Der italienische Milliardär und seine stolze Braut

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Die freiheitsliebende Designerin Angelina bebt vor Wut, als ihr Exmann Lorenzo Ricci behauptet, ihre Ehe sei nie geschieden worden! Was er jetzt von ihr will? Eine zweite Chance! Zwar begehrt Angelina den attraktiven Milliardär noch immer, aber ein Leben mit einem dominanten Macho wie ihm? Nie wieder! Angelina weiß: Um ihr Herz zu schützen, muss sie ihn kalt abweisen. Bis der Firmengigant sich ihr an der italienischen Riviera plötzlich von einer völlig unbekannten Seite zeigt und ihr Widerstand gefährlich ins Wanken gerät …


  • Erscheinungstag 24.10.2017
  • Bandnummer 2307
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708719
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sir.“

Lorenzo Ricci steckte sein Handy ein, beschleunigte seinen Schritt und tat so, als hätte er den korpulenten Anwalt mit Halbglatze, der hinter ihm aufgetaucht war, nicht bemerkt. Er war kaum fünfzig Minuten wieder auf amerikanischem Boden und hatte keine Lust, über die juristischen Fallstricke des komplizierten Deals zu diskutieren, über den er gerade erneut verhandelt hatte. Außerdem hatte er Kopfschmerzen.

Morgen – nach einem Gläschen seines Lieblingswhiskeys, einer heißen Dusche und einer Nacht in der exklusiven ägyptischen Baumwollbettwäsche, die seine Haushälterin ihm besorgt hatte – war früh genug.

„Sir!“

Dio. Er blieb stehen, drehte sich um und sah, wie der Mann mit seinen eher kurz geratenen Beinen alles gab, um ihn einzuholen. Sein äußeres Erscheinungsbild passte so gar nicht zu dem Wadenbeißer, den er bei Verhandlungen herauskehrte.

„Ich war sechzehn Stunden unterwegs, Cristopher. Ich bin müde, ich bin schlecht gelaunt, und ich brauche Schlaf. Morgen ist es besser, vertrauen Sie mir.“

„Es kann nicht warten.“ Der alarmierte Unterton in der Stimme seines Anwalts ließ Lorenzo aufhorchen. In den fünf Jahren, die sie nun schon gemeinsam komplizierte und manchmal recht unschöne Deals durchzogen, hatte sein Rechtsbeistand noch nie so aufgebracht gewirkt. „Ich brauche nur fünf Minuten.“

Seufzend deutete Lorenzo mit einer Handbewegung auf sein Büro. Sein Magen zog sich zusammen bei dem Gedanken an die kleinliche Analyse im Juristenjargon, wo sein Gehirn doch so dringend Schlaf brauchte. „Bene. Fünf Minuten.“

Cristopher folgte ihm in die edlen, in Schwarz und Chrom eingerichteten Büroräume des Führungsstabs von Ricci International. Gillian, Lorenzos kompetente Assistentin, bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick, hatte sie doch versucht, den Anwalt abzuwimmeln. Lorenzo winkte ab. „Machen Sie Feierabend. Wir können morgen alles durchgehen.“

Sie murmelte ein Dankeschön, stand auf und nahm ihre Sachen. Als die beiden Männer Lorenzos Heiligtum betraten, stellte Cristopher seinen Aktenkoffer neben dem Schreibtisch ab und zog sein Jackett aus.

Lorenzo beschlich ein ungutes Gefühl. Er ging zum Panoramafenster mit dem spektakulären Blick auf das weit unter ihm liegende Manhattan – einer der Vorteile, wenn man Chef eines internationalen Konzerns war, entstanden aus der Reederei seiner Familie, die er zu einem Firmenimperium aufgebaut hatte, mit Hotelketten, Kreuzfahrtlinien und Immobilien. Er liebte diese Aussicht, doch heute war sein müdes Gehirn kaum mehr fähig, sie aufzunehmen.

