Verbotene Liebe mit Dr. Rodriguez

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Die Gerüchteküche im Krankenhaus kocht über: Was läuft da zwischen Dr. Layla Woods und dem Starchirurgen Alex Rodriguez? Zwischen ihnen knistert es heiß! Niemand ahnt, was sie beide verbindet: eine leidenschaftliche Liebe, die schon einmal zerstörerisch war …


  • Erscheinungstag 24.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728168
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nein!“

Ein einziges Wort unterstrich den dramatischen Auftritt, als der hochgewachsene Mann in Laylas Büro stürmte und ihr ein Blatt Papier auf den Schreibtisch knallte.

Alex Rodriguez war wütend. Das dichte tintenschwarze Haar war zerzaust, dunkle Augen fixierten Layla zornig.

Sie widerstand dem Drang, aufzustehen. Vielleicht hätte sie sich größer gefühlt, mutiger – oder aber verraten, was Alex nicht wissen sollte: dass er sie verunsicherte. Immer noch.

Beruhigt, dass ihre Hand nicht zitterte, griff sie nach dem Ausdruck. Sie selbst hatte die Mail heute Morgen an alle leitenden Mediziner hier am Angel Mendez Children’s Hospital geschickt.

„Das ist die Tagesordnung für die nächste monatliche Fallbesprechung.“

„Und du hast mich als ersten Redner draufgesetzt.“ Alex verschränkte die Arme vor der muskulösen Brust. „Meine Antwort ist Nein. Ich lehne die Einladung ab.“

„Es ist keine Einladung“, erwiderte sie scharf. „Mit diesem Fall will ich das Treffen eröffnen. Tut mir leid, wenn es dir nicht gefällt, aber es ist dein Patient, Alex. Deshalb präsentierst du den Fall. Ende der Geschichte.“

Ein grimmiges Schnauben war die Antwort, und es sah aus, als wollte der leitende Chefarzt der Neurochirurgie kommentarlos aus dem Zimmer verschwinden. Genauso zornig, wie er gekommen war. Stattdessen blieb er an dem breiten Panoramafenster stehen. Nahm er den grandiosen Blick auf den New Yorker Central Park wahr, über dem sich ein strahlend blauer Oktoberhimmel spannte?

Eine Aussicht, die zu den Vorzügen ihrer Position als neue Leiterin der Pädiatrie in diesem renommierten Kinderkrankenhaus gehörte. Ihr Traumjob – dem vor wenigen Wochen noch das Aus drohte, hätte Alex sich nicht für sie stark gemacht.

„Was zum Teufel hast du vor, Layla?“

Anscheinend war die ärgerliche Frage bis ins Vorzimmer gedrungen, denn keine fünf Sekunden später erschien ihre Sekretärin mit besorgter Miene an der Tür.

Layla lächelte verhalten. „Stellen Sie bitte vorerst keine Anrufe durch, Monica.“

Taktvoll wurde die Tür geschlossen.

„Also?“ Alex wandte sich ihr zu um, und diesmal erhob sich Layla.

Langsam kam sie um ihren Schreibtisch herum und blieb stehen. Sie wagte es nicht, Alex noch näher zu kommen. Weil die gemeinsame Vergangenheit wie eine bedrohliche Warnung zwischen ihnen lag? Eine Büchse der Pandora, die unter allen Umständen geschlossen bleiben musste?

Oder war es vielmehr die Erinnerung an das, was passiert war, als sie Alex unverhofft am Angel’s wiedersah? An den heftigen Streit und den leidenschaftlichen Kuss, der darauf folgte? Das Feuer, das früher zwischen ihnen gebrannt hatte, war längst nicht erloschen. Ein Funke genügte, um es wieder auflodern zu lassen.

Aber das durfte nicht sein.

Ihre Vergangenheit hatte den Job gefährdet, den sie sich immer gewünscht hatte. Wie naiv sie doch gewesen war. Hatte sie wirklich geglaubt, eine gehobene Position annehmen zu können, ohne den Vorfall zu erwähnen, der vor fünf Jahren beinahe Alex’ Karriere zerstört hätte? Ein Vorfall, an dem sie beteiligt gewesen war und für den Alex sich vor Gericht verantworten musste.

Inzwischen war die Gefahr gebannt. Jetzt mussten sie lernen, wie normale Kollegen miteinander umzugehen.

„Ich wollte die Tagesordnung mit dir besprechen“, erklärte sie sachlich. „Aber du hattest keine Zeit, als ich letzte Woche einen Termin vorschlug.“

„Ich war beschäftigt.“

Er konnte sie nicht täuschen. Alex war ihr aus dem Weg gegangen.

Seit jenem Kuss.

Warum machte er dann einen Aufstand wegen der Fallbesprechung? Er hätte Ryan O’Doherty, seinen Stellvertreter, hinschicken können.

„Es ist kein aktueller Fall“, meinte er. „Und der Eingriff war ein Erfolg.“

Eben, dachte sie.

Wozu die Vergangenheit wieder aufwühlen? Die Erinnerung an den kleinen Jungen, dessen Behandlung Alex und sie zusammengeführt hatte? An einen nahezu inoperablen Hirntumor, die winzige Chance, die in einen Fehlschlag mündete? Jamie Kilpatrick war gestorben, und seine Familie hatte Alex angezeigt. Am Ende sprach man ihn von jeder Schuld frei, doch Layla war schon nicht mehr für ihn da gewesen. In der Nacht vor Jamies Operation hatte sie die Affäre beendet.

„Genau deshalb habe ich ihn ausgesucht“, entgegnete sie. „Manchmal ist es gut, einen Triumph zu reflektieren. Und Liams Behandlung war ein Triumph“, betonte sie.

„Es gibt noch andere.“

„Aber keine, die so viele Leute interessiert.“

Der Hirntumor des Neunjährigen war selten und derart kompliziert gewesen, dass sich im ganzen Land kein Chirurg fand, der operiert hätte. Das Angel’s war die letzte Hoffnung der verzweifelten Eltern gewesen. Damit Dr. Rodriguez seine legendären Fähigkeiten einsetzte, um ihrem kleinen Sohn eine Überlebenschance zu geben. Deshalb wäre es auch egal gewesen, ob Ryan darüber berichtet hätte. Hier wusste sowieso jeder, wer der wahre Held war.

„Der Fall wird danach ausgesucht, wie außergewöhnlich er ist“, fuhr sie fort. „Die Geschichte war in aller Munde, und ich habe gehört, dass du darüber einen Artikel in einer der Top-Fachzeitschriften vorbereitest. So etwas baut die Leute auf.“ Ein gutes Gegengewicht zu den niederschmetternden Erlebnissen, die keinem Mediziner hier erspart blieben.

„Hol jemand anders ins Scheinwerferlicht, Layla“, kam die barsche Antwort. „Irgendeiner wird sich fragen, warum du mich ausgesucht hast. Über mich wurde in letzter Zeit viel geredet, und das reicht mir.“ Alex sah sie eindringlich an. „Der Tratsch über den Fall Kilpatrick war schlimm genug. Was ist, wenn die Leute sich auch noch das Maul darüber zerreißen, dass ich damals eine Affäre mit einer verheirateten Frau hatte? Was meinst du, was das für meinen Ruf bedeutet?“

Unter seinem zornigen Blick wäre jeder zusammengezuckt.

Layla drückte die Schultern durch.

„Ich habe mich hier beworben, weil ich einen Neuanfang brauchte“, fügte er hinzu. „Deshalb werde ich es nicht zulassen, dass du meinen Namen in den Schmutz ziehst.“

Was zum …?

Okay, ihr Plan hatte nicht funktioniert. Gerade um den Tratsch zu ersticken, wollte sie Alex Gelegenheit geben, seine Kompetenz zu unterstreichen und sich noch mehr Respekt zu verschaffen.

