Zeig mir, was Liebe ist

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ausgerechnet er soll auf Carrie aufpassen! Ryan Evans ist keineswegs glücklich über die Bitte seines besten Freundes Travis. Denn Carrie, süße vierundzwanzig, scheint eine ausgesprochen erotische Wirkung auf ihn zu haben. In ihrer Nähe kann er nur noch an Sex denken! Nach ihren ersten heißen Küssen zieht sich Ryan beschämt zurück. Travis wird es ihm niemals verzeihen, wenn er erfährt, dass er nicht die Finger von seiner Schwester lassen konnte. Doch als Carrie ihn in seinem Haus besucht, sind alle guten Vorsätze vergessen: Stürmisch zieht er die verführerische junge Frau in seine Arme, um sie zu lieben ...


  • Erscheinungstag 08.04.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733716417
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wenn du mich noch einmal niedlich nennst, dann werde ich dir jeden einzelnen Knochen in deinem Fuß brechen, das schwöre ich dir.“

Ryan Evans hob eine buschige Augenbraue und betrachtete Carrie Whelan, die ihm in einer Nische des „Royal Diner“ gegenübersaß und äußerst grimmig aussah. Sie meinte es ernst. Sie war nicht nur verstimmt, sie war nahe davor, Feuer zu spucken. Feuer, das so rot leuchten würde wie das glatte, seidig glänzende Haar, das ihr bis auf die schmalen, vor Ärger jedoch angespannten Schultern fiel.

Es machte immer wieder Spaß, Carrie zu ärgern. Das war schon früher so gewesen. Mit vierzehn war sie ja auch wirklich niedlich gewesen. Jetzt aber, mit vierundzwanzig, versetzte es sie in Rage, wenn er – oder auch irgendein anderer Mann – sie so bezeichnete.

Ryan konnte trotzdem nicht widerstehen, sie noch ein wenig weiterzureizen. Doch zuerst musste er für seine Sicherheit sorgen. Er räusperte sich, richtete sich auf und zog ganz bewusst seine langen Beine unter die ausgeblichene rote Plastikbank, auf der er saß. Nun war es der wütenden Miss Whelan nicht möglich, mit den sechs Zentimeter hohen Stilettoabsätzen ihrer Designerstiefel seinen Spann zu zertrümmern.

„Ist es mal wieder diese bestimmte Zeit im Monat, Kleines?“, fragte er scheinheilig.

Als sie ihn anzischte, blinzelte er möglichst unschuldig. „Was ist? Was habe ich denn gesagt?“

Sie neigte den Kopf und bedachte ihn mit einem giftigen Blick. „Weißt du was? Es ist wirklich erstaunlich, dass ein Mann, der angeblich über so viel Erfahrung mit Frauen verfügt wie du, es schafft, genau die falschen Dinge zu sagen, um eine Dame beeindrucken zu wollen.“

Er konnte nicht anders, er musste grinsen. „Oh, jetzt bist du also eine Dame, so, so.“

Es war noch nicht lange her, da hatte die kleine Carrie Whelan – die niedliche kleine Carrie Whelan, die Schwester seines besten Freundes Travis Whelan – jedem erklärt, dass sie ein Cowboy werden und lieber sterben würde, als jemals in etwas anderem als Jeans, Cowboyhut und Stiefeln erwischt zu werden.

Nun, er konnte bezeugen, dass sie immer noch lebendig war – sehr lebendig sogar –, obwohl sie seit ein paar Jahren die Jeans gegen weich fließende Seidenstoffe eingetauscht hatte und statt ihrer ausgelatschten Cowboystiefel jetzt schicke italienische Stiefeletten trug. Auch ihre Hüte waren inzwischen andere. Dank des Treuhandfonds, den Travis für sie eingerichtet hatte, brauchte sie nicht zu arbeiten, aber Carrie, der Liebling der High Society des texanischen Ortes Royal war immer mit irgendetwas beschäftigt. Wenn sie nicht ehrenamtlich im Krankenhaus von Royal oder in der Bibliothek half, verbrachte sie viele Stunden in der Woche in einem staatlichen Kinderhort. Und all das tat sie, während sie gleichzeitig Wohltätigkeitsveranstaltungen organisierte und gutherzigen alten und weniger alten Männern Geld aus ihren prallen Börsen entlockte. Männern, die Carries Projekte unterstützten und auf ein Lächeln von ihr hofften.