Er drehte sich um, lehnte sich an die Scheibe und verschränkte die Arme vor der Brust. „Na schön“, sagte er, „dann mal los.“

Der Anwalt blinzelte hinter seiner goldenen Brille, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und räusperte sich. „Es gibt da … ein Problem. Ein Fehler, den wir korrigieren müssen.“

Er runzelte die Stirn. „Bei dem Deal?“

„Nein. Eine persönliche Angelegenheit.“

Lorenzo zog eine Augenbraue hoch. „Was wird das, Cris? Ein Quiz? Spucken Sie es schon aus.“

Sein Anwalt schluckte. „Es handelt sich um einen Fehler der Anwaltskanzlei, die für Ihre Scheidung zuständig war. Ein Versäumnis, genauer gesagt …“

„Was für ein Versäumnis?“

„Sie haben versäumt, die Unterlagen einzureichen.“

In seinen Ohren rauschte es. „Die Scheidung war vor zwei Jahren.“

„Ja, also, sehen Sie …“ Der Anwalt wich Lorenzos Blick aus. „Genau genommen, nein. Offiziell nicht, da die Scheidungspapiere nie bei Gericht eingereicht wurden.“

Das Rauschen in Lorenzos Kopf wurde lauter. „Was wollen Sie damit sagen?“ Er stellte die Frage langsam, bedächtig, als hätte sein Gehirn Mühe mitzukommen. „Nur damit ich das richtig verstehe.“

„Sie sind noch immer mit Angelina verheiratet“, platzte Cristopher heraus und schob sich mit einer Hand die Brille hoch. „Der Anwalt, der für Ihre Scheidung verantwortlich war, hatte in dem Monat wahnsinnig viel zu tun. Er dachte, er hätte einen Angestellten gebeten, die Papiere einzureichen. Die Sache ist aufgeflogen, als ich nach unserem Gespräch neulich Einsicht in die Akten nehmen wollte.“

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Angie keinen Penny der Unterhaltszahlungen angerührt hatte, die er ihr monatlich zahlte.

„Meine Frau hat diese Woche ihre Verlobung bekannt gegeben. Mit einem anderen Mann.“

Der Anwalt presste eine Hand an seine Schläfe. „Ja … ich habe es in der Zeitung gelesen. Deshalb habe ich ja auch versucht, Sie zu erreichen. Die Situation ist ziemlich kompliziert.“

„Kompliziert?“, entfuhr es Lorenzo. „Wie viel zahlen wir dieser Kanzlei pro Stunde? Ein paar Hundert? Tausend? Damit solche Fehler nicht passieren.“

„Es ist inakzeptabel“, gab Cristopher ihm recht, „doch es entspricht den Tatsachen.“

Sein Anwalt straffte die Schultern, bereit für eine wütende Tirade, doch Lorenzo fehlten die Worte. Dass die kurzlebige Ehe mit seiner Frau, die so schmachvoll geendet hatte, offiziell nie geschieden worden war … das war nach den Neuigkeiten, die sein Vater ihm heute offenbart hatte, einfach zu viel.

Er zählte still bis zehn, um den Zorn zu zügeln, der in ihm aufstieg. So etwas konnte er kurz vor Abschluss seines größten Deals nicht gebrauchen.

„Wie bringen wir die Sache in Ordnung?“, fragte er eisig.

Cristopher breitete die Hände aus. „Ich kann nicht zaubern. Wir können versuchen, den Vorgang zu beschleunigen, doch es kann Monate dauern. Das bedeutet, dass Sie … ich meine, Sie müssen trotzdem …“

„Meiner Frau sagen, dass sie ihren Freund nicht heiraten kann, weil sie sich sonst der Bigamie schuldig macht?“

Sein Anwalt rieb sich mit der Handfläche über die Stirn. „Ja.“

Was für ein Spaß! dachte Lorenzo sarkastisch. Angelina hatte für morgen Abend halb New York zu ihrer Verlobungsfeier eingeladen …

Er wandte sich wieder dem spektakulären Blick auf Manhattan zu, während das Blut in seinen Schläfen pochte. Er war schockiert, wie sehr ihn die Vorstellung wurmte, dass Angie einen anderen heiratete, obwohl er sich erfolgreich eingeredet hatte, dass er sie nie wiedersehen wollte. Vielleicht weil er immer an sie denken musste, ihre leuchtende, sinnliche Lauren-Bacall-Schönheit, wenn er mit einer anderen Frau ins Bett wollte …