Dass er ihr jetzt vorwarf, seinen Ruf schädigen zu wollen, brachte sie auf die Palme. „Du bist nicht der Einzige, der am Angel’s einen Neuanfang machen wollte!“, fuhr sie ihn an. „Und du wirst nicht vergessen haben, dass ich diese verheiratete Frau war. Mir liegt genauso wenig daran wie dir, dass das publik wird!“

„Dann bleib weg von mir.“

Layla stieß einen ungläubigen Laut aus. „Du bist in mein Büro gekommen!“

„Weil du nicht einfach Fakten schaffen kannst.“

„Du hast ganz andere Fakten geschaffen, mit denen wir klarkommen müssen“, entgegnete sie. „Wir arbeiten im selben Krankenhaus. Wieder einmal.“ Layla holte tief Luft. „Eine unglückliche Fügung, das gebe ich zu, aber du hattest die Chance, mich loszuwerden. Vielleicht hätten sie mich gefeuert, wenn du dich nicht für mich eingesetzt hättest.“

„Ich habe es nicht getan, damit du hierbleiben und deinen Job behalten kannst.“

Nein, natürlich nicht. „Weshalb dann?“

„Weil ich mir von der Vergangenheit nicht die Zukunft bestimmen lasse. Der Kilpatrick-Fall hat genug Schaden angerichtet. Und ich habe mich für dich eingesetzt, weil … es richtig war.“

Ihm dafür zu danken war ihrer Meinung nach auch wichtig und richtig gewesen. Aber Alex hatte es nicht zugelassen. Jetzt war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie ihm überhaupt danken wollte. Hatte er nicht gerade signalisiert, dass die Vergangenheit für ihn keine Rolle mehr spielte? Und dazu gehörte auch, was zwischen ihnen gewesen war …

Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. „Wir müssen nun mal zusammen arbeiten. Ich bin nicht bereit, einen Job aufzugeben, den ich gerade erst bekommen habe.“

„Ich auch nicht.“

Er war immer noch wütend. Layla spürte es, obwohl sie in sicherer Distanz zu ihm stand. Und noch mehr. Alex war nicht nur ehrgeizig, er hatte auch das Zeug zum Erfolg. Ein hochintelligenter Mann, voller Energie und Tatkraft, die ihm eine unwiderstehliche Ausstrahlung verliehen. Alex Rodriguez besaß ein Charisma, dem sich nur wenige entziehen konnten.

Das Schweigen dehnte sich. Was hätten sie auch sagen sollen? Die Vergangenheit zählte nicht. Wenn sie mit der Gegenwart klarkommen wollten, mussten sie sich auf die Zukunft konzentrieren.

So einfach ist das nicht, klopften leise Zweifel an. Layla verdrängte sie. „Okay, dann sollten wir uns wie vernünftige Kollegen verhalten. Die Tagesordnung für das Treffen steht. Ich freue mich darauf, Ihre Präsentation zu hören, Dr. Rodriguez.“

Alex sagte nichts. Ein finsterer Blick war alles, was er ihr gönnte, bevor er sich abwandte und ihr Büro verließ.

Zwei Tage später füllte sich der kleine Vortragssaal in der Nähe des OP-Trakts langsam mit Zuhörern. Einige hatten Kaffeebecher und Papiertüten mit Sandwichs in der Hand, andere lasen Mitteilungen auf ihren Pagern. Notizblock und Kugelschreiber würde jeder von ihnen dabeihaben.

Tyler Donaldson, Säuglingsarzt und ein alter Freund aus der texanischen Heimat, begleitete seine hochschwangere Verlobte Eleanor zu einem der Sitze in der ersten Reihe, damit sie ausreichend Platz hatte.

Eleanor lächelte Layla an. „Sei mir nicht böse, wenn ich zwischendurch mal verschwinde. Meine Blase scheint mit jedem Tag zu schrumpfen.“

„Genau“, meinte Tyler voller Vaterstolz. „Der kleine Rodeo­reiter da drin hält sich fit, indem er sie als Punchingball benutzt.“

Layla erwiderte das Lächeln, sagte aber nichts. Sie war nicht in der Stimmung, um über Babys zu reden. Und auch wenn Tyler ein guter Freund war, so fand sie es nicht gerade professionell, dass er hier mit Eleanor Händchen hielt.