Ja, sie ist definitiv lebendig, dachte Ryan erneut, bevor er einen kurzen, anerkennenden Blick auf ihre vollen Brüste warf, die sich unter der elfenbeinfarbenen Seidenbluse hoben und senkten.

Aber das sollte er gar nicht registrieren. Er sollte, was Carrie betraf, überhaupt nicht bemerken, dass irgendetwas an ihr fraulich, geschweige denn sexy war.

Er zog seine Hutkrempe tiefer ins Gesicht. Das Problem war, in einer Beziehung hatte Carrie recht: Sie war nicht mehr niedlich. Sie war schön … wunderschön sogar. Sie hatte faszinierende braune Augen, einen schlanken, geschmeidigen Körper und einen Mund, der einen Mann überlegen ließ, wie er sich wohl auf nackter Haut anfühlen würde.

Nicht etwa, dass er das tat! So dachte er nicht über sie nach. Zumindest bemühte er sich höllisch, es nicht zu tun.

Stirnrunzelnd wandte er seinen Blick wieder zu ihrem Gesicht – zu diesen haselnussbraunen Augen – und zwang sich, seine obligatorische Rolle als Ersatzbruder wieder einzunehmen. „Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen, Carrie-Bärchen?“

Der Blick, den sie ihm zuwarf, war so ätzend, dass sie damit die Farbe von seinem schwarzen Wagen hätte abblättern können.

„Du bist schlimmer als mein Bruder“, fuhr sie ihn an. „Keiner von euch nimmt mich ernst.“

Ryan lehnte sich zurück und widerstand dem Drang, ihr zu gestehen, wie ernst er sie nahm. Und wie gern er sie außerdem nehmen würde. Und wie ernsthaft sie ihn um den Verstand bringen könnte, wenn er seine Fantasien nicht sofort zügelte.

„Was hat Travis denn nun schon wieder getan?“, fragte er also, um sich abzulenken.

„Was macht er denn immer? Er behandelt mich wie ein Kind.“

„Er liebt dich“, meinte Ryan leise und sah, wie ihre Schultern sich ein wenig entspannten.

Sie richtete ihre hübschen Augen auf ihn. „Was machen wir eigentlich hier?“, fragte sie ernst.

„Na ja, so wie ich mich erinnere“, meinte er vorsichtig, weil er nicht wollte, dass sie dahinter kam, dass er sich auf Travis’ Bitte hin in letzter Zeit so intensiv um sie gekümmert hatte, „habe ich dich angerufen, um zu hören, wie es dir geht. Und du sagtest, du hättest einen langen Tag gehabt, würdest dich gern entspannen, und hast mich gefragt, ob ich hier mit dir einen Kaffee trinken will.“

Sie schüttelte bereits den Kopf. „Nein, ich meine nicht, was wir hier im ‚Royal Diner‘ machen. Ich meine, was machen wir hier – du und ich? Schau uns an. Es ist Samstagabend, du meine Güte. Warum haben wir keine Verabredung und machen mit unseren jeweiligen Rendezvouspartnern die Stadt unsicher, trinken Champagner – oder in deinem Fall Bier“, fügte sie mit einem leicht herablassenden Lächeln hinzu, „und sehen einer Nacht voll heißem, leidenschaftlichem Sex …“

„Halt, stopp!“ Ryan richtete sich auf und hob abwehrend eine Hand.

Als sie tatsächlich den Mund hielt, wischte er sich mit dem Handrücken über die Lippen und rückte seinen Hut gerade. Dies war ein Gebiet, auf das er sich nicht vorwagen wollte. „Ich glaube nicht, dass ich mein Liebesleben mit dir diskutieren möchte.“

„Ganz zu schweigen davon, dass du mein Liebesleben nicht diskutieren willst.“

Ja, dachte er grimmig, das auch. Ein wachsames und beschützendes Auge auf sie zu halten, solange die Gefahr noch nicht gebannt war, in der Travis’ Verlobte Natalie Perez schwebte, war der einzige Grund, warum er Carrie nicht von der Seite wich. Er konnte noch immer nicht fassen, dass er tatsächlich zugestimmt hatte, Wachhund, beziehungsweise Bodyguard für sie zu spielen. Genauso wenig wie er fassen konnte, dass sie gerade diese Unterhaltung führten.