Das Gespräch mit seinem Vater in Mailand fiel ihm wieder ein. Es kam ihm vor wie ein grausamer Scherz. Der Vorstandsvorsitzende von Ricci International hatte ihn mit seinem undurchdringlichen stahlblauen Blick fixiert und die Bombe platzen lassen. „Dein Bruder Franco ist unfähig, einen Erben zu liefern, deshalb fällt dir, Lorenzo, diese Aufgabe zu.“

Das Mitgefühl für seinen jüngeren Bruder, seine Bestürzung, warum Franco ihm nicht am Abend zuvor beim Essen davon erzählt hatte, wurden schnell von Zorn überlagert. Er sollte wieder heiraten? Auf gar keinen Fall. Und nun stellte sich heraus, dass er offenbar noch verheiratet war. Mit der Frau, die ihn verlassen hatte, weil er angeblich unfähig war, jemanden zu lieben. Die Frau, die ihn des letzten Rests Wärme, den er noch besaß, beraubt hatte.

„Sir?“

Er drehte sich um. „Haben Sie noch mehr solche Nachrichten, oder war’s das?“

„Das war’s. Mit dem Deal ist alles so weit okay. Einige Punkte müssen noch ausgehandelt werden, und Sie müssen noch ein paar Details mit Bavaro klären, aber ansonsten sind wir auf Kurs.“

„Bene.“ Er deutete mit der Hand zur Tür. „Gehen Sie. Ich kümmere mich um Angie.“

Sein Anwalt nickte. „Möchten Sie, dass ich die Dokumente einreiche? Um das Scheidungsverfahren einzuleiten?“

„Nein.“

Cristopher sah ihn verblüfft an. „Wie bitte?“

„Ich sagte, lassen Sie es.“

Sein Anwalt verließ das Büro. Eine weise Entscheidung. Lorenzo ging zur Bar und schenkte sich einen Whiskey ein. Zurück am Fenster, führte er das Glas an die Lippen und trank einen Schluck. Langsam begann er, sich wieder wie ein Mensch zu fühlen, während sich die wohlige Wärme des Alkohols in seinen Eingeweiden ausbreitete und seine Nerven beruhigte, Nerven, die blank lagen, seit er in seinem täglichen Pressespiegel auf einen Artikel über die Verlobungspläne seiner Exfrau … Noch-Frau mit einem berühmten New Yorker Anwalt gestoßen war.

Er hatte die Neuigkeiten über Angies Verlobung verdrängt. Hatte sich nicht eingestehen wollen, wie nahe es ihm ging. Warum war er noch immer so zornig, so verdammt zornig? Es war wie eine Krankheit, die ihn von innen heraus auffraß.

Warum hatte er Cris nicht gebeten, die Scheidung einzureichen, um zu beenden, was schon seit zwei Jahren hätte beendet sein sollen?

Lange starrte er aus dem Fenster, nippte an seinem Whiskey, sah zu, wie die Nacht über Manhattan hereinbrach, und dachte über seine Verpflichtung gegenüber der Familie nach. Den bevorstehenden Fünfzehn-Milliarden-Dollar-Deal, der seine ganze Konzentration erforderte und Ricci zur weltweit führenden Luxushotelkette machen würde.

Plötzlich ging ihm ein Licht auf: Die Lösung für seine missliche Lage lag auf der Hand.

Warum war die Luft in diesem Raum nur so schlecht?

Angie nahm das Glas Champagner vom Barkeeper entgegen, drehte sich um und lehnte sich an die Wand, um die festlich gekleidete Menge in der eleganten, kalkgetünchten Kunstgalerie zu betrachten. Das Licht der antiken Kronleuchter spiegelte sich im schwarzen Marmorboden, und die Kunstwerke an den Wänden wurden von Scheinwerfern angestrahlt. Die perfekte Kulisse für ihre und Byrons stilvolle Verlobungsparty. Warum fiel es ihr so schwer zu atmen? Woher rührte ihre innere Unruhe?