Die Leute unterhielten sich gedämpft, während immer mehr Sitze besetzt wurden. Alex war nirgends zu sehen. Layla warf Ryan einen fragenden Blick zu und deutete mit dem Kopf zur Tür. Aber Ryan zuckte nur mit den Schultern und wandte sich seinem Nebenmann zu, der ihn etwas gefragt hatte. Es herrschte eine entspannte Stimmung.

Was Layla von sich nicht behaupten konnte. Sie ertappte sich dabei, wie sie ungeduldig mit dem Fuß tippte. Wie lange schon? Hatte es jemand bemerkt? Sie hielt den Fuß still.

Wo blieb Alex nur?

Die Atmosphäre im Saal hatte sich verändert. Die meisten blickten erwartungsvoll nach vorn. Alle Anwesenden waren viel beschäftigte Mediziner. Sie hatten nur eine Stunde Zeit und opferten ihre Mittagspause, um dabei sein zu können. Ein paar Plätze blieben leer, aber das war normal. Patienten gingen immer vor.

Ich gebe ihm noch eine Minute, dachte sie.

„Musst du nicht bei der monatlichen Fallbesprechung sein?“

„Stimmt.“ Alex fixierte seinen Halbbruder Cade. Leicht vorgebeugt, beide auf dem Sprung, schwitzten sie in der Mittagssonne auf dem kleinen Platz hinter der Notaufnahme. An einer Wand hing ein Basketballkorb.

Im Moment hatte Alex den Ball, ließ ihn immer wieder aufprallen, während er nach einer Gelegenheit suchte, dem Korb noch etwas näher zu kommen.

„Und was machst du dann hier?“

„Das könnte ich dich auch fragen.“

„He, ich hätte sowieso nur zugehört. Solltest du nicht über einen Fall berichten?“

Alex ignorierte die Frage. Blitzschnell tauchte er seitwärts weg, visierte sein Ziel an und warf den Ball. Mit einem dumpfen Laut traf er das Brett und fiel durchs Netz.

„Ja!“

Die beiden Männer jagten dem Ball nach. Diesmal war Cade schneller.

„Du kannst auch gleich aufgeben, Bruder. Geh duschen und mach Layla glücklich.“

„Was soll das denn heißen?“

„Holla …“ Cade hörte auf, den Ball zu prellen, fing ihn auf und drehte ihn auf der Hand. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“

Dass er dabei Laylas weichen texanischen Akzent nachahmte, rieb bei Alex nur Salz in die Wunden. Cade sah den Angriff nicht kommen, und schon hatte Alex ihm den Ball aus der Hand geschlagen, dribbelte ihn übers Feld und holte sich den nächsten Punkt.

Cade lachte. Das Spiel ging weiter. Hart und unerbittlich kämpften sie um den Ball, während ihnen der Schweiß in Strömen über die Haut rann.

Alex dachte nicht daran, zu der Besprechung zu gehen und Layla glücklich zu machen. Klar, sie wollte ihm öffentlich auf die Schulter klopfen, ihm zusätzlich Anerkennung verschaffen wegen eines Falls, den er mit Bravour gemeistert hatte. Schön und gut, aber ihm gefiel nicht, was dahintersteckte.

Okay, er hatte Layla beim Direktorium in Schutz genommen und vielleicht vor einem Rauswurf bewahrt. Doch das hatte er für sich getan, nicht für sie. Deshalb wollte er ihren Dank nicht.

Er wusste genau, was passieren würde, wenn er sie zu nahe an sich heranließ. Ein Funke genügte, um das Feuer zwischen ihnen wieder zu entfachen. Sie würden alles um sich herum vergessen, sich küssen, als gebe es kein Morgen.

Und das musste er verhindern!

