Die bezaubernde Rivalin

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Die elegante India Claibourne ist die schönste Frau, die Jordan Farraday je gesehen hat – aber leider auch seine größte Konkurrentin! Denn er hat sich in den Kopf gesetzt, das Kaufhaus "Claibourne & Farraday", das sich bereits lange im Besitz beider Familien befindet, von nun an allein zu leiten. Wenn bloß nicht India auf dem Chefposten sitzen würde! Und so schmiedet er einen Plan …


  • Erscheinungstag 28.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753301
  • Seitenanzahl 116
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Haben Sie das gesehen, JD?“

Jordan Farraday blickte von der E-Mail auf, die er gerade hatte öffnen wollen. Seine Sekretärin hielt ihm eine Zeitschrift hin, und er fragte erstaunt: „Sie lesen das ‚Celebrity‘-Magazin, Christine? Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie sich so für das Liebesleben der Reichen und Schönen interessieren.“

Die Zeitschrift war unter der Rubrik „Wer heiratet wen?“ aufgeschlagen, und Christine antwortete ungerührt: „Ich hoffe immer noch, eines Tages Ihr Foto auf dieser Seite zu sehen. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob Sie von der Hochzeit gehört haben.“

„Doch, ich wusste davon.“ Jordan warf einen Blick auf das Foto mit seinem Cousin Bram, der darauf Flora Claibourne einen Ehering an den Finger steckte. Dabei überkam Jordan ein merkwürdiges Gefühl, das er allerdings nicht näher zuordnen konnte. War es Neid? Nein, das wäre ja lächerlich gewesen, und trotzdem sah Bram irgendwie anders aus … rundum zufrieden. Als hätte er etwas gefunden, nachdem er sein Leben lang gesucht hatte. Das war natürlich Unsinn. Bestimmt reflektierten seine Züge nur das Strahlen einer Frau, die ihren Willen bekommen hatte.

Schließlich sagte Jordan: „In der heutigen Ausgabe der ‚Evening Post‘ war auch ein Artikel über die Hochzeit.“

„Hat Bram Ihnen denn nicht vorher telefonisch Bescheid gesagt?“

Mit einem spöttischen Lächeln sah Jordan von der Zeitschrift auf: „Hätten Sie das getan?“

Christine schüttelte den Kopf. „Diese Claibourne-Mädchen haben’s faustdick hinter den Ohren. Mich würde mal interessieren, was sie benutzen.“

„Wie meinen Sie das?“

„Na ja, ob sie ausschließlich ihren Charme einsetzen oder auch auf Zauberkräfte und Liebestränke zurückgreifen. Eigentlich dachte ich, Ihre Cousins gehörten zu den Männern, die in absehbarer Zeit am allerwenigsten heiraten.“ Christine verstummte, bevor sie mit einem Lächeln hinzufügte: „Von Ihnen einmal abgesehen.“

„Vielen Dank“, sagte Jordan spöttisch.

„Und trotzdem haben die beiden mit einer Schnelligkeit in die Ehe eingewilligt, die darauf schließen lässt, dass man ihnen etwas in den Tee getan hat“, erklärte Christine.

„Was Niall angeht … nun, irgendwann kommt jeder einmal über den Verlust eines geliebten Menschen hinweg, und bei Bram würde ich sagen, lag es daran, dass auch das Leben eines Playboys mal langweilig wird. Die beiden waren einfach reif für die Liebe“, fügte Jordan mit einer abfälligen Handbewegung hinzu. „Mein Fehler war es, sie den beiden interessantesten Frauen Londons auszusetzen.“

„Und Sie selbst wollen ab morgen Ihre Zeit mit der dritten im Bunde verbringen – der großen Schwester, der Chefin, die ihren jüngeren Geschwistern wahrscheinlich alles beigebracht hat? Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen, JD?“

„Nein, Christine, ich bin einfach nur Herr meiner Sinne.“ Wieder warf er einen Blick auf die Abbildung. „Anders als bei meinen Cousins ist mein einziges Interesse, die Leitung des Warenhauses zu übernehmen. Und dieses Ziel werde ich am Ende des Monats erreicht haben.“

„Dazu brauchen Sie India Claibourne doch nicht zu beschatten.“

„Das stimmt, aber ich bin wohlerzogen und will ihr die Möglichkeit geben, ihr Können darzulegen.“

„Blödsinn!“, erklärte seine Sekretärin und runzelte die Stirn, bevor sie fortfuhr: „Sie haben doch was vor.“ Da ihr Chef nicht widersprach, fügte sie hinzu: „Und das wird mit Tränen enden.“

„Genau das ist meine Absicht.“

„Wenn Sie damit andeuten wollen, dass es sich dabei um die Tränen von India Claibourne handeln wird, sollten Sie vielleicht noch einmal Ihre Hausaufgaben machen.“ Christine nahm ihm die Zeitschrift aus der Hand und hielt ihm die aufgeschlagene Seite wie eine Warntafel vors Gesicht. „Denken Sie einfach daran, was mit Ihren Cousins geschehen ist, sobald es die beiden mit den Claibourne-Mädchen zu tun bekommen haben.“

„Das waren nur Nebenkriegsschauplätze, jetzt kommt das Hauptgefecht.“

„Sie spielen mit dem Feuer, JD.“

„Das wäre nicht das erste Mal.“

„Diesmal ist es etwas anderes“, erwiderte Christine.

„Wollen Sie damit andeuten, ich wüsste nicht, was ich tue?“

„Aber nicht doch, damit will ich nur sagen, dass Sie vielleicht besser irgendeine Krise erfinden sollten, die für den kommenden Monat Ihre Anwesenheit am anderen Ende der Welt erfordert. Überlassen Sie die Sache mit Claibourne & Farraday den Anwälten. Falls Ihnen Ihre Freiheit lieb ist, meine ich.“

„Ich soll kneifen, damit der Autor der Rubrik ‚unsere Stadt‘ sich darüber lustig macht, dass ich aus Angst vor India Claibourne das Weite gesucht habe? Die Evening-Post-Leser würden sich königlich darüber amüsieren.“

„Es gibt Schlimmeres, als zum Gespött der Leute zu werden. Die Ehe ist nicht nur ein Wort, JD, sie kommt einer Verurteilung gleich. Da kenne ich mich aus. Ich habe fast zehn Jahre gebraucht, um mich von dem Joch zu befreien.“

„Christine, wir arbeiten doch nun schon eine ganze Weile zusammen, und Sie kennen mich wahrscheinlich besser als jeder andere Mensch auf dieser Welt. Wollen Sie allen Ernstes andeuten, dass ich nicht in der Lage bin, einige wenige Tage in Gegenwart dieser India Claibourne zu verbringen, ohne mich so unsterblich in sie zu verlieben, dass ich innerhalb eines Monats vor ihr auf die Knie falle?“

„Die Mitarbeiter der Buchhaltung nehmen bereits Wetten entgegen.“

„Wetten? Worüber?“

„Wie viele Tage es dauern wird, bis … nun, bis Sie vor ihr auf die Knie fallen.“

„Um was zu tun?“

„Um um ihre Hand anzuhalten.“

„Also wirklich, Christine!“

Doch seine Sekretärin ließ sich nicht beirren. „Niall Farraday Macaulay hat Romana Claibourne am neunundzwanzigsten Tag ihres Beisammenseins in Las Vegas geheiratet.“ Während sie das sagte, hob sie einen Finger. „Bram Farraday Gifford hat Flora Claibourne am dreißigsten Tag ihres Beisammenseins auf Saraminda geheiratet.“ Sie hob den zweiten Finger. „Ich bin sicher, dass Sie die beiden in allem übertrumpfen können, JD.“