Dabei sollte sie doch glücklich sein. All ihre Träume hatten sich erfüllt. Als eine der erfolgreichsten Schmuckdesignerinnen New Yorks war sie endlich frei, und ein wunderbarer Mann wartete darauf, sie zu heiraten.

Und trotzdem … irgendetwas fehlte.

Es hatte nichts mit dem Mann zu tun, den sie immer noch nicht ganz aus ihren Gedanken verbannen konnte, redete sie sich ein. Der Mann, der ihr gezeigt hatte, wie es war, alles zu haben, und es ihr von einer Sekunde auf die andere wieder genommen hatte. Inzwischen wusste sie, dass so eine Liebe im Adrenalinrausch nur etwas für Narren war. Denn man musste dafür bezahlen, und in Lorenzos Fall war der Preis hoch gewesen.

Sie holte tief Luft. Vielleicht brauchte sie nur ein bisschen Sauerstoff, um einen klaren Kopf zu bekommen.

Byron unterhielt sich am anderen Ende des Raumes mit einem Geschäftspartner. Sie nutzte die Gelegenheit, schlängelte sich durch die Menge, vorbei an der Jazzband, zur eleganten Treppe, die in den ersten Stock führte, und stieg die Stufen hinauf zu der kleinen Terrasse.

Obwohl es Nacht war, traf sie die heiße, schwüle Sommerluft wie eine Wand. Angie trat ans Geländer, stützte die Ellbogen ab und beobachtete das hektische Treiben auf der Straße unter ihr, wo immer noch zahllose Menschen unterwegs waren.

Aber sie nahm noch etwas anderes wahr – einen Duft. Herb, männlich und vage vertraut. Beunruhigend vertraut.

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, und sie spürte ihren Herzschlag bis in die Kehle, als sie sich umdrehte. Ihr Verstand setzte aus, als sie den großen, dunkelhaarigen Mann im maßgeschneiderten Anzug sah. Er stand direkt vor ihr, und sie schaute in seine harten, gefährlichen, dunklen Augen. Ließ den Blick dann zu seiner markanten römischen Nase wandern, dem Dreitagebart auf seinen Wangen, seinem schönen, sinnlichen Mund, mit dem er sie so verwöhnt und zugleich so verletzt hatte.

Für einen kurzen Moment dachte Angie, sie würde ihn sich nur einbilden. Dass er in Wahrheit gar nicht hier war, sondern nur ein Traum. Und in diesem Traum hatte er von ihrer Verlobung gehört und war hergekommen, um diese zu verhindern.

Ihr Puls raste. Was, wenn es wirklich so war? Wie würde sie reagieren? Sie hatte Angst, dass sie einknicken würde wie ein Grashalm.

Angie presste ihr Champagnerglas an die Brust, damit sie mit ihren zitternden Händen nichts verschüttete. Noch immer hegte sie heimlich die Hoffnung, dass dieser Mann sie einmal geliebt hatte und es keine reine Zweckehe gewesen war, um sein Erbe zu sichern. Doch als sie die Fehlgeburt hatte, verlor er jedes Interesse an ihr. Und das hatte ihr das Herz gebrochen.

Sie atmete tief durch, lehnte sich an das Geländer, um ein wenig Halt zu haben. „Was tust du hier, Lorenzo?“

Er verzog sein schönes Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. „Kein ‚Hallo, Lorenzo‘ …? ‚Du siehst gut aus, Lorenzo‘ … oder vielleicht sogar ein ‚Wie geht es dir, Lorenzo‘?“

Sie presste die Lippen aufeinander. „Du erscheinst uneingeladen auf meiner Verlobungsfeier. Ich glaube kaum, dass der Austausch von Höflichkeiten angebracht ist. Damit haben wir schon sechs Monate nach unserer Hochzeit aufgehört.“

„Haben wir so lange durchgehalten?“ Er stellte sich zu ihr ans Geländer und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie zwang sich, nicht auf das Spiel seiner geschmeidigen Muskeln zu achten.

Er zuckte die Schultern. „Verzeih, dass ich unangemeldet hier auftauche, aber wir müssen etwas besprechen.“

Sie zog die Stirn kraus. „Hättest du nicht anrufen können?“ Sie warf einen nervösen Blick zur Tür. „Weiß Byron …“

„Niemand hat mich bemerkt. Allerdings habe ich die Reden mitbekommen. Sehr ergreifend.“

Sie starrte ihn entsetzt an. „Seit wann bist du hier?“

„Lange genug, um zu sehen, dass Byron vollkommen von dir eingenommen ist. Offenbar gibst du den Ton an. Ist es das, wovon du immer geträumt hast, Angie?“

Zornesröte stieg ihr ins Gesicht. „Ich wollte nie den Ton angeben. Ich wollte eine gleichberechtigte Beziehung – etwas, wozu du mit deiner Arroganz, deinem Chauvinismus nicht fähig bist.“

„Und dein netter Freund Byron schon?“

„Ja.“

„Und wie ist er im Bett?“ Seine Augen funkelten. „Stillt er deine unersättliche Leidenschaft? Schreist und bettelst du, wenn du deine langen Beine um ihn schlingst? Denn für mich sieht er nicht aus wie ein Mann, der dir gibt, was du brauchst, cara. Nicht einmal annähernd.“

Heißes Verlangen durchflutete sie. Eine Vision von Lorenzos schönem, durchtrainiertem Körper brannte sich in ihr Hirn, wie er sie ausfüllte, sie an die Grenzen der Lust stieß, seine Stimme ein heiseres Flüstern an ihrem Ohr, wie er verlangte, dass sie ihm sagte, ob es ihr gefiel, nicht lockerließ, bis sie flehte, bis sie schrie – denn ja, bei ihm hatte sie geschrien.

Das Blut schoss ihr in die Wangen. Sie hatte sich so verzweifelt nach seiner Liebe gesehnt, nach seiner Zuneigung, dass sie nach jedem Krumen pickte, den er ihr hinwarf. Am Ende war der Sex alles, was ihnen blieb.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Und log. „Auch auf dem Gebiet gibt es keinerlei Beschwerden.“

Er sah sie eindringlich an, und seine Augen funkelten gefährlich. „Schade nur, dass nichts daraus wird.“

Eine dunkle Vorahnung beschlich sie. „Wovon redest du?“

„Nun ja, es gab da ein … kleines Problem bei den Scheidungspapieren.“

„Wir sind doch schon geschieden.“

„Dachte ich auch. Die Kanzlei, die sich um die Unterlagen kümmern sollte, hat versäumt, sie einzureichen. Mein Anwalt hat mich erst gestern darüber informiert, nachdem er Einsicht in die Akten genommen hatte.“

Ihre Knie wurden weich. „Was willst du damit sagen?“

„Wir sind immer noch verheiratet, Angie.“

Der Boden unter ihren Füßen schwankte. Sie umfasste mit der freien Hand das Geländer, schloss ihre Finger fest um das kalte Metall, um nicht zu stürzen. In ihrem Kopf herrschte völliges Chaos. Verheiratet? Sie und Lorenzo waren noch verheiratet?

Sie schluckte mehrfach, denn ihre Kehle war staubtrocken. „In drei Wochen heirate ich Byron … auf St. Barths. Wir brennen durch.“

Sein Blick war der eines Raubtiers. „Wenn du nicht vorhast, dich der Bigamie schuldig zu machen, wird daraus nichts.“

Sie versuchte, klar zu denken. „Du musst etwas tun. Bring das in Ordnung. Deine Anwaltskanzlei ist schuld. Die müssen eine Lösung finden.“

Ein gleichgültiges Schulterzucken. „So schnell geht das nicht. Es kann Monate dauern, bis die Scheidung durch ist.“

„Aber du hast Beziehungen. Du hast Einfluss … du kannst da doch bestimmt etwas machen.“

„Vielleicht.“

Ihr gefror das Blut in den Adern beim Anblick seiner unversöhnlichen Miene. „Aber das hast du nicht vor.“

„Nein. Ich will meine Macht nicht unnötig ausnutzen.“

Unnötig? Ihre Sicht verschwamm. „Ich heirate in drei Wochen. Es ist alles arrangiert. Was heißt hier ‚unnötig‘?“ Sie schüttelte den Kopf und sah ihm ins Gesicht. „Bist du immer noch sauer auf mich? Ist es das? Willst du mich bestrafen, weil ich dich verlassen habe? Um Himmels willen, Lorenzo, du wusstest, dass unsere Ehe kaputt war. Du wusstest, dass es nicht funktioniert. Lass mich mein Leben leben.“

Er kam einen Schritt näher – ein Meter neunzig viel zu intensiver Männlichkeit, direkt vor ihrer Nase. Sein Gesichtsausdruck, als er sie ansah, sprach Bände. „Unsere Ehe war nicht kaputt. Unsere Ehe ist gescheitert, weil du zu jung und zu egoistisch warst, um zu begreifen, dass man an einer Beziehung arbeiten muss, Angelina. Stattdessen hast du deine ganze Energie darauf verschwendet, gegen alles, worum ich dich gebeten habe, zu rebellieren. Und meine Bedürfnisse zu ignorieren.“

Sie hob das Kinn. „Du wolltest eine perfekte Vorzeigeehefrau ohne eigenen Kopf, ohne ein eigenes Leben. Du hättest dir einen hübschen Roboter mieten sollen, um diese Rolle zu besetzen.“

Seine Augen funkelten. „Sei nicht so sarkastisch, cara, das passt nicht zu dir. Mir gefällt, dass du deinen eigenen Kopf hast, das weißt du ganz genau. Ich habe dir immer wieder angeboten, dich für die Wohltätigkeitsorganisationen zu engagieren, die Ricci unterstützt, aber du wolltest ja nicht.“ Er zeigte mit seinem Glas auf sie. „Du hast gewusst, worauf du dich einlässt, als du mich geheiratet hast.“

Hatte sie das wirklich? Mit ihren zweiundzwanzig, schwanger und total verliebt, hatte sie damals nicht geahnt, dass sie lediglich eine Einsamkeit gegen die andere austauschen würde. Dass sie, statt die Liebe zu finden, nach der sie sich sehnte, nur ihre Unabhängigkeit verlieren würde, die ihr so viel bedeutete, und ihren Traum aufgeben müsste, Schmuckdesignerin zu werden. Dass sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten würde, weil sie sich in einen Mann verliebt hatte, der unfähig war zu lieben. Obwohl sie sich geschworen hatte, dass sie diesen Fehler niemals machen würde.

Sie hob das Kinn, ihre Brust fühlte sich wie zugeschnürt an. „Ich dachte, gerade du würdest verstehen, dass ich meinen Traum verwirklichen wollte. Dass ich mir einen Namen machen wollte.“

„Ich habe es verstanden. Du hattest einen florierenden Online-Shop, bei dem ich dich unterstützt habe. Nur die Boutique hat nicht funktioniert. Das hätte zu viel von deiner Zeit beansprucht. Unser Leben war zu voll.“

„Dein Leben. Um mein Leben ging es nie. Deins war wichtiger.“

„Das ist nicht wahr.“

„Und ob.“ Der Champagner in ihrem Glas schwappte, als sie es in Lorenzos Richtung stieß. „Ich sollte nur funktionieren, dabei hübsch aussehen … und dein Bett wärmen. Und selbst da war ich nur ein Spielzeug, das du weggeworfen hast, als dir langweilig wurde.“

Er presste die Lippen aufeinander. „Red nicht so einen Quatsch. Das Bett war der einzige Ort, wo es zwischen uns immer funktioniert hat.“

„Ach ja?“ Sie verzog verächtlich den Mund. „Du hast mich nie an dich herangelassen – auch nicht im Bett. Zu emotionaler Nähe bist du überhaupt nicht fähig.“

In seinen Augen blitzte etwas auf, das Angie nicht deuten konnte. „Es stimmt“, gab er zu, „dass ich mitverantwortlich bin für das Scheitern unserer Ehe. Wir sind beide schuld. Weshalb wir sie auch gemeinsam kitten werden.“

Sie sah ihn fassungslos an. „Wa…was?“

„Franco kann keinen Erben zeugen. Deshalb fällt diese Pflicht mir zu. Da wir immer noch verheiratet sind, bleibt nur eine Möglichkeit.“

Oh, nein. Sie wich zurück. „Das ist doch verrückt. Du bist verrückt. Es tut mir leid für Franco, aber ich bin verlobt und werde bald heiraten.“

„Ich habe dir doch gerade erklärt, warum das nicht geht.“

Sie sah sein entschlossenes Gesicht. Mein Gott, er meint es ernst.

„Lorenzo.“ Sie bemühte sich um einen nüchternen Tonfall. „Das mit uns kann nicht funktionieren. Es ist zu viel passiert. Wir wollen unterschiedliche Dinge. Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut, eine Karriere. Das gebe ich nicht auf.“

„Ich verlange nicht, dass du deine Karriere aufgibst. Wir finden einen Kompromiss. Aber ich will meine Frau zurück.“

Sie biss sich so fest auf die Wange, dass sie Blut schmeckte. Damals hätte sie alles gegeben, um diese Worte zu hören – in jenen ersten Wochen, nachdem sie ihn verlassen hatte und fürchtete, einen fatalen Fehler begangen zu haben. Doch sie wusste aus Erfahrung, dass Menschen sich nicht änderten. Egal, wie sehr sie ihn liebte, er würde ihr immer wieder das Herz brechen.

„Vergiss es“, sagte sie ruhig. „Du kannst das Scheidungsverfahren in die Länge ziehen, so viel du willst. Aber du musst verrückt sein, zu glauben, dass du nur mit den Fingern schnipsen musst, und dann komme ich zurück und liefere dir einen Erben. Ich bin verlobt, Lorenzo. Und ich liebe meinen Verlobten.“

Lorenzo nahm die Lüge seiner schönen Frau gelassen zur Kenntnis, denn er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass es genau das war: eine Lüge. Sonst hätte sie ihn nicht mit ihrem Blick verschlungen, während sie behauptete, einen anderen zu lieben.

Der Gedanke, dass sie ihren Körper einem anderen darbot, brachte sein Blut zum Kochen. Zu sehen, wie sie ihrem Verlobten zuprostete, obwohl sie offiziell noch ihm gehörte. Obwohl sie immer ihm gehören würde.

Er ließ den Blick zu ihren Brüsten wandern, die sich unter dem edlen Seidenkleid abzeichneten, über die Rundung ihrer Hüfte und an ihren langen Beinen hinunter bis zu den High Heels, und in ihm loderte ein Verlangen auf, so intensiv, dass es ihm den Atem verschlug. Es war so ungerecht. Immer nur Angelina. Nie eine andere.

Er richtete den Blick wieder auf das Gesicht seiner Frau und bemerkte mit Genugtuung die Hitzeflecken auf ihren Wangen. „Ich wette“, sagte er betont langsam, „wenn ich dich berühre, hast du ihn in sechzig Sekunden vergessen. Du kannst nicht leugnen, was zwischen uns ist, Angelina. Magische Anziehungskraft.“

Ihre Miene wurde eisig. „Ich spiele diese Spiele nicht mehr. Byron sucht mich bestimmt schon. Ich rate dir, deine Anwälte den Fehler korrigieren zu lassen, sonst verklage ich dich und deine Kanzlei.“

Er verzog seinen Mund zu einem Lächeln. „Den Gedanken hatte ich auch zuerst. Aber dann habe ich begriffen, dass es ein Zeichen ist.“

„Du spinnst.“ Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür. „Verschwinde, Lorenzo, bevor dich jemand sieht.“

Der alte Zorn in ihm keimte erneut auf. Sie hatte ihn an einem Tiefpunkt in seinem Leben im Stich gelassen. Er hatte ihren Familien und Freunden die Neuigkeit beibringen und das Gerede der New Yorker Society ertragen müssen, während sie in der Karibik Urlaub machte.

Diesmal würde sie ihn nicht im Stich lassen.

„Oh, aber ich bin noch nicht fertig.“ Sein Tonfall ließ sie erstarren. „Du hast doch nicht gedacht, dass ich mit leeren Händen komme. Ohne schlagende Argumente.“

Seine Frau drehte sich um und sah ihn erschrocken an. „Die Carmichael Company macht Verlust“, informierte er sie. „Schon seit einer Weile. Ich habe deinem Vater zwei Darlehen gewährt, um ihn über Wasser zu halten.“

Sie blinzelte nervös. „Das ist unmöglich.“

So hatte er auch reagiert, als Angies Vater ihn um Hilfe gebeten hatte. Dass die Carmichael Company, ein über zweihundert Jahre altes Textilunternehmen, eine amerikanische Ikone und Namensgeber einer der renommiertesten Design-Schulen New Yorks, in den roten Zahlen war, tief in den roten Zahlen, war ihm unbegreiflich gewesen.

Er sah, wie die Farbe aus dem Gesicht seiner Frau wich. „Wärst du zwischendurch mal zu Hause gewesen, wüsstest du davon. Bei der Stoffproduktion mischen inzwischen so viele Länder mit. Die Geschäfte laufen schon seit Längerem nicht mehr.“

Sie schüttelte den Kopf. „Wenn das wahr ist“, sagte sie schwach, „warum hilfst du meiner Familie überhaupt?“

Er verzog den Mund. „Weil ich im Gegensatz zu dir loyal bin. Ich laufe nicht weg, wenn es unbequem wird. Wer, glaubst du, zahlt dein Atelier?“

Sie runzelte die Stirn. „Ich zahle die Miete für mein Atelier selbst.“

„Du zahlst ein Viertel der Miete. Das Gebäude gehört mir, Angie.“

Ihr stand der Mund offen. „Ich habe einen Makler engagiert. Dann habe ich diese Räume gefunden …“

„Ich habe dafür gesorgt, dass du sie findest.“ Er winkte ab. „Ich schlafe nachts besser, wenn ich weiß, dass du dich in einem sicheren Stadtteil aufhältst.“

Ihre Gesichtszüge entglitten. „Was willst du damit andeuten? Dass du meiner Familie den Hahn zudrehst und mich auf die Straße setzt, wenn ich nicht zu dir zurückkomme?“

„Ich sehe es lieber als Anreiz. Wir schulden es unserer Ehe, dass wir ihr noch eine Chance geben. Du kommst zu mir zurück, und wir versuchen es noch mal, ich hole Carmichael aus den finanziellen Schwierigkeiten, bevor das Unternehmen nur Geschichte ist. Es ist eine Win-win-Situation.“

Win-win-Situation? Sie starrte ihn ungläubig an. „Das würdest du wirklich tun?“

„Es war auch nicht fair, dass du mich im Stich gelassen hast, tesoro. Du hast dich einfach aus dem Staub gemacht. Also, ja, ich werde tun, was nötig ist, damit du zur Vernunft kommst. Und die richtige Entscheidung triffst.“

„Ich wollte eine Paartherapie machen. Ich habe dich angefleht. Ich habe versucht, unsere Ehe zu retten, bevor ich gegangen bin.“

Er ignorierte den Stich, den ihm sein schlechtes Gewissen versetzte. „Du hast erwartet, dass wir unsere Probleme über Nacht lösen. So funktioniert das nicht.“

Autor

Jennifer Hayward
<p>Die preisgekrönte Autorin Jennifer Hayward ist ein Fan von Liebes- und Abenteuerromanen, seit sie heimlich die Heftromane ihrer Schwester gelesen hat. Ihren ersten eigenen Liebesroman verfasste Jennifer mit neunzehn Jahren. Als das Manuskript von den Verlagen abgelehnt wurde und ihre Mutter ihr empfahl, zunächst mehr Lebenserfahrung zu sammeln, war sie...
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