Verdammt, was denkt sie, wer sie ist? Er hatte ihr gesagt, dass er den Vortrag nicht halten würde. Sie hatte Zeit genug gehabt, ihre Tagesordnung zu ändern, und es trotzdem nicht getan. Dabei musste ihr doch klar sein, dass sie damit den Gerüchten neue Nahrung verschaffte.

Nein, er würde nicht auftauchen, und er würde sich auch nicht dafür entschuldigen. Zusammenarbeit gut und schön. Aber wenn Layla glaubte, die Puppen tanzen lassen zu können, dann nicht mit ihm!

Allmählich wurde es peinlich.

Oben auf dem Podium nickte Layla den Anwesenden zu. Höchste Zeit, anzufangen. Ihre hohen Absätze klickten auf dem Holzboden, als Layla ans Rednerpult trat. Sie klopfte sachte gegen das Mikrofon, um zu testen, ob es eingeschaltet war.

Unbekümmert und mit einem freundlichen Lächeln begrüßte sie ihre Zuhörer. Gute Manieren und sicheres Auftreten waren das A und O ihrer Erziehung gewesen. Und dazu gehörte auch, dass sie der Öffentlichkeit eine perfekte Fassade zeigte, egal, was in ihrem Kopf vorging.

Oder in ihrem Herzen.

„Sieht so aus, als hätte es unser erster Redner nicht geschafft“, fuhr sie locker fort. „Genauso gespannt dürfen wir auf unseren zweiten Fall sein. Dr. Donaldson wird uns über einen Patienten in seiner Neonatal-Abteilung berichten.“

„Danke, Darlin’ …“ Sichtlich widerstrebend ließ Ty Eleanors Hand los und schlenderte aufs Podium. Während er einen USB-Stick in den Beamer steckte, zwinkerte er Layla zu.

Ihr Lächeln drohte zu wanken, aber sie hatte sich im Griff. Layla wusste genau, was dieses Augenzwinkern zu bedeuten hatte. Oder die vielsagenden Blicke, die sich die Leute zuwarfen. Alex’ Name stand auf der Agenda ganz oben. Natürlich fragten sie sich, ob wirklich ein Notfall dahintersteckte oder etwas völlig anderes. Vielleicht ist an dem Getuschel über Alex und Layla doch etwas dran? Haben die beiden etwas mitei­nander?

Layla sah die Fragen buchstäblich durch den Raum geistern, als hätte sie jemand mit Leuchtschrift sichtbar gemacht.

„Das ist Madeline“, begann Tyler Donaldson, als das Bild eines winzigen Frühchens in einem Gewirr von Leitungen und Schläuchen auf der Leinwand erschien. „Geboren in der fünfundzwanzigsten Schwangerschaftswoche, wog die Kleine 680 Gramm, bei einer Länge von zweiunddreißig Zentimetern. Sie wurde sofort nach der Geburt intubiert und bekam Überdruck-Beatmung wegen ihrer Frühreife.“

Nach außen hin hörte Layla konzentriert zu. Aber in ihr brodelte es. Er hätte sich entschuldigen lassen können. Oder Ryan bitten müssen, den Fall an seiner Stelle zu präsentieren. Damit hätten sie beide das Gesicht gewahrt. Aber so? Dass er ohne eine Erklärung einfach nicht auftauchte, heizte die Gerüchteküche doch noch mehr an!

Layla verabscheute Tratsch, und sie hatte wenig Lust darauf, dass andere in der Asche ihrer Vergangenheit herumstocherten. Es war ein Fehler gewesen, sich mit Alex einzulassen. Ob sie je darüber hinwegkommen würde?

Über den Fehler oder über Alex?

Sie verdrängte die bohrende Frage und starrte Tyler an.

Alles seine Schuld, dachte sie mit wachsendem Unmut. Ty und sie kannten sich von Kindheit an. Er hatte gewusst, dass ihre Ehe am Ende und wie schwierig das Verhältnis zu ihrer Familie war. Okay, vielleicht hatte er keine Ahnung von ihrer Affäre mit Alex gehabt. Aber es war Ty gewesen, der sie überredet hatte, sich um eine Stelle am Angel’s zu bewerben.

