Der Scheich und das Partygirl

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Saskia ist empört! Schlimm genug, dass Scheich Idris Delacour sie einst im Stich ließ! Aber sie nach dem Tod des Königs, dessen Kind sie austrägt, zu erpressen, stellt alles in den Schatten! Warum soll sie ihm helfen, sein Wüstenreich zu retten, wenn Idris sie für ein Partygirl hält?


  • Erscheinungstag 20.06.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747046
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Idris hatte geschätzt, er würde zwölf Stunden nach Dalmaya brauchen. Dann betrat er den Ratssaal jedoch schon acht Stunden nach dem Anruf, der seine Welt erschüttert hatte.

Der kühle Raum wirkte dunkel im Vergleich zu dem grellen Sonnenlicht draußen, das trotz der frühen Morgenstunde schon über dem Land lag.

Langsam ging Idris zu dem reich geschnitzten Sessel am Ende des Tischs und blieb daneben stehen. Vier Männer mit ernsten Gesichtern waren bei seinem Eintreten aufgestanden. Sie trugen die weiten weißen Gewänder und die typischen Kopfbedeckungen der Traditionalisten hier.

Höflich nickte er den Ratsherren zu. Diese setzten sich, und er nahm auf dem Sessel Platz. Besser gesagt, auf dem Thron, der niemals seiner hätte werden sollen und auf den er nur zu gern verzichten würde.

Salam“, grüßte Idris die Anwesenden. „Es besteht also absolut kein Zweifel?“

„Keiner, Euer Hoheit. König und Königin sind tot.“

„Es war aber kein Attentat, oder?“, fragte Idris. So viel zumindest hatte er bei seinem Telefonat erfahren.

„Wir müssen das natürlich noch genauer untersuchen“, antwortete General al Kouri, der Chef des Sicherheitsdienstes. „Nach erstem Augenschein handelt es sich nur um ein tragisches Unglück.“

Nur? Das junge Königspaar ist ausgelöscht worden, dachte Idris schockiert.

„Der König und seine Gemahlin sind von einem Tagesausflug zurückgekommen“, berichtete der General weiter. „Ich vermute, Seine Majestät hat die Leibwächter im Begleitfahrzeug zu einem Rennen herausgefordert. Es wäre nicht das erste Mal gewesen.“

Natürlich nicht. Fayaz hatte Wettkämpfe geliebt und stets beweisen wollen, dass er als Mann etwas darstellte, und zwar nicht nur aufgrund seiner hohen Geburt.

„Die Straße war ganz gerade und leer.“ Die Stimme des Generals klang monoton. „Es hätte ungefährlich sein müssen, aber entweder hat Seine Majestät oder der andere Fahrer die Kontrolle über seinen Wagen verloren und ist mit dem anderen kollidiert. Auch die Insassen des zweiten Autos sind tot. Vier von meinen Männern.“

Müde rieb Idris sich die Stirn. Er sah die Szene deutlich vor sich: Fayaz, der lachte, während die offenen Geländewagen sich gegenseitig überholten – angestachelt von Mayas anfeuernden Rufen.

Wann hatten sich die in Schreckensschreie verwandelt?

Aber vielleicht war alles auch so schnell gegangen, dass keinem bewusst geworden war, wie das riskante Spiel enden musste?

Er hoffte es, hoffte, dass sie bis zur letzten Sekunde gelacht hatten. So wollte er sich an sie erinnern: glücklich und voller Lebenslust.

„Es tut mir leid um Ihre Männer“, sagte Idris ernst. „Übermitteln Sie den Angehörigen mein Beileid, und kümmern Sie sich um anfallende Pensionen.“

Der General nickte, und Idris wandte sich nach links zu seinem Großonkel, der das Amt des Innenministers von Dalmaya bekleidete.

„Wie geht’s jetzt weiter?“, wollte Idris wissen.

„Wir haben nichts über den Unfall verlauten lassen, solange wir nicht sicher sein konnten, ob es ein Anschlag war“, antwortete Scheich Malik al Osman. „Jetzt informieren wir die Medien und das Parlament. Das Begräbnis findet heute Abend statt, und die offizielle Trauerzeit beginnt.“

„Ja, wie es Sitte ist. Und dann?“

General al Kouri sprang ein. „Sie kennen das Testament Ihres Großvaters, Hoheit. König Fayaz hat den Thron geerbt, aber wenn er ohne Erben sterben sollte – und dieser Fall ist ja jetzt eingetreten –, geht das Königreich an Sie und Ihre Linie.“

Natürlich wusste Idris das. Ihm war schon lange klar gewesen, dass er der legale Erbe seines Cousins Fayaz war. Der mögliche Thronfolger …

Das hatte ihn bestürzt und zugleich glücklich gemacht, weil es bedeutete, dass sein Großvater ihn zur Familie zählte. Die Chance, tatsächlich König von Dalmaya zu werden, hatte er immer für verschwindend gering gehalten.

Fayaz war zu dem Zeitpunkt, als der Großvater starb, schon verheiratet gewesen, seine Frau Maya war jung und gesund. Es gab keinen Grund, anzunehmen, dass sie nicht bald Kinder und rechtmäßige Thronfolger haben würden.

„Ich erbe den Thron als Sohn meiner Mutter, nicht weil ich Sohn eines Königs bin“, sagte Idris sachlich. „Das ist in Dalmaya noch nie vorgekommen.“

Außerdem war seine Mutter durch diverse Skandale hier im Königreich in Verruf geraten, und sein Vater war Franzose. Würde das Volk den Spross solcher Eltern als Herrscher anerkennen?

Ihm wäre es nur recht, wenn sie ihn ablehnten. Ihm genügten sein Weingut mit dem Château und seine Weinexportfirma vollkommen. Er mochte Dalmaya durchaus, hatte aber nicht die Absicht, hier zu leben … und zu regieren.

Er gehörte nicht hierher.

Plötzlich regte sich Hoffnung in ihm. Die Familie al Osman war weitverzweigt. Vielleicht fand sich jemand, der besser geeignet war, die Krone zu tragen? Es ging schließlich um das Wohl eines ganzen Landes – für das Idris’ Großvater sich so unermüdlich eingesetzt hatte –, um Sicherheit, Gesundheit und Bildung.

„Wenn Fayaz ohne Nachkommen gestorben wäre, wärst du laut Gesetz der nächste König“, erklärte Malik al Osman. „Aber da ist ja noch das Baby.“

Ein Kind? Nachwuchs? Aber davon hätte Fayaz mir doch bestimmt etwas gesagt!

„Ein Baby? Welches Baby?“, fragte Idris verwirrt.

Saskia streckte sich und genoss die zauberhafte Aussicht. Der Himmel war so glänzend blau, dass es beinah in den Augen wehtat. Sanft spiegelte er sich im Pool, dahinter schimmerte das Meer.

Es war ein weiterer schöner Tag in diesem Paradies. Wenn sie sich von dem bequemen Sofa in der herrlich klimatisierten Villa aufraffen und der Hitze draußen für zehn Sekunden die Stirn bieten könnte, dann würde sie einige Runden schwimmen. Der Pool war der einzige Ort, an dem sie sich noch einigermaßen behaglich fühlte, wenn das Wasser ihren unförmigen Körper trug und sie sich leichter vorkam.

Sanft streichelte Saskia ihren Bauch. Nur noch sechs Wochen bis zur Geburt! Dann war es endlich ausgestanden. Sie wurde zwar bestens betreut, machte jeden Tag Schwangerschaftsyoga und hatte eine professionelle Geburtsbegleiterin sowie eine Hebamme zur Seite, aber die Schwangerschaft war das Mühsamste, was sie jemals durchgemacht hatte.

Wenigstens brauchte sie sich keinerlei Sorgen zu machen. Ein Ärzteteam stand schon bereit, und in der Klinik war eine luxuriöse Suite gebucht. Nur das Beste kam für die Geburt der künftigen Kronprinzessin oder des Kronprinzen infrage.

Saskia zuckte zusammen, als ein Schmerz ihren Rücken durchfuhr. Langsam stand sie auf und dehnte sich. Ich darf nicht klagen, sagte sie sich energisch. Hier in der Villa ging es ihr gut, sie wurde megagesund ernährt und in jeder Hinsicht umsorgt. Und was noch wichtiger war: Jack ging es ebenso gut wie ihr.

Sobald das Baby seinen liebevollen Eltern übergeben worden war, konnten sie und ihr kleiner Bruder ihr altes Leben wieder aufnehmen. Nein, ein besseres! Und das verdiente Jack ebenso wie sie.

Sie beschloss, eine Runde zu schwimmen und sich dann ihrem Aufsatz für die Fernuniversität zu widmen, was sie schon viel zu lange aufgeschoben hatte. Demnächst würde sie – dank Fayaz und Maya – genug Geld haben, um zurück an die Uni zu gehen, aber wenn sie das erste Jahr schon als Fernstudium absolvierte, würde ihr mehr Geld für ein Haus in England bleiben.

Saskia zog den Bademantel aus, ging zur Terrassentür und öffnete sie. Sengende Hitze schlug ihr entgegen. So schnell es eben ging, begab sie sich zum Pool und ließ sich vorsichtig auf den flachen Stufen nieder, die ins wunderbar kühle Wasser führten. Sie freute sich schon darauf, in einigen Wochen wieder mühelos aufstehen zu können. Momentan hatte sie das Gefühl, dafür einen Kran zu benötigen.

„Ach mein Kleines, du bist ja so brav, aber es wird langsam unbequem“, sagte sie leise und strich sich wieder über den Bauch. „Und ich bekomme dich für Maya. Du freust dich bestimmt schon, Mummy und Daddy kennenzulernen, oder? Die beiden können es jedenfalls kaum erwarten, dich endlich zu sehen. Jetzt dauert es nicht mehr lang“, redete Saskia weiter und ließ sich ins Becken gleiten. „Mummy kommt nächste Woche und wohnt dann bei uns, damit sie jeden Moment mit dir verbringen kann, bis sie dich mit nach Hause nimmt. Wird das nicht toll?“

Saskia freute sich schon auf den Besuch der Freundin, auf die langen, intensiven Gespräche mit einem erwachsenen Menschen. Maya und Fayaz wollten nicht, dass bekannt wurde, dass Saskia ein Baby für sie, das Königspaar, austrug, also war sie schon seit fast sieben Monaten ans Haus gefesselt. Egal, wie luxuriös es war, so fühlte es sich doch manchmal wie ein Gefängnis an.

Wie ein goldener Käfig.

Langsam begann sie, ihre Bahnen zu schwimmen. Es war ihr untersagt, sich anzustrengen. Sie achtete auf regelmäßiges Atmen, auf gleichmäßige Bewegungen. Ja, das hier würde sie vermissen. In ihrem zukünftigen Leben gab es sicher keine großen Pools, und in London war der Himmel eher grau als strahlend azurblau.

Saskia drehte sich auf den Rücken und schloss die Augen gegen das grelle Licht.

Eine Weile driftete sie so dahin, dann überkam sie ganz unvermittelt ein Gefühl von Unbehagen. Sofort öffnete sie die Augen und ließ die Füße auf den Boden sinken. Stehend strich sie sich die nassen Haare aus dem Gesicht und wandte sich um.

Was, besser, wen sie da sah, versetzte ihr einen Schock.

„Idris?“

Das konnte nicht sein! Maya hatte versichert, dass er in Frankreich war. Außerdem hatte sie ihr hoch und heilig geschworen, sie würde ihm niemals verraten, dass Saskia das Baby für sie austrug. Niemand außer den allerengsten Angehörigen sollte wissen, dass es von einer Leihmutter geboren werden würde.

Aber Idris gehörte natürlich zu Fayaz’ Familie!

Und er sah noch genauso aus wie vor sieben Jahren.

Nein, ein wenig hatte er sich doch verändert: Er wirkte gesetzter als der junge Mann, in den sie unsterblich verliebt gewesen war. Und das lag nicht nur an dem eleganten Anzug, dem teuren Haarschnitt oder dem dunklen Bartschatten. Vielmehr war es der selbstsicheren Haltung geschuldet, die der jüngere Idris noch nicht gehabt hatte, auch wenn er damals gern so getan hatte. Die strengen Linien um den Mund waren neu und schienen eine Folge von Müdigkeit und Kummer zu sein. Die dunkelbraunen Augen blickten traurig. Zunächst jedenfalls.

Dann schien er zu erkennen, wer da unten im Wasser stand. „Saskia? Was, um alles in der Welt, machst du denn hier?“

„Ich schwimme“, antwortete Saskia und ließ sich nicht anmerken, dass seine tiefe Stimme noch immer dieselbe Wirkung auf sie hatte wie damals. „Die Frage ist eher, was du hier machst. Du befindest dich auf Privatgrund. Ich kann mich nicht erinnern, dich eingeladen zu haben.“

„Ich bin hier, um die Leihmutter zu sprechen“, antwortete er. Dann sah er ihr auf den gewölbten Bauch und wusste Bescheid. „Ach, du bist das?“

Saskia reckte das Kinn. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht! Und da ich keinen Stress haben soll, möchte ich dich bitten zu gehen.“

„Das würde ich gern tun, aber ich muss dich dringend sprechen.“

„Na gut, aber mach’s kurz.“

„Nicht hier draußen. Du musst sitzen. Und angezogen sein“, bestimmte Idris und musterte sie gleichgültig.

Als hätte er ihren Körper niemals vorher gesehen. Als hätte er ihn niemals berührt.

„Du hast hier nichts zu befehlen“, konterte sie hitzig.

Seine Augen blitzten, aber er hielt sich sichtlich im Zaum. „Bitte, Saskia“, sagte er unwillig. „Es ist wirklich wichtig. Sonst wäre ich nicht hier. Das kannst du mir glauben.“

Ein kalter Schauer überlief sie. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht! Warum war Idris nicht in Frankreich? Und wo blieb Maya?

„In Ordnung, Idris. Gib mir eine Viertelstunde, dann bin ich angezogen. Momentan dauert alles etwas länger bei mir.“

In den letzten zwei Monaten hatte Saskia entweder Yogahosen oder weite, reinseidene Kaftane getragen, aber eine Vorahnung sagte ihr, dass sie sich jetzt anders anziehen, sozusagen eine Rüstung anlegen sollte.

Sie wählte eine weite weiße Leinenhose, dazu ein zart rosafarbenes, unter dem Busen gerafftes Top. Im Gegensatz zu den meisten Rothaarigen, die Rosa scheuten, liebte sie die Farbe. Die nassen Haare flocht sie zu einem lockeren Zopf. Noch ein Paar flache Sandalen, und sie war fertig.

Bereit für das Gespräch mit Idris!

Was hatte ihn zu ihr geführt, sieben Jahre nach der Trennung? Er hatte ganz offensichtlich nicht erwartet, sie hier zu sehen. Ebenso wenig wie sie ihn.

Sie war jetzt ein anderer Mensch als damals: stark, unabhängig, siegreich im Überlebenskampf. Dass Idris’ Küsse sie einmal hatten vergessen lassen, wer sie war, bedeutete nicht, dass er immer noch Macht über sie hatte. Sie hatte die Lage im Griff.

Langsam ging Saskia nach unten in die weitläufige Halle. Auf dem einen Sofa saß Idris mit seinem Tablet. Er schaute nicht hoch.

Neben ihm stand ein kleiner Tisch mit einer Kanne Kaffee und einer halb vollen Tasse, aus der ein verführerischer Duft aufstieg.

Kaffee zählte zu den Dingen, die Saskia verboten waren. Auf Rohmilchkäse, Schalentiere und Wein hatte sie ohnehin keine Lust, aber der Verzicht auf Kaffee, ein wahres Lebenselixier für sie, fiel ihr schwer. Pfefferminztee hatte einfach nicht dieselbe Wirkung.

Hamid, der Hausdiener, reichte ihr eine Tasse Tee, die sie lächelnd annahm. Damit ging sie in den kleinsten der Salons, der eine prachtvolle Aussicht auf das Meer bot. Aber dazustehen und zu warten, bis Idris geruhte, sich ihr zu widmen, kam nicht infrage!

Also setzte sie sich, nahm ein Buch und begann zu lesen.

Es dauerte nicht lang, bis sie Schritte hörte.

„Hier bist du also“, bemerkte Idris. „Warum hast du nichts gesagt?“

Lächelnd blickte sie hoch. „Du hast so beschäftigt ausgesehen. Setz dich doch, und sag mir, was ich für dich tun kann.“

Damit machte sie deutlich, wer hier die Herrin im Haus war und das Sagen hatte.

Überraschenderweise setzte er sich tatsächlich, sprang aber gleich wieder auf und ging im Raum hin und her. Sein Blick war düster. Sie bekam es mit der Angst zu tun.

„Was ist los, Idris? Warum bist du hier?“

Er wandte sich ihr zu, und der Kummer in seinen Augen ging ihr zu Herzen.

„Es hat einen Unfall gegeben. Fayaz …“

„Was für einen Unfall?“, unterbrach sie ihn.

„Mit dem Auto.“

„Ja, der gute Junge fährt immer wie ein Rennfahrer.“ Wenn sie weiterplauderte, leicht und wie beiläufig, würde sie den Rest nicht hören müssen. Idris wäre nicht extra von Frankreich hergekommen, wenn Fayaz nur leicht verletzt wäre. Und er würde nicht persönlich mit der Leihmutter reden wollen.

„Saskia.“ Er kam zu ihr zurück und setzte sich neben sie, so vertraut und gleichzeitig ein Fremder.

Zu ihrem Schrecken nahm er ihre Hand in seine. Früher einmal hatte diese leichte Berührung genügt, und sie hatte nicht mehr klar denken können. Nur noch an ihn. Jetzt spürte sie nichts. Gar nichts.

„Saskia, es war ein schlimmer Unfall. Fayaz hat ihn nicht überlebt. Keiner hat das.“

Keiner? Schützend legte sie sich die Hand auf den Bauch. „Und Maya?“

Er drückte ihre Hand fester. „Es tut mir so unendlich leid, Saskia! Sie war bei ihm.“

Saskia konnte sich nicht rühren, nicht reagieren, nicht verstehen, was er sagte. Fayaz und Maya? Ein so strahlendes Paar – attraktiv, reich, mächtig und sehr verliebt –, das allerdings auch seine Probleme gehabt hatte: Maya hatte drei Fehlgeburten erlitten und keine Kinder mehr bekommen können. Deshalb hatte sie Saskia um Hilfe gebeten.

Verstört wandte sich Saskia Idris zu. „Und das Baby? Was geschieht jetzt mit ihrem Baby?“

2. KAPITEL

Idris blickte starr aufs Meer, ohne es wirklich wahrzunehmen. Er musste dringend in die Hauptstadt Jayah zurück, die etwa vierzig Kilometer landeinwärts lag. In wenigen Stunden würde das Begräbnis des Königspaars stattfinden, und es gab Hunderte Dinge, um die er sich kümmern sollte. Aber er hatte hier noch nicht alles erledigt.

Saskias Frage ging ihm unablässig durch den Kopf. Ja, was geschah nun mit dem Baby, das vor seiner Geburt zum Waisenkind geworden war? Es war das leibliche Kind seines Cousins und hatte somit Anspruch auf den Thron. Moralisch gesehen.

Aber war das Kind auch nach dem Gesetz Thronerbe? Idris hatte keine Ahnung. Nun wartete er auf seinen Großonkel und auf den Anwalt, der den Vertrag über die Leihmutterschaft aufgesetzt hatte. Die beiden wollte er um Rat fragen, und er hoffte inständig, dass dieser Rat mit seinen Wünschen übereinstimmte. Wenn das Baby erben konnte und der Großonkel bereit war, die Regentschaft zu übernehmen, bis es volljährig war, dann konnte er, Idris, gleich nach dem Ende der Trauerzeit nach Frankreich zurückkehren.

Schuldgefühle übermannten ihn, und er verdrängte sie rasch. Fayaz würde verstehen, warum er nicht bleiben wollte. Ich bin hier so allein und fehl am Platz, dachte Idris. Sein französischer Akzent und seine europäische Herkunft stempelten ihn zum Fremden. Dazu kamen die Skandale, die seine Mutter verursacht hatte – unter anderem dadurch, dass sie durchgebrannt war.

Wie sehr die Pflicht sein Leben bestimmte, wie hart er gearbeitet hatte, um das Château zu renovieren und die Weingärten wieder ertragreich zu machen, das hatte sein Cousin Fayaz gewusst. Und das alles sollte er für ein Land – ein Volk – aufgeben, das ihn nie wirklich akzeptiert hatte?

Noch dazu, wenn Saskia Harper hier war … die Mutter von Fayaz’ Baby. Warum nur hatte sie sich zur Leihmutterschaft bereit erklärt?

Ich habe sieben Jahre mein Bestes getan, um nicht an Saskia zu denken, wenn auch nicht immer erfolgreich, sagte Idris sich im Stillen. Ja, manchmal hatte ein Schimmer kastanienroter Haare oder ein makelloser englischer Akzent sein Herz schneller pochen lassen, weil er hoffte, sie könnte nah sein …

Nun war er vor Kummer ganz gefühllos und das Wiedersehen ein Schock.

Schritte erklangen in der Halle. Die Hebamme, die Saskia rund um die Uhr in der Villa betreute, hatte sie sofort zu Bett gebracht und darauf bestanden, den Arzt holen zu lassen.

„Wie geht es ihr?“, fragte Idris den Arzt ungeduldig, als dieser in den Salon kam.

„So gut, wie man es erwarten darf.“ Der Doktor nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. „Ein Schock sollte in dieser Phase der Schwangerschaft vermieden werden, aber Sayeda Saskia ist kräftig, gesund und erhält die bestmögliche Betreuung. Als Vorsichtsmaßnahme habe ich Bettruhe für heute und Schonung für die kommenden Tage verordnet. Sie kann auf keinen Fall an den Begräbnissen teilnehmen, da sie nicht reisen sollte.“

Beim Gedanken an die Beerdigungen biss Idris die Zähne zusammen. Er hatte jetzt keine Zeit zum Trauern.

„Ich lasse eine Krankenschwester hier“, informierte ihn der Arzt weiter. „Im Fall von Komplikationen komme ich sofort. Die sind allerdings nach meiner Sicht nicht zu erwarten. Und wenn ich Ihnen, Hoheit, mein Beileid aussprechen darf? Ihr Cousin war ein guter Mensch, und Königin Maya hätte das Glück verdient, Mutter zu sein … Ich komme morgen früh wieder“, versicherte er und verabschiedete sich.

Die nächsten zwei Stunden verbrachte Idris mit dem Versenden von dringenden E-Mails. Er durfte seine eigenen Verpflichtungen nicht vernachlässigen, nur weil sich um ihn herum die Ereignisse überschlugen. Kurz schloss er die Augen und dachte an die grauen Steine seines Châteaus, an dessen Türme, an die Hügel mit den Weingärten.

Gestern erst war er ins Bett gegangen, in der Erwartung, an einem weiteren schönen Frühlingstag aufzuwachen, an dem er sich den Arbeitern im Weinberg anschließen und ihnen beim Hacken und Jäten helfen wollte. Er lebte in einer der schönsten Gegenden Frankreichs und hatte etwas dagegen, seine Zeit nur im Büro zu verbringen.

Aber morgens war er vom Anruf eines panischen Beamten geweckt worden – und sein Leben war komplett auf den Kopf gestellt.

Sein Leben, das er so bald wie möglich zurückhaben wollte …

Eine Flut von E-Mails aus verschiedenen Ministerien Dalmayas ging auf seinem Tablet ein, in denen um Richtlinien für das weitere Vorgehen ersucht wurde. Er empfahl, vorerst so weiterzumachen wie bisher, bis er die Frage der Thronfolge geklärt haben würde, was demnächst geschehen sollte.

Das war hoffentlich die Wahrheit …

Nach zwei anstrengenden Stunden, die Idris viel länger vorkamen, hörte er erleichtert, wie draußen ein Auto vorfuhr. Es brachte ihm die dringend benötigten Ratgeber.

In der Halle begrüßte er sie höflich und bat sie nach oben in Saskias Suite, da sie ja nicht aufstehen sollte, aber an dem Gespräch teilnehmen musste. Es ging schließlich auch um ihre Belange.

Der Hausdiener führte sie in den ersten Stock zu Saskias Räumen.

Ihr Schlafzimmer war riesig, die eine Wand bestand ganz aus Glas, und Türen führten auf eine Terrasse mit Kübelpflanzen, bequemen Sitzgelegenheiten und Blick aufs Meer. Der Raum war in sanften, beruhigenden Blau- und Cremetönen eingerichtet, ein übergroßes Bett stand auf einem Podest an einem Ende, am anderen war eine Sitzgruppe. Dann gab es noch ein Ankleidezimmer, wie Idris durch eine halb offene Tür sah, und ein Bad.

Auf dem Couchtisch standen Erfrischungen bereit, und Saskia ruhte auf einem der drei Sofas. Sie lächelte den Anwalt schwach an und reichte Idris’ Großonkel die Hand.

„Entschuldigen Sie bitte, dass ich nicht aufstehe, aber der Arzt hat mir Ruhe verordnet“, erklärte sie.

Autor

Jessica Gilmore

Jessica Gilmore hat in ihrem Leben schon die verschiedensten Jobs ausgeübt. Sie war zum Beispiel als Au Pair, Bücherverkäuferin und Marketing Managerin tätig und arbeitet inzwischen in einer Umweltorganisation in York, England. Hier lebt sie mit ihrem Ehemann, ihrer gemeinsamen Tochter und dem kuschligen Hund – Letzteren können die beiden...

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