Warum begehre ich dich so sehr?

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Ally will ihre Ranch zurück, nur deshalb willigt sie in eine Scheinehe mit Seth Masters ein. Denn der Milliardär ist ihr Feind - seine Familie hat ihr die Ranch weggenommen. Dumm nur, dass Seth in ihr dieses gefährlich sinnliche Begehren weckt …


  • Erscheinungstag 24.06.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507387
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Es geschah im Bruchteil einer Sekunde.

Aus dem rechten Augenwinkel nahm Seth Masters eine Bewegung wahr, und plötzlich sah er wie aus dem Nichts eine Frau auf einem Vollblut auf sich zukommen. Sie zügelte das Pferd und die starken Hinterbeine des Tieres trieben Ross und Reiterin über die Motorhaube von Seths Sportwagen. Er schaffte es gerade noch, das Auto zum Stillstand zu bringen, wobei er knapp eine der Kiefern verfehlte, die auf beiden Seiten der Landstraße standen. Die Reiterin hielt ebenfalls an, drehte den kastanienbraunen Hengst herum und kam zurück zum Auto. Sie sah nicht glücklich aus.

„Sie Idiot!“, rief sie, als sie das Pferd ein paar Meter vom Auto entfernt zum Stehen brachte. „Haben Sie die Hinweisschilder für den Reitweg nicht gesehen? Können Sie nicht lesen? Sie hätten uns beinahe umgebracht! Wer fährt auf einer einspurigen Straße mitten im Wald achtzig?“

„Ich bin keine achtzig gefahren.“

„Garantiert doch!“

Seth wurde von den verschiedensten Emotionen überflutet: Schock, Erleichterung, dass niemand verletzt war, ein Gefühl der Unbehaglichkeit, weil er zu schnell gefahren war. Doch trotz seiner Selbstbeschuldigung fiel ihm vor allem eines auf: Diese Frau war wunderschön. Volles kastanienbraunes Haar lockte sich um ihr fast engelsgleiches Gesicht und obwohl ihre grünen Augen vor Wut blitzten, waren sie atemberaubend. Ihr schlanker, schöner Körper schien zu zart, um das riesige Vollblut zu kontrollieren. Das Pferd warf seinen Kopf hin und her und scharrte auf dem Boden. Doch offensichtlich war sie eine sehr erfahrene Reiterin, wofür Seth in diesem Moment enorm dankbar war.

Er öffnete die Tür und stieg aus dem Ferrari aus. Was konnte er sagen? Er war so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er das Schild übersehen hatte.

„Ich entschuldige mich. Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt.“

„Fahren Sie einfach langsamer weiter. Der Reitweg kreuzt die Straße auf den nächsten Kilometern noch mehrmals. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass Sie das nächste Mal vielleicht nicht so viel Glück haben.“ Obwohl ihr Zorn deutlich zu hören war, klang ihre Stimme klar und attraktiv.

„Hab’s verstanden.“

Sie warf einen Blick auf sein Gesicht und neigte den Kopf, ein Stirnrunzeln auf ihren feinen Züge.

„Sie sind nicht von hier.“ Es war eher eine Aussage als eine Frage.

„Los Angeles.“

Sie öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders und schüttelte den Kopf.

„Können Sie mir sagen, wie weit es noch bis Calico Springs ist?“

„Wenn Sie sich ans Tempolimit halten, ungefähr zwanzig Minuten.“

„Danke“, antwortete er und sah ihr nach, während sie das Pferd wendete und mit ihrem verdammt sexy Körper zurück in die Richtung ritt, aus der sie gekommen war.

Dann ging Seth zum Auto zurück und ließ den Motor an. Er hoffte, dass dies kein Omen dafür war, was ihn auf dieser Reise noch erwarten würde. Dies war nicht L. A. – es war das ländliche Texas und die Dinge liefen hier langsamer, daran sollte er denken. Immer noch in Gedanken an den Zusammenstoß lenkte er den Wagen zurück auf die schmale Straße und fuhr weiter in Richtung Calico Springs.