Der Job, der sie wieder mit Alex zusammenbrachte.

Kollegen am selben Krankenhaus, wieder einmal.

Layla versuchte, sich auf Tylers Ausführungen zu konzentrieren, aber ihre Gedanken schweiften bald erneut ab.

Wie sollte sie mit der Spannung zwischen Alex und ihr umgehen? Es war ja nicht nur ihr Ruf, der auf dem Spiel stand. In seiner Nähe traute sie sich selbst nicht mehr. Alex brachte sie dazu, alles um sich herum zu vergessen. Immer noch. Der Kuss neulich hatte es bewiesen.

Niemals hätte sie gedacht, dass sie so auf diesen Mann reagieren würde. Nach all den Jahren, nach allem, was passiert war. Aber eine Berührung von Alex genügte, und sie spürte das gleiche heftige Verlangen wie damals. Als sie jede Vorsicht in den Wind schlug und mit ihr tief verwurzelte Überzeugungen, die bis dahin ihr Leben bestimmt hatten. Zum Beispiel, dass man als verheiratete Frau nicht in ein anderes Bett steigt.

War sie rot geworden? Warum herrschte plötzlich Stille im Vortragssaal? Alle schienen sie anzublicken.

Layla stöhnte stumm auf. Erst jetzt merkte sie, dass Tyler mit seiner Präsentation fertig war. Die Zuhörer warteten nur darauf, dass sie etwas sagte.

Sie setzte ein entspanntes Lächeln auf. „Entschuldigung, Leute … was für ein interessanter Fall, ich war ganz in Gedanken. Hat jemand eine Frage?“

Mehrere Hände gingen in die Höhe, und Layla nickte Herzchirurgin Ann Foster zu.

„Für welche Antibiotika hast du dich entschieden, um die Lungenentzündung zu behandeln? Und hast du eine Bluttransfusion gleich nach der ersten OP in Betracht gezogen?“

Layla konnte nicht anders, sie blickte an Ann vorbei zu den hinteren, im Dämmerlicht liegenden Reihen. Während Tylers Vortrag hätte jemand unbemerkt über die Hintertreppe den Saal betreten und dort oben Platz nehmen können.

Aber sie brauchte nicht hinzusehen, um sich zu vergewissern, dass Alex nicht da war. Sie fühlte es. Wie das plötzliche Frösteln, wenn sich eine Wolke vor die Sonne schob.

Völlig verausgabt stand Alex vornübergebeugt da, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, und schnappte nach Luft.

Cade war genauso fertig. „So, mir geht’s besser“, keuchte er. „Und dir?“

Alex ignorierte die Frage. „Was hat dich geärgert?“

„Ich habe die Nase voll. Drüben in L. A. habe ich eine Abteilung geleitet. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich tun soll. Mir die besten Fälle vorenthält. Meine Entscheidungen hinterfragt. Ich bin kein Assistenzarzt mehr.“

„Du hast gewusst, dass du die zweite Geige spielen musst, als du diesen Job angenommen hast.“

„Klar … ich wusste nur nicht, wie wenig mir das schmecken würde. Allmählich glaube ich, dass ich das Gleiche hätte machen sollen wie du – ans andere Ende der Welt verschwinden. Australien hört sich verdammt gut an.“

„Dich hat nichts weggetrieben.“

„Darauf würde ich nicht wetten.“ Cade holte sich den Ball.

Alex hakte nicht nach, was er mit dieser rätselhaften Bemerkung meinte. Wenn Cade so weit war, würde er ihm schon mehr erzählen. Und Alex hütete sich, das fragile Verhältnis zu seinem Bruder mit bohrenden Fragen zu belasten.

Cade sicherte sich den nächsten Punkt. Er lag weit in Führung.