Jordan zuckte die Schultern. „Um mich aufs Standesamt zu bringen, ist mehr vonnöten als ein verführerisches Lächeln.“

„Die Frau hat durchaus mehr zu bieten – ein ganzes Warenhaus. Sie können Zeit sparen – und Anwaltshonorare –, wenn Sie ihr eine Vernunftehe vorschlagen. So profitieren Sie beide davon. India würde zumindest eine beeindruckende Ehefrau abgeben.“

„Ich brauche keine Ehefrau, egal, wie beeindruckend sie aussieht! Das Einzige, was ich will, ist die möglichst unproblematische Übereignung dessen, was mir rechtmäßig zusteht.“

„Wenn Sie die Sache tatsächlich so unproblematisch wie möglich abwickeln wollten, hätten Sie den Claibournes schon vor zwei Monaten die Anwälte auf den Hals geschickt. Aber Sie, JD, wollen etwas anderes, und ich bezweifle nicht, dass Sie es auch erreichen werden. Doch hoffentlich macht es Sie auch glücklich.“ Christine verstummte, bevor sie warnend hinzufügte: „Hauptsache, Sie nehmen nichts zu sich, solange Sie sich im Warenhaus aufhalten. Oh, und egal, was Sie dort noch so machen, lassen Sie sich bloß nicht die Haare schneiden.“ Lächelnd fuhr Christine fort: „Sonst verwendet India Claibourne womöglich die Spitzen, um einen Zauber über Sie zu legen.“

„Vielleicht sollten Sie sich ernsthaft überlegen, in den Vorruhestand zu gehen, Christine“, erwiderte Jordan ungerührt. „Dann können Sie sich ganz diesem Unsinn widmen, und ich könnte mir eine junge, sexy Assistentin einstellen, mit langen Beinen und einem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften.“

„Das würden Sie doch nicht tun!“

„Und warum nicht?“

„Eben weil ich nicht sexy bin, sondern glücklicherweise schon im mittleren Alter, mollig und mütterlich“, sagte Christine, während sie auf ihr Büro zuging. „Sie wissen, dass ich mich nicht in Sie verlieben und somit auch nicht den Alltag im Büro verkomplizieren werde, JD. Außerdem bin ich die beste Sekretärin der Welt. Wahrscheinlich zumindest.“ Auf der Türschwelle blieb sie noch einmal stehen, lächelte und sagte: „Gute Nacht, JD. Arbeiten Sie nicht mehr so lang.“

Sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, lächelte Jordan ebenfalls. Was India Claibourne betraf, mochte Christine auf dem Holzweg sein, aber in einem Punkt hatte sie Recht: Sie war die beste Sekretärin, die er jemals gehabt hatte, und er würde sie niemals gegen eine jüngere Frau eintauschen. Immer noch lächelnd wandte er sich daraufhin wieder der neu eingegangen E-Mail zu. Doch nachdem er sie gelesen hatte, verschwand sein Lächeln. Da standen nur zwei Zeilen, und die lauteten wie folgt:

Zwei hätten wir in der Tasche, bleibt noch einer. Wollen Sie nicht lieber gleich das Handtuch werfen, Mr. Farraday?

Bestimmt hatte India Claibourne gedacht, dass er einen Rückzieher machen und sie im Juni nicht beschatten würde, nachdem seine Vorhut von ihren beiden hübschen Schwestern so effektiv außer Gefecht gesetzt worden war. Aber mit diesen beiden Zeilen hatte sie an seiner Ehre gerührt.

Während Jordan den Computer ausschaltete, kam er zu dem Schluss, dass seine Sekretärin sich irrte. Er war nicht der Einzige, der mit dem Feuer spielte, und in diesem Fall wäre es India Claibourne, die sich die Finger – und was sie sonst noch einsetzen wollte – verbrennen würde.

India Claibourne blieb vor dem Warenhaus stehen und sah an der Fassade hinauf: „Claibourne & Farraday“ stand da in goldfarbenen Lettern.

Der Name war nun schon seit fast zwei Jahrhunderten Garant für Klasse und Stil. Lediglich der Zusatz „& Farraday“, störte India. Ihre stillen Teilhaber hatten bisher nicht viel zum Erfolg des Warenhauses beigetragen – abgesehen davon, ihren Anteil am Gewinn einzustreichen.

Damit hatte sie kein Problem. Die Farradays waren gleichberechtigte Partner und konnten gern ihren Anteil bekommen, solange sie ihr dabei nicht ins Handwerk pfuschten. Aber genau das taten sie jetzt. Seit dem Herzanfall ihres Vaters, der sich daraufhin völlig aus dem Unternehmen zurückgezogen hatte, erwiesen sich die Farradays als erstaunlich präsent.

„Guten Morgen, Miss India“, hörte sie da den Mann vom Sicherheitsdienst am Haupteingang sagen, wobei er sich an die Hutkrempe tippte.

„Guten Morgen, Mr. Edwards.“ India trat einen Schritt zur Seite, um den ersten Kunden nicht im Weg zu stehen. „Die Leute scheinen es heute einmal wieder kaum erwarten zu können, dass wir aufmachen.“

„Im Sommer geht es immer schon so früh hoch her, Miss India. London ist voll von Touristen, die alle wenigstens einmal einen Blick ins ‚Claibourne’s‘ geworfen haben wollen.“

Als India hörte, wie der Mann den Kaufhausnamen abkürzte, lächelte sie: „Claibourne’s“, das klang doch gleich ganz anders, und man konnte es viel leichter aussprechen. Wenn sie Jordan Farraday erst einmal losgeworden war, würde das Warenhaus nur noch so heißen: Claibourne’s.

„Meine Frau hat mir gestern Abend die Hochzeitsbilder von Miss Flora im Celebrity-Magazin gezeigt“, fuhr der Sicherheitsbeauftragte fort, während sich India noch vorstellte, wie herrlich es aussehen würde, wenn allein der Name ihrer Familie über dem Eingang prankte. „Ihre Schwester hat ja richtig gestrahlt. Es ist doch großartig für das Warenhaus, dass jetzt sowohl Miss Romana als auch Miss Flora mit einem Farraday verheiratet ist.“

Das brachte India endgültig auf den Boden der Tatsachen zurück. Jordan Farradays Cousins und Partner bei dem unrechtmäßigen Versuch, sich die Leitung des Warenhauses anzueignen, waren jetzt ihre Schwager. Wenigstens hielten sie sich seitdem bedeckt, genossen ihre Flitterwochen und überließen das Feld den beiden Hauptgegnern: ihr, India, und Jordan Farraday.

Jetzt blieb ihr noch ein Monat, um diesem Jordan zu zeigen, dass er das Warenhaus nicht „mal eben nebenbei“ führen konnte. Aber das durfte nicht allzu schwierig sein: Der Mann war Spekulant und kein Einzelhändler. Bestimmt wollte er sich nicht einen Job aufhalsen, der so zeitintensiv war wie ihrer. Wahrscheinlich wollte er nur das Sagen haben, das letzte Wort – zumindest hoffte India, dass dies sein einziger Beweggrund wäre. Doch während sie darüber nachdachte, bekam sie eine Gänsehaut.

Was sie nicht wissen konnte: Genau in diesem Augenblick zeigte Jordan Farraday dem Wachtposten am Hintereingang seinen Zutrittsausweis und parkte seinen Sportwagen auf dem ihm zugewiesenen Platz. Dann bat er den Mann, telefonisch Indias Sekretärin Bescheid zu sagen, dass er, Jordan Farraday, angekommen sei.

Aber India war noch nicht an ihrem Platz. Sie stand vor dem Warenhaus und überlegte, warum sie plötzlich ein so ungutes Gefühl hatte.

„Bestellen Sie Ihrer Schwester bitte die besten Wünsche von mir und meiner Frau?“, sagte jetzt der Sicherheitsbeauftragte und riss India damit aus ihren trüben Gedanken. „Miss Flora, meine ich“, fügte er noch hinzu, während er India die Tür aufhielt. „Ich hoffe, sie wird sehr, sehr glücklich.“

„Danke, Mr. Edwards, das richte ich ihr aus.“

An den meisten Tagen benutzte India den Personaleingang auf der Rückseite, aber manchmal nahm sie sich die Zeit und ging um das Haus herum, um sich die Schaufensterdekoration anzusehen und dann durch den Haupteingang zu schlendern wie eine Kundin.

Als sie jetzt den Eingangsbereich betrat, verspürte sie kurzzeitig die gleiche Aufregung wie als kleines Mädchen. Die Holzvertäfelung und die Marmorböden wurden von vielfarbigen Lichtreflexen belebt, die durch den Sonnenschein und die sich über drei Stockwerke erstreckenden Tiffany-Fenster entstanden. Das alles würde sie um nichts in der Welt aufgeben. Niemals! Dabei wurde ihr plötzlich bewusst, dass es der falsche Ansatz war, in ihrem Büro zu sitzen und zuzusehen, wie ihr Jordan Farraday alles wegnahm. Romana hatte Niall gleich am ersten Tag mit zu einem Bungee-Springen für wohltätige Zwecke genommen, und Bram hatte keine andere Wahl gehabt, als Flora bei einer Forschungsreise auf eine tropische Insel zu begleiten. Keinem der beiden Männer war Zeit geblieben, um Atem zu schöpfen und auf der Schiene zu fahren: Ich bin ein Mann und weiß alles besser.

Niall und Bram hatten erst begriffen, wie ihnen geschah, als es zu spät war. Da musste sie, India, diesen Monat das Tempo vorgeben, damit Jordan Farraday genug damit zu tun hatte, um mit ihr Schritt zu halten. Denn, sollte es ihm jemals gelingen, den Spieß umzudrehen, war sie verloren.

Mit ihrer E-Mail von gestern Abend hatte sie ohnehin den Ring eröffnet und brauchte sich jetzt nicht an ihren Schreibtisch zu setzen und die Verkaufszahlen des letzten Monats durchzugehen. Jordan wäre bestimmt nicht damit zu beeindrucken, dass sie eine Bilanz lesen konnte. Nein, sie musste irgendetwas tun, das so gar nichts mit seinem üblichen Arbeitsalltag zu tun hatte. Etwas, das ihr einen Vorteil verschaffte.

Inzwischen hatte India den Aufzug erreicht, und als sich die Tür im obersten Stockwerk wieder öffnete, musste sie erst einmal die Malerfolie zur Seite schieben, die man wegen der Umbauarbeiten aufgehängt hatte. Gleichzeitig hörte sie es hämmern und lächelte zufrieden. Jordan Farraday würde nun womöglich einen Monat lang das Büro mit ihr teilen, aber die damit verbundene Erfahrung bestimmt nicht genießen.

„India?“ Ihre persönliche Assistentin erschien auf der Türschwelle zum Vorstandssekretariat. „Wir haben ein kleines Problem in der Babywarenabteilung.“

„Wie klein ist ‚klein‘?“

„So groß wie ein Baby. Eine unserer Kundinnen hat mit ihren Einkäufen bis zur letzten Minute gewartet und plötzlich Wehen bekommen. Die Sanitäter sind schon da und werden sie so bald wie möglich ins Krankenhaus bringen. Ich dachte nur, dass Sie darüber gern Bescheid wüssten.“

„Ja, danke, Sally, aber ich gehe lieber mal hinunter und sehe nach, ob für das Wohl der Kundin auch alles in unserer Macht Stehende getan wird.“ Als sich die Assistentin daraufhin räusperte, wandte sich India noch einmal um.