Das Büro des Rechtsanwalts Ben Rucker lag in einem alten viktorianischen Haus direkt am Marktplatz und fügte sich perfekt in die Optik der anderen Gebäude entlang der Main Street ein. Calico Springs war idyllisch. Wie eine Stadt aus der Vergangenheit. Nachdem er das Auto geparkt hatte, ging Seth in die Anwaltskanzlei und meldete sich bei der Dame am Empfang an.

„Natürlich, Mr. Masters. Mr. Rucker erwartet Sie. Ich lasse ihn wissen, dass Sie hier sind.“ Kurze Zeit später saß Seth dem Anwalt gegenüber.

„Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Mr. Masters. Sind Sie zum ersten Mal in Calico Springs?“

„Ich war schon öfter hier. Als kleiner Junge war ich häufig hier zu Besuch, um die Ferien mit meinen Halbbrüdern zu verbringen. Seitdem bin ich ungefähr ein Dutzend Mal zurückgekommen, das letzte Mal war vor ungefähr fünf Jahren.“

„Ja, die Familienähnlichkeit lässt sich nicht leugnen. Sie sind ohne Zweifel ein Masters.“

„Wissen meine Brüder, dass ich hier bin?“

„Ich habe ihnen mitgeteilt, dass Sie kommen. Chance und Cole sind in New York und Wade ist mit seiner Frau in London. Sie werden alle nächste Woche zur Testamentseröffnung zurück sein.“

Seth nickte. Seine Eltern waren nicht verheiratet und er war als Einzelkind bei seiner Mutter aufgewachsen. Als er sechs Jahre alt gewesen war, hatte sein Vater darauf bestanden, dass er auf die Ranch kommen und seine Halbbrüder kennenlernen sollte. Damals war er nervös gewesen. Was würden seine Halbbrüder davon halten, wenn er plötzlich bei ihnen auftauchte? Aber sie hatten die Neuigkeit über seine Existenz besser aufgenommen, als er gehofft hatte und ihn herzlich in der Familie willkommen geheißen. An die Sommer, die er auf der Ranch verbracht hatte, hatte er nur wundervolle Erinnerungen und er freute sich darauf, alle wiederzusehen.

„Ich muss zugeben, dass ich neugierig auf das Testament bin.“

„Das kann ich verstehen.“ Mr. Rucker lehnte sich in seinem Ledersessel zurück. „Kannten Sie Ihren Vater gut?“

Seth zuckte mit den Achseln. „Wahrscheinlich so gut wie jeder, der ihn kannte. Ich habe ihn nur die paar Male hier auf der Ranch gesehen. Und seit meinem Studium in Stanford habe ich ihn gar nicht mehr wiedergesehen und auch nie etwas von ihm gehört. Mutter wollte nie über ihn reden. Obwohl ich immer vermutet habe, dass die beiden doch noch irgendwie in Kontakt waren.“

Als er älter wurde, war Seth klar geworden, dass das Zuhause, in dem er und seine Mutter lebten, und die Autos, die sie fuhr, für eine alleinerziehende, berufstätige Mutter ohne Uniabschluss nicht bezahlbar waren. Es musste eine andere Finanzierungsquelle geben. Zwar hatte er ein Teilstipendium für Stanford erhalten, aber das hatte seine Ausgaben bei Weitem nicht gedeckt. Dennoch war immer Geld da gewesen, wenn er es gebraucht hatte.

„Soweit ich weiß, haben Sie damit recht“, erklärte Mr. Rucker. „Ihr Vater hat bei der Abfassung des Testaments nur lobend über Sie gesprochen. Aber er war kein Familienmensch – mit keiner seiner Familien. Seine Arbeit stand für ihn an erster Stelle. Ich vermute, es hatte seine Gründe, warum er sich nicht binden konnte.“

„Wahrscheinlich.“ Seth nickte. „Der Grund, warum ich das Testament erwähne, ist, dass ich im Vorstand von zwei Krankenhäusern sitze und eine neue Forschungseinrichtung für Leukämie gründen möchte. Je mehr Mittel wir dafür bekommen, desto besser. Wenn ich also etwas erbe, hilft mir das bei der Gründung.“

Der Anwalt nickte und schien dann zu zögern. „Mr. Masters, Sie verstehen sicher, dass ich nichts Genaues über das Testament sagen kann, ohne dass alle Erben anwesend sind. Dennoch finde ich es nur fair zu fragen, ob Sie verheiratet sind.“

„Verheiratet?“ Die Frage schien seltsam. Er war einmal kurz davor gewesen, doch es war schlecht ausgegangen. Seitdem hatte er nicht mehr daran gedacht zu heiraten. „Nein“, antwortete er daher. „Bin ich nicht. Warum fragen Sie?“

„Nun, es gibt eine Voraussetzung, die zur Testamentseröffnung erfüllt sein muss, also sollte ich dies besser mit Ihnen besprechen. Eine der Anforderungen des Testaments ist, dass jeder der Brüder verheiratet sein muss. Mr. Masters hat seine Gründe dafür nie genannt. Vielleicht hat es etwas mit seinen eigenen Erfahrungen im Leben zu tun. Das werden wir nie wissen. Aber er hatte natürlich das Recht, die Bedingungen so festzulegen, wie er es wollte. Wenn einer von Ihnen nicht bis zu dem Tag verheiratet ist, an dem das Testament vollstreckt wird, wird derjenige aus dem Testament ausgeschlossen. Dann gehen alle finanziellen Vermögenswerte oder Grundstücke an die anderen verheirateten Söhne oder an wohltätige Einrichtungen. Und Sie sind der einzige, der diese Anforderung nicht erfüllt. Ich habe vor einigen Wochen bei Ihnen angerufen, um dies mit Ihnen zu besprechen, aber Sie waren außer Landes, daher habe ich in Ihrem Büro mehrere Nachrichten hinterlassen.“

„Ah ja. Es tut mir leid, dass ich keinen Kontakt zu Ihnen aufgenommen habe, aber ich hatte so viele Rückrufe zu erledigen. Das ist natürlich enttäuschend.“ Was eine maßlose Untertreibung war. „Aber es ist, wie es ist. Ich freue mich darauf, meine Brüder und ihre Frauen wiederzusehen. Schließlich verbringen wir nicht oft Zeit miteinander.“

„Das ist wahr. Es ist nur schade um das Testament, denn das Forschungszentrum klingt nach einer guten Sache.“

„Ja, das ist es.“ Seth stand von seinem Stuhl auf und schüttelte dem Anwalt die Hand. „Ich danke Ihnen, Mr. Rucker. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mir diese Information vorab mitgeteilt haben.“

„Natürlich, Mr. Masters. Sie haben noch zehn Tage Zeit. Vielleicht kennen Sie ja eine Dame, die erwägt, Ihre Frau zu werden. Noch könnten Sie die Voraussetzung erfüllen.“

Seth lachte. „Das glaube ich nicht, aber nochmals danke.“

Er verließ das Büro des Anwalts, dicht gefolgt von Mr. Rucker. In dem Moment öffnete sich die Eingangstür und niemand anderes als die Reiterin, mit der er auf der Straße beinahe kollidiert wäre, trat ein. Sie war sichtlich überrascht, Seth zu sehen, doch sie riss sich schnell zusammen und wandte sich an Mr. Rucker.

„Konnten Sie einen Termin für mich vereinbaren?“

„Ally, warum kommen Sie nicht nach dem Mittagessen zurück, damit wir das privat besprechen können.“

„Ich muss wieder zur Arbeit. Alles, was ich brauche, ist ein Ja oder Nein.“

„Es tut mir leid.“ Er lächelte sie an und schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe versucht, mit Wade oder Cole in Kontakt zu treten, da sie sich um die Finanzen des Unternehmens kümmern. Wade ist auf Geschäftsreise. Cole und Chance sind in New York. Warum gehen wir nicht für einen Moment in mein Büro?“

Der ältere Herr wandte sich zu Seth um und hob entschuldigend seine Hände hoch.

„Schon in Ordnung“, meinte Seth grinsend. „Ich mache mich auf den Weg.“

„Ich habe kurz mit Chance gesprochen“, wandte sich Mr. Rucker an die junge Frau. „Er sagte, er wisse nichts darüber und wir müssten warten, bis Wade zurückkommt.“

„Und wann wird das sein?“

„Soweit mir bekannt ist, hat er hier Ende nächster Woche einen Termin.“

Seth hörte sie seufzen. Das Gespräch schien sie zu frustrieren. Offenbar hatte sie einen wirklich schlechten Tag.

Doch Seth waren die Namen nicht entgangen, die Mr. Rucker erwähnt hatte. Wade, Cole und Chance waren seine Halbbrüder. Er war versucht, der schönen Reiterin gegenüber seine verwandtschaftliche Beziehung aufzudecken, um zu sehen, ob er helfen könnte, ließ es dann aber doch sein. Es ging ihn nichts an.

„Können Sie dann bitte einen Termin für mich vereinbaren?“

„Ich sehe, was ich tun kann, Ally. Sie wissen, dass ich das tue, aber …“

„Sie denken, es ist sinnlos“, beendete sie seinen Satz.

„Ich denke, dass Sie das Recht haben, mit ihnen zu sprechen. Deswegen werde ich mein Bestes geben.“

„Danke, Mr. Rucker.“

Er hielt ihr die Tür auf und Seth konnte nicht anders, als ihr nachzusehen, wie sie selbstbewusst die Straße überquerte. Sie trug immer noch die Reithose, die jedes Detail ihrer schlanken Figur abzeichnete. Ein Ledergürtel betonte ihre schmale Taille und ihre locker sitzende weiße Bluse bedeckte pralle Brüste. Eine kleine, freche Nase zierte ihr Gesicht und ihre Lippen sahen aus, als könne sich ein Mann stundenlang daran laben. Sofort spürte er, wie sein Körper auf sie reagierte.

„Mr. Rucker, können Sie mir einen Tipp geben, wo man hier gut essen kann?“, fragte Seth den Anwalt.

„Burdalls City Café, nur einen Häuserblock von hier entfernt. Ich gehe selbst jetzt dorthin zum Essen, Sie können sich mir gerne anschließen.“

„Danke, das mache ich gerne.“

Zum Café waren es nur ein paar Minuten zu Fuß und sie kamen gerade rechtzeitig vor dem mittäglichen Ansturm an. Seth setzte sich Mr. Rucker gegenüber und studierte die Speisekarte. Eine ziemlich gute Auswahl für ein einfaches Restaurant in dieser kleinen Stadt.

Eine Kellnerin brachte ihnen Gläser mit Eiswasser und kündigte an, in wenigen Minuten zurück zu sein, um ihre Bestellungen entgegenzunehmen. Doch noch bevor sie zurückkam, gesellte sich jemand anderes an ihren Tisch.

„Hi.“ Es war die Reiterin. „Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen setze? Die Warteschlange ist ellenlang und ich muss wieder zur Arbeit.“

„Gerne“, sagte Mr. Rucker, ohne zu zögern. „Ally, kennen Sie schon Mr. Masters?“

Sie blickte Seth an. „Nein … Zumindest nicht offiziell.“

„Das ist Seth Masters. Seth, Ally Kincaid.“

„Masters?“ Sie runzelte die Stirn. Ihre Augen verengten sich. „Sind Sie mit Wade Masters verwandt?“

„Ja, das bin ich.“

„Wusste ich es doch. Schon als Sie mich fast überfahren hätten, habe ich mir gedacht, dass Sie aussehen wie ein Masters.“ Ihre Augen ruhten auf ihm und für einen Moment lang sagte sie nichts. Dann wechselte sie das Thema, als hätte sie es sich anders überlegt.

