Wie Perlen im Meer

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Seit der charmante Unternehmer Adam Foster auf ihre kleine Insel gekommen ist, sehnt sich Trish nach seiner Liebe. Nur ein einziges Mal will sie in seinen Armen liegen, bevor er, wie sie befürchtet, zu der schönen Louise zurückkehrt…


  • Erscheinungstag 17.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776619
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Adam würde zu seiner eigenen Verlobungsparty zu spät kommen. Schlimmer noch war der Grund dafür: Er dachte an eine andere Frau.

Während er beim Anziehen immer wieder durch eingehende Faxe und das ständige Läuten des Telefons unterbrochen worden war, hatte er das Foto von seinem Schreibtisch geworfen. Jetzt hielt er es in der Hand und betrachtete es. Seine verstorbene Frau, seine Stieftochter Petra und … Trish.

Seine gereizte Miene entspannte sich. Nie würde er den letzten Augenblick vergessen, den sie zusammen verbracht hatten. Seine Hand zitterte ein wenig, als er das Foto auf den Schreibtisch zurückstellte.

Wieder läutete das Telefon, wieder ging ein Fax ein, doch Adam stand wie gebannt da, gefangen in seinen Erinnerungen.

Er sah, wie sie sich zu ihm umdrehte, ein Ausdruck von Mitgefühl auf ihrem schönen Gesicht, die vollen Lippen halb geöffnet. In diesem Moment hatte ihn ein tiefes Gefühl überwältigt. Welch ein Privileg, eine solche Frau zu kennen, mit ihr zu reden, ihr nahe zu sein!

Ehe er begriffen hatte, wie ihm geschah, hatte er ihre Wange an seiner gespürt, hatte sein Gesicht in ihrem duftenden Haar geborgen und die dunklen Locken mit zarten Küssen bedeckt, bis er ihren Hals berührte. Dann hatte er sich nicht mehr zurückhalten können. Noch jetzt glaubte er ihre seidige Haut zu spüren, die hohen, vollen Brüste, die sich gegen seinen Oberkörper gepresst hatten, die Art, wie sie seinen Kuss erwidert hatte … mit der Unschuld ihrer Jugend und einer entfesselten Leidenschaft zugleich.

Und dann war er zur Besinnung gekommen.

Adam riss sich zusammen. Plötzlich wieder ganz der dynamische Geschäftsmann, nahm er noch zwei Anrufe entgegen, überflog die Faxe und schrieb für seine Sekretärin einige Notizen an den Rand. Als er kurz darauf entschlossenen Schritts das exklusive Apartmenthaus verließ, hätte keiner geahnt, dass er immer noch davon träumte, Trishs jungen, warmen Körper in den Armen zu halten.

In einer für sie reservierten Suite in einem Londoner Hotel machte Trish sich für die Party zurecht. Die Einladung hatte sie tief in ihrer Handtasche vergraben.

Adam und Louise.

Trish rieb sich nervös die Hände. Wie sollte man einen Mann begrüßen, der einen aus heiterem Himmel und völlig unerwartet so überwältigend leidenschaftlich geküsst hatte?

Sie ließ sich aufs Bett sinken. Wenn sie die Augen schloss, sah sie ihn vor sich, fühlte seinen Atem auf ihrer Wange, spürte seine heißen, fordernden Küsse. Bei der Erinnerung rekelte sie sich sinnlich. Es war ohne Vorwarnung geschehen … kein Flirten, kein Händchenhalten, kein verstohlener Gutenachtkuss, keine heimlichen Rendezvous. Es war einfach passiert.

Trishs Herz pochte, als sie daran dachte, wie seine Hände gezittert hatten, als er versucht hatte, die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. Dieser sonst so nüchterne, entschlossene Mann war völlig verrückt nach ihr gewesen. Und sie war wie berauscht von dem Gefühl gewesen, die Frau zu sein, die eine solche Macht über ihn besaß. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, hatte sie nur noch das unbändige Verlangen verspürt, sich zum ersten Mal einem Mann ganz und gar hinzugeben, und hatte ihn mit Blicken angefleht, ihr die Kleidungsstücke vom Leib zu reißen.

„Trish …“

Sie hatte gehört, wie Adam ihren Namen stöhnte, und gefühlt, wie er erstarrte. Ein schmerzlicher Ausdruck war in seinen dunklen Augen gewesen … und ehe Trish etwas hatte sagen können, war Adam aus dem Zimmer gerannt.

„Du siehst sehr hübsch aus.“

Trish schreckte schuldbewusst hoch, als ihre Freundin Petra plötzlich mitten in ihrem Hotelzimmer stand. „Hättest du nicht anklopfen können?“

„Das habe ich, Süße. Aber du warst offensichtlich ganz woanders“, erwiderte Petra. „Außerdem solltest du vorsichtshalber deine Tür abschließen.“

„Das vergesse ich immer wieder“, gestand Trish. „Ich bin es einfach nicht gewohnt. Zu Hause schließen wir nie die Türen ab. Und jetzt hilf mir, Petra! Soll ich das Kleid anlassen oder doch Jeans anziehen oder mich in den Aufzugsschacht stürzen?“

Petra legte ihrer Freundin einen Arm um die Schultern. „Bleib, wie du bist. Wirklich, Trish, du siehst sehr hübsch aus.“

„Ich will aber nicht hübsch aussehen, sondern sensationell!“, rief Trish trotzig aus.

Petra lächelte wissend. „Ach ja? Warum? Du machst doch sonst kein Aufhebens um dein Aussehen.“

Kannte Petra ihr Geheimnis? Trish nahm eine Nagelschere und versuchte vor dem Spiegel, ihre Ponyfransen gerade zu schneiden. Unsinn! beruhigte sie sich. Petra hätte sie niemals zur Verlobungsparty ihres Stiefvaters eingeladen, wenn sie es geahnt hätte. „Ich bekomme das große Zittern, wenn ich an all die tollen Frauen auf der Party denke“, antwortete sie. Das war zumindest die halbe Wahrheit. Resigniert legte sie die Schere beiseite. „Frauen ohne ausgefranste Ponys.“

„Und eine Frau im Besonderen.“ Petra begutachtete kritisch das tiefschwarze Haar ihrer Freundin, das Trishs Großmutter annähernd zu einem Pagenkopf geschnitten hatte. „Adams Verlobte ist in jeder Hinsicht perfekt.“

Trishs Stimmung sank auf den Nullpunkt. Insgeheim hatte sie wohl gehofft, Louise sei eine unansehnliche Brillenschlange. Fast hätte sie über ihre Dummheit gelacht. Adams zukünftige Frau musste natürlich eine Schönheit sein.

„Genau!“ Trish versuchte, sich vor dem Spiegel in Pose zu stellen, und gab es gleich wieder auf, weil sie sich lächerlich vorkam. „Sieh mich an! Ich brauche Lob zur Hebung meines Selbstbewusstseins! Wozu ist eine gute Freundin da, wenn sie nicht das Blaue vom Himmel lügt und schwört, ich würde umwerfend aussehen?“, sagte sie im Spaß.

„Okay.“ Petra schlüpfte bereitwillig in die Rolle des begeisterten Fans. „Wow! Was für ein Kleid! So eins muss ich auch unbedingt haben! Du wirst Adam umhauen! Er wird seine Verlobung sofort wieder rückgängig machen.“

„Wenn dir der smaragdgrüne Polyesterfetzen so gut gefällt, schicke ich dir den Katalog, aus dem ich ihn ausgesucht habe“, antwortete Trish und wandte sich bedrückt vom Spiegel ab. Die Situation war ganz und gar nicht komisch. In einem Versandhauskleid, mit undefinierbarer Frisur und geborgten hochhackigen Pumps – warum mussten Petras Füße auch eine Nummer kleiner sein als ihre? – sah sie nervös dem Moment entgegen, wenn sie Petras leider viel zu jungem Stiefvater zum ersten Mal wieder begegnen würde, seit …

Trish steckte wahllos einige Dinge in ihre Handtasche, die weder zu ihrem Kleid noch zu den drückenden Pumps passte. Das alles war hoffnungslos zusammengestückelt! Entmutigt sank sie auf die Bettkante.

Petra versuchte, sie aufzumuntern. „Wenn du wirklich sensationell aussehen willst, könnten wir uns ja in Adams Wohnung schleichen, eine seiner pinkfarbenen Boxershorts stibitzen und zwei Seidentücher zu einem Top für dich zusammenknoten“, schlug sie witzelnd vor.

Trish wollte sich lieber nicht vorstellen, Adams Boxershorts zu tragen. „Adam ist nicht der Typ für pinkfarbene Shorts“, sagte sie schroff.

„Rot gepunktet? Fluoreszierend?“, stichelte Petra weiter.

„Nein!“ Trish bemerkte Petras überraschten Blick und fügte beschwichtigend hinzu: „Ich habe keine Ahnung, was er unter seinem Nadelstreifenanzug trägt. Außerdem, wo bleibt der Respekt vor deinem Stiefvater?“

Petra zuckte ungerührt die Schultern. „Zugegeben, er ist seit meinem dritten Lebensjahr mein Dad. Aber während ich älter geworden bin, scheint er immer jünger zu werden. Heute betrachte ich ihn eher als in meinem Alter … und in deinem.“ Sie sah Trish prüfend an. „Ich meine, Adam ist nicht gerade ein alter Knacker, oder? Energiegeladen und dynamisch, schlank und athletisch wie ein Teenager.“

„Das klingt, als wolltest du ihn auf einem Sklavenmarkt versteigern“, sagte Trish unwillig. Als würde sie nicht wissen, was für ein toller Mann er war!

„Nun, er würde einen verdammt guten Preis einbringen“, erwiderte Petra überzeugt. „All meine Freundinnen bekommen jedes Mal weiche Knie, wenn sie ihn sehen.“

Trish kannte diese Symptome nur zu gut. Zwecklos, sich einreden zu wollen, dass Adam ein Mann von annähernd mittlerem Alter sei. Trotz seines eleganten Auftretens in teuren Maßanzügen strahlte er eine urwüchsige Männlichkeit aus. Ein Mann, der körperlich und geistig topfit und stets zu riskanten Investitionen bereit war.

Groß, breitschultrig, tiefschwarzes Haar … zerzaust von ihren Händen … Vergeblich versuchte Trish, die Erinnerung zu verdrängen. Sie sah Adams markante Züge vor sich und dachte verträumt daran, dass nur sein sinnlicher, stets zu einem Lachen bereiter Mund nicht zu diesem harten Macho-Image passte. Ein Mund, wie zum Küssen geschaffen …

Trish atmete tief ein. Verdammt! „Der gute alte Adam“, sagte sie betont herablassend. „Wie schön für ihn, dass er wieder eine Frau gefunden hat, in seinem Alter!“

„In seinem Alter?“, wiederholte Petra überrascht. „Bist du verrückt? Adam hat meine Mutter geheiratet, als er achtzehn war. Sie war zehn Jahre älter als er. Das heißt, er ist nur fünfzehn Jahre älter als ich, sechzehn Jahre älter als du!“

„Wow! So alt!“, rief Trish gespielt entsetzt aus. Er war also achtunddreißig, im besten Mannesalter. Ziellos begann Trish ihre Handtasche auszupacken. Dabei überlegte sie gereizt, dass sie niemals so nervös gewesen wäre, wenn Adam im gleichen Alter wie Petras verstorbene Stiefmutter oder vielleicht sogar noch ein paar Jahre älter gewesen wäre. Dann hätte sie nicht einen Gedanken an ihr Aussehen verschwendet, denn dann wäre es zwischen ihr und Adam niemals …

„Was tust du da eigentlich?“, fragte Petra neugierig.

„Ich … ich sortiere den Inhalt meiner Handtasche.“ Sie vermied es, ihre Freundin anzusehen.

„Aha.“

Dieses „Aha“ klang so bedeutsam, dass es Trish Angst und Bange wurde. Ihr Blick fiel auf die Einladungskarte. Rasch steckte sie sie zusammen mit den übrigen Dingen in die Handtasche zurück und stand auf, um sich erneut kritisch im Spiegel zu betrachten. „Sag ehrlich, Petra … hat mich mein Leben als Schweinehirtin zu einem richtigen Bauerntrampel werden lassen?“ Sie versuchte es wie einen Scherz klingen zu lassen, aber der Blick ihrer großen blauen Augen verriet ihre Verzweiflung, als sie ihre Freundin ansah.

Petra sah hinreißend aus. Ein perfektes Make-up hob ihre Vorzüge hervor, ohne unnatürlich zu wirken. Trish hatte es auch ausprobiert, aber sofort wieder abgewaschen, weil sie sich so fremd damit vorgekommen war. Ihre Brauen und Wimpern waren von Natur aus so dunkel, ihre Wangen und Lippen so rosig, dass sie keine künstliche Farbe brauchten. Doch sie fühlte sich fade und unscheinbar und in diesem eleganten Hotelzimmer im Londoner Stadtteil South Kensington hoffnungslos fehl am Platz.

„Ich sehe schrecklich aus, nicht wahr?“, sagte sie bedrückt.

„Hör auf, nach Komplimenten zu fischen! Du bist so hübsch, dass ich versucht bin, dir eine Papiertüte über den Kopf zu stülpen. Allein dein wundervoller sonnengebräunter Teint und deine beneidenswert langen Beine!“ Petra kam zu ihr und drückte sie liebevoll an sich. „Du bist wie ein frischer Wind, und alle künstlich zurechtgemachten Frauen auf dieser Party werden Schlange stehen, um dir die Augen auszukratzen.“

Petras lieb gemeinten Worte konnten Trish nicht trösten. In diesem Moment wünschte sie sich nichts mehr, als eins jener elegant gekleideten Geschöpfe mit Alabasterteint, künstlichen Wimpern und perfekt manikürten Fingernägeln zu sein. „Genug der Lügen, ich kenne meinen Platz“, sagte sie, wobei sie sich energisch von ihren eitlen Träumen verabschiedete. So gesehen erleichtert, lächelte sie Petra gewinnend und strahlend an. „Ich werde den anderen Damen einen Gefallen tun, weil sie im Vergleich zu mir nur noch mehr glänzen werden. Adams Zukünftige wird entzückt von dem niedlichen kleinen Bauerntrampel sein.“

Petra sah sie mit einem merkwürdigen Ausdruck an. „Das glaube ich nicht. Ich vermute eher, dass Louise es gründlich leid ist, sich die Lobeshymnen auf die anbetungswürdige Trish anzuhören. Wahrscheinlich ist sie in diesem Moment genauso nervös wie du, ob sie dem Vergleich mit dir standhält. Können wir jetzt gehen?“

Verblüfft über Petras letzte Bemerkung, folgte Trish der Freundin zum Aufzug. War es möglich, dass Adam von ihr gesprochen hatte? Sie erstickte die aufkommende Freude im Keim. Zu spät. Adam hatte seine Wahl getroffen: eine schöne und geistreiche Partnerin, die nicht nur altersmäßig, sondern in jeder Hinsicht seiner Wellenlänge entsprach. Louise kannte sich mit Computern genauso gut aus wie Adam und hatte zweifellos keine Probleme, eine Dinnerparty für siebzig japanische Geschäftsfreunde zu organisieren und sich dabei gleichzeitig über die letzten Börsenkurse zu informieren und ihre Zehennägel zu maniküren.

Trish wünschte sich einmal mehr, sie hätte sich nie von Petra überreden lassen, nach London zu reisen und dieser Familienfeier beizuwohnen. Aber ihre Freundin hatte ihr keine Ruhe gelassen und gemeint, dass sie doch praktisch zur Familie gehöre, nachdem sie zwei Jahre bei ihnen gewohnt habe. Deshalb müsse sie Adam und seiner Verlobten unbedingt Glück für ihre gemeinsame Zukunft wünschen.

Auf dem Weg zu der für die Feier reservierten Gartensuite des luxuriösen Hotels plauderte Petra munter drauflos, doch Trish hörte überhaupt nicht hin. Zum einen fühlte sie sich in dieser eleganten Umgebung zunehmend unwohl, zum anderen überlegte sie verzweifelt, was sie sagen sollte, wenn sie Adam und Louise gegenüberstehen würde. Ihr fiel einfach nichts Passendes ein. Wie sollte sie auch nur den Anschein von Unbefangenheit bewahren, wenn Adam ihr tief in die Augen blicken würde?

Sie verspürte den überwältigenden Wunsch, auf dem Absatz kehrtzumachen und davonzulaufen. Dazu kam, dass sie sich seit ihrer Ankunft in London hoffnungslos verloren fühlte. Das Großstadtleben war von einer für sie unvorstellbaren Hektik erfüllt. Die Leute redeten schneller, bewegten sich schneller, wirkten ständig gehetzt, als hätten sie nie genug Zeit für die Dinge des Lebens. Nach nur zwei Tagen war Trish gereizt und gestresst.

Doch Adam Foster fühlte sich in dieser Umgebung anscheinend wohl, denn er hatte sich vor vier Jahren entschlossen, mit seiner Softwarefirma von Truro nach London umzuziehen. Der hektische Lebensstil musste ihm liegen. Er hatte sich hier nicht nur etabliert, sondern seine Firma zu immensem Erfolg geführt. Wir beide stammen aus völlig verschiedenen Welten, dachte Trish bedrückt. Sie wünschte sich nur, so schnell wie möglich nach Hause zurückzukehren, wo sie hingehörte.

Eine Art trotzige Neugier drängte sie dennoch, nicht vor dieser Party zu kneifen. Sie wollte, musste mit eigenen Augen sehen, wie Adam Louise anhimmelte. Dann erst, sobald sie diese Verlobungsparty durchgestanden hatte, würde sie in der Lage sein, die Sache mit Adam endgültig zu vergessen und ihrem bislang übergeduldigen Freund zu Hause die Antwort zu geben, auf die er schon so lange wartete.

Vermutlich würde sie sowieso feststellen, dass Adam nicht mehr der Mann war, den sie einst so vergöttert hatte. Die Menschen veränderten sich, und wahrscheinlich war Adam nicht mehr annähernd so sexy und aufregend, sondern mit der Zeit gesetzter geworden. Sie hatte sich in den vergangenen vier Jahren ja auch verändert. Immerhin war sie eine unerfahrene, leicht zu beeindruckende Achtzehnjährige gewesen, als sie ihn zuletzt gesehen hatte.

Gesehen! Sie hatte ihn berührt, sich in seine Arme geschmiegt, ihn wild und hemmungslos geküsst … alle Einzelheiten dieses atemberaubenden Moments waren ihr unauslöschlich im Gedächtnis eingeprägt. Erst viel später, nachdem sie, von Selbstvorwürfen getrieben, das Haus verlassen hatte, war ihr bewusst geworden, dass Adam nur aus einem Grund die Beherrschung verloren hatte. In seiner Trauer über den Verlust seiner Frau zwei Monate zuvor hatte er blindlings in ihren Armen … in den Armen irgendeines Menschen … Trost gesucht.

Christines Tod nach einem fünf Jahre währenden Kampf gegen den Rückenmarkskrebs war zwar nicht unerwartet gekommen, doch Adam war so untröstlich gewesen, dass er sich nicht einmal in der Lage gefühlt hatte, der Beerdigung beizuwohnen. Trish seufzte. Als Adam sie damals so sehnsüchtig angesehen und die Hand nach ihr ausgestreckt hatte, hatte der arme Mann ja nicht ahnen können, dass sie es in ihrer Naivität als Liebesgeständnis missverstehen würde!

Sie hatte sich geschämt wie noch nie in ihrem Leben und war von Schuldgefühlen überwältigt gewesen. Noch jetzt, wenn sie nur daran dachte, stolperte sie in ihren viel zu hohen, viel zu engen Pumps.

Und nun hatten sie und Petra die beeindruckenden Flügeltüren erreicht, die zu der Gartensuite führten. Das gefürchtete Wiedersehen stand unmittelbar bevor.

„Lächle!“, zischte Petra ihr noch unauffällig zu, bevor sie schwungvoll die Türen aufstieß.

Fröhliches Stimmengewirr und der Duft von teurem Parfüm schlugen Trish entgegen. Sie blickte auf eine unüberschaubare Zahl elegant frisierter Köpfe. Eine Atmosphäre von Reichtum und Luxus lag über dem mit Seidenschleifen und Rosen dekorierten Bankettsaal. Mehr denn je war Trish sich bewusst, dass sie aus dieser illustren Gästeschar als Außenseiterin hervorstechen würde, weil sie so gewöhnlich aussah.

„Lass mich nicht allein!“, flüsterte sie Petra rasch zu. Doch die Freundin verschwand bereits mit einem entschuldigenden Blick in der Menge.

Trish verharrte unschlüssig auf der Türschwelle und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen, auf der Suche nach dem einen, der alle anderen nicht nur an Körpergröße, sondern auch an Ausstrahlung übertraf. Doch sie konnte ihn nirgends entdecken.

„Hallo! Was für eine hinreißende Bräune! Waren Sie im Skiurlaub?“

Trish erwiderte dankbar das Lächeln der atemberaubend schönen Rothaarigen, die plötzlich vor ihr aufgetaucht war, und bewunderte neidisch deren perfekte schulterlange Pagenfrisur und das schicke asymmetrische cremefarbene Kleid, das ihre elegante Figur hauteng umschmeichelte. „Nein, ich lebe auf Scilly …“

„Oh, Italien!“, rief die rothaarige Schöne aus, wobei sie den Blick ihrer grünen Augen prüfend über Trishs Gesicht schweifen ließ. „Ich liebe Italien. Woher genau stammen Sie?“

„Die Scilly-Inseln, nicht Sizilien“, mischte sich eine warme, tiefe Stimme ein, die Trish nur allzu vertraut war. „Sie befinden sich im Atlantik, achtundzwanzig Meilen südlich vor Lands End in Cornwall. Fünf davon sind, soweit ich mich erinnere, bewohnt, die übrigen einhundertundvierzig Inseln sind gänzlich der Natur überlassen … wie übrigens auch die Inselbewohner.“

Trish fühlte Adams Hand auf ihrer Schulter, wagte aber nicht, ihn anzusehen aus Angst, dass ihr die Knie weich werden würden. Vielen Dank, Adam, dachte sie gereizt, ich bin also Miss Natur persönlich! Aber hatte sie sich nicht vorgenommen, die Rolle der naiven, unverfälschten Unschuld vom Lande zu spielen?

„Ah, dann ist das also Trish!“, rief die Rothaarige aus und stellte sich neben Adam. „Und ich habe geglaubt, sie wäre Italienerin! Sie sehen wirklich sehr südländisch aus.“ Louise … denn es musste Louise sein nach der Art, wie sie sich besitzergreifend bei Adam untergehakt hatte … ließ den Blick kühl und herablassend über Trish schweifen.

Trish wehrte sich tapfer gegen die aufkeimende Eifersucht und rang sich ein Lächeln ab. „Leider kann ich nicht mit italienischen Vorfahren dienen, allerdings bricht gelegentlich mein spanisches Blut hervor. Wenn ich aufgeregt bin …“ Sie errötete. „Ich meine, wenn mich jemand ärgert.“

„Gibt es noch andere Anlässe, bei denen sich Ihr spanisches Blut bemerkbar macht?“, fragte Adam neckend.

Ihr Herz klopfte. Sie konnte ihn immer noch nicht ansehen. Schön, sollte er sich über sie amüsieren. Sie würde sein Spiel mitspielen und ihm dadurch ihre Gleichgültigkeit beweisen. „Ja, wenn ich beim Karottenhacken unvorsichtig werde“, antwortete sie honigsüß.

Adam lachte warm und herzlich. Louise zog überrascht die schmalen Brauen hoch. „Das habe ich lange nicht mehr gehört“, sagte sie eine Spur zu vorwurfsvoll.

„Ich hatte wohl vergessen, wie man lacht“, erwiderte er leicht gereizt. „Zu viel Stress und keine Zeit für Spaß.“

Trish spürte den Anflug von Missstimmung zwischen den beiden und plauderte, ohne zu überlegen, drauflos: „Gran behauptet, dass in meinen Genen einige spanische Schmuggler und gestrandete Seeleute lauern. Meine weiblichen Vorfahren mussten die Chancen, die sich ihnen boten, beim Schopf packen. Wenn man auf einer Insel von der Größe eines Tabletts wohnt, darf man nicht wählerisch sein.“

Louises Augen wurden schmal. Zu spät wurde Trish bewusst, dass sie damit praktisch angedeutet hatte, sie sei auf der Jagd nach einem Mann, den sie auf ihre einsame Insel entführen könnte. Sie besaß eben keine Übung in zwangloser Konversation!

„Hallo, Trish“, sagte Adam lachend. „Schön, Sie wieder zu sehen!“

Um ein unbeschwertes Lächeln bemüht, wandte sie sich ihm zu und versuchte es mit einer der belanglosen Floskeln, die sie sich überlegt hatte. „Ja, es ist schon lange her, nicht wahr? Wir sind älter geworden …“

„Älter? So ein Unsinn!“

Zu ihrer Überraschung fand sie sich im nächsten Moment in seinen Armen wieder, als Adam sie herzlich an sich drückte. Trish schloss die Augen und spürte seinen Kuss auf ihrer Wange. Für einen Moment bildete sie sich ein, dass seine Lippen eine Spur länger als nötig verweilen würden. Als er sie jedoch wieder losließ und sie die Augen öffnete, stellte sie fest, dass er Louise anlächelte.

Was hatte sie denn erwartet? Dass er ihr seine unsterbliche Liebe gestehen und Louise auf der Stelle den Laufpass geben würde? Wann würde sie endlich aufhören, sich etwas vorzumachen? Adam war viel zu attraktiv und erfolgreich für ein schlichtes, einfaches Mädchen wie sie. Wie sollte sie dem Vergleich mit dieser rothaarigen Göttin standhalten, die er sich als zukünftige Frau erkoren hatte?

„Darf ich euch, zugegeben etwas verspätet, einander vorstellen?“, fragte er locker. „Louise, das ist Trish. Trish, das ist meine Verlobte Louise.“

„Willkommen auf unserer Verlobungsparty.“ Die besondere Betonung auf dem Wort „Verlobungsparty“, ließ an dem Anlass der Begegnung keinen Zweifel. Louise beugte sich vor und hauchte Trish kühl und herablassend einen Kuss auf die Wange, als würde sie ein fremdes Kind begrüßen.

„Ich bin immer noch verwundert“, sagte Louise.

Adam wurde in diesem Moment von vier Blondinen entführt, die sich anhimmelnd auf ihn stürzten. Im Nu waren seine Wangen von Lippenstift verschmiert, was Louise nicht im Geringsten zu bekümmern schien. Trish dagegen litt Eifersuchtsqualen und hatte Mühe, Louise ihre Aufmerksamkeit zu schenken. „Was verwundert Sie?“, fragte sie pflichtschuldig.

„Diese Bräune und das Anfang April in England!“ Louise lächelte Trish wissend zu. „Sonnenbank oder Selbstbräuner?“

„Nein, nur Sonne, Wind und Regen“, antwortete Trish direkt. „Wie Adam schon sagte, die Bewohner der Scilly Inseln sind Kinder der Natur. Ich bin viel im Freien.“

„Sie führen doch ein Gästehaus! Das ist keine Tätigkeit im Freien“, widersprach Louise skeptisch.

Liebe Güte, was hatte Adam, ihr sonst noch erzählt? „Ja, aber auf Bryher, meiner Insel, gibt es keine befestigten Straßen … wir erledigen fast alle Wege zu Fuß oder mit dem Boot“, erklärte sie geduldig. „Bryher ist nur eine Meile breit und eineinhalb Meilen lang.“

„Da sind ja manche Gärten größer! Und keine Straßen?“ Louise erschauderte geziert und wedelte mit ihrer Linken, so dass Trish den funkelnden Diamanten an ihrem Ringfinger nicht übersehen konnte. „Wie schrecklich! Wird man da nicht entsetzlich schmutzig, wenn man zum Essen oder ins Theater oder zum Einkaufsbummel ausgehen will?“

„Auf Bryher gibt es nur ein Restaurant in dem kleinen Hotel. Allerdings haben wir einige Cafés.“ Trish lächelte unbekümmert und spielte die Rolle der stolzen Lokalpatriotin. „Es gibt auch keine Läden, dafür aber ein wirklich hübsches Postamt!“

„Keine Läden?“, wiederholte Louise fassungslos.

Trish bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Adam sie und Louise sichtlich amüsiert beobachtete. Sie fühlte sich an alte Zeiten erinnert, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Wie oft und gern hatten sie und Adam zusammen gelacht!

Doch es hatte keinen Sinn, sich an Erinnerungen zu klammern. Sie stand Adams zukünftiger Frau gegenüber, und es war besser, weiter die Unschuld vom Lande zu spielen, die gekommen war, um den beiden viel Glück zu wünschen. „Auf Bryher gibt es keinen Platz für so etwas, Louise. Wir haben nicht einmal einen Arzt, ein Pub oder eine Schule. Was wir an Nahrungsmitteln nicht selber anbauen können, holen wir mit dem Boot oder Schiff von der Hauptinsel St. Mary’s oder vom Festland. Deshalb kaufen wir auch viel über den Versandhandel ein …“

„Ja, das sehe ich.“ Louise ließ den Blick bedeutsam über Trishs Kleid schweifen. „Klingt, als wäre es am Ende der Welt! Adam und ich gehen jeden Tag zum Essen aus. Wir würden auf Ihrer Insel vor Langeweile sterben, nicht wahr, Darling?“ Sie wandte sich an Adam, der sich wieder zu ihnen gesellt hatte und sich mit einem Taschentuch die Lippenstiftspuren von Wangen und Kinn wischte. „Diese Insel, auf der Trish lebt, scheint mir unvorstellbar primitiv!“

„Das Inselleben hat für manche Menschen durchaus seinen Reiz“, erwiderte Adam vermutlich aus reiner Höflichkeit, denn ein gereizter Unterton war unverkennbar. Wahrscheinlich langweilte ihn dieses Gespräch schon!

Louise legte ihm besitzergreifend einen Arm um die Taille, als wollte sie keinen Zweifel daran lassen, dass er zu ihr gehörte. Trish durchzuckte ein schrecklicher Gedanke. Hatte Adam seiner Verlobten vielleicht auch gestanden, was damals zwischen ihnen passiert war?

„Ich weiß so viel über Sie“, sagte Louise nun zu allem Überfluss, und Trish wäre am liebsten im Boden versunken.

Sie spürte, dass Adam sie ansah, und schluckte befangen. „Einen Meter fünfundsiebzig, achtundfünfzig Kilo, zweiundzwanzig Jahre, mit einer Schwäche für Teebrot, Hühnerzucht und rührselige Filme?“, fragte sie betont arglos.

„Nein“, entgegnete Louise, sichtlich beruhigt durch diese harmlose Antwort. „Ich meine, wie Sie und Adam sich kennen gelernt haben. War es nicht so, dass Sie mit sechzehn die Schule verlassen und in Adams Haus in Cornwall gewohnt haben, weil er und seine Frau Zimmer an Studenten vermietet haben?“

„Ich … ich habe zwei Jahre bei ihnen gewohnt.“ Trish errötete, als sie merkte, wie Adam erstarrte. Sie hatte ihn natürlich daran erinnert, aus welchem Grund sie sein Haus wieder verlassen hatte.

Louise schien von der plötzlich angespannten Atmosphäre nichts zu spüren, sondern spielte beiläufig an Adams schlichtem goldenen Siegelring. „Welche Universität haben Sie denn besucht?“

„Ich habe nichts von einer Universität gesagt …“ Adam entzog ihr gereizt seine Hand.

„Gott bewahre!“ Trish war durchaus fähig, für sich selber einzustehen. „Ich bin nicht so schlau wie Sie!“ Ihre Bemerkung hatte den gewünschten Erfolg. Ein zufriedenes Lächeln huschte über Louises Gesicht.

„Ich bin sicher, ich habe dir erzählt, dass Trish nach Truro gekommen war, um die Hotelfachschule zu besuchen“, mischte sich Adam schroff ein.

Autor

Sara Wood
Sara Wood wurde in England geboren. An ihre Kindheit hat sie wundervolle Erinnerungen. Ihre Eltern waren zwar arm, gaben ihr jedoch das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit. Ihr Vater kannte seine Eltern nicht, deshalb war er so glücklich über seine eigene Familie. Die Geburtstagsfeiern, die er gestaltete, waren sensationell: Er...
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