„Wie auch immer …“ Er überließ Alex den Ball. „Die Sache ist erledigt, oder? Sie haben dich freigesprochen. Tut mir leid, dass ich hier die Katze aus dem Sack gelassen habe. Aber jetzt ist alles okay mit uns, oder?“

„Sicher.“ Alex zielte auf den Korb. Nach allem, was sie miteinander erlebt hatten, hätte er nicht mehr zu hoffen gewagt, sich so gut mit seinem Halbbruder zu vertragen.

„Und es besteht keine Gefahr mehr, dass sie dich feuern? Und Layla auch nicht, nachdem du dich für sie eingesetzt hast?“

Alex verfehlte den Korb und fluchte unterdrückt. Er griff nach dem Ball, zielte wieder.

Er kam nicht davon weg.

Von Layla.

Von den Erinnerungen.

Cade versuchte, ihn am Abwurf zu hindern, stand vor ihm, schwenkte die Arme. Grinste. Ahnte nicht, dass Alex an Layla dachte.

Er hatte gehört, dass sie inzwischen geschieden war. Wunderte ihn gar nicht. Der Kerl tat ihm leid. Hatte sie ihn einfach fallen lassen – so wie ihn, als sie seiner überdrüssig geworden war und die Affäre von heute auf morgen beendete?

Affäre.

Ein Wort mit schalem Beigeschmack. Aber an den Tatsachen war nichts zu rütteln. Er hatte etwas mit einer verheirateten Frau gehabt. Darauf war er nicht stolz, und es würde ihm gar nicht gefallen, wenn die Leute darüber redeten. Hatte Cade etwas ähnlich Schlimmes hinter sich lassen wollen?

Das würde er jetzt nicht herausfinden. Es war brutheiß hier draußen, sie brauchten dringend eine Dusche, um sich abzukühlen.

Alex nahm einen letzten Anlauf, und der Ball ging sauber durchs Netz, ohne das Brett dahinter auch nur zu berühren.

„Keiner wird gefeuert“, antwortete er schließlich. „Und das ganze Drama hat mich etwas sehr Wichtiges gelehrt.“

„Und das wäre?“ In schweigendem Einverständnis beendeten sie ihr Spiel, klatschten sich ab und machten sich auf den Weg zurück ins Krankenhaus.

„Du kannst vor deinen Gespenstern nicht davonlaufen“, erklärte er seinem jüngeren Bruder. „Du kannst sie nur bekämpfen, indem du dich ihnen stellst.“

Cade schnaubte ungläubig, und Alex konnte es ihm nicht verdenken.

Stellte er sich denn den Dämonen, die Layla heraufbeschwor? Nein. Erst mied er Layla wie die Pest, seit sie versucht hatte, ihm dafür zu danken, dass er ihr den Job erhalten hatte. Und dann marschierte er in ihr Büro und verlangte, dass sie ihn in Ruhe ließ. Was sollte das? Außerdem war er nicht ganz aufrichtig gewesen. Natürlich wollte er endlich einen Schlussstrich unter den Kilpatrick-Fall ziehen, hatte Layla deshalb beim Direktorium verteidigt. Aber seine Gefühle für Layla hingen eng mit Jamie Kilpatrick zusammen. Darüber hatte er kein Wort verloren.

Hatte nicht gesagt, wie schwer es gewesen war, sie aus seinen Gedanken zu verbannen, als er sich auf die OP an dem kleinen Jungen konzentrieren musste. Und auch nicht, dass ihn heute noch immer wieder dieselbe Frage quälte: War er an jenem Tag nicht in Topform gewesen, weil er nicht verkraftet hatte, was am Abend zuvor passiert war? Als Layla unerwartet Schluss machte?

Alex stand unter der Dusche, spülte sich mit kaltem Wasser den Schweiß vom Körper. Wenn man die Geister der Vergangenheit nur genauso leicht loswerden könnte …

Die Diskussion über Tylers Fall ebbte ab, noch zwei Fragen, dann war das Thema erledigt. Layla sah auf die Uhr. Das Treffen würde einige Minuten früher enden als geplant, doch für eine weitere Präsentation blieb definitiv keine Zeit mehr.

Autor

Alison Roberts
Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde.
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