„Sie sagten, Sie kommen aus Kalifornien? Was machen Sie dort beruflich?“, fragte sie, während sie sich einen Stuhl heranzog und sich setzte.

„Ich besitze mehrere Unternehmen, hauptsächlich im Elektronik- und Pharmabereich.“

„Und was tun Sie dann in unserer verschlafenen kleinen Stadt?“

„Ach, ich genieße die Aussicht“, erwiderte er und sah sie direkt an.

Seth bemerkte, dass sie leicht rot wurde und unwillkürlich ihr Gesicht berührte. Ihr Duft war aufregend: eine subtile Mischung aus exotischen Kräutern, Erdbeeren und Leder. Verwirrt stellte er fest, wie sein Inneres in Aufruhr geriet. Er hatte noch nie eine so unmittelbare Anziehungskraft bei einer Frau erlebt.

Nachdem die Kellnerin ihre Bestellungen aufgenommen hatte, wandte sich Ally an Mr. Rucker. „Haben Sie es geschafft, einen Termin für mich zu bekommen?“

„Meine Sekretärin hat Wade eine Nachricht gesendet. Sobald ich etwas von ihm höre, lasse ich es Sie wissen.“

„Gut. Vielen Dank. Ich hoffe nur, dass er so vernünftig ist, wie die Leute sagen.“

Sie wollte einen Termin mit Wade? Seth fragte sich, was sie von ihm wollte.

Als ob die Frage auf seinem Gesicht zu lesen sei, sagte sie rundweg: „Wade Masters Vater hat meine Ranch gestohlen. Und ich will sie zurück.“

2. KAPITEL

„Ally“, sagte Mr. Rucker warnend.

„Was?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das kann jeder hören. Die halbe Stadt weiß es sowieso.“ Nun wandte sie sich an Seth. „Der alte Mann war ein Gauner. Er hat meine Ranch gestohlen. Behauptete, mein Vater habe einen Kredit darauf aufgenommen, den er nie zurückgezahlt hätte. Aber mein Vater hätte so etwas nie getan. Der alte Masters hat mir alles genommen. Alles. Er hat mich von der Ranch vertrieben, nachdem Dad gestorben war. Man sollte doch meinen, dass jemand mit so viel Geld es nicht nötig hat, andere Menschen aus ihren Häusern zu jagen.“

Wütend wandte Ally sich von Seth ab. Aber sie spürte, dass er sie mit seinen goldbraunen Augen beobachtete. Ben Rucker hatte wahrscheinlich recht. Sie sollte das alles nicht vor Fremden herumposaunen – allerdings fiel es ihr schwer, Seth Masters als Fremden zu betrachten. Er könnte fast Wades Bruder sein, so ähnlich sahen sie sich. Er hatte dichtes braunes, leicht gewelltes Haar, in dem goldene Reflexe schimmerten. Sein Dreitagebart bedeckte ein markantes Gesicht mit einem Kinn, auf dem ein kleines sexy Grübchen war. In seinen braunen Augen tanzten goldene Flecken. Seine Lippen, die geradezu zum Küssen einluden, zeigten ein verführerisches Lächeln mit perfekten weißen Zähnen. Mit seinem weißen Hemd und seiner Krawatte war er der Inbegriff eines gutaussehenden Mannes.

„Was ist mit Ihnen, Ally? Was machen Sie beruflich?“, fragte er.

„Rancher. War ich zumindest, bis …“ Sie presste ihre Lippen zusammen. „Jetzt arbeite ich auf der Triple Bar Ranch östlich der Stadt, wo ich Pferde trainiere.“

„Dazu brauchen Sie sicher viel Geschick und Beweglichkeit.“

Darüber hatte sie eigentlich nie nachgedacht, schließlich hatte sie den größten Teil ihres Lebens mit Pferden und Reiten verbracht. Sie zuckte mit den Schultern. „Kann schon sein.“

Seth nickte. „Wir haben also beide ziemlich herausfordernde Jobs.“

„Ah ja? Sagen Sie mir, Mr. Masters, wie viele Ställe haben Sie schon ausgemistet? Wie viele Pferde haben Sie trainiert?“ Sie musste lachen. Die Vorstellung, dass sie und dieser reiche Typ aus Kalifornien irgendetwas gemein hatten, war absurd.

„Als Kind habe ich ziemlich viele Ställe ausgemistet. Hab zwar noch nie ein junges Pferd eingeritten, aber unzählige Stunden mit Pferden trainiert. Ich habe die meisten Sommer meiner Kindheit hier in Calico Springs auf der Familienranch verbracht. Deswegen kann ich mir sehr gut vorstellen, was Sie beruflich machen. Offensichtlich sind Sie gut in dem, was Sie tun.“

„Danke“, antwortete sie und spürte, dass sie rot wurde. „Aber wahrscheinlich können meine Leistungen nicht mit Ihren mithalten.“

„Sie mögen keine Komplimente, oder?“

„Komplimente schon. Aber keine blödsinnigen.“

„Dann nehme ich zurück, was ich gesagt habe, und behaupte einfach, dass Sie eine sehr geschickte Reiterin sind.“

„Zu Ihrem Glück, ja.“ Sie machte eine kurze Pause, als die Kellnerin einen Teller vor ihr abstellte. „Ich habe fast den gesamten Ritt zur Ranch damit verbracht, Monkey zu beruhigen.“

„Was war denn mit Monkey?“, fragte Ben.

„Er hat sich heute Morgen fast zu Tode erschreckt“, erklärte sie. „Irgend so ein Idiot hätte ihn beinahe mit seinem Auto überfahren.“

„Du liebes bisschen!“

„Allerdings. Einfach ein schlechter Autofahrer.“ Sie nahm einen Bissen von ihrem Sandwich.

„So schlecht nun auch wieder nicht, sonst hätte ich Sie wirklich angefahren. Und mir ist aufgefallen, dass ich nicht der Einzige war, der zu schnell unterwegs war.“

„Sie beide kennen sich also bereits?“ Ben schien verwirrt.

„Wir hatten heute Morgen beinahe eine Kollision auf der Landstraße“, erläuterte Seth.

Ally legte ihr Sandwich zurück auf den Teller, wischte sich die Hände an der Serviette ab und funkelte ihn an. „Auf dem Reitweg gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Den meisten Leuten mit gesundem Menschenverstand ist ohnehin klar, dass die Autos auf der Straße die eigentliche Gefahr darstellen. Vor allem, wenn sie versuchen, die Schallmauer zu durchbrechen.“

„Noch mal, so schnell war ich gar nicht unterwegs.“

„Das hängt ganz von Ihrer Definition von schnell ab.“

Sie starrten sich an. Nach einigen langen Sekunden wandte Ally sich wieder ihrem Teller zu. „Sie haben Unrecht und ich habe keine Lust, darüber weiter zu diskutieren.“

Ihr entging nicht, dass er versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken.

Blöder Kerl. Sie wusste nicht, was er in Calico Springs tat. Ihre Frage dazu hatte er geschickt umschifft. Und diese Bemerkung, er würde die Aussicht genießen, hatte ihr nicht gefallen. Obwohl schon lange kein Mann mehr mit ihr geflirtet hatte. Sie wollte nach dem, was der alte Masters getan hatte, eigentlich nie wieder mit einem aus dieser Sippe reden. Sie hoffte einfach, dass sich ihre Wege nicht noch einmal kreuzen würden.

„Ich hatte fünfzig Säcke Mais und hundertfünfundzwanzig Säcke Nature’s Best bestellt. Keinen Hafer. Hört Colby mittlerweile schlecht?“

Ally hatte auf dem Nachhauseweg beim Futterladen angehalten, um die Bestellung für die Pferde abzuholen, die sie trainierte. Doch statt der bestellten Waren standen fünfundsiebzig Säcke Hafer für sie bereit. Dieser Tag schien immer schlechter zu werden.

