silberfarbenen Limousine. Priya versuchte, anmutig in den Wagen zu steigen, fiel jedoch wenig damenhaft auf die weichen Ledersitze. Wie Frauen sich in diesen lächerlichen Kreationen anmutig bewegen sollten, war ihr ein Rätsel. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie ihr Eheversprechen lieber in wesentlich praktischerer Kleidung gegeben.

Wortlos beugte sich der Fahrer vor und drapierte den Seidenstoff sorgfältig um ihre Füße. Dabei kam er ihr so nahe, dass ihr ein Schauer über den Körper lief. Erst nachdem er sich wieder aufgerichtet und die Tür geschlossen hatte, konnte sie wieder atmen. Was ist bloß los mit mir?

Sie liebte ihren Bräutigam zwar nicht, aber sie hatte versprochen, die perfekte Braut zu spielen. Ein Jahr lang musste sie so tun, als wäre sie glücklich verheiratet. Für ihre Zwecke hätte die Ehe nicht so lange dauern müssen, doch Xander hatte darauf bestanden. Es durfte keinen Skandal geben. Alles musste echt aussehen.

Zwölf Monate waren ein kleiner Preis, um ihr Erbe endlich antreten zu können. Sosehr sie es auch hassen mochte … Sie war in dieser Welt aufgewachsen und konnte sicher eine Zeit lang die glückliche Ehefrau spielen. Das war wirklich nicht schwer. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Atmung. Beinahe hätte sie gar nicht mitbekommen, wie die Tür gegenüber schnell geöffnet und wieder geschlossen wurde, bevor der Wagen sich in Bewegung setzte.

„Champagner?“, unterbrach die weiche Stimme mit dem Akzent ihre Gedanken.

Erschrocken öffnete Priya die Augen. „Wer, um Himmels willen, fährt den Wagen?“ Sie schüttelte den Kopf. Sie spürte doch deutlich, dass der Wagen sich bewegte.

„Der Fahrer natürlich.“ Unbeeindruckt drückte der Mann auf einen Knopf, und zwei gekühlte Sektflöten und eine Flasche teurer Champagner kamen zum Vorschein.

„Sie haben mich in die Irre geführt“, bemerkte Priya. Verdammt! Sie war so in Gedanken verloren gewesen, dass sie das Gebäude verlassen hatte, ohne den ihr zugewiesenen Sicherheitsbeamten zu informieren.

„Ich habe nie behauptet, ich sei Ihr Fahrer.“ Seine Augen funkelten amüsiert, als fände er die Situation sehr unterhaltsam.

„Wer sind Sie und warum sind Sie hier?“ Misstrauisch musterte sie ihn.

„Ich bin hier, um mit Ihnen zu reden.“ Geschickt öffnete er die Champagnerflasche und füllte die Gläser. „Man hat mir gesagt, ich sähe aus wie ein gefallener Engel. Vielleicht bin ich heute Ihr Engel.“

„Das ist keine Antwort.“ Sie ignorierte das Glas, das er ihr anbot, nahm das Handy aus ihrer kleinen Handtasche und sah ihn wütend an. „Sagen Sie mir endlich, was Sie wollen, oder ich rufe die Polizei.“

„Und was wollen Sie der Polizei erzählen, Priya?“, fragte er mit seidenweicher Stimme. Sein Akzent schien jedes Wort zu umschmeicheln. „Was stellen Sie sich gerade für schreckliche Dinge vor, die ich Ihnen antun könnte? Ich bin neugierig.“

Sofort bekam sie eine Gänsehaut. Wer war dieser Mann? Und warum klang alles, was er sagte, wie Bettgeflüster? Sie ballte die Fäuste, um das plötzliche Zittern ihres Körpers zu verbergen.

„Entspannen Sie sich, Prinzessin. Von mir droht Ihnen keine Gefahr.“ Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, drückte er auf einen kleinen Knopf auf der Seitenverkleidung. „Ennio kennen Sie, oder?“

Die Abtrennung hinter ihm fuhr herunter. Priya war erleichtert, als sie das freundliche Gesicht des Mannes sah, der sie in den letzten Wochen schon oft durch die Stadt chauffiert hatte. Er lächelte schuldbewusst, winkte kurz und fuhr die Abtrennung wieder hoch. Nun war Priya wieder allein mit ihrem mysteriösen Gast.

„Haben Sie meinen Fahrer bestochen?“

„Bestechung ist ein schreckliches Wort.“ Er legte einen Arm auf die Rückenlehne und musterte Priya über den Rand seines Glases hinweg. „Ich nenne es lieber ‚einen vorteilhaften Anreiz anbieten ‘.“

„Wer sind Sie?“, wiederholte sie mit fester Stimme. Die vielen Schmetterlinge in ihrem Bauch machten das allerdings schwer.

„Mein Bruder hat Ihnen nichts von mir erzählt?“ Er täuschte vor, tief getroffen zu sein, und schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Offenbar verbirgt er mehr vor Ihnen als nur den wahren Grund für diese Ehe. Sie haben Glück, dass ich gekommen bin, um Sie aufzuklären, bevor Sie vor den Altar treten.“

Sein Bruder. Als Mitglied der New Yorker Gesellschaft wusste Priya natürlich über den mächtigen Vater ihres Bräutigams und seine infamen Fehltritte Bescheid. Aber dieser Mann hier war so ganz anders als ihr überaus gepflegter und ernsthafter Verlobter. Xander war dunkelhaarig und schlank. Dieser Mann hingegen war blond und hatte sehr breite Schultern. Sein Hemdkragen war offen. Die langen Harre hatte er zurückgekämmt und auf eine lässige Art frisiert, die nur bei einem Mann seines Kalibers wirklich gut aussah. Er strömte so viel Sex-Appeal und Vitalität aus, dass sie sich zwingen musste, seinem wissenden Blick auszuweichen. Ihr war klar, dass Xander tiefere Beweggründe hatte, die er ihr nicht verraten wollte. Aber sie hatte dafür gesorgt, dass der Ehevertrag hieb- und stichfest war. Alles war unter Kontrolle.

„Offensichtlich sind Sie hier, um etwas zu verkünden. Also beeilen Sie sich. Ich bin schon spät dran.“ Betont gelassen legte sie die Hände in den Schoß.

„Lieben Sie ihn?“

„Das geht Sie nichts an“, erwiderte sie angespannt. Ihr mysteriöser Gast runzelte lediglich die Stirn und trank noch einen Schluck Champagner.

„Ich habe den Ehevertrag gelesen. Sie haben wirklich alles geplant. Abendessen in der Öffentlichkeit, gesellschaftliche Anlässe … Scheint, als wären Sie sehr darauf erpicht, ihren Ruf zu verbessern, nun da Sie in die Gesellschaft zurückkehren.“

„Sie kennen mich nicht“, stieß Priya hervor.

„Ich weiß genug.“ Er leerte sein Glas in einem Zug. „Ein schmutziges Foto mit mir, und mein Bruder würde Sie und ihren gemeinsamen Deal auf der Stelle vergessen.“

Priyas Kehle war auf einmal staubtrocken. Wie sollte sie auf diese skandalöse Drohung reagieren? „Welchen Vorteil hätten Sie davon, diese Hochzeit auf so dramatische Weise zu ruinieren?“

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