Zwischen Lust und Geheimnis

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Millionenerbin Morgan Steele aus Charleston ist entsetzt: Zusammen mit ihrem Ex-Mann River Atkinson soll sie ein soziales Bauprojekt leiten! Noch immer ist seine sexy Ausstrahlung einfach unverschämt. Prompt weckt ihre enge Zusammenarbeit alte Vorbehalte - und neue Lust. Plötzlich findet Morgan sich in Rivers Armen wieder. Doch eine skandalöse Enthüllung überschattet den leidenschaftlichen Neuanfang mit dem Ex: Morgan wurde als Baby vertauscht. Verliert sie nun alles: ihren Einfluss, ihr Erbe - und River?


  • Erscheinungstag 26.11.2019
  • Bandnummer 2109
  • ISBN / Artikelnummer 9783733725495
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Morgan? Ich würde dir gern jemanden vorstellen.“

Als sie die Stimme ihres Bruders Sawyer hörte, drehte Morgan sich um – und erstarrte. Mit großen Augen sah sie den Mann neben Sawyer an; ihre Lippen bebten, doch sie brachte keinen Ton hervor.

Sie war nicht sicher, was genau sie erwartet hatte. Wahrscheinlich ein weiteres höfliches und langweiliges Gespräch mit einem Freund oder Kollegen ihrer Eltern. Wohltätigkeitsveranstaltungen von „Steele Tools“ bedeuteten für sie normalerweise unzählige Gläser Champagner und belangloses Geplauder mit Leuten, an deren Namen sie sich schon wenige Minuten später nicht mehr erinnern konnte. Solche Veranstaltungen gab es ständig im Haus ihrer Familie. Aber den Namen dieses Mannes kannte sie. Es war ihr einfach unmöglich, ihn zu vergessen.

Er war nicht mehr so schlaksig und jungenhaft wie früher. Nein, nun war er ein kräftiger Mann, der sein Geld offenbar mit körperlicher Arbeit verdiente. Sein sorgfältig gestutzter Bart ließ ihn älter und distinguierter wirken als früher, doch seine Augen würde Morgan einfach überall wiedererkennen. Mit diesem marineblauen Blick durchschaute er sie, ohne sich auch nur Mühe geben zu müssen.

„Morgan, das ist River Atkinson. Er ist der Besitzer und CEO von ‚Southern Charm Construction‘ und wird diesen Sommer mit dir am Bau der Wohnsiedlung arbeiten.“

Sich der Reaktionen von River und Morgan nicht im Geringsten bewusst, plapperte Sawyer fröhlich weiter. Morgan war völlig überrumpelt. River hingegen wirkte geradezu selbstgefällig. Grinsend streckte er Morgan die Hand hin. „Schön, Sie kennenzulernen, Miss Steele.“

Sie sollte seine Hand schütteln. Bei dieser kleinen Täuschung mitspielen und keine Szene machen. Doch sie brachte es einfach nicht über sich, ihn zu berühren. Mit dieser Hand hatte er ihren ganzen Körper erkundet, ihr bei einer Zeremonie in den Smoky Mountains einen kleinen Diamantring angesteckt. Mit dieser Hand hatte er hunderttausend Dollar von ihrem Vater angenommen, ehe er sie verließ, ohne auch nur zu zögern.

„Morgan?“

Die besorgte Stimme ihres Bruders riss sie aus ihren Gedanken. Schnell setzte sie ein geübtes Lächeln auf und schüttelte River die Hand. Sie musste ihn behandeln wie jeden anderen Geschäftsfreund auch. Sawyer wusste nichts von ihrer Vergangenheit mit River – so wie fast niemand. „Ich freue mich auch, Sie kennenzulernen, Mr. Atkinson. Sicher werden unsere Firmen diesen Sommer viel bewirken.“

Sein Händedruck war fest, aber sie bemerkte, dass er nicht sofort wieder loslassen wollte. Ehrlich gesagt ging es ihr genauso. Die Berührung stellte eine alte Verbindung wieder her. Als würden ihre Körper sich aneinander erinnern, sosehr sich ihr Verstand auch dagegen sträuben mochte.

Schließlich löste er den Griff, und sie legte die rechte Hand um die Champagnerflöte, um das Prickeln durch das kühle Glas zu dämpfen. Dann nahm sie einen großen Schluck, um ihn aus ihrem Kopf zu vertreiben.

Wer, zum Teufel, hatte das abgesegnet? Ihr Vater konnte darin jedenfalls nicht involviert gewesen sein. Nach der Geschichte am College hätte er eine Zusammenarbeit garantiert nicht zugelassen. Doch ihre Familie war gut darin, Geheimnisse zu wahren, selbst voreinander. Dass „Southern Charm Construction“ und River Atkinson miteinander in Verbindung standen, war Morgan neu. Sie hatte den Namen des Unternehmens schon mehrmals gehört und nie darüber nachgedacht, wem es wohl gehören mochte.

„Sawyer? Kann ich dich kurz sprechen?“, rief ihre Mutter.

Morgan erstarrte. Sie wollte nicht mit River allein sein. Zwar wären sie nicht ganz allein, doch selbst ein Gespräch unter vier Augen war angesichts ihrer gemeinsamen Vergangenheit einfach zu intim.

„Entschuldigt mich.“ Lächelnd klopfte Sawyer River auf die Schulter, ehe er davonging.

Morgan blieb mit River am Rande der Menge zurück, unsicher, was sie nun tun sollte. Das hier war noch unangenehmer als die Bälle in der Highschool. Was sollte sie zu diesem Jungen – diesem Mann – sagen, der ihr so viele Jahre zuvor den Rücken gekehrt hatte? „Lange nicht gesehen“?

„Gut siehst du aus, Morgan.“ River musterte sie von Kopf bis Fuß. „Dieses smaragdgrüne Kleid schmeichelt dir wirklich sehr. Es bringt deine Augen zum Leuchten.“

Anscheinend würden sie höflich miteinander umgehen. „Danke. Dein Bart gefällt mir. Dadurch wirkst du so intellektuell.“

River lachte. „Intellektuell. Wenn du damit ‚reich und wichtig‘ meinst, dann ja, genau diesen Effekt hatte ich mir erhofft.“ Er sah hinunter auf ihre Hand. „Noch nicht verheiratet?“

Überrascht hob sie eine dunkle Augenbraue. „‚Noch nicht‘? Meinst du nicht eigentlich ‚noch nicht wieder‘, River?“

Schulterzuckend verdrehte er die Augen. „So wie das der Staat Tennessee und deine Familie sehen, warst du nie verheiratet, Morgan. Und ich auch nicht. Das ist praktisch die Definition einer Annullierung. Das Ganze ist nie passiert. Deswegen hast du doch auch den Ring zurückgeschickt. Schon vergessen?“

„Psst!“ Nervös schaute sie sich um. Glücklicherweise schienen alle in ihrer Umgebung selbst in Gespräche verwickelt zu sein. Sie griff nach Rivers Ellbogen und zog ihn mit sich in eine Ecke des Ballsaals, wo niemand sie hören konnte. „Was soll das alles, River?“, zischte sie.

Er verschränkte die Arme vor der Brust, was die Nähte seines maßgeschneiderten Smokings ganz schön auf die Probe stellte. „Ich weiß nicht, was du meinst.“

„Jetzt tu nicht so. Was willst du hier?“

„Man hat mich eingeladen“, sagte er, ein selbstzufriedenes Grinsen im Gesicht.

Frustriert seufzte Morgan auf. Er wollte sie wirklich dazu zwingen, es auszusprechen, einfach weil er es konnte. „Wie kann es sein, dass unsere Firmen zusammenarbeiten sollen, River? Davon höre ich heute zum ersten Mal, sonst wäre das nie abgesegnet worden. War das hier dein großer Plan? Willst du dich durch dein Geschäft wieder in die Familie mogeln?“

„Wieso sollte ich etwas mit deiner Familie zu tun haben wollen, Morgan? In den paar Stunden, während derer ich zu den Steeles gehörte, wurde ich wie Dreck behandelt. Du warst schon immer so verdammt arrogant. Tust so, als würde sich immer alles um deine ach so wichtige Familie drehen und darum, was die Leute alles von ihr wollen.“ Sein Ton war absolut gehässig. „Ich wollte immer nur deine Liebe, Morgan, und selbst das ging deinem Vater schon zu weit.“

Kurz blitzte Schmerz in seinen dunklen Augen auf. Ja, er war verletzt worden. Aber anders als sie war er nicht einfach verlassen worden. „Und wenn schon, der dicke Scheck hat dich ja offenbar glücklich gemacht.“

Ihr Vater, Trevor Steele, hatte ihr ins Gewissen geredet, als sie an jenem Morgen nach Charleston zurückgekehrt waren. River sei nicht gut genug für sie. Er sei nur hinter ihrem Geld her. Wie konnte sie ihn nur heimlich heiraten? Ohne Ehevertrag oder eine genauere Überprüfung? Ihre Ehe hätte katastrophal enden können! Doch der Junge, den sie liebte, hatte einen Preis. Seine Zuneigung war hunderttausend Dollar wert. Als ihr Vater der Summe zustimmte, das Geld bereits in der Hand, hatte River den Kampf aufgegeben und Morgan gehen lassen.

River erstarrte. Schämte er sich etwa wegen dieser Entscheidung? Kurz sah er sie aus zusammengekniffenen Augen an, ehe er hilflos die Arme sinken ließ. „Wenn du wirklich so von mir denkst, war es vielleicht ganz gut, dass unsere Ehe annulliert wurde. Wir wären nie im Leben zusammengeblieben. Aber das musst du ja schon gewusst haben. Sonst hättest du nicht einfach deinen Daddy hinter dir aufräumen lassen.“

Morgan war vollkommen sprachlos. Meinte er das etwa ernst? Was wusste er schon von dem Chaos, das er hinterlassen hatte? Er war schließlich nicht da gewesen und hatte keine Ahnung, was sie alles hatte durchmachen müssen, nachdem sie ihn verloren hatte. Nachdem sie einfach alles verloren hatte. Er hatte ihren Vater erpresst und war dann in sein altes Leben zurückgekehrt. Sie war diejenige gewesen, die sich mit den Folgen hatte auseinandersetzen müssen.

„Morgan, Dad sagt, es ist Zeit für unseren Auftritt und die Geldbettelei.“

Erleichtert kehrte sie River den Rücken zu. Die Unterbrechung kam wirklich wie gerufen. In ihnen hatten sich so viele Gefühle aufgestaut, dass die Situation sicher bald eskaliert wäre, und dafür war nun wirklich nicht der richtige Zeitpunkt. Wenn sie das Gespräch jetzt nicht beendet hätte, hätte sie noch etwas gesagt, was sie bereuen würde.

„Hast du deine Rede?“ Dieses Mal war es Sawyers Zwilling Finn, der sie ansprach. Die eineiigen Zwillinge waren anderthalb Jahre älter als sie und hatten beide das dunkelblonde Haar und die goldbraunen Augen ihres Vaters. Sie erkannte Finn an dem Grübchen in seiner rechten Wange. Sawyers Grübchen war auf der anderen Seite. Außerdem trug Finn eine leuchtend orangefarbene Fliege zu seinem Smoking, um ihren Vater zu ärgern. Finn betrachtete es quasi als seine Bestimmung, Trevor Steele auf die Palme zu bringen.

„Ich komme sofort.“ Jetzt drehte sie sich wieder zu River um, der sie erwartungsvoll ansah. Er hatte sie „arrogant“ genannt, und sein Blick löste das Bedürfnis in ihr aus, ihm das selbstgefällige Grinsen mit einer Ohrfeige vom Gesicht zu wischen. Doch sie würde sich damit zufriedengeben, ihn dazu zu zwingen, seine Worte zurückzunehmen. „Wir werden dieses Gespräch leider später weiterführen müssen, Mr. Atkinson.“

„Kein Problem. Ich freue mich schon darauf.“

Morgan begab sich auf den Weg zur Bühne, um dort mit dem Rest ihrer Familie die Gäste und Spender ihres jährlichen Wohltätigkeitsballs zu begrüßen, doch sie machte sich Sorgen, dass River jedes seiner Worte ernst gemeint haben könnte. Ob es nun ein Versprechen oder eine Drohung war, River Atkinson war plötzlich erneut Teil ihres Lebens, und er würde nicht einfach wieder verschwinden.

Grinsend sah River Morgan nach. Er war wirklich zufrieden mit sich. Zum einen war er ihr unter die Haut gegangen, und genau das war seine Absicht gewesen, als er heute Abend hergekommen war. Zum anderen war der Anblick ihres knackigen Pos in diesem Satinkleid wirklich unglaublich und brachte einige heiße Erinnerungen zurück. Sie hatte definitiv mehr Kurven bekommen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Das hätte jeden Mann zum Lächeln gebracht, selbst einen, der sich seit Jahren dafür rächen wollte, wie sie mit seinen Gefühlen umgesprungen war.

Die Gefühle für Morgan waren schon lange Geschichte. Zusammen mit dem Rest seiner jugendlichen Naivität hatte er sie unter den Teppich gekehrt. Er hätte wissen müssen, dass eine Romanze mit einer reichen kleinen Prinzessin kein gutes Ende nehmen würde. Sie hatte bloß ein wenig gegen die Familie rebellieren wollen, die sie ihr Leben lang kontrolliert hatte. Genau dazu ging man schließlich aufs College. Das Problem war bloß, dass sie es zu weit getrieben hatten: Sie hatten sich ineinander verliebt.

Und selbst das wäre eigentlich nicht allzu tragisch gewesen. Liebe war schließlich vergänglich. Eine Ehe allerdings nicht. Sie war rechtlich bindend. Oder zumindest hatte er das gedacht, bis die Familienanwälte der Steeles ihren kleinen Fehltritt aus der Geschichte ausgelöscht hatten.

Und Morgan hatte es einfach zugelassen. Das hatte ihn am stärksten verletzt. Als Daddy ihr auf die Finger klopfte, hatte sie sofort klein beigegeben und all ihre Pläne mit River verworfen. River war mit einem leeren Bett und einem Trostpreis zurückgeblieben – wenn man es denn so nennen wollte. Manche würden es wohl eher als Schweigegeld bezeichnen. Oder als Bestechung dafür, einfach zu gehen und keinen Ärger zu verursachen. Wenn er eins über die Steeles gelernt hatte, dann, dass sie Skandale um jeden Preis vermieden. Er hätte wahrscheinlich sogar noch mehr Geld von ihrem Vater bekommen, wenn er sich stur gestellt hätte. Trevor hätte einfach alles getan, um River aus seinem Leben zu verbannen. Aber natürlich hatte er in jenem Moment nicht daran gedacht. Er hatte das Geld eigentlich gar nicht annehmen wollen, hatte bloß seine Frau und ihre gemeinsame Zukunft wiederhaben wollen.

Doch als River erkannte, dass es nie dazu kommen würde, blieb ihm die Wahl: Er konnte entweder mit nichts als seinem verletzten Stolz nach Hause gehen oder das Geld annehmen und das Beste aus der Situation machen. Mr. Steele dachte wahrscheinlich, er würde das ganze Geld für billiges Bier und einen teuren Truck ausgeben – oder was auch immer armer Abschaum wie River so mit Geld anstellte.

Aber Trevor war der Angeschmierte. River war damals zwar arm gewesen und hatte keinen tollen Abschluss gehabt, aber er war nicht dumm. Er hatte sich das Geld genommen und ein eigenes Bauunternehmen gegründet. In dieses Metier war er praktisch hineingewachsen, hatte seinen Dad zu Baustellenbegehungen begleitet, seit er laufen konnte. Dank der Erfahrungen seines Vaters, seines Ehrgeizes und eines Immobilienbooms in Charleston hatte River die hunderttausend Dollar in einhundert Millionen umwandeln können. Und als er seine erste Million machte, kaufte er sich zur Feier des Tages ein Sixpack Pabst Blue Ribbon und einen aufgemotzten Ford F-250. Er hatte den lieben alten Trevor schließlich nicht völlig enttäuschen wollen.

Lauter Applaus riss River aus seinen Gedanken. Die Familie hatte ihre Reden abgeschlossen. Das war seine Chance, Morgan ein zweites Mal aufzuspüren. Leider verlor sich die kleine Brünette allzu leicht in der Menge. Wahrscheinlich war sie nicht gerade erpicht darauf, ihre Diskussion mit ihm fortzuführen, doch früher oder später würde sie das müssen. Die Gefühle schwelten nun schon seit zehn Jahren in ihm, und er wollte sie endlich loswerden.

Nichtsdestotrotz bestand eigentlich keine Eile. Er hatte Zeit, also schlenderte er zur Bar und gönnte sich ein kühles Bier und ein paar Appetithäppchen. Davon wurde man zwar nicht satt, aber reiche Leute schienen eine Vorliebe für schickes Essen zu haben, das zwar unsagbar teuer war, ihren Hunger jedoch nicht im Geringsten stillte.

„Mr. Atkinson?“

River drehte sich um und fand sich einem älteren Mann mit einer jungen Blondine am Arm gegenüber. „Ja?“

„Kent Bradford“, sagte er und streckte die Hand aus. „Wie ich höre, bauen Sie wirklich großartige Häuser.“

River lächelte. „Freut mich, dass man das sagt. Denken Sie darüber nach, selbst zu bauen, Mr. Bradford?“

„Nennen Sie mich Kent. Und ja, das tue ich tatsächlich. Arbeiten Sie auch außerhalb von Charleston? Ich habe mir ein Berggrundstück in der Nähe von Asheville in North Carolina gesichert, und ich hatte gehofft, Sie würden mir dort eine Hütte bauen.“

River hob eine Augenbraue. „Eine Hütte?“ Das wäre weder die Zeit noch den Aufwand der Reise wert. Mit dem Angebot eines örtlichen Unternehmens wäre der Mann sicher besser bedient.

Kent lachte. „Nun ja, ich sage ‚Hütte‘, aber seien wir mal ehrlich. Ein dreistöckiges Haus von vierhundertsiebzig Quadratmetern lässt sich eigentlich kaum als Hütte bezeichnen. Es soll nur die gleiche Atmosphäre haben wie eine Berghütte. Mit all den Annehmlichkeiten und dem Luxus der heutigen Zeit natürlich.“

Das klang schon wesentlich besser. „Ich habe dort noch nie gebaut, aber wir können gern später ausführlicher darüber sprechen.“ River zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche seines Jacketts. „Rufen Sie mich doch nächste Woche an, dann sprechen wir genauer über Ihre Vorstellungen. Mein Architekt kann anschließend einen Entwurf für Sie ausarbeiten.“

„Wunderbar.“ Der Mann nahm die Karte entgegen und steckte sie in die Tasche. „Erwarten Sie meinen Anruf.“ Lächelnd drehte er sich um und führte die junge Blondine auf die Tanzfläche.

Der heutige Abend drehte sich nicht nur um Morgan, auch wenn sie das denken mochte. Nein, es ging auch ums Geschäft. Die Zusammenarbeit mit „Steele Tools“ für ihr jährliches Wohltätigkeitsprojekt war gute Publicity für ihn. Und in diesem Raum befand sich gerade beinahe jeder Millionär South Carolinas. Während er darauf wartete, mit Morgan zu sprechen, baute er nur zu gern ein paar Geschäftskontakte auf. Diese Leute waren alle ganz wild darauf, ein Sommerhaus zu bauen, oder brauchten eine neue Villa als Statussymbol, um mit irgendwelchen Bekannten mitzuhalten – und das war immer gut fürs Geschäft.

Er ging davon aus, dass er früher oder später die Chance bekommen würde, weiter mit Morgan zu reden, schließlich war der Abend noch jung. Doch kaum hatte er das gedacht, trat einer der Zwillinge auf die Bühne. River wusste, dass Morgan drei ältere Brüder hatte, zwei davon eineiige Zwillinge, doch er konnte sie nicht einmal annähernd auseinanderhalten, vor allem da all ihre Namen von Mark Twain inspiriert worden waren.

„Verehrte Gäste, es tut mir sehr leid, aber wir werden die heutige Veranstaltung leider früher als geplant beenden müssen. Es gibt einen Notfall in der Familie, der unserer Aufmerksamkeit bedarf. Daher muss ich Sie leider bitten, jetzt zu gehen. Morgan wird jeden von Ihnen in den kommenden Wochen kontaktieren, um über Ihre Unterstützung des diesjährigen ‚Stark wie Steele‘-Gemeindeprojekts zu sprechen. Wir danken Ihnen für Ihr Kommen.“ Und mit diesen Worten verschwand der Zwilling von der Bühne.

Das war eigenartig. Die Familie hatte weder Mühe noch Geld gespart, um diesen Ball auf die Beine zu stellen. Auch die Eintrittskarten waren nicht gerade billig gewesen. Es musste etwas wirklich Ernstes im Busch sein, sonst hätten sie die Veranstaltung wohl kaum auf der Stelle beendet und die Gäste nach Hause geschickt, ehe alle eine Chance zum Spenden gehabt hatten.

River sah sich um, und kurz blitzte Morgans grünes Kleid in der Menge auf. Sie wurde von ihrer Mutter und einem großen Mann hinausgeführt. Trotz des teuren Anzugs wirkte er, als sei er beim Militär gewesen. Die Brüder folgten ihnen, und sie verschwanden alle in ein Zimmer am anderen Ende des Hauses und kamen nicht wieder heraus.

River lungerte noch ein wenig herum und wartete, bis die anderen Gäste weggefahren waren, in der Hoffnung, jemand aus der Familie würde diesen Raum wieder verlassen. Doch bald war er abgesehen vom hektisch aufräumenden Catering-Team der Einzige im Ballsaal. Schließlich gab er auf. Vor der Villa standen vier Polizeiwagen, und er bekam das Gefühl, dass sie die restliche Nacht mit besagtem Notfall beschäftigt wären. So wie er die Steeles kannte, musste wegen des Vorfalls – worum auch immer es sich dabei handeln mochte – nachher eine Menge Schadensbegrenzung betrieben werden, damit die Familie bloß nicht in einem schlechten Licht dastand.

Er schlenderte nach draußen, reichte dem Parkwächter sein Ticket und wartete auf seinen Truck. Wenige Minuten später wurde der saphirblaue F-250 Lariat Super Duty Pick-up vorgefahren. River gab dem Parkwächter ein Trinkgeld und stieg ein.

So hatte er sich das Ende des heutigen Abends eigentlich nicht vorgestellt. Das hier fühlte sich seltsam unbefriedigend an. Andererseits wusste er auch nicht, was genau er sich eigentlich ausgemalt hatte. Hatte er gehofft, Morgan würde angesichts seines Anblicks ins Schwärmen geraten? Oder vielleicht, dass sie sich ihm in die Arme werfen und ihm sagen würde, wie falsch sie doch gelegen hatte und dass sie ihn immer noch liebte?

Wohl kaum. Abfällig grinsend ließ er die Villa der Steeles hinter sich. Dazu wäre es nie gekommen, nicht in einer Million Jahren. Sein Ego war nicht so groß, dass er dachte, sie hätte in den letzten zehn Jahren mehr als ein paar flüchtige Gedanken an ihn verschwendet. Er war der arme Junge, der es zu nichts bringen würde. So eine Person behielt man nicht im Gedächtnis. Er war ihr großer Fehler.

Nein, wahrscheinlich hatte sie ihn und ihre Beziehung so schnell wie möglich aus ihren Gedanken verbannt. Hatte so getan, als wäre das alles nie geschehen, genau wie ihre Familie es von ihr verlangt hatte. Wahrscheinlich wollte sie ihn auch gerade aus ihren Gedanken vertreiben, aber dieses Mal würde er es ihr nicht so leicht machen. Dafür hatte er gesorgt, indem er bei einem Vertreter von „Steele Tools“, der nicht wusste, wer er war, eine Vereinbarung unterzeichnet hatte. Außer ihren Eltern war nur wenigen ihre gemeinsame Geschichte bekannt, er hatte ihr Schweigen also zu seinem Vorteil nutzen können. Nun würde er den Großteil des Sommers mit der Leiterin der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zusammenarbeiten – mit Morgan.

Im besten Falle würde sie in den nächsten Wochen bereuen, was sie ihm angetan hatte. Aber vielleicht würde dieser Sommer auch angenehmer werden als erwartet. Zumindest für ihn. Er war nicht sicher gewesen, wie seine frühere Geliebte wohl nach all den Jahren aussehen mochte, doch als sie sich ihm heute in diesem atemberaubenden grünen Kleid zuwandte, hatte es ihn beinahe umgehauen. Ihre exotischen grünen Augen, die hohen Wangenknochen, die Haut, makellos wie Porzellan … Es war, als wäre kaum ein Tag vergangen, und gleichzeitig war alles irgendwie anders. Besonders als sie ihn überrascht und entsetzt zugleich angesehen hatte.

Das Mädchen in seiner Erinnerung, seine Braut, war das schönste Mädchen gewesen, das er je in seinem Leben gesehen hatte. Das lange, dichte dunkle Haar, die einfühlsamen Augen, die all seine Mauern durchbrachen, und das süße Lächeln hatten es ihm angetan, kaum dass er sie zum ersten Mal sah. Mittlerweile war sie älter und vielleicht auch ein wenig tougher, wenn man bedachte, wie vorsichtig sie heute mit ihm gesprochen hatte. Doch trotzdem war er versucht, sich wieder von ihr in die Falle locken zu lassen. Glücklicherweise wusste er es mittlerweile besser, denn ihre Liebe war an Bedingungen geknüpft.

Wenn Morgan ihn jetzt wollte, dann nur, weil er sein Ziel erreicht und in den Augen ihres Daddys endlich gut genug für sie war. An seinem Charakter hatte sich nichts geändert. Allerdings hatte er mittlerweile Geld und war hoch angesehen. Diese Dinge waren Mr. Steele wichtiger als alles andere. Und Morgan wohl auch.

Vor dem Tor seines Anwesens auf Kiawah Island hielt River an und drückte auf den Knopf am Armaturenbrett, der das Tor öffnete. Er fuhr die Straße zu dem Haus entlang, das er sich gebaut hatte, als er endlich genug Zeit und Geld hatte, um es genau nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Seit jener schrecklichen Nacht vor all diesen Jahren hatte sich eine Menge geändert.

Zusammen mit dem Scheck hatte River auch den Rat des alten Mannes angenommen: Er war gegangen und hatte das Geld dazu verwendet, etwas aus sich zu machen. Und das nicht etwa, um Morgan oder ihrem Vater irgendetwas zu beweisen. Nein, er hatte eher sich selbst etwas beweisen wollen. Das hatte er geschafft, und nicht bloß ein Mal. Er war nicht mehr der dumme Junge von damals. Und nun war es an der Zeit, Morgan und Trevor zu zeigen, dass sie sich in ihm getäuscht hatten. Vielleicht, nur vielleicht, würden sie dann lernen, nicht mehr vorschnell über Leute zu urteilen.

Doch selbst wenn sie das nicht taten, wäre es ihm egal. Heutzutage brauchte er keine Bestätigung mehr, von niemandem. Und schon gar nicht von einem kontrollsüchtigen Bastard wie Trevor Steele.

2. KAPITEL

„Der Bericht über die Spendengala ist fertig. Die Leute aus der Buchhaltung haben ihn mir gerade gegeben.“

Morgan sah von ihrem Computer auf, als ihre Assistentin Vanessa in ihr Büro trat, eine braune Aktenmappe in der Hand. „Oh, das ging ja schneller als erwartet.“

Vanessa reichte ihr die Mappe. „Ich sage Ihnen Bescheid, wenn Ihr nächster Termin ansteht“, sagte sie, ehe sie wieder an ihren Schreibtisch verschwand.

Neugierig öffnete Morgan die Mappe und hob überrascht die Augenbrauen, als sie die Gesamtsumme sah. Angesichts des frühen Endes der Veranstaltung – sie hatte nicht einmal halb so lange gedauert wie geplant – hatte sie nicht damit gerechnet, dass sie so viel Geld einnehmen würden. Die stille Auktion war ausgefallen, und die Familie hatte kaum Zeit gehabt, sich unter die Leute zu mischen und sie zum Spenden zu motivieren. Morgan hatte bereits an einem Notfallplan gearbeitet und dabei den Umfang des Projekts signifikant verringert. Da sie mit „Southern Charm“ zusammenarbeiten musste, hätte es ihr auch nichts ausgemacht, das Projekt komplett zu streichen.

Doch stattdessen hatten sie mehr Spenden gesammelt als gedacht. Anscheinend tat es ihren Gästen und Spendern leid, dass das Event aufgrund eines nachrichtenwürdigen Familiendramas abgebrochen worden war. Und wenn reichen Leuten etwas leidtat, schrieben sie meist Schecks aus, um sich wieder besser zu fühlen.

Tatsächlich war genug Geld eingegangen, sodass sie dieses Jahr mindestens drei Häuser für Bedürftige bauen konnten. Im letzten Jahr hatten die Spenden nur für zwei Häuser gereicht, und das war ihr bisheriger Rekord gewesen.

Dies war aber auch der einzige Lichtblick bei all dem Drama, das sie in letzter Zeit erlebt hatte. Sie hatte herausgefunden, dass sie bei der Geburt vertauscht worden war – eine unglaubliche Entdeckung. Zwar hatte sie das erst vor einem Monat erfahren, doch es fühlte sich an, als seien seitdem schon ganze Jahre vergangen. Solche Neuigkeiten veränderten wirklich die komplette Weltsicht einer Person. Vor allem wenn einem klar wurde, dass das bisherige ein Fehler gewesen war.

Autor

Andrea Laurence
Bereits im Alter von zehn Jahren begann Andrea Laurence damit, Geschichten zu schreiben – damals noch in ihrem Kinderzimmer, wo sie an einer alten Schreibmaschine saß. Sie hat immer davon geträumt, ihre Romane eines Tages in der Hand halten zu können, und sie arbeitete jahrelang hart, bis sich ihr Traum...
Mehr erfahren