„Tut mir leid, Ally. Gib mir ein paar Minuten Zeit, dann habe ich deine Bestellung fertig. Wartest du so lange?“

„Ja, mache ich. Danke dir.“

So einige Hürden hatte sie heute schon überwunden und an den meisten war dieser Seth Masters schuld. Dennoch war es ein wunderschöner Tag. Sie ging in die Gartenabteilung und sah sich die blühende Farbenpracht an. In jedem anderen Jahr hätte sie sich jetzt einen Wagen voller Blumen zusammengestellt, um sie in die Beete entlang der großen Veranda ihres Hauses zu pflanzen. Dieses Jahr hatte sie nur eine Blumenampel gekauft, die sie an ihrer Hütte aufgehängt hatte. Das war alles, was sie sich erlauben würde. Es machte keinen Sinn, Geld für Dinge auszugeben, um die sie sich ohnehin nicht kümmern würde.

Und sie würde sich nicht um sie kümmern, weil ihr Herz einfach nicht bei der Sache war. Die Besitzer der Ranch, auf der sie arbeitete, hatten ihr diese kleine Hütte zur Verfügung gestellt. Sie war zwar ausreichend, aber kein Zuhause – und das würde sie auch niemals werden. Warum sollte sie sich also mit Erinnerungen an die Dinge umgeben, die sie früher geliebt hatte? Sie wollte nicht an ihr Zuhause denken und an die schöne Zeit dort. Die Ranch war unerreichbar für sie und je eher sie diese Tatsache akzeptierte, desto besser würde es ihr gehen.

Sie würde den Termin mit Wade Masters sobald wie möglich wahrnehmen. Aber tief in ihrem Inneren hatte sie wenig Hoffnung, ihn davon überzeugen zu können, ihr die Ranch zurückzugeben. Selbst wenn er zustimmen und sie ihr verkaufen würde, verdiente sie nicht genug Geld, um die monatlichen Kreditraten für eine Ranch dieser Größe zu leisten.

Plötzlich ertönte direkt hinter ihr eine tiefe Stimme. „Scheint so, als würden wir uns ständig über den Weg laufen.“ Noch bevor sie sich herumdrehte, wusste sie, dass es Seth Masters war.

„Verfolgen Sie mich, Masters?“

„Im Gegenteil, ich habe mir die Traktoren angeschaut. Ich habe Sie gar nicht gesehen, als ich hier ankam, also müsste ich Ihnen die gleiche Frage stellen.“

Er lächelte. Sie biss die Zähne zusammen und funkelte ihn an. „Was wollen Sie denn mit einem Traktor?“

„Ich möchte mir hier gerne ein Stück Land kaufen. Und Traktoren haben mich schon immer fasziniert.“

„Wie lange bleiben Sie in der Stadt?“ Sie musste diese Frage stellen. Wenn er in der Gegend bleiben würde, wollte sie das wissen, um auf weitere zufällige Begegnungen vorbereitet zu sein.

„Nur ein paar Wochen. Ich überlege, mir hier eine kleine Ranch mit etwas Land und Stallungen zu kaufen. Ich habe Pferde immer geliebt. Ich reite eigentlich schon mein Leben lang.“ Er zuckte mit den Achseln. „Und hier ist ein großartiger Ort für eine Ranch.“

„Es ist wirklich schön hier, da muss ich Ihnen zustimmen. Und die meisten Leute sind sehr nett und ehrlich.“

„Hey, Ally.“ Sie drehte sich um und sah zwei Angestellte des Futterladens mit Getreidesäcken auf sich zukommen. „Ist dieser schwarze Truck deiner? Wir haben hier dein Futter.“

„Ja. Ladet ihr es bitte auf?“

„Machen wir.“

Autor

Lauren Canan
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