Brennende Versuchung in Italien

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Als die mittellose junge Engländerin Bianca erfährt, dass sie die Nichte eines reichen Italieners ist, steht ihr Leben kopf. Denn dessen Erbe ist an eine Bedingung geknüpft: Sie muss seinen Patensohn heiraten – ausgerechnet Luca D’Alabruschi! Vor vier Jahren hat der so arrogante wie attraktive Aristokrat ihre Affäre mit der Begründung beendet, dass Bianca nicht standesgemäß sei. Trotzdem entfachen seine Blicke insgeheim sofort wieder ein sinnliches Feuer in ihr. Doch um nicht erneut ihr Herz in Gefahr zu bringen, muss sie ihm widerstehen!


  • Erscheinungstag 30.09.2025
  • Bandnummer 2721
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535113
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Julia James

Brennende Versuchung in Italien

1. KAPITEL

Die Hände zu Fäusten geballt und zitternd vor Wut, schlug Bianca die Augen auf. Verdammt: Wieder hatte sie dieser Traum heimgesucht – dieser Traum, den sie seit Jahren in mehrere Varianten erlebte, der aber immer, immer auf dieselbe Art endete.

Eine harte Geste. Wenige ungeduldige Worte.

„Es ist vorbei, Bianca. Vorbei! Finde dich damit ab.“

Und dann war Luca gegangen …

Sie lag da, mit klopfendem Herzen, und blickte im fahlen Licht des Morgens an die Decke, während sie versuchte, die Erinnerung zurückzudrängen.

Damit abfinden? Sie presste die Lippen zusammen. Sie hatte sich damit abfinden müssen. Er hatte sie zurückgewiesen und ihre Affäre beendet, hatte sie verlassen und London ebenfalls. Er war zurückgekehrt in sein Leben in Italien.

Sie spürte, wie erneut Zorn in ihr aufstieg. Zorn über seine Zurückweisung – und über den Grund, den er dafür genannt hatte.

„Wir kommen aus völlig unterschiedlichen Welten“, hatte er gesagt.

Luca hatte damit nicht nur gemeint, dass sie Engländerin und er Italiener war. Viel mehr hatte sie getrennt. Er war in sein ach so aristokratisches Leben in Italien zurückgekehrt, weil er es satthatte, sich mit Frauen wie ihr zu amüsieren … mit Frauen wie ihr, Bianca Mason, geboren im East End, aufgewachsen in einer Sozialwohnung, einer Barfrau, die Bier zapfte.

Die nicht gut genug für ihn war.

Außer für Sex natürlich …

Sie konnte nicht verhindern, dass alles sofort wieder da war, so nahe und gegenwärtig, als wäre es gestern gewesen.

Ein Blick aus seinen dunklen Augen mit dem goldenen Sprenkeln, und sie war dahingeschmolzen …

Ich habe ihn so begehrt … so sehr …

Sie hatte ihm nicht widerstehen können, und sie hatte es auch gar nicht gewollt. Hatte ihn nur festhalten wollen, weil sie genauso erregt gewesen war wie er, hatte an seiner Seidenkrawatte gezerrt, ihm das makellose weiße Hemd und das Jackett seines Designeranzugs abgestreift. Ein Bein um seine gelegt, die Hände auf seiner muskulösen Brust, hatte sie die Lippen auf seine gepresst und seine Erregung genossen.

Sie hatten es kaum in das Schlafzimmer seines noblen Apartments in der City geschafft. Luca hatte ihr das schulterfreie Top abgestreift und ihren Minirock hochgezogen, um ihren Spitzenslip auszuziehen. Dann war er mit ihr aufs Bett gesunken, hatte die Lippen auf ihre gepresst, und ihr Verlangen füreinander war ins Unermessliche gewachsen …

Mit einem unterdrückten Aufschrei und einer Willensstärke, die sie sich hatte aneignen müssen, zwang Bianca sich, nicht länger daran zu denken. Sie hatte sechs Jahre Zeit gehabt. Sechs lange Jahre, um nicht an jene heißen drei Monate mit Luca denken zu müssen, in denen sie ihren Argwohn Männern gegenüber über Bord geworfen hatte und ihm hoffnungslos verfallen war. Ihre Sehnsucht nach ihm war verzehrend gewesen – bis zu jenem furchtbaren Tag, an dem alles um sie herum zusammengebrochen war.

„Es ist vorbei, Bianca. Vorbei! Finde dich damit ab.“

Und als sie das nicht tat – nicht konnte –, hatte er ihr herzlos gesagt, warum sie das musste. In Worten, die sie nie vergessen hatte. Niemals vergessen könnte. Niemals vergessen würde.

Sie hatten ihr Leben verändert.

Bianca blickte auf die Uhr. Ihr Wecker hatte noch nicht geklingelt, aber sie konnte schon aufstehen. Es war besser, als hier zu liegen und sich zu erinnern.

An Luca.

Also stand sie auf und ging in das winzige Bad, das von ihrem schmalen Schlafzimmer abging. Die ganze Wohnung war sehr klein – man hatte das Obergeschoss des etwa hundert Jahre alten Reihenhauses in zwei Wohneinheiten unterteilt –, aber groß genug für sie. Mit ihrem neuen Gehalt konnte sie sich die Miete gerade so leisten, und es war nur ein kurzer Weg mit dem Bus zur Arbeit. Und obwohl diese ruhige, grüne Stadtrandsiedlung im Westen von London nur knapp dreißig Kilometer vom East End entfernt war, war es eine ganz andere Welt als die, in der sie aufgewachsen war.

Dies war jetzt ihr Leben.

Ich habe alles hinter mir gelassen. Alles. Vor allem die Zeit mit Luca.

Bianca trat in die Duschkabine und drehte das Wasser auf, um auch die letzten Erinnerungen wegzuspülen.

Angespannt setzte sich Luca auf den Stuhl vor dem Schreibtisch des Onkologen.

„Wie lautet die Prognose?“, fragte er kurz angebunden.

Der Arzt schaute ihn an. Er hatte Erfahrung darin, schlechte Nachrichten zu überbringen, und doch war es immer wieder schwer. „Der Primärtumor konnte chirurgisch entfernt werden, aber der Krebs hat in andere Organe gestreut. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass er unheilbar ist.“

Ausdruckslos sah Luca ihn an. „Gibt es irgendeine mögliche Behandlung?“

Der Arzt nickte. „Sobald er sich von der OP erholt hat, kann er Medikamente nehmen, die, wenn sie anschlagen, lebensverlängernd wirken.“

Luca ballte die Hände zu Fäusten. „Wie lange?“

„Das lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Die Medikamente wirken nicht bei allen Patienten.“ Nach einer Pause fuhr der Arzt fort: „Falls ja, können wir den Krebs ein paar Monate in Schach halten. Vielleicht sechs. Auf mehr sollte man nicht hoffen. Danach wird es eine Frage der Palliativversorgung sein.“

„Verstehe.“ Luca holte tief Luft. „Danke für Ihre offenen Worte“, sagte er nach einer kurzen Pause. „Ich muss die Situation verstehen. Wann kann er das Krankenhaus verlassen?“

„Er wird zu Hause Pflege brauchen“, warnte der Onkologe ihn.

Luca nickte. „Wir kümmern uns darum. Er wird froh sein, wieder zu Hause sein zu können.“ Plötzlich fiel ihm das Sprechen schwer. Er stand auf. „Danke für alles, was Sie für ihn tun. Wir wissen es zu schätzen.“

Dann wandte er sich zum Gehen. Er musste sich mit der bitteren Wahrheit auseinandersetzen.

Matteo würde sterben.

Erleichtert sank Bianca in den Sitz des Taxis, das sie und ihren Chef Andrew zum Bahnhof brachte.

„Das war nicht schlecht!“ Andrew war neben ihr eingestiegen und lächelte sie an. „Wirklich, das haben Sie gut gemacht. Die erste Präsentation ist nie einfach.“

„Ich hoffe, ich habe nicht allzu nervös geklungen.“

„Nur ein wenig, am Anfang. Aber Sie haben das abgestreift. Sie machen Ihre Sache gut, Bianca.“

Sie war dankbar für seine Worte und erwiderte sein Lächeln. Sie hatte hart gearbeitet und endlich erreicht, was sie früher für unmöglich gehalten hatte … für völlig ausgeschlossen.

Aber der Mensch von damals bin ich nicht mehr.

Diesen Menschen hatte sie hinter sich gelassen – und mit ihm alles andere, was sie einmal so sehr gewollt hatte. Ihr Leben war jetzt ein anderes. Und Luca D’Alabruschi mit seinem fantastischen Stammbaum und seinem blauen Blut konnte sich zum Teufel scheren …

Lucas Luxussportwagen stoppte vor der Villa Fiarante. Das Haus war von hohen Zedern umgeben, und die Fassade mit den zahlreichen Erkerfenstern schimmerte im Sonnenlicht. Es war ein vertrauter Anblick für ihn – fast wie ein zweites Zuhause.

Sein Vater war im diplomatischen Dienst gewesen und hatte hauptsächlich im Ausland gelebt. Während der Abwesenheit seiner Eltern hatten sich deren guter Freund, Lucas Patenonkel Matteo, und seine inzwischen verstorbene Frau Luisa um ihn gekümmert, als Ersatzeltern. Lucas Beziehung zu ihnen war noch enger geworden, als seine Eltern vor drei Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren.

Nun war Matteo Fiarante der Mensch, der ihm am nächsten stand. Für ihn würde Luca alles tun.

Es war sein erster Besuch seit Matteos Entlassung aus dem Krankenhaus vor zehn Tagen. Wie würde er ihn antreffen?

Matteos altgedienter Butler Giuseppe öffnete ihm die Tür.

„Wie geht es ihm?“, fragte Luca ohne Umschweife.

„Er hält sich aufrecht“, erwiderte Giuseppe vorsichtig. „Ihr Besuch wird ihn aufheitern, wenn ich das sagen darf.“

„Danke, das klingt ermutigend.“ Nach einer Pause fügte Luca hinzu: „Wir müssen auf ihn aufpassen – wir alle.“

Giuseppe nickte. „Auf jeden Fall.“ Er war Matteo treu ergeben, und Luca wusste, dass er ihm bedingungslos vertrauen konnte.

„Kündigen Sie mich nicht an“, bat er. „Ich gehe gleich zu ihm.“

Und das tat er. Matteo saß an seinem Lieblingsplatz in der Bibliothek, in einem Ledersessel, mit einer Wolldecke über den Knien. Auf einem Tisch mit Intarsien lagen eine Zeitung und einige Bücher. Ein Krug mit Wasser und ein Glas standen daneben.

Nachdenklich betrachtete Luca ihn. Die Falten in seinen Mundwinkeln und seine eingefallenen Wangen verrieten, dass er krank war, doch seine Miene hellte sich sofort auf.

„Luca, mein Junge! Dachte ich mir doch, dass ich deinen monströsen Wagen gehört habe!“

Luca lachte. „Ein verräterisches Geräusch, ich weiß.“ Er ging auf ihn zu, schüttelte ihm die ausgestreckte Hand und setzte sich in den Sessel ihm gegenüber.

Giuseppe kam mit einem Tablett mit Kaffee herein. Luca schenkte Matteo und sich ein. Schließlich betrachtete er ihn.

„So“, begann er betont locker, „erzähl mir, wie es dir geht.“

Matteo begegnete seinem Blick. „Du weißt, wie es mir geht, Luca. Und ich auch. Ich werde bald sterben. Aber wie es in dem Gedicht heißt, sterbe ich mit etwas Geduld. Genug Geduld, um meine Angelegenheiten zu regeln. Dafür ist es sowieso höchste Zeit.“

Als Bianca nach Hause kam und die Tür öffnete, fiel ihr Blick auf das Regal für die Post. Normalerweise bekam sie nur Wurfsendungen und behördliche Schreiben, die noch per Post verschickt wurden. Der Briefumschlag, nach dem sie jetzt griff, war keines von beiden. Die Adresse war handgeschrieben, der Umschlag geprägt.

Die Tasche mit den Einkäufen in der Hand, ging sie die Treppe hinauf. In ihrer Wohnung öffnete sie den Umschlag, nahm das Schreiben heraus und faltete es auseinander. Sie krauste die Stirn, denn es schien von einer Anwaltskanzlei zu kommen. Und als sie den getippten Text las, verfinsterte ihre Miene sich noch mehr.

Was, in aller Welt …?

Verblüfft blickte sie aus dem kleinen Küchenfenster. Was für einen Grund konnte eine noble Anwaltskanzlei in London dafür haben, sich mit ihr in Verbindung zu setzen? Fünf Minuten später hatte sie immer noch keine Erklärung – nur einen Termin für den nächsten Tag.

Luca befand sich wieder auf dem Rückweg nach Rom. Die Fahrt über die Autobahn dauerte mehr als zwei Stunden, und er hatte noch eine Verabredung zum Abendessen.

Die vergangene Nach hatte er in seinem Haus verbracht und verschiedene Angelegenheiten für das große Anwesen geregelt, das er geerbt hatte. Dazu zählten ein historischer Palazzo, mehrere Bauernhöfe, Weinberge und Waldgebiete sowie ortsansässige Firmen, von Weingütern bis zu Holzhandlungen. Luca hatte damals den kompetenten Verwalter seines Vaters übernommen. Dieser hatte sich aus beruflichen Gründen nicht persönlich darum kümmern können. Und auch Luca beschränkte sich jetzt auf die Rolle des Aufsehers, da er als Banker in Rom arbeitete.

Allerdings freute er sich darauf, eines Tages in den Palazzo zu ziehen … und es wieder zu einem Zuhause für eine Familie zu machen.

Wenn er heiratete.

Denn natürlich würde er heiraten – irgendwann.

Er musste an die Zukunft denken. Geschwister hatte er nicht, nur entfernte Cousinen und Cousins, daher musste er für den Fortbestand der Familie sorgen. Den nächsten Visconte zeugen.

Und obwohl er seine adelige Herkunft nicht betonte, bedeutete sie ihm etwas. Das verstand nicht jeder.

Plötzlich tauchte ein Bild vor seinem geistigen Auge auf.

Flammendes rotes Haar, smaragdgrüne Augen in einem Gesicht, das ihm den Atem geraubt hatte. Eine fantastische Figur – schmale Hüften, eine ebensolche Taille und volle Brüste. Brüste, die er umfasst hatte, nachdem er ihr an jenem Abend das enge Outfit abgestreift hatte. Sie hatte es nur angezogen, damit er es ihr ausziehen konnte.

Zu seinem und ihrem Vergnügen. Denn sie hatte sich genauso nach ihm gesehnt wie er sich nach ihr. Hatte keinen Hehl aus ihrem Verlangen gemacht und alles gewollt, was er ihr nur zu gern gegeben hatte.

Nur hatte sie zu viel gewollt.

Luca zwang sich, an seinen Besuch bei Matteo zu denken. Und er erinnerte sich wieder an dessen Worte.

„Ich muss das Beste aus der Zeit machen, die mir noch bleibt. Das verstehst du doch, mein Junge? Da meine liebe Luisa vor mir gegangen ist, wird es ihr nichts ausmachen.“

Luca runzelte die Stirn. Er hatte gewusst, wovon Matteo sprach, doch es war deutlich, dass auch seine mentalen Kräfte durch den Krebs allmählich in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vermutlich waren es vor allem die starken Medikamente, die er einnahm. Ja, er war noch klar, aber er war nicht mehr der alte Matteo.

Niedergeschlagen fuhr er weiter. Er würde Matteo bald wieder besuchen. Schließlich musste auch er das Beste aus der kurzen Zeit machen, die ihm noch mit Matteo blieb.

Bianca hatte sich für diesen Nachmittag freigenommen. Elegant gekleidet wie immer in letzter Zeit, saß sie in einem holzvertäfelten Zimmer vor einem großen Schreibtisch. In den Büroräumen der Londoner Kanzlei, die sie seltsamerweise kontaktiert hatte.

Der ältere Anwalt presste die Fingerspitzen aneinander. „Miss Mason, wie viel wissen Sie über die Familie Ihres Vaters?“

Starr erwiderte sie seinen Blick. „Meines Vaters?“ Sie atmete tief durch.

„Ich weiß nicht einmal, wer mein Vater war. Meine Mutter ist gestorben, als ich noch sehr jung war, und meine Tante hat mich großgezogen. Und die hat nie über Familienangelegenheiten gesprochen.“

Das entsprach nicht ganz den Tatsachen. Ihre Tante – die verbitterte unverheiratete Halbschwester ihrer Mutter – hatte ihr oft unter die Nase gerieben, dass sie sich glücklich schätzen könne, dass sie nicht im Kinderheim gelandet war. Dass Bianca ihr nur zur Last fallen würde und ihre Mutter seit ihrer Teenagerzeit mit unzähligen Männern geschlafen habe. Letzteres glaubte Bianca jedoch nicht.

Sie wusste von einigen Nachbarn, die ihre Mutter gekannt hatten, dass diese mit ihren blauen Augen und blonden Haaren als junges Mädchen bei den jungen Männern sehr begehrt gewesen war. Diese Nachbarn hatten Bianca auch geraten, ihrer Tante keinen Glauben zu schenken. Sie sei einfach eifersüchtig und verbittert.

„Und sie reißt sich deine Waisenrente unter den Nagel – vergiss das nicht!“, hatten sie hinzugefügt.

Bianca war davon überzeugt, dass ihre Tante sie sofort dem Jugendamt übergeben hätte, wenn die Waisenrente nicht gewesen wäre. Jedenfalls war ihre Kindheit kein Zuckerschlecken gewesen. Ihre Tante hatte ständig an ihr herumgenörgelt, sie kritisiert und ihr ständig prophezeit, dass aus ihr nichts werden würde – genauso wie aus ihrer Mutter …

Vielleicht habe ich deshalb so rebelliert und mich nicht um die Schule gekümmert. Weil ich mir immer etwas Besseres gewünscht habe als eine Sozialwohnung in einer heruntergekommenen Siedlung im East End.

Hatte sie sich deshalb so bereitwillig genommen, was Luca ihr geboten hatte?

Seit ihrer Teenagerzeit hatte sie sich nie über mangelndes männliches Interesse beklagen können. Allerdings war sie sehr wählerisch, und auf keinen Fall wollte sie ihrer Tante die Gelegenheit geben, über sie genauso herzuziehen wie über ihre Mutter.

Aber als Luca damals jene schicke Bar am Canary Wharf betreten hatte, groß, cool, fantastisch aussehend, waren alle anderen Männer für sie schlichtweg … verschwunden.

Die Stimme des Anwalts riss sie aus ihren Erinnerungen. Erinnerungen, die ihr nicht guttaten …

„Ihre Mutter war Shona Mason?“ Dann nannte er deren Geburts- und Sterbedatum.

Sie ist nicht einmal dreißig geworden, dachte Bianca traurig. Sie nickte.

Der Anwalt blickte auf seine Unterlagen. „Dann muss ich Ihnen etwas mitteilen, das für Sie von Interesse sein könnte.“

Bianca sah ihn an. „Und das ist?“

2. KAPITEL

Als das Flugzeug zur Landung ansetzte, blickte Bianca durch das kleine Fenster hinaus. Italien. Sie war noch nie dort gewesen.

Auch Luca hatte sie nie eingeladen, mit ihm in sein Heimatland zu besuchen. Sie verspürte das vertraute, unangenehme Prickeln, das sie ständig befiel, seit sie vor drei Tagen ebenso benommen wie fassungslos die Kanzlei verlassen hatte. Sie spürte, dass gerade zwei Welten miteinander kollidierten: die Welt, die sie in den vergangenen sechs Jahren für sich geschaffen hatte, und die, aus der sie gekommen war.

Oder aus der sie geglaubt hatte, gekommen zu sein …

Denn noch immer konnte sie nicht fassen, was der Anwalt ihr in nüchternem Ton eröffnet hatte. Sie wagte nicht, es zu glauben. Deshalb saß sie in dieser Maschine, nachdem sie kurzfristig um Urlaub gebeten hatte.

In Anbetracht der Umstände war Andrew ihr sehr entgegengekommen.

„Natürlich müssen Sie hinfliegen. Es ist außergewöhnlich!“

So konnte man es auch nennen. Sie hatte eine andere Bezeichnung dafür. Eine, die ihr Herz schneller schlagen und sie ungeduldig werden ließ.

Wunderbar.

Das war das Wort, das ihr durch den Kopf ging.

Nach all den Jahren …

Luca saß in seinem Büro am Schreibtisch und legte sein Telefon aus der Hand. Matteo hatte darauf beharrt, dass er in zwei Tagen zum Abendessen zu ihm kam. Außerdem sollte er im Smoking erscheinen.

Natürlich war er einverstanden gewesen. Allerdings machte er sich Sorgen, dass Matteo sich überanstrengte, wenn er Gäste empfing. Da er geschäftlich nach Genf, Frankfurt und Brüssel hatte reisen müssen, hatte er seinen Patenonkel seit fast drei Wochen nicht besucht. Doch nun würde er vermutlich auf unbestimmte Zeit in Rom bleiben können. Falls Matteos Gesundheitszustand sich verschlechterte, wollte er nicht außer Landes sein.

Außerdem sorgte er dafür, dass sein Terminplan flexibel blieb. Obwohl er zahlreiche gesellschaftliche Verpflichtungen hatte, gab es momentan keine bestimmte Frau in seinem Leben. Und so sollte es vorerst auch bleiben, weil Matteo für ihn an erster Stelle stand. Dank seines Junggesellenstatus, seines Titels, seines Vermögens und – nicht zuletzt – seines Aussehens konnte er sich die Frauen normalerweise aussuchen. Früher hatte er das auch getan, und nicht nur in Italien. Während seiner zahlreichen beruflichen Auslandsaufenthalte hatte er viele Frauen umworben. Es wurden nette Episoden, die nie von Dauer waren. Und das hatten alle Frauen akzeptiert.

Alle, außer einer …

Doch er wollte nicht an jene heiße Zeit mit Bianca denken. Im Nachhinein konnte er darüber sinnieren, ob es klug gewesen war, eine leidenschaftliche Affäre mit einer Frau zu beginnen, die aus einer ganz anderen Welt kam. Doch an jenem schicksalhaften Abend in London, als man ihn nach einem Geschäftstermin am Canary Wharf in eine nahegelegene Bar ausführte, hatte er den Blick nicht von der Barkeeperin abwenden können.

Hochgestecktes tizianrotes Haar, volle Lippen … und smaragdgrüne Augen, wie er festgestellt hatte, als sie seinem Blick begegnete.

Beim Cocktailmixen hatte sie innegehalten. Er war auf sie zugegangen, weil sie sofort den Wunsch in ihm geweckt hatte, Besitz von ihr zu ergreifen. Sie zu verzehren.

Auch sie war auf ihn zugegangen, und zugegebenermaßen hatte es ihn fasziniert, dass sie ganz anders war als seine sonstigen Bekanntschaften – und das nicht nur wegen ihrer Herkunft. Sie hatte keine Spielchen gespielt und hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie. Er war verblüfft gewesen, als er feststellte, dass er ihr erster Liebhaber war, doch sie hatte ihm gesagt, sie habe sich für jemanden aufgehoben, der es wirklich wert wäre.

Vielleicht hätte das ein Warnsignal dafür sein müssen, dass sie ihre Affäre mit anderen Augen sehen würde als er. Dass sie vielleicht mehr wollen könnte.

Mehr als nur eine Affäre. Etwas Dauerhaftes.

Doch sein Aufenthalt in London hatte geendet und somit auch seine gemeinsame Zeit mit ihr.

Er hatte gehofft, Bianca würde sich damit abfinden. Sie hatte es nicht getan.

Als er ihr mitteilte, dass er abreisen würde und ihre gemeinsame Zeit beendet wäre, hatte sie sich an ihn geklammert und ihm gesagt, nichts würde sie in London halten und sie könne ihn überallhin begleiten …

Er hatte sich aus ihrem Griff befreien müssen. Ihr begreiflich machen müssen, dass es vorbei wäre. Und sie sich damit abfinden müsste.

Plötzlich sah er sie vor sich. Ihre Miene war unergründlich gewesen. Und dann hatte Bianca ihn nur angesehen, die Lippen zusammengepresst. Sie war aschfahl geworden. Hatte kein Wort gesagt, einfach nur dagestanden.

Er hatte genickt und war gegangen. War in sein Leben nach Italien zurückgekehrt und hatte sie verlassen. Sie gehörte der Vergangenheit an.

Momentan zählte für ihn nur Matteo. Er musste für ihn da sein, solange er ihn noch sehen konnte …

Bianca betrat den weitläufigen Garten der Villa. Dieser war abgeschieden und idyllisch, wenn auch für ihren Geschmack etwas zu geordnet mit den gepflasterten Wegen, den in Form geschnittenen Hecken, künstlichen Teichen und Bänken. Gleich würde sie hineingehen müssen. Matteo trank vor dem Essen gern einen Aperitif, und sie freute sich auf diesen besonderen Moment mit ihm. Es ging ihm nicht immer so gut, dass er nach unten kommen konnte. Er hatte gute und schlechte Tage.

So viel war ihr gerade vergönnt, und doch musste sie einen hohen Preis dafür zahlen. Sie wurde traurig, und ihr Herz krampfte sich zusammen. Er hatte sie herzlich willkommen geheißen, in der Villa und in seinem Leben … während er sich auf seinen Tod vorbereitete.

Aber sie wollte nicht diesen traurigen Gedanken nachhängen. Die Zeit würde kommen, und vorerst sollte sie sich nicht verderben lassen, was man ihr wie durch ein Wunder geschenkt hatte.

Andrew unterstützte sie und hatte ihr unbefristeten Urlaub gegeben. Dennoch arbeitete sie von der Villa aus, wenn Matteo sich ausruhte. Sie wollte auf dem Laufenden bleiben über alles, was zu Hause passierte, vor allem in ihrem Job.

Zu Hause? Matteo hatte gesagt, dies sei jetzt ihr Zuhause. Hatte ihre Hand gedrückt und gesagt, sie dürfte nicht daran denken, zu gehen. Sie hatte von ganzem Herzen zugestimmt, und er war beruhigt gewesen. Aber was danach passieren würde …

Das würde sich zeigen. Dies war eine besondere Zeit in ihrem Leben, für die sie sehr dankbar war.

Bianca kehrte in die Villa zurück, um sich umzuziehen. Matteo freute sich, wenn sie gut gekleidet war, und deshalb erfüllte sie ihm den Wunsch. Er hatte schon darauf bestanden, sie mit seinem Chauffeur zum Shoppen in die nächstgrößere Stadt zu schicken. Und um ihm eine Freude zu machen, hatte sie sich auch damit einverstanden erklärt. Schließlich wollte sie nicht undankbar sein. Sie genoss das Leben in der Villa Fiarante.

Plötzlich musste sie an Luca denken. Obwohl sie nie Geschenke von ihm gewollt hatte, hatte sie auch das luxuriöse Leben mit ihm in vollen Zügen genossen. Er hatte sie in exklusive Restaurants eingeladen und für Veranstaltungen nur die besten Plätze gebucht.

Allerdings war dieses Leben nur geborgt gewesen.

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