„Dafür ist bereits gesorgt.“

„Wie bitte?“

„Da Sie nicht da waren, hat JD die Sache übernommen.“

„JD?“ Fragend runzelte India die Stirn.

„JD ist Jordan Farraday. Seine Angestellten nennen ihn so, hat er gesagt.“

„Jordan Farraday ist schon hier? Im Warenhaus?“ India war wie vom Donner gerührt.

„Punkt zehn Uhr ist er unten ins Parkhaus gefahren. Sagten Sie nicht, Sie würden ihn irgendwann im Lauf des Tages erwarten?“

„Ja, ich dachte, er würde mir telefonisch Bescheid geben, wann er kommt. Dass er einfach so auftaucht – unangemeldet! –, hätte ich nicht gedacht.“

„Natürlich habe ich den Mann vom Sicherheitsdienst trotzdem gebeten, ihn heraufzuschicken. War das falsch?“

Abwehrend hob India die Hand. „Nein, nein.“

„Ich habe ihm eine Tasse Kaffee angeboten und ihn dann in Ihr Büro geführt. Wir haben ja sonst keinen anderen Platz mehr“, fügte Sally leicht vorwurfsvoll hinzu, und India konnte es ihr nicht verdenken.

Dabei hatte es sich so gut angehört, als Romana vorschlug, die Büroflächen reduzieren und die Aufenthaltsräume des Personals in die Vorstandsetage zu verlegen, damit unten mehr Verkaufsfläche entstand. Und warum hätten sie noch damit warten sollen? India hatte gehofft, wenn sie die Bauarbeiter jetzt gleich ins Haus holte, würden die Geräuschkulisse, der Staub überall und der Umstand, dass sie Jordan Farraday kein eigenes Büro zur Verfügung stellen konnte, seine Anwesenheit auf ein Minimum reduzieren. Schließlich brauchte sie dringend Zeit und wollte nicht, dass ihr Widersacher sie dabei auf Schritt und Tritt verfolgte.

„Es tut mir leid, Sally“, erklärte India schließlich. „Natürlich haben Sie genau das Richtige getan. Aber nur weil Jordan Farraday in meinem Büro saß, mussten Sie doch nicht gleich so tun, als würde er das Warenhaus bereits leiten. Dass wir in der Babywarenabteilung womöglich bald Zuwachs bekommen, ging ihn nun wirklich nichts an.“

„Das hat er gar nicht von mir erfahren. Eine der Verkäuferinnen kam mit der Neuigkeit hier hereingestürmt, und er … nun … Wie soll ich sagen? … hat die Sache in die Hand genommen“, erklärte Sally ein wenig atemlos.

„Großartig!“, sagte India spöttisch und musste selbst erst einmal tief durchatmen. „Ich glaube, ich gehe jetzt trotzdem nach unten und sehe nach dem Rechten.“ Damit hatte sie es allerdings nicht eilig. Ganz im Gegenteil, urplötzlich wäre sie am liebsten ganz woanders gewesen, zum Beispiel zu Hause im Bett. „Wünschen Sie sich manchmal auch, der Wecker hätte morgens nicht geklingelt, Sally, und Sie würden den ganzen Tag verschlafen?“

„Manchmal schon, aber nicht heute, das kann ich Ihnen versprechen. Einen Mann wie JD Farraday hätte ich um nichts in der Welt verpassen wollen.“

„Na, das fehlt mir noch! Meine Sekretärin hat sich in den Kerl verguckt, der mir das Warenhaus wegnehmen will.“

„Sein Name steht auch über der Tür, und ich habe mich nicht in ihn verguckt. Mein Privatleben ist durchaus erfüllt.“ Lächelnd fügte Sally hinzu: „Aber deshalb bin ich anderen Männern gegenüber noch lange nicht blind.“

„Damit können Sie sich ja trösten, wenn Sie sich einen neuen Job suchen müssen, weil Ihr JD endgültig auf meinem Stuhl sitzt.“

„Ich bitte Sie, India, das würde doch niemals geschehen!“

„Vor zwei Monaten hätte ich Ihnen vielleicht noch zugestimmt.“ Aber plötzlich war sich India dessen nicht mehr so sicher. Bisher hatte sie sich damit beruhigt, dass sie und dieser Jordan gleiche Ausgangsbedingungen hatten. Er berief sich auf eine jahrhundertealte Vereinbarung, die die Führung des Warenhauses dem „ältesten männlichen Erben“ zusprach. Sie, India, gründete ihren Anspruch darauf, die „älteste Erbin“ zu sein, deren Belange in Zeiten der Gleichberechtigung schließlich nicht einfach übergangen werden konnten. Aber würde das ein Haufen alter Männer mit weißen Perücken auch so sehen? Oder würden die sauberen Herren einfach dem „ältesten“ erbberechtigten Nachkommen die Führung des Warenhauses zusprechen? Immerhin konnte Jordan Farraday nachweisen, dass alles, was er anfasste, zu barer Münze wurde. Sie, India, konnte dagegen nur ihre lebenslange Erfahrung im Einzelhandel vorweisen und ihr Bestreben, „Claibourne’s“ zu einem über die Grenzen Londons und Großbritanniens hinaus bekannten Markennamen zu machen.

„He, wenn alles andere fehlschlägt, können Sie ihm immer noch schöne Augen machen!“, sagte da ihre Assistentin, und India vergaß einen Augenblick, dass ihr womöglich eine Niederlage bevorstand.

„Was soll denn das heißen?“

„Sobald er Ihnen gegenübersteht, klimpern Sie einfach mit den Wimpern. Und wenn er sich erst einmal in Sie verliebt hat, denkt er gar nicht mehr daran, Ihnen Ihr Spielzeug wegzunehmen.“

„Na, großartig! Ich versuche jeden davon zu überzeugen, dass ich das Zeug dazu habe, das Warenhaus zu leiten, und Sie wollen, dass ich diesen Mann verführe? Was ist denn in den letzten dreißig Jahren Frauenbewegung geschehen?“ Ärgerlich wandte sich India ab und riss sich dabei an einem zerdrückten Pappkarton einige Laufmaschen in die Seidenstrümpfe. Wunderbar, mit dem Tag, den sie schon mit einem unguten Gefühl begonnen hatte, ging es jetzt steil bergab. „Sally, was, zum Teufel, ist denn das?“

Sally hielt den Atem an, als sie Indias zerrissene Strümpfe bemerkte. Dann reichte sie ihr ein neues Paar aus der Schreibtischschublade und sagte: „Tut mir leid, die Bauarbeiter haben den Karton hier stehen lassen. Da sind Akten aus dem Büro Ihres Vaters drin. Ziemlich altes Zeug, aber ich dachte, Sie wollten es noch einmal durchsehen, bevor ich es einlagern lasse.“

„Aber ich habe doch alle Aktenschränke in Dads Büro ausgeräumt.“

„Die Akten befanden sich hinter dem großen begehbaren Schrank.“

India hatte inzwischen die oberste herausgenommen und blätterte darin. Die Unterlagen waren dreißig Jahre alt und stammten aus der Zeit, als ihr Vater das Geschäft von Jordan Farradays Großvater übernommen hatte. Plötzlich bekam India vor Aufregung eine Gänsehaut. „Sally, kaufen Sie sich ruhig den Designerrock, von dem Sie mir vorgeschwärmt haben. Den haben Sie sich verdient, ich übernehme die Kosten. Und bitte sorgen Sie dafür, dass der Karton in mein Auto gebracht wird.“

Auf keinen Fall wollte India, dass ihr Jordan Farraday über die Schulter sah, wenn sie die Unterlagen durchging. Nein, das entsprach nicht ganz der Wahrheit: Sie wollte Jordan Farraday überhaupt nicht hier haben.

2. KAPITEL

Bevor India die Tür zur Babywarenabteilung aufstieß, atmete sie noch einmal tief durch. Das schien sie in letzter Zeit ziemlich oft tun zu müssen. Glücklicherweise hatte sie das gemacht, denn es dauerte eine Ewigkeit, bis sie wieder atmen konnte, nachdem sie Jordan Farraday zu Gesicht bekommen hatte.

Journalisten ging er nicht gerade um den Bart, aber sie hatte alles an Information über den Mann zusammengetragen, dessen sie habhaft werden konnte. Die Abbildungen in den Tageszeitungen ließen darauf schließen, dass er durchschnittlich gut aussah. Aber an Jordan Farraday war nichts durchschnittlich. Außerdem hatte er etwas an sich, das über bloßes gutes Aussehen weit hinausging. Er war größer als vermutet und sein Haar dunkler – die silbrigen Strähnen hoben nur hervor, wie dunkel es war. Doch das alles betraf nur sein Äußeres. Das Kribbeln in ihrem Bauch und die leichte Gänsehaut im Nacken rührten aber daher, welchen Eindruck Jordan Farraday auf die Anwesenden machte, die ihn alle ansahen, als warteten sie nur auf sein Kommando. Mit anderen Worten: Er war der aufregendste Mann, den India seit Monaten … Jahren … wahrscheinlich überhaupt jemals gesehen hatte. Und diesen Mann hatte sie zu einem Kampf herausgefordert, bei dem der Sieger die alleinige Kontrolle über das Warenhaus bekam?

Dabei wirkte er im Augenblick kein bisschen bedrohlich. Er hatte sich vorgebeugt, hielt die Hand der zukünftigen Mutter, während diese von einem Sanitäter in einen Rollstuhl gehoben wurde. Dabei sprach Jordan Farraday leise auf die noch sehr junge Frau ein und versicherte ihr, dass schon alles gut gehen werde. „Sie werden sich bald viel besser fühlen, Serena. Ich habe Ihren Freund angerufen. Er ist bereits auf dem Weg zum Krankenhaus und wartet schon auf Sie, wenn Sie ankommen.“ Jordan Farraday sah zu den Sanitätern. „Fertig?“ Einer von ihnen nickte. Sich wieder an die junge Frau wendend, erkundigte sich Jordan: „Soll ich mit Ihnen im Krankenwagen fahren?“

Die zukünftige Mutter sagte nichts, drückte ihm nur noch fester die Hand, und India schluckte. Wenn sie einmal schwanger war, wollte sie auch, dass ihr jemand wie Jordan Farraday die Hand hielt. Jetzt sah er sich zu ihr um, und einen Moment begegneten sich ihre Blicke.

„Miss Claibourne …“ India zuckte regelrecht zusammen, als die Abteilungsleiterin sie ansprach. „… das war vielleicht ein Morgen!“

„Ich habe schon davon gehört. Offensichtlich hat sich die junge Dame mit ihren Babyeinkäufen ein bisschen zu viel Zeit gelassen.“

Die Frau nickte. „Aber Mr. Farraday hat alles wieder hingebogen und das törichte Mädchen beruhigt. Dann hat er die Sanitäter gerufen, und als die anderen Kunden den Männern einfach keinen Platz machen wollten, hat er die Leute in den Coffeeshop geschickt und auf Kosten des Hauses zu Kaffee und Kuchen eingeladen.“

Autor

Liz Fielding

In einer absolut malerischen Gegend voller Burgen und Schlösser, die von Geschichten durchdrungen sind, lebt Liz Fielding – in Wales

Sie ist seit fast 30 Jahren glücklich mit ihrem Mann John verheiratet. Kennengelernt hatten die beiden sich in Afrika, wo sie beide eine Zeitlang arbeiteten. Sie bekamen zwei Kinder, die...

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