Das McNeill Imperium - Eine mächtige Familie im Bann der Leidenschaft (9-teilige Serie)

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DIE FEURIGEN KÜSSE DES MILLIARDÄRS
Star-Ballerina Sofia lässt sich bloß auf eine Scheinverlobung mit Milliardär Quinn McNeill ein, um ihrem verkupplungsfreudigen Vater zu entkommen. Denn sie liebt nichts so sehr wie ihre Freiheit! Dumm nur, dass Quinns feurige Küsse diese sinnliche Sehnsucht wecken …

GEFÄHRLICH, GEHEIMNISVOLL - UND UNGLAUBLICH SEXY
Er war verrückt nach ihr - bis die umwerfende Lydia ihn plötzlich sitzen ließ. Jetzt findet Ian McNeill heraus, dass sie die geheimnisvolle Fremde ist, die seine Familie in Verruf bringt. Diese Frau macht ihn wirklich rasend. Wenn sie nur nicht so unwiderstehlich wäre …

KARIBISCHE LIEBESNÄCHTE MIT DEM BOSS
Immer freundlich und geduldig: Auch bei dem anspruchsvollen neuen Gast verliert die hübsche Hotelangestellte Maresa nie die Nerven. Doch dann erfährt sie schockiert, dass es sich um Cameron McNeill handelt - ihren Boss. Und der hat einen skandalösen Wunsch!

WIE EIN SINNLICHES FEST
Aus einem hitzigen Streit wird eine leidenschaftliche Umarmung - mit süßen Folgen! Doch Delia lehnt Jagers Antrag ab. Sie weiß, dass er nicht an die Liebe glaubt. Aber warum setzt er trotzdem alles daran, sie im weihnachtlichen Manhattan zu einem Ja zu verführen?

SINNLICHE SEHNSUCHT NACH DIR
Als seine Frau spurlos verschwindet, sucht Damon McNeill die ganze Welt nach ihr ab - vergeblich. Ein Jahr später steht Caroline plötzlich vor seiner Villa, und der Software-Millionär ist außer sich vor Glück. Fatal, denn Caroline scheint ihn nicht mehr zu kennen!

EINE UNFASSBAR SINNLICHE SCHEINEHE
Hotelbesitzer Gabe McNeill überredet seine Mitarbeiterin und gute Freundin Brianne zu einer Zweckehe auf Zeit. Selbstverständlich nur, damit sein kleiner Sohn Anrecht auf sein Erbe hat - nicht weil es zwischen der schönen Brianne und ihm so verführerisch heiß knistert. Denn nach seiner letzten Beziehung hat er der Liebe für immer abgeschworen!

WER BIST DU, GELIEBTER CASANOVA?
Bei seinem Anblick stockt Jillian der Atem - dieser Mann sieht ja noch besser aus als auf den Fotos! Nicht lange, und sie liegt in Codys Armen. Doch dann stellt sie zwei Dinge fest: 1. Er ist nicht der, für den sie ihn gehalten hat. 2. Die Nacht mit ihm hat Folgen …

SICHER IN DEINEN STARKEN ARMEN
Auf der Flucht vor ihrem Ex-Freund versteckt sich Stuntfrau Emma auf Carson McNeills Ranch. Nach leidenschaftlichen Küssen unterm Sternenhimmel verbringt sie auch die Nächte sicher in den starken Armen ihres sexy Gastgebers. Bis eine Intrige jäh ihr Glück bedroht …

EINE NACHT MIT DEM COWBOY
Knisterndes Verlangen liegt in der Luft, als der sexy Rancher Hannah wie versehentlich berührt. Schon bald gibt sie sich ihm hin. Erst am Morgen danach wird Hannah klar, dass ihr Liebhaber Brock McNeill ist. Ein Mitglied der Familie, die sie abgrundtief hasst!


  • Erscheinungstag 28.05.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717384
  • Seitenanzahl 1296
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Joanne Rock

Das McNeill Imperium - Eine mächtige Familie im Bann der Leidenschaft (9-teilige Serie)

IMPRESSUM

Die feurigen Küsse des Milliardärs erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2017 by Joanne Rock
Originaltitel: „The Magnate’s Mail-Order Bride“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARA
Band 392 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
Übersetzung: Brigitte Marliani-Hörnlein

Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Hrecheniuk Oleksii / Shutterstock

Veröffentlicht im ePub Format in 06/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733717490

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

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1. KAPITEL

„Kein Wunder, dass ihrer Performance die Leidenschaft fehlt. Hast du Sofia jemals mit einem Mann gesehen?“

Normalerweise lauschte Sofia Koslov nicht. Doch jetzt, auf dem Weg von der Küche des Gulfstream Jets zu ihrem Sitz, blieb sie bei den geflüsterten Worten abrupt stehen.

Sofia, Solotänzerin beim New York City Ballet, hatte letzte Woche ein kurzes Engagement mit kleinem Ensemble in Kiew übernommen. Für den Rückflug in die Vereinigten Staaten hatte ihr wohlhabender Vater seinen Privatjet zur Verfügung gestellt. Ihre Kolleginnen hatten das Angebot nur zu gern angenommen, doch offensichtlich hatte ihr diese Großzügigkeit keine neuen Freunde eingebracht. Im Gegenteil. Sie war im Ensemble eine der am schnellsten aufgestiegenen Tänzerinnen und hatte recht bald die Kehrseite des Erfolgs kennengelernt: den Neid.

Sie drückte die zerlesene Ausgabe des Sommernachtstraums gegen die Brust und spähte zum Sitz ihres Vaters vorn im Jet. Sie war dankbar, dass er noch in einer geschäftlichen Telefonkonferenz steckte. Vitali Koslov hatte das Ensemble auf die Reise in die Ukraine, sein Geburtsland, begleitet. Er hatte die seltene Zeit mit seiner Tochter genutzt, um Druck auf Sofia auszuüben. Sie sollte endlich heiraten und ihm Enkel schenken, die vielleicht mehr Interesse an der Übernahme seines Imperiums zeigten, als sie es tat.

„Das ist nicht fair, Antonia“, sagte eine der anderen Tänzerinnen und machte sich nicht einmal die Mühe, die Stimme zu senken. „Keine von uns hat Zeit für andere Menschen übrig während der Spielzeit. Ich hatte das ganze Jahr über keinen Lover. Macht mich das leidenschaftslos, wenn ich auf der Bühne stehe?“

Sofia mahnte sich weiterzugehen, bevor der Pilot für die Landung zum Anschnallen aufforderte. Doch sie blieb wie angewurzelt stehen. Sie blickte auf das Buch und tat, als würde sie die Notizen zu ihrer Rolle als Titania studieren, falls sie jemand bemerken sollte.

„Aber Sofia gehört seit der Ballettschule zum Ensemble, und haben wir je ihren Namen in Verbindung mit einer Romanze gehört?“ Antonia Blakely war zeitgleich mit Sofia in der Ballettschule gewesen. „Ihr Dad scheint auch der Meinung zu sein, dass sie zu einer vertrockneten alten Schachtel wird, denn … Stellt euch vor.“ Antonia legte eine theatralische Pause ein. Auch in ihrer Karriere vertraute sie mehr auf geschickte Zurschaustellung als auf technisches Können. „Ich habe gehört, wie ihr Vater mit einer Partneragentur gesprochen hat, die er beauftragt hat. Einer Agentur, die vor allem auf Hochzeiten spezialisiert ist.“

Sofia hatte ein flaues Gefühl im Magen, obwohl der Jet noch gar nicht mit dem Landeanflug begonnen hatte. Mehr als ein Jahr lang hatte sie sich den Bemühungen ihres Vaters widersetzt, eine Partnervermittlung in Anspruch zu nehmen. Aber es stimmte – er hatte den Druck während ihres Besuchs in der Ukraine erhöht, hatte darauf beharrt, dass sie an ihre Familie und ihre Wurzeln dachte.

Während es mit ihrer Karriere bergauf ging, war eine Hochzeit definitiv nicht auf ihrem Radar. Ihr Dad würde doch nicht ohne ihre Zustimmung eine Agentur beauftragen? Ihr Blick wanderte wieder zu dem stolzen Milliardär, der ein Vermögen gemacht hatte, indem er seinem Bauchgefühl vertraut und nicht eine Sekunde an sich gezweifelt hatte.

Natürlich würde er das tun.

„Wirklich?“, fragte eine der anderen Tänzerinnen. „Eine private Kupplerin?“

„Natürlich. Reiche Leute nutzen nicht dieselben Online-Dating-Webseiten wie wir. Sie haben ihre eigenen.“ Antonia sprach mit einer nervigen Überheblichkeit. „Wenn Papa Koslov seinen Kopf durchgesetzt hat, dann wartet am Flughafen jetzt schon ein reicher, heiratswilliger junger Mann auf seine kostbare Tochter.“

Sofia legte die Hand an den Mund, um einen entgeisterten Aufschrei und eine Handvoll Flüche zu unterdrücken. Zum einen war sie nicht reich. Ihr Vater mochte einer der reichsten Männer der Welt sein, aber das bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie ebenfalls reich war. Bis zum Tod ihrer Mutter – Sofia war damals gerade dreizehn Jahre alt gewesen – hatte sie nicht eine einzige Nacht unter dem Dach ihres Vaters verbracht. Sie war dem Vorbild ihrer Mutter gefolgt und hatte schon vor langer Zeit in finanziellen Dingen eine Grenze gezogen und seine Unterstützung abgelehnt. Ihr Vater setzte Geld mit Macht gleich, und sie würde ihn nicht über ihr Leben bestimmen lassen. Das Ballett war ihre Rebellion – ihre Entscheidung, die Kunst über den allmächtigen Dollar zu stellen.

Ihr Vater wusste, dass er keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen hatte. Nicht einmal Vitali Koslov war so vermessen, ihr vor zwanzig Kolleginnen einen möglichen Heiratskandidaten zu präsentieren. Nicht nach anstrengenden Auftritten in Übersee und neun Stunden in der Luft über sieben Zeitzonen hinweg. Oder?

Ein Klingelton riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte sich um und merkte schnell, dass der Ton aus ihrer Tasche kam. Ihr Handy. Offensichtlich hatte sie es nicht ausgeschaltet.

Sofia eilte zu ihrem Sitz und schnallte sich für die Landung an. Sie checkte die SMS, die sie bekommen hatte, während der Pilot die üblichen Anweisungen vor der Landung gab.

Ihre beste Freundin Jasmine Jackson war in der Öffentlichkeitsarbeit tätig und hatte zugestimmt, Sofia in diesem Jahr bei einer PR-Initiative zu unterstützen. In Jasmines SMS ging es um das Interview, das Sofia dem Magazin Dance versprochen hatte.

Reporterin und Kamerafrau werden am Terminal sein, um deine Ankunft zu filmen. Du musst aussehen, als kämst du von einer erfolgreichen Welttournee! Frisch dein Make-up auf, und keine Yogahose, bitte.

Panik ergriff Sofia bei dem Gedanken, sich ausgerechnet jetzt mit der Presse zu treffen, wo sie erschöpft war und verärgert über die Kommentare der anderen Tänzerinnen. Dennoch nahm sie ihre Reisetasche und suchte darin nach ihrem Kosmetiktäschchen, um Jasmines klugen Rat zu befolgen. Es war gut möglich, dass Antonia das Gespräch ihres Vaters falsch interpretiert hatte. Er mochte selbstherrlich und anmaßend sein, aber er wusste von dem Interview. Sie hatte ihm erzählt, dass eine Journalistin sie möglicherweise am Flughafen treffen wollte. Er würde sie nicht absichtlich in Verlegenheit bringen.

Oder doch? Wollte er einen Streit mit ihr verhindern, indem er sie mit einem Mann überraschte, während die Kamera lief?

Unmöglich. So weit würde selbst er nicht gehen. Sie hatte bereits den Lipgloss aufgedreht, als noch eine SMS von Jasmine kam.

VORSICHT – die Kamerafrau arbeitet freiberuflich für die Klatschpresse. Ich mache mir natürlich keine Gedanken um dich, aber vielleicht solltest du die anderen Tänzerinnen warnen. Viel Glück.

Der Jet setzte mit einem Ruck auf der Landebahn auf. Sofia fiel fast das Handy aus der Hand. Sie drehte den Lipgloss wieder zu, wohl wissend, dass kein Make-up der Welt die bevorstehende Katastrophe hätte verdecken können. Wenn Antonia recht hatte, was die Pläne ihres Vaters betraf, und irgendein Klatschreporter den daraus resultierenden Streit zwischen Sofia und ihrem Vater einfing – die Folgen wären schrecklich. Das würde alles gefährden, wofür sie gearbeitet hatte.

Der berühmte Choreograf Idris Fortier war diese Woche in der Stadt mit seinem neuesten Werk, das in New York uraufgeführt werden sollte. Sofia würde für eine Hauptrolle vortanzen – so wie alle anderen Frauen in dem Flieger auch. Der Konkurrenzkampf könnte schrecklich werden und in Bösartigkeiten ausarten.

Vielleicht war es bereits passiert.

Sie wappnete sich für das, was auch immer im Terminal geschehen würde, und holte tief Luft, um ihren rasenden Herzschlag zu beruhigen. Vorgewarnt war gewappnet, richtig? Sie sollte froh sein, dass sie dank ihrer tratschenden Kolleginnen von dem Plan ihres Vaters wusste. Vor laufender Kamera durfte sie sich nicht den kleinsten Fehler leisten. Sie konnte später mit ihm streiten, wenn sie allein waren. Sie würde diesen PR-Termin nicht verpatzen und sich dadurch die Chance nehmen, eine Haupttänzerin in dem neuen Idris-Fortier-Ballett zu werden.

Sie würde dies als Performance betrachten, und sie würde es schaffen − egal, welche Überraschungen die öffentliche Bühne zu bieten hatte. Das war ihr Job, verdammt.

Und dieses Mal würde niemand sagen, dass ihrer Darbietung die Leidenschaft fehlte.

„Mach nichts Unüberlegtes, nur weil du sauer bist.“ Quinn McNeill versuchte, vernünftig mit seinem jüngsten Bruder zu reden, als er neben ihm zum Terminal des größten Privatflughafens in der Nähe von Manhattan lief. Sie waren zusammen vom Büro der McNeill Resorts im Stadtzentrum zum Terterboro Airport gefahren, auch wenn Quinns Flug zu einem Treffen mit möglichen Investoren in Osteuropa erst in einigen Stunden ging. Er hatte seine Nachmittagstermine abgesagt, um seinen Bruder Cameron zur Vernunft zu bringen.

„Ich bin nicht sauer.“ Cameron breitete die Arme weit aus. „Sieh mich an. Sehe ich aus, als wäre ich sauer?“

Mit seinem gezwungenen Lächeln sah er so aus, ja. Als Quinn nichts sagte, fuhr Cameron fort: „Ich lasse zu, dass Gramps mein Leben bestimmt und mich wie eine Schachfigur hin und her schiebt, damit ich eines Tages einen Anteil am Familienunternehmen erben kann. Was ich eigentlich nicht will, aber er hat uns Loyalität eingebläut und dass kein anderer als ein McNeill die McNeill Resorts leiten soll.“

In der letzten Woche waren Quinn, Cameron und ihr Bruder Ian in die Kanzlei des Anwalts ihres Großvaters bestellt worden. Bei dem Termin wurde das geänderte Testament des alten Herrn erklärt, wonach der Weltkonzern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden würde. Die Neuigkeit an sich barg keine Überraschung, denn das hatte der Patriarch schon vor Jahren versprochen und sie auf ihre Rollen in seinem Unternehmen vorbereitet, auch wenn jeder von ihnen seine eigenen geschäftlichen Interessen weiterentwickelt hatte. Malcom McNeills einziger, leider etwas phlegmatischer Sohn hatte kurzzeitig das Ruder übernommen und sich als unfähig erwiesen, sodass der alte Herr entschieden hatte, die nächste Generation als Erben einzusetzen.

Der Haken an der Sache war, dass jeder von ihnen seinen Anteil nur bekam, wenn er verheiratet war. Und sollte die Ehe nach weniger als zwölf Monaten enden, würde der Anteil zurück in die Erbmasse fallen.

Aus einer übertriebenen Loyalität heraus schien Cameron bereit zu sein, den Bund der Ehe mit einer Frau zu schließen, die er online aus einem Angebot an heiratswilligen ausländischen Frauen ausgewählt hatte und die er bisher nicht kannte. Entweder das oder er hoffte, dass sein wahnwitziger Gang zum Altar ihrem Großvater bewusst machen würde, was für eine schlechte Idee diese neue Klausel war, und dass er sie wieder strich.

Quinn hingegen würde abwarten. Der alte Mann war bei guter Gesundheit. Und er hatte praktischerweise gleich nach dem Treffen bei seinem Anwalt eine Reise nach China angetreten, was eine Diskussion mit ihm in den nächsten Wochen unmöglich machte.

„Cam, sieh es doch mal so. Wenn es Gramps wirklich wichtig wäre, dass das Unternehmen in der Hand der Familie bleibt, dann hätte er diese neue Klausel nicht hinzugefügt.“

„Gramps wird nicht ewig leben.“ Cameron hob die Stimme, als ein Jet über sie hinwegdonnerte. „Dieses Testament mag abstrus sein, aber es ist trotz allem ein legales Dokument. Ich möchte nicht, dass das Unternehmen irgendwann versteigert wird und irgendein Investor es sich schnappt.“

„Das will ich auch nicht. Stattdessen will ich versuchen, den sturen alten Herrn davon zu überzeugen, dass erzwungene Ehen die Stabilität im Unternehmen mehr gefährden als alles andere.“

„Wer sagt, dass meine Ehe nicht funktioniert? Es könnte der richtige Weg sein, einen Heiratsvermittler einzuschalten. Allein habe ich Mrs. Right bisher schließlich nicht gefunden.“

Cameron galt als Playboy. Er war ein Charmeur und ging mit den schönsten Frauen der Welt aus.

Quinn schüttelte den Kopf. „Sag nicht, dass du je nach einer ernsthaften Beziehung gesucht hast.“

„Ich will keine Frau, die nur ihre eigenen Interessen verfolgt.“ Cameron zog ein finsteres Gesicht. „Ich lerne zu viele Frauen kennen, die nur danach schauen, was ich für sie tun kann.“

„Das könnte bei dieser Frau doch genauso sein. Vielleicht bist du ihr Ticket zu einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung in den Vereinigten Staaten.“ Sie kämpften sich durch eine kleine Gruppe Geschäftsleute, die lachend aus dem Flughafengebäude kamen. Quinn hielt seinem Bruder die Tür auf. „Was weißt du eigentlich über deine Braut? Du hast bisher kein Wort mit ihr gewechselt. Spricht sie überhaupt Englisch?“

„Ich weiß, dass sie Sofia heißt und aus der Ukraine kommt. In ihrem Profil steht, dass sie heiratswillig ist. Genau wie ich.“ Cam zog sein Smartphone aus der Tasche und hielt es Quinn unter die Nase. „Das ist sie.“

Auf dem Display war eine außergewöhnlich hübsche Frau zu sehen. Ihre Gesichtszüge entsprachen dem osteuropäischen Schönheitsideal: hohe Wangenknochen und geschwungenen Augenbrauen, die ihr ein stolzes Aussehen verliehen. Sie hatte graue Augen und blonde Haare. Die Schultern waren nackt, und sie trug eine Fülle von Perlenketten, was dem Foto einen professionellen Eindruck verlieh.

Quinn hatte das Gefühl, sie schon mal irgendwo gesehen zu haben. War sie ein Model?

„Das ist vermutlich ein Foto aus irgendeinem Magazin, das sie als ihres ausgegeben hat. So eine Aufnahme ist nicht billig. Und hast du einen Privatflug für die Frau bezahlt, damit sie kommt?“ Nicht dass es ihn etwas anging, was sein Bruder mit seinem Geld machte. Aber verdammt.

Selbst Cameron fand das übertrieben.

„Nein, natürlich nicht. Sie hat den Flug selbst arrangiert. Oder vielleicht die Heiratsvermittlerin.“ Er zuckte mit den Schultern, als spiele es keine Rolle, aber offensichtlich hatte er überhaupt nicht darüber nachgedacht. „Außerdem kommt sie aus der Ukraine.“ Er zog das Wort in die Länge. „Ich dachte, sie könnte mir beim Kauf von Immobilien in Osteuropa eine Hilfe sein. Es ist immer gut, wenn man jemanden hat, der die Sprache spricht. Vielleicht überlässt Gramps mir ja auch die Umgestaltung der Hotels, sobald ich den Ehetest bestanden habe.“ Er sagte das mit absolut ernstem Gesichtsausdruck.

Das konnte nur ein Scherz sein. Gleich würde Cameron sagen „Zum Teufel hiermit!“ und gehen. Oder lachen und gehen. Aber er würde nicht irgendeine Fremde begrüßen und ihr einen Antrag machen.

Quinn legte die Hand auf die Brust seines Bruders und zwang ihn, einen Moment stehenzubleiben.

„Versuch nicht, mir diese behämmerte Idee als praktisch zu verkaufen.“ Sie sahen sich einen Moment an, dann ging Cameron weiter, den Blick auf die Landebahn gerichtet.

Quinns Blick fiel auf eine Handvoll Reisende, die in der Nähe der Zollstation aus einem Flugzeug stiegen. Der Schal einer Frau schien sich im Handlauf der Fluggasttreppe verfangen zu haben.

„Das könnte sie sein.“ Cameron sah ebenfalls zu der Frau hinüber. „Ich hätte Blumen mitbringen sollen.“ Er drehte sich um und lief zu einem Counter in der Nähe des Pilotenclubs, auf dem eine Vase mit exotischen Blumen stand.

Nur vage bekam Quinn mit, wie Cameron auf seine charmante Art eine Dame vom Bodenpersonal bat, ihm ein paar Orchideen zu verkaufen. Quinns Aufmerksamkeit galt der Frau, die den pinkfarbenen Schal gerade vom Handlauf löste. Auch wenn eine große Sonnenbrille die Hälfte ihres Gesichts verdeckte, ähnelte sie mit dem blonden Haar und dem Schmollmund der Frau auf dem Foto. Etwa zwanzig weitere Passagiere stiegen aus dem Flugzeug, fast alle junge Frauen.

Die Sorge um seinen Bruder machte Quinn misstrauisch. Der Reisebegleiter der Frau war ein aalglatt wirkender Mann, alt genug, um ihr Vater zu sein. Er streckte die Hand aus, um ihr die Treppe hinunterzuhelfen. Die Frau war sehr zierlich und bewegte sich ausgesprochen anmutig. Als wäre sie es gewohnt, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.

„Die ist ja winzig.“ Cameron stand wieder neben Quinn.

Quinns Gehirn arbeitete auf Hochtouren, als er versuchte, die Teile zu sortieren, die nicht passten. Es musste schnell gehen, bevor die zukünftige Mrs. McNeill den Zoll passierte.

„Wer macht euch miteinander bekannt?“ Quinns ungutes Gefühl verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. „Ich hoffe, deine Heiratsvermittlerin hat eine angemessene Vorstellung arrangiert.“ Er sollte besser die Notizen für sein Meeting heute Abend durchgehen, statt sich Gedanken darüber zu machen, wer seinen idiotischen Bruder mit einer Heiratsschwindlerin bekannt machte.

Schon oft hatte Cameron mit einer impulsiven Entscheidung Probleme heraufbeschworen, war dann einfach gegangen und hatte die Schadensbegrenzung anderen überlassen.

„Niemand.“ Cameron zuckte mit den Schultern. „Sie hat mir nur eine SMS geschickt, wann ich am Flughafen sein soll.“

„Cam, lass es sein. Finde zumindest erst einmal heraus, wer sie wirklich ist, bevor du mit ihr zum nächsten Friedensrichter eilst.“ Sie beobachteten, wie die Frau die Sonnenbrille abnahm, als sie mit dem Zollbeamten sprach. Ihr Reisebegleiter wich ihr nicht von der Seite.

„Sofias Foto zumindest ist echt. Die Frau sieht umwerfend aus.“ Camerons Urteil klang so leidenschaftslos und distanziert, als ginge es um ein Gemälde für eines seiner neuen Hotels.

Quinn gelang es dagegen nicht, gleichgültig zu bleiben. Die Frau hatte etwas Faszinierendes an sich. Sie war eine zarte Schönheit, ihre Körperhaltung und der anmutige Gang strahlten Selbstsicherheit aus. Frustriert stellte er fest, dass ihn Camerons zukünftige Braut magisch anzog.

Cameron schob seinen Bruder zum Gate. „Gib es zu, Sofia ist genau wie beschrieben.“

Bevor Quinn etwas sagen konnte, näherten sich zwei Frauen den Türen. Beide trugen Namensschilder um den Hals, eine hielt eine professionell wirkende Kamera in den Händen.

Reporterinnen?

Cameron hielt den beiden die Tür auf und folgte ihnen nach draußen.

Und wie bei einer Katastrophe, bei der man nicht wegsehen kann, beobachtete Quinn, wie Cameron die zierliche Ukrainerin mit dem Blumenstrauß und – Quinn traute seinen Augen nicht – einer edlen Samtbox charmant begrüßte. Die Kamerafrau schaffte es gerade noch, das Bild in den Kasten zu bekommen.

Quinn eilte zu seinem Bruder, wusste aber, dass er zu spät kam. Hatte Cameron eine Freundin von der Presse angerufen? Wollte er, dass die Geschichte gefilmt wurde, damit ihr Großvater davon hörte? In welches Chaos auch immer Cam sich gerade hineinritt, Quinn hatte das Gefühl, dass er derjenige sein würde, der ihm wieder heraushalf.

Der kalte, trockene Winterwind wehte ihm ins Gesicht, als er Camerons Worte hörte.

„Sofia, ich habe den ganzen Tag sehnsüchtig darauf gewartet, meine Braut zu treffen.“

2. KAPITEL

Sofia hatte sich innerlich darauf vorbereitet, auf einen Heiratskandidaten zu treffen. Doch sie hatte nicht mit einem Antrag gerechnet.

Sie hatte schon einiges durchgestanden: Sie hatte die Choreografien des weltberühmten George Balanchine getanzt, auf blutigen Zehenspitzen. Sie hatte bravouröse Pirouetten gedreht, immer in der Angst, vor dem Publikum zu stürzen. Doch niemals war sie so verunsichert gewesen wie jetzt, wo ihr dieser große, dunkelhaarige Mann gegenüberstand, der Blumen in der Hand hielt und … einen Ring.

Wie sie mit dieser Begegnung umging, würde entscheidend sein für ihre weitere Karriere als Balletttänzerin.

Sie hörte Antonia flüstern. Und kichern.

„Um Gottes willen, Mann, lassen Sie uns reingehen.“ Sofias Vater ergriff als Erster das Wort.

Nach außen hin bewahrte Vitali Koslov Haltung, doch Sofia kannte ihn gut genug, um die Überraschung in seiner Stimme herauszuhören. War es möglich, dass er so eine übereilte Aktion nicht vorhergesehen hatte, als er ohne Sofias Zustimmung eine Agentur beauftragt hatte? Je länger sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. Wie konnte dieser fremde Mann es wagen, ihr in aller Öffentlichkeit einen Antrag zu machen?

Sie trat aus der Kälte in die warme Flughafenhalle. Wenn sie doch einfach hätte weiterlaufen können, bis zum Ausgang! Aber die Kamerafrau folgte ihr. Sofia musste die Situation in den Griff bekommen, bevor ein alberner Antrag den Fokus von der eigentlichen Geschichte in Dance ablenkte: ihrem Tanz.

„Ladies.“ Sie schenkte den Reporterinnen ein strahlendes Lächeln, verdrängte ihre Erschöpfung mit der eisernen Entschlossenheit, mit der sie auch siebenstündige Proben überstand. „Es tut mir ausgesprochen leid. Ich habe völlig vergessen, dass ich einen privaten Termin habe. Wenn Sie so freundlich wären, mir einen Moment Zeit zu geben?“

„Ach, aber das ist so eine gute Geschichte.“ Die schlanke, zierliche Reporterin war sicherlich eine ehemalige Tänzerin. Sie lächelte mit derselben Falschheit wie so viele von Sofias Kolleginnen – gespielte Nettigkeit vor einem bitterbösen Angriff. „Sofia, Sie haben in unserem Vorgespräch nicht erwähnt, dass es einen Mann in Ihrem Leben gibt.“

Die Kamera schwenkte zu dem Mann, der ihr gerade einen Antrag gemacht hatte, und zu dem noch attraktiveren neben ihm – ein weiterer dunkelhaariger, blauäugiger Fremder, der nicht ganz so groß war wie ihr Verehrer. Sie mussten verwandt sein. Die blauen Augen des zweiten Mannes waren dunkler, sein Blick offen und abschätzend zugleich. Er hatte breite Schultern und schien stark genug, um mehrere Ballerinen gleichzeitig hochzuheben. Mit Leichtigkeit.

Sie wandte den Blick von ihm ab und verdrängte den Gedanken. „Wenn ich ein paar Minuten mit meinem Freund unter vier Augen sprechen kann, dann können Sie mein Vortanzen für Idris Fortier filmen“, versprach Sofia der Reporterin, um die dringend benötigte Atempause zu bekommen. So wenig ihr daran gelegen war, dass das Vortanzen öffentlich dokumentiert wurde – vor allem, wenn sie es nicht schaffte, die Hauptrolle zu bekommen –, es war wichtig, dass die Kamera jetzt für einen Moment ausgeschaltet wurde.

Nach einem kurzen Blickwechsel mit ihrer Kollegin senkte die Kamerafrau die Kamera, und die beiden zogen sich zu einem Ledersofa in der Halle zurück. Die anderen Tänzerinnen standen indessen weiter um Sofia herum.

„Würden Sie uns kurz allein lassen, Ladies?“, bat Sofias Vater ihre Kolleginnen. Und auch wenn einige schmollten, so schlossen sie sich doch den Reporterinnen an und ließen Sofia und ihren Vater mit dem großen Mann und dessen gut aussehendem Begleiter allein.

Zu spät merkte Sofia, dass sie die Orchideen von dem Fremden angenommen hatte, ohne es wirklich wahrzunehmen. Sie konnte nur erahnen, wie die Szene auf den Fotos und dem Video der Kamerafrau aussehen musste.

Der Frau, die nebenberuflich als Paparazza arbeitete, wie Jasmine sie gewarnt hatte. Wie schnell würde die Geschichte die Runde machen?

„Sofia.“ Der große Mann beugte sich zu ihr. „Ich bin Cameron McNeill. Unsere Partnervermittlung hat dir doch gesagt, dass ich zum Flughafen komme?“ Selbst jetzt senkte er die Stimme nicht, auch wenn er verwirrt schien.

Sofia deutete auf eine Sitzgruppe, die weit entfernt von den anderen stand, doch der Mann bewegte sich nicht vom Fleck.

Sein Begleiter – er musterte sie immer noch mit diesem skeptischen Blick aus seinen blauen Augen – flüsterte ihm etwas ins Ohr. Mahnte er zur Vorsicht? Verstohlen blickte er auf sein Smartphone.

„Woher kenne ich Ihren Namen, McNeill?“ Ihr Vater hob herausfordernd das Kinn.

„Dad, bitte.“ Sie wandte sich wieder an Cameron. „Könnten wir uns einen Moment setzen?“

Ihr Vater schnippte mit den Fingern, bevor sich jemand bewegte. „McNeill Resorts?“

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, trat Camerons Begleiter mit einer gewissen Autorität vor. Er musste fast einen Meter neunzig groß sein. Und trotz ihrer Müdigkeit schoss ihr der romantische Gedanke durch den Kopf, dass dieser Mann besser zu ihr passen würde. Natürlich nur aus der Perspektive einer Tänzerin.

Er sieht aus wie einer von der Wall Street, dachte sie. Doch in seinen dunkelblauen Augen lag ein Glitzern, eine Bissigkeit, die sie als verborgene Leidenschaft erkannte.

Wie ihre.

„Vitali Koslov?“ Allein indem er einen Schritt vortrat, übernahm der Mann irgendwie das Kommando. „Ich heiße Quinn McNeill. Wir haben vor zwei Jahren bei der Met-Gala in New York kurz miteinander gesprochen.“

Sein Bruder, dachte sie.

Sein sehr attraktiver Bruder. Einer, der ihr keinen Heiratsantrag vor laufender Kamera gemacht hatte. Schon jetzt akzeptierte sie diesen McNeill mehr als den anderen, auch wenn sie sich fragte, was die beiden Männer eigentlich wollten.

Sie musste schnell und gründlich nachdenken.

„Sofia hat Familie in New York“, informierte Cameron seinen Bruder, als würde er eine frühere Unterhaltung wieder aufnehmen. „Ich weiß, dass sie nicht irgendeine Braut aus dem Katalog ist.“ Er bedachte sie mit einem Grinsen, das für ihren Geschmack viel zu eingeübt war. „Die Reporter arbeiten wohl an einer Geschichte? Ich habe an den Namensschildern gesehen, dass sie vom Magazin Dance kommen.“

„Eine Braut aus dem Katalog?“ Bei diesem lauten Ausruf ihres Vaters drehten selbst ein paar abklärte New Yorker die Köpfe, wenn auch nur für eine Sekunde. „Ich werde gerichtlich gegen Ihre Familie vorgehen, McNeill, wenn Sie andeuten wollen …“

„Ich weiß, dass sie nicht auf die Green Card aus ist“, unterbrach Cameron ihn. Er zog sein Smartphone aus der Tasche. Sofia wünschte, sie könnte diesen Tag noch einmal von vorn beginnen. „Quinn war es, der dachte, dass an dem Treffen etwas faul ist. Aber ich habe das Foto von meiner Partnervermittlung …“

„Es muss sich um eine Verwechslung handeln.“ Quinn trat zwischen die beiden Männer, wofür Sofia ihm dankbar war.

Sie wusste nicht, was sie wütender machte: dass sie fälschlicherweise für eine Katalogbraut gehalten worden war oder dass jemand sie nur aufgrund eines Fotos heiraten wollte.

„Warum? Wer ist sie dann?“, fragte Cameron seinen Bruder. Er legte die samtene Box auf den Tisch. Sofia spürte, dass die Blicke ihrer Mittänzerinnen magisch davon angezogen wurden. Selbst über den gesamten Wartebereich hinweg.

„Sofia Koslov, Solotänzerin beim New York City Ballet.“ Quinn reichte Cameron sein Handy. Er hatte ihr Foto und ihre Biografie geöffnet – sie erkannte die Webseite des Ensembles. „Ihr Vater ist der Gründer des Online-Auktionshauses Self-Sale und einer der einflussreichsten Männer in der Ukraine, wo ich dieses historische Hotel kaufen will.“

Die Brüder tauschten einen bedeutungsvollen Blick, offenbar auf der Hut vor Vitali Koslovs internationalem Einfluss.

Während Cameron leise pfiff und mit dem Finger über das Display wischte, schien Sofias Vater kurz davor, ihn zu erwürgen. Vielleicht bedauerte er jetzt schon die Wahl seiner Heiratsvermittlerin. Sofia ärgerte sich auf jeden Fall darüber, dass er so arrogant war sich einzubilden, er könnte ihr Privatleben nach seinen Wünschen beeinflussen.

„Sie nennen das eine Verwechslung?“ Der Akzent ihres Vaters verstärkte sich, ein sicheres Zeichen dafür, dass er wütend war. „Wie kommen Sie darauf, dass sie eine Green Card benötigt? Sie ist Amerikanerin!“ In scharfem Ton fuhr er Quinn McNeill an: „Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie schnell ich Ihren Hotelkauf zunichtemachen kann, McNeill? Wenn Sie glauben, dass ich diese Beleidigung einfach …“

„Natürlich nicht.“ Quinn zuckte nicht mit der Wimper. „Wir finden etwas …“

Sofia verpasste den Rest des Satzes, da Cameron sich zu ihr beugte und sie leise fragte: „Sind Sie wirklich eine Ballerina?“ Er klang freundlich, doch in seinen Augen bemerkte sie eine Vorsicht, die sie oft bei Menschen sah, die „Ballerina“ mit „Primadonna“ oder „Diva“ gleichsetzten.

„Ja.“ Sie fühlte sich angegriffen, hob das Kinn und überlegte, ob Quinn sie hören konnte. Er sprach weiter leise mit ihrem Vater. Er faszinierte sie wie selten ein Mann. Bildete sie es sich ein, oder erwiderte er tatsächlich sehr oft ihren Blick? „Ich habe jahrelang dafür gekämpft, bei einem der besten und berühmtesten Ensembles der Welt eine Topposition zu erreichen.“

Männer entschuldigten sich nie dafür, dass sie sich auf ihre Karriere konzentrierten. Warum tat sie es?

Cameron nickte, sagte aber nichts. Sie spürte, dass er ernsthaft über seinen Heiratsantrag nachdachte. Nicht dass es eine Rolle spielte – eine Hochzeit würde es nicht geben. Aber wie sollte sie aus dieser Sache unbeschadet herauskommen? Wäre sie nicht so erschöpft gewesen von dem langen Flug und der anstrengenden Woche, dann wäre ihr vielleicht eine elegante Lösung eingefallen.

Sie sah, dass die Mitglieder ihres Ensembles näher kamen. Ohne Zweifel versuchten sie mitzubekommen, was bei diesem merkwürdigen Treffen vor sich ging. Alle hatten ihr Handy in der Hand. Sofia konnte sich die Tweets nur zu gut vorstellen.

Sofia Koslov verlobt. Hat sie überhaupt genug Zeit für Fortiers Projekt?

Die Tanzwelt würde verrücktspielen. Wilde Spekulationen würden folgen. Würde Fortier mit einer Frau zusammenarbeiten wollen, die nicht ihre gesamte Zeit dem Tanz widmete?

Ihr wurde flau im Magen, und sie fröstelte. Das wäre so unglaublich unfair. Aber es brauchte nicht viel, eine Hauptrolle zu verlieren. Alles hing davon ab, was Fortier wollte.

„Und Sie suchen nicht nach einem Ehemann?“ Cameron sah sie ernsthaft an.

„Nein“, erwiderte sie ehrlich. „Ich wusste nicht einmal, dass mein Vater jemanden beauftragt hat. Das habe ich erst kurz vor der Landung erfahren. Zufällig. Er hat es ohne meine Zustimmung getan.“

„Dann entschuldige ich mich, Miss Koslov. Es tut mir leid, wenn ich Sie mit meiner Eile in Verlegenheit gebracht habe.“ Cameron hob ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Die Geste hatte den Charme eines höflichen Flirts, lässig-elegant, aber ohne Gefühl. „Mein Bruder hat mich vor einem überstürzten Antrag gewarnt. Und wie immer hat er recht gehabt.“

Er richtete sich auf, als wollte er gehen, und ihr war sofort klar, dass sie diese Geschichte den Reportern allein würde erklären müssen. Und dem Ensemble. Doch sie machte Cameron keinen Vorwurf. Nur ihrem Vater.

„Sie waren tatsächlich bereit, eine Frau zu heiraten, mit der Sie nicht einmal gesprochen haben?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihn dazu getrieben hatte, einer völlig Fremden einen Antrag zu machen.

„Ich habe mich auf die Agentur verlassen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber das nächste Mal werde ich die Braut zumindest vorher anrufen. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Sofia.“ Er steckte die Hände in die Manteltaschen. „Wenn Sie Hilfe mit den Reporterinnen brauchen, mein Bruder hat das Talent, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er wird wissen, was zu tun ist.“

„Sie … gehen?“

„Ich bin nur zum Flughafen gekommen, um Sie zu sehen. Quinn bleibt noch, er hat einen Flug gebucht. Doch zuerst hilft er Ihnen mit den Reporterinnen. Er ist ein Experte darin, die McNeills gut darzustellen. Ich bin derjenige, der immer wieder Probleme macht.“

Ihr kam nicht in den Sinn, Cameron McNeill aufzuhalten, als er sich umdrehte und davonging.

Die ganze Sache fühlte sich seltsam unwirklich an. Und jetzt kamen auch noch die beiden Reporterinnen von der anderen Seite des Terminals direkt auf sie zu. Sie hätte sich rechtzeitig etwas einfallen lassen sollen. Vielleicht sollte sie den Journalistinnen sagen, dass der Antrag ein Scherz gewesen war?

Doch sie würde über jede Geschichte stolpern, die sie erfand. Außerdem schwirrten ihr noch die Worte ihrer Kolleginnen im Kopf herum, dass es keinen Mann in ihrem Leben gab.

Dass es ihr an Leidenschaft mangelte.

Was würden sie jetzt sagen, wo ihr Verehrer sie öffentlich abserviert hatte?

Ihr Vater und Quinn McNeill näherten sich ihr ebenfalls.

„Hör zu, Sofia. McNeill hat einen guten Plan.“ Vitali schien sehr zufrieden zu sein mit dem, was auch immer sie beschlossen hatten.

Sie bekam regelrecht Angst, als die Reporterinnen sich unaufhaltsam näherten. Die beiden Männer hatten keine Ahnung von der Welt, in der sie lebte – vor allem nicht davon, was für eine Reaktion dieses kleine Drama auslösen würde. Wie sollte sie die Rolle in dem Fortier-Ballett bekommen, wenn das gesamte Ensemble über den Heiratsantrag lachte?

„Nein, ich kümmere mich selbst darum.“ Sie blickte zu Quinn McNeill. „Ich muss mein Gesicht wahren. Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen, damit es nicht so aussieht, als wäre ich sitzengelassen worden …“ Verdammt, sie wusste nicht, was sie brauchte. Sie konnte sich nicht einmal Quinn gegenüber verständlich machen. Wie sollte sie dann den Reporterinnen eine vernünftige Erklärung liefern?

Quinns Blick gab nichts preis. Während die Augen seines jüngeren Bruders charmant blitzten, war der Blick dieses Mannes nicht zu lesen. Er schien jedoch entspannt zu sein und beugte sich näher zu ihr, während ihr Vater diskret auf die Uhr blickte und sich zwischen sie und die nahenden Tänzerinnen positionierte.

„Ihr Vater ist wütend auf meinen Bruder.“ Quinns Stimme war ein zärtliches Streicheln an ihrem Ohr. Trotz aller Nervosität schoss eine angenehme Wärme durch ihren Körper. „Ich würde ihn gern beschwichtigen, aber wichtiger ist mir, dass Sie nicht in eine peinliche Situation kommen. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Sie stieß das Erstbeste hervor, was ihr in den Sinn kam. „Idealerweise hätte ich die nächsten drei Wochen einen Verlobten. Bis ich den Part im Ballett sicher habe.“ Kaum waren die Worte heraus, da wusste sie schon, dass es unmöglich war. Cameron McNeill war bereits gegangen.

Aber Quinn war offensichtlich nicht abgeschreckt. Er nickte.

„Was auch immer ich gleich sagen werde, denken Sie daran, es ist nur Show.“ Er legte die Hand auf ihren Rücken. Die Wärme, die er ausstrahlte, drang durch ihr Cape aus Mohairwolle. „Wir geben ein kurzes Statement vor der Presse ab. Später können wir die Einzelheiten klären und dann eine offizielle Pressemitteilung herausgeben. Lassen Sie mich nur machen. In weniger als fünf Minuten gehen Sie als glückliche Braut hier raus.“

Sie hatte keine Zeit, seinem Blick zu begegnen und für sich zu entscheiden, wie ernst er es meinte. Weil die Kameras schon wieder liefen. Das aufgeregte Geschnatter der anderen Tänzerinnen lieferte eine unangenehme Hintergrundmusik für die Performance, die Quinn McNeill geben wollte.

Obwohl ihr Ruf auf dem Spiel stand, konzentrierte sie sich ganz darauf, wie sicher er sie führte. Selbst ein Tanzlehrer hätte es zu schätzen gewusst.

Ihr Vater blieb zurück, als das blinkende rote Licht am Schwebestativ der Kamerafrau in ihre Richtung schwenkte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er die samtene Box mit dem Ring nahm, die Cameron liegen gelassen hatte, und sie Quinn gab.

„Ladies.“ Quinns Stimme klang anders, als er sich den beiden Journalistinnen zuwandte. Die Tänzerinnen hielten ihre Handys bereit, um sofort ein Update des kleinen Dramas zu twittern. „Verzeihen Sie mir, dass ich Sofia vorhin so schnell entführt habe. In meiner Begeisterung, sie wiederzusehen, habe ich dieses Interview völlig vergessen.“

Sofia konnte fast hören, wie alle nach Luft schnappten. Oder war sie es? Ihr wurde wieder flau im Magen, sie hatte Angst vor dem, was er als Nächstes sagen würde. Wie jeder starke Partner, führte er mit Autorität.

Außerdem war alles reine Show.

„Wo ist Ihr Bruder?“, fragte die Reporterin. „Er konnte es doch gar nicht abwarten, seine Braut zu treffen.“

Ohne Zweifel hatte sie im Internet nach Informationen über Cameron und Quinn gesucht.

„Mein Bruder hat einen Scherz gemacht. Cameron kannte Sofia noch nicht, und so wie Brüder manchmal sind …“ Er grinste charmant. „Cam hat das nur gesagt, um mich aus dem Konzept zu bringen. Er wusste, dass ich Sofia eine ganz wichtige Frage stellen wollte.“

Quinn drehte sich jetzt zu ihr. Der Blick aus seinen blauen Augen war so intensiv, dass sich eine unerwartete Hitze in ihr ausbreitete. Auch wenn sie mit hundertprozentiger Sicherheit wusste, dass alles nur Show war.

„Er hatte also ganz zufällig den Ring in der Tasche?“, fragte die Reporterin.

„Ich hatte keine Ahnung, dass er einen alten Ring unserer Mutter mitgenommen hat“, erwiderte Quinn. „Glauben Sie mir, mein Bruder hat Sinn für Humor – wenn auch manchmal einen etwas verdrehten.“

Selbst Sofia dachte über die Geschichte nach. Quinn wirkte absolut überzeugend, vor allem, als er sie ansah, als wäre sie die einzige Frau auf der Welt.

Sie leckte ihre Lippen, hatte plötzlich einen trockenen Mund. Sie musste etwas sagen. Diese Farce stoppen, die doch niemand glauben würde. Andrerseits … hatte sie sich nicht geschworen, eine Performance abzugeben, die sich anzuschauen lohnte?

Eine Show der Leidenschaft?

„Und jetzt …“, sein Blick ruhte weiter auf ihr, auch als er mit den Reporterinnen sprach, „… bitte ich Sie, einen neuen Termin für das Interview mit Miss Koslov anzusetzen. Morgen. Denn heute Abend haben wir etwas sehr Privates und Wunderschönes zu feiern.“

Die Kamerafrau stieß einen kleinen Freudenschrei aus, während jemand anderes – ohne Zweifel eine Kollegin aus dem Ensemble – einen enttäuschten Laut von sich gab. Weil die Geschichte nicht so ausgegangen war, wie sie gehofft hatte? Oder weil sie bis morgen auf Antworten warten musste? Einige klatschten halbherzig. Die Tänzerinnen, die auf einen Skandal gehofft hatten, waren sichtlich enttäuscht, während Sofia sich fragte, wie sie es hatte wagen können, Quinn McNeill zu sagen, dass sie vorübergehend einen Verlobten brauchte. Sie konnte nicht glauben, dass er ihren Wunsch erfüllt hatte.

Und nicht sein Bruder, sondern Quinn selbst, spielte den Verlobten.

Die Kameras fingen jeden Moment dieser absurden Geschichte ein. Und um keinen Zweifel an der Wahrheit aufkommen zu lassen, küsste er sie.

3. KAPITEL

Normalerweise konnte Quinn McNeill sich an ein Konzept halten. Aber alles war anders, so schien es, wenn diese exotische Schönheit sich in seine Arme schmiegte. Gerade hatte er noch eine Geschichte geliefert, die Cams Verhalten erklärte und Sofia Koslov trotzdem einen Verlobten bescherte. Und jetzt verlor er sich in ihren großen grauen Augen und ihren vollen Lippen, die zum Küssen einluden.

Dies war keineswegs der Plan, den er sich hatte einfallen lassen, um die Geschäftsbeziehungen mit Sofias wütendem und mächtigem Vater nicht zu gefährden. Er hatte Vitali Koslov gesagt, dass er sich in aller Öffentlichkeit entschuldigen und erklären würde, dass der Antrag ein Scherz unter Freunden gewesen war. Aber als Quinn die Panik in Sofias Gesicht gesehen hatte, wusste er, dass er ihr helfen musste.

Erst als er sie küsste, kam ihm der Gedanke … Was, wenn sie an eine vorgetäuschte Verlobung mit seinem Bruder gedacht hatte?

Langsam löste Quinn sich von Sofia und blickte auf ihre vom Kuss geschwollenen Lippen und ihre geröteten Wangen. Nein, sie konnte nicht gemeint haben, dass sie irgendetwas mit Cameron zu tun haben wollte. Nicht nach diesem Kuss.

Dennoch, indem er sie als seine Verlobte ausgab, hatte er die Sache noch verkompliziert.

„Sie sind also mit Miss Koslov verlobt?“, fragte die Reporterin, während die Kamerafrau ihre Kamera ausschaltete.

„Sie bekommen morgen früh ein ausführliches Statement“, mischte Vitali Koslov sich ein, bevor Quinn antworten konnte. Die Geduld des älteren Mannes war offensichtlich erschöpft. Er bedachte Quinn mit einem düsteren Blick.

Die Abschlüsse für die Hotels in Kiew und Prag waren ernsthaft gefährdet. Der Mann hatte gedroht, den Verkauf mit allen Mitteln zu stoppen, wenn Quinn die Angelegenheit bei der Presse nicht bereinigte. Und Vitali Koslov hatte damit ganz sicherlich nicht gemeint, dass Quinn die Stelle seines Bruders als Sofias Verlobter einnahm.

„Kommen Sie mit“, flüsterte Quinn Sofia ins Ohr. Ihr seidiges Haar streifte seine Wange, als er sich vorbeugte, um ihre Tasche zu nehmen. „Ihr Vater wird die Presse unterhalten. Wir sind viel zu glücklich und verliebt, um irgendjemandem Aufmerksamkeit zu schenken.“

Er machte sich auf den Weg in Richtung Ausgang, in der Hoffnung, dass sie weiter mitspielte. Sie tat es, lief neben ihm her und bedachte ihn immer wieder mit Blicken, die mehr als Zuneigung ausdrückten.

Teufel. Diese Blicke brachten die Luft zum Knistern.

„Was sind wir doch glücklich“, bemerkte sie trocken. Ihr Tonfall passte jedoch überhaupt nicht zu der Art, wie sie ihn ansah, und zeigte ihm, was für eine talentierte Schauspielerin sie war.

War der Kuss auch reine Show gewesen? Gern würde er glauben, dass dem nicht so war.

„Es tut mir leid, dass wir dies tun müssen. Ich hoffe, mein Bruder hat zumindest genug Anstand besessen, sich zu entschuldigen, bevor er sich aus dem Staub gemacht hat.“

Er hielt Sofia die Tür auf und winkte das erste Taxi heran, das er entdeckte. Er übergab dem Fahrer ihr Gepäck, damit er es verstaute.

„Das hat er.“ Sofia wickelte ihr weiches Cape enger um sich und wartete darauf, dass der Fahrer ihr die Tür öffnete. Sie gab ihm die Adresse zu ihrer Wohnung. „Er hat gesagt, dass es ihm leidtut, und mir gleichzeitig versichert, dass Sie sich um alles kümmern.“ Sie stieg ein und rutschte auf die andere Seite des Fahrzeugs, um Abstand zu Quinn zu schaffen. „Sagen Sie, Quinn, wie oft schreiten Sie ein und kümmern sich um seine ausrangierten Verlobten?“

Ihm war klar, dass sie frustriert war, deshalb mahnte er sich, nicht in die Defensive zu gehen.

„Es ist das erste Mal“, erwiderte er leichthin und setzte sich neben sie. „Ich habe versucht, ihm auszureden, auf diese Weise auf die Jagd nach einer Ehefrau zu gehen, aber er war fest entschlossen.“

Der Fahrer saß schon hinterm Lenkrad und fuhr Richtung Ausfahrt. Es war mittlerweile dunkel geworden.

„Es wäre nicht so peinlich gewesen, wenn die Presse nicht anwesend gewesen wäre.“ Sie nahm ihren Schal ab und wickelte ihn um ihre Hand. „Vielleicht doch, denn alle vom Ensemble waren bei mir, und unter ihnen sind Tänzerinnen, die nichts lieber hätten als eine Chance, meine Position im Ensemble zu schwächen.“

„Ihr Vater hat mir erzählt, dass Sie gerade zur Solotänzerin avanciert sind.“ Er kannte sich mit Ballett nicht aus, hatte aus gesellschaftlichen Gründen nur einige Aufführungen gesehen. „Macht das eine Tänzerin zur Zielscheibe?“

„Nur, wenn der Name der Tänzerin für einen begehrten Part in einer neuen Choreografie steht, die im folgenden Jahr Premiere hat. Oder wenn man zu schnell nach oben kommt. Oder wenn der Vater eine Benefizveranstaltung sponsert und dafür sorgt, dass man an prominenter Stelle im Programm gezeigt wird.“ Sie wickelte den Schal um die andere Hand, zog ihn durch ihre Finger. „Dann ist es egal, wie talentiert du bist. Dann hält sich das Gerücht, dass du die Position nur mit Geld erreicht hast.“

Im Licht der Straßenlampen betrachtete er ihre schmalen Handgelenke, als sie mit dem Schal herumfummelte. Im Flughafen war sie nicht so nervös gewesen. Machte er sie nervös? Oder ließ sie es jetzt, wo sie nicht mehr im Rampenlicht stand, einfach zu, dass sich ihre Nervosität zeigte?

Sie weckte auf jeden Fall seine Neugier. Besser wäre es allerdings, er würde sich auf die Details ihrer kurzen, vorgetäuschten Verlobung konzentrieren, statt über ihr Leben nachzudenken. Den Kuss.

„Sie bewegen sich in einer Welt mit starker Konkurrenz.“ Damit kannte er sich aus durch seine Arbeit außerhalb der McNeill Resorts. Den größten Teil seines Geldes verdiente er als Hedgefonds-Manager. Jede seiner Finanzbewegungen wurde von seinen Konkurrenten beobachtet und analysiert und von nervösen Investoren im Nachhinein angezweifelt.

„Dieser Konkurrenzkampf hat mich veranlasst, auf eigene Kosten eine PR-Agentur zu engagieren. Viel Geld in Anbetracht der geringen Gage einer Tänzerin. Aber sie hat mir das Feature im Dance – Magazin gesichert.“

Er hatte keine Ahnung, was eine professionelle Tänzerin verdiente, aber dass sie eine Agentur beauftragt hatte, deutete auf eine große Investition in ihre Karriere hin. Quinn fand es spannend, dass sie, trotz des Reichtums ihres Vaters, die Agentur selbst bezahlte.

Das war nicht alles, was ihn faszinierte. Die heftige Anziehungskraft, die er verspürte, überraschte ihn. Er lehnte das Ehe-Ultimatum seines Großvaters entschieden ab, und doch war er heute in die Bresche gesprungen und hatte Sofia als seine Verlobte ausgegeben.

Nicht nur wegen McNeill Resorts. Auch, damit Cameron sie nicht haben konnte.

Kaum hatte er sie heute gesehen, hatte er ein unbestreitbares sexuelles Interesse verspürt. Nein, Begierde. Lust.

„Ich weiß, dass mein Bruder Sie in eine missliche Lage gebracht hat. Sie haben jedes Recht, frustriert zu sein.“

„Sie haben mir aus der Bredouille geholfen, als ich so nervös war, dass ich keinen Ton herausbrachte. Vielen Dank dafür.“ Sie legte die Hände in den Schoß und schaute aus dem Fenster auf die Geschäfte links und rechts der Interstate 17 in Richtung Manhattan. „Vor mir liegt ein schwieriges Vortanzen, und ich weiß, dass ich mich nicht darauf konzentrieren könnte, wenn das Debakel am Flughafen das allgemeine Gesprächsthema wäre.“ Sie lächelte verhalten. „Wenn ich keinen Verlobten hätte, würden mich alle damit piesacken, was passiert ist. Aber da ich tatsächlich einen habe? Ich glaube nicht, dass mich noch jemand ausfragen wird. Leider sind meine Mitbewerberinnen mehr an meinen Misserfolgen interessiert als an meinen Erfolgen.“

Er verstand. Er hoffte nur, dass ihr Vater ihre Wünsche bezüglich der Scharade mittragen würde.

„Die Ereignisse heute Abend lassen jedoch ein Hintertürchen offen, wenn Sie ein Statement herausgeben möchten, dass Sie meinen Antrag abgelehnt haben.“ Er hatte bis jetzt nicht daran gedacht, aber dass er den Eindruck vermittelt hatte, er würde um ihre Hand anhalten, bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie akzeptierte. „Wenn Sie Ihre Meinung geändert haben, dann kann ich einen Text für die Presse aufsetzen lassen, in dem meine Bewunderung für Sie zum Ausdruck kommt, meine Enttäuschung über Ihr Nein …“

„Nützlich für Sie, aber nicht für mich.“ Sie legte den Kopf ans Fenster. Er sah die Schatten unter ihren Augen. „Ein Statement, in dem es heißt, dass ich Nein gesagt habe, verhindert Fragen zu meinem Liebesleben nicht. Die Presse ist heiß auf eine Story und würde anfangen zu recherchieren. Und solange ich nicht weiß, wie Cameron an meine Kontaktdaten gekommen ist, möchte ich nicht, dass die Presse nachforscht. Ich wollte nie etwas mit einer Heiratsvermittlung zu tun haben. Und ich fürchte, dass derjenige, wer auch immer es war, den mein Vater engagiert hat, irreführende Angaben über mich gepostet hat. Wie kommt Ihr Bruder darauf, dass ich Ukrainerin bin? Warum wusste er nicht, dass ich Tänzerin bin?“

„Wir könnten uns eine Geschichte einfallen lassen.“

„Ich bin müde, wegen der Zeitverschiebung meint mein Körper, es wäre Mitternacht, und morgen um zehn habe ich eine Probe. Was ich jetzt brauche, ist Schlaf und nicht ein Abend im Arbeitszimmer.“

War ihr eigentlich bewusst, wie viele Komplikationen es geben würde, wenn sie diese angebliche Verlobung aufrechterhielten? Er hatte wirklich geglaubt, sie würde die Chance nutzen und sagen, dass sie seinen Antrag abgelehnt hatte. Andererseits konnte er den Anflug von Begierde nicht leugnen bei der Aussicht, sie wiederzusehen.

„Ich bin bereit, die Verlobung weiter vorzutäuschen, wenn es dann einfacher für Sie ist.“ Er wollte gutmachen, was Cameron angerichtet hatte. Und dieses Mal nicht Cameron zuliebe.

Sondern Sofia zuliebe.

„Es wäre einfacher für mich.“ Sie strich ihr Haar hinters Ohr, und er bemerkte fünf winzige Perlen an ihrem Ohrläppchen. „Nur für die nächsten drei Wochen. Höchstens einen Monat. Ich muss durch dieses wichtige Vortanzen kommen.“

Sie sah das erste Mal auf der Fahrt in seine Richtung und erwischte ihn dabei, wie er sie anstarrte.

„Natürlich“, stimmte er zu und stellte in Gedanken seinen Terminkalender neu zusammen, um eine Frau in sein Leben zu integrieren. Die Reise nach Kiew könnte er ohne Probleme Cameron oder Ian überlassen. „In diesem Fall sollten wir einen Vertrag mit allen Bedingungen des Arrangements aufsetzen.“

Da Vitali Koslov damit drohte, sein Geschäft in Osteuropa zu blockieren, musste Quinn diese Angelegenheit genauso sorgfältig behandeln wie jeden anderen komplizierten ausländischen Abschluss.

„Ist das klug? Ein Papier macht es leichter, unser Geheimnis zu entdecken.“

Sie holte eine Dose Pfefferminz aus der Tasche, nahm einige heraus und bot ihm eins an. Sein Blick wurde magisch von ihrem Mund angezogen, als sie die Lippen leicht öffnete. Sofort musste er an den Kuss denken. Und dass eine Verlobung weitere Gelegenheiten bieten würde, sie zu berühren. Von dieser Seite betrachtet war der Gedanke, ihren Verlobten zu spielen, alles andere als eine Strafe.

„Quinn?“ Sie neigte den Kopf ein wenig und betrachtete ihn. „Wenn Sie wirklich meinen, dass wir einen Vertrag benötigen …“

„Nicht unbedingt.“ Er sollte die Sache als einen Freundschaftsdienst betrachten. „Aber wir wollen doch beide sicher sein, dass unsere Interessen gewahrt bleiben.“

„Ein Ehevertrag bei einer vorgetäuschten Verlobung.“ Sie schüttelte den Kopf. „Das gibt es nur in New York.“

„Ihr Vater wird sicherstellen wollen, dass Ihr Ruf unbeschädigt bleibt.“

Der Taxifahrer trat so plötzlich auf die Bremse, dass beide nach vorn fielen. Instinktiv streckte Quinn den Arm aus, um Sofia festzuhalten. Eine reine Schutzmaßnahme, bis zu dem Moment, als ihm bewusst wurde, dass sein Unterarm gegen ihre Brüste drückte und seine Hand auf ihrer Schulter lag, unter ihrem seidigen Haar.

Eine sanfte Röte zog über ihr Gesicht, als er sie losließ und sie sich beide zurücksetzten.

„In Ordnung. Wenn Sie etwas aufsetzen wollen, dann unterschreibe ich es, und Sie können sicher sein, dass ich keine Probleme mache, wenn wir die Verlobung beenden.“

Sie wickelte das Cape fester um ihre zierliche Gestalt, eine Geste, die ihn daran erinnerte, wie sie sich angefühlt hatte.

Verdammt. Sein Körper reagierte, als wäre er seit Monaten mit keiner Frau zusammen gewesen, dabei …

Vielleicht war es tatsächlich schon so lange her, dass er die Beziehung mit Portia beendet hatte, einer Bauunternehmerin, die versucht hatte, ihm ein Penthouse in der Park Avenue zu verkaufen. Am Ende war Quinn nicht bereit gewesen, den Komfort des Pierre aufzugeben, des Hotels, das er seit fast zehn Jahren sein Zuhause nannte. Er war auch nicht bereit gewesen für Portia, die mehr daran interessiert war, mit ihm zusammen das Powerpaar von New York zu geben, als an ihm persönlich.

Seitdem war er einer Beziehung aus dem Weg gegangen, und das war seit … letztem Jahr. Verdammt. Kein Wunder, dass ihn die leichteste Berührung mit ihrem Körper unruhig machte. Er biss die Zähne zusammen gegen die aufwallende Begierde und mahnte sich, auf Kurs zu bleiben. Konzentriert. Den Mist zu bereinigen, den sein Bruder gebaut hatte.

Je schneller sie den Monat hinter sich brachten, desto besser.

Sofia atmete tief ein und aus. Sie ignorierte die verwirrenden Gefühle und griff auf ihre lebenslang eingeübte eiserne Disziplin zurück.

Sie beherrschte ihren Körper, nicht andersherum. Und sie würde ganz sicher nicht zulassen, dass der attraktive Quinn McNeill sie mit seiner Berührung durcheinanderbrachte. Oder mit Küssen, die nur der Show dienten. Auch wenn der eine, den sie ausgetauscht hatten, sich echt angefühlt hatte.

Mühsam lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Unterhaltung.

„Ich bin neugierig auf den Plan, den Sie und mein Vater ausgeheckt haben. Ich bin sicher, eine Verlobung ist nicht vorgesehen.“

Nachdem ihre Mutter an Brustkrebs gestorben war, hatte Sofia unter dem Dach ihres kalten, herrschsüchtigen Vaters gelebt und war ständig mit ihm aneinandergeraten. Mit ihrer Mutter hatte sie einen unkonventionellen Lebensstil gepflegt, ein Künstlerleben, das sie durch ganz Amerika und Europa geführt hatte. Ihre Mutter hatte gemalt, sie hatte getanzt. Als ihre Mutter starb, war Sofia zu jung gewesen, um auf eigene Faust die Welt zu entdecken, und ihr Vater war entschlossen gewesen, sie mit seinem Reichtum und den dadurch gegebenen Möglichkeiten für sich zu gewinnen.

Sie hatte nichts davon gewollt. Bis er sie mit einem Bonbon lockte – mit der Ballettschule in St. Petersburg, Russland, eine Chance, die sie nicht ignorieren konnte. Aber sie hatte für dieses Privileg einen hohen Preis bezahlt.

„Er wollte, dass ich Cams Verhalten als einen privaten Scherz zwischen alten Freunden darstelle.“ Quinn wechselte ohne Problem in den Plaudermodus. „Aber ich bin sicher, er ist froh, dass Ihre Wünsche berücksichtigt werden.“

„Vitali hat sich nie für meine Wünsche interessiert. Ich muss ihn unbedingt anrufen und von ihm verlangen, dass er die Heiratsagentur zurückpfeift. Ich will nicht, dass mein Foto und mein Profil noch irgendwo gepostet werden.“

„Soll ich es ihm sagen?“, fragte Quinn. Sie musste überrascht gewirkt haben, denn er fügte schnell hinzu: „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber er und ich haben noch eine Rechnung offen, und ich will genau wissen, wo Cameron Ihr Profil gefunden hat. Ich bin nicht sicher, wer die Schuld an der Kommunikationspanne zwischen Ihrer Heiratsvermittlerin und seiner trägt, aber ich werde der Sache nachgehen, um McNeill Resorts rechtlich abzusichern, da Ihr Vater mit einer Klage gedroht hat.“

Sofia seufzte. „Ich bin zu neunzig Prozent sicher, dass die Drohung nur heiße Luft ist, aber ich verstehe Sie. Und da ich lieber nicht mit meinem Vater spreche, wenn ich so wütend auf ihn bin, wäre ich Ihnen tatsächlich dankbar, wenn Sie die Sache in die Hand nehmen würden.“

„Wird erledigt. Aber, nur damit Sie es wissen, ich habe bei meinem Gespräch mit ihm den Eindruck gewonnen, dass Sie ihm sehr wohl wichtig sind.“ Quinn drückte sich vorsichtig aus. Diplomatisch. Kein Wunder, dass Cameron sich in heiklen Situationen auf ihn verließ. „Aber ich mache mir Gedanken, was Sie von mir erwarten.“ Er sah sie durchdringend an. „Zum Beispiel, wie oft wir uns zusammen in der Öffentlichkeit zeigen müssen. Wenn wir die Geschichte durchziehen wollen, dann müssen wir Tage und Uhrzeiten koordinieren.“

„Wirklich?“ Sie war zu müde und zu überwältigt von den Ereignissen des Abends, um jetzt, wo sie allein waren, den pragmatischen Kurs beizubehalten. „Auch wenn es schon länger her ist, dass ich eine Beziehung hatte, bin ich sicher, dass wir unsere Treffen ohne große Planung managen können. Ich schicke Ihnen morgen eine SMS.“

Er lachte kurz auf. „Na schön. Aber vielleicht könnten wir uns morgen die Zeit nehmen, miteinander zu reden. Wir müssen uns auf eine Geschichte über unser Kennenlernen verständigen, bevor Sie mit der Presse sprechen.“

„Ich habe morgen um zehn eine Probe, davor geht gar nichts. Ich gehe den Reportern einfach aus dem Weg, bis wir zusammen gesprochen haben.“

Die Proben morgen würden schon schwierig werden. Sie konnte nicht glauben, dass sie dem Magazin Dance auch noch angeboten hatte, ihr Vortanzen bei Idris Fortier in der kommenden Woche zu filmen. Sie wäre schon gestresst genug, ohne dass ihre Fehler auf Video festgehalten wurden.

„Die Nachricht könnte sich schnell verbreiten.“ Er machte ein finsteres Gesicht. Ganz offensichtlich missfiel ihm der Gedanke zu warten. „Doch ich weiß, dass ein Jetlag für eine Unterhaltung eher kontraproduktiv ist. Kann ich Sie morgen von der Probe abholen?“

Seine Stimme durchbrach für einen Moment ihre Schutzmauer. Die Frage gehörte zu der Gattung, die ein Lover stellen könnte. War es verrückt, diesen Monat so viel Zeit mit Quinn zu verbringen? Er war das Gegenteil der Männer, mit denen sie normalerweise ausging – Künstler, die sich in einer völlig anderen Welt bewegten als die Koslov-Dynastie. Quinn dagegen war der gepflegte, mächtige Industrielle, der die Welt gern nach seinen Vorstellungen regierte. Das war ihr gleich in dem Moment aufgefallen, als er heute in ihr persönliches Drama platzte und dann gelassen übernommen hatte.

Seine Unterstützung war sehr wertvoll gewesen, ohne Frage. Aber würde sie es bereuen, dass sie einen Mann wie ihn so nah an sich heranließ? Vor allem einen mit dieser unglaublichen Anziehungskraft?

„Nach der Probe passt. Ich bin gegen vier Uhr fertig. Wissen Sie, wo das Theater ist?“

„Natürlich. Hat das Theater einen Seitenausgang? Gibt es dort einen Ort, wohin wir diskret verschwinden können?“

Sie schlug die Beine übereinander, rückte etwas von ihm ab.

„Ja. Auf der Columbus Avenue gibt es einen Coffeeshop.“ Sie suchte den Kontakt in ihrem Smartphone und teilte ihn mit ihm, als das Taxi endlich in die Ninth Street im East Village einbog, in der sie lebte. Ihr Handy vibrierte ständig, was sie daran erinnerte, dass die ganze Welt morgen Fragen an sie hatte.

„Leben Sie allein hier?“, fragte Quinn, als der Wagen anhielt.

Die Frage sollte sie nicht überraschen, denn es war nicht die Gegend, in der Hedgefonds-Manager sich niederlassen würden. Auch ihr Vater versuchte immer wieder, sie von hier fortzulocken. „Ja. Und ich lebe gern hier.“

Er stieg aus dem Wagen, um sie zur Tür zu geleiten, während der Fahrer ihr Gepäck aus dem Kofferraum holte. In der Zeit, die sie benötigte, ihren Schlüssel zu finden, stolperten zwei Männer aus einer Bar. Betrunken und laut. Sie bemerkte, dass Quinn die Männer im Auge behielt, bis sie an ihrem Gebäude vorbei waren.

„Danke, dass Sie mich nach Hause gebracht haben.“ Sie öffnete die Haustür, froh, gleich ins Bett fallen zu können.

Allein. Auch wenn sie den Gedanken, mit Quinn ins Bett zu fallen, ausgesprochen erregend fand.

„Ich bringe Sie bis an Ihre Wohnungstür.“ Wieder ließ er seinen Blick die Straße entlang schweifen, in der es mehr Bars als Wohnhäuser gab.

Zu müde, um zu widersprechen, nickte sie nur und führte ihn durch den dunklen Flur zum Fahrstuhl. Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie wahr, dass er dem Taxifahrer das Gepäck abgenommen hatte. Einen Moment später erreichten sie Apartment 5C. Quinn trat ein, um ihre Tasche in der schmalen Diele abzustellen. Komisch, wie viel kleiner das Apartment schien, wenn er darin war.

Vielleicht war es eine plötzliche Befangenheit, die sie nach dem Handy greifen ließ, als es wieder vibrierte. Sie blickte auf das Display und stellte fest, dass die Nachrichten nicht von neugieren Kolleginnen oder ihrem Vater kamen.

Die Hälfte war von ihrer PR-Agentur. Die andere Hälfte von der Ballettmeisterin. Sofia überflog sie und stellte fest, dass sich alle um dasselbe sorgten – um Spekulationen in den sozialen Netzwerken, sie könnte das Fortier-Ballett nicht ernstnehmen und sich zu sehr auf ihr Privatleben konzentrieren. Sofia spürte, wie ihre Muskeln sich verspannten. Der Stress machte sich in den Schultern bemerkbar, ihre Schläfen schmerzten.

„Ist alles in Ordnung?“ Quinns Stimme schien von weither zu kommen.

„Sie hatten recht. Die Nachricht von unserer Verlobung hat sich schnell verbreitet.“ Sie schluckte und legte ihr Smartphone auf das antike Schränkchen neben der Tür. „Meine PR-Beraterin rät mir, morgen einen Ring zu tragen, um Fragen zuvorzukommen, bis sie die Pressemitteilung geschrieben hat.“ Eine erneute Welle der Verärgerung riss sie aus ihrer Lethargie. „Es ist eine mehr als traurige Aussage über meine Leistungen, wenn lebenslange harte Arbeit von dem Antrag eines reichen Mannes überschattet wird.“

Sie nahm den Schal ab und nestelte wütend an den Knöpfen ihres Capes herum.

„Gerade wegen Ihrer Leistungen ist jeder an Ihrem Privatleben interessiert“, sagte Quinn und half ihr, die Knöpfe zu öffnen.

Sie hätte vielleicht gegen die plötzliche Nähe protestiert, doch im nächsten Moment stand er schon hinter ihr, nahm ihr das Cape von den Schultern und hängte es an die Garderobe.

„Es ist trotzdem nicht fair. Von keinem Mann würde man verlangen, einen Ring zu tragen, damit die Kollegen sich nicht das Maul über seine Liebesbeziehung zerreißen.“

„Nein.“ Er griff in seine Manteltasche und holte die kleine samtene Box heraus, die am Flughafen für Unruhe gesorgt hatte. „Aber da mein Bruder Sie in diese unangenehme Situation gebracht hat, sollten wir mal nachsehen, was für einen Ring er ausgesucht hat.“

Er hielt die Box hoch und ihr damit die Absurdität des Abends vor Augen. Wer hätte ahnen können, als sie vor so vielen Stunden in Kiew an Bord ihres Fliegers ging, dass sie jetzt, bevor sie zu Bett ging, in ihrem Apartment mit einem Fremden die Bedingungen einer Verlobung aushandeln würde?

„Warum nicht? Bei all dem, was mich im Moment belastet, kann ich sowieso nicht schlafen.“ Sie zuckte mit den Achseln, ging einige Schritte in ihr Apartment hinein und schaltete die Bogenlampe über dem schwarzen Sofa an. „Kommen Sie rein, wenn Sie möchten. Ich war drei Wochen nicht zu Hause, und ich bin froh, wieder hier zu sein.“

Sie bot ihm einen Platz auf der Couch an. Sie selbst setzte sich auf die Truhe, die als Tisch diente.

„Nur ganz kurz.“ Er zog seinen Mantel nicht aus, setzte sich aber. „Ich weiß, dass Sie müde sind.“ Ihre Blicke trafen sich für einen flüchtigen Moment, bevor er wieder auf die Box sah. „Lassen Sie uns einen Blick hineinwerfen.“

Er öffnete die Box, und zum Vorschein kam ein Ring, der ihr den Atem raubte.

Quinn stieß einen leisen Pfiff aus. „Sie sind sicher, dass Sie meinen Bruder bis heute nicht kannten?“

„Absolut.“ Sie griff nach dem funkelnden, mit vielen Brillanten besetzten Ring. „Der kann nicht echt sein.“

„Er ist echt.“ Quinn nahm den Ring aus der Box. „Und angesichts des Ärgers, den sein Antrag gemacht hat, ist es nur fair, wenn Sie den Ring morgen tragen.“

Er hielt den Ring in einer Hand und nahm ihre Hand mit der anderen. Seine warmen Finger auf ihrer Haut zu spüren, brachte sie ganz schön aus dem Gleichgewicht.

„Den kann ich nicht tragen.“ Sie saß ihm gegenüber, ihre Knie stießen aneinander, sein Daumen lag an ihrer Handfläche.

Die Berührung bohrte sich tief in ihr Bewusstsein, entfachte dort etwas. Ihr Herz schlug schneller.

Ein Lächeln zog über Quinns attraktives Gesicht.

„Wir haben uns auf diese Fake-Verlobung verständigt. Finden Sie nicht, dass es vernünftiger ist, den Ring zu tragen, den wir haben, statt einen neuen zu kaufen?“

Er legte den Ring neben sie. „Entscheiden Sie, ob Sie ihn morgen tragen oder nicht. Und jetzt gehe ich, damit Sie etwas Ruhe bekommen.“

Er stand auf und ließ das wertvolle Schmuckstück auf der letzten Ausgabe der Vogue liegen.

„Quinn.“ Sie stand auf, um ihn an die Tür zu bringen. Im Gehen griff sie nach dem Ring. „Bitte. Ich möchte ihn nicht hierbehalten.“

Er drehte sich zu ihr, machte aber keine Anstalten, das funkelnden Schmuckstück zu nehmen.

„Wenn Sie meine Braut wären, dann würde ich keine Kosten scheuen, um der Welt zu zeigen, dass Sie mir gehören.“ Seine blauen Augen strahlten eine Wärme aus, die sie an seinen Kuss denken ließ. Ihr stockte der Atem, und sie fragte sich, wie es wäre, wenn sie wirklich ihm gehörte.

Seine Braut.

„Ich bin …“ Sprachlos. „Das heißt …“ Sie schloss die Finger um den Ring. Die Steine drückten in ihre Haut, lenkten sie von der Nähe des Mannes ab. „Wenn Sie darauf bestehen.“

„Es ist eine Sache der Glaubwürdigkeit, Sofia.“

„Es ist nur für einen Monat.“

„Einzelheiten besprechen wir morgen.“ Er strich eine Haarsträhne aus ihrer Stirn, berührte sie dabei kaum, und doch schoss ein wohliger Schauer über ihren Rücken. „Schlafen Sie gut.“

Damit war er aus der Tür und ließ sie in allein in einer Wohnung zurück, die ohne ihn leer schien.

Sie ballte die Faust fester um den Ring und wartete auf den schmerzhaften Druck der scharfkantigen Steine. Sie musste in Erinnerung behalten, dass diese Verlobung nicht real war. Quinn McNeill hatte sich auf diesen verrückten Plan nur eingelassen, um auszubügeln, was sein Bruder angerichtet hatte. Jedes Anzeichen von Anziehungskraft musste sie sofort unterdrücken, zumal Quinn aus demselben Holz geschnitzt war wie ihr Vater – fokussiert auf die Anhäufung von Vermögen. In ihrer Welt standen Kunst, Gefühle und menschliche Verbindungen im Mittelpunkt.

Ihre Mutter hatte sie gelehrt, dass ein Mensch nur in eines der beiden Lager passte. Sofia gab ihr recht. Und da sie sich einen Partner wünschte, der ihre Ideale teilte, war sie bereit zu warten, bis sie mehr Zeit hatte, den Richtigen zu finden. Liebe konnte man nicht erzwingen.

„Nur für einen Monat“, sagte sie laut und legte den Verlobungsring auf einen Tisch im Flur.

Doch als sie zu Bett ging, fürchtete sie, dass sie sich selbst etwas vormachte, wenn sie glaubte, sie könnte die Hände ebenso leicht von Quinn McNeill lassen, wie sie den Ring weggelegt hatte.

4. KAPITEL

Quinn legte eine Nachtschicht ein und war bis zum nächsten Mittag damit beschäftigt, Termine zu verschieben, um im kommenden Monat mehr Zeit in der Stadt zu verbringen.

Sofia.

Er blickte von dem hellen Monitor seines Laptops auf und lehnte sich zurück. Der alte Stuhl seines Großvaters hatte auch nach jahrzehntelanger Nutzung noch Klasse und war eine Konstante in einer Karriere, die ständig Fantasie und Innovation forderte, um konkurrenzfähig zu bleiben. Geistesabwesend ließ er seinen Blick über die geöffnete Zeitung auf seinem Schreibtisch schweifen. Trotz diverser Nachrichten-Apps auf seinem Smartphone las Quinn noch jeden Morgen die Zeitung. Und er konnte nicht ignorieren, was auf der heutigen Gesellschaftsseite abgedruckt war: das Foto einer grazilen Ballerina.

Den ganzen Morgen beschäftigte sie schon seine Gedanken, und daran änderte sich auch nichts, als er den Computer herunterfuhr und das Bürogebäude verließ. Und auch als er sich von seinem Fahrer zu der Baustelle von McNeill Resorts neuestem Projekt in Brooklyn fahren ließ, schwirrte sie ihm durch den Kopf. Nur mit Mühe konnte er sich auf die unvermeidbare Konfrontation mit Cameron vorbereiten, der während der Abwesenheit ihres Großvaters auf der Baustelle sein würde.

Auch wenn sein Bruder gestern seine vermeintliche Braut einfach hatte stehen lassen, so vermutete Quinn dennoch, dass Cameron die Wende der Ereignisse nicht unkommentiert lassen würde. Und auch wenn Quinn hoffte, dass er die Wut von Sofias Vater etwas abgeschwächt hatte, so wusste er, dass die Verlobung bei seinem Bruder für Aufruhr sorgen würde. Wenn überhaupt, dann hoffte Quinn, dass diese Geschichte Cameron klarmachte, was passieren konnte, wenn er eine Frau heiraten wollte, die er nie zuvor gesehen hatte.

Er drückte den Knopf der Gegensprechanlage, als die Limousine an der Baustelle in der Montague Street in Brooklyn Heights anhielt.

„Es dauert nicht lange, Jeff“, sagte Quinn zu seinem Fahrer, bevor er aus dem Fahrzeug stieg. Mit einem Coffee-to-go in der Hand betrat er die Baustelle.

„Guten Morgen, Giacomo.“ Quinn nickte dem Vorarbeiter zu und nahm einen Helm.

Giacomo – ein begehrter Projektmanager, der auf den Umbau historischer Gebäude spezialisiert war – winkte wortlos, das Handy ans Ohr gepresst. Der Mann deutete aufs Dach des Gebäudes, und Quinn stieg die provisorische Treppe hinauf, die während der Bauphase die einzelnen Etagen miteinander verband.

Er erreichte das Dach und entdeckte seinen Bruder, der vom schönsten Fleck auf dem Dach gen Horizont blickte – eine sonnige Oase auf dem Dach, die eines Tages der Ort für Dinner, Drinks und besondere Events werden würde. Selbst um die Mittagszeit war der Ausblick atemberaubend. Doch in der Dämmerung, wenn die Sonne hinter der Skyline von Manhattan unterging, dann gab es keinen schöneren Blick auf die Stadt als von hier.

Cameron saß auf einem Plastikstuhl, der aussah, als käme er direkt aus einem Müllcontainer, die Beine mit Farbe bekleckst. Er hatte den Stuhl nah an die Kante des Daches gezogen, den Laptop balancierte er auf dem Schoß, sein Helm lag zu seinen Füßen. An seinen Jeans hingen Sägespäne, und mit dem Fuß tippte er einen Rhythmus, den es nur in seinem Kopf gab.

Quinn musste ein Geräusch gemacht oder einen Schatten geworfen haben, denn Cameron drehte sich zu ihm.

„Ich weiß nicht, ob ich dich im Moment sehen möchte.“ Cameron lächelte nicht. Er sah wieder auf seinen Monitor. „Nachdem ich weg war, ist ja so einiges passiert.“

„Genau das ist der Punkt … du bist gegangen.“

„Und du hast dich gezwungen gesehen, den edlen Ritter zu spielen?“ Cameron drehte den Monitor seines Laptops zu Quinn und zeigte die Schlagzeile, die lautete: Zwei McNeill Großindustrielle machen Ex-Zuckerfee einen Heiratsantrag.

Das dazugehörige Foto zeigte Sofia in einem Tutu bei einer Pirouette. Verdammt. Sie sah so heiß aus. Der zierliche, biegsame Körper ließen ihn an den Kuss und sein heftiges Verlangen denken.

Cameron machte ein entschlossenes Gesicht, seine Augen funkelten wütend. Anklagend. Mehr brauchte Quinn nicht, um gedanklich zu dem vorliegenden Problem zurückzukehren.

Quinn verschränkte die Arme. Cam musste begreifen, was auf dem Spiel stand.

„Du hast ihren Vater total verärgert. Und damit nicht nur einen der reichsten Männer der Welt, sondern zufällig auch noch einen, der über genügend osteuropäische Verbindungen verfügt, um den Kauf der neuen Resorts zum Scheitern zu bringen. Und jetzt sag noch, das geht mich nichts an.“ Quinn schüttelte den Kopf und zog eine Kiste dorthin, wo sein Bruder saß. Er stellte einen Fuß darauf.

Cameron kniff die Lippen zusammen und knurrte: „Du hast dich in meine privaten Dinge eingemischt, und das weißt du. Man macht nicht der Braut des Bruders einen Antrag, fünf Minuten, nachdem sie miteinander fertig sind.“

„Sofia hat dir nie gehört“, erinnerte Quinn ihn. Diese Vorstellung ärgerte ihn mehr als sie sollte. Sein Beschützerinstinkt erwachte plötzlich. „Und du hast jede Chance, die Sache mit ihr zu retten, verwirkt, als du gestern den Flughafen verlassen hast.“

Allerdings war Quinn zum ersten Mal nicht enttäuscht über Cams spontane Art. Der Gedanke, dass sie einen anderen Mann als ihn küsste, schien ihm plötzlich unerträglich.

„Denk, was du willst, aber ich habe bemerkt, wie du sie angesehen hast.“ Cameron trommelte mit den Fingern auf seinen Laptop.

Quinn konnte nicht leugnen, dass er gleich, als er sie das erste Mal gesehen hatte, etwas für sie empfunden hatte.

„Und auch dann wäre ich noch nicht gegangen, doch sie hat dich genauso angeschaut. Es ist eine Sache, einer Schlägerei in einer Bar auszuweichen oder ein hitziges Meeting mit Investoren zu verlassen, aber ich hätte die Frau nicht den gierigen Journalisten überlassen, wenn ich nicht die Blicke zwischen euch beiden gesehen hätte.“

„Wenn das so ist … danke.“ Quinn wusste nicht, wie er mit der neuen Information umgehen sollte. Hatte Sofia sich zu ihm so hingezogen gefühlt wie er sich zu ihr? „Nachdem ich mit ihrem Vater gesprochen habe, denke ich langsam, dass die Partneragentur Sofias Privatsphäre verletzt hat. Es schlimm, dass er sie ohne Sofias Einwilligung beauftragt hat. Aber ich glaube nicht, dass er sein Einverständnis gegeben hat, Sofias Foto und ihre Daten auf diese Art von Online-Partnerbörse zu setzen, die du mir beschrieben hast.“

„Genau das habe ich auch gedacht, als ich gestern den Flughafen verließ.“ Cameron drehte seinen Laptop-Monitor, sodass Quinn das Webbanner von Mallory West, einer Heiratsagentur in Manhattan, sehen konnte. „Ich habe meine Vermittlerin angerufen, und sie hat mich daran erinnert, dass ich wissentlich eine Frau von der Seite eines Drittanbieters gewählt habe, zu der Mallory Wests Klienten Zugang haben. Ich wurde im Vorfeld informiert, dass Miss West diese Frauen nicht persönlich kennt. Sie arrangiert nur die Treffen. Sie hat das Geld zurückerstattet und mir versichert, dass sie mit der Person sprechen wird, die die Frauen auf der Website überprüft, die ich besucht habe.“

Quinn sank auf die Kiste und blickte über die Bucht von Manhattan.

„Wie kann eine Partnervermittlerin Menschen zusammenbringen, die sie nicht einmal kennt?“ Das klang unmoralisch. „Ich dachte nicht, dass sie so arbeiten.“

„Das tun sie auch nicht. Aber ich hatte es eilig und wollte Hürden vermeiden, da ich ja nicht nach der großen Liebe gesucht habe.“ Cameron zuckte mit den Schultern. „Und Mallory hat recht – sie war nur eine Vermittlerin. Ich habe mir eine Frau von der Seite eines Drittanbieters ausgesucht.“

„Was die Bedeutung einer Heiratsvermittlung zunichtemacht.“ Quinn biss die Zähne zusammen. „Du hättest dir gleich online eine Braut suchen können. Warum bezahlst du eine Agentur, wenn du dann eine Frau triffst, deren Namen du aus einer Lostrommel gezogen hast?“

Cam schien die Frage ernst zu nehmen. „Ich wollte den Prozess beschleunigen und bin davon ausgegangen, dass die Profile der Frauen stimmen.“

Quinn wünschte jetzt, er hätte besser aufgepasst, als Cameron ihm das erste Mal von seinem Besuch bei einer Heiratsvermittlung erzählte. Aber damals war er darauf konzentriert gewesen, Cam eine übereilte Ehe auszureden.

„Sie übernimmt also keine Verantwortung, und sie gibt dir dein Geld zurück, was die Frage aufwirft, ob sie sich auch Gedanken über die Webseite macht. Hast du noch Zugang zu der Seite?“

„Nein. Ich habe meine Mitgliedschaft bei Mallory West gekündigt. Aber Miss West hat versichert, dass Sofias Profil nicht mehr auf der Seite zu sehen ist.“

„Und als du ihr gesagt hast, dass du an einem Treffen mit Sofia interessiert bist, da hat sie dir die Flugdaten geschickt?“

„Richtig.“ Cameron schloss seinen Laptop.

„Ich werde diese Information an Sofias Vater weitergeben. Ich hoffe, damit seine Wut etwas entschärfen zu können. Schließlich war er derjenige, der ihr Foto freigegeben hat. Es ist nicht dein Fehler, dass er eine inkompetente Vermittlerin engagiert hat.“ Quinn hob die Stimme, als ein Presslufthammer irgendwo im Gebäude losging. Das Dach vibrierte bei dem Lärm.

„Es ist schon irgendwie komisch, dass ich wegen Gramps Testament unbedingt heiraten will und dass ich dann eine Frau auswähle, die von ihrem Vater verheiratet werden soll, es selbst aber gar nicht will.“ Cameron nahm seinen Helm, den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet.

„Richtig. Aber ich verstehe nicht, warum Vitali überrascht war, dich am Flughafen zu sehen, wenn er die Flugdaten Sofias Heiratsvermittlerin mitgeteilt hat, die sie dann deiner weitergegeben hat. Ich glaube nicht, dass seine Überraschung gespielt war. Und das bedeutet, dass irgendetwas an der Sache nicht stimmt.“

Er hatte bereits einen IT-Fachmann damit beauftragt, alle Informationen über Sofia Koslov herauszusuchen, die im letzten Monat gepostet worden waren. Selbst wenn ihr Profil gelöscht worden war, konnte dieser Mann noch verlässliche Spuren finden. Quinn würde es helfen, wenn er Vitali zeigen konnte, wo Cameron Sofias Profil gefunden hatte. Wie könnte Sofias Vater den Kauf von den Hotels blockieren, die die McNeills haben wollten, wenn sie keine Schuld an diesem Schlamassel trugen?

Aber diesen Mann zu engagieren, diente noch einem weiteren Zweck – Sofias Privatsphäre zu schützen.

Cameron stand mit einer fließenden Bewegung auf, nahm seinen Helm und setzte ihn auf.

„Es ist sicherlich ratsam herauszufinden, was mit Sofias privaten Informationen passiert ist, bevor du mit dieser vorgetäuschten Verlobung weitermachst.“ Cam sah auf sein Handy und steckte es dann in die Tasche. „Oder sogar heiratest.“

„He.“ Quinn schlug seinem Bruder auf den Rücken. Fest. „Du weißt genau, dass wir nicht heiraten werden.“

Die Vorstellung, eine Nacht mit ihr zu verbringen, brachte ihn jedoch schnell auf Touren. Besser, er verdrängte den Gedanken an Sex ganz schnell, wenn er mit ihr die Verlobung durchsprechen wollte.

Andererseits hatte er nicht versprochen, die Hände von ihr zu lassen. Und sie wollte, dass die Verlobung glaubhaft wirkte. Was quasi die Zustimmung war, ihr näherzukommen.

Viel, viel näher.

„Du redest dir immer noch ein, da wäre nichts.“ Cam schüttelte den Kopf und ging in Richtung Treppe. „Aber auch wenn du so tust, als wäre dir Gramps Testament egal. Ich weiß, dass du im Hinterkopf hast, dass du heiraten musst. Bald.“

Ein düsterer Ausdruck zog über Camerons Gesicht, als er sich umdrehte. Seine Schritte hallten laut wider, als der Lärm des Presslufthammers plötzlich verstummte. Quinn sah seinem Bruder nach, der sich entfernte, bevor es zu einem Streit kam. Er würde wegen McNeill Resorts nicht heiraten, verdammt noch mal. Er betrieb nur Schadensbegrenzung, nachdem sein Bruder mal wieder so ein Durcheinander verursacht hatte.

Aber vielleicht hatte Cameron auch recht. Quinn fühlte sich zu Sofia hingezogen. Er musste vorgeben, ihr Verlobter zu sein. Es gab keinen Grund, warum er die Zeit nicht nutzen sollte, Sofia näherzukommen.

Spaß mit Sofia zu haben.

Herauszufinden, ob der Kuss ein Glückstreffer gewesen war oder ob die Hitze zwischen ihnen so sengend war, wie er meinte.

5. KAPITEL

Sofia flocht nach der Dusche ihr nasses Haar. So schweißgebadet, wie sie nach der zweiten Trainingseinheit des Tages war, wollte sie sich nicht mit Quinn treffen. Der Schriftsteller Anton Tschechow hatte mal gesagt, dass er nichts übers Ballett wisse, außer dass die Tänzerinnen während der Pausen „wie Pferde stanken“. Und der Mann hatte recht.

Sie suchte in ihrer Tasche nach einem Haargummi, bevor sie sich vor einen der Schminkspiegel setzte. Beim Nachmittagstraining waren meist viele junge Tänzerinnen anwesend. Sechzehn- bis Achtzehnjährige, die sich körperlich einen harten Wettkampf mit ihr lieferten, was genau das war, was sie brauchte. Nach einem Tag in der Luft war sie bei der ersten Trainingseinheit heute Morgen nicht fit gewesen. Deshalb hatte sie nach der Showprobe auch bei der Nachmittagseinheit mitgemacht, um ihren Körper wieder in Form zu bringen. Ein Tag ohne Training machte sich sofort bemerkbar. Außerdem, wenn sie jede Minute des Tages mit Training vollstopfte, dann hatten ihre Kolleginnen weniger Möglichkeiten, sie wegen gestern auszufragen.

Oder wegen des großen Brillanten an ihrem Finger.

Sie hatte den atemberaubend schönen Ring zum Training abgenommen, doch jetzt, wieder in Straßenkleidung, schob sie das prachtvolle Teil zurück auf den Finger.

„Wow, Honey, was für ein Ring!“ Jasmine Jacksons Stimme überraschte sie, auch wenn sie damit hätte rechnen müssen, ihre Freundin und Pressesprecherin für ein kurzes Gespräch backstage zu treffen.

Die schwere Tür knallte hinter Jasmine zu, als sie sich um Bühnenlampen und rollende Kleiderständer mit in Plastik eingepackten Kostümen herumschlängelte. Die zierliche Jasmine mit dem pechschwarzen Haar, das bei bestimmtem Licht blau schimmerte, hatte ein Jahr lang mit Sofia die Ballettschule in North Carolina besucht, bevor Sofias Mutter das Reisefieber gepackt hatte und sie durch Europa getourt waren. Jasmine beendete ihre Karriere, als sie mit dreizehn in die Pubertät kam und ihr Körper sehr weibliche Kurven annahm. Viele Frauen beneideten sie um ihre Figur, aber ihre Freundin war damals zutiefst unglücklich gewesen, als ihre Brüste auf Größe C anwuchsen – eine der vielen körperlichen Veränderungen, die das Tanzen erschwerten und wegen der die Casting-Direktoren sie übersahen. Sie war am Boden zerstört gewesen.

Jasmine hatte schließlich an der Syracuse University Kommunikationswissenschaften studiert und im PR-Bereich für die Fitness-Industrie gearbeitet. Der Job wurde gut bezahlt und führte sie zu Sofias Freude nach New York. Zwei Jahre lang hatten sie sich eine Wohnung geteilt, bis Jasmines Budget das von Sofia weit überstieg und sie in eine größere Wohnung zog.

„Ja, nicht wahr? Ich habe richtig Angst, ihn zu verlieren. Aber irgendwie finde ich es komisch, dass er mir passt, findest du nicht auch?“ Hatte ihr Vater der Heiratsvermittlerin solch private Dinge mitgeteilt? Eigentlich hatte sie vorgehabt, heute mit ihm zu sprechen, um herauszufinden, wie sehr ihre Privatsphäre verletzt worden war. Doch sie war noch zu wütend auf ihn.

Jasmine hob Sofias Hand. Eine Strähne ihres seidigen schwarzen Haars streifte Sofias Handgelenk, als ihre Freundin den Ring im Licht des Spiegels betrachtete. Wie immer sah Jasmine sehr elegant aus – über ihrem knielangen, grau- und taupefarbenen körperbetonten Kleid trug sie einen klassischen Mantel im Vintage-Stil, den sie offen gelassen hatte. Ihre Armreifen klimperten bei jeder Bewegung. Alles an ihr war feminin. Sofia dagegen trug Leggings und ein Männerhemd mit einem Blazer darüber – in den kälteren Monaten ihr Outfit für den Weg zur Arbeit. Mit den nassen geflochtenen Haaren fühlte sie sich ziemlich glanzlos neben der glamourösen Jasmine.

„Wow. Diese Brillanten sind der Wahnsinn.“ Ihr Südstaatenakzent war mit den Jahren fast verschwunden, nur der singende Tonfall war geblieben. „Komm, lass uns gehen und reden, damit ich dich auf den neuesten Stand bringen kann, bevor wir uns mit deinem sexy Verlobten treffen.“

„Kommst du mit mir in den Coffeeshop? Ich bin den ganzen Tag schon total nervös wegen des Treffens mit ihm.“ Sie klammerte sich an Jasmines Arm wie an einen Rettungsring.

„Nun, das hatte ich eigentlich nicht vor.“ Jasmine runzelte die Stirn, blind für die Männer, die sich nach ihr umdrehten, als sie durch die belebten Straßen liefen. „Ihr beide habt eine Menge zu besprechen.“

„Ich weiß. Aber du gehörst dazu.“

„Seit wann brauchst du einen Babysitter bei einem Date? Ich werde Hallo sagen, aber dann gehe ich. Ich habe eine Verabredung zu einem Drink.“ Ihre Arbeit fand genauso oft bei einem Dinner und Cocktails statt wie in einem Konferenzraum. „Und jetzt erzähl, was heute passiert ist.“

„Glücklicherweise nicht viel.“ Ihr Plan, mit intensivem Training den Gesprächen über die Verlobung aus dem Weg zu gehen, war aufgegangen. „Die Einzige, die mich in die Enge getrieben hat, war die Ballettmeisterin. Sie hat mich ermahnt, daran zu denken, dass Idris Fortier mit einer Tänzerin arbeiten möchte, die sich zu tausend Prozent seinem Ballett widmet.“

„Hast du ihr gesagt, dass tausend Prozent etwas viel ist?“

„Hätte ich noch einen Job, wenn ich das getan hätte?“ Der unbeschwerte Moment war vorüber, als das Joe Coffee in Sichtweite kam und Sofia daran dachte, dass sie gleich Quinn wiedersehen würde.

Hatte sie seine Anziehungskraft gestern Abend in ihrem tranceähnlichen Jetlag-Zustand überschätzt? Sie hoffte es.

„Wie geht es deinen Knien?“, fragte Jasmine. Das war die einzige Frage, die Sofia noch mehr aus dem Konzept brachte als Quinn.

Wie alle Tänzerinnen war auch Sofia anfällig für Verletzungen. Ballett war hart für den Körper, und eine Tänzerin wusste nie, wann ihre aktive Zeit abgelaufen war. Sofia fürchtete das Ende ihrer Karriere, vor allem, wenn sie an den Teufelspakt dachte, den sie als Teenager mit ihrem Vater geschlossen hatte. Zwei Monate nach dem Tod ihrer Mutter hatte er Sofia die Gelegenheit verwehrt, in St. Petersburg zu tanzen, und darauf bestanden, dass sie ihre Ausbildung in den Staaten beendete. Erst nach wochenlangem Bitten und Betteln bot er ihr einen Deal an. Sie durfte nach Russland auf eine Ballettschule, wenn sie versprach, nach Ende ihrer Tanzkarriere in sein Unternehmen einzusteigen.

Was nicht passieren würde. Er konnte sie nicht zwingen, sich an einen Deal zu halten, den sie als Teenager getroffen hatte. Doch ohne Alternativplan hatte sie ein Problem. Nein zu sagen, wenn sie keine Perspektive hatte, war schwierig. Und weiter in dieser teuren Stadt zu leben, wäre praktisch unmöglich.

„Ich hatte in Kiew manchmal ein Stechen im rechten Knie, aber nichts, was mich von der Bühne ferngehalten hätte.“

„Übertreib es nicht“, warnte Jasmine. „Deine Gesundheit ist wichtiger als Idris und sein Ballett, egal, was du denkst.“

„Im Gegenteil. Beides ist mein Ticket in eine Karriere nach dem Tanz.“ Sie wusste, dass eine Hauptrolle und die enge Zusammenarbeit mit einem berühmten Choreografen ihr Profil in der Tanzwelt komplett verändern würde. Es würde ihr die Türen zu dem kreativen Projekt öffnen, das sie im Hinterkopf hatte. Deshalb musste ihr Knie durchhalten.

Jasmine lachte. „Du änderst dich nie, Sofia. Schon als Kind hattest du immer einen Plan.“

Sofia verlangsamte ihren Schritt, als sie sich dem Coffeeshop näherten, und griff nach Jasmines Arm.

„Bei Quinn McNeill habe ich keinen.“ Er oder sein Geld schüchterten sie nicht ein. Doch er löste etwas in ihr aus, das ihr Angst machte. War es nur körperliche Anziehungskraft? Oder war es noch etwas anderes?

Sagte ihr Bauchgefühl, dass er nicht vertrauenswürdig war?

„Er ist nur ein Mann. Wie jeder andere auch.“ Jasmine schürzte die Lippen. „Ein alltäglicher Durchschnittsmilliardär.“ Sie hakte sich bei Sofia ein und zog sie vorwärts. „Komm. Wir müssen ein paar Dinge besprechen, bevor ich wieder gehe.“

Sofia straffte die Schultern und betrat den Coffeeshop, wild entschlossen, Quinn nicht merken zu lassen, dass er sie nervös machte.

Den Rücken gerade, den Kopf hoch erhoben, schritt Sofia Koslov in den Coffeeshop. Quinn sah sie von seinem Eckplatz aus. Ihre Körperhaltung war anders als bei anderen Frauen, etwas, das ihm schon gestern aufgefallen war.

Zu dem Zeitpunkt hatte er den Grund für ihre perfekte Körperhaltung und die anmutigen Bewegungen noch nicht gekannt. Jetzt wusste er, dass es am Tanztraining lag. Er konnte sich trotzdem nicht vorstellen, dass sie jemals die Zuckerfee im „Nussknacker“ von Tschaikowsky getanzt hatte, auch wenn er die Zeitungsausschnitte gesehen hatte.

Den schwarzen Schwan im „Schwanensee“ vielleicht. Sie strahlte eine hoheitsvolle Eleganz aus, pure Perfektion. Das geflochtene Haar betonte den für Ballerinen üblichen langen Hals. Ihre Kleidung war schlicht und dezent, sodass nur die Frau selbst strahlte. Und der Ring an ihrer linken Hand, stellte er zufrieden fest. Allein ihr Anblick erregte ihn, trotz der vielen Menschen in dem Coffeeshop.

Verdammt.

Er erhob sich, um die beiden Frauen zu begrüßen.

„Sofia.“ Er begrüßte sie so, wie er eine Frau, die er liebte, begrüßt hätte. Er schlang den Arm um ihre Taille und küsste sie auf die Wange, diskret genug für die Öffentlichkeit und doch liebevoll. Als er zurückwich, um ihrer Freundin die Hand zu geben, bemerkte er eine leichte Röte in Sofias Gesicht.

„Quinn McNeill“, stellte er sich vor.

„Jasmine Jackson. Ich bin Sofias beste Freundin und ihre Pressesprecherin. Die Hüterin ihrer Geheimnisse.“ Sie hatte einen festen Händedruck, und ihr Blick sagte ihm, dass sie über ihren Plan Bescheid wusste. „Sollen wir uns setzen, damit ich euch meine Vorschläge unterbreiten kann?“

„Natürlich. Hier entlang, bitte.“ Er deutete auf den Tisch etwas abseits, den er reserviert hatte. Jasmine ging vorweg, und er folgte ihr mit Sofia, die Hand auf ihrem schmalen Rücken. Diese Berührung machte ihm deutlich, wie sehr er sich darauf freute, ihren Verlobten zu spielen.

Er nahm neben Sofia Platz, Jasmine setzte sich ihnen gegenüber. Sie legte eine Ledermappe auf den Tisch.

„Ich habe euch mal ausgedruckt, welche gesellschaftlichen Events wichtig sind.“ Jasmine schob ihnen die Blätter zu.

Er verinnerlichte die umfassenden Notizen zu Terminen und Events und war beeindruckt. Sie hatte Details über den Status ihrer Einladungen, Anfahrtsbeschreibungen, Garderobevorschläge, eine Who-is-Who-Liste von Menschen, mit denen sie sprechen sollten, und mögliche Orte für Fotoshootings. Die Frau hatte ihre Hausaufgaben gemacht − und zwar schnell.

„Wie ich sehe, sind Sie mit den gesellschaftlichen Ereignisse in New York vertraut“, bemerkte er und fragte sich, ob die PR-Agentur seiner eigenen Firma den Job auch nur halb so gut erledigt hätte. „Ein sehr ambitionierter Terminplan.“

„Wie gesagt, dies ist eine Wunschliste, die mehreren Zwecken gleichzeitig dienen würde.“ Jasmine schloss die Ledermappe.

„Du hast dich mit Dance in Verbindung gesetzt, um einen neuen Termin für das Interview zu vereinbaren?“, fragte Sofia.

„Ja. Ich habe ihnen gesagt, dass du heute keinen Termin frei hast, aber dass du am Freitagabend während des Empfangs für Idris Fortier zur Verfügung stehen könntest.“ Jasmine zeigte über den Tisch und deutete auf den Termin oben auf der Liste. „Ich habe versprochen, dass sie das Statement über die gestrigen Ereignisse als Erste bekommen.“ Jasmine holte weitere Papiere aus der Mappe und schob sie über den Tisch. „Hier ist eine vorläufige Pressemitteilung. Wenn ihr eure Änderungen einfügen und mir die digitale Ausfertigung vor sieben Uhr heute Abend schicken könntet, dann kann ich sie weiterleiten, und sie erscheint noch heute als Blogbeitrag.“

Quinn überflog die Pressemitteilung, die nur wenig persönliche Details enthielt, wie er zufrieden feststellte.

„Wann habt ihr euch kennengelernt?“ Sofia las die gelb markierten Absätze laut. „Wann habt ihr euch ineinander verliebt?“ Sie blickte in Quinns Richtung, dann wieder zu ihrer Freundin.

„Ist das wirklich nötig?“, fragte Quinn irritiert.

„Diese beiden Fragen wird jeder stellen. Besser, ihr gebt die Info gleich raus.“ Jasmine drückte Sofias Arm. „Aber besprecht es. Ich muss jetzt los zu meinem nächsten Termin.“

Insgeheim erfreut, dass er Sofia jetzt für sich allein hatte, erhob Quinn sich ebenfalls, als Jasmine sich verabschiedete. Sofia packte die Papiere ordentlich zusammen und verstaute sie in ihrer Umhängetasche aus schwarzem Leder.

„Vielleicht können wir den Rest bei einem Spaziergang besprechen? Der Park ist ganz in der Nähe. Ich weiß, ich habe den Coffeeshop vorgeschlagen, aber ich habe die Geräuschkulisse nicht bedacht.“

„Gute Idee.“ Er legte ein Trinkgeld für die Kellnerin hin, obwohl sie noch gar nichts bestellt hatten, dann begleitete er Sofia hinaus auf die Straße. Er spürte ihre innere Anspannung. Stress? Nervosität? Es war nicht leicht, ihr Verhalten zu deuten. „Ich wohne auf der anderen Seite des Parks. Wir könnten in die Richtung gehen.“

„In Ordnung.“ Sie wirkte sofort entspannter. „Es tut mir leid, wenn die Situation Ihnen die Zeit stiehlt. Ich hätte gestern keine Entscheidungen treffen dürfen.“

„Mein Geschäft profitiert davon, wenn ich an den Events teilnehme.“ Er nahm ihr die Tasche ab, um sie für sie zu tragen. Sofia würde die nächsten Wochen oberste Priorität bei ihm haben – ob die Verlobung nun echt war oder nicht. Sie schien nicht der Typ Frau zu sein, der es anderen erlaubte, sich um sie zu kümmern. Doch Quinn fand, dass sie es gebrauchen konnte, und dieser Pressetrick machte es ihm möglich. „Ich habe die Netzwerkarbeit im letzten Jahr sträflich vernachlässigt, obwohl sie den Bekanntheitsgrad des Unternehmens erhöht.“

Er wollte, dass sie sich wohlfühlte. Dass sie Spaß hatte. Er wollte sie besser kennenlernen, und dies war der perfekte Zeitpunkt.

„Eine sehr großzügige Art, die Situation zu betrachten. Danke.“

„Ich würde es nicht großzügig nennen.“ Er blickte in den Himmel, da es anfing zu schneien. „Sind Sie warm genug angezogen?“

„Ich habe mein Cape dabei.“ Sie deutete auf die Tasche, die er sich über die Schulter gehängt hatte. Er hob den Arm, damit sie hineingreifen konnte. Sie zog das wollene Cape heraus, das sie am Tag zuvor getragen hatte.

„Darf ich?“ Er nahm sie beiseite, breitete das Cape aus und legte es ihr über die Schultern, dann drehte er sie zu sich herum, damit er die beiden großen Knöpfe an ihrem Hals schließen konnte. Ihre Blicke trafen sich, und für einen kurzen Augenblick knisterte es zwischen ihnen genauso wie bei dem Kuss.

„Ich mache das“, protestierte sie.

Doch er zog seine Hände nicht zurück. „Je vertrauter wir jetzt miteinander werden, desto leichter wird es, am Freitag alle zu täuschen.“ Er freute sich darauf.

Sehr.

Das lag auch daran, wie sich ihr Herzschlag unter seiner Berührung beschleunigte. Er konnte das schnelle Pochen durch das Cape hindurch spüren. Er wollte sie wieder küssen, wollte ihre rosigen Lippen schmecken, auf denen eine Schneeflocke schmolz. Stattdessen griff er nach der großen Kapuze und zog sie ihr über den Kopf.

„Dann betrachten wir diesen Tag als Generalprobe.“ Sie klang so verdammt ernst.

Es bestätigte seine Vermutung, dass sie höchst ehrgeizig war. Dazu passte auch, was sie ihm am Abend zuvor erzählt hatte. Er bewunderte ihre Arbeitsmoral und ihren Einsatz für ihre Karriere. Das hatten sie gemeinsam. Auch er war seit jeher der Typ gewesen, der sich voll und ganz seiner Arbeit widmete. Pflichtbewusstsein und Beharrlichkeit waren die Eckpfeiler seines Erfolgs.

„In dem Fall kann nichts schiefgehen.“ Er ging mit ihr durch den Central Park West den Weg entlang, der in Richtung seines Apartments führte. „Was ich über Sie und Ihre Karriere gelesen habe, klingt, als wäre Ihnen alles gelungen, was Sie sich vorgenommen hatten.“

Trotz der großen Kapuze konnte er sehen, dass sie lächelte.

„Entweder das oder ich habe eine ausgezeichnete Pressesprecherin.“

Er lachte.

„Jasmine scheint entschlossen zu sein, Ihre Karriere – und Sie – bestmöglich zu präsentieren.“

„Sie ist eine gute Freundin und eine fantastische Managerin.“

„Und dieser Empfang, an dem wir teilnehmen sollen. Der ist für den Choreografen, den Sie erwähnt haben. Der das neue Ensemble zusammenstellt.“ Er hatte gestern einiges über den Mann gelesen. „Die Presse schwärmt in höchsten Tönen davon, dass er New York mit seiner Anwesenheit beehrt.“ In Quinns Augen war es etwas übertrieben gewesen, allerdings war er auch kein Kenner der Szene.

„Sie haben sich gut informiert.“ Sie belohnte ihn mit einem anerkennenden Lächeln, und der Drang, sie zu küssen, flammte wieder auf.

„Das ist für mich auch eine Generalprobe, Sofia.“ Er beobachtete ein paar Kinder, die sich abmühten, um einen ferngesteuerten Helikopter aus einem Baum zu holen. „Ich versuche, mich auf meinen Part zu konzentrieren.“

„Sie machen das gut. Wenn Sie einer meiner Schüler wären, dann würden Sie in die nächste Stufe aufsteigen.“

„Sie unterrichten?“

„Viele Tänzer tun das.“ Sofia blickte zu dem Helikopter und den Kindern, die an den Zweigen der alten Eiche schüttelten, an die sie herankamen. „Es ist eine Möglichkeit, etwas hinzuzuverdienen und dem Ensemble etwas zurückzugeben. Die School of American Ballet ist wie unsere Agrarwirtschaft … sie füttert das City Ballet.“

„Einen Moment bitte.“ Er unterbrach sie nur ungern, aber er konnte nicht zulassen, dass die Kinder einen Baum malträtierten, der – soweit er wusste – älter war als der Park selbst. Er stellte Sofias Tasche ab und nahm einen Fußball, der zu Füßen eines der Jungen lag. „Jungs, geht mal kurz beiseite.“

„Das schaffen Sie nie im Leben!“, rief eines der Kinder.

„Ich habe drei Versuche“, sagte er. „Nur, weil ich mich noch nicht warm geworfen habe.“

„Du bekommst sechs, Alter“, rief ein drahtiger Rotschopf, der der Anführer zu sein schien. „Das Ding hängt fest.“

Alter?

Quinn redete sich ein, dass er nur daran interessiert war, den Baum zu retten, doch angesichts der schönen Frau an seiner Seite trieb ihn möglicherweise noch eine andere Motivation an. Er war alles andere als alt … er benahm sich wie ein Kind.

Er trat einen Schritt zurück, um sein Ziel anzuvisieren, spannte den Arm an und ließ den Ball fliegen.

Und ihm gelang das Glanzstück, schon beim ersten Versuch den Spielzeughelikopter zu treffen, was ihm bewundernde Beifallsrufe einbrachte.

Er ging zurück zu Sofia, nahm ihre Tasche und hängte sie wieder über seine Schulter. Im Licht der Straßenlampe wirkte sie in ihrem Cape wie eine Figur aus einem Ballett. Eine russische Prinzessin vielleicht.

„Das haben Sie nicht zum ersten Mal gemacht“, sagte sie.

„Natürlich nicht, ich habe zwei Brüder. Als Kinder mussten wir häufiger etwas aus den Bäumen holen. Drachen herunterzubekommen war am schwierigsten. Im Vergleich dazu war der Helikopter eine leichte Übung.“

„Ich habe leider keine Geschwister.“ Die Einsamkeit, die aus ihren Worten sprach, war nicht zu überhören.

„In Ihrer Biografie steht nicht viel über Ihre Familie.“

„Ich habe immer versucht, Beruf und Privatleben voneinander zu trennen. Nicht dass es über mein Privatleben viel zu erzählen gäbe. Meine Mutter starb, als ich dreizehn war. Und zu meinem Vater habe ich kein enges Verhältnis.“

„Das tut mir leid mit Ihrer Mutter.“ Er nahm ihre Hand und lief mit ihr über den West Drive, bevor sie die ruhigeren Wege erreichten, die mitten durch den Park führten. „Es muss schwer gewesen sein, in dem Alter ein Elternteil zu verlieren.“

Er behielt ihre Hand in seiner, da ihre Finger ganz kalt waren. Und weil er sie berühren wollte. Außerdem würden sie schon bald im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen und sich als Liebespaar verkaufen müssen.

Als würde sie seine Motivation verstehen, lehnte sie sich an ihn, und der würzige Duft ihre Parfums wehte ihm in die Nase. Sie hakte sich bei ihm ein und schmiegte sich noch enger an ihn.

„Ich war am Boden zerstört. Zumal meine Mutter meinen Vater hasste und ich ihn deshalb auch. Und dann musste ich nach ihrem Tod plötzlich zu ihm ziehen.“ Sie schob ihre Kapuze zurück. Die dicht beieinanderstehenden Bäume fingen den Schnee ab. Vielleicht hatte sie auch nur einen Vorwand gesucht, ihre Hand aus seiner zu lösen. „Bis heute weiß ich nicht, was die beiden zusammengeführt hat. Mein Vater steht für all das, was meine Mutter gehasst hat. Sie hat den privilegierten Wohlstand immer als eine ‚seelenlose Kultur‘ bezeichnet.“

„Was ist mit Ihnen?“ Quinn fragte sich, wie er in ihr Weltbild passte. „Teilen Sie die Auffassung Ihrer Mutter?“

„Warten Sie.“ Sie drehte sich um, um auf den Weg zu blicken, den sie gerade entlanggegangen waren. „Lassen Sie uns einen Moment stehenbleiben und das genießen.“

Sie musste nicht erklären, was sie meinte. Dieser Teil des Parks war immer wunderschön. Wenn gerade Schnee gefallen war, bot sich ein Bild wie nirgendwo sonst in der Stadt. Der Schnee dämpfte die Geräusche von den nahegelegenen Straßen, Stille legte sich über die Rushhour.

Mit Sofia an seiner Seite war es noch schöner.

„Wunderschön.“ Seine Bemerkung kam von Herzen.

„Wissen Sie, was meine Mutter mich über Schönheit gelehrt hat?“ Ihre Augen funkelten. „Es kommt nicht darauf an, einfach schön auszusehen. Schönheit sollte uns umgeben.“ Sie streckte die Hand aus und fing Schneeflocken auf. „Fühl das Besondere.“ Sie atmete tief ein. „Spüre den einzigartigen Duft, wenn du ihn einatmest. Und wenn du ihn auf deiner Zunge einfangen kannst, dann wird auch der Geschmack wunderbar sein.“

Er beobachtete sie, war wie verzaubert, als diese distanzierte und disziplinierte Tänzerin die Zunge ausstreckte und ihr Gesicht in den Himmel hielt.

Zu einem anderen Zeitpunkt hätte er vielleicht über ihre Eskapaden gelacht. Doch sie schien sich in einer glücklichen Kindheitserinnerung zu verlieren, und diesen Moment wollte er nicht zerstören. Er griff nach ihrer Hand, wärmte sie in seiner und blickte mit Sofia durch die schneebedeckten Zweige in den Himmel.

„Sie haben recht.“ Er spürte die Schönheit um sich herum, so viel war sicher. Aber es hatte mehr mit ihrer zarten Hand in seiner zu tun. Mit ihrem Pulsschlag, den er spürte.

„Haben Sie eine gefangen?“ Sie begegnete seinem Blick. In ihren Augen lag ein glücklicher Glanz.

Doch sie musste in seinem Gesicht einen anderen Ausdruck gesehen haben, denn ihr Lächeln erstarb.

„Nein.“ Er wischte mit dem Daumen eine Schneeflocke von ihrer seidigen Wange. Dann senkte er den Kopf, um ihre Lippen zu schmecken. „Aber das werde ich gleich.“

6. KAPITEL

Obwohl sie hingerissen war vom Schnee, der Stadt und diesem Mann, hatte Sofia den Kuss nicht erwartet. Vielleicht war ihre Überraschung der Grund, weshalb sie ihn erwiderte. Sie genoss den Druck seiner warmen Lippen. Genoss es, wie die Bartstoppeln sanft ihre empfindliche Haut kratzten. Die liebevolle Art, wie er die Hand an ihr Gesicht legte, um den Kuss vertiefen zu können.

Voller Sehnsucht nach der Wärme, die er ausstrahlte, trat Sofia näher an ihn heran und verlor sich in dem Kuss.

Der Kuss verzauberte sie wie der zweite Akt von „Schwanensee“. Oder vielleicht wie „Giselle“. Vielleicht auch wie jede romantische Szene, die sie in ihrem Leben getanzt, aber bis zu diesem Moment nie tief empfunden hatte.

Es war ein himmlischer Moment.

Als Quinn langsam zurückwich und die Schneeflocken wieder auf ihre Haut fielen, holten die kalten winzigen Tropfen sie schnell aus ihrer romantischen Stimmung. Stand sie wirklich mitten im Central Park und geriet wegen eines Mannes in Verzückung, den sie erst einen Tag zuvor kennengelernt hatte?

„Quinn, es liegt noch viel Arbeit vor uns“, stieß sie hervor. „Zumindest, wenn wir die Pressemitteilung rechtzeitig verschicken wollen.“

Sie ließ seine Hand los und marschierte weiter in Richtung … Osten? Sie sortierte ihre Gedanken. Ja, Richtung Osten. Was war nur in sie gefahren? War der Kuss Teil der Rolle, die er für sie spielte? Oder hatte er wirklich den Wunsch verspürt, sie zu küssen?

„Stimmt. Aber du sollst wissen, dass ich dich gern geküsst habe, Sofia. Sehr gern. Es gibt keinen Grund, warum wir die nächsten Wochen nicht genießen sollten.“

Sie atmete scharf die kalte Luft ein. „Nur weil wir die Möglichkeit haben, uns zu berühren, müssen wir es nicht automatisch tun.“ Sie wollte kein Mittel zu seiner Befriedigung sein. „Aber jetzt zu unserer Geschichte. Wie und wann haben wir uns kennengelernt?“

„Ich wurde deinem Vater bei der Met-Gala vorgestellt. Warst du auch dort?“

„Natürlich nicht. Hast du eine Vorstellung, was die Karte für so ein Event kostet?“ In Momenten wie diesen verstand sie, warum ihre Mutter geglaubt hatte, die Reichen lebten in einer anderen Welt. Die Met-Gala lag weit außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.

„Ehrlich gesagt, nein.“ Er steckte seine Hände in die Manteltaschen. „Ich bin eingeladen worden, weil ich für das Museum gespendet habe.“

Okay. Das bedeutete, dass er mehr gezahlt hatte als den Eintrittspreis, der fast die Hälfte ihres Jahreseinkommens betrug. Wie ihr Vater gehörte Quinn in die irreale Welt der Reichen. Eine Welt, die sie bewusst gemieden hatte.

„Dort haben wir uns also nicht kennengelernt.“ Sie wünschte, sie hätte sich wärmer angezogen. Ihren Knien bekam die Kälte überhaupt nicht.

„Sollen wir sagen, wir haben uns hier kennengelernt, im Park? Als wir das Spielzeug eines Kindes aus einem Baum befreit haben? Dann müssten wir uns zumindest nichts ausdenken. Wir erzählen die Geschichte von heute so, als hätte sie sich im letzten Frühjahr ereignet, als ich abends auf dem Weg nach Hause war und du eine Pause im Park gemacht hast.“

„Das könnte funktionieren.“ Sie nickte und versuchte sich die heutige Szene zu einer anderen Jahreszeit vorzustellen. „Obwohl ich einem Fremden, den ich im Park kennengelernt habe, nie meine Kontaktdaten geben würde.“

„Wir könnten sagen, dass ich von dem Tag an jeden Abend denselben Weg nach Hause genommen habe in der Hoffnung, dich zu treffen. Und zwei Wochen später … Bingo. Da warst du wieder. Und im Laufe der nächsten Monate haben wir uns ineinander verliebt. Das sollte für Jasmines Pressemitteilung genügen.“ Er verlangsamte seinen Schritt. „Ist alles in Ordnung mit dir?“

„Natürlich“, erwiderte sie automatisch. „Warum?“

„Weil du humpelst.“

„Nein, das tue ich nicht.“ Das konnte nicht sein. Durfte nicht sein. Sie zeichnete sich auf der Bühne dadurch aus, dass sie ihre Schmerzen verbarg. Vielleicht achtete sie privat nicht so sehr auf ihre Haltung. „Ich will nur schnell nach Hause.“

„Ich hätte auf ein Taxi bestehen sollen. Aber wir sind fast da.“

„Es ist alles gut. Könntest du mir bitte den Weg zur nächsten U-Bahn-Station zeigen? Ich dachte, an der Fifth Avenue wäre eine.“

„Erst einmal wärmst du dich bei mir auf. Später fahre ich dich dann nach Hause.“

„Das ist nicht nötig. Wie du gesagt hast, wir haben genug für die Pressemitteilung. Ich schicke die Infos an Jasmine, sobald ich zu Hause bin.“

„Wir haben noch nicht über den Fortier-Empfang gesprochen.“ Sie verließen den Park und überquerten die Fifth Avenue an der East Sixty-First. „Außerdem wohne ich dort drüben. Ich kann die Mitteilung für dich verschicken, und anschließend rufe ich dir ein Taxi.“ Er blieb vor dem Pierre stehen, einem Luxushotel.

Er wohnt in einem Hotel? Natürlich. Es war eine vornehme Adresse mit Fünf-Sterne-Service.

„Sofia.“ Quinn senkte die Stimme, als sie unter dem Vordach des Gebäudes standen. „Wir müssen dafür sorgen, dass wir eine glaubwürdige Performance liefern.“

„Glaubwürdig in dem Sinne, dass wir bei allen öffentlichen Auftritten das Paar spielen? Oder glaubwürdig, weil wir uns in unserer freien Zeit küssen?“

Quinn schien ernsthaft darüber nachzudenken. „Wenn du wirklich glaubst, dass der Kuss eine schlechte Idee war, dann beschränken wir alle zukünftigen Zuneigungsbekundungen auf öffentliche Auftritte.“

Sie konnte nicht sagen, ob sie enttäuscht oder erleichtert war. Vielleicht beides.

„Das könnte helfen.“ Dann wäre sie zumindest auf Küsse vorbereitet, und ihr Körper würde nicht sofort reagieren. „Danke.“

„Kommst du jetzt mit rein? Wir können uns etwas zu essen kommen lassen, während wir Jasmines Pressemitteilung vervollständigen und sie ihr dann schicken.“ Quinn war geduldig und vernünftig.

Sicher, er tat dies nur aus geschäftlichen Gründen, schützte die Interessen der McNeills vor den Drohungen, die ihr Vater gestern Abend am Flughafen ausgesprochen hatte. Das musste sie im Auge behalten, auch wenn seine Küsse eine andere Geschichte erzählten. Quinn war eben erfahren. Abgeklärt. Vielleicht sogar abgestumpft. Manche Menschen küssten allein aus Lust und Leidenschaft, nicht aus Liebe, doch sie hatte nie zu diesen Menschen gehört.

Zumindest dachte sie das. Vielleicht hatte sie einfach noch nicht den Mann getroffen, der Leidenschaft in ihr weckte? Anders als ihre Freundinnen war sie als Teenager nicht an Jungs interessiert gewesen. Ihre Leidenschaft hatte allein dem Ballett gegolten.

„Okay“, stimmte sie zu. Ihre kalten Knochen trafen die Entscheidung. Oder vielleicht war es die Aussicht auf etwas Besseres als die Bananen und Cracker, die sie zu Hause erwarteten.

Es war nicht Quinns Schuld, dass sie sich zu ihm mehr hingezogen fühlte als zu jedem Mann zuvor. Tief in Gedanken versunken folgte sie ihm ins Hotel und in seinen privaten Fahrstuhl. Selbst der Fahrstuhl war luxuriös, mit goldenen Einlegearbeiten und einem dicken, roten Teppich. Die Türen öffneten sich geräuschlos zu einem großen Foyer und dem Wohnbereich mit Blick auf den Central Park.

Das Apartment erstreckte sich über die gesamte Etage. Es war geschmackvoll und gemütlich eingerichtet, und sie fühlte sich sofort wohl, als Quinn ein Feuer im Kamin entfachte und in der Hotelküche anrief.

Eine Stunde später musste Sofia sich eingestehen, dass sie glücklich war, hier zu sein. Sie war satt von dem köstlichen Hühnerfrikassee, das behaglich knisternde Feuer wärmte ihre Füße und Beine. Sie hatte sogar eine Decke aus feinstem Kaschmir akzeptiert und sich darin eingekuschelt, während Quinn letzte Korrekturen an der Pressemitteilung vornahm.

„Nur um sicherzugehen … wann war uns klar, dass wir uns lieben?“

„Vielleicht als du Hühnerfrikassee für mich bestellt hast?“

„Niemand kann dir vorwerfen, dass du dich mit köstlichem Essen hast umwerben lassen.“

„Tänzerinnen hungern ständig“, gestand sie. „Deshalb sind wir anfälliger für gutes Essen als andere.“

„Warum hungert ihr?“ Quinn stellte den Laptop zur Seite und räumte die Teller auf den Servierwagen, auf dem das Essen vor einer halben Stunde gebracht worden war.

„Choreografen bevorzugen einen sehr schlanken Körper.“

„Aber Ballett erfordert viel Kraft.“

„Stimmt. Aber wir müssen diese Kraft auf andere Weisen aufbauen. Beim Workout wird nicht auf Gewichte, sondern auf Wiederholungen gesetzt.“

Quinn setzte sich zu ihr auf die Couch, blieb aber auf Abstand. Er hatte den Laptop mitgenommen, ihn aber noch nicht geöffnet.

„Choreografen bevorzugen ein Ensemble, in dem alle Tänzer in etwa dieselbe Größe und Statur haben. Das verleiht dem Tanz mehr Symmetrie.“

„Das wäre auch noch der Fall, wenn ihr alle zehn Pfund schwerer wärt. Und würden kräftigere Muskeln nicht die Verletzungsgefahr minimieren?“

„Ja und nein. Ein leichter Körper belastet die Gelenke weniger.“

„Du darfst nicht genug essen. Du arbeitest ständig. Du rangelst um eine Position im Ensemble – du bist sogar gewillt, eine Verlobung vorzutäuschen, um die bösen Zungen im Zaum zu halten.“ Er zählte die negativen Dinge an seinen Fingern ab. „Also, wenn du bereit bist, all das auf dich zu nehmen, dann muss es am Ende des Tunnels einen Lichtblick geben.“

„So ist es.“ Sie setzte sich aufrechter hin. Dies war ihr Thema. „Ich habe als Kind mit meiner Mutter zusammen das Ballett ‚Dornröschen‘ gesehen. Es war die Vorstellung einer kleinen Truppe, die durch Prag reiste. Und ich war verzaubert von Prinzessin Aurora, wie alle Mädchen, die ins Ballett gehen.“ Sie rutschte von der Couch und suchte sich einen freien Platz, um es ihm zu zeigen. „Ich fand, dass die Tänzerin die schönste und eleganteste Frau der Welt war.“ Auf Strümpfen nahm sie die Position für das Rosen-Adagio ein, stellte sich einen Prinzen vor und ahmte Auroras Position nach, bei der sie ein Bein nach hinten hoch ausgestreckt hielt und aufrecht auf dem Standbein balancierte. „Als sie die Rosen der vier Prinzen nahm …“, sie spielte die Szene, hatte die Rolle selbst schon oft getanzt, „… da wusste ich, dass ich sie sein wollte. Nicht nur Aurora, sondern die Tänzerin, die sie zum Leben erweckt.“

Quinn beobachtete, wie sie den Fuß erst heranzog und ihn dann streckte, wie sie es von ihrer russischen Lehrerin gelernt hatte. Die Wärme in seinen Augen – sein Blick war auf ihren Körper gerichtet – löste nicht dasselbe Gefühl aus, das sie auf der Bühne vor Publikum verspürte. Es fühlte sich so intim an. Ein Kribbeln jagte durch ihren Körper, und sie wurde sich ihrer Erscheinung nur zu bewusst.

Nicht nur ihres Körpers, der beim Tanzen ständig zur Schau gestellt wurde. Auch des Zopfes, der ihren Arm streifte. Des Luftzugs an ihren Lippen, als sie ausatmete.

„Du tanzt also aus reiner Liebe zum Ballett. Weil es dein Traum ist.“ Er blieb auf die Unterhaltung fokussiert, was sie zu schätzen wusste, denn sie selbst hatte für einen Moment vergessen, worüber sie eigentlich gesprochen hatten, abgelenkt von den Funken, die zwischen ihnen sprühten.

„Ich habe nie etwas anderes gewollt.“ Aus dem Grund fürchtete sie sich auch vor dem Ende ihres Aufstiegs und wollte deshalb so schnell wie möglich den Höhepunkt ihrer Karriere erreichen, um dann aus ihrer Erfahrung Kapital schlagen zu können. Und dazu musste sie die Hauptrolle in Fortiers Ballett tanzen.

„Ballett ist deine Leidenschaft.“ Quinn ließ das Wort zwischen ihnen schweben, bevor er seine Aufmerksamkeit dem Laptop zuwandte. „Und ich glaube, ich weiß jetzt, wann wir uns ineinander verliebt haben.“

Er begann zu tippen.

„So?“ Ihr Herzschlag stolperte. Sie setzte sich wieder und zwang sich, eine normale Unterhaltung zu führen. Trotz der Millionen Nervenenden, die zum Leben erwacht waren.

Zu spät bemerkte sie, dass sie sich näher an ihn herangesetzt hatte als zuvor. Sie redete sich ein, dass sie es nur getan hatte, damit sie über seine Schulter hinweg sehen konnte, was er gerade schrieb. Sie nahm seinen männlichen Geruch wahr. Seife oder Aftershave. Ein Duft, den sie gern tiefer einatmen würde.

„Es war, als ich dich das erste Mal tanzen sah.“ Er hielt einen Moment im Schreiben inne, und in der plötzlichen Stille schien eine Vielzahl komplizierter Gefühle zum Leben zu erwachen.

Seine Worte hätten nicht diese Wirkung auf sie haben sollen. Zumal sie eine Geschichte für die Presse erfanden. Und die entsprach nicht im Geringsten der Realität.

„Ich werde der ganzen Welt erzählen, wie sehr mich deine Bewegungen fasziniert haben. Als ich dich beim Tanzen beobachtet habe, habe ich die Leidenschaft gesehen, die dich antreibt, und in dem Moment wusste ich, dass wir füreinander geschaffen sind.“

„Du spielst mit mir“, warf sie ihm vor und nahm ihre ursprüngliche Position auf der Couch wieder ein. „Deine Worte sind wie deine Küsse – alles nur Show. Aber ich finde sie verwirrend.“

„Ich spiele nicht mit dir.“ Er reichte ihr den Laptop. „Lies das.“

Wie sollte sie sich auf die Worte konzentrieren, wenn das Blut heiß durch ihre Adern schoss und sie sich immer wieder vorstellte, wie er ihren Körper angesehen hatte, als sie tanzte?

„Ich bin sicher, dass es okay ist.“ Sie stellte den Laptop auf die Couch. „Jasmine wird den Text überprüfen, bevor sie ihn verschickt.“

„Sofia?“ Er stellte den Laptop auf den Tisch und rückte näher an sie heran. „Ich weiß nicht, was ich tun kann, damit du dich wohler fühlst. Aber du wolltest diese Show abziehen. Ich versuche nur zu helfen.“

Seine Stimme, tief und männlich – Sofia bebte innerlich.

„Danke. Aber ich würde es vorziehen, wenn es bei der Performance für die anderen bliebe. Ich will das Spiel nicht spielen, wenn wir allein sind.“ Sie fühlte seine Nähe, ohne hinzusehen, so wie sie auch die Nähe ihrer Tanzpartner spürte. Nur dass das eine professionelle Nähe war. Nach Quinn dagegen schien sich jede Faser ihres Körpers zu sehnen, ohne dass sie einen Einfluss darauf hatte.

„Der einzige Grund, weshalb ich dich im Park geküsst habe, ist, dass ich mich zu dir hingezogen fühle. Und ich werde nicht so tun, als wäre das nicht so. Aber ich habe mich im Griff.“

„Wie? Wie kannst du dich im Griff haben?“

„Es ist nicht einfach. Und es wird immer schwerer, je länger ich mit dir zusammen bin.“ Er hob die Hand und legte sie an ihre Wange, so wie er es getan hatte, bevor er sie geküsst hatte. Dann ließ er die Hand wieder sinken. „Aber wir haben eine Abmachung, und dazu stehe ich. Wenn es bedeutet, dass wir das Spiel nach deinen Regeln spielen, dann werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um die Finger von dir zu lassen. Es sei denn, wir sind in der Öffentlichkeit.“

„So wie wir es am Freitag sein werden.“ Auf dem Empfang für Idris Fortier. Ihr erster wirklicher Auftritt als Paar mit Quinn, und es würde ein großer Moment in ihrer Karriere sein.

Sie hatte Schmetterlinge im Bauch bei dem Gedanken, den ganzen Abend mit diesem Mann zu verbringen. Seine Hand an ihrer Taille zu spüren oder durch den dünnen Stoff ihres Abendkleids hindurch auf ihrer Hüfte.

Zu tun, als wären sie verliebt.

Ihre Lippen kribbelten, als sie überlegte, ob er sie dann küssen würde.

„Ja.“ Sein Blick fiel auf ihren Mund, als könnte er ihre Gedanken lesen. „Ich freue mich schon darauf.“

7. KAPITEL

Sofia warf eine großzügige Handvoll Epsom-Salz in die Wanne, ließ heißes Wasser ein und freute sich auf die schmerzlindernde Wirkung dieses Wundersalzes.

Auf dem Waschtisch flackerte eine Kerze, ein leichter Lavendelduft lag in der Luft. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihre Mutter nach einem langen Tag immer eine Kerze mit Lavendelduft angezündet. Dieser Duft beruhigte sie heute noch.

Und Beruhigung brauchte sie heute mehr denn je.

Atme tief ein und aus.

Sofia wusch sich das Gesicht und versuchte, sich auf die Vorbereitung für das Vortanzen für Idris Fortier in weniger als einer Woche zu konzentrieren. Nur daran sollte sie denken. Es klappte nur bedingt.

Immer wieder schoben sich Gedanken an Quinn in den Vordergrund. Zwei Tage waren vergangen, seit sie durch den Park spaziert waren, und ein Tag seit ihrem Interview mit Dance, bei dem sie die Liebesgeschichte weitergegeben hatte, die sie und Quinn sich ausgedacht hatten. Die Details schienen nur zu real. Immer wieder spielte sie die kurze Zeit durch, die sie miteinander verbracht hatten. Seine Lippen, seine Berührung. Wie sehr sie sich zu ihm hingezogen fühlte, auch wenn sie wusste, dass es dumm war.

Selbst nach dem Bad war sie noch total frustriert. Sie stieg aus der Wanne und belastete vorsichtig ihr Knie. Dem Himmel sei Dank, es fühlte sich besser an, wenn auch nicht schmerzfrei. Sie schlüpfte in einen kurzen, flauschigen Bademantel und verknotete den Gürtel.

Dann betrachtete sie sich im Spiegel. Sie würde es schaffen. Sie würde das Vortanzen erfolgreich hinter sich bringen und der Star sein, den Idris Fortier für sein nächstes Ballett suchte.

Auf der Ecke des Waschtisches lagen Pressekritiken der letzten Fortier-Aufführung. Jasmine hatte ihr den Stapel in die Wohnung geschickt.

Als sie die Dokumente noch einmal durchblätterte, sprang ihr plötzlich eine Schlagzeile ins Auge.

Affäre.

Sie setzte sich auf den Rand der Badewanne und las den Artikel. Offensichtlich hatte der Choreograf eine Affäre mit der Startänzerin seiner letzten Produktion gehabt. Diese Information beunruhigte sie.

Ihr Handy klingelte. Sie zog es aus der Bademanteltasche und blickte auf das Display.

Quinn.

„Hallo.“ Ihr Herzschlag beschleunigte sich, eine Mischung aus freudiger Aufregung und Nervosität erfasste sie.

„Hallo, Sofia.“

„Quinn.“ Sein Name schmeckte wie eine köstliche Praline auf ihrer Zunge. „Hallo“, wiederholte sie.

Sie schloss die Augen und sah ihn vor sich – bei ihr – in der Badewanne. Sie bekam einen trockenen Mund.

„Ich dachte, du bist an einem Update der Situation mit der Heiratsvermittlung interessiert“, fuhr er fort.

Sie verspürte so etwas wie Enttäuschung. Hatte sie tatsächlich geglaubt, er würde einfach so anrufen, ohne Grund? Wenn diese vorgetäuschte Verlobung funktionieren sollte, dann musste sie ihre Gefühle unbedingt unter Kontrolle halten.

„Natürlich. Erzähl.“ Den Bericht über Fortiers Affäre hielt sie noch in der Hand. Sie starrte darauf, während Quinns tiefe Baritonstimme an ihr Ohr drang.

„Ich weiß nicht, ob ich erwähnt habe, dass Camerons Heiratsvermittlerin Mallory West heißt. Einen Tag nach seinem Antrag hat er Kontakt zu ihr aufgenommen und eine Erklärung verlangt.“

Der Name sagte Sofia überhaupt nichts.

„Hat sie gesagt, woher sie meine Fluginformation bekommen hat?“ Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht. Ihr Vater hatte behauptet, nichts davon gewusst zu haben, dass Cameron sie am Flughafen treffen wollte.

„Sie hat Cameron gesagt, dass sie der Sache nachgehen will.“ Quinns Stimme war so gefährlich wie seine Berührung. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, er stünde neben ihr. „Aber seitdem ist ihr Telefon abgeschaltet, und ihr E-Mail-Account verschickt eine automatische Antwort, in der es heißt, dass sie für längere Zeit außer Landes sei.“

„Was, glaubst du, hat das zu bedeuten?“

„Im Moment heißt es einfach, dass wir auf der Jagd nach Informationen in eine Sackgasse geraten sind. Es tut mir leid, Sofia. Aber mein IT-Mann bleibt an ihr dran. Sobald sie online ist, hat er sie. Übrigens scheint dein Dating-Profil nicht mehr im Netz zu sein. Er hat nichts gefunden. Ich denke also, die Partnervermittlung, die dein Vater engagiert hatte, hat sich an ihr Versprechen gehalten und das Profil gelöscht.“

„Zumindest das ist eine gute Nachricht.“

„Stimmt. Und den Rest finden wir auch noch heraus, Sofia“, versicherte er ihr. Dann wurde seine Stimme leiser. „Aber das ist nicht das Einzige, was wir herausfinden müssen.“

„Nein?“ Ein Schauer lief ihr über den Rücken beim Klang seiner sexy Stimme. „Worüber müssen wir noch reden?“

Sie hörte sein leises Lachen, sonst nichts, kein weiteres Geräusch, nur ihn. Er musste allein sein. „Über etwas Schönes. Sag, Sofia, was für ein Kleid soll ich dir kaufen, damit du die Gäste auf dem Empfang für Idris Fortier am Freitag umhaust? Hast du eine Lieblingsboutique?“

Ihr ein Kleid kaufen? Die Geste war süß. Aber es war zu viel. Viel zu viel.

„Das ist sehr nett von dir, aber definitiv nicht nötig.“ Trotzdem malte sie sich aus, was er für sie auswählen würde. Wie würde es sich anfühlen, in ein Kleid zu schlüpfen, das Quinn für sie ausgesucht hatte?

„Ich gehe mit dir einkaufen, wo immer du willst.“

Sie versuchte, nicht an die wunderschönen Dinge zu denken, die ein Mann wie Quinn McNeill sich leisten konnte.

„Du bist sehr aufmerksam, Quinn, aber ich kann nicht noch mehr Geschenke annehmen.“ Sie hatte schon ein schlechtes Gewissen, weil sie den großen Brillantring an ihrer linken Hand trug, doch er hatte sie davon überzeugt, dass es notwendig war. „Und ich habe auch schon ein Outfit.“

„Bist du nervös?“ Seine tiefe Stimme wärmte sie von innen.

„Ein bisschen. Ich … ich …“ Sie verstummte. Gesellschaftliche Ereignisse und große Feste waren nicht ihr Ding. Sie lehnte oberflächlichen Smalltalk ab, bevorzugte gehaltvollere Gespräche.

Musik.

Tanzen.

„Ja?“

„Ich bin furchtbar bei Galas. Bei großen Menschenansammlungen ganz allgemein.“

„Ist das dein Ernst?“ Überraschung schwang in seiner Stimme mit. „Aber du tanzt vor einem großen Publikum.“

„Ja, es ist mein Ernst. Ich habe Lampenfieber bei gesellschaftlichen Anlässen, bei denen ich gezwungen bin zu reden. Aber wenn ich auf der Bühne bin … Ballett fühlt sich wie Poesie an. Es ist anders. Ganz anders.“ Sie kaute auf der Lippe und spürte die aufkommende Angst.

Tief atmen.

„Du hast Glück. Ich bin Profi bei solchen Festen. Ich werde da sein und dir helfen. Wenn du es möchtest.“

„Wenn du in zusammenhängenden Sätzen sprechen kannst, dann bist du mir einen Schritt voraus. Ich bin bekanntermaßen schrecklich bei Interviews. Jasmine hat versucht, mich zu coachen, aber ich bin trotzdem immer sehr angespannt.“

„Ich hoffe, es hilft dir, mich an deiner Seite zu haben. Aber egal wie, wir schaffen es. Und wenn du früh gehen willst, dann werde ich den Eindruck vermitteln, dass es an mir liegt, weil ich es nicht abwarten kann, dich für mich allein zu haben.“

Bei den Bildern, die ihr durch den Kopf schossen, wurde ihr heiß.

„Wie großzügig von dir.“ Sie brachte jetzt schon keinen Ton heraus, aber aus anderen Gründen.

„Man tut, was man kann.“ Sie hörte das Lachen in seiner Stimme. „Darf ich fragen, was du anziehst?“

Sie blickte vom Bad aus auf ihren Schrank, in dem genau genommen nichts Passendes hing.

Ihr Vater hätte ihr gern monatlich einen Scheck zukommen lassen und einen Trustfonds für seine einzige Erbin eingerichtet, doch sie hatte sich all seinen Bemühungen widersetzt, seinen Reichtum mit ihr zu teilen. Ihre Mutter hatte ihm vorgeworfen, dass er sich nicht auf die Dinge konzentrierte, die wirklich wichtig waren im Leben. Wie Liebe. Familie. Kunst. All die Dinge, die Sofia am meisten bedeuteten.

„Etwas Umwerfendes“, sagte sie schließlich, in der Hoffnung, sich etwas leihen zu können.

„Sexy?“

„Extrem sexy“, erwiderte sie und vergaß ganz, dass sie sich bei ihm unter Kontrolle haben musste.

Er lachte leise, und seine Stimme war wie ein Versprechen. „Ich freue mich darauf, am Freitag jeden sexy Zentimeter deines Körpers zu sehen.“

Als sie endlich ihre Sprache wiederfand, hatte er aufgelegt.

Kurz vor sieben am Abend des großen Empfangs stieg Quinn vor Sofias Wohnung aus der Limousine.

Er klingelte an der Haustür und wartete darauf, eingelassen zu werden. Mit dem Fahrstuhl fuhr er zu ihrer Etage hinauf. Sie hatten die letzten zwei Abende telefoniert, und die Telefonate hatten ihm die Möglichkeit gegeben, Sofia näherzukommen. Am Telefon war sie lockerer. Er hatte sie sogar doch noch überredet, sich von ihm ein Kleid schenken zu lassen. Eine Meisterleistung, die er nur vollbracht hatte, indem er argumentierte, dass es ihre Verlobung glaubwürdiger machen würde. Er wollte, dass seine Verlobte zu diesem für ihre Karriere so wichtigen Ereignis in einem unvergesslichen, einmaligen Kleid erschien. Zumal dies ihr erster öffentlicher Auftritt als verlobtes Paar war.

In Gedanken ging er noch einmal seine Strategie durch. Lass die Anziehungskraft wachsen. Dräng sie nicht. Aber sobald sie im Rampenlicht standen und ihre Beziehung als stabile, glückliche Vereinigung verkaufen mussten, die Sofia nicht vom Tanzen ablenken würde, wollte er seine Chance nutzen. Er würde Sofia so oft wie möglich in seinen Armen halten, um ihre Worte zu bekräftigen.

Und er freute sich mehr darauf, als er sich seit langer Zeit auf irgendein Date gefreut hatte. So viel zu der Behauptung, dass alles nur Show war oder dass ihr Vater besänftigt werden sollte. Quinn zog die Sache nicht nur durch, um die Geschäftsabschlüsse in Europa zu retten oder um seinen Bruder vor einer Blamage zu bewahren.

Als Sofia die Tür öffnete, traf ihr Anblick ihn wie ein Schlag. Nicht nur, weil sie wunderschön aussah in dem langen, nachtblauen Seidenkleid, das blonde Haar kunstvoll frisiert. Nein, sie hätte ihn auch umgehauen, wenn sie T-Shirt und Shorts angehabt hätte.

Weil er sie vermisst hatte. Und diese Erkenntnis erschütterte ihn.

„Du siehst unglaublich aus, Sofia.“ Sie war eine Frau, die er mehr begehrte als jede andere.

„Du hast dich auch sehr schick gemacht.“ Sie streckte die Hand aus, um ihn zu berühren, was ihn total überraschte. Doch dann strich sie nur anerkennend über seinen Ärmel. „Ein toller Smoking.“

„Danke“, erwiderte er abwesend, sein Geist wie benommen von der flüchtigen Berührung. Er wollte, dass sie ihn überall so berührte. Doch er atmete tief ein und blieb bei seiner Strategie.

„Können wir los?“ Er folgte ihr in ihre Wohnung, als sie ihre perlenbesetzte Handtasche holte.

„Ich bin fast fertig. Ich habe nur den Haken dort oben nicht zubekommen.“ Sie präsentierte ihm ihren Rücken. Ein dezenter Duft nach Vanille und Moschus wehte ihm aus ihrem Haar entgegen, als er die blonden Strähnen zur Seite strich.

Was hatte der Nacken einer Frau an sich, dass er einen Mann verrückt machte? Quinn wollte sich hinunterbeugen und ihre zarte Haut mit der Zunge liebkosen und mit sanften Küssen bedecken.

Doch er begnügte sich damit, sich mit dem Verschluss Zeit zu lassen. Seine Fingerknöchel streiften ihre Haut unter dem Kleid. Er spürte, dass Sofia mit einem leichten Beben reagierte. Sie waren sich so nah. Er schloss die Augen für einen Moment, um seine Gedanken in den Griff zu bekommen.

„Zeit zu gehen“, sagte er. „Hast du einen Mantel?“ Er konnte es nicht erwarten, mit ihr in die Öffentlichkeit zu kommen, damit er sie berühren durfte. Wie schräg war das denn? Die meisten Männer konnten es nicht erwarten, mit einer tollen Frau allein zu sein. Doch er hatte ihr versprochen, dass der Körperkontakt nur der Show diente. Quinn brauchte die Öffentlichkeit als Entschuldigung, um Sofia berühren zu können.

Vielleicht würde sich das heute Abend ändern. Vielleicht würde sie begreifen, dass es vergebliche Mühe war, die Hände voneinander zu lassen, wenn die Hitze zwischen ihnen loderte und sie sich gegenseitig Befriedigung schenken konnten.

„Ein Cape.“ Sie griff nach einem langen, schwarzen Cape mit einem Pelzbesatz um die überdimensionierte Kapuze. Wunderschön. Elegant. Wie sie.

Er nahm das Cape und legte es ihr um die Schultern. Sie sah aus wie ein Filmstar aus Doktor Schiwago.

Verdammt, er wurde sentimental. Er brauchte frische Luft. Kalte Luft.

Sie verließen Sofias Wohnung und betraten den Fahrstuhl – glücklicherweise waren sie nicht allein. Unten angekommen, bot er ihr seinen Arm und war froh, dass sie ihn ergriff. Als eine Balletttänzerin, die ihren Job auf Zehenspitzen erledigte, fühlte sie sich vermutlich wohl in ihren silbernen Highheels. Doch da der Fußboden in der Halle feucht und rutschig war von dem Schnee, der hereingetragen wurde, half es, dass sie sich an ihm festhalten konnte.

Als sie in der Limousine saßen und sich auf dem Weg zur Gala befanden, seufzte Sofia auf.

„Ich kann dir sagen, ich bin das reinste Nervenbündel.“

„Denk einfach daran, dass du ein Profi bist, auf dem Höhepunkt deiner Karriere, und dass du einen Choreografen beeindrucken willst, der vermutlich schon jetzt ganz erpicht darauf ist, mit dir zu arbeiten.“ Quinn hatte im Verlauf der Woche viel über Idris Fortier gelesen und auch über die begeisterte Reaktion der Tanzwelt auf seine Ankunft in New York.

„Das kann man nicht wissen. Einige meiner Kritiken sind gut.“ Sie sprach schnell, stellte die Tasche neben sich ab, als sie an einer roten Ampel hielten. „Aber es gibt auch schlechte, und ich kenne meine Schwächen, deshalb könnte Fortier entscheiden …“

„Ich habe deine Kritiken auch gelesen, Sofia. Sie sind ausgesprochen solide.“ Er wollte sie bremsen, bevor sie sich zu viele Gedanken machte. „In manchen steht, du stellst Technik über das Künstlerische, die sportliche Seite über die tänzerische, und dass du deinen Partnern nicht genug vertraust.“ Er hatte die positiven und negativen Kritiken gelesen, um sie besser zu verstehen, um ihr näher zu sein. „Aber ich habe deine Kritiken mit denen anderer Mitglieder im Ensemble verglichen, und ich habe niemanden gefunden, der besser wegkommt. Tatsächlich heißt es, dass du die Tänzerin mit dem größten Talent bist, die hier in den letzten Jahren gearbeitet hat. Wenn ich als Neuling in dem Metier das herausfinde, dann weiß ein Insider wie Fortier das auch.“

„Da bin ich nicht sicher.“ Nervös spielte sie mit ihrer Tasche.

„Darf ich dir einen Vorschlag machen?“ Er legte die Hand über ihre und brach damit seinen Vorsatz, sie nicht zu berühren, wenn sie allein waren.

„Gern.“ Ihr Körper vibrierte förmlich vor Anspannung. „Welchen?“

„Angesichts der Tatsache, dass du wegen heute Abend so nervös bist …“, begann er. Doch bevor er seine Idee aussprechen konnte, gab sie einen leisen, gestressten Laut von sich. Sie schlug die Beine übereinander, ihr Fuß stieß gegen seine Wade und begann zu zittern.

„Oh, Gott.“ Sie schluckte hart. „Ich werde mich zusammenreißen. Ich muss einen guten Eindruck machen …“

„Hör zu. Wir geben ein gutes Team ab. Denk doch nur, wie leicht wir die Journalistinnen vom Dance – Magazin am Flughafen abgeschüttelt haben. Ich kenne deine Ziele heute Abend. Verlass dich auf mich, und alles wird gut.“ Er verflocht seine Finger mit ihren, um sie zu beruhigen, aber auch, weil er sie berühren wollte.

„Du meinst, das kann ich? Du hast doch gelesen, dass ich einem Partner nicht vertraue“, bemerkte sie trocken. „Ich bin ein paarmal fallengelassen worden. Das schafft nicht gerade Vertrauen.“

„Das kann ich mir vorstellen.“ Er strich mit dem Daumen über ihren Handrücken, mochte das Gefühl ihrer seidigen Haut und wie sie sich bei seiner Berührung entspannte. „Ich würde dich niemals fallenlassen.“

„Danke.“ Ihr Blick fiel auf ihre ineinander verflochtenen Finger, als wäre sie überrascht, dass sie Händchen hielten. „Ich gebe zu, dass ich heute Abend Unterstützung gebrauchen kann.“

„Schön. Jetzt zu meinem Vorschlag.“ Er strich mit der Fingerspitze über ihren Verlobungsring. Ihr Fuß berührte immer noch seine Wade. „Es könnte helfen, wenn du zulassen würdest, dass ich dich ablenke.“

„Mich ablenken?“ Skeptisch, aber nicht mehr nervös, sah sie ihn an. Ihr zitternder Fuß kam zur Ruhe.

Die plötzliche Ruhe in ihrem Körper suggerierte, dass sie vielleicht interessiert war.

„Es liegt ganz an dir.“ Er wollte nichts lieber, als sie auf seinen Schoß zu ziehen. Aber er hatte einen Plan und würde sich Zeit lassen. Sie sollte sich an den Gedanken gewöhnen, jeden Moment ihrer gemeinsamen Zeit genießen. „Aber wir könnten all die nervöse Energie umleiten. Ihr ein anderes Ventil geben.“

Sie sah ihn verblüfft an.

„Ich bin nicht der Typ Frau, der Sex in einer Limousine hat“, informierte sie ihn, wirkte aber nicht empört.

Er dagegen war total überrascht, welche Richtung ihre Gedanken eingeschlagen hatten … Sex in einer Limousine …

„Nun, das ist zwar eine verlockende Vorstellung, aber mein Vorschlag ging nicht in diese Richtung. Wir wollen doch dein tolles Aussehen nicht ruinieren vor deinem großen Abend, Sofia.“

„Dann drück dich klarer aus“, fuhr sie ihn an. Eine zarte Röte zog über ihre Wangen, und ihre Augen funkelten. „Denn ich habe keine Ahnung, was du meinst.“

Er veränderte seine Position und ließ ihre Hand los. Ohne den Blick von ihr zu wenden, beugte er sich tiefer hinunter, bis sein Oberkörper fast ihre Brüste berührte. Unter dem Cape konnte er die sanfte Wölbung sehen.

Er flüsterte ihr ins Ohr.

„Ablenkung.“ Er sprach sehr deutlich, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. „Ich könnte dich irgendwo küssen, wo nichts durcheinandergebracht wird. Vielleicht deinen wunderschönen Nacken.“ Er ließ seinen Blick über sie wandern, suchte nach weiteren Möglichkeiten. „Oder dein Haar.“

Ein Beben ging durch ihren Körper, während sein Atem ihre Haut streifte. Darauf bedacht, sie nicht zu berühren, ließ er den Vorschlag wirken. Er war verdammt sicher, dass allein diese Unterhaltung ihre Gedanken für einen Moment in eine andere Richtung lenkte, weg von dem Choreografen, den sie unbedingt beeindrucken wollte.

Die Vorstellung freute ihn. Sehr.

„Das ist eine verrückte Idee“, flüsterte sie. „Wenn ich mich von dir küssen lasse, dann klopft mein Herz vermutlich noch schneller, als es jetzt schon der Fall ist.“

Er wollte sie schmecken. Unbedingt.

„Aber das Herzklopfen, das du meinetwegen bekommst, ist ein schönes.“ Er lenkte seine Aufmerksamkeit weg von dem schnellen Pulsschlag an ihrem Hals, hörte, wie sie nach Luft schnappte, sah, wie ihre Lider flatterten.

„Du bist dir deiner zu sicher, Quinn McNeill.“ Sie hob die Hände, schien zu überlegen, ob sie seine Schultern berühren sollte.

„Nein. Ich bin mir nur sicher, dass es zwischen uns knistert, auch wenn du es nicht wahrhaben willst.“

„Wir geben nur vor, ein Paar zu sein.“ Sie zog die Augenbrauen zusammen, als die Limousine bremste und sie gegen ihn fiel. Sie drückte sich mit den Händen an seiner Brust ab. Tortur. Reine Tortur.

„Ich habe der vorgetäuschten Verlobung nur zugestimmt, weil ich mich sofort zu dir hingezogen gefühlt habe.“ Die Worte waren heraus. Er konnte sie nicht zurücknehmen. Was ihn überraschte, war die Tatsache, dass er es auch nicht wollte.

„Was sagst du da?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nächsten Monat ist alles vorbei.“

„Ich weiß.“ Er legte den Arm um ihre Schultern und strich ein paar Haarsträhnen zurück, die sich um ihren Hals kringelten. „Doch bis dahin will ich das hier.“

Er presste die Lippen auf ihre Schulter und nahm die Wärme und den einzigartigen Duft dieser Frau in sich auf. Sie roch süß und gleichzeitig nach Moschus, ein Duft, der ihn sofort erregte. Er rührte sich nicht, wartete auf ein Zeichen von ihr, spielte das Spiel nur so weit, wie sie es zuließ.

Als ihre Hände schließlich auf seinen Schultern lagen, dachte er einen Moment, sie würde ihn zurückstoßen. Stattdessen schob sie die Finger unter seinen Mantel, dann unter sein Jackett und spreizte sie auf seinem Smokinghemd. Er konnte das sanfte Kratzen ihrer kurzen Nägel durch den Stoff hindurch fühlen.

Das Gefühl verwirrte seine Sinne und ließ seine Hormone verrücktspielen. Doch heftige Begierde hatte keinen Platz in einer Limousine, fünf Minuten vor einer Party. Er öffnete den Mund, um sie zu schmecken, an ihr zu lecken und zu knabbern. Seine Brust streifte ihre Brüste, ihr zierlicher Körper drückte sich gegen seinen, als sie sich an ihn schmiegte.

Ihre Reaktion war das, worauf er gehofft hatte, alles, was er ersehnt hatte … und in einer Minute waren sie bei dem verdammten Empfang angekommen. Doch sein Herz vollführte einen Freudentanz, sein Körper war zu gefangen von dem Gefühl, sie zu spüren, um die Botschaft zu verstehen, dass jetzt nicht der Moment war, sich zu nehmen, was er haben wollte.

Verdammt. Verdammt.

„Sofia.“ Er küsste ihren Nacken, biss zärtlich in ihr Ohrläppchen direkt über dem Ohrring und zwang sich dann, sich zurückzuziehen. „Wir sind da.“

8. KAPITEL

Alles Lügen und Spielchen, rief Sofia sich später am Abend in Erinnerung, während Quinn eine weitere Frage zu ihrer Beziehung beantwortete, gestellt von einer Reporterin, die ein Folgeinterview mit ihr und ihrem Verlobten führen wollte. Sie saßen in einem Privatzimmer abseits der Lounge, in der das City Ballet den Empfang für Idris Fortier veranstaltete. Musik und Lachen, Gläserklirren und Stimmengewirr drangen durch die offene Tür zu ihnen.

Die Lounge war überfüllt und warm, vor allem für die, die tanzten.

Oder die, deren Sinne überreizt waren vor Verlangen.

Quinn und Sofia bewegten sich schon die ganze Woche in einer Welt aus Lügen und Spielchen, deshalb konnte sie nicht verärgert auf ihren attraktiven, charmanten Begleiter sein, als er die rührende Geschichte erzählte, wie er sich in sie verliebt hatte, als er sie beim Tanzen beobachtete. Schließlich hatte sie die Geschichte abgenickt.

„Aber ich will nicht den Fokus von Sofias Tanz ablenken“, sagte Quinn gerade, als sie nebeneinander auf einem schwarzen Ledersofa in dem spärlich eingerichteten, modernen Raum saßen. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, dann kann Sofia das Interview zu Ende führen.“ Er drehte sich zu ihr, sein Smoking zeigte nicht eine Falte, als er aufstand und ihr die Hand küsste. „Und wenn du fertig bist, dann tanzen wir.“

Seine blauen Augen funkelten. Es beunruhigte sie, wie gut er die Situation beherrschte, und erregte ihren Argwohn bezüglich seiner Motive, auch wenn er behauptete, sich zu ihr hingezogen zu fühlen.

„Natürlich, gern.“ Sie lächelte ihn an, spielte ihren Part, wusste aber, dass sie nicht so geschickt war wie er. Zumal sich ihr Körper noch nicht vollständig von den Küssen in der Limousine erholt hatte.

Wenn er nicht zurückgewichen wäre, dann hätte sie das schönste Kleid, das sie je getragen hatte, geopfert und sich an ihn geschmiegt und von der Anziehungskraft leiten lassen, wohin auch immer sie sie geführt hätte.

„Ihr zukünftiger Ehemann ist einer der begehrtesten Junggesellen in der Stadt, Sofia“, sagte die Reporterin – Delaney. „Die McNeill-Erben sind reich, charmant und ausgesprochen attraktiv. Sein Bruder muss Sie ganz schön beeindruckt haben, als er Ihnen einen Antrag am Flughafen gemacht hat. Eines überrascht mich allerdings. Sie und Quinn sind schon so lange ein Paar, und Sie haben Cameron nicht kennengelernt? Er ist derjenige von den dreien, der am häufigsten öffentlich auftritt.“

Sofia kämpfte gegen ihre Nervosität an. Sie wollte sich keinen Patzer leisten, nachdem Quinn die Unterhaltung so gekonnt auf ein anderes Thema gelenkt hatte.

„Das mag sein, aber ich habe neben dem Ballett nicht viel Zeit für Geselligkeit. Die Zeit, die ich habe, verbringe ich mit Quinn. Aber ich würde jetzt lieber über meine Arbeit sprechen, falls Sie dazu Fragen haben.“

„Schön. Lassen Sie uns über die Kritiken sprechen. Ihr Tanz ist mechanisch genannt worden, ohne künstlerischen Ausdruck. Wieso glauben Sie, dass Sie eine Hauptrolle in dem Fortier-Projekt bekommen werden, wo der Choreograf bekanntermaßen auf Stimmung und Emotionen in seiner Arbeit setzt?“

„Ich bemühe mich täglich um eine Balance zwischen den körperlichen Anforderungen beim Tanz und der Kunst, die ich in jedes Stück bringen kann. Ich hoffe, dass ich stetig auf beiden Gebieten besser werde. Eine Künstlerin sollte immer größere Perfektion anstreben.“ Sie sollte erklären wie. Der Reporterin mehr Stoff geben. Aber ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

„Und welchen Eindruck haben Sie bisher von Mr. Fortier?“, fragte die Frau und tippte mit dem Bedienstift auf ihr Tablet.

„Ich habe denselben Eindruck wie alle anderen auch. Er ist ein brillanter Choreograf, und unser Ensemble kann sich äußerst glücklich schätzen, mit ihm arbeiten zu dürfen.“ Warum hatte sie diese Frau nur eingeladen, bei ihrem Vortanzen dabei zu sein?

„Sind Sie sich bewusst, dass seine beiden letzten Haupttänzerinnen während des kreativen Prozesses bei ihm eingezogen sind?“ Die Frau beobachtete Sofias Reaktion sehr genau. „Dass er mit beiden eine Affäre hatte?“

Sie hatte es nicht gewusst. Zwar hatte sie von der Affäre mit der vorherigen Solotänzerin gelesen, aber vermutet, dass es eine einmalige Sache gewesen war. Menschen, die miteinander arbeiteten, verliebten sich immer wieder ineinander.

Aber zweimal dasselbe Szenario?

„Nein.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Aber ich bin sicher, dass ist keine Voraussetzung für den Job.“

Außerhalb des privaten Zimmers machte der Kammerchor eine Pause, und jemand ergriff das Mikrofon. Sofia warf einen Blick über die Schulter, fragte sich, ob Fortier jetzt vorgestellt werden sollte.

„Vermutlich nicht.“ Delaney deutete auf die Tür. „Ich will Sie nicht aufhalten. Ich werde heute noch mit einigen Ihrer Kolleginnen sprechen.“

„Haben Sie alles an Material, was Sie benötigen?“ Sofia hatte auf ein Feature in dem Magazin gehofft, nicht auf einen kurzen Hinweis auf ihre Verlobung mit einem Hedgefonds-Manager.

„Absolut.“ Delaney schaltete ihr Tablet aus und stand auf. „Wir sehen uns bei Ihrem Vortanzen.“

„Gern. Ich freue mich darauf“, log sie, allerdings nicht so gut wie Quinn es in dieser Situation getan hätte. Komisch, wie er zu ihrem größten Verbündeten in dieser Woche geworden war. Ihre ungewöhnliche Partnerschaft bot ihr Halt in einer stressigen Zeit ihrer Karriere.

„Viel Spaß mit Ihrem attraktiven Verlobten“, rief die Reporterin ihr nach. „Sie haben Glück, den Richtigen gefunden zu haben. Ich habe auch schon daran gedacht, mich an eine Partnervermittlung zu wenden.“

Sofia wäre fast über ihre eigenen Füße gestolpert, so sehr erschrak sie über die Worte. Sie drehte sich um und sah, dass Delaney mit dem Stift scheinbar nachdenklich gegen ihr Kinn tippte.

„Sie kennen nicht zufällig eine gute Agentur?“, fragte die Frau.

Der Fehdehandschuh war geworfen.

Sofia verstand die Andeutung. Die Frau wusste etwas darüber, was am Flughafen passiert war. Hatte sie erfahren, dass Sofias Vater eine Heiratsvermittlerin engagiert hatte? Das an sich war vermutlich keine große Sache. Was aber, wenn sie mehr wusste? Dass die Verlobung eine Lüge war, eine Maßnahme, um das Gerede unter den Kolleginnen zu stoppen, damit sie sich auf ihr Tanzen konzentrieren konnte?

Vielleicht hätte sie an jenem Abend alles richtigstellen und bei der Wahrheit bleiben sollen. Doch da sie die Sache jetzt nicht klären konnte, lächelte Sofia nur.

„Nein, aber ich habe gehört, dass diese Möglichkeit heutzutage gern genutzt wird.“ Damit verschwand sie in der Menge und machte sich auf die Suche nach Quinn.

Er war in dieser stressigen Zeit ihr Halt geworden.

Und er wollte sogar noch mehr sein. Er wollte ihr Lust schenken. Ein berauschendes Angebot, das sich immer wieder in ihr Bewusstsein schlich. Mit klopfendem Herzen erkannte sie, dass er der einzige Mensch war, den sie jetzt sehen wollte.

„Ich muss mit dir reden.“

Sofias leise Stimme an seinem Ohr war das Erotischste, was Quinn gehört hatte, seit sie dieses sexy Geräusch gemacht hatte, als er in der Limousine ihren Nacken geküsst hatte. Spätestens seit diesem Moment wollte er sie für sich allein haben.

Er stand am Rand der Menge und hörte dem Ehrengast zu, der am Rednerpult stand und darüber sprach, wie sehr er sich freute, in New York zu arbeiten und sich von der Stadt inspirieren zu lassen. Der Mann sagte genau die richtigen Dinge, doch irgendetwas an ihm irritierte Quinn, seit das erste Wort über seine Lippen gekommen war. Vielleicht lag es einfach daran, dass er Macht über Sofias Karriere besaß. Quinn gefiel der Gedanke nicht, dass die subjektive Meinung eines einzigen Mannes ihr so viel bedeuten konnte.

Oder daran, dass Idris Fortier über seine eigenen Witze lachte und gelegentlich von sich in der dritten Person sprach. Die Zuhörer hingen jedoch an seinen Lippen.

„Sollen wir uns zuerst noch die Rede anhören?“, fragte Quinn, überrascht, dass das Interview schon fertig war.

„Die Reporterin hat mich gefragt, ob ich ihr eine Partnervermittlung empfehlen kann.“ Ihr warmer Atem streifte sein Ohr, doch das verführerische Gefühl täuschte nicht über ihre Nervosität hinweg.

Kein Wunder, dass sie nervös war.

„Er ist mit seiner Rede fast fertig.“ Quinn legte den Arm um ihre Taille, um sie so nah wie möglich an sich zu ziehen und den Eindruck zu erwecken, dass sie schwer ineinander verliebt waren. „Es wird leichter, miteinander zu sprechen, wenn der Tanz begonnen hat.“ Seine Lippen bewegten sich an ihrem seidigen Haar. „Ich möchte nicht, dass deine nette Reporterin sieht, wie wir uns flüsternd in eine Ecke zurückziehen.“

Sie nickte und entspannte leicht. Auf dieses kleine Zeichen des Vertrauens hatte er die ganze Woche hingearbeitet.

Um ihr zu helfen natürlich. Darauf hatten sie sich verständigt. Doch sein Verlangen nach ihr verkomplizierte die Geschichte. Und so wie in der Limousine die Funken zwischen ihnen geflogen waren, glaubte er zu wissen, wie die Sache zwischen ihnen enden würde.

Würde sie dieser Anziehungskraft nachgeben, wenn sie wüsste, dass ihm diese Verlobung genauso viel half wie ihr? Dass er es absichtlich hinausgezögert hatte, den Vertrag aufzusetzen, über den sie am ersten Abend gesprochen hatten, weil er sich fragte, ob die Beziehung ihm in Bezug auf die Forderung seines Großvaters helfen könnte?

Quinn hoffte immer noch, Malcolm McNeill begreiflich machen zu können, dass er darauf vertrauen konnte, dass seine Enkel zu irgendeinem Zeitpunkt die richtige Frau fanden. Er wollte versuchen, ihn dazu zu bringen, die Klausel aus dem Testament zu streichen. Und wenn es ihm nicht gelang? Er war zuversichtlich, dass er ein Agreement mit Sofia ausarbeiten konnte, das ihm helfen würde, die Bedingungen zu erfüllen.

Als die Menge um ihn herum in frenetischen Applaus für den Choreografen ausbrach, strich ein Geiger mit seinem Bogen den dramatischen Auftakt zu einem Tango. Ein Tanz, den Quinn gut beherrschte. Die Melodie katapultierte ihn in einen kleinen Pub in Buenos Aires. Dort hatte er die Schritte dieses erotischen Tanzes gelernt, als er die Renovierung eines der Resorts seiner Familie überwachte.

„Tanz mit mir“, murmelte er gegen ihr Ohr. Er atmete den Vanilleduft ihrer Haut ein. Sie hüllte ihn ein und erhitzte sein Blut.

Aus großen grauen Augen blickten sie ihn fragend an. Er fuhr mit der Fingerspitze über ihr Rückgrat, fühlte durch die Seide hindurch die süße Kurve ihres Rückens. „Ich bin Balletttänzerin“, erwiderte sie atemlos. „Der Tango ist ein Gesellschaftstanz.“

Er zog sie aufs Parkett.

„Seit wann lernen Hedgefonds-Manager erotische, argentinische Tänze?“ Leichtfüßig nahm sie Position ein. Auf der Tanzfläche waren nur wenige andere Paare.

„Ich muss gewusst haben, dass ich eines Tages eine Frau beeindrucken muss.“ Er verstärkte seinen Griff um sie, zog sie näher, als sie mit den fließenden Bewegungen begannen. Ihr biegsamer Körper bewegte sich anmutig, doch dies war kein sanfter Tanz. Er war feurig und leidenschaftlich.

„Du steckst voller Überraschungen, Quinn McNeill.“ Einen quälenden Moment lang schmiegte sie sich auf erregende Weise an ihn. Dann drehte sie die Hüften seitwärts und schob ein Bein durch ihr hochgeschlitztes Kleid. Dabei warf sie ihm einen koketten Blick zu.

Zumindest hatte er sie abgelenkt. Sie dachte nicht mehr an die Reporterin, den Choreografen oder ihre Karriere. Sie war ganz auf Quinn konzentriert.

Tanzte mit grazilen Schritten, sexy und provokant. Bewegte sich von ihm weg und ließ sich wieder von ihm einfangen.

Sie drehten sich, und ihr Oberkörper bog sich anmutig über seinen Arm fast bis auf den Boden. Ihre Hüften rieben aneinander, als er sie wieder aufrichtete, so hoch und so nah, dass seine Lippen nur Millimeter von ihren entfernt waren.

Prickelnde Erotik lag in der Luft. Er wurde hart. Sehnsüchtiges Verlangen erfüllte ihn. Sie war geschmeidig und biegsam in seinen Armen, reagierte auf die kleinsten Berührungen, den leichtesten Druck. Sie schien sich dem Tanz hinzugeben, ihm hinzugeben, als sie die Augen schloss und sich von ihm führen ließ.

Gerade als sie schutzlos wirkte, holte ein Staccato sie aus der Trance, und sie wirbelte um ihn herum, improvisierte verführerische Schritte, während er einfach dastand. In ihm tobten Wollust, brennendes Verlangen und Erregung. Er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Sie hielt seine Hand, glitt an seinem Körper zu Boden, richtete sich langsam wieder auf. Und aus dem Nichts wölbten sich ihre Lippen zu einem verführerischen Lächeln, und ihr Gesichtsausdruck war ein einziges Versprechen.

Er bekam einen trockenen Mund. Sie tanzten noch ein paar Schritte, und die Welt um sie herum blieb stehen. Seine Sinne richteten sich allein auf sie, auf die wunderschöne Frau.

Als die Musik verklang, standen sie schwer atmend, ineinander verschlungen, die Stirnen aneinandergepresst.

„Komm mit mir nach Hause“, forderte er. Ihr Blick brannte sich in seinen, und nur vage nahm er das neue, langsamere Lied wahr, das ertönte.

Ihr Griff verstärkte sich um seinen. „Ja.“

Ein Siegesgefühl durchströmte ihn. Er wollte sie hochheben und durch die Menge nach unten zu der wartenden Limousine tragen. Aber er wollte den für sie so wichtigen Abend nicht beenden, ohne das Hauptziel erreicht zu haben.

„Wunderbar.“ Er ließ sie langsam los und suchte in der Menge nach dem Mann, der ihre berufliche Zukunft in der Hand hielt. „Wir machen noch dem Mann der Stunde unsere Aufwartung, und dann sind wir frei, den Abend so zu verbringen, wie wir es möchten.“

„Okay.“ Sie nickte. „Ich werde ihn begrüßen, und dann informiere ich Jasmine vom Auto aus mit einer SMS darüber, was Delaney gesagt hat. Ich muss Jasmine warnen, falls die Reporterin eine Story über das Durcheinander bei der Partnervermittlung plant.“

„Ich werde meine PR-Abteilung bitten, ebenfalls ein paar Geschichten über unsere Verlobung zu verbreiten.“

Das würde ihrer Beziehung eine größere Glaubwürdigkeit verschaffen. Und zum ersten Mal fragte Quinn sich, wie Sofia reagieren würde, wenn er sie bat, die Fake-Verlobung in eine einjährige Ehe auszuweiten, wie es im Testament seines Großvaters stand …

Natürlich würde er das nicht tun. Die Bedingungen seines Großvaters waren völlig daneben und unfair. Er musste mit ihm sprechen, damit er sein Testament änderte. Jetzt aber würde er sich auf Sofia konzentrieren.

Sie warteten, bis eine ältere Frau in einem exotisch anmutenden, bunten Kaftan ihr Gespräch mit dem berühmten Choreografen beendet hatte. Als Sofia sich besorgt zu ihm umdrehte, strich Quinn beruhigend über ihre Hüfte. Und ganz diskret noch etwas tiefer.

„Sofia Koslov.“ Der jungenhaft gebaute Franzose breitete die Arme aus. „Meine Liebe, ich konnte es kaum erwarten, Sie zu treffen.“

Quinn ließ sie los, damit sie eine Umarmung entgegennehmen konnte, die ihm persönlich viel zu enthusiastisch war. Allerdings würde er das bei jedem denken, der die Frau berührte, die er so heftig begehrte.

„Willkommen in New York, Mr. Fortier“, begrüßte sie ihn. Ihre hölzerne Sprechweise war ein reizendes Zeichen ihrer Nervosität, wusste Quinn.

„Nennen Sie mich Idris. Ich bestehe darauf.“ Der Mann würdigte Quinn nicht eines Blickes, als er Sofia aus rein beruflichem Interesse musterte. Das zumindest hoffte Quinn.

„Idris“, korrigierte sie sich. „Wir sind außer uns vor Freude, dass wir Sie beim City Ballet haben.“

„Und ich freue mich auf Ihr Vortanzen, Sofia.“

Bevor Sofia antworten konnte, drehte sich der gefeierte Choreograf um, um einen jungen Mann zu begrüßen, der hinter Sofia stand. Die Audienz war offensichtlich vorbei.

Sofia stieß Quinn in die Seite und flüsterte: „Habe ich ihn beleidigt?“

Wenn Sofia nicht eine so hohe Meinung von dem Mann hätte, dann hätte Quinn ihr vermutlich gesagt, dass Fortier sich unhöflich verhalten hatte.

„Du hast das ganz wunderbar gemacht. Jasmine wäre begeistert.“

„Da wir gerade von Jasmine sprechen.“ Sofia holte ihr Handy aus der Tasche. „Ich muss sie endlich darüber informieren, was die Reporterin gesagt hat.“ Sie senkte die Stimme. „Wir müssen darauf vorbereitet sein, falls die Frau eine Story darüber veröffentlich, dass ich eine Partnervermittlung engagiert habe.“

Quinn nickte und entschuldigte sich, um die Mäntel zu holen. Aber er hatte bereits einen Plan B, falls die Partnervermittlungsgeschichte durchsickerte. Falls irgendjemand die Rechtmäßigkeit ihrer Verlobung in Frage stellte, dann wäre es leichter, Sofia davon zu überzeugen, ihn für ein Jahr zu heiraten und damit dieses verdammte Erbe irgendwie zu sichern.

Nur für den Fall.

9. KAPITEL

Zwanzig Minuten später beobachtete Sofia die Zahlen, die aufleuchteten, als sie auf den Fahrstuhl warteten, der sie in Quinns Wohnung bringen sollte.

Zehn, neun, acht …

Quinns Hand lag auf ihrem schmalen Rücken, die Berührung ließ ihre Haut brennen.

War es verrückt von ihr, hier zu sein?

Wahrscheinlich.

Ihr Arrangement galt lediglich für öffentliche Veranstaltungen, und doch stand sie hier und wollte mit ihm allein sein.

Sieben, sechs, fünf …

Sämtliche Nervenenden waren zum Leben erwacht, als er sie durch den leidenschaftlichsten Tanz führte, den sie je aufgeführt hatte. Nur, dass es keine Performance gewesen war. Jede nicht choreografierte Bewegung war aus dem sinnlichen Verlangen geboren, das er entzündet hatte. Nie zuvor hatte sie so völlig losgelassen getanzt. Sie fühlte sich selbstbewusst. Sexy. Leidenschaftlich.

Vier, drei, zwei …

Doch sie war nicht nur mit Quinn nach Hause gegangen, weil sie verrückt vor Lust war. Sie wollte dieses Risiko eingehen und sich öffnen, so wie sie es auf der Tanzfläche getan hatte. Er hatte ihr geholfen, durch eine stressige Zeit in ihrem Leben zu kommen, so wie er sie durch den Tango geführt hatte – mit Bestimmtheit, das Kommando übernehmend, gebend und nehmend.

Während sie in dieser Woche seine Stärke und seinen kühlen Kopf schätzen gelernt hatte, hatte der leidenschaftliche Tanz eine andere Seite des rätselhaften Mannes enthüllt, die sie besser kennenlernen wollte.

In ihren früheren Beziehungen war sie so vorsichtig gewesen wie im beruflichen Leben, jeder Schritt war geprobt, bis sie sich sicher genug fühlte, einen Schritt weiterzugehen. Und wohin hatte sie das gebracht?

Es waren herzlose Beziehungen gewesen, nur wenig mehr als Freundschaften, was ihre Kolleginnen glauben ließ, dass sie ein trauriges, leidenschaftsloses Leben führte.

Was sie für Quinn empfand, war alles andere als leidenschaftslos.

Der Fahrstuhl kündigte sein Kommen mit einem Ping an, die Tür glitt auf, und Quinn schob sie in die wundervoll leere Kabine. Sie hielt den Atem an, als sich die Tür wieder schloss, und er sie im selben Moment gegen die Wand drückte. Er tauchte die Hand in ihr Haar, löste die wenigen Nadeln, die die Frisur hielten, sodass die dezent duftenden Locken um ihr Gesicht fielen. Das Cape rutschte von ihren Schultern auf den Boden, und sie zog ihm hastig den Mantel aus.

Als seine Lippen ihre berührten, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und schmiegte sich an ihn. Ein Prickeln schoss durch ihren Körper, als er den Kuss vertiefte. Mit der Zunge strich er über ihre Lippen, forderte Einlass. Sie stöhnte und verspürte eine unglaubliche Lust, als der erotische Tanz ihrer Zungen begann.

Durch sein Jackett hindurch fühlte sie seinen wilden Herzschlag. Sie legte den Kopf in den Nacken und genoss das erotische Kribbeln, als er mit der Zunge heiße Kreise auf ihren Hals zeichnete. Sein Atem klang rau.

Sie hielt die Luft an, als er die Hand auf ihr Dekolleté legte. Ihre Brüste sehnten sich nach seiner Berührung. Langsam strich er mit den Fingerspitzen an ihrem Ausschnitt entlang, bevor er die Hand hineingleiten ließ und eine ihrer harten Brustspitzen liebkoste. Sein Blick brannte sich in ihren. In diesem Moment hielt der Fahrstuhl an, und Quinn wich zurück.

Sofia presste die Hand gegen die Brust, als könnte sie so ihren hämmernden Herzschlag beruhigen. Es ging alles so schnell, aber sie wollte es so, jetzt, wo sie entschieden hatte, nicht mehr zu warten. Sie hatte Quinn vom ersten Moment an gewollt, jetzt konnte sie nichts mehr aufhalten. Der Tango war der Auftakt zu dem gewesen, was jetzt kommen würde.

Quinn schob Sofia in sein Apartment und durch den offenen Wohnbereich hindurch in einen Flur, den sie bisher nicht gesehen hatte. Während sie sich leidenschaftlich küssten und sich gegenseitig die Kleidung vom Leib rissen, gelangten sie in das schwach beleuchtete Schlafzimmer. Doch als er sich mit ihr aufs Bett fallen lassen wollte, trat sie im letzten Moment zur Seite.

Gerade lange genug, um Atem zu holen.

Ihre Lippen brannten von seinen Küssen, ihre Haut prickelte unter dem Seidenkleid, das er heute zu ihrer Wohnung hatte liefern lassen, samt Schneider, für den Fall, dass noch Änderungen vorgenommen werden mussten. Das elegante Designerkleid hatte sich auf ihrer Haut wie die Liebkosung eines Liebhabers angefühlt. Doch jetzt wollte sie nicht das Kleid, sondern Quinns Hände überall spüren. Keine noch so extravagante Robe konnte seine Berührung ersetzen.

„Geht es dir zu schnell?“ Er strich mit den Fingerknöcheln über ihre nackten Arme. „Wir können uns mehr Zeit lassen. Möchtest du einen Drink?“

„Nein.“ Nichts sollte ihren Verstand umnebeln. „Ich möchte nur einen Moment, um alles zu verinnerlichen. Und zu genießen.“

Sie legte die Hände auf seine breite Brust, bewunderte den Kontrast zwischen ihren roten Nägeln und seinem weißen Smokinghemd, den funkelnden Ring, der daran erinnerte, was sie vorgaben, füreinander zu sein. Sie wollte, dass es real wurde.

Er hob ihre Hand und küsste ihre Fingerknöchel, den Handrücken, die Innenseite ihres Handgelenks. Selbst diese harmlosen Küsse erregten sie.

In irgendeinem der vielen Zimmer schlug eine Uhr. Zwölf Uhr Mitternacht. Ein neuer Tag begann … und sie würde nicht mehr die Frau sein, die sie gewesen war.

Jetzt, da sie diesen Weg eingeschlagen hatte, wollte sie unbedingt erleben, wohin er führte. Sie wollte den erotischen Weg fortsetzen, den sie auf der Party begonnen hatten, und hier das feurige Finale erleben.

Sie drehte ihm den Rücken zu und sah über ihre Schulter. „Ich könnte Hilfe gebrauchen.“ Sie hielt ihr Haar hoch und zeigte auf den Reißverschluss. „Aber vorsichtig. Damit nichts kaputt geht.“

„Das Kleid ist egal.“ Er zog den Reißverschluss bis zu ihrer Hüfte hinunter, und die warme Luft im Zimmer liebkoste ihre nackte Haut. „Ich will, was in ihm steckt.“

„Bist du sicher?“ Sofia streifte das Kleid von einer Schulter und lächelte ihn an. Sie war ihm dankbar, dass sie das Tempo vorgeben durfte, dass er ihr Zeit ließ, diese Art von neckischem Vorspiel zu genießen.

„Lady, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so sicher“, murmelte er.

Die Seide raschelte leise, als das Kleid zu Boden fiel und sich um ihre Füße bauschte. Sie trat hinaus und drehte sich aufreizend langsam herum. Er starrte sie an, sein Blick intensiv und so begehrlich, dass ihr zwischen den Schenkeln heiß wurde. Als Tänzerin hatte sie ein ausgeprägtes Körperbewusstsein. Jeden Muskel, jede Sehne, jeden Knochen hatte sie unter Kontrolle. In diesem Moment war sie sich ihres Körpers bewusster denn je, hatte ihn aber nicht unter Kontrolle.

Nur mit ihrem schwarzen Spitzen-BH und Höschen bekleidet, stand sie ihm gegenüber. Ihre Haut schien überall dort zu brennen, wo sein Blick hinfiel. Bei Quinn war sie nicht einfach eine Tänzerin, sondern eine Frau voller Begierde und Bedürfnisse.

Als sie die Träger ihres BHs über die Schultern streifte, verschleierte sich sein Blick. Eine Reaktion, die sie noch mehr erregte.

Mit einer anmutigen Drehung wandte sie ihm wieder den Rücken zu, hakte ihren BH auf und hielt den Hauch von Seide an einem Finger ihrer ausgestreckten Hand, bevor sie ihn auf den Boden fallen ließ. Als sie Quinns kehliges Stöhnen hörte, lächelte sie, legte den Arm über ihre vor Lust schmerzenden Brüste und drehte sich erneut herum. Langsam wanderte sein Blick über ihren Körper.

„Hast du Spaß?“ Sie stellte sich zwischen seine Beine, ihre Knie stießen gegen die Bettkante.

„Noch nicht so viel, wie ich gleich haben werde.“ Er ließ sich rückwärts mit ihr aufs Bett fallen.

Sofia war wie berauscht von dem, was sie spürte. Der muskulöse Oberkörper unter dem gestärkten Hemd, das seidige Gefühl seiner Hose an ihren nackten Beinen, die Gürtelschnalle direkt über seiner Erektion, die gegen ihren Bauch drückte.

Er legte die Hände auf ihren Po und presste Sofia an sich.

„Ich habe davon geträumt, das hier zu tun“, gestand sie. Mit der Fingerspitze fuhr sie über sein Kinn. „Die ganze Woche habe ich daran gedacht. Bei unseren Telefonaten.“

„Als wir über die verschwundene Heiratsvermittlerin gesprochen haben? Unsere beruflichen Hoffnungen und die Anforderungen beim Ballett?“ Er nahm ihre Hand und biss sie zärtlich in einen Finger. „Die ganze Zeit hast du daran gedacht, nackt auf mir zu liegen?“

„Vielleicht nicht jede Sekunde. Aber immer wieder. Vor allem, wenn ich aufgelegt hatte.“ Es waren merkwürdig einsame Momente gewesen. Sie hatte die wachsende Bindung zu ihm gespürt, aber sie war nicht sicher gewesen, ob es Freundschaft war, das Gefühl, Verbündete zu sein in einer Zeit, in der sie einander brauchten, oder ob es einfach sexuelle Anziehungskraft war. Doch jeden Abend hatte sie sich danach gesehnt, ihn wiederzusehen.

Ihn zu berühren. Ihn auszuziehen.

Er machte ein ernstes Gesicht. „Ich habe auch an dich gedacht. Es war, als wäre die Stille lauter, sobald wir aufgehört hatten zu reden.“

Seine Worte beschrieben genau, was sie gefühlt hatte. Sie war so gerührt, dass sie ihn küsste.

Und zum ersten Mal übernahm sie die Führung. Sie erforschte seine vollen Lippen, tauchte mit der Zunge in seinen Mund, schmeckte ihn. Sie genoss das Gefühl seines Körpers unter ihrem. Ihre Brustwarzen richteten sich auf, als sie sich an ihm rieb. Ihr langes Haar fiel wie ein Vorhang aus Seide auf seine Brust. Sie hätte ihn stundenlang küssen können, doch er beendete das Spiel und rollte sich mit ihr herum.

Ein neues Spiel begann, heißer und hitziger. Er bedeckte ihre Brüste mit seinen Händen, umkreiste die harten Spitzen erst mit den Daumen, dann nahm er sie abwechselnd zwischen die Lippen und liebkoste sie mit der Zunge.

Hastig öffnete sie sein Hemd, zog es aus seiner Hose und legte die Hände auf seinen nackten Oberkörper. Er fühlte sich noch besser an, als sie es sich vorgestellt hatte. Ihre Finger strichen durch seine Brusthaare, folgten der feinen Spur nach unten. Bevor sie jedoch bei seiner Hose angekommen war, richtete er sich auf und hielt ihre Hand fest. Dann öffnete er selbst den Gürtel und zog den Reißverschluss hinunter.

Er hatte eine athletische Figur, muskulöse Beine und einen Hintern wie ein Fußballer, der ganze Körperbau schwerer als der eines Tänzers. Kräftiger. Und doch hatte er sie beim Tango leichtfüßig über die Tanzfläche geführt. Was bewies, dass er seine Muskelkraft auf sehr verführerische Weise einsetzen konnte.

„Ich will dich in mir spüren.“ Sie legte die Hände an seine Hüften und streifte ihm die Boxershorts ab.

„Und ich kann es nicht erwarten, in dir zu sein.“ Er spreizte ihre Beine mit seinem Oberschenkel.

Leise stöhnend schlang Sofia die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Quinn rollte sich mit ihr auf die Seite des Bettes und holte eine Packung Kondome aus der Nachttischschublade. Er ließ die Schachtel auf dem Nachttisch liegen, wie das erreichbare Versprechen, dass Sofia bekommen würde, was sie wollte.

Sie stöhnte leise, als er den Druck seines Oberschenkels zwischen ihren Beinen verstärkte. Im nächsten Moment spürte sie seine Hand dort, wo eben noch sein Bein gewesen war. Seine Finger spielten mit ihrem seidigen Slip, dem einzigen Kleidungsstück, das noch zwischen ihnen war.

Ihre Blicke trafen sich, und sie sah das Verlangen in seinen Augen. Er begehrte sie so sehr wie sie ihn. Trotzdem ließ er sie zappeln, verlängerte den wunderbaren Tanz.

Wer hätte gedacht, dass sie diejenige sein würde, die schnell mehr wollte, während er sich Zeit ließ, viel Zeit. Mit jeder Berührung steigerte er ihre Sehnsucht und sorgte dafür, dass sich diese Nacht für immer in ihr Gedächtnis brannte.

Sie schloss die Augen und überließ sich seinen geschickten Händen. Er erkundete ihren Körper, was sie stöhnen und keuchen ließ, und schob seine Hand erst in ihren Slip, als sie ihm ihre Hüfte bettelnd entgegenhob.

Und, oh ja.

Kaum drang er mit einem Finger in sie ein, zogen sich die Muskeln in ihrem Unterleib zusammen, Zuckungen durchliefen ihren Körper. Heiße Wellen der Lust überfluteten sie, schlugen über ihr zusammen und nahmen ihr den Atem.

„Ich will dich schmecken“, flüsterte Quinn, und dieses sinnliche Versprechen reichte aus, ihre Lust erneut anzufachen.

„Das ist alles ganz neu für mich“, sagte sie leise. „Das heißt, nicht völlig neu, aber es war für mich noch nie so wie jetzt.“ Sie küsste seine Schulter. „Ich könnte bewusstlos werden, wenn ich in dieser Nacht noch mehr Orgasmen habe.“

Er grinste. „Ich glaube nicht, dass das möglich ist, aber es könnte ein interessantes Experiment sein.“

„Ich glaube, ich erlebe die Nacht lieber bei vollem Bewusstsein. Schon mich ein bisschen beim ersten Mal.“

„Solange es weitere Male gibt.“ Er hakte einen Finger in ihren Slip und zog ihn über ihre Hüften.

„Es wird weitere Male geben.“ Sie spürte, dass diese Nacht mehr zu bedeuten hatte als einfach nur Spaß. Oder?

Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken. Spaß war auch eine sehr gute Sache. Sie nahm die Schachtel mit den Kondomen, zog ein Folienpäckchen heraus und reichte es ihm. Während er es öffnete, küsste sie seinen Bizeps. Sie genoss die Bewegung seiner Muskeln unter ihren Lippen. Wie erregend seine starke, männliche Kraft war.

Als er sich das Kondom übergerollt hatte, legte er sich zwischen ihre Schenkel. Endlich spürte sie ihn dort, wo sie ihn am meisten ersehnte. Ihre Blicke trafen sich. Hielten einander stand.

Langsam drang er in sie ein. Er ließ ihr Zeit, sich an ihn zu gewöhnen. Auch wenn es nicht das erste Mal für sie war, so war es doch völlig neu. Quinn war anders als alle Männer, die sie kannte, und er behandelte ihren Körper wie kein anderer zuvor.

Als er endlich ganz in ihr war, zeigten ihr die kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn, wie viel Anstrengung ihn die Zurückhaltung kostete. Sie küsste seine Wange und sein Kinn, dankbar für seine Zärtlichkeit.

Er rollte sich wieder mit ihr herum, sodass sie auf ihm lag. Er gab ihr damit ein Gefühl der Kontrolle, doch er bestimmte das Tempo seiner Stöße. Einen Moment lang verlor sie sich ganz in ihren Empfindungen – der Hitze, der Reibung, dem Moschusduft seiner Haut. Seidige Laken streiften ihre Waden. Und dann bewegte sie ihre Hüften mit der ganzen Anmut und Kraft einer Balletttänzerin. Erst langsam und dann immer schneller nahm sie ihn mit auf einen sinnlichen Ritt.

Wieder wechselten sie die Position. Jetzt lag er auf ihr. Sein Atem ging schnell, als er das Tempo seiner Stöße erhöhte, bis sie mit einem lauten Aufschrei die ersehnte Erlösung fand und sich ihre Erregung in einem gewaltigen Höhepunkt entlud.

Wenige Sekunden später kam auch Quinn. Schwer atmend lagen sie mitten auf dem breiten Bett, ineinander verschlungen, die Laken um die Füße gewickelt.

Sofia wollte so lange wie möglich dort bleiben. Erstens fühlte sie sich so gut, und zweitens wusste sie nicht, wie sie nach solch einem Erlebnis eine entspannte Unterhaltung führen sollten. Ihr ganzes Leben hatte sie sich besser mit ihrem Körper als mit Worten ausdrücken können, und genau das hatte sie auch jetzt getan.

Aber als Quinn sie an sich zog und über ihr Haar strich, wusste sie, dass es einen signifikanten Unterschied gab.

Sie hatte eine Freundschaft zu ihm aufgebaut. Die langen Spaziergänge und abendlichen Telefonate hatten ihr geholfen, sich ihm näher zu fühlen, und ihr das Gefühl gegeben, dass ihm nicht nur seine Geschäfte wichtig waren.

Mit diesem hoffnungsvollen Gedanken hätte sie vielleicht einschlafen können, hätte sie nicht diese eine Sorge gehabt. Und als sich ihre Atmung wieder beruhigt hatte, konnte Sofia nicht anders, als diese Sorge mit Quinn zu teilen.

„Ich hoffe, es war ein Schuss ins Blaue, als diese Journalistin die Partnervermittlung angesprochen hat.“ Sofia wollte nicht, dass die Geschichte an die Öffentlichkeit gelangte.

„Das wäre schon ein sehr spezielles Detail, um es einfach aus dem Hut zu zaubern“, bemerkte Quinn trocken. Er zog die Decke hoch und deckte sie beide zu.

Trotzdem lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, dass Delaney vom Dance – Magazin die Geschichte tatsächlich als Knüller bringen könnte.

„Jasmine hat mir geschrieben, dass sie sich darum kümmert.“ Nervosität breitete sich in Sofia aus und vertrieb das Wohlgefühl, das sie eben noch verspürt hatte.

„Du weißt, dass du dich auf sie verlassen kannst. Wenn sie irgendetwas erfährt, dann wird sie es uns wissen lassen.“ Er strich ihr liebevoll über den Arm und ließ die Hand dann an ihrer Hüfte liegen. „Aber wenn die Reporterin tatsächlich schreibt, dass dein Vater eine Heiratsvermittlerin engagiert hat, dann feiern wir einfach die Tatsache, dass du beim ersten Versuch das große Glück gefunden hast. Und bleiben so lange verlobt, bis alle glauben, dass es wahre Liebe ist.“ Er streifte mit seinem kratzigen Kinn ihr Haar. Eine zärtliche Geste, die sie beruhigt hätte, wenn die Richtung, in die die Unterhaltung sich bewegte, ihr nicht ebenfalls Sorgen bereitet hätte.

„Ich kann dich nicht auf ewig an mich binden.“ Sie setzte sich auf, die Schultern angespannt. „Vielleicht sollten wir einfach allen reinen Wein einschenken.“

Quinn schüttelte den Kopf. „Wir stecken zu tief drin. Und ein Zurück würde dem Unternehmen meiner Familie genauso schaden wie dir.“

Das zarte Vertrauen, das zwischen ihnen gewachsen war, drohte zu verkümmern. Quinn blieb in Wirklichkeit nur bei ihr, um seine geschäftlichen Interessen zu schützen. Um sich das Wohlwollen ihres Vaters zu sichern, indem er tat, worum sie ihn bat.

„Was schlägst du also vor?“ Sie presste die Decke an die Brust.

„Wenn nötig, dann heiraten wir. Niemand wird es dann noch wagen, unsere Liebe in Frage zu stellen.“

„Aber unseren gesunden Menschenverstand.“ Frustriert überlegte sie, ob sie Jasmine anrufen sollte. Sie wollte ehrliche Antworten, nicht eine oberflächliche Behandlung des Problems. „Ich meine es ernst, Quinn.“

„Ich auch. Aus einer vorgetäuschten Verlobung machen wir eine vorgetäuschte Ehe. Wir bleiben ein Jahr verheiratet, und dann ziehen wir einen Schlussstrich. Unsere Kritiker sind ruhig. Skandal abgewehrt.“

„Du wärst bereit, so weit zu gehen?“ Sie tatsächlich zu heiraten? „Deinen Namen zu teilen, ein Haus und ein Leben, und das alles nur zum Schein?“

„Es steht zu viel auf dem Spiel. Es geht nicht nur um deine Karriere oder darum, dass dein Vater uns gedroht hat, den Kauf europäischer Resorts zu blockieren.“ Er schlang die Arme um sie, doch die Temperatur im Raum hatte sich erheblich abgekühlt. So empfand sie es zumindest. Er schien nicht zu merken, welche Wirkung seine Worte hatten, als er fortfuhr: „Ein Hedgefonds trägt meinen Namen. Meine Kunden könnten Milliarden von Dollar zurückziehen, wenn sie meinem Wort nicht mehr trauen.“

Sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter sie immer wieder ermahnt hatte, ihrer Leidenschaft zu folgen und nicht materiellem Erfolg nachzujagen. Obwohl sie diesen Rat ihr ganzes Leben befolgt hatte, lag sie jetzt nackt in den Armen eines Mannes, der immer zuerst an sein Vermögen denken würde. Es war die Erinnerung zur rechten Zeit, dass sie besser keine tieferen Gefühle für Quinn entwickelte.

Leichter gesagt als getan.

10. KAPITEL

Zwei Tage später lief Quinn in seiner Privatbibliothek im Hauptsitz von McNeill Fund im Financial District, eine Etage über den Büroräumen von McNeill Resorts, auf und ab.

Sein Bruder Ian war Anfang der Woche aus Singapur zurückgekehrt. Quinn hatte ihm einen Tag Erholung gegönnt, ihn dann aber darum gebeten, dabei zu helfen, Mallory West aufzuspüren, damit er ihr noch ein paar Fragen stellen konnte. Ian hatte Cameron – dieser war an diesem Morgen aus Kiew zurückgekehrt – und Quinn eine SMS geschickt und um ein Treffen an diesem Nachmittag gebeten, weil es Informationen gab, die beide interessieren würden.

„Dann stimmt es also, dass Mallory West ihre Agentur geschlossen hat?“, fragte Cameron. „Als ich das letzte Mal mit ihr gesprochen habe …“

„Du hast nicht mit ihr gesprochen.“ Ian warf seinem jüngeren Bruder einen Blick über die Schulter zu.

„Mann, ich weiß doch, mit wem ich gesprochen habe. Es war dieselbe Frau, die das erste Mal mit mir geredet hat. Diejenige, die mir geholfen hat, eine Frau zu finden.“

„Richtig“, erwiderte Ian trocken. „Aber diese Frau war nicht Mallory, sondern ihre Assistentin Kinley.“

„Sie hat mich angelogen?“

„Kinley hat ein Jahr lang jeden von Mallorys Kunden angelogen – fast seit der Gründung von Mallorys Online-Singlebörse – und sich als ihre Arbeitgeberin ausgegeben, um die wahre Identität der Frau zu schützen.“ Ian sah seine Brüder an. „Ich versuche gerade, ihre wahre Identität herauszufinden. Ich frage mich, ob die Partnervermittlung geschlossen wurde, weil etwas mit Camerons Date schieflief.“

„Die viel wichtigere Frage ist, woher kommen Sofias Kontaktinformationen, und wer hat sie auf der Webseite gepostet, die Cameron besucht hat?“, fragte Quinn. „Ganz offensichtlich war es die Vermittlerin, die ihr Vater engagiert hat, doch Vitali schwört, dass die Frau nur wenig Englisch spricht und dass sie über persönliche Kontakte einen ukrainischen Ehemann für Sofia finden sollte, nicht online.“ Quinn wollte Sofia beruhigende Nachrichten bringen, nachdem der Abend zwei Tage zuvor so angespannt geendet hatte.

Er hatte sich die Ereignisse des Abends immer wieder ins Gedächtnis gerufen und versucht, den genauen Moment zu bestimmen, als sich ihre Haltung ihm gegenüber von heißem Interesse in übertriebene Vorsicht verwandelt hatte. War es einfach die Stimmung am Morgen danach gewesen? Oder hatte er sie unbewusst verärgert? Was auch immer es war, er hatte das Gefühl, dass sie nach dem Fortier-Empfang einen Schritt nach vorn und zwei zurück gegangen waren.

Die Idee mit der Hochzeit hatte ihr nicht gefallen. Und er war ebenso wenig erpicht darauf, diesen Weg zu gehen, auch wenn er damit die Klausel im Testament seines Großvaters erfüllen würde. Was aber, wenn er Sofia heiraten musste, um Schadensbegrenzung bei der Presse zu betreiben? Dann wäre er ein Idiot, wenn er sich nicht an das eine Jahr halten würde, das das Testament von ihm verlangte.

„Machst du Witze? Wenn die Frau kein Englisch spricht, dann ist es umso wahrscheinlicher, dass sie gar nicht wusste, was sie postet“, bemerkte Cameron. „Sprich mit Koslovs Heiratsvermittlerin, und dein Problem ist gelöst.“

„Möglich.“ Quinn bedauerte bereits, eine Spur verfolgt zu haben, von der er schon im Vorfeld geahnt hatte, dass sie in eine Sackgasse führte. Aber konnte er es wagen, die ukrainische Frau unter die Lupe zu nehmen, die eine Freundin von Vitali Koslov war?

Quinn hatte bereits einmal mit Koslov telefoniert, doch der Mann war nicht besonders mitteilsam gewesen. Er hatte ihm nur verraten, dass er eine enge Freundin namens Olena damit beauftragt hatte, einen Mann für Sofia zu finden. Als Quinn vorsichtig andeutete, dass diese Frau Sofias Reisedaten an die amerikanische Agentur gegeben haben musste, die für Cameron arbeitete, war Vitali wieder wütend geworden.

„Ich werde trotzdem weiter nach Mallory West suchen“, sagte Ian.

„Ich danke euch für alles, was ihr getan habt. Sofias Vater will offensichtlich nicht zugeben, welche Rolle er in dieser Geschichte spielt, und ich will ihn nicht weiter verärgern. Ich habe einen meiner IT-Spezialisten nach Sofias Daten in Singlebörsen suchen lassen, und er hat nichts gefunden. Ich bin also sicher, ihre digitale Privatsphäre ist gewahrt.“

„Es passt nicht zu dir, Firmenressourcen für eine Privatangelegenheit zu nutzen“, sagte Ian, während Cameron nur grinste. Und grinste.

Und grinste.

Verdammt.

„Ich bezahle den Mann aus eigener Tasche.“ War das nicht klar gewesen? „Aber jetzt erzähl, was in Kiew passiert ist, Cam. Warum diese Verzögerung bei den Hotels?“

„Offiziell warten wir darauf, dass irgendein Regierungsbüro unterschreibt. Aber wenn ihr mich fragt, dann blockiert Koslov den Kauf. Sein Name wurde während des Meetings mehr als einmal erwähnt.“

„Warum sollte er sich in den Deal einmischen, nachdem ich klar gemacht habe, dass ich im Interesse seiner Tochter handle?“

„Vielleicht wartet er ab, wie es ausgeht“, meinte Ian. „Sie ist noch nicht aus dem Schneider, vor allem wenn diese Reporterin andeutet, dass sie von der Heiratsvermittlung weiß.“

„Was seine Schuld wäre, nicht unsere.“ Quinn hasste es, nach der Pfeife des Mannes tanzen zu müssen, aber was den Hotelkauf betraf, so hatte Sofias Vater großen internationalen Einfluss.

Quinn zog in Erwägung, selbst mit der Reporterin zu sprechen, um die Situation besser einschätzen zu können. Er könnte das Gespräch führen, während Sofia vortanzte.

Er würde ihr damit den Rücken freihalten. Außerdem wollte er Sofia wiedersehen. Bald.

Sein Smartphone vibrierte, doch bevor seine Brüder den Anruf zum Anlass nehmen konnten, das Treffen zu beenden, leuchtete die Nummer ihres Vaters auf.

„Es ist Dad“, sagte Quinn. „Ihr bleibt besser.“

Seine Brüder verstummten. Ihr Vater kommunizierte noch weniger mit ihnen, seit er das Familienunternehmen verlassen hatte. Seit über einem Jahr war er nicht mehr in New York gewesen.

„Hi, Dad. Ian und Cam sind bei mir. Hast du etwas dagegen, wenn ich auf Lautsprecher stelle?“

„Nein“, erwiderte Liam, dessen Stimme ungewöhnlich heiser klang. „Das erspart es mir, sie auch noch anrufen zu müssen.“

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Quinn besorgt. „Wo bist du?“

„In China. Ich dachte, ich könnte mal den Huashan besteigen, wo euer Großvater schon hier ist.“

Quinn hatte von dem Klettersteig noch nicht gehört, aber er wusste, dass solche Touren seinen Vater reizten. „Du bist mit Gramps zusammen?“

„Nein. Aber ich reise jetzt nach Shanghai. Er hat mich angerufen, weil er dort im Krankenhaus ist.“

Die drei Brüder erstarrten.

„Was ist passiert?“, brüllte Ian ins Telefon.

„Soviel ich weiß, hat er eine Stadtrundfahrt unternommen, und der Stadtführer hat ihn dorthin gebracht. Es gibt natürlich Verständigungsprobleme, aber offensichtlich hatte er einen kleineren Herzanfall, und man will ihn zur Beobachtung dort behalten.“

„Ruf uns an, sobald du ihn gesehen hast und mehr weißt“, bat Quinn. Ihr Vater versprach es und beendete den Anruf.

Wortlos trennten sich die drei Brüder. Wieder allein, konnte Quinn nur an einen Menschen denken, den er sehen wollte. Sofia.

Am Abend vor dem wichtigsten Vortanzen in Sofias Leben klingelte es an ihrer Tür.

„Hallo?“, fragte sie in die Gegensprechanlage. Sie erwartete niemanden und vermutete, dass es der Pizzaservice war, der nicht ins Gebäude kam. Schon oft hatte ihre Nachbarin eine Pizza bestellt und war dann mit dem Hund Gassi gegangen.

„Sofia. Ich bin es, Quinn. Ich muss dich sehen.“

In seiner Stimme schwang etwas mit, was sie alarmierte. Das war nicht die Stimme ihres Tango tanzenden Lovers, nicht einmal die des Freundes, der ihr die Nervosität nehmen wollte. Irgendetwas stimmte nicht.

„Natürlich.“ Sie drückte den Türöffner und schaltete das Video von Fortiers erstem Ballett aus, das sie sich angesehen hatte. Sie würde ein Stück daraus vortanzen und hoffte, dass sie die Stimmung besser einfangen konnte als die Solotänzerin von damals es vermocht hatte.

Doch jetzt richtete sie ihren Fokus auf Quinn, wie so oft, seit sie ihn kennengelernt hatte − vor allem seit ihrer gemeinsamen Nacht. Sie musste ihre Gefühle für ihn unbedingt besser in den Griff bekommen. Doch sie konnte ihrem Bündnis nicht einfach den Rücken kehren, schließlich war diese Scheinverlobung ihre Idee gewesen.

Vielleicht wollte sie ihn heute Abend auch einfach sehen. Der Gedanke beunruhigte sie. Sie zog ihre schwarze Kaschmirjacke enger um den Körper und bedeckte das pinkfarbene Top, das sie zu ihrer grauen Jogginghose trug.

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich und öffnete die Tür. Quinn sah sie an. Alles an ihm wirkte angespannt. Sein Kinn, die schmalen Lippen. Die Haltung der Schultern unter dem schwarzen Wollmantel.

„Sofia.“ Er trat nicht ein, obwohl sie den Weg freigemacht hatte. „Darf ich reinkommen?“

Sie nickte und schloss die Tür hinter ihm. Er brachte einen Hauch kalter Luft und einen Hauch seines Aftershaves mit herein. Nach der Nacht mit ihm hatte dieser Geruch ihrer Haut angehaftet. Sie atmete den erregenden Duft tief ein.

„Darf ich dir den Mantel abnehmen?“

„Entschuldige, dass ich einfach so vorbeikomme. Mein Großvater hatte vor zwölf Stunden eine Herzattacke.“

„Das tut mir leid.“ Sie würde nie den qualvollen Kampf ihrer Mutter gegen den Krebs vergessen. „Wie geht es ihm?“

Sie streckte die Arme nach ihm aus, um ihn zu trösten.

„Ich warte auf den Anruf meines Vaters aus Shanghai, aber bei dem Zeitunterschied …“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wie lange es noch dauern wird.“ Er blickte sich in ihrem Apartment um. „Störe ich dich bei irgendetwas? Ich habe den Fahrer gebeten zu warten, für den Fall, dass du beschäftigt bist.“

Natürlich. Ein Hedgefonds-Manager fuhr nicht selbst durch die Stadt. Aber selbst diese Erinnerung an ihre unterschiedlichen Lebensweisen änderte nichts daran, dass sie ihn gern um sich hatte.

„Ich bin nur ein paar Notizen zu meiner Performance morgen durchgegangen …“

„Das habe ich ganz vergessen.“ Er schüttelte den Kopf. „Verdammt, Sofia. Ich weiß doch, wie wichtig das ist!“

„Schon gut. Ich bin sowieso nur immer nervöser geworden.“ Sie zog ihn zur Couch. „Ich möchte nicht, dass du allein auf den Anruf wartest.“

Egal, dass sie gehofft hatte, auf Distanz gehen zu können.

Er hatte ihr bei dem Empfang für Fortier über die Nervosität hinweggeholfen. War mit ihr eine Scheinverlobung eingegangen, als sie ihn darum gebeten hatte. Sie würde ihre ungewöhnliche Freundschaft nicht verraten, auch wenn er sein Herz besser schützte als sie ihres.

„Sicher?“ Er hatte immer noch nicht Platz genommen. „Ich würde gern bleiben.“ Er betrachtete ein gerahmtes Foto. „Ist das deine Mutter?“

„Ja. Das war in dem Sommer vor ihrem Tod. Wir waren in Griechenland und sind mit einer Gruppe Studenten um die Inseln gesegelt.“

„Was muss das für ein Jahr gewesen sein.“ Er strich über Sofias Gesicht auf dem Foto, eine Geste, die sie auf ihrer Haut zu spüren meinte. „Erst so viel Glück, dann große Trauer.“

Sie zog ihn auf die Couch. „Was ist mit dir? Siehst du deine Mutter häufig? Ich glaube, ich habe gelesen, dass sie Brasilianerin ist.“

Ein überraschtes Lächeln zog über sein attraktives Gesicht. „Du informierst dich über deinen Verlobten?“

„Ich muss doch in der Lage sein, Fragen zu dir zu beantworten.“ Sie selbst hatte viele Fragen an ihn. Sie hatte das Gefühl, dass der Mann, den sie kennengelernt hatte, nicht unbedingt der war, über den sie im Internet gelesen hatte.

Quinn setzte sich zu ihr. „Meine Mutter ist nach der Scheidung wieder nach Brasilien gezogen. Sie lebt am Rand von Rio de Janeiro. Ich telefoniere häufig mit ihr, aber …“

„Aber es ist kompliziert?“ Sie berührte seine Hand, verschränkte ihre Finger mit seinen.

Er lächelte und rieb mit dem Daumen über die Innenseite ihres Handgelenks. „Familien sind üblicherweise komplizierter, als sie scheinen, oder? Meine Eltern waren sieben Jahre lang verheiratet. Mein Vater ist ein Abenteurer, ein Adrenalinjunkie, der das Herz meiner Mutter im Sturm erobert hat. Er war in der Bar, in der sie gerade sang, nachdem er beim Drachenfliegen in der Nähe von Rio verunglückt war.“

„Deine Mutter singt?“

„Jetzt nicht mehr so oft, aber ja. Sie hat eine wunderschöne Stimme. An dem Abend, als sie sich kennenlernten, dachte sie, nach diesem Unfall würde mein Vater sein riskantes Leben aufgeben.“ Quinn lachte. „Falsch gedacht. Kaum waren die Rippenbrüche verheilt, suchte er das nächste Abenteuer. Nach sieben gemeinsamen Jahren hat sie gesagt, sie wolle nicht länger zusehen, wie er sein Leben riskiert.“

„Dein Vater hat nicht versucht, sich zu ändern?“

„Nein. Er hat sich einen Anwalt genommen, der das Vermögen gleichmäßig aufgeteilt hat – sehr zum Ärger meines Großvaters –, und meine Mutter ist nach Brasilien zurückgekehrt. Meine Brüder und ich lebten abwechselnd in Rio und in New York. Sechs Monate bei Dad, sechs Monate bei Mom.“

Sofia zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Du sprichst Portugiesisch?“

„Nicht mehr so gut wie als Kind, aber ja. Auch etwas Spanisch. Die Sprachkenntnisse helfen mir heute bei meinem Geschäften, trotzdem würde ich niemandem empfehlen, Kinder aus diesem Grund in zwei Ländern aufwachsen zu lassen.“ Die Traurigkeit in seiner Stimme vermittelte ihr einen kleinen Einblick in seine Kindheit. Es musste schwer gewesen sein, so jung die Hälfte des Jahres von der Mutter getrennt zu sein.

Sie wollte mehr über ihn wissen. Doch angesichts der Tatsache, dass er so nah bei ihr saß – ihre Schenkel berührten sich fast – und ihre Hormone verrücktspielten, war es vermutlich nicht besonders klug, diese intime Unterhaltung weiterzuführen.

Außerdem könnte auch er mehr wissen wollen und nach ihrer komplizierten Beziehung mit ihrem wohlhabenden Vater fragen.

„Ein Mann mit vielen Talenten.“ Sie stand auf, brauchte etwas Distanz. „Tee?“

„Gern. Danke, Sofia.“

Das Apartment war klein, der Weg von der Couch zur Küche kurz. Schnell füllte sie den gelben Teekessel mit Wasser, stellte ihn auf den Herd und schaltete die Platte ein.

„Dieser Tango bei der Galaveranstaltung … dein Weltenbummlerdasein erklärt, warum du den Tanz so wunderbar beherrschst. Es ist ein Teil deiner Identität.“ Sie lehnte gegen den Herd und starrte Quinn an, wobei sie sich daran erinnerte, in welchem Rhythmus sich ihre Körper bewegt hatten.

„Ja, aber es hat mich immer mehr in das Leben meines Großvaters hineingezogen, der schließlich besser für meine Brüder und mich sorgte als mein Dad. Gramps war derjenige, der uns Pflichtbewusstsein eingebläut hat. Und Leistung gefordert hat. Eigentlich stehe ich ihm näher als meinen Eltern.“ Sein Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Ohne Zweifel machte er sich Sorgen um seinen Großvater.

„Ich bin sicher, du hörst bald von ihm.“ Sie kannte nur zu gut die Angst um einen geliebten Menschen, der krank geworden war. Zum ersten Mal dachte sie, dass ihr Vater ihr nach dem Tod ihrer Mutter kein großer Trost gewesen war.

Das Pfeifen des Wasserkessels riss sie aus ihren Gedanken. Sie füllte das kochend heiße Wasser in zwei Teetassen, die sie, genau wie den Kessel, auf dem Flohmarkt erstanden hatte. Ein Sammelsurium. Kunst der anderen Art. Sie hängte die Teebeutel hinein, und sofort färbte sich das Wasser.

Als sie die Tassen auf ein ausgefallenes Tablett stellte – auch eine Errungenschaft vom Flohmarkt – spürte sie Quinns Blick auf sich. Sie sah sich in ihrem Apartment um und errötete.

Was dachte er von ihr und ihrer bescheidenen Wohnung, wo er doch in einer völlig anderen Welt lebte? Es sollte ihr egal sein. Es spielte keine Rolle.

Sie brachte den Tee zum Sofa und verschüttete ihn fast, als sein Handy klingelte. Schnell stellte sie das Tablett ab und setzte sich zu Quinn.

„Dad.“ Er rutschte vor, die Ellbogen auf den Knien, seine ganze Aufmerksamkeit auf den Anruf gerichtet.

Sofia überlegte, ob sie ihn allein lassen sollte. Aber vielleicht brauchte er sie. Sie rückte näher an ihn heran. Verdammt, wie sehr hätte sie sich gewünscht, jemand hätte bei ihr gesessen, als schlechte Nachrichten von ihrer Mutter gekommen waren.

„Das sind doch gute Nachrichten, oder?“ Quinn blickte über seine Schulter, und ihre Blicke trafen sich.

Sie hoffte für ihn, dass sein Großvater sich von der Herzattacke erholen würde. Während Quinn weiter seinem Vater lauschte, starrte Sofia auf seinen breiten Rücken. Selbst jetzt wollte sie ihn berühren, wollte die Frau sein, die an seiner Seite sitzen und die Arme um ihn schlingen durfte, wann immer sie wollte. Wie konnte sie schon nach so kurzer Zeit so starke Gefühle für ihn hegen?

Ihr Herz klopfte wie verrückt, als sie vorsichtig einen Schluck von dem heißen Tee nahm.

„Soll ich ihn wirklich nicht anrufen?“, fragte Quinn gerade. „Danke, Dad.“

Er beendete den Anruf, legte das Telefon zur Seite und drehte sich zu ihr.

„Gramps Arzt in New York wurde konsultiert, denn auch wenn es keine schwere Herzattacke war, wollen sie einen Schrittmacher einsetzen.“

„Hat das nicht Zeit, bis er zu Hause ist?“

„Die Entscheidung überlassen wir seinem Arzt. Aber Dad sagt, Gramps sieht gut aus.“ Auch Quinn sah besser aus. Als wäre ihm eine große Last von den Schultern gefallen.

„Das freut mich.“ Sie stellte ihre Tasse ab und streckte den Arm nach ihm aus. Sie wollte über seine Schulter streichen, oder vielleicht seinen Arm drücken.

Doch als sie sich zu ihm beugte, breitete er die Arme aus und umarmte sie.

„Danke, Sofia.“ Er streichelte ihren Rücken, zog sie an sich. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

Sie drückte einen Kuss auf sein Hemd. Sein Körper war warm unter dem Stoff. Sie konnte seinen Herzschlag an ihrem Ohr spüren. Wie schnell er war. Einen Moment stand die Zeit still, als sie daran dachte, was dieser schnelle Herzschlag bedeutete. Und wie sich der Abend weiterentwickeln würde.

Quinn würde gehen, wenn sie ihn darum bat. Es lag allein an ihr, was als Nächstes geschah. Doch als sie zu ihm aufblickte, wusste sie, dass sie keine Chance hatte, ihn wegzuschicken. Nicht, solange ihr eigenes Herz wie wild schlug und es nur noch ihn gab.

Er war der einzige Mann, der sie den Rest der Welt vergessen ließ. Und an dem Abend vor dem wichtigsten Vortanzen ihres Lebens brauchte sie vielleicht die Möglichkeit, sich in einer Leidenschaft zu verlieren, die nur Quinn in ihr wecken konnte.

11. KAPITEL

Er wollte sich in ihr verlieren.

Quinn hatte angeboten zu gehen, damit Sofia sich auf ihr Vortanzen konzentrieren konnte. Aber sie hatte darauf bestanden, dass er blieb. Und nach den Sorgen der letzten Stunden war er froh darüber. Diese unwiderstehliche Frau würde ihm helfen, all seine aufgestaute Energie loszuwerden.

„Sofia.“ Er strich ihr durchs Haar und zog sie an sich.

Alles an ihr war weich und einladend, angefangen bei der Kaschmirjacke bis zu der cremig weichen Haut darunter. Er schob seine Hand unter die Jacke und fuhr mit der Fingerspitze über den Rand ihres Tops. Ihr leiser Seufzer erregte ihn. Es war die unausgesprochene Bitte, sie zu berühren, sie zu streicheln.

„Ich habe dich vermisst.“ Er hatte so oft an sie gedacht seit ihrer gemeinsamen Nacht. Waren seitdem wirklich erst zwei Tage vergangen?

Es kam ihm vor wie zwei Monate.

„Ich dachte, ich hätte nur geträumt, dass es sich so gut anfühlt, in deinen Armen zu liegen.“ Sie hauchte die Worte gegen seine Wange, während sie sein Hemd aufknöpfte.

Quinn zog an seiner Krawatte, wollte, dass nichts mehr zwischen ihnen war. Sein Jackett hatte er schon früher ausgezogen.

„Es war kein Traum.“ Er riss sich das Hemd vom Leib und warf es auf einen Stuhl. „Ich war da. Es war schöner als alles, was ich mir hätte vorstellen können.“

„Für mich auch.“ Sie betrachtete seine entblößte Brust. Ihr Blick war voller Verlangen und Bewunderung, doch er wollte ihre Hände spüren.

Also hob er Sofia kurz entschlossen hoch. Sie schrie überrascht auf, um gleich darauf die Arme um seinen Nacken und ihre Beine um seine Taille zu schlingen.

„Schlafzimmer.“ Ihr süßer, blumiger Duft kitzelte seine Nase, als er sie den Flur entlangtrug. Erinnerungen daran, was sie in der Nacht nach dem Empfang getan hatten, kehrten zurück.

„Rechts“, murmelte sie zwischen zwei Küssen. „Beeil dich.“

Sie streichelte über seinen Rücken und die Schultern, ertastete jeden Zentimeter, den sie erreichen konnte. Als sie sich bewegte, streifte ihr seidiges Haar seine Brust. Im Vorbeigehen drehte sie an einem Schalter, um das Licht zu dimmen.

Ihre schwarze Kaschmirjacke rutschte über ihre Schultern. Zärtlich biss er in ihre entblößte Haut und zog dann mit den Zähnen den Träger ihres Tops zur Seite.

„Du schmeckst so gut.“ Am liebsten hätte er die ganze Nacht Sex mit ihr gehabt, sie immer wieder zum Höhepunkt gebracht.

Doch er wusste, dass sie vor dem Vortanzen ihren Schlaf brauchte. Dieses eine Mal musste für heute Abend genügen.

„Das kannst du schon nach einem einzigen Biss sagen?“, neckte sie ihn. Ihre Stimme klang leise und sexy. Wie ihn das antörnte!

„Ich hoffe, ich bekomme Gelegenheit, das noch einmal zu überprüfen.“ Er schob sich seitwärts mit ihr durch eine angelehnte Tür in ihr Schlafzimmer.

Ein Schlafzimmer ganz in Weiß. Eine Nachttischlampe beleuchtete ein weißes Himmelbett mit einer eierschalfarbenen Decke. Über dem Bett hing ein antiker Kronleuchter. Selbst in dem gedämpften Licht glitzerten die Glasprismen in allen Regenbogenfarben.

Quinn setzte sie mitten auf das Bett. Er trennte sich nur ungern von ihr, doch er nutzte den Moment, seinen Gürtel zu öffnen und die Schuhe auszuziehen. Sofia beobachtete ihn. Dabei rollte sie die Schultern, bis die Jacke herunterrutschte und sie nur noch mit Top und Jogginghose bekleidet war. Ihr Blick wanderte zu seinen Händen, die gerade damit beschäftigt waren, seine Hose zu öffnen. Sofort schoss ihm das Blut in die Lenden, und er wurde hart wie Stahl.

Ein Anblick, der Sofia zu inspirieren schien, sich aus ihrem Top zu winden und ihm zu zeigen, dass sie absolut nichts darunter trug. Quinn starrte wie gebannt auf ihre Brüste, vergaß seine Hose und warf sich zu Sofia aufs Bett.

Ihr kurzes Lachen wurde zu einem lustvollen Seufzer, als er eine der Spitzen zwischen seine Lippen nahm und ausgiebig daran leckte. Sofia wand sich unter ihm, ihre Hüften suchten seine. Keine Frau hatte so schnell ein Feuer in ihm entfacht, wie sie es tat. Dabei waren sie noch nicht einmal ganz nackt.

Hastig riss er ihr die restliche Kleidung vom Körper – die Jogginghose und den winzigen Slip. Er zog eine heiße Spur von Küssen von ihrer Hüfte abwärts zwischen ihre Beine.

Sein Herz hämmerte wie wild, doch er ignorierte seine eigenen Bedürfnisse und konzentrierte sich ganz auf ihre. Er spreizte ihre Beine, kniete sich dazwischen und küsste sie innig. Leidenschaftlich. Dabei achtete er auf jeden Seufzer und jedes Atemholen, um zu lernen, was ihr am besten gefiel, wenn er sie mit der Zunge verwöhnte.

Zweimal brachte er sie nahe an den Höhepunkt. Er spürte, wie sich ihr Körper anspannte. Beide Male wich er zurück, noch nicht bereit, ihr die so heiß ersehnte Erlösung zu schenken. Wenn dies heute Abend das einzige Mal war, dann sollte sie vollkommen befriedigt sein. Erst als sie das dritte Mal kurz davor war zu kommen und ihre Finger in seine Schultern krallte, erlöste er sie von ihrer süßen Qual.

Rasch holte er ein Kondom aus seiner Brieftasche, dann zog er sich die restliche Kleidung aus. Er wollte Sofia in seine Arme ziehen und sie streicheln, während sie sich erholte.

Wie überrascht war er, als sie sich stattdessen anmutig wie eine Göttin aufrichtete und sich rittlings auf ihn setzte. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah sie ihn an, als wollte sie ihn davor warnen zu protestieren.

Als wenn er das jemals getan hätte.

„Du bist wunderschön.“

Sie beugte sich vor, küsste ihn und nahm ihm das Kondom ab. Sie packte es aus und rollte es ihm über. Eine Berührung, die ihn aufs Höchste erregte. Er holte tief Luft.

Verdammt, er wollte sie. Jetzt.

Er musste tatsächlich die Zähne zusammenbeißen, um nicht sofort zu kommen, als sie sich auf ihn setzte. Und als sie begann, sich auf ihm zu bewegen, ihr wunderschöner Körper ein verlockendes Geschenk, da wusste er, dass dieser Moment für immer in seinem Gedächtnis bleiben würde. Sie gab ihm heute Nacht so unendlich viel.

Das Verlangen brannte so heiß in ihm, dass er sie auf den Rücken rollen und einen Moment dort festhalten musste, während er sich für den unglaublich sinnlichen Angriff dieser Frau wappnete.

Nach einer langen Pause küsste er sie und drang tief in ihre Wärme und Weichheit ein. Ihr Duft umgab ihn, ihre Muskeln umschlossen ihn. Ihre süßen Seufzer wurden zu lauten Schreien, als er das Tempo erhöhte und sie mit schnellen, harten Stößen nahm.

Als er es nicht mehr aushielt, hatte auch sie den Höhepunkt fast erreicht. Mit seinem letzten kräftigen Stoß kamen sie beide gleichzeitig.

Schwer atmend klammerten sie sich aneinander und genossen die unglaubliche Ekstase, die langsam verebbte.

Schließlich zog Quinn die Decke über Sofia. Sie schmiegte sich an ihn, legte ihre Wange an seine Brust, und plötzlich wurde ihm bewusst, dass sich alles verdammt richtig anfühlte. Nachdem sie ihn hereingelassen, sich um ihn gekümmert und ihn gedrängt hatte zu bleiben, bis sein Vater anrief, konnte Quinn nicht mehr so tun, als wäre dieses Arrangement nur Show. Irgendetwas hatte sich zwischen ihnen verändert, und es war mehr als nur Sex.

Er konnte nicht sagen, was es war. Doch er war monatelang mit Frauen zusammen gewesen und hatte nicht ansatzweise das verspürt, was er für Sofia nach einer Woche empfand. Und angesichts des angeschlagenen Gesundheitszustandes seines Großvaters dachte er schon länger darüber nach, ihre Beziehung zu festigen.

Zu schade, dass sie ihm bereits gesagt hatte, dass sie eine Scheinehe für eine schlechte Idee hielt. Er verstand zwar nicht, warum das schlimmer war als eine Scheinverlobung, doch immerhin kannte er nun ihren Standpunkt.

Aber was, wenn sie seinem Großvater zuliebe heirateten?

„Ich kann hören, wie es in deinem Kopf arbeitet“, sagte sie. „Ist alles in Ordnung?“

Quinn könnte mit einem Schlag die Klausel in dem Testament erfüllen und Sofia an seiner Seite behalten. Und ihr vielleicht helfen, sich auf ihre Karriere zu konzentrieren statt auf die Dramen rund um ihren anstrengenden Job. Sie würden beide von einer Ehe profitieren.

„Ich habe eine Idee. Und ich möchte, dass du mir zuhörst.“

„Schieß los.“

„An dem Abend, als Cameron dir einen Heiratsantrag gemacht hat, waren wir so darauf konzentriert, Schadensbegrenzung zu betreiben, dass wir nie darüber gesprochen haben, warum er es so eilig hat zu heiraten.“

„Ich dachte, er ist ein impulsiver Typ.“

„Das ist er, aber er war auch unglücklich über eine neue Klausel im Testament unseres Großvaters. Darin heißt es, dass seine drei Enkel verheiratet sein müssen, um je ein Drittel von McNeill Resorts zu erben. Er meint, das würde die Zukunft des Unternehmens sichern.“ Quinn bereute, nicht früher mit ihr darüber gesprochen zu haben. Doch sie hatten in so kurzer Zeit so viel voneinander lernen müssen. Er war damit beschäftigt gewesen, sich mit ihrer Welt vertraut zu machen, während sie sich auf das Vortanzen konzentriert hatte und gleichzeitig die medialen Folgen von Camerons öffentlichem Heiratsantrag managen musste.

„Das klingt … unbarmherzig. Warum glaubt er, dass es dem Unternehmen Sicherheit verleiht, wenn er seine Enkel zwingt zu heiraten? Er muss doch wissen, dass solche Verbindungen vermutlich nicht halten werden.“

„Er hat über seine Motive nicht gesprochen, bevor er zu einer monatelangen Reise nach Übersee aufgebrochen ist. Gramps Anwalt hat das neu aufgesetzte Testament vor drei Wochen vorgestellt, und bisher weigert Gramps sich, die Klausel wieder zu streichen. Nach dem aktuellen Stand werden die Anteile desjenigen versteigert, der die Klausel nicht erfüllt und mindestens ein Jahr verheiratet bleibt.“

Die Luft zwischen ihnen wurde dicker. Er spürte, wie ihr Körper sich anspannte.

„Dann wollte Cameron mich also heiraten, um seinen Anteil am Unternehmen zu sichern?“ Ihre Stimme klang bitter, ihr Blick war hart. „Er hat also wirklich nach einer Katalogbraut gesucht. Und du hast es die ganze Zeit gewusst? Oh mein Gott.“

Quinn hatte nicht mit einer so starken Reaktion gerechnet, zumal sie Cameron persönlich kennengelernt hatte. Sein Bruder war kein schlechter Kerl, wenn auch eigensinnig.

„Cameron hat sich vor allem deshalb über die Klausel geärgert, weil er meinem Großvater sehr nahesteht und viel in das Unternehmen investiert hat. Ich glaube, er hat darauf gehofft, dass eine überstürzte Verlobung unserem Großvater klarmacht, dass er zu weit gegangen ist.“

„Im Grunde heißt das, zur Hölle mit mir und meinen Gefühlen. Ich war für ihn nur Mittel zum Zweck.“ Sofia schüttelte den Kopf, dann holte sie tief Luft. „Ich hoffe, er versucht es nicht noch einmal bei einer anderen Frau.“

Sie schwieg einen Moment. „Was ist mit dir, Quinn?“, fragte sie schließlich. „Wirst du heiraten und die Regeln deines Großvaters befolgen?“

„Ich hatte es nicht vor.“ Er wählte seine Worte sehr sorgfältig, war sich bewusst, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. Er wollte nicht verlieren, was sie gerade geteilt hatte. Er wollte immer noch herausfinden, wohin das mit ihnen führen könnte. Könnte? Wohin es bereits mit Lichtgeschwindigkeit führte. „Aber ich gestehe, dass der angeschlagene Gesundheitszustand meines Großvaters mich überdenken lässt, wie lange ich noch auf stur schalten und gegen das Testament protestieren will.“

„Das heißt?“

„Das heißt …“ Er konnte nicht zurück, erkannte in diesem Moment aber, dass er sich besser hätte vorbereiten sollen. Dass er einen Ring hätte dabeihaben sollen, der von ihm und nicht von Cameron war. Dass er im Vorfeld darüber hätte nachdenken sollen, was er sagen wollte. Zu spät. Er war bereits so weit gekommen, und er war ein Mann, der es gewöhnt war, schnell eine Entscheidung zu treffen. „Warum heiraten wir beide nicht?“

Wie konnte ein Mann, den sie gerade erst kennengelernt hatte, ihr so schnell das Herz brechen?

Sie kannte Quinn seit einer Woche, doch es war eine sehr intensive Zeit gewesen. Das Chaos hatte sie eng miteinander verbunden, hatte sie zusammengeschweißt. Ihre Leidenschaft und der hohe Einsatz zur Rettung ihrer PR-Kampagne hatte sie in die Arme eines Mannes getrieben, der ihr emotional nicht das geben konnte, was sie brauchte.

Es war nicht seine Schuld, dass ihr Herz so unglaublich schmerzte. Nein. Es war allein ihre Schuld, dass sie ihr Herz nicht besser geschützt, sondern zugelassen hatte, dass sie sich in ihn verliebte.

„Sofia?“ Quinn strich mit der Fingerspitze über ihr Kinn und hob es dann an, damit er sie besser ansehen konnte. Wie gern hätte sie sich an ihn geschmiegt. Doch die Dinge zwischen ihnen hatten sich geändert. Alles hatte sich geändert. „Das würde viele Probleme lösen. Die Journalisten und deine Kolleginnen würden nicht länger über unsere Verlobung spekulieren, und du könntest dich ganz auf das konzentrieren, was das Wichtigste für dich ist. Und natürlich wäre damit auch der letzte Wille und Traum meines Großvaters erfüllt, dass seine Enkel die Firma leiten. Zumindest, was mich betrifft.“

„Wenn das wirklich sein Traum wäre“, warf Sofia ein und rückte von ihm ab, „dann könnte er jedem von euch einfach ein Drittel des Unternehmens vererben.“

„Ich glaube, er wollte …“

„Nein“, unterbrach sie ihn. „Ich weiß, dass ich zugestimmt habe, dir zuzuhören, aber ich habe verstanden, was du vorschlägst.“

„Es wäre nur für ein Jahr“, stellte er klar. „Und wir würden beide unglaublich davon profitieren. Ich könnte dir in dieser Zeit helfen, deine Karriere zu festigen, damit du nach deiner aktiven Zeit als Tänzerin die Zukunft hast, von der du träumst.“

Er verstand ihre praktischen Bedürfnisse so gut. Leider hatte er keine Ahnung von den emotionalen.

„Die meisten Menschen begrenzen eine Ehe nicht zeitlich, aber danke, dass du das klargemacht hast.“ Sie sprang aus dem Bett, unfähig, noch länger ruhig dazusitzen, während weitere Ideen aus ihm heraussprudelten, die wie spitze kleine Messer in ihr Herz stachen. „Ich dachte wirklich, uns würde etwas verbinden, Quinn.“

Sie hob ihr Top und ihre Jogginghose vom Boden auf, trat hinter einen Paravent und zog sich an.

„Das tut es auch. Sonst hätte ich diesen Vorschlag nie gemacht.“ Sie hörte das Knarren der Matratze und das Rascheln seiner Kleidung, als er hineinschlüpfte. „Ich verstehe nicht, warum du so sauer bist.“

„Es ärgert mich, dass du weder dieses Testament erwähnt hast, noch wie wichtig es für euch ist zu heiraten. Dabei scheint es höchst relevant für unser Arrangement zu sein.“ Sie trat hinter dem Paravent hervor, nahm ihre Strickjacke und warf sie sich über. „Du hast sogar vorgeschlagen, dass wir heiraten, wenn es hart auf hart kommt und das Dance – Magazin etwas Geschmackloses über mich veröffentlicht. Das wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, mich über das Testament in Kenntnis zu setzen und darüber, dass eine Ehe auch für dich nützlich wäre.“

„Ob ich heiraten möchte, um das Testament meines Großvaters zu erfüllen, oder du, weil du für deine große PR-Kampagne vor einem wichtigen Vortanzen eine Verlobung vortäuschen willst – wo ist der Unterschied?“ Quinn hatte sich angezogen, sein Hemd aber noch nicht zugeknöpft, und die Krawatte hing locker um seinen Hals.

„Ich habe versucht, mich während eines Dramas, für das ich nicht verantwortlich war, auf meine Karriere zu konzentrieren. Du versuchst, dein Vermögen zu schützen.“

„Nein. Es geht darum, die Familie zu schützen, was für mich das Wichtigste überhaupt ist.“

Als sie den Schmerz sah, der in seinen Augen aufblitzte, empfand sie leichte Gewissensbisse. Sie erinnerte sich, wie niedergeschlagen er gewesen war, als er heute Abend zu ihr kam. Aber, verdammt, er hatte ihr die Wahrheit verschwiegen!

„Du hast mir gesagt, dass viele Millionen Dollar auf dem Spiel stehen, wenn die Menschen dir nicht vertrauen. Aber wie kann man dir vertrauen, wenn du einen Menschen so täuschst, wie du mich getäuscht hast? Es geht also in gewisser Weise um Geld.“

„Wenn es nur um Geld ginge, dann würde ich einen anderen Weg finden.“ Seine Kiefermuskeln spannten sich an. „Mir ist nur wichtig, dass das Lebenswerk meines Großvaters nicht an Fremde geht.“

„Es tut mir leid, Quinn. Aber ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Es stimmt, ich habe dich gebeten, eine Verlobung vorzutäuschen, um mir zu helfen, aber ich entlasse dich hiermit aus diesem Arrangement.“ Sie reichte ihm den Ring. Sie war fertig mit falschen Versprechen und einer Scheinbeziehung.

Quinn blickte einen Moment auf den Ring in seiner Hand.

Wenn er doch endlich gehen würde, dachte sie. Dann könnte sie ihn verfluchen. Doch er stand einfach da.

„Ich weiß, dass Menschen wichtig sind, Sofia, nicht Geld und Gewinn.“ Er schloss die Hand um den Ring. „Ist dir mal der Gedanke gekommen, dass du so damit beschäftigt bist, mein Geld zu sehen, dass du den Menschen dahinter nicht siehst?“

Er hielt ihrem Blick stand. Forderte sie heraus.

„Ich weiß nicht mehr, was ich sehe. Und ich weiß nicht, was ich glauben soll.“

„Ich werde nicht derjenige sein, der die Verlobung löst.“ Er legte den Ring auf einen kleinen Tisch neben der Schlafzimmertür. „Behalt ihn. Vielleicht brauchst du ihn, um unbequeme Fragen von Journalisten nach dem Verbleib abzuwehren. Und für morgen wünsche ich dir viel Glück.“

Er verließ ihr Schlafzimmer. Ihr Apartment. Die Tür fiel leise hinter ihm ins Schloss. Erst dann warf sie sich aufs Bett, weinte aber nicht. Denn morgen lag das wichtigste Vortanzen ihres Lebens vor ihr.

Danach würde sie genug Zeit für Liebeskummer haben.

Aber als sie die Augen schloss, kullerte doch eine Träne über ihre Wange, und sie stellte fest, dass ihrer eisernen Selbstdisziplin Grenzen gesetzt waren.

Sie würde weinen, auch wenn sie es nicht wollte. Und ihr Herz würde weiter brechen. Denn gegen jede Vernunft hatte sie sich in Quinn verliebt.

12. KAPITEL

Sofia bereitete sich mit Petit jeté – Sprüngen auf das Vortanzen für Idris Fortier vor. Der Choreograf saß in der Mitte des kleinen Theaters. Er hatte Delaney erlaubt, sich mit ihrer Kamera an den Rand zu setzen, sie aber gebeten, nicht während der Session zu filmen.

Selbst Delaney war zu eingeschüchtert von Fortier, um ihm zu widersprechen. Sofia lächelte, als die Journalistin kleinlaut an den Rand schlich, um ihre Performance zu beobachten.

„Sind Sie bereit, Darling?“, rief der Choreograf.

„Ich bin bereit.“ Sie hatte die Nacht zuvor kaum geschlafen und fragte sich, ob ihre Trennung von Quinn sie auch dieses Vortanzen kosten würde.

Die Rolle ihres Lebens. Die Bestätigung ihres Platzes in der Welt des Balletts. Einige Tänzer waren zwölf, fünfzehn Jahre oder länger Hauptdarsteller. Sofia wusste, dass ihre Knie nicht mehr ewig durchhalten würden.

Sie musste ihre Karriere im Schnelldurchlauf vorantreiben, um sich nach dem aktiven Tanz das Leben leisten zu können, von dem sie träumte. Sie wollte weiter auf dem Gebiet tätig sein und ihre Selbstachtung nicht verlieren.

„Was tanzen Sie heute für mich?“

Sofia hatte eigentlich seit Wochen geplant, einen von Fortiers Tänzen zu tanzen, um ihm auf diese Weise ein Kompliment zu machen. Da er ein jüngerer Choreograf war, bedeutete dies außerdem, dass es weniger Tänzerinnen gab, mit denen er sie vergleichen konnte. Neue Stücke ließen einer Tänzerin mehr Raum für Interpretation. Doch nach den Tränen, die sie letzte Nacht geweint hatte, war sie heute Morgen mit dem schwarzen Schwan im Herzen aufgewacht und bereit, diese anspruchsvolle Choreografie zu tanzen.

„Den schwarzen Schwan. Den letzten Akt in der Interpretation von Grigorowitsch.“ Diese konnte sie ohne Partner tanzen, da weniger Betonung auf dem Pas de deux lag, das in der Interpretation von Balanchine so wichtig war.

„Interessante Wahl, Miss Koslov. Überraschend.“

Sie hatte keine Ahnung, was er erwartet hatte. Doch die meisten erfahrenen Tänzerinnen mieden die meistgetanzten Stücke in Situationen wie diesen, weil es zu viele Vergleichsmöglichkeiten gab. Das war Sofia heute egal. Sie trat an den Rand der Bühne, um die Musik zu starten, und stellte sich dann in Position. Sie wollte alles geben bei diesem virtuosen Stück und die technische Brillanz zeigen, die die Kritiker ihr bescheinigt hatten.

Und wenn sie nicht genügend Leidenschaft und Emotionen in den Tanz legen konnte? Dann hatte sie die Rolle nicht verdient. Aber heute, heute steckte sie voller Emotionen. Quinns Worte klangen ihr noch im Ohr.

Du bist so damit beschäftigt, mein Geld zu sehen … du siehst nicht den Menschen dahinter.

Als wäre sie diejenige, die seinen Wohlstand in den Mittelpunkt stellte.

Sie schob den Gedanken beiseite, suchte Trost in der Musik und ließ Odiles Verführung alles andere verdrängen. Sie wollte nicht die unglückselige Odette sein, die Siegfried verloren hatte, obwohl sie nichts falsch gemacht hatte. Jetzt brauchte sie die feurige Leidenschaft von Odile, um Siegfried zu faszinieren.

Mit mehrfachen Pirouetten wirbelte sie über die Bühne. Sie fühlte die Musik, schnelle Fouettés folgten aufeinander, atemberaubende Sprünge.

Als sie zum Ende kam, die letzte Fouetté perfekt getimt, hielt Sofia ihre Position. Um sie herum herrschte absolute Stille, ihr schwerer Atem war das einzige Geräusch im Theater.

Bis eine Person klatschte. Frenetisch, wirklich begeistert. Und da Sofia sehen konnte, dass Fortier regungslos vor ihr saß, wusste sie, dass nicht er es war. War es tatsächlich Delaney, die klatschte? Es spielte keine Rolle, aber nachdem sie sich wegen dieses Tanzes die ganze Nacht hin und her gewälzt hatte, war Sofia dankbar, dass ihre Performance zumindest einem Menschen gefallen hatte.

„Danke, Miss Koslov.“ Idris Fortier stand auf und warf Delaney einen scharfen Blick zu. „Ich möchte gern einen Moment mit meiner Tänzerin allein sein.“

Sofia stellte die Musik aus und wischte sich das Gesicht mit einem frischen Handtuch ab. Als sie sich umdrehte, stand Fortier direkt hinter ihr.

„Oh.“ Sie wich einen Schritt zurück. „Ich habe Sie gar nicht gehört.“ Sie spannte die Schultern an. Sie hasste es, sich bedrängt zu fühlen, und einen Moment wünschte sie, Quinn wäre bei ihr …

Wie albern war das denn?

Ihre kurze Verlobung war zu Ende, der Ring lag zu Hause auf dem Tischchen.

„Mein Augenmerk für die Position liegt auf Ihnen, Sofia.“

„Ich weiß, dass noch andere Tänzerinnen vortanzen.“ Sie hätte erfreut sein sollen. Sie hatte gehofft, ihn zu beeindrucken, und das schien ihr gelungen zu sein.

Aber warum stand er so nah bei ihr? Sie verschränkte die Arme.

„Die Rolle gehört Ihnen, wenn Sie bereit sind, hart dafür zu arbeiten.“ Er ergriff ihre Arme, breitete sie aus und betrachtete ihren Körper. „Beim schwarzen Schwan zeigt sich ihr russisches Training.“

Mein Körper gehört zu meiner Kunst, sagte sie sich. Ballett war körperliche Arbeit, und sie war während ihrer Karriere häufig von anderen Tänzern, Direktoren oder Choreografen berührt worden. Und auch wenn sich Fortiers Berührung etwas zu vertraut anfühlte für ihre erste Besprechung, so tat er sicherlich nichts Verbotenes.

Und … hatte er nicht gesagt, dass sie die Rolle hatte? Sie zitterte vor Aufregung.

„Ich bin bereit, mich voll und ganz dem Projekt zu widmen“, sagte sie ernst. Sie hatte all ihre Hoffnung darauf gesetzt.

Er hielt ihre Handgelenke weiterhin umfasst, als sich ihre Blicke trafen.

„Was wird Ihr Verlobter denken, wenn Sie Ihre Zeit mit mir verbringen?“ Er bewegte sich nicht. Ließ sie nicht los.

Autor

Joanne Rock
Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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