„Ich habe das nicht gehört“, erklärte er entschlossen. „Ich habe nichts davon gehört, dass du überhaupt ein Liebesleben hast. Denn wenn es so wäre, würde ich diese interessante kleine Information deinem Bruder mitteilen müssen. Der würde sich dann wahrscheinlich verpflichtet fühlen, den Überbringer dieser Nachricht – das wäre dann ich – zu töten, bevor er sich auf die Suche nach dir begeben würde. Und Gnade dem Mann, der sich mit Travis Whelans kleiner Schwester einlässt.“

Sie schüttelte den Kopf, lachte freudlos und blickte dann an ihm vorbei durch das schmutzige Fenster. „Du kannst wieder aufatmen, Großer. Es besteht keine Gefahr, dass er irgendjemanden in absehbarer Zukunft töten wird. Warum, willst du wissen? Weil ich kein Liebesleben habe. Diese Laus ist mir über die Leber gelaufen.“

Ryan spürte, dass sich Schweißperlen unter seiner Hutkrempe sammelten. Diese Unterhaltung glitt ihm langsam aus der Hand. „Davon will ich auch nichts hören.“

Ohne sich Ryans Unbehagens bewusst zu sein, schaute Carrie ihn so flehentlich und ernst an, dass er seinen Blick nicht abwenden konnte. „Hast du eine Ahnung … auch nur die leiseste Ahnung“, wiederholte sie, „wie es ist, wenn man vierundzwanzig Jahre alt und noch immer Jungfrau ist?“

Jungfrau? Oh, du lieber Himmel.

„Warum sagst du das nicht noch ein bisschen lauter?“, stieß er ungehalten hervor, um die plötzliche und verbotene Erregung zu überdecken, die ihr Geständnis ausgelöst hatte. „Ich glaube, Manny in der Küche hat dich nicht verstanden.“

Sie lehnte sich zurück und schüttelte angewidert den Kopf. „Der würde mich wahrscheinlich gern mal in sein Bett zerren.“

Ryan schnaubte. „Manny würde am liebsten jede Frau in sein Bett zerren.“ Manny Hernandez, der Koch des „Royal Diner“, war außerdem noch Bodybuilder und ein stadtbekannter Playboy. „Was ist das überhaupt für eine Art Gerede für ein nettes Mädchen wie dich?“

„Aha!“ Sie richtete anklagend einen Finger auf ihn. „Siehst du? Das ist das Problem. Vielleicht bin ich gar kein nettes Mädchen. Vielleicht bin ich ein heißer Feger, der die Männer ganz wild macht mit seiner sexuellen Magie und einem sinnlichen, verführerischen …“

„Nein.“ Er unterbrach sie erneut. „Oh, nein. Ich will nichts dergleichen hören.“

„Was ist los, Ryan? Mache ich dich heiß, rege ich dich auf?“

Ja. Er war tatsächlich heiß und wünschte, er hätte nie angefangen, sie aufzuziehen. Sie war diejenige, die sich hätte winden sollen, nicht er.

„Ich bin aufgeregt genug, um dich übers Knie zu legen“, warnte er sie und bemühte sich, sein Gleichgewicht wieder zu finden.

Sie kniff die Augen zusammen und lächelte ihn aufreizend an, bevor sie mit der Zungenspitze die süße, üppige Kurve ihrer Oberlippe berührte. „Oh“, meinte sie gedehnt, „das hört sich ein wenig unanständig an.“

Sein Herzschlag setzte fast aus. „Carrie, ich warne dich. Wenn du nicht aufhörst damit, dann werde ich …“

„Was wirst du tun? Mich an meinen Bruder verpetzen? Mich mit nach Hause nehmen und mich an dein Bett fesseln? Was, wie ich finde, durchaus seinen Reiz haben könnte“, fuhr sie fort.

Eindringlich versuchte er, sie mit seinem Blick zum Schweigen zu bringen, bevor die anderen Gäste sie hörten – während er gleichzeitig gegen das Bild vor seinen Augen ankämpfte, wie sie, nackt und gefesselt, auf seinem Bett lag.

„Komm schon“, stöhnte er. Er fühlte sich so eingeengt, aufgeregt und nervös wie eine langschwänzige Katze in einem Zimmer voller Schaukelstühle. „Wir gehen.“

„Gehen? Oh, das glaube ich nicht.“

In ihrem Gesicht spiegelte sich eine beunruhigende Mischung aus Wut und Verletztheit. Sie ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, bis er in der hintersten Sitznische hängen blieb. Ein entschlossener Ausdruck trat in ihre Augen, als sie zu ihrer Tasche griff.

„Du kannst gern gehen, Ryan, aber ich werde hier bleiben und mich dem neuen Arzt der Stadt vorstellen. Vielleicht betrachtet er mich als etwas anderes als nur Travis Whelans kleine Schwester und läuft nicht um sein Leben, wenn mein Bruder auch nur eine Augenbraue hebt.“

Der wütende Blick, den Ryan ihr nun zuwarf, war verschwendet. Sie beachtete ihn überhaupt nicht mehr. Ihre Augen waren noch immer in die Ecke des „Diner“ gerichtet, als sie ihren Lippenstift aus der Tasche holte und sich, ohne einen Spiegel zu benutzen, die Lippen gekonnt kirschrot nachzog.

Ryan starrte fasziniert auf ihren Mund und schwelgte in verbotenen Fantasien, in denen diese Lippen rote Spuren auf seinem Bauch hinterließen, als Carrie an den Rand der Bank rutschte und aufstand.

Schlagartig kam Ryan wieder zu sich, und jetzt sickerte auch ihre Aussage – „mich dem neuen Arzt der Stadt vorstellen“ – in sein Bewusstsein, und er folgte ihrem Blick. Er erkannte den Mann in der Nische. Er hatte den neuen Arzt, der gerade im Krankenhaus von Royal angefangen hatte, zwar noch nicht kennengelernt, ihn aber schon gesehen. Genau genommen war Dr. Nathan Beldon der Grund, warum Travis ihn gebeten hatte, Carrie im Auge zu behalten.

„Ich kann es nicht genau erklären“, hatte Travis nachdenklich gesagt, als er Ryan um diesen Gefallen gebeten hatte, „aber etwas an diesem Kerl gefällt mir nicht. Er wirkt so aalglatt, und sein Verhalten ist merkwürdig. Aber aus irgendeinem Grund hat Carrie sich in den Kopf gesetzt, mit ihm anzubandeln.“

Nun, dachte Ryan grimmig, er und Travis waren in dieser Beziehung einer Meinung. Beldon sah zu glatt aus. Und der Gedanke, dass Carrie mit ihm ausgehen wollte, gefiel auch ihm ganz und gar nicht. Genau genommen so wenig, dass er, als sie einen Schritt in Beldons Richtung machte, ihren Arm packte und sie wieder auf die Bank zog.

„Beldon?“, fragte er und ignorierte ihre wütenden Proteste, während er sich gleichzeitig versuchte einzureden, dass das unangenehme Gefühl in seiner Magengegend kein Eifersuchtsanfall war. „Du willst Dr. Beldon abschleppen?“

Sie hielt inne, warf Ryan einen abschätzigen Blick zu und lächelte dann. Es war kein freundliches Lächeln. Und vor allem kein unschuldiges.

„Na ja, so hätte ich es vielleicht nicht bezeichnet, aber danke, Ryan. Gute Idee. Ich werde ihn abschleppen, wie du es so nett bezeichnet hast. Und wenn ich Glück habe, bin ich morgen früh hoffentlich nicht mehr die letzte vierundzwanzigjährige Jungfrau in ganz Texas.“

„Okay. Das reicht.“ Er wusste, sie meinte es nicht ernst, aber ihm war auch klar, dass sie im Moment leichtsinnig genug war, um mit diesem Arzt etwas anzufangen, was vielleicht eine Nummer zu groß für sie sein könnte. Und auch wenn es ihm nicht gefiel, musste er zugeben, dass er eifersüchtig genug war, um etwas wirklich Dummes zu tun, wenn das hier noch weiterging. „Du gehst jetzt nach Hause. Du kannst heute Abend nicht klar denken.“

Er zog ein paar Dollarnoten aus der Tasche und warf sie auf den Tisch. Sie reichten, um die Rechnung zu begleichen und beinhalteten außerdem ein großzügiges Trinkgeld für Sheila, die Kellnerin. Mit stahlhartem Griff packte er dann Carries Ellenbogen und drängte sie zur Tür. Ohne auf ihre Proteste zu achten, schnappte er sich unterwegs noch ihre rote Kaschmirjacke und drückte sie ihr in den Arm.

Die kleine Glocke über der Eingangstür bimmelte, als die Tür sich hinter ihnen schloss. Die vor Wut schnaubende Carrie verfluchte Ryan noch immer, als er sie, ohne zu zögern, zu ihrem Wagen führte.

„Fahr nach Hause“, befahl er ihr und öffnete die Fahrertür.

„Fahr zur Hölle!“, zischte sie ihn an.

Er drückte sie sanft, aber unerbittlich hinter das Lenkrad. „Ja, das wäre eine Möglichkeit. Aber erst einmal werde ich dir folgen, um sicherzugehen, dass du in die richtige Richtung fährst.“

„Du elender Neandertaler!“, fauchte sie und schlug die Tür zu.

„Oh, oh.“ Er beugte sich vor und schaute durch das Fenster auf ihre vor Wut geröteten Wangen, bevor er aufs Wagendach klopfte. „Und dass du mir nicht zu schnell fährst!“

Sie blickte starr geradeaus, legte den Gang ein und gab Gas.

Ryan atmete einmal tief durch und schob seinen Stetson zurück. Dann marschierte er zu seinem glänzenden schwarzen Truck und kletterte hinter das Lenkrad.

„Na, das hast du ja richtig gut hinbekommen, was?“, murmelte er, als er sich in den Verkehr einreihte und aufs Gaspedal drückte, um Carrie einzuholen.

Morgen würde er mit Travis reden. Sein Freund sollte gefälligst jemand anderen finden, der seine kleine Schwester bewachte. Einen Eunuchen vielleicht – was er nun wirklich nicht war. Und darin erinnerte Carrie ihn nur allzu oft. Sie brachte sein Innerstes zum Lodern wie eine Stange Dynamit mit einer gefährlich kurzen Zündschnur. Sie war eine sehr heiße, sehr scharfe – hatte er schon heiße erwähnt? – Frau, die er eigentlich als seine kleine Schwester ansehen sollte.

Verdammt.

Er atmete tief durch. Carrie war nicht seine Schwester, obwohl seine Mom und sein Dad sie und Travis aufgenommen hatten, als deren Eltern vor vierzehn Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Er hatte noch immer das Bild von der traurigen, einsamen, zehnjährigen Carrie vor Augen, die in seinen Armen geweint hatte. Und es brach ihm noch immer das Herz, wenn er daran dachte, was sie durchgemacht hatte. Doch in letzter Zeit hatte er Schwierigkeiten damit, sie als das niedliche kleine Mädchen oder als seine Ersatzschwester anzusehen.

Es war eine Sache gewesen, als sie zehn und er achtzehn gewesen war. Auch als er Anfang zwanzig und sie eine aufblühende Sechzehnjährige gewesen war, die für ihn geschwärmt hatte, war noch alles in Ordnung gewesen. Er hatte ihre Verliebtheit toleriert und auch nichts dagegen gehabt, auf sie zu achten – zumindest, wenn er in Royal gewesen war, was angesichts seiner Collegezeit und der anschließenden fünf Jahre als Rodeoreiter nicht sehr häufig gewesen war.

Aber jetzt … nun, jetzt war alles ganz anders. Das Auge, das er auf Carrie geworfen hatte, war längst kein brüderliches mehr – sosehr er sich auch bemühte.

Verdrießlich folgte er ihrem Wagen. Travis würde ihn umbringen, wenn er auch nur ansatzweise ahnte, dass Ryan an Carrie in Zusammenhang mit Betten, Fesseln und schwarzer Spitze dachte – worin sie, das hatte er für sich schon beschlossen, bestimmt verdammt gut aussehen würde – genauso wie ohne.

Er verscheuchte das allzu lebendige Bild aus seinem Kopf und schloss zu ihr auf. Als sie ihn im Rückspiegel wütend anfunkelte, winkte er ihr lässig zu. Typisch für Carrie, zeigte sie ihm den berüchtigten Mittelfinger, fuhr noch schnell bei Gelb über die Kreuzung und ließ ihn fluchend bei Rot an der Ampel zurück.

„Diese verdammte Frau!“, murmelte er kopfschüttelnd, doch gleichzeitig musste er grinsen. „Sie wird noch mein Tod sein.“

Er dachte an ihr seidiges rotes Haar, den großen, sinnlichen Mund. Die vollen, festen Brüste, die langen, schlanken Beine. Unbehaglich rutschte er auf seinem Sitz hin und her, weil er das Gefühl hatte, seine Jeans wäre einige Nummern zu klein – ein Gefühl, das er leider in letzter Zeit fast immer bekam, wenn er Carrie sah.

Einige Straßenzüge weiter schloss er wieder zu ihr auf, und fünf Minuten später parkte er mit laufendem Motor vor ihrem Haus und sah ihr zu, wie sie aus dem Wagen stieg und zum Eingang stürmte. Selbst wenn sie so aufgebracht war wie jetzt, war ihr Anblick eine wahre Freude – schwingende Hüften und rauschende Seide.

„Mein Tod“, wiederholte er leise, als sie die Haustür hinter sich zuschlug und im Haus das Licht anging. „Aber was für ein schöner Tod!“

Er ermahnte sich, Distanz zu schaffen – eine große Distanz – legte den Gang wieder ein und fuhr in Richtung „Texas Cattleman’s Club“. Er brauchte dringend einen Drink. Und morgen musste er unbedingt zu Travis. Er musste ihm direkt in die Augen blicken und daran denken, dass die Frau, die solche ungezügelten, sexuellen Fantasien in ihm hervorrief, die kleine Schwester seines besten Freundes war.

Die kleine jungfräuliche Schwester.

Das Blut schoss ihm ins Gesicht … und in einen anderen Körperteil, was im Zusammenhang mit Carrie absolut nicht in Ordnung war.

Sie war noch Jungfrau. Er hatte es vermutet, aber bis zu dem Zeitpunkt, als sie es laut und deutlich im „Royal Diner“, verkündet hatte, hatte er es nicht wissen wollen. Hatte es wirklich nicht wissen wollen.

Sein Herzschlag erreichte bei dem Gedanken an ihre Unschuld und daran, wie es wohl wäre, der erste Mann in ihrem Leben zu sein, eine sechs Komma neun auf der Richterskala.

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Er würde es jedenfalls nicht sein. Es würde niemand sein, wenn es nach Travis ging. Ihr überängstlicher Bruder hatte bisher noch jeden ihrer Verehrer in die Flucht geschlagen mit seinem Besitz ergreifenden Verhalten. Ryan wusste, dass Travis’ Einstellung noch auf den frühen Tod seiner Eltern zurückzuführen war. Schon damals hatte Travis die Verantwortung auf sich genommen, seine kleine Schwester zu beschützen. Das war vor vielen Jahren gewesen, doch noch immer konnte er nicht loslassen. Carrie würde als alte Jungfer sterben, wenn es in Travis’ Macht läge.

Und was wäre das für eine Verschwendung, dachte Ryan, der an das Feuer in ihren Augen dachte, an die herrlichen Kurven ihrer Hüften, an diesen Mund, der wie geschaffen schien fürs Küssen.

Okay. Er musste aufhören, so an sie zu denken. Und morgen würde er das auch. Heute Abend hatte er jedoch vor, sich mit einem Drink in der Hand all diesen wunderbaren Fantasien hinzugeben. Und vielleicht, mit ein bisschen Glück, dachte er, während er auf den Parkplatz des „Texas Cattleman’s Club“ fuhr, habe ich morgen die Fantasie und mein Verlangen nach Carrie überwunden. Vielleicht hatte er bis dahin für Travis auch eine Erklärung gefunden, warum er nicht länger auf Carrie aufpassen konnte.

2. KAPITEL

„Was wirst du tun? Mich mit nach Hause nehmen und an dein Bett fesseln?“

Du meine Güte, dachte Carrie, als sie aus der Dusche trat und sich ein flauschiges dunkelgrünes Handtuch aus dem Wäscheschrank schnappte. Habe ich das tatsächlich zu ihm gesagt? Ausgerechnet zu Ryan Evans?

Sie stöhnte und vergrub ihr Gesicht in dem weichen Handtuch. Wenn sie wenigstens so schlau gewesen wäre, danach den Mund zu halten. Aber nein, sie musste natürlich noch etwas hinzufügen, was schrecklich frivol geklungen hatte: Was, wie ich finde, durchaus seinen Reiz haben könnte. Sie hatte gehofft, vielleicht doch endlich einmal einen Funken von Interesse in seinen Augen aufleuchten zu sehen.

Aber nicht bei Ryan. Oh nein! Er war kein bisschen an ihr interessiert.

„Wenn ich ein Pferd wäre, vielleicht.“ Oder einer von diesen geländegängigen Wagen mit Allradantrieb – wuchtige Kunstwerke aus glänzendem Chrom und schwarzem Lack –, die er so gerne fuhr.

Nein. Ryan Evans war noch nie an etwas interessiert gewesen, was sie und ein Bett betraf. Es sei denn früher, da hatte er sie zu überreden versucht, auch sein Bett zu machen, weil er zu sehr damit beschäftigt gewesen war, ein wildes Pferd zuzureiten oder den Mädchen nachzustellen.

Carrie rieb sich mit dem Handtuch die Haare und schaute sich dann angewidert im Spiegel an. „Einige Lektionen sind wohl ein bisschen schwerer zu lernen, was, Carrie-Bärchen?“, brummte sie missmutig und spürte, dass ihre Wut nachließ und von Müdigkeit und Melancholie ersetzt wurde.

Ja, einige Lektionen waren härter als andere. Ryan war eine der härtesten.

Schniefend und seufzend trocknete sie sich zu Ende ab, rieb sich mit ihrer neuen Bodylotion ein, die so feminin duftete, dass sie einem Mann schon die Sinne verwirren konnte. Als sie die Bodylotion gekauft hatte, hatte sie an Ryan gedacht. Carrie verzog verächtlich den Mund. So langsam machte sie sich lächerlich. Was tat sie nicht, ohne an Ryan zu denken?

Sie betrachtete ihr armseliges Ich im Spiegel. „Also, ein für alle Mal, was wirst du in Bezug auf ihn tun?“

Sie wusste es wirklich nicht. Sie liebte ihn seit einer Ewigkeit. Sie vergötterte ihn, während er sie nie als etwas anderes als seine kleine Schwester angesehen hatte. Nach dem heutigen Abend war es ziemlich eindeutig, dass er sie auch niemals als etwas anderes betrachten würde: Er hatte auf ihre Andeutungen und Einladungen, die nun wirklich nicht mehr subtil zu nennen gewesen waren, weder mit Erschrecken noch mit einem Aufstöhnen oder gar Interesse reagiert.

Nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe und sah der unwiderlegbaren Wahrheit ins Auge. „Vielleicht ist es an der Zeit aufzugeben.“

Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus, während der Gedanke sich wie Blei auf ihre Seele senkte. Ja. Vielleicht war es an der Zeit.

Nachdem sie in ein sauberes, übergroßes Nachthemd geschlüpft war und sich ein Paar Socken über ihre kalten Zehen gezogen hatte, schlenderte sie ins Wohnzimmer und bürstete sich dabei das nasse Haare. Unterwegs schnappte sie sich die Fernbedienung, hielt sie in Richtung Fernseher, drückte auf den Einschaltknopf und ließ sich dann auf das Sofa fallen. Die flauschige blaue Chenilledecke fühlte sich kuschelig weich und warm an, als sie sie von der Sofalehne nahm und über ihre hochgezogenen Knie legte. Allerdings wäre es noch viel schöner gewesen, wenn sie sich an Ryan hätte kuscheln können.

Sie ermahnte sich. „Du tust es schon wieder, Whelan. Es wird nicht geschehen. Nicht mit Ryan, also gib es einfach auf.“

Autor

Cindy Gerard

Als Cindy Gerard anfing, ihr erstes Manuskript zu schreiben, wollte sie vor allem eins: es auch beenden. Der Gedanke, es zu verkaufen, kam ihr viel später. Und erst, als sie einen Verlag gefunden hatte, der es veröffentlichen wollte, wurde ihr klar, dass es nicht bei diesem einen Werk bleiben würde....

Mehr erfahren