Die Bräute von Holly Springs (5-teilige Serie)

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EIN SPITZENSLIP IM BADEZIMMER
So hat sich Emma ihr Wiedersehen mit ihrem Exmann Joe nun wirklich nicht vorgestellt: Beide sind nackt und von der prickelnden Situation völlig überrascht. Wildes heißes Verlangen erwacht …

NUR HEIMLICHE STUNDEN DER LUST?
In Thads Armen erlebt Janey sinnliche Nächte der Leidenschaft. So heiß wurde sie noch nie verwöhnt und geliebt. Schon träumt sie von einer gemeinsamen Zukunft mit dem attraktiven Mann, da verunglückt ihr Sohn. In ihrer Verzweiflung gibt sie Thad die Schuld …

WETTEN, DU BIST DER RICHTIGE?
Lily hat das Mauerblümchendasein satt! Endlich will sie auch einmal etwas Aufregendes tun. Warum nicht den Filmstar Carson McRue verführen? Sie lässt sich auf eine verrückte Wette ein und findet dabei völlig unerwartet die Liebe ihres Lebens …

WACHGEKÜSST!
Noch nie geliebt - das ändert sich für die Mechanikerin Hannah, als Dylan in ihr Leben tritt. Er erkennt sofort, dass unter ihrem ölverschmierten Overall ein warmes Herz schlägt. Doch ihre heiße Romanze scheint vorbei, als er ihr einen ungeheuerlichen Vorwurf macht …

HERZENSGEHEIMNISSE
Drei Jahre Fernehe - das ist genug für den Arzt Cal! Bis zu ihrem Hochzeitstag - dem Valentinstag - muss eine Entscheidung fallen. Er möchte seine Frau Ashley am Tag der Liebe überraschen. Doch auch sie hat besondere Pläne. Und so beginnt ein kleines Versteckspiel …


  • Erscheinungstag 20.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719258
  • Seitenanzahl 720
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Cathy Gillen Thacker

Die Bräute von Holly Springs (5-teilige Serie)

IMPRESSUM

Ein Spitzenslip im Badezimmer erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
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Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2003 by Cathy Gillen Thacker
Originaltitel: „The Virgin’s Secret Marriage“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ORIGINALREIHE
Band 249 - 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Heike Warth

Umschlagsmotive: DmitryPoch / Depositphotos

Veröffentlicht im ePub Format in 08/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733719142

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

 

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1. KAPITEL

Joe Hart hatte einen entscheidenden Fehler gemacht. Und jetzt, sieben Jahre, nachdem er zur falschen Zeit und am falschen Ort mit der Tochter des Chefs ertappt worden war, bekam er die Chance, seine Dummheit wiedergutzumachen. Er musste Emma Donovan nur endlich so sehen, wie sie wirklich war: nicht als die blauäugige Unschuld, nach der er sich jede Nacht in seinen Träumen verzehrt hatte, sondern als eine kaltherzige Lügnerin. Wenn es ihm gelang, sie aus seiner Erinnerung zu verbannen, konnte er neu anfangen.

Nun schien sein Wunsch sich zu erfüllen. Er war wieder in den Staaten, in seiner Heimatstadt Holly Springs, und konnte seine Mutter, seine vier Brüder, seine Schwester und deren Sohn regelmäßig sehen – vorausgesetzt, diese Besprechung fand jemals ein Ende.

Der Besitzer der Eishockeymannschaft „Carolina Storm“, Multimillionär Saul Donovan, bestand darauf, jede einzelne Vertragsklausel ausführlich durchzugehen, bevor sie ihre Unterschrift daruntersetzen konnten.

„Alle Mannschaftsmitglieder verpflichten sich, an den Wohltätigkeitsveranstaltungen der Gemeinde aktiv teilzunehmen.“

„Kein Problem“, sagte Joe und sah seinen Boss an. Donovan war gut fünfzig Jahre alt, ungefähr einen Meter achtzig groß und etwas rundlich um die Taille. Aber sein Blick war alles andere als weich. „Das habe ich immer schon getan, auch ohne Vertrag.“

Saul Donovan betrachtete seinen neuen Spieler über die Lesebrille hinweg. „Außerdem unterstützt die Mannschaft das Hockeycamp für Kinder. Dabei werden Sie diesen Sommer mitmachen.“

Joe nickte. Er fühlte sich wie ein Halbwüchsiger, der gerade eine Moralpredigt bekam. Sein Boss hatte sich zwar bisher sehr sachlich und professionell gegeben, trotzdem fürchtete Joe, dass das dicke Ende noch kam.

„Mein Neffe Christopher ist zwölf, er hat vielleicht auch Lust, an dem Camp teilzunehmen“, meinte Joe.

Saul Donovan nickte zufrieden und sah dann wieder auf das vor ihm liegende Blatt. „Und damit wären wir beim letzten Punkt angelangt.“ Er legte sorgfältig seinen Stift zur Seite und nahm die Brille ab.

Aha, dachte Joe, es ist so weit.

„Ich bin bereit zu vergessen, was vor einigen Jahren passiert ist“, begann Saul in drohendem Ton. „Vorausgesetzt, Sie halten sich strikt von meiner Tochter fern!“

Donovan glaubte doch wohl nicht, dass Joe freiwillig in sein Verderben rennen würde – und das ausgerechnet auf dem Höhepunkt seiner Karriere! „Darauf können Sie Gift nehmen.“ Es war ihm bitterernst damit.

„Ich werde nicht zulassen, dass Sie meine Tochter noch einmal unglücklich machen.“

Joe hatte nicht die geringste Lust, alte Wunden aufzureißen. Die schöne Emma Donovan hatte ihm damals das Herz gebrochen, und er hatte sich geschworen, nie wieder auf eine Frau hereinzufallen, schon gar nicht auf eine reiche Erbin oder die Tochter seines Chefs.

Vom weiblichen Geschlecht hatte er genug, seit er vor sieben Jahren versucht hatte, eine schluchzende, wütende Emma mitsamt ihrem Koffer zurück in ihr College zu schmuggeln – und dabei ihrem genauso wütenden Vater in die Hände gefallen war. Neunzehn Jahre alt waren sie gewesen, und bis heute wusste Saul Donovan nicht, was in dieser Nacht passiert war – oder fast passiert wäre. Als Joe die Wahrheit erfuhr, war er schlagartig zur Vernunft gekommen, sehr zu Emmas Erbitterung.

Als sich das Schweigen zwischen Joe und Saul in die Länge zog, griff Mannschaftstrainer Thaddeus Lantz ein. „Ich denke, Joe hat dich verstanden, Saul.“

Joe nickte nur. Und ob er verstanden hatte. Wenn er es dieses Mal wieder versiebte, bekäme er keine zweite Chance. Dann würde Saul dafür sorgen, dass er in der Eishockeyliga nirgends mehr einen Fuß auf den Boden bekam. Als Besitzer eines der besten nationalen Teams reichte seine Macht weit.

„Es wird nicht immer einfach sein, Emma aus dem Weg zu gehen“, warnte Saul.

Damit hatte er wohl recht, wenn man bedachte, dass sie ausgerechnet mit Joes Mutter zusammenarbeitete, die bis heute nicht einmal wusste, dass ihr Sohn und die Millionärstochter sich überhaupt kannten.

„Überlassen Sie das mir, Sir.“

Mrs. Harts „Wedding Inn“ war die bevorzugte Hochzeitsadresse von North Carolina, und Emma war inzwischen, jedenfalls nach Aussage seiner Mutter, die begehrteste Hochzeitsplanerin im ganzen Staat. Doch was ging ihn das an?

„Emma ist heute Abend im Inn.“

Das war nur einer der Gründe, warum Joe seiner Mutter nicht gesagt hatte, dass er in der Stadt war. „Ich wollte mir eigentlich ein Hotelzimmer in Raleigh nehmen, bis der Rest meiner Sachen kommt“, sagte er. Er hatte sich schon vor einem Jahr ein Haus hier gekauft, aber nie die Zeit gefunden, es einzurichten, vor allem, weil er nicht vorgehabt hatte, schon so bald hierher zu ziehen. Doch dann hatte Saul ihm angeboten, für die Carolina Storm zu spielen.

„Haben Sie schon ein Zimmer gebucht?“, fragte Saul jetzt ein wenig freundlicher.

„Nein, noch nicht.“ Nach seiner Ankunft war er mit seinem Anwalt Ross Dempsey direkt zu Saul gefahren.

„Sehr gut. Dann bleiben Sie doch einfach hier.“

Joe warf seinem Anwalt einen unsicheren Blick zu, und der nickte. „Ich soll in Ihrem Haus übernachten?“, fragte er vorsichtshalber nach. Allmählich bekam er eine Vorstellung davon, woher Emma ihre Stimmungsschwankungen hatte.

Saul nickte. „Wir haben genügend Gästezimmer.“ Joe zögerte. „Ehrlich gesagt, Sie täten mir damit einen Gefallen. Meine Frau und ich fahren zum Golfturnier nach Southern Pines, und da es in Holly Springs in letzter Zeit ziemlich viele Einbrüche gegeben hat, würde ich das Haus nur ungern leer stehen lassen.“

„Ich passe gern darauf auf“, willigte Joe ein. Nach seinen Eskapaden war es das Mindeste, was er tun konnte.

„Es wäre nur bis morgen Abend.“

„Kein Problem. Was ist mit Emma?“

„Sie lässt sich selten blicken. Und wenn sie kommt, ruft sie vorher an. Sie weiß, dass wir nicht da sind, hat also keinen Grund für einen Besuch.“

Joe hatte Mühe, seine Erleichterung nicht zu zeigen.

Saul schob ihm den Vertrag hin, und Joe unterschrieb. Was für ein Gefühl!

Dann drückte Saul ihm die Hand. „Die Pressekonferenz ist am Montagmorgen, neun Uhr, im Stadion in Raleigh.“

„Ich werde pünktlich sein“, versprach Joe.

Emmas Mutter Margaret erschien in der Tür. Joe hatte sie nie persönlich kennengelernt, aber viel von ihr gehört. Sie war eine Expertin in Public Relations. Mit ihrer Hilfe hatte ihr Mann sich vom Besitzer einer Sandwichbude zum Inhaber einer im ganzen Land verbreiteten Restaurantkette hochgearbeitet, inzwischen war sie für die Öffentlichkeitsarbeit des Eishockeyteams verantwortlich. Mit ihren dunklen Haaren und den grünen Augen war sie genauso hübsch wie ihre Tochter. „Saul, können wir fahren?“

„Ja. Ich muss nur noch meine Golfsachen holen.“

Margaret lächelte Joe an. Wenn sie ihm wegen der Affäre mit ihrer Tochter noch Vorwürfe machte, so ließ sie es sich zumindest nicht anmerken.

„Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Haus.“ Sie führte ihn durch die Küche, zu einem Extraflügel mit Fitnessraum und Schwimmbad und schließlich zu seinem Zimmer. „Fühlen Sie sich wie zu Hause.“ Ihre Stirn umwölkte sich. „Richtig wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, dass Sie ganz allein hier sein werden.“

Joe schüttelte den Kopf. „Keine Angst, Mrs. Donovan, ich kann auf mich aufpassen.“ Was sollte ihm schon passieren?

„Sehr schön“, meinte Helen Hart kurz nach halb zehn Uhr zufrieden, als der letzte Hochzeitsgast das Wedding Inn verlassen hatte.

Emma Donovan gab ihr recht. „Ja, es ist wirklich gut gelaufen.“ Und da die Familien des Brautpaars zur gesellschaftlichen und politischen Elite des Staates gehörten, würde die Hochzeit in den 11-Uhr-Nachrichten gewürdigt werden. Eine bessere Werbung konnte man sich gar nicht wünschen.

„Wahrscheinlich bekommen wir jede Menge Nachfolgeaufträge“, vermutete Helen glücklich.

Emma nickte. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass sie und Joes Mutter nicht nur Geschäftspartnerinnen geworden waren, sondern sich richtig angefreundet hatten. Allerdings hatte Helen keine Ahnung davon, dass Emma Joe überhaupt kannte. Emma hatte es ihr nicht absichtlich verschwiegen, nur irgendwie hatte sich nie der rechte Zeitpunkt für ein „Geständnis“ gefunden. Aber vielleicht war es auch besser so, denn sie war immer noch zornig, weil Joe sie nur seiner Karriere wegen wie eine heiße Kartoffel hatte fallen lassen.

„Schade, dass nicht alle unsere Kunden so unkompliziert sind.“

Helen nickte. „Ich darf gar nicht an die Snow-Hochzeit denken!“

Gigi Snow, die Brautmutter, war wirklich eine Heimsuchung. „Dafür ist morgen früh noch Zeit.“ Emma war todmüde. Für heute hatte sie genug von Hochzeiten.

„Fährst du jetzt noch nach Raleigh?“, wollte Helen wissen, als sie Emma hinausbegleitete.

„Nein. Meine Eltern sind übers Wochenende weggefahren, ich werde dort übernachten.“

„Ist dir das nicht unheimlich in so einem großen Haus?“, fragte Helen besorgt.

Emma schüttelte den Kopf. „Meine Eltern haben eine sehr gute Alarmanlage.“

„Keine Alarmanlage ist todsicher.“

„Ich habe keine Angst.“ Sie brauchte jetzt vor allem ein warmes Bad und dann ein Bett.

Kurz darauf steuerte Emma ihren Wagen durch ihre verschlafene kleine Heimatstadt Holly Springs. Wie sehr sich ihr Leben doch verändert hatte, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Heute waren ihre Eltern reich, damals hatten sie noch sehr mit dem Aufbau ihrer Restaurantkette gekämpft und waren so wenig zu Hause gewesen, dass sie ihre Tochter ins Internat hatten geben müssen. Und während Emma ihre Schule abschloss und auf die Universität ging, hatte ihr Vater sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und eine Eishockeymannschaft gekauft – Carolina Storm.

Wie gern wäre Emma regelmäßig zu den Spielen gegangen, aber ihr Vater hatte es verboten. Eishockeyspieler sind nichts für Frauen, hatte er immer gepredigt. Sie hätte auf ihn hören sollen. Doch sie hatte sich über seine Anweisungen hinweggesetzt und die Spiele der unteren Liga in Providence besucht – nicht zuletzt deshalb, weil einer der jungen Spieler es ihr besonders angetan hatte.

Emma seufzte. Das war alles längst Vergangenheit. Wenn sie nicht schleunigst an etwas anderes dachte, würde sie wieder die ganze Nacht von einem Jungen mit zerzaustem hellbraunen Haar und goldbraunen Augen träumen …

Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, als sie am Tor den Geheimcode eintippte und wartete, bis es sich öffnete. Alles war ruhig und friedlich wie immer.

In ihrem Zimmer auf der Rückseite des Hauses steckte Emma die Haare hoch, ließ die Badewanne volllaufen und zog sich aus. Dann versank sie bis zum Hals im warmen Wasser. Und wieder musste sie an Joe Hart denken, diesen hinreißenden Schuft, der ihr vor vielen Jahren das Herz gebrochen hatte. Sie hatten nie miteinander geschlafen, aber sie spürte noch immer seine leidenschaftlichen Küsse, seine zärtlichen Berührungen …

Verärgert über sich selbst stieg Emma aus der Wanne. Und da hörte sie das Geräusch. Etwas – oder jemand – bewegte sich im Erdgeschoss, im Fitnessraum vielleicht oder in der Sauna … Sie kämpfte einen kurzen Anflug von Panik nieder, dann lief sie zum Telefon und rief die Polizei an. Sheriff Mac Hart nahm selbst ab. „Sie rühren sich nicht vom Fleck“, befahl er streng. „Und Sie versuchen auf keinen Fall, den Einbrecher zu stellen.“

Emma hörte, wie eine Tür sich unten schloss und eine andere sich öffnete. Dann hustete jemand. Es war ein tiefes, männliches Husten. Etwas schien auf den Boden gefallen zu sein, und der Mann stieß einen Fluch aus. Egal, was Mac gesagt hatte, es fiel ihr im Traum nicht ein, untätig hier herumzusitzen und darauf zu warten, dass jemand sie aufstöberte. Entschlossen schlüpfte sie in ihren bodenlangen Bademantel und zog den Gürtel zu. Jetzt brauchte sie noch eine Waffe. Sie wusste auch schon, wo sie etwas Geeignetes fand.

Joe war auf der Treppe, als er die gedämpften Schritte im ersten Stock hörte. Da von der Familie niemand da war und das Personal freihatte, musste sich ein Einbrecher im Haus herumtreiben. Das fehlte ihm gerade noch. Was für ein Einstand! Er wollte, er hätte sich angezogen und sich nicht nur ein Handtuch umgebunden.

Lautlos schlich er die Treppe wieder hinunter und tappte in die Küche. Er tastete im Dunkeln die Wand neben der Tür ab und fand einen Besen. Dann stellte er sich hinter einen Schrank und wartete.

Es war eine mondlose Nacht, nur wenig Licht fiel in die Küche. So konnte er den Einbrecher nur schemenhaft erkennen. Er war kleiner als Joe. Jetzt durchsuchte er die Schubladen – etwas zu geräuschvoll und hektisch für seinen Geschmack. Joe musste handeln, bevor sein Gegner vielleicht ein scharfes Messer fand. Mit einem Satz sprang Joe hinter dem Schrank hervor. Der Eindringling wirbelte herum und stürzte sich mit hoch erhobenem Arm auf ihn. Joe duckte sich. Dann donnerte ein schwerer Gegenstand – eine Teigrolle aus Marmor! – neben ihn auf den Küchentresen.

Er stieß eine Verwünschung aus und schwang seinen Besen. Der Eindringling machte eine schnelle Bewegung zur Seite, und Joe verfehlte sein Ziel. Wieder schwang der Unbekannte die Teigrolle, aber Joe wehrte sie mit dem Besen ab, und sie fiel mit lautem Getöse zu Boden.

Joe wollte sich schon zu seinem Sieg gratulieren, als er auf einmal ein Knie in Richtung seiner empfindlichsten Stelle zielen sah. Gerade noch konnte er den Angriff mit seinem Oberschenkel abwehren, dann packte er seinen eher schmächtigen Gegner an den Armen. Bei dieser Aktion glitt das Handtuch zu Boden, das er sich notdürftig um die Hüfte geschlungen hatte. Sein Gefangener versuchte, sich zappelnd aus seinem Griff zu befreien, und dabei öffnete sich der Frotteebademantel. Sie prallten aneinander, und Joe spürte weiche Brüste an seinem Körper, zarte weibliche Haut, nach einer Mischung aus Seife und einem dezenten Parfüm duftend. Er erlitt einen regelrechten Schock und wich, wie vom Blitz getroffen, zurück.

Bevor er noch etwas sagen konnte, hatte die Frau sich ein Glas mit Süßigkeiten gegriffen und hämmerte damit auf ihn ein. Er bekam sie wieder zu fassen. „He, warten Sie! Ich …“

„Sie – Sie Verbrecher!“, schrie sie ihn an. „Wie kommen Sie dazu, hier einfach einzudringen?“

„Jetzt halten Sie mal die Luft an! Ich bin kein …“ Joe fluchte, als sie ihm gegen das Schienbein trat, und er versuchte, ihr das Glas zu entwinden. Fast hätte er es geschafft, als seine Gegnerin einen lauten Schrei ausstieß.

Von einer hysterischen Ziege ließ er sich ganz bestimmt nicht beeindrucken! Endlich hatte er den Behälter in seinen Besitz gebracht und außer Reichweite gestellt, als sie schon nach dem nächsten zur Waffe geeigneten Gegenstand tastete. Er wollte sie festhalten, aber sie wich zurück, sodass er nur den Ärmel ihres Bademantels zu fassen bekam.

Aber noch gab sie sich nicht geschlagen, sie wand und drehte sich, um sich zu befreien. Dabei büßte sie ihren Bademantel ganz ein, der mitten auf seinem Handtuch landete. Das hinderte sie allerdings nicht daran, wie wild auf Joe einzutrommeln. Dazu schrie und kreischte sie ohrenbetäubend.

Joe hatte allmählich genug. Er schloss die Arme wie einen Schraubstock um sie, in der Hoffnung, sie vielleicht so zu beruhigen, aber sie war jenseits aller Vernunft. Ganz gleich, was er tat oder sagte, sie wollte einfach nicht mit diesem Geschrei aufhören.

Dann tauchten plötzlich Scheinwerfer von draußen die Küche in gleißend helles Licht.

Joe sah auf seine Gegnerin hinunter, sah das zerzauste dunkle Haar, die wunderschönen smaragdgrünen Augen, die weichen Lippen … O nein, dachte er. Bitte nicht!

Im nächsten Augenblick hörten sie die Stimme des Sheriffs über den Lautsprecher: „Keine Bewegung!“

2. KAPITEL

„Du kannst es einfach nicht lassen, kleiner Bruder, was?“, fragte der Sheriff Joe. Drei uniformierte Beamte waren mit ihm in die Küche gekommen.

Das muss mit Emma zu tun haben, dachte Joe bitter, als er instinktiv vor sie trat, um sie in ihrer Blöße vor den Blicken der vier Männer zu schützen. Er hob ihren Bademantel auf und half ihr hinein. Nicht, dass das noch viel nützte. Alle hatten sich ausgiebig vergewissern können, dass sie ebenso splitternackt war wie er selbst.

Joe drehte sich halb nach den gleißenden Scheinwerfern um. Bildete er sich das nur ein, oder entdeckte er wirklich einen Übertragungswagen des lokalen Fernsehsenders im Garten?

Mit Mühe unterdrückte er einen ganzen Schwall von Flüchen. „Du gestattest, dass ich mir mein Handtuch hole, großer Bruder?“, fragte er stattdessen betont milde, aber sein Blick verhieß Mord und Totschlag. „Oder wolltest du mich gleich erschießen?“

Mac Hart steckte mit allen Anzeichen der Missbilligung seine Pistole ins Halfter zurück und signalisierte den übrigen Beamten, seinem Beispiel zu folgen. „Zieht euch was an, ihr zwei.“ Dann drehte er sich zu der Fernsehcrew um, die hinter ihm in die Küche drängte. „Und Sie hören gefälligst auf zu filmen“, befahl er.

„Wir kommen nur unserer Pflicht zur Berichterstattung nach“, behauptete der Reporter. „Wir haben von dem Einsatz im Polizeifunk gehört, und da es sich hier um das Grundstück von Saul Donovan handelt, ist das ein Fall von öffentlichem Interesse.“

Der rothaarige Kameramann trat einen Schritt nach vorne, die Kamera im Anschlag, während Joe sich sein Handtuch um die Hüften wickelte.

„He, Sie sind doch Joe Hart“, rief der Reporter. „Ist es wahr, dass Sie bei den Carolina Storm unterschrieben haben?“

Das hatte ihm noch gefehlt. „Kein Kommentar.“

„Können Sie mir dann vielleicht sagen, in welcher Beziehung Sie zu Mr. Donovans Tochter stehen?“, erkundigte der Reporter sich. „Oder warum Miss Donovan einen Einbruch gemeldet hat?“

Joe sah seinen Bruder Hilfe suchend an. Wenn hier jemand Autorität besaß, dann Mac.

„Genug, Leute“, entschied Mac. „Verlassen Sie das Grundstück. Haben Sie mich verstanden?“ Sein Ton verschärfte sich, als die Filmcrew keine Anstalten machte, seinem Befehl nachzukommen. „Hier gibt es nichts zu berichten.“

Seine Beamten drängten die protestierenden Fernsehleute hinaus, und Emma verließ fluchtartig die Küche. Joe folgte ihr.

Zum ersten Mal an diesem Abend sah er sie richtig an. Sieben Jahre waren vergangen, seit sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Sie war erwachsen geworden. Ihre Augen waren noch immer so smaragdgrün und von dichten Wimpern beschattet, wie er sie in Erinnerung hatte. Ihr Mund war weich und rot, das Kinn hatte sie kämpferisch erhoben. Sie hatte kein Make-up aufgelegt, aber mit ihrer pfirsichfarben schimmernden Haut und den dunklen Haaren sah sie umwerfend aus – und wie die reiche, verwöhnte Erbin, die sie damals herausgekehrt hatte.

Sie hätte ihm nicht gleichgültiger sein können, und doch fühlte er sich körperlich nach wie vor zu ihr hingezogen, musste er zu seinem Leidwesen feststellen. Dazu kam, dass sie ihn wie hypnotisiert anstarrte. Auch er konnte den Blick nicht von ihr wenden. Saul Donovan hatte völlig recht gehabt, ihm den Umgang mit seiner Tochter zu verbieten. Sobald sie zusammen waren, konnte er für nichts garantieren.

Mac räusperte sich. „Na?“, fragte er ungeduldig.

Joe drehte sich zu seinem Bruder um. Er schuldete ihm eine Erklärung. „Ich bin Gast hier.“

Emma sah ihn böse an, als wäre alles nur seine Schuld. Typisch. „Ich auch.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass sie hier ist. Mr. und Mrs. Donovan sind übers Wochenende weggefahren und haben mich gebeten, hier zu übernachten.“ Wenn sich jemand hier unberechtigt aufhielt, dann ganz sicher nicht er!

„Und du meinst, ich hätte das gewusst?“, stieß Emma grimmig hervor.

Joe hob die Schultern. „Keine Ahnung. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass du es darauf anlegst, mich in Schwierigkeiten zu bringen.“

Mac hob die Augenbrauen und sah von einem zum anderen. „Habe ich da etwas verpasst?“, erkundigte er sich.

Joe schüttelte den Kopf. In seiner Familie brauchte niemand etwas von der Dummheit zu erfahren, die ihn vor sieben Jahren in die zweite Liga zurückkatapultiert hatte, nur Stunden, nachdem er zum ersten Mal in die erste Liga berufen worden war. Welche Blamage! Und dass Emma der Grund für diese Dummheit gewesen war, musste erst recht niemand wissen.

„Alles in Ordnung, Mac“, behauptete er jetzt steif. „Du kannst wieder abziehen. Emma und ich bekommen das selbst geregelt.“

Mac sah Emma an. „Ist das für Sie okay?“

Emma nickte. „Es tut mir leid, dass ich falschen Alarm ausgelöst habe. Wenn ich gewusst hätte, dass Joe hier herumschleicht …“

„Was dann?“, fragte Joe finster. „Hättest du ihnen dann gesagt, sie sollen sofort schießen und erst später nachfragen?“

Emma verdrehte die Augen. „Haha.“ Sie wandte sich wieder Mac zu. „Dann hätte ich Sie natürlich nicht angerufen.“

„Bestimmt nicht“, bekräftigte Joe liebenswürdig. „Wenn du uns also jetzt entschuldigst, Bruderherz. Emma und ich haben einiges zu besprechen.“

Emma hielt ihren Bademantel vor der Brust zu. „Ich ziehe mich nur schnell an und verschwinde dann.“

„Nicht so hastig.“ Joe hielt sie an der Schulter fest. „Zuerst will ich wissen, was du hier zu suchen hast. War das geplant? Reichte es nicht, dass dein Vater mich sieben Jahre lang in die Provinz verbannt hat? Will er mich immer noch dafür bestrafen, dass ich dir die Unschuld geraubt und dich dann sitzen gelassen habe?“

So war es zwar nicht gewesen, aber die Donovans waren davon überzeugt. Emma hatte sich nie die Mühe gemacht, ihnen die Wahrheit zu sagen. Wahrscheinlich hätten sie ihr ohnehin nicht geglaubt.

„Ich habe keine Ahnung, wovon du überhaupt redest“, behauptete Emma. „Es ist mir sowieso schleierhaft, wieso mein Vater dich in sein Haus eingeladen haben soll.“

Joe sah sie nur an. Er weiß immer noch nicht, ob er mir glauben kann, dachte sie.

Für einen Moment presste er die Lippen zusammen. „Ich habe heute einen Vertrag bei ihm unterschrieben.“

Es waren Jahre verstrichen, seit sie ihn – abgesehen vom Fernsehen – zuletzt gesehen hatte, aber er übte noch immer dieselbe magnetische Wirkung auf sie aus. Sie konnte einfach den Blick nicht von der kleinen sichelförmigen Narbe über seinem rechten Auge oder von dem Grübchen in seinem Kinn wenden. Aber sie wollte sich nicht von seinem aufregenden Lächeln oder diesen goldbraunen Augen faszinieren lassen, wollte sich nicht klein neben ihm fühlen, sich nicht vorstellen, wie sein kräftiger sonnengebräunter Körper … Emma rief sich zur Ordnung. Und trotzdem …

„Ich dachte, mein Vater hätte entschieden, er würde dich nie wieder für ihn spielen lassen, an jenem Abend, als …“

„… als er mich dabei erwischte, wie ich dich wieder in deinen Schlafsaal zurückschmuggeln wollte?“ Sie sahen sich eine Weile nur stumm an. Dann fuhr Joe fort: „Du hättest mir sagen müssen, dass dein Vater der Donovan ist!“

Emma seufzte. „Dann wärst du niemals mit mir ausgegangen.“

Joe nickte. „Erraten.“

Wieder verspürte sie diese Fassungslosigkeit darüber, dass er sie damals so ohne Umstände hatte fallen lassen. „Jedenfalls hat es mir letztendlich gezeigt, dass ich dich richtig eingeschätzt habe.“ Und dass man sich nicht auf ihn verlassen konnte, jedenfalls nicht, wenn Gefühle im Spiel waren.

Joe lehnte sich an die Wand, dabei rutschte sein Handtuch ein wenig tiefer über seine Hüften. „Du willst mir weismachen, du hast keine Ahnung, was in dem Vertrag steht, den ich heute Abend unterschrieben habe?“

Emma wandte mit Mühe den Blick von seinem Nabel und den goldbraunen Härchen, die unter seinem Handtuch verschwanden. „Woher denn? Ich wusste ja nicht einmal, dass du überhaupt hier bist.“

„Und jetzt sollte ich auch nicht hier sein.“ Joe stieß sich von der Wand ab und setzte sich in Bewegung. Emma wünschte, er sähe nicht so verdammt sexy aus mit diesem Handtuch. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Ich fürchte, morgen weiß jeder, was passiert ist.“

„Du meinst, dass wir praktisch in flagranti ertappt worden sind?“

„Wir sind bei überhaupt nichts ertappt worden!“

Emma stieß einen langen Seufzer aus. „Nur bei einem kleinen Ringkampf. Aber was spielt das schon für eine Rolle? Damals haben wir auch ‚nichts getan‘. Mein Vater ging einfach nur vom Schlimmsten aus, als er mich verheult und mit dem Koffer ankommen sah und anhören musste, dass du mich nie wieder sehen wolltest – ganz gegen meinen Wunsch, übrigens. Aber du sahst so schuldig aus!“

Joe lächelte. „Genau wie du.“

„Er konnte ja zu gar keinem anderen Schluss kommen. Und jetzt dies. Ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was wir für ein Bild geboten haben.“

„Du meinst, alle denken nun, dass wir miteinander …“

Emma wurde rot. „Morgen weiß es die ganze Stadt.“

Joe schloss für einen Moment die Augen. „Dann habe ich ein Problem.“ Er holte tief Luft, und Emma wartete. „Ich habe deinem Vater nämlich versprochen, die Finger von dir zu lassen“, sagte er tonlos.

Es überraschte Emma über alle Maßen, dass dieses Versprechen für sie genauso schmerzhaft war wie sein Verhalten damals, vor sieben Jahren. „Na, das hast du ja gut hinbekommen“, meinte sie sarkastisch.

„Emma, du musst mir da raushelfen.“

Sie schob das Kinn vor. „Und warum?“

„Weil es auch um deinen Ruf geht.“

„Der interessiert mich nicht.“ Es war ihr Herz, das zählte. Und das hatte er gebrochen, weil er nur für Eishockey lebte. Es war ihr egal, was aus seiner Karriere wurde, aber sie hatte nicht die Absicht, sich noch einmal von ihm verletzen zu lassen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging, ohne ihm die Chance zu geben, noch etwas zu sagen.

Eine Viertelstunde später kam Emma zurück. Sie hatte wieder das blassrosa Cocktailkleid und die hochhackigen Schuhe an, die sie im Wedding Inn getragen hatte. Auch Joe hatte sich angezogen. Er saß auf dem Sofa vor dem laufenden Fernseher, seine Reisetasche stand neben ihm auf dem Boden. Wenn das überhaupt möglich war, wirkte er noch grimmiger als vorhin.

Er warf Emma einen finsteren Blick zu. „Wir sind in den 11-Uhr-Nachrichten.“

Sie konnte nur hoffen, dass sie sich verhört hatte. „Was?“

„Mein Bruder Cal hat mich gerade angerufen. Der Bericht kommt nach der Werbung.“

Emma ließ sich kraftlos auf die Sofalehne sinken. Sekunden später erschien dieser Reporter von vorhin auf dem Bildschirm. Bilder wurden eingespielt, und Emma hätte sich am liebsten in einem Erdloch verkrochen. Warum hatte sie nur nicht sofort ihre Mutter angerufen und um Rat gefragt? Schließlich war Margaret Donovan Medienexpertin und hätte vielleicht noch das Schlimmste verhindern können. Aber jetzt war es zu spät. Sie schlug die Hände vor den Mund. „O nein!“

Joes Kommentar war weniger fein. Sie verfolgten beide in stummem Entsetzen, wie sie, splitternackt, beim Auftauchen der Polizei die Hände hoben und dann hektisch nach Deckung suchten.

„Es heißt, das sei alles nur ein großes Missverständnis gewesen“, berichtete der Reporter mit sichtlichem Genuss. „Allerdings bleibt zu fragen, was Joe Hart im Haus von Saul Donovan zu suchen hatte. Das interessiert vor allem die Sportfans unter unseren Zuschauern. Bedeutet es, die Gerüchte, dass Joe Hart zu den Carolina Storm zurückkehrt, sind wahr? Oder waren es nicht doch eher romantische Absichten, die ihn in Emma Donovans Arme führten?“

Emmas Gesicht hatte inzwischen eine dunkelrote Färbung angenommen. Dieser Bericht war an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.

„Das ist mein Untergang“, stöhnte sie.

Joe schaltete den Fernseher aus. „Wem sagst du das.“

Sie konnte nur dankbar sein, dass er sie größtenteils mit seinem muskulösen Körper verdeckt hatte. Vorher hatte sie ihn noch nie nackt gesehen und nahm sich fest vor, dieses Erlebnis auch nicht zu wiederholen. Aber sie musste zugeben, dass er mit seinen breiten Schultern, der kräftigen Brust, dem festen Po und den langen Beinen großartig aussah.

„Ich fürchte, sie werden es kaum bei dieser einen Vorführung bewenden lassen“, vermutete Emma tonlos. Sie wagte gar nicht, sich vorzustellen, wie ihre Eltern darauf reagieren würden.

Joe lehnte sich zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. „Das einzig Gute ist, dass heute Freitag ist.“

„Was soll denn daran gut sein?“

Joe seufzte. „Es könnte ja sein, dass die Bilder landesweit ausgestrahlt werden. Am Wochenende sind die meisten Leute unterwegs und sitzen kaum vorm Fernseher.“

„Du glaubst doch nicht im Ernst …“ Emma war mit ihren Kräften am Ende. „Ich meine, es ist doch eigentlich gar nichts passiert.“

Joe verzog das Gesicht, als könnte er so viel Naivität gar nicht glauben. „Sei realistisch, Emma“, empfahl er trocken. „Die Bilder sind bester Nachrichtenstoff.“ Er stand auf, nahm seine Tasche und setzte sich in Bewegung.

Emma folgte ihm zur Tür. „Was sollen wir denn jetzt tun?“, fragte sie verzweifelt.

„Das“, ließ sich eine strenge männliche Stimme vernehmen, „würden wir auch gern wissen.“ Aus der Dunkelheit tauchten zwei bekannte Gestalten auf.

Joe kam die ganze Szene merkwürdig vertraut vor, als er in Saul Donovans grimmiges Gesicht sah, so, als hätte er dasselbe schon einmal erlebt.

„Woher wisst ihr, was passiert ist?“, fragte Emma mit unnatürlich hoher Stimme, und sie sah genauso schuldbewusst aus, wie Joe sich fühlte.

„Die Polizei hat uns angerufen, nachdem du sie verständigt hattest. Natürlich sind wir sofort zurückgefahren.“

„Und dann rief der Sheriff an und sagte, es sei alles ein Missverständnis gewesen“, erklärte Margaret Donovan. „Lief wohl etwas unglücklich.“

Das ist noch sehr milde ausgedrückt, dachte Joe.

„Schließlich hat uns vor ein paar Minuten auch noch der Trainer mitgeteilt, dass diese ganze Geschichte in den Nachrichten breitgetreten wurde!“ Saul Donovan war außer sich.

Joe konnte es ihm nachfühlen.

Jetzt sah Saul ihn böse an. „Nennen Sie das ‚die Finger von meiner Tochter lassen‘?“

Emma griff ein, bevor Joe ein Wort herausbrachte. „Ich hatte keine Ahnung, dass er im Haus war, sondern dachte, er wäre ein Einbrecher.“

„Und ich wusste nicht, dass sie kommt“, schob Joe hastig nach. „Ich war gerade im Schwimmbad und dachte, jemand wäre eingebrochen.“

„Das soll ich allen Ernstes glauben?“, bellte Saul Donovan.

„Ja, Dad“, gab Emma zurück. „Das sollst du.“

Saul wies anklagend auf Joe. „Haben Sie deshalb bei mir unterschrieben? Wegen Emma? Ich schwöre Ihnen, wenn Sie sich einbilden, dass Sie ihr noch einmal wehtun und sie verführen können, dann irren Sie sich ganz gewaltig! Es ist mir völlig egal, wie viel wir Ihnen bezahlen, Sie sitzen die ganze Saison auf der Reservebank, das garantiere ich Ihnen! Oder ich schicke Sie wieder in die zweite Liga zurück.“

„Sie brauchen mich nicht daran zu erinnern, wie Sie mir das Leben sauer machen können, Sir“, erwiderte Joe kühl. „Aber Sie können mir gern glauben, dass ich nicht die geringste Absicht hatte, jemals wieder etwas mit Ihrer Tochter zu tun zu haben.“

In diesem Augenblick fuhr der Trainer vor. Das konnte kein Zufall sein. Saul hatte Thaddeus Lantz herzitiert, davon war Joe überzeugt, und es konnte nichts Gutes bedeuten.

Thad verschränkte die Arme über der Brust und betrachtete Joe schweigend. Mit seinen sechsunddreißig Jahren war er der jüngste Trainer in der ersten Liga und der Schwarm vieler Frauen. „Eine schöne Bescherung“, meinte er schließlich. „Du machst dir lieber ganz schnell Gedanken darüber, wie du das wieder hinkriegen willst.“

3. KAPITEL

Ich soll das wieder hinkriegen? Sehr komisch, dachte Joe, als er zu seiner Schwester fuhr. Wenn ihm jemand aus der Familie helfen konnte, dann sie.

„Ich dachte mir schon, dass du irgendwann auftauchst“, begrüßte Janey Hart Campbell ihn und zog ihn ins Haus. Es war zwar schon eine halbe Stunde nach Mitternacht, aber sie war immer noch bei der Arbeit. Sie besaß eine Bäckerei und Konditorei und lieferte die Hochzeitskuchen für das Wedding Inn ihrer Mutter. Gerade legte sie letzte Hand an eine vierstöckige Torte.

„Ist die für morgen?“, fragte Joe und steckte den Finger in die Schüssel mit der Vanillecreme.

Janey schlug seine Hand weg. „Ja. Hast du schon mit Mom gesprochen?“, wollte sie wissen.

Joe schob die Hände in die Hosentaschen. „Ich dachte, sie schläft sicher schon.“

„Man kann nur hoffen, dass sie die Nachrichten um elf nicht gesehen hat“, meinte Janey und fing an, kleine Verzierungen auf die Torte zu setzen.

Joe seufzte. „Aber du vermutlich.“

„Ja.“ Janey schüttelte den Kopf. „Mac hat mich angerufen.“ Sie presste für einen Moment die Lippen zusammen, und das erinnerte Joe daran, dass seine sieben Jahre ältere Schwester ihr eigenes Päckchen zu tragen hatte. Sie hatte jung geheiratet, noch dazu den falschen Mann. Jetzt war sie seit zwei Jahren Witwe und erzog ihren zwölfjährigen Sohn allein. Aber sie hatte sich wieder ihr eigenes Leben aufgebaut.

„Es lässt sich wohl kaum verhindern, dass Christopher die Geschichte mitbekommt.“

Na wunderbar, dachte Joe sarkastisch. Er war wirklich ein großartiges Vorbild. Wieder seufzte er. „Gute Nachrichten verbreiten sich schnell“, zitierte er.

„Und schlechte noch schneller“, schloss Janey.

„Wissen die anderen es schon?“

„Cal weiß Bescheid. Fletcher war unterwegs – die Stute der Peterson fohlt. Bei Dylan bin ich nicht sicher, weil er selbst eine Sportveranstaltung im Fernsehen kommentiert hat, aber es kann nicht mehr lange dauern.“

Joe lockerte seinen Krawattenknoten. „Ich hoffe, die Aufregung bleibt auf Holly Springs beschränkt.“

„Kaum“, gab Janey trocken zurück. „Wer könnte dem Anblick deines knackigen Allerwertesten schon widerstehen?“

„Sehr komisch.“

„Ehrlich gesagt, komisch fand ich es nicht. Und Mom wird sich auch nicht gerade totlachen. Du könntest es mit dieser Aktion locker in Tiffanys Sendung ‚Bad Boys der Woche‘ schaffen.“

Daran hatte Joe noch gar nicht gedacht, aber seine Schwester hatte recht. Das würde die Sportreporterin sich bestimmt nicht entgehen lassen.

„Es sei denn, du kannst Tiffany mit deinem Charme betören.“

Das war wenig wahrscheinlich. „Es lohnt gar nicht erst den Versuch.“ Er stibitzte sich noch einen Finger voll Vanillecreme. „Die Leute beruhigen sich schon wieder.“

„Hoffentlich.“ Janey sah ihren Bruder vorwurfsvoll an. „Ich darf gar nicht daran denken, wie Christopher darauf reagiert.“

„Er wird es überleben. Meine Sachen kommen erst am Montag oder Dienstag. Könntest du mir in der Zwischenzeit vielleicht einen Schlafsack und einen Rucksack leihen? Ich muss weg von hier.“

„Joe, du kannst nicht davonlaufen und Emma die Suppe allein auslöffeln lassen.“

„Der Trainer besteht darauf.“ Außerdem brauchte er Zeit zum Nachdenken. Denn noch hatte er nicht die geringste Vorstellung davon, was er am Montag auf der Pressekonferenz sagen sollte.

„Sie werden verstehen, dass wir die Hochzeit unserer Tochter nicht jemandem von so zweifelhaftem Ruf anvertrauen wollen“, erklärte Gigi Snow am Montagmorgen in Emmas Büro.

Emma hatte im Grunde nichts anderes erwartet. Aber Vertrag war Vertrag. „Und Sie verstehen sicher, dass ich das so nicht akzeptieren kann“, gab sie liebenswürdig zurück. „Immerhin sind wir mit unseren Vorbereitungen schon sehr weit.“

„Nach wie vor wollen wir im Wedding Inn heiraten“, gab Gigi Snow zurück und strich sich mit der weiß behandschuhten Hand über die kurzen pechschwarzen Haare. „Wir wollen nur Sie nicht dabeihaben.“

„Natürlich kann ich einen Ersatz finden, allerdings kostet Sie das die doppelte Gebühr.“

Gigis Tochter schien der Auftritt ihrer Mutter sehr peinlich zu sein, ebenso ihrem Vater. Und der Bräutigam wirkte regelrecht entsetzt.

„Aber das sind ja …“ Die Stimme versagte ihm.

„Mindestens fünfundzwanzigtausend Dollar zusätzlich“, teilte Emma ihren Besuchern freundlich mit. Sie selbst berechnete zehn Prozent der Hochzeitskosten, und die lagen mittlerweile bei einer Viertelmillion, Tendenz nach oben.

Der Bräutigam fing an zu schwitzen und fuhr sich mit dem Finger zwischen Hals und Hemdkragen. „Ich glaube, wir sollten noch einmal über die ganze Sache nachdenken.“ Er sah Emma hilflos, fast flehentlich an. „Miss Hart hat hervorragende Arbeit geleistet, und …“

„Willst du damit sagen, dass dir das Glück und der Ruf unserer einzigen Tochter nicht deinen Anteil von zwölfeinhalbtausend Dollar wert sind?“, fragte Gigi Snow ihren zukünftigen Schwiegersohn. Ihre Stimme klang eisig.

„Doch, natürlich.“ Benjamin Posen war dunkelrot geworden.

„Gut. Dann wäre das geregelt. Ich erwarte also Ihren Vorschlag bezüglich der Ersatzperson …“ Gigi sah auf ihre Uhr. „… bis 12 Uhr heute Mittag. Wenn Sie uns jetzt entschuldigen. Wir haben noch einen Termin bei unserem Schneider in New York.“

Damit gingen die Snows. Der Letzte in der Reihe war der unglückliche Bräutigam.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, als Helen Hart in Emmas Büro kam. „Dein Vater ist am Telefon, Emma.“

„Danke.“ Emma nahm den Hörer ab.

„Um zehn Uhr findet eine Pressekonferenz im Stadion statt“, verkündete Saul Donovan ohne Einleitung.

Emma wünschte, sie könnte sich verkriechen und erst wieder aus ihrem Versteck kommen, wenn Gras über die Sache gewachsen war. „Und was hat das mit mir zu tun?“

„Nichts. Deshalb will ich, dass du dich da raushältst.“

„Worum geht es denn bei dieser Pressekonferenz?“, erkundigte sie sich gespielt beiläufig.

„Um Joe Hart natürlich.“

Allein der Name ließ Emmas Puls schneller schlagen. Er hatte nackt wirklich unglaublich sexy ausgesehen … Sie räusperte sich. „Wie geht es ihm?“

„Genau diese Frage möchte ich nicht von dir hören, Emma!“

Sie setzte sich darüber hinweg. „Haben sie ihm genauso zugesetzt wie mir?“

Seit Samstagmorgen war die Presse hinter ihr her, und schließlich hatte der Sheriff ihr sogar Polizeischutz zukommen lassen. Wie das Pech es wollte, ereignete sich an diesem Wochenende wenig Interessantes in der Welt, sodass der Vorfall bis ins letzte Detail ausgeschlachtet wurde. Inzwischen gab es vermutlich niemanden mehr in Amerika, der die Bilder nicht gesehen hatte.

Ihren Eltern war die Sache natürlich unendlich peinlich, genau wie ihr. Es schien, als bedeutete Joe Hart immer nur Ärger. Aber dieses Mal hatte Emma Mitleid mit ihm. Er trug so wenig Schuld wie sie. Sie würden die Sache gemeinsam durchstehen müssen.

„Das ist Joes Problem“, erklärte ihr Vater jetzt kühl, als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Er muss damit fertig werden.“

Emma wusste, dass er alles andere als gut auf Joe zu sprechen war, und hatte volles Verständnis dafür. Joe hatte sie wirklich erbärmlich behandelt, als er herausgefunden hatte, dass sie die Tochter seines neuen Bosses war. Aber jetzt lag die Sache anders.

Sie verabschiedete sich von ihrem Vater, sagte Helen, wo sie zu finden war, steckte ihr Handy ein und fuhr zum Eishockeystadion nach Raleigh. Dort war sie bekannt, und man ließ sie durch den Hintereingang ein. Sie überprüfte ihre Erscheinung im Spiegel, zog die Lippen nach und machte sich zum Konferenzraum auf.

Joe war schon da. Er trug eine Jeans, die seine untere Körperhälfte aufs vorteilhafteste betonte, und ein Polohemd, unter dem seine Muskeln zur Geltung kamen. Wie kann ein Mann nur so erotisch aussehen? dachte Emma. Und wieder einmal stellte sie fest, dass sie sich immer, wenn Joe in ihrer Nähe war, irgendwie lebendiger fühlte – und zu allem bereit. Sie wandte den Blick ab und sah sich um. Ein Glück, dass ihre Mutter mit ihren ständigen Versuchen, sie vor „Kummer“ zu bewahren, nicht da war.

Joe unterhielt sich gerade mit seinem Agenten und einem PR-Mann der Mannschaft. Als er Emma entdeckte, unterbrach er das Gespräch. Sie sahen sich einen atemberaubenden Augenblick lang an, dann bahnte er sich einen Weg durch all die Fernsehteams und Zeitungsreporter und kam auf sie zu.

Offenbar hatte er sich seit ihrem letzten Zusammentreffen nicht mehr rasiert. Sie wusste nicht, wie sie das deuten sollte. Wollte er sich einen Bart wachsen lassen? Oder damit seine Einstellung zu der heutigen Veranstaltung ausdrücken? Wollte er einfach nur „männlicher“ wirken?

Davon abgesehen, sah er makellos aus. Und er roch auch gut, als wäre er gerade aus der Dusche gekommen. „Was suchst du denn hier?“, fuhr er sie unfreundlich an.

Emma lächelte ihn an, als wären sie alte Freunde und nicht Gegner. „Ich wollte sehen, wie die Pressekonferenz läuft.“ Sie sah sich um und stellte fest, dass sie Aufmerksamkeit zu erregen begannen.

Joe nahm sie am Ellbogen und führte sie in eine Ecke. „Dir ist doch klar, dass sie sich wie die Geier auf dich stürzen werden.“

Emma sah mit einem strahlenden Lächeln zu ihm auf. „Ich weiß. Aber dann habe ich es hinter mir.“

Joe runzelte die Stirn. „Hier geht es nicht um uns, sondern um die Mannschaft“, erinnerte er sie.

Trotzdem. Emma sah ihm in die Augen. Sie waren sich so nah, dass sie sein Rasierwasser riechen konnte. „Oder willst du zwei Pressekonferenzen geben?“

„Um Himmels willen, nein“, gab er entsetzt zurück.

Emma holte tief Luft und beugte sich vor. „Dann hör zu. Ich habe einen Plan …“

Gerade als sie mit ihren Erklärungen fertig geworden war, kamen ihr Vater und in seinem Gefolge Thad Lantz herein. Saul Donovans Blick verhieß nichts Gutes, als er Emma an Joes Seite entdeckte.

Emma trat ans Mikrofon. „Eigentlich hätte es eine Überraschung werden sollen, aber leider …“ Sie setzte ein Lächeln auf und schüttelte den Kopf. „Sie wissen natürlich alle über diesen etwas unglücklichen Vorfall im Haus meines Vaters Bescheid …“

Die vorwiegend männlichen Berichterstatter beugten sich erwartungsvoll vor. Kameras begannen zu surren, Rekorder klickten. „Wie Ihnen bekannt ist, gab es in letzter Zeit in unserer Gegend etliche Einbrüche, und das sorgt natürlich für Nervosität. Ich wollte am Freitagabend im Haus meiner Eltern übernachten, weil es spät geworden war. Natürlich wusste ich, dass sie nicht da waren, aber ich hatte keine Ahnung, dass sie Mr. Hart eingeladen hatten.“ Emma machte eine kleine Pause, als vereinzelt Gelächter erklang. „Und Mr. Hart wusste genauso wenig von mir. Die meisten von Ihnen kennen das Haus ja und wissen, wie groß und weitläufig es ist. Wie auch immer, als ich merkte, dass ich nicht alleine dort war, bekam ich es mit der Angst zu tun und rief die Polizei. Dann machte ich mich auf die Suche nach dem Einbrecher. Mr. Hart kam gerade aus dem Schwimmbad und hielt seinerseits mich für eine Einbrecherin. Hätte die Polizei – und vor allem unser unnachahmliches Fernsehteam – nicht so schnell reagiert, hätte niemand etwas von diesem Missverständnis erfahren. Aber es ist nun einmal passiert.“ Emma zwinkerte Joe zu. „Wenn ich je wieder ungeplant bei meinen Eltern übernachten will, rufe ich vorher an!“

Mut hat sie, dachte Joe anerkennend. Und sie war aufregend erwachsen geworden. Das unsichere Mädchen von damals hatte sich in eine selbstbewusste Frau verwandelt, die wusste, was sie wollte.

Der Vereinsvorstand gab eine kurze Einführung zu Joes Verpflichtung und rief ihn dann selbst zum Mikrofon. Es war Zeit, sich endlich wieder mit dem Thema zu beschäftigen, das der Grund für diese Veranstaltung war: sein Eintritt in die Mannschaft. Andererseits, wenn man Saul Donovan ansah, war Joe sich nicht mehr so sicher, ob er hier überhaupt eine Zukunft hatte.

Man stellte ihm Fragen zu seinem Dreijahresvertrag, zu den zweieinhalb Millionen Dollar, die er im Jahr verdienen würde, und zu anderen Einzelheiten. Der Fernsehreporter, der diese ganze Aufregung zu verantworten hatte, meldete sich zu Wort.

„Haben Sie zu dem Vorfall am Freitagabend noch etwas hinzuzufügen?“

Joe schüttelte den Kopf. „Miss Donovan hat schon alles gesagt, was darüber zu sagen ist. Vielleicht eines noch: Ich hoffe, dass ich in Zukunft durch meine sportlichen Leistungen ein Thema für die Nachrichten bin.“

In den nächsten zwanzig Minuten beantwortete Joe geduldig Fragen über seinen Spielstil und das Gefühl, nach einer Abwesenheit von so vielen Jahren wieder zu Hause in North Carolina zu sein.

Dann erhob sich Tiffany Lamour, die berühmte Sportjournalistin, die mit ihren Interviews schon mehr als eine Karriere aufgebaut oder zerstört hatte. Ihr Blick verhieß nichts Gutes. „Wo werden Sie leben, Joe?“, erkundigte sie sich mit einem Lächeln, das sofort Joes Argwohn weckte. „In Raleigh, in der Nähe des Stadions, oder in Holly Springs, bei Ihrer neuen Familie?“

Bei seiner neuen Familie? Wovon, zum Teufel, redete sie da? „Darf ich fragen, was Sie mit ‚neu‘ meinen?“, fragte Joe vorsichtig. Er hatte plötzlich das Gefühl, als würde er den Löwen zum Fraße vorgeworfen. „Soviel mir bekannt ist, habe ich keine neuen Geschwister bekommen.“ Er lachte, aber Tiffany Lamours triumphierender Blick entging ihm nicht. „Und von neuen Nichten oder Neffen ist mir auch nichts bekannt.“

„Und wie sieht es mit neuen Ehefrauen aus?“

Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.

Joe bemühte sich um eine ausdruckslose Miene. „Miss Lamour, Sie wissen, dass ich nicht verheiratet bin.“

„Ganz im Gegenteil.“ Tiffany Lamour hielt ein Schriftstück in die Höhe. „Das hier ist eine Heiratsurkunde. Und zwar Ihre.“

Joe sah sie fassungslos an. Wie hatte sie das nur herausgefunden? Er räusperte sich. „Eine Jugendsünde.“

Tiffany Lamour kam näher. „Ach ja? Sie sind doch noch verheiratet. Habe ich recht?“ Joe stieß eine stumme Verwünschung aus. „Vielleicht finden Sie Ihre Frau ja immer noch so unwiderstehlich wie vor sieben Jahren. Jedenfalls sah es am Freitag ganz danach aus.“

Joes Herz begann wie rasend zu schlagen.

„Was wollen Sie damit sagen, Miss Lamour?“, erkundigte Saul Donovan sich mit donnernder Stimme.

Tiffany schenkte ihm ein süffisantes Lächeln. „Ich würde gern von Ihnen wissen, wie Sie zu Ihrem Schwiegersohn stehen, Mr. Donovan.“

Im Konferenzraum brach die Hölle los.

Emma sah den Schock und die Wut im Gesicht ihres Vaters und wusste, dass sie etwas unternehmen musste. Sie kam nach vorne und sah Tiffany Lamour kalt an. „Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen haben …“

„Aus dem Heiratsregister von Nooseneck, Rhode Island. Das ist ungefähr eine halbe Stunde von Providence entfernt. Sie haben dort studiert, und Joe hat für die Eishockeymannschaft von Providence gespielt.“ Tiffany schenkte Joe und Emma ein strahlendes Lächeln. „Dort haben Sie sich wahrscheinlich kennengelernt.“

Emma schob die Erinnerung entschlossen beiseite. Wie verliebt sie damals gewesen war! Sie hatte gedacht, diese Liebe wäre stark genug, um ein Leben lang zu halten. Das war mehr als naiv gewesen, wie sich herausgestellt hatte.

„Neunzehn Jahre waren Sie damals“, fuhr Tiffany genüsslich fort. „Gerade alt genug zum Heiraten.“

Joe legte den Arm um Emmas Taille und zog sie an sich. Dann beugte er sich zu ihr. „Ich fürchte, wir sind aufgeflogen, Liebes“, murmelte er so laut, dass man es gerade noch hören konnte.

Die Reporter begannen zu lachen, und Saul Donovan sah aus, als würde er sich am liebsten auf Joe stürzen. Thad Lantz schüttelte nur ungläubig den Kopf.

„Nachdem unser Geheimnis jetzt gelüftet ist …“, Joe drückte Emmas Hand, „… wäre ich gern eine Weile mit meiner Frau allein.“

Man machte ihnen bereitwillig Platz, als sie den Konferenzraum verließen.

„Weißt du, wie man hier ungesehen rauskommt?“, murmelte Joe.

Emma nickte und zog ihn hinter sich her.

„Wo fahren wir hin?“, fragte Emma, als sie kurz darauf neben Joe im Auto saß.

„Zu meinem Anwalt. Ich habe das Gefühl, den brauchen wir jetzt.“

Emma kannte Ross Dempsey gut. Er vertrat eine ganze Reihe der Eishockeyspieler und war schon mehrmals bei ihren Eltern zu Gast gewesen. Und er wusste, wie man mit der Presse umging.

„Warum ist diese Tiffany Lamour eigentlich so versessen darauf, uns fertigzumachen?“, stöhnte sie, als sie vom Parkplatz in die Hauptstraße einbogen.

Joe hob die Schultern, ohne sie anzusehen. „Das ist eine lange Geschichte.“

„Wir haben Zeit.“ Herausfordernd musterte sie ihn, doch er presste die Lippen zusammen und schwieg. „Nachdem ich in ihre Schusslinie geraten bin, habe ich ein Recht zu erfahren, was da vorgefallen ist“, erklärte Emma.

Joe seufzte und umfasste das Lenkrad fester. „Was weißt du über Tiffany?“, begann er.

„Eigentlich nichts. Nur dass sie diese Sportsendung im Fernsehen hat.“ Emma hatte ein ziemlich sicheres Gefühl, wer darin als Nächstes vorkommen würde.

„Der Sender gehört ihrem Vater.“

„Ja, und?“

„Nichts und. Aber deswegen kann sie machen, was sie will, ohne Angst zu haben, dass sie gefeuert wird.“

Das klang wenig ermutigend. Trotzdem blieb die Frage, warum Tiffany so bösartig war.

„Hattest du etwas mit ihr?“, fragte Emma. Und wenn, was ging es sie an?

„Nein. Genau das“, erklärte Joe trocken, „ist das Problem.“ Er bog ins Parkhaus ein.

„Wieso das denn?“

„Weil Tiffany mit Vorliebe mit den Männern schläft, die sie interviewt.“

„Warst du denn schon einmal in ihrer Sendung?“

„Nein.“ Er hatte einen Parkplatz gefunden und machte den Motor aus. „Und ich habe es auch nicht vor.“

„Weil du Angst hast, sie könnte dich belästigen?“ Emma stieg aus.

„Nein. Aber weil sie mich fertigmacht, wenn ich mich nicht ‚belästigen‘ lasse.“

Ein kleiner Schauer durchlief Emma, und Joe legte schützend den Arm um sie. „Das meinst du ernst, oder?“

„Todernst“, gab Joe zurück und drückte auf den Liftknopf.

Die Türen glitten auf, und Emma trat in die Kabine. „Macht sie das immer so?“

Joe folgte ihr. „Ja.“

Emma konnte es nicht glauben. „Und niemand hindert sie daran?“

„Na ja, kein Mann würde zugeben, dass er sich nicht gegen eine Frau wehren kann. Außerdem: Wie willst du beweisen, dass sie dich genötigt hat? Tiffany macht das sehr geschickt.“

„Und niemand unternimmt etwas dagegen?“

„Eine Frau im Sender hat es einmal versucht. Sie wurde sofort entlassen und ist beruflich ruiniert. Tiffany hat den Spieß umgedreht und behauptet, die hätte selbst mit einem Interviewpartner geschlafen.“

„Stimmte das?“

Joes Blick war grimmig. „Sie war mit ihm liiert.“

„Aber dann war doch alles in Ordnung.“

„Leider nicht. Die Frau wurde trotzdem entlassen, weil ihr Daddy keinen Fernsehsender besaß.“

Nun versuchte Tiffany Lamour, Joe in ihr Bett zu ziehen. Aber als Emma Joe ansah, wusste sie, dass es ihr nicht gelingen würde.

Joe erklärte Ross Dempsey, was passiert war.

„Das heißt, Sie streiten diese Hochzeit nicht ab?“

Joe und Emma schüttelten den Kopf.

„Gab es eine Scheidung? Wurde die Ehe annulliert? Wie lange waren Sie verheiratet?“

Emma und Joe tauschten einen Blick. „Eine halbe Stunde.“

Der Anwalt schwieg einen Moment. „Und dann?“

„Dann wurde die Ehe für ungültig erklärt.“

„Offenbar nicht. Wenn Sie mich ein paar Minuten entschuldigen, ich muss ein paar Erkundigungen einziehen.“

„Mist“, fluchte Emma, nachdem die Tür hinter dem Anwalt zugefallen war.

„Das kann man laut sagen.“ Joe stand am Fenster, die Hände in den Hosentaschen. Er hatte jahrelang nicht mehr an diese Episode in seinem Leben gedacht – oder es zumindest versucht –, doch nun war ihm auf einmal, als wäre das alles erst gestern gewesen.

Ross Dempsey kam nach ein paar Minuten zurück. „Die Ehe ist immer noch als gültig registriert.“

„Und jetzt?“

„Das kommt unter anderem darauf an, ob die Ehe je vollzogen wurde.“

Emmas Wangen färbten sich rosa. „Nein. Wir haben uns sofort danach gestritten. Joe ging zurück und hat dem Friedensrichter gesagt, dass er die Papiere zerreißen soll.“

„Und später?“

„Auch nicht. Wir haben uns am Freitag zum ersten Mal seitdem wiedergesehen.“

„Sie glauben uns offenbar nicht“, meinte Emma.

„Doch, aber da bin ich vielleicht der Einzige. Ehrlich gesagt, Carolina Storm hat moralisch einen lupenreinen Ruf. Und dass Joe nackt mit einer Frau, die nicht seine eigene ist, im Haus Ihres Vaters erwischt wurde, ist diesem Ruf mehr als abträglich. Andererseits, wenn Sie sieben Jahre lang heimlich verheiratet gewesen wären …“

Emma drehte sich zu Joe um. „Aber das ist nicht wahr“, protestierte sie.

„Das spielt keine Rolle. Ich will Ihnen nichts vormachen, Joe. Sauls Beschützerinstinkt gegenüber seiner Tochter ist legendär.“

„Wem sagen Sie das? Damals hat er mich zur Strafe in die zweite Liga gesteckt. Mein Transferpreis fiel ins Bodenlose.“

„Ich erinnere mich“, sagte Ross Dempsey trocken. „Alle fragten sich, was Sie Saul Donovan wohl angetan hätten.“

„Jetzt wissen Sie es.“

Emma sah Joe unglücklich an. „Davon hatte ich keine Ahnung. Mein Vater hat nie mit mir darüber gesprochen. Er hat mich nicht einmal gefragt, was in dieser Nacht passiert ist, sondern hat mir nur verboten, dich jemals wiederzusehen.“

„Aber du wusstest, dass ich in die zweite Liga abgeschoben wurde.“

Sie machte einen schuldbewussten Eindruck. „Ich habe mir eingeredet, dass das nichts mit mir zu tun hat. Ich meine, so etwas passiert doch öfter. Und ich habe mich auch nicht mehr darum gekümmert. Seit damals habe ich mich kaum noch mit Eishockey beschäftigt.“

Das konnte Joe sich vorstellen. Er hatte auch versucht, so zu tun, als hätte es ihre Romanze und diese kurze Ehe nie gegeben.

„Und jetzt?“, wiederholte er.

„Irgendwie müssen Sie versuchen, in der Öffentlichkeit ein glaubhaftes Bild abzugeben.“

„Das ist völlig unmöglich“, erklärte Emma.

Joe hatte noch nie beim ersten Hindernis aufgegeben – außer vielleicht in der Beziehung zu Emma. Er sah „seine Frau“ an.

„Ich habe da eine Idee … Kann ich irgendwo unter vier Augen mit Emma sprechen?“

Emma war nicht sicher, ob sie das wollte. Doch ihre Meinung schien in dieser Angelegenheit ohnehin nicht gefragt zu sein.

„Ja, natürlich.“ Ross Dempsey führte sie in einen kleinen fensterlosen Raum, der bis auf einen Tisch und ein paar Stühle leer war.

Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Du siehst so aus, als hättest du eine Idee.“

Joe nickte. „Die Frage ist nur: Wollen wir weiter auf Verteidigung spielen oder in die Offensive gehen?“

Emma wurde von einer düsteren Vorahnung erfasst. Strategien waren noch nie ihre Sache gewesen, sie handelte meistens nach ihrem Gefühl. „Das klingt, als planten wir ein Hockeyspiel.“

„Wenn man etwas erreichen will, muss man angreifen.“

Emmas Vorahnung verdichtete sich zur Gewissheit. Das Glitzern in Joes Augen gefiel ihr ganz und gar nicht.

Joe rieb sich das Kinn. „Ich setze auf Überraschungsangriff. Wir müssen genau das tun, was unser Gegner nicht von uns erwartet.“

Sie zwang sich, den Blick von seinem Mund abzuwenden. „Und zwar?“

Joe hob die Schultern. „Wir bleiben verheiratet.“ Dem Funkeln seiner Augen nach zu urteilen, schien ihn das zu amüsieren.

Emma hätte sich fast verschluckt. „Ich finde das nicht besonders komisch, Joe.“

„Ich auch nicht“, gab er zurück.

Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. „D…du meinst das ernst“, stammelte sie schließlich.

Er nickte. „Wir können natürlich weiter abstreiten, dass da etwas zwischen uns ist, aber da mittlerweile jeder weiß, dass wir mit neunzehn durchgebrannt sind …“

„… wird uns niemand glauben“, vollendete Emma den Satz.

„Genau. Und deshalb können wir uns das Theater sparen. Wir spielen mit, und nach ein paar Tagen ist das Thema gegessen.“

Wenn es nur so einfach wäre, dachte Emma. „Aber wir werden noch verheiratet sein.“

„Das sind wir jetzt auch.“

Sie stand auf und kam zu ihm. „Das wussten wir bis heute nicht.“

„Trotzdem stimmt es. Es geht um Fakten, nicht darum, wie wir es gern hätten. Oder hast du eine bessere Strategie?“

Strategie, Strategie, dachte Emma. Das klang so einfach, aber das war es ganz und gar nicht! „Dies ist kein Spiel“, entgegnete sie finster. Es ging um ihr Leben!

Joe schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. „Ganz im Gegenteil“, gab er zurück. „Für Leute wie Tiffany Lamour ist es ein Spiel, und zwar eines, bei dem es um viel geht. Und ich habe nicht die geringste Absicht, sie gewinnen zu lassen.“

Emma schüttelte den Kopf. „Dabei ist es dir egal, wie viele Leute auf der Strecke bleiben?“ Sie stand auf. Soweit es sie betraf, war die Unterredung zu Ende.

Joe umfasste ihre Handgelenke und drückte sie auf ihren Stuhl zurück. „Lass es uns noch einmal in Ruhe durchgehen. Und vergiss dabei nicht, wessen Schuld das alles war. Wenn du mir damals erzählt hättest, wer dein Vater ist und wie er dazu steht, wenn du dich mit einem Spieler einlässt, wäre das nie passiert! Ich wäre nicht einmal mit dir ausgegangen und hätte dich ganz bestimmt nicht geheiratet. Dann hättest du weiter das brave Mädchen bleiben können, und mein Ruf wäre nicht in der ganzen Liga ruiniert gewesen. Ich musste noch einmal ganz von vorne anfangen.“ Er ließ sie los und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Du schuldest mir also einiges.“

Selbst wenn sie gewollt hätte, sie konnte nichts dagegensetzen. Wenn sie ehrlich zu ihm gewesen wäre, hätte sie sich und ihm viel Schmerz erspart. Aber das hatte nichts mit der jetzigen Situation zu tun. „Mein Vater macht da nie mit“, gab sie heftig zurück.

Joe stand auf, legte ihr die Hände auf die Schultern und beugte sich zu ihr hinab, bis ihre Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. Sie spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging, spürte seine Stärke. „Dann müssen wir ihn eben dazu bringen. Sonst kann ich nicht in der Mannschaft bleiben.“ Abrupt richtete er sich auf und bewegte sich von ihr fort.

Emma fühlte sich plötzlich wie beraubt.

„Außerdem“, fuhr Joe nach einer kleinen Pause fort, „sind wir beide im Moment nicht liiert.“

Gegen ihren Willen registrierte sie diese Aussage erfreut. „Woher willst du das wissen?“, entgegnete sie, ein wenig gekränkt durch seine Überzeugung, dass sie keinen Partner hatte.

„Weil dein Freund sonst schon längst aufgetaucht wäre und mich niedergeschlagen hätte“, erklärte Joe. „Außerdem hat Janey mir erzählt, dass du nie öfter als einmal mit einem Mann ausgehst.“

Emma konnte es nicht leugnen. Aber das hatte nichts damit zu tun, dass sie sich nicht für andere Männer interessierte. Schließlich war sie längst über Joe hinweg, und es war einfach nur Pech, dass sie in den vergangenen sieben Jahren niemanden gefunden hatte, mit dem sie zusammen sein wollte. Entweder stimmte die Chemie zwischen ihnen nicht, oder sie hatten völlig verschiedene Vorstellungen vom Leben. Oder der Mann hatte einfach keinen Humor oder wollte sie nur im Bett haben. Irgendetwas störte sie immer. Doch das lag nicht daran, dass sie bei jedem Kuss Joe vor sich sah.

„In meinem Leben gibt es sowieso nur eine Liebe“, fuhr Joe fort. „Eishockey.“

„Dagegen ist natürlich jede Frau machtlos“, erwiderte Emma sarkastisch.

„Richtig.“

Sie lächelte. Vielleicht war die Situation doch nicht so gefährlich, wie sie befürchtet hatte. Wenn Joe wirklich nicht an ihr interessiert war, brauchte sie auch keine Angst davor zu haben, sich wieder in ihn zu verlieben. Das würde schon seine Arroganz verhindern.

Joe kam näher. „Ich rede von einem Jahr, Emma.“ Er nahm ihre Hände. „Vielleicht auch zwei Jahre. Wir bleiben nur so lange verheiratet, bis der Skandal vergessen ist und ich meinen Platz in der Mannschaft sicher habe. In der Zeit müssen wir deinen Vater so weit bringen, dass er nicht wieder versucht, mich zu vernichten.“

„Mein Vater würde sehr viel von dir verlangen, wenn du mein Mann wärst“, warnte sie ihn.

„Ja, ich weiß.“ Joe verstärkte den Druck seiner Hände. „Und ich würde ihn – und dich – nicht enttäuschen. Komm schon, Emma. Wir waren doch einmal Freunde – mehr als das.“

Sie hatten sich geliebt oder es sich zumindest eingebildet.

„Wir schaffen das“, beteuerte er.

Was? „Zusammenleben?“, gab sie heiser zurück. Als Mann und Frau?

„Damals waren wir noch sehr jung, aber körperlich hatten wir nie ein Problem. Das weißt du.“ Seine Küsse hatten ihr Innerstes nach außen gekehrt. „Außerdem ist es ja nicht so, dass du noch Jungfrau wärst.“

Da irrte er sich zwar, aber das ging ihn nichts an.

„Wir sind sieben Jahre älter und erfahrener“, fuhr er fort. „Wir könnten befreundet sein oder eine Affäre haben. Und wenn wir zufällig auch noch verheiratet sind, umso besser.“

Joe scheiterte nicht gern. Nicht auf dem Eis und auch nicht im Leben. Hatte er unter dem abrupten Ende ihrer Beziehung ebenso gelitten wie sie? War ihre unvollendete Liebe die Wurzel dieses verrückten Vorschlags? Wollte er ihre Beziehung sozusagen formal beenden, damit er sich weiterentwickeln konnte? Und würde das Emma vielleicht auch helfen? Schließlich waren sie beide erwachsen, und Erwachsene schliefen aus allen möglichen Gründen miteinander …

„Das mit dem Sex weiß ich nicht“, sagte Emma. „Aber wenn …“ Sie sah ihn herausfordernd an. „Dann zu meinen Bedingungen.“

Es war eine absurde Situation, so, als handelten sie irgendeinen seriösen Geschäftsabschluss aus. Joe machte einen Gegenvorschlag.

„Einverstanden – unter der Voraussetzung, dass wir beide keine anderen Partner haben, solange diese Ehe dauert.“

Was für ein aufregender Gedanke. Joe sollte ihr ganz allein gehören! Aber solche Überlegungen durfte sie gar nicht erst anstellen, wenn sie nicht noch einmal riskieren wollte, dass er ihr das Herz brach.

4. KAPITEL

Sechs Stunden später warteten Emma und Joe in Emmas Wohnung in Raleigh auf ihre Gäste. Emma trug ein schmal geschnittenes cremefarbenes Seidenkleid mit passendem Jäckchen, Joe einen anthrazitgrauen Anzug. Wie sie feststellte, hatte er sich noch immer nicht rasiert.

Er fing ihren Blick auf und zwinkerte ihr zu. „Stört dich das?“

„Nein“, behauptete sie. Ihre Mütter würden sicher nicht sehr glücklich über diesen Stoppelbart sein, aber vermutlich wollte Joe damit gegen irgendetwas rebellieren.

Ihrerseits trug sie weder etwas Geborgtes noch etwas Blaues, nichts Altes und auch nichts Neues. Nicht, dass sie abergläubisch war! Aber sicher war sicher.

Ihre Eltern waren die ersten Gäste, gefolgt von Joes Eltern und, etwas später, Ross Dempsey und Thad Lantz.

Saul Donovan sah sich in dem blumengeschmückten Zimmer um. „Was ist hier los, Emma?“, wollte er wissen.

Emma nahm Joes Hand. „Joe und ich wollen unser Ehegelübde erneuern.“

Es war auf einmal so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.

„Beim letzten Mal war niemand von euch dabei, und deshalb wollen wir die Zeremonie wiederholen. Der Fotograf und der Priester müssten in fünfzehn Minuten hier sein.“ Damit blieb ihnen zwar genügend Zeit, ihre Gäste in ihren Plan einzuweihen – aber um über dessen Klugheit zu diskutieren, reichte die Zeit nicht.

Saul zog die Augenbrauen Unheil verkündend zusammen, und er sah Joe böse an. „Haben Sie sich das ausgedacht?“ Er bedachte Joes Bartstoppeln mit deutlicher Missbilligung.

Aber Joe ließ sich nicht einschüchtern. „Sir“, begann er und legte den Arm um Emmas Taille. „Der Ruf Ihrer Tochter hat durch diesen Vorfall gelitten, und es ist für mich Ehrensache, zu ihr zu stehen. Außerdem bringen wir die Leute so am schnellsten zum Schweigen.“

Helen Hart betrachtete ihren Sohn und seine Braut lange. „Aber ihr liebt euch nicht, Joe“, wandte sie dann ein.

Genau, dachte Emma. Laut sagte sie: „Wir haben uns einmal geliebt, vor vielen Jahren. Und wenn ich Joe nicht verschwiegen hätte, wer ich bin, dann wären wir vielleicht immer noch zusammen. Wir wollen einen neuen Versuch machen.“

„Und wenn es nicht klappt?“, wollte Margaret Donovan wissen.

Emma hob die Schultern. Sie und Joe hatten sich fest vorgenommen, sich von niemandem beirren zu lassen. „Dann wissen wir wenigstens, dass es nicht gut gegangen wäre, und sind frei.“

Niemand sagte etwas. Das hieß nicht, dass Saul Donovan den Plan guthieß.

„Emma, ich möchte mit dir reden“, knurrte er. „Unter vier Augen.“ Damit führte er seine Tochter ins Schlafzimmer.

„Ich weiß, was du sagen willst …“

Saul ließ sich nicht beeindrucken. „Du hast keine Ahnung, was es bedeutet, mit einem Eishockeyspieler verheiratet zu sein.“

Emma blinzelte. „Wirklich, Dad!“

„Du bist sehr behütet aufgewachsen, Schatz, und daran gewöhnt, dass du immer alles bekommst, was du willst.“

Das wusste sie selbst. Aber als Kind und junges Mädchen hatte sie sich oft gewünscht, ihre Eltern hätten weniger Geld und stattdessen mehr Zeit für sie gehabt. Sie hätte nicht das teuerste Internat, die beste Universität gebraucht. „Und wessen Schuld ist das?“, entgegnete sie.

„Darum geht es nicht. Als Frau eines Eishockeyspielers wirst du selbst im Scheinwerferlicht stehen, während dein Mann öffentlich gefeiert wird und ständig unterwegs ist. Frauen werden ihn verfolgen, er wird sich verletzen, seine Karriere kann von einem auf den anderen Tag zu Ende sein, dein ganzes Leben wird auf den Kopf gestellt.“

„Das ist ja ein rabenschwarzes Bild, das Sie da malen“, bemerkte Joe von der Tür her.

„Es entspricht der Wirklichkeit“, gab Saul Donovan grimmig zurück, und Emma seufzte.

Joe trat neben Emma. „Sie hatten wahrscheinlich gehofft, ich würde das Handtuch werfen und mich aus dem Staub machen. Das wäre dann so eine Art Schuldeingeständnis gewesen.“

„Offenbar sind Sie doch nicht ganz so dumm, wie ich dachte“, bemerkte Saul Donovan. „Obwohl Sie schon mehr Dankbarkeit an den Tag legen könnten.“

„Und wofür?“, wollte Emma wissen.

„Dafür, dass ich ihm trotz allem eine zweite Chance gegeben habe. Außerdem dachte ich – irrtümlich, wie ich jetzt sehe –, er wäre reif genug, um mit der Situation umgehen zu können und dich und sich selbst nicht sofort wieder in Schwierigkeiten zu bringen.“

„Quatsch“, kommentierte Emma. „Tu nicht so edel. Du wolltest ihn, weil er der beste Rechtsaußen ist, der zurzeit zu haben ist.“

„Wir haben klar und deutlich vereinbart, er werde sich von dir fernhalten, Emma.“

„Dad, es war einfach nur ein unglücklicher Zufall, dass wir uns in deinem Haus über den Weg gelaufen sind.“

„Entscheiden Sie sich, Sir“, mischte Joe sich ein. „Entweder Sie spielen mit, oder Sie gehen. Aber wenn Sie gehen, dann bitte, bevor die Presse und der Priester kommen.“

Zu Emmas Erleichterung blieb ihr Vater. Zwei Minuten später klingelte es an der Tür.

Joe hatte Emma davon überzeugt, es sei am klügsten, wenn das lokale Fernsehteam die Exklusivrechte für die Filmaufnahmen bei dieser Hochzeitsfeier bekäme. Zusätzlich hatten sie noch Vertreter der drei Lokalzeitungen aus Raleigh, Durham und Holly Springs eingeladen.

Ihre erste Hochzeit war völlig unzeremoniell verlaufen, aber Emma hatte sie unendlich romantisch gefunden. Jetzt lief alles so ab, wie es sollte, und sie fand es nur nervtötend. Beide wiederholten ihr Eheversprechen vor dem Priester und steckten sich gegenseitig die Platinringe an den Finger.

„Sie dürfen jetzt die Braut küssen.“

Emma hatte einen zurückhaltenden, freundschaftlichen Kuss erwartet. Sie hätte es besser wissen müssen. Als sie das Glitzern in Joes Augen sah und es ihr dämmerte, dass er dem Publikum einen überzeugenden Beweis seiner Leidenschaft bieten wollte, war es schon zu spät. Er nahm sie in die Arme, bog sie nach hinten und küsste sie.

Emma hatte keine Wahl, wollte sie nicht das Gleichgewicht verlieren. Und so legte sie die Arme um seinen Nacken und klammerte sich an ihn, während er sie sinnlich küsste. Sie schwor sich, nicht auf sein Spiel einzugehen, seinen Kuss nicht zu erwidern, sondern ihren Gästen einfach nur ein gutes Schauspiel zu bieten.

Der Plan war gut, nur funktionierte er leider nicht. Es dauerte Bruchteile von Sekunden, bevor sie nachgab und ihm den Mund öffnete. Ihre Knie wurden schwach, und ihr Herz schlug schneller. Und als er den Kuss irgendwann abbrach, hatte sie am ganzen Körper eine Gänsehaut, und alles drehte sich um sie. Durch ihre Benommenheit drang der Applaus der Gäste; Hochrufe erklangen.

Das Lächeln auf dem Gesicht ihres Vaters schien wie hineingemeißelt, der Ausdruck in seinen Augen war undurchdringlich. Er platzte fast vor Wut, das sah sie ihm an, vor Wut auf Joe und auch auf sie.

Aber Margaret und Helen betrachteten das junge Paar wohlwollend und voller Hoffnung. Man sah ihnen an, was sie dachten: dass diese verrückte Verbindung zwischen ihren Kindern ja vielleicht doch eine Chance hatte.

Zwei Stunden später waren alle Gäste gegangen. Die Reporter hatten ihre Bilder geschossen, das Brautpaar ein kurzes Fernsehinterview gegeben. Am Ende waren alle zufrieden.

Saul Donovan hatte Joe noch dringend empfohlen, seine einzige Tochter glücklich zu machen, andernfalls könne er für nichts garantieren. Als wäre das so einfach, dachte Emma.

Joe schloss die Wohnungstür und nahm seine Krawatte ab. Auf einmal wurde Emma nervös. „Tut mir leid, dass mein Vater sich so angestellt hat.“

Er half ihr, die leeren Gläser und Teller in die Küche zu tragen. „Wahrscheinlich hätte ich mich genauso verhalten, wenn ich nur eine Tochter hätte“, meinte er und zog seine Jacke aus. „Außerdem habe ich die volle Absicht, dich glücklich zu machen. Und mich auch. Sonst werden die nächsten zwei Jahre unerträglich, und das muss ja nicht sein.“

Er machte den Kühlschrank auf und untersuchte den Inhalt. Offenbar fing er schon an, sich in ihrer Wohnung heimisch zu fühlen. Es war Zeit, ein paar Regeln für ihr Zusammenleben aufzustellen.

Emma drehte sich zu ihm um. „Wegen heute Nacht …“

Joe machte den Kühlschrank wieder zu. „Ja? Was ist damit?“

„Wir müssen entscheiden, wo wir schlafen.“

Joes Augen glitzerten. „Wie wäre es mit dem Schlafzimmer?“

„Ich habe nur ein Bett.“

Er lachte laut, und Emma hatte nicht den geringsten Zweifel daran, was in seinem Kopf vor sich ging. „Das ist bestimmt groß genug für zwei.“

Emma spürte zu ihrem Ärger, wie sie rot wurde. „Das kommt überhaupt nicht infrage.“

„Wir sind doch verheiratet.“

„Kannst du dich nicht einfach aus dem Haus schleichen und woanders schlafen?“, schlug sie vor.

Er hob eine Augenbraue und sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. „Ausgerechnet in der Hochzeitsnacht?“

„Es wüsste doch niemand außer uns beiden.“

„Und wenn es herauskommt?“ Er machte nicht den Eindruck, als sei ihm das besonders wichtig, abgesehen von den Auswirkungen auf seine Karriere und sein Verhältnis zu ihrem Vater. „Das können wir niemandem erklären.“

„Was sollen wir also tun?“, fragte Emma. Er kam ganz nahe zu ihr. Ihr wurde schwindlig. „Wir können unmöglich in einem Bett schlafen.“

Joe betrachtete sie ausführlich, und ihr wurde ganz warm unter seinem Blick. Sie trat einen Schritt zurück. „Warum nicht?“

„Weil …“ Emma schluckte. Unwillkürlich dachte sie daran, wie aufregend weich und sinnlich seine Lippen waren.

Er schob ihr eine Strähne hinters Ohr. „Weil wir uns vielleicht zufällig berühren könnten?“

Sie schob seine Hand weg und wich noch weiter zurück. Dabei versuchte sie sich einzureden, dass er nicht den geringsten Eindruck auf sie machte. Sie holte tief Luft. „Weil das einfach zu intim ist.“ Zu aufregend. Zu verlockend.

Joe besaß genug Anstand, sie nicht darauf hinzuweisen, dass sie mehr als einmal in inniger Umarmung eingeschlafen waren. Allerdings hatten sie nie Sex miteinander gehabt. Das hatten sie sich für ihre Hochzeitsnacht aufheben wollen.

Und die, fiel Emma ein, war offiziell heute.

Joe trat ans Fenster und sah in die Nacht hinaus. „Komm“, sagte er nach einer Weile. „Ich möchte dir etwas zeigen.“

Emma ging widerstrebend zu ihm. Unten auf dem Parkplatz stand der Übertragungswagen des Fernsehteams. Wenn sie nicht so gut erzogen wäre, hätte sie jetzt ein paar sehr undamenhafte Flüche ausgestoßen. „Was wollen die denn noch hier?“

„Vermutlich warten sie darauf, dass wir uns entweder verraten oder in die Flitterwochen fahren oder sonst etwas tun, was sie für berichtenswert halten.“

„Du musst ihnen sagen, sie sollen verschwinden!“

Ihr Ehemann rührte sich nicht. „Und damit noch mehr Verdacht erregen?“, fragte er nur.

Das Telefon klingelte. Gigi Snow hatte die Nachrichten gesehen. Emma sollte die Hochzeit ihrer Tochter nun doch weiterorganisieren.

Seufzend legte Emma den Hörer auf. „Diese Frau tötet mir noch den letzten Nerv.“

Andererseits würde die Arbeit sie daran hindern, sich allzu viele Gedanken über Joe und ihre Ehe zu machen. Und das war eindeutig ein Pluspunkt.

Joe zog das Rollo herunter und fing an, sein Hemd aufzuknöpfen. Dann ging er in Richtung Schlafzimmer. Emma machte keine Anstalten, ihm zu folgen. „Komm schon, Emma. Es ist ja nur für eine Nacht. Morgen ziehen wir um in mein Haus.“

„Was für ein Haus?“

„Ich habe es letztes Jahr gekauft, um etwas Eigenes zu haben, wenn ich meine Mutter besuche. Bisher habe ich nur noch keine Zeit gehabt, es einzurichten. Morgen lassen wir deine Sachen hinbringen.“

„Und wie kommst du darauf, dass ich damit einverstanden bin?“, gab Emma zurück. „Ich mag meine Wohnung und will hierbleiben.“

Joe nahm ihre Hand. „Es geht nicht anders. Diese Geier da draußen warten doch nur darauf, dass wir uns verraten.“

„Trotzdem!“ Sie entzog ihm ihre Hand. „Ich ziehe nicht zu dir!“

„Und ob du das tust.“

Emma sah ihn herausfordernd an. „Du hast nicht über mich zu bestimmen.“

„Nein, aber ich bin dein Ehemann.“

Ihr Herz fing wie wild an zu klopfen. „Und?“

„Und ich habe keine Lust, länger mit dir herumzustreiten.“ Ohne Vorwarnung hob er sie mit einem Schwung auf die Arme.

„Was soll das?“, stieß sie wütend hervor.

„Was glaubst du denn?“ Er setzte sich in Bewegung. „Ich bringe dich ins Bett.“

Am Fußende des Bettes setzte er sie ab und zog in aller Ruhe sein Hemd aus. Emma war enttäuscht, als sie feststellte, dass das alles andere als romantisch gemeint war. Joe schien genauso wenig daran interessiert zu sein, mit ihr zu schlafen, wie sie mit ihm.

Sie schlüpfte aus ihren hochhackigen Schuhen und stellte sie in den Schrank. Als sie sich wieder umdrehte, hatte Joe nur noch seine Boxershorts an, und im nächsten Moment lag er in ihrem Bett.

Sie stand da, unfähig, sich zu rühren. Dieser Abend kam ihr wie absurdes Theater vor.

Joe verschränkte die Arme unter dem Kopf und betrachtete sie ungerührt. „Brauchst du Hilfe beim Ausziehen?“, erkundigte er sich liebenswürdig.

„Nein, danke.“ Emma hätte nur aus Trotz am liebsten in ihrem sogenannten „Hochzeitskleid“ geschlafen, aber das war natürlich Unsinn. Und so holte sie eine Schlafanzughose und ein ärmelloses T-Shirt aus dem Schrank und verschwand im Bad.

„Ich bin ein sehr guter Reißverschlussöffner“, rief Joe ihr nach.

Emma verdrehte die Augen. „Davon bin ich überzeugt.“

Als sie ins Schlafzimmer zurückkam, wirkte er völlig entspannt, schien schon fast zu schlafen.

Irgendwie hatte sie den Eindruck, ihr französisches Bett sei geschrumpft. Das war natürlich Unsinn. Wahrscheinlich lag es nur daran, dass ihr „Ehemann“ so viel Platz beanspruchte.

„Ich würde es immer noch vorziehen, wenn du auf dem Sofa im Wohnzimmer schläfst“, sagte sie, aber er machte nicht die geringsten Anstalten, ihr Bett zu verlassen. „Ein Gentleman würde das tun.“

Er kuschelte sich noch genüsslicher unter die Decke. „Ich verdiene mein Geld mit meinem Körper, Emma. Ich werde mir doch keine steifen Glieder holen, nur weil du dich so anstellst.“

Ungern gab sie es zu, aber irgendwie hatte er recht. Sie war selbst schon einmal auf ihrem Sofa eingeschlafen und eine halbe Stunde später steif und mit schmerzenden Knochen aufgewacht. „Dann schlaf doch auf dem Boden“, meinte sie ungnädig. „Kissen und Decken habe ich genug.“

„Nein, danke.“ Er setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Mir gefällt es hier ausgezeichnet.“

Emma wurde ungeduldig. „Warum musst du so schwierig sein?“

Joe legte die Hand auf seine Brust. „Ich? Du machst doch alles unnötig kompliziert. Dabei ist überhaupt nichts dabei. Es ist eine ganz einfache, platonische Angelegenheit.“

Auf einmal fühlte sie sich in eine Rolle gedrängt, die sie gar nicht haben wollte. Als müsste sie irgendetwas beweisen! Emma kochte innerlich, aber sie wusste, wann sie verloren hatte. Und so ging sie auf die andere Bettseite und zog schnell die Decke über sich. Joe hielt sich zwar strikt an seine Hälfte, trotzdem fühlte sie sich beengt.

Er seufzte zufrieden – oder triumphierend? – und machte das Licht aus. Der Mond schien ins Zimmer, sein Licht mischte sich mit dem der Straßenlampen. Und sie lagen da, im Halbdunkel, stumm, und rührten sich nicht.

Emma spürte, dass Joe genauso wenig schlafen konnte wie sie.

„Eines hätte ich doch noch gern gewusst“, sagte er nach einer Weile.

„Du hältst es offenbar einfach nicht aus, einfach nur ein paar Minuten ruhig zu sein“, warf Emma ihm gereizt vor.

„Genauso wenig, wie du es aushältst, eine vernünftige Unterhaltung mit mir zu führen, statt mir Beleidigungen an den Kopf zu werfen“, gab er zurück.

Emma drehte sich mit einem Seufzer auf die Seite, sodass sie ihn ansehen konnte. Sie musste sich eben einreden, er sei ihr nicht wichtig, dann schaffte sie es schon. Sie stützte den Kopf auf.

„Und was möchtest du wissen?“

„Was hast du damals deinem Vater erzählt, nachdem ich dich ins College zurückgebracht hatte?“

Emma konnte sich nur zu gut an den Zorn ihres Vaters erinnern. Alle möglichen sportlichen und juristischen Konsequenzen hatte er Joe angedroht. „Warum?“

„Weil es ihn offenbar wirklich überraschte, dass wir damals bei einem Friedensrichter waren.“

Wahrscheinlich war es ihm nicht wirklich wichtig, sondern er wollte einfach nur ablenken. Also brauchte er auch nicht zu wissen, wie sie versucht hatte, ihn vor den Rachegelüsten ihres Vaters zu schützen, auch wenn sie sich damit selbst schadete.

Sie fuhr mit dem Finger über eine Spitzenbordüre des Bettbezugs. „Das hatte ich meinen Eltern verschwiegen.“

„Was hast du ihnen dann gesagt?“ Joe war hartnäckig.

Emma zuckte die Achseln. „Die Wahrheit. Dass ich das College abbrechen und mit dir davonlaufen wollte. Aber dass du dagegen warst.“ Sie sah ihm in die Augen. „Und als du mich nicht überzeugen konntest, hast du mit mir Schluss gemacht.“

„Und dir das Herz gebrochen.“ Joe wusste noch zu gut, was sie sich in ihrer Wut und Verletzung an den Kopf geworfen hatten, während Emmas Vater durch die geschlossene Tür alles mithörte.

Emma nickte. Wie gern hätte sie das alles zurückgenommen.

Joe runzelte die Stirn. „Aber warum war dein Vater so wütend auf mich? Ich habe dich schließlich vor einer Dummheit bewahrt.“

Sie stieß den Atem aus. „Er war sauer, weil du dich überhaupt in meine Nähe gewagt hast. Genau wie jetzt. Er weiß, wie die meisten Eishockeyspieler ticken, dass sie nur an schnellem Sex interessiert sind. Das wollte er mir ersparen.“

„So bin ich nicht, Emma. Ich wechsle nicht ständig meine Frauen, das ist nicht meine Art.“

„Schön zu wissen“, gab sie zurück, drehte sich von ihm weg und rollte sich zusammen.

Er legte einen Arm um ihre Taille und zog sie ein Stückchen zurück, bis ihre Körper sich berührten. Sachte strich er mit den Lippen über ihren Hals, dann hob er den Kopf und sah ihr ins Gesicht. „Du glaubst mir nicht.“

Emma schloss die Augen und versuchte sich einzureden, dass dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Bauch kein Verlangen war. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. „Es ist mir egal, ob es wahr ist oder nicht.“

„Quatsch.“ Er drehte sie um, sodass sie wieder auf dem Rücken lag. Dann legte er ein Bein über sie und stützte den Kopf auf die Hand. „Die Wahrheit ist, dass du mich nie vergessen hast, Emma Donovan. Genauso wenig wie ich dich.“

Das hatte er nur gesagt, um sie zu provozieren. Aber als er jetzt hörte, wie sie den Atem einzog, als er ihren Gesichtsausdruck sah, stellte er überrascht fest, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Was ihn wirklich beunruhigte, war die Erkenntnis, dass es auch auf ihn zutraf.

„Träum weiter“, stieß Emma spöttisch hervor. Sie würde im Traum nicht zugeben, dass er recht hatte! „Und komm mir nicht zu nahe!“

Tatsächlich hatte er gerade mit dem Gedanken gespielt, sie zu küssen. „Befürchtest du vielleicht, dass es dir gefallen könnte?“, fragte er leise.

Emma betrachtete ihn stirnrunzelnd. „Ich weiß überhaupt nicht, warum ich mich auf das alles eingelassen habe.“

„Wahrscheinlich, weil du insgeheim immer noch Lust auf mich hast“, erwiderte er.

„Da ist ja wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.“ Emma drehte sich von ihm weg.

Sie schwiegen wieder.

Was für eine Hochzeitsnacht, dachte Joe. Aber er wollte Emma nicht überfallen, auch wenn diese kurze Berührung ihrer Körper ihm gezeigt hatte, wie sehr er sie noch immer begehrte. Es würde eine lange Nacht werden, eine sehr lange Nacht.

Er schloss die Augen und versuchte nicht daran zu denken, wie gern er ihre weichen Lippen geküsst, ihre seidige Haut an seiner gespürt hätte.

Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein, denn er schreckte hoch, als der Wecker losschrillte. Fünf Uhr. Emma griff über ihn hinweg, um das Ding zum Schweigen zu bringen, und berührte ihn mit ihren weichen Brüsten. Dann sprang sie mit einem Satz aus dem Bett, sammelte ihre Kleider ein und verschwand im Bad. Als sie zurückkam, war sie zu Joes Enttäuschung vollständig bekleidet.

„Du scheinst es heute Morgen ja sehr eilig zu haben.“

„Ich habe jede Menge zu tun.“

Genau wie er. Widerstrebend rappelte er sich hoch und machte sich auf die Suche nach seiner Sporttasche. Emma ging in die Küche.

„Ich werde veranlassen, dass deine Wohnung gekündigt wird und deine Sachen zu mir gebracht werden“, eröffnete er ihr, während sie darauf wartete, dass der Kaffee durch die Maschine lief.

Sie drehte sich zu ihm um, sichtlich verärgert. Aber das prallte an ihm ab. Irgendjemand musste Entscheidungen treffen, und es sah so aus, als würde er das sein.

„Und warum sollte ich deiner Meinung nach meine Wohnung aufgeben?“

Sie wollte es ihm offenbar nicht leicht machen. „Weil wir zusammenleben müssen, wenn diese Heirat glaubwürdig sein soll.“

„Warum nicht hier?“, gab sie zurück und schenkte sich Kaffee ein.

Joe fiel es nicht leicht, die Geduld zu bewahren. Sie sah so frisch und verführerisch aus, dass ihn schon wieder das Verlangen überfiel. „Weil diese Wohnung zu weit vom Trainingsstadion in Holly Springs entfernt ist.“ Er nahm eine Kaffeetasse und bediente sich. „Von da zu meiner Wohnung sind es nur fünfzehn Minuten. Außerdem arbeitest du ja auch in Holly Springs.“

„Unsere Familien wohnen dort.“

„Ja, und?“

„Die Gefahr, ihnen über den Weg zu laufen, ist viel geringer, wenn wir eine halbe Stunde entfernt wohnen.“

„Ich nehme dir deine Illusion nur ungern, Emma, aber wenn sie uns sehen wollen, dann werden sie auch hier auftauchen.“

„Na schön. Tu, was du willst.“ Sie sah auf die Uhr. „Ich habe keine Zeit, mit dir zu streiten.“

Emma kam eine halbe Stunde zu früh zur Arbeit. Aber sie war kaum fünf Minuten da, als auch schon die Snows mitsamt zukünftigem Schwiegersohn Benjamin Posen auftauchten. „Ich war gerade auf dem Blumenmarkt. Das Angebot dort ist völlig inakzeptabel“, begann Gigi Snow ohne Einleitung. „Ich möchte, dass Sie Orchideen aus Hawaii einfliegen lassen.“

Aus den Augenwinkeln sah Emma, wie der Bräutigam zusammenzuckte. Ebenso seine Braut. „Aber das wird sehr teuer werden.“ Zu teuer jedenfalls für den jungen Ehemann, von dem offenbar erwartet wurde, dass er die Hälfte aller Kosten trug.

Michelle Snow nahm ihren Verlobten an der Hand. „Später erinnert sich doch sowieso niemand mehr an die Blumen.“

„O doch.“ Gigi Snow ging hektisch auf und ab. „Das wird die Hochzeit des Jahres! Da achten die Leute auf jede kleinste Einzelheit.“

Joe öffnete, ohne anzuklopfen, die Tür. Er trug ein Sporthemd, Shorts und seine Laufschuhe. Seine Haare waren zerzaust, genau wie heute Morgen, als er aufgestanden war, und er hatte sich noch immer nicht rasiert. Trotzdem sah er umwerfend sexy aus.

„Hallo“, rief er in den Raum hinein. An mangelndem Selbstbewusstsein schien er wirklich nicht zu leiden. „Ich muss dich mal einen Augenblick sprechen“, sagte er dann zu Emma.

Sie schenkte ihm ein professionelles Lächeln. „Bin leider beschäftigt.“

„Es dauert auch nur eine Minute.“ Er kam an ihren Schreibtisch, nahm sie an der Hand und zog sie hoch. „Sie entschuldigen uns.“

Im nächsten Augenblick fand Emma sich draußen vor der geschlossenen Tür wieder. „Wie kommst du dazu …?“

Er drückte ihr etwas in die Hand. „Dein Schlüssel. Zu meinem Haus.“ Er sah ihr tief in die Augen. „Du wirst ihn heute Abend brauchen.“

Emma ignorierte das Herzklopfen, das seine Berührung und sein Blick in ihr auslösten. „Bist du denn nicht da?“

„Ich habe ein Riesenprogramm heute – Fitnesstests, eine Besprechung mit dem Trainer …“

Helen Hart kam den Korridor entlang, gerade als auch Gigi Snow ungeduldig den Kopf aus der Tür steckte.

Joe hob grüßend die Hand. „Hallo, Mom.“

„Joe, du wirst nicht ohne die Kisten fahren, die du bei mir untergestellt hast. Wenn dir deine Sammlung schon so wichtig ist, dann kannst du sie ab jetzt bei dir lagern.“

„In Ordnung.“

„Die Sachen sind im Lager.“

„Moment.“ Joe sah Emma an. „Bis heute Abend zu Hause“, sagte er leise und bedeutungsvoll.

„Ich kann es kaum noch erwarten“, gab sie zurück und gab sich alle Mühe, überglücklich auszusehen. Schließlich hatten sie Publikum.

Helen lächelte Emma an. „Wie läuft es denn?“, erkundigte sie sich bei ihrer Schwiegertochter mit einem Blick Richtung Büro.

„Wir haben ein neues Problem. Die Blumen.“ Emma seufzte.

Kaum hatte Joe die Tür zum Lagerraum aufgeschlossen, als seine Mutter auftauchte. Ein Blick in ihr Gesicht verriet ihm, dass sie nur einen Vorwand für ein Gespräch „von Mutter zu Sohn“ gesucht hatte. Aber im Moment hatte er keinen Nerv dafür.

Helen machte die Tür hinter sich zu. „Setz dich, Joseph.“

Wenn sie so förmlich wurde, fühlte er sich sofort wieder, als wäre er sechzehn. Er rieb sich über sein Stoppelkinn. „Ich weiß schon, was du sagen willst.“

„Ach ja?“

Joe kannte diesen Ton. Er seufzte. „Muss das jetzt sein?“

„Ja. Heiraten ist eine sehr ernste Sache.“

So ernst war es nun auch wieder nicht, fand er. Schließlich mussten Emma und er höchstens zwei Jahre durchhalten. Doch das wollte seine Mutter vermutlich nicht hören. Und so zuckte er nur mit den Achseln. „Aber doch wohl kein Verbrechen.“

„Wenn du Emma geheiratet hast, obwohl du sie nicht von ganzem Herzen liebst, wäre das mehr als verwerflich.“

Getroffen. „Es ist nicht bei allen Leuten so wie bei Dad und dir, Mom.“

„Es könnte aber so sein. Liebe ist nichts, was einfach zufällig passiert. Es ist eine Entscheidung, die man jeden Tag neu trifft.“

„Mom, ich bin alt genug, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“

„Das mag schon sein, Joseph.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Aber ich werde wie der Teufel hinter dir her sein, wenn du dich nicht anständig benimmst.“

„Und was genau meinst du damit?“, wollte er wissen.

„Wenn du Emma kein guter Ehemann bist.“

„Hey!“ Allmählich hatte er genug. „Ich biete ihr ein Haus und einen vollen Kühlschrank.“ Das würde er zumindest tun, wenn er Zeit hätte, einkaufen zu gehen. „Ein Auto hat sie selber, und sie verdient sicher auch nicht schlecht.“ Ganz zu schweigen von ihrem zu erwartenden Erbe und ihren reichen Eltern, die im Notfall immer für sie sorgen würden. Nicht, dass er sich vorstellen konnte, dass Emma die beiden jemals um etwas bitten würde. Dazu war sie viel zu eigensinnig und selbstständig. „Was verlangst du noch?“ Seine Mutter führte sich auf, als hätte er mit dieser Hochzeit vor, Emma ins Unglück zu stürzen. Soweit er das beurteilen konnte, fehlte es ihr an nichts.

Seine Mutter bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Ich erwarte, dass du ihr ein echter Partner bist.“ Sie betonte jedes einzelne Wort. „Ein Seelenverwandter.“

„Deshalb heiratet man doch wohl.“

„Ich möchte, dass du dich um alle ihre Bedürfnisse kümmerst.“

Er kniff die Augen zusammen. „Und wie soll ich das anstellen?“ Soweit er das beurteilen konnte, hatte seine reizende Frau keinerlei Bedürfnisse.

Helen lächelte rätselhaft. „Streng dich an.“

5. KAPITEL

Joes Haus lag inmitten eines wunderschönen Gartens am Ende einer Sackgasse im neueren Teil der Stadt. Countrymusic klang aus einem offenen Fenster. Emma atmete tief durch, schloss die Haustür auf und blieb wie vom Donner gerührt stehen. Das absolute Chaos erwartete sie. Überall, wohin sie sah, türmten sich Umzugskartons, die meisten mit Joes und nur wenige mit ihrem Namen darauf.

Sie wollte nicht daran denken, wie lange es dauern würde, all diese Kisten zu leeren und den Inhalt zu verstauen, und bahnte sich einen Weg zur Rückseite des Hauses. Dort lagen die geräumige Küche und ein Wohnzimmer, das sich über zwei Ebenen erstreckte.

Joe trug knallblaue Badeshorts. Seine Haare waren feucht, und er roch nach Seife und Shampoo. Rasiert hatte er sich immer noch nicht. Entschlossen, seinen gebräunten, muskulösen Oberkörper zu ignorieren, ging sie zu ihm. Er war gerade damit beschäftigt, ein Fernsehgerät mit allen möglichen Kabeln zu versehen.

„Hallo“, begrüßte er sie fröhlich, ohne ihr mehr als einen flüchtigen Blick zuzuwerfen. „Du kommst spät.“

Emma sah sich um. Ihr elegantes rotes Samtsofa stand an einer Wand, dabei die kleinen Couchtischchen, die Stehlampe und die Konsole aus ihrer Wohnung. Gleich neben dem Kamin und direkt gegenüber dem Fernsehapparat waren ein tabakbrauner Fernsehsessel und ein riesiges Ledersofa mit Couchtisch und Lampe aufgebaut, alle noch mit Preisschildern daran. Vermutlich hatte Joe die Sachen heute erst gekauft.

„Warum hast du die Klimaanlage nicht angemacht?“, stöhnte Emma. Es war mindestens dreißig Grad heiß und schwül.

„Offene Fenster sind mir lieber.“

Emma zog ihre Kostümjacke aus. „Es ist heiß, Joe.“

„Das tut richtig gut nach den Jahren in Kanada.“ Er sah sie an. „Zieh dir Shorts und ein T-Shirt an. Dann geht es dir gleich besser.“

Emma wedelte sich Luft zu. „Vorausgesetzt, ich finde meine Sachen.“

Joe lachte. „Ich habe alle deine Klamotten in das Zimmer neben dem Schlafzimmer bringen lassen. Du willst sie doch sicher gleich einräumen.“

Von wollen konnte keine Rede sein, aber wenn sie nicht alles neu bügeln wollte, blieb ihr wohl nichts anderes übrig.

Joe warf ihr einen mitfühlenden Blick zu. „War es schlimm heute?“

„Furchtbar.“ Emma hob die Haare von ihrem Nacken fort.

„Gigi Snow ist eine harte Nuss, was?“

„Freundlich ausgedrückt.“ Sie wechselte das Thema. „Sind das alles deine Sachen?“

„Ja. Die Möbel aus Kanada hat der Hausverwalter für mich verkauft, und den Rest hat er eingepackt und per Express losgeschickt. Und dann war ich heute in einem Möbelladen, habe alles Nötige eingekauft und gleich liefern lassen. Ich dachte, je eher wir uns einrichten, desto besser.“ Er strahlte Emma an, offenbar hochzufrieden mit seiner Entscheidungsfreude.

Emma schwieg.

Joe war mit seiner Verkabelungsaktion fertig, steckte ein Videoband in den Rekorder und setzte sich dann mit Block und Stift mitten auf das braune Ledersofa. „Wenn es dich nicht stört … Ich habe noch zu arbeiten.“

„Ja, natürlich.“ Emma redete sich ein, erleichtert und nicht verletzt zu sein. Sie ging sich umziehen und holte sich dann ein Bier aus dem Kühlschrank. Da sie kein Glas fand, nahm sie die Flasche mit ins Wohnzimmer. Joe saß nach vorne gebeugt und sah wie gebannt auf den Fernseher. Dort lief ein Spiel, das er in seiner letzten Saison in Vancouver bestritten hatte.

Emma setzte die Flasche an den Mund und trank einen Schluck, während sie sich anschaute, wie Joe auf seinen Schlittschuhen über das Eis fegte, nach einem Foul stolperte und fast mit dem Kopf gegen einen harten Metallpfosten geknallt wäre. Daraufhin entbrannte eine preiswürdige Rauferei.

Er und sein Gegner wurden auf die Strafbank verbannt und tauschten auf dem Weg dorthin hitzige Beleidigungen aus.

„Worum ging es denn da?“, wollte Emma wissen und setzte sich neben Joe aufs Sofa. Seine leidenschaftliche Art zu spielen hatte ihr von Anfang an gefallen. Deshalb hatte sie damals kein Spiel verpasst.

„Das ist nichts für die Ohren einer Dame“, gab er zurück und machte sich ein paar Notizen auf seinem Block.

„Ach ja?“ Wenn Emma etwas ganz bestimmt nicht leiden konnte, dann waren es die ständigen Bemühungen ihres Vaters oder auch Joes, sie vor was auch immer zu beschützen. Als wäre sie eine Mimose. Aber gut, sie konnte sich auch selbst informieren. Und so nahm sie die Fernbedienung und ließ das Videoband kurzerhand zurückspulen.

Joe griff nach der zweiten Fernbedienung und machte den Fernseher aus.

Emma drehte sich empört um, aber er lachte nur. Ganz offensichtlich genoss er die Situation. Und auf einmal wusste sie, dass es um viel mehr ging als nur darum, wer was bei einem Eishockeyspiel gesagt hatte.

„Kann ich jetzt meine Bänder anschauen, oder nicht?“, wollte Joe wissen.

So leicht gab sie nicht nach. „Nur wenn du mir sagst, was ich wissen will, oder es mich selbst sehen lässt.“

Joe schüttelte belustigt den Kopf. „Mach mir hinterher keine Vorwürfe.“ Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. „Zwei Minuten Strafzeit wegen Störung des Spiels.“ Dann packte er Emma und zog sie auf seinen Schoß.

Sie konnte sich nur mit Mühe das Lachen verkneifen und versuchte ohne großen Erfolg, von seinem Schoß zu rutschen. Seine Augen funkelten, und er legte einen Arm um ihre Taille und entwand ihr mit der anderen Hand die Fernbedienung. „Ab auf die Strafbank mit dir.“

Seine Erregung war nicht zu verkennen. Emma ging es nicht viel anders. Sie wurde dunkelrot und stemmte sich gegen seine Brust. Wenn es doch nur nicht so heiß wäre, so intim. Irgendwie hatte sie vergessen, wie durchsetzungsfähig er war – und nicht nur, wenn er Eishockey spielte. „Hör sofort auf damit!“, rief sie, ohne sich auch nur einen Moment der Illusion hinzugeben, dass er sich danach richten würde. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als mitzuspielen.

Joe hob den Arm, als zöge er eine Karte. „Und noch einmal zwei Minuten wegen Renitenz!“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Schämen Sie sich, Mrs. Hart.“

Mrs. Hart. Was für einen Klang das hatte. Sie war verheiratet, mit Joe! Ihre Versuche, sich seinen Händen zu entwinden, hatten nur eine Wirkung: dass ihre Erregung noch zunahm. Und so stellte sie sie ein und beobachtete ihren Ehemann nur misstrauisch.

Zu ihrer großen Beunruhigung hatte er genau diesen konzentrierten, rücksichtslosen Ausdruck in den Augen, den sie von seinen Spielen kannte. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, und eine Vorahnung ergriff sie. Wenn sie daran dachte, was gleich geschehen könnte, ohne Publikum dieses Mal …

„Joe“, warnte sie ihn und legte die Hände an seine nackte Brust. Sie tat ihr Bestes, um nicht schwach zu werden.

„Halt still, sonst gibt es noch ein paar Strafminuten zusätzlich.“ Er küsste die Mulde zwischen ihrem Hals und ihrer Schulter und ließ gleichzeitig eine Hand unter ihr T-Shirt gleiten. „Oder du wirst für den Rest der Spielzeit in die Garderobe geschickt.“

Wenn sein Schoß die Strafbank war, wollte Emma sich lieber nicht vorstellen, wie die Garderobe aussehen würde.

Mit Entsetzen stellte sie fest, dass sie nichts lieber wollte, als von ihm geküsst zu werden, richtig geküsst, ohne dass ihnen jemand dabei zusah. Aber ihr war auch klar, dass sie dann in Gefahr geriet, ihr Herz ein zweites Mal an ihn zu verlieren. Kurz entschlossen trat sie ihm kräftig auf den Fuß und stieß ihm gleichzeitig den Ellbogen in die Brust.

Joe fluchte, und sie nutzte den Augenblick, um von seinem Schoß zu entkommen. Aber er stellte ihr geistesgegenwärtig ein Bein, und sie geriet ins Straucheln. Bevor sie fallen konnte, packte er sie um die Taille, und ehe sie noch wusste, wie ihr geschah, lag sie der Länge nach auf dem Sofa und Joe neben ihr. Eine Flucht war unmöglich.

„Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl, als dir noch einmal fünf Strafminuten aufzubrummen“, teilte er ihr mit gespielter Strenge mit. „Fouls kann ich nicht dulden.“

„Das war kein Foul“, gab Emma zurück und versuchte, ihr Knie in Position zu bringen. Kampflos würde sie nicht untergehen.

„Ich fürchte, da gehen unsere Meinungen auseinander.“ Er packte ihre Handgelenke und hielt sie über ihrem Kopf fest. Gleichzeitig teilte er mit den Knien ihre Beine und legte sich auf sie. Dann betrachtete er ihre Brüste. „Ich muss sagen, Mrs. Hart, ich bin schockiert.“ Er strich mit den Lippen über ihren Mund. „Aber ich sehe, ich habe dich als Gegnerin unterschätzt. Das wird mir nicht ein zweites Mal passieren.“

Emma kniff die Augen zusammen. „Joe, du wirst mich nicht küssen“, warnte sie ihn. Nicht so. Nicht ohne Liebe.

Sein Lachen wurde nur noch breiter. „Wollen wir wetten?“

Joe legte sanft die Hand um ihr Kinn und strich verführerisch mit den Lippen über ihren zusammengepressten Mund. Herausforderungen hatten ihn immer schon gereizt.

Emma schlug überrascht die Augen auf. Er küsste sie auf einen Mundwinkel. „Hast du etwas anderes erwartet?“, fragte er gedehnt. „Hättest du es lieber etwas leidenschaftlicher?“ Seine Lippen bewegten sich sinnlich auf ihren Schläfen. „Oder vielleicht etwas feuchter?“ Er fuhr mit der Zungenspitze in ihr Ohr.

Sie stöhnte leise auf und bewegte sich unter ihm. Ihre Brüste streiften seine nackte Haut, und er spürte, wie ihm das Blut in die Lenden schoss.

„Dafür wirst du bezahlen!“, schwor sie hitzig.

Joe küsste sie aufs Kinn. Sie fühlte sich so weich und warm an. Verlangen stand in ihren Augen. „Wofür? Dafür, dass ich dich nicht richtig geküsst habe?“

Ihre Brust hob und senkte sich schneller. Sie kämpfte gegen ihn an, aber er hielt sie fest. „Ich meine es ernst, Joe.“

„Ich auch.“ Mit der freien Hand fuhr er durch ihre Haare, dann hob er ihr Gesicht an. „Mach mir die Rechnung.“ Er senkte die Lippen auf ihren Mund. „Für alles, was ich dir angetan habe.“

Eigentlich wollte sie seinen Kuss nicht erwidern, das wusste er, genauso wenig wie er das vorgehabt hatte. Aber irgendwie machten die lange aufgestauten Gefühle es nur umso süßer. Mit einem Aufstöhnen vertiefte er den Kuss und erforschte mit der Zunge ihren verlockenden Mund, genoss das Spiel ihrer Lippen. Plötzlich übernahm sie die Führung und küsste ihn mit unerwarteter Leidenschaft und Sinnlichkeit. Das Herz hämmerte ihm bis zum Hals; er konnte kaum noch einen klaren Gedanken fassen, nur den einen: Sie war genauso wild auf ihn wie er auf sie.

Er ließ ihre Handgelenke los, und sie schlang die Arme um seine breiten Schultern und schmiegte sich an ihn. Dann strich sie mit den Händen über seinen Rücken, immer tiefer, bis sie bei seiner Shorts angelangt war. Nie war sie so versucht gewesen, alle Vorsicht fahren zu lassen und einfach ihrem Verlangen nachzugeben, jeden Augenblick zu nehmen, wie er kam, ohne einen Gedanken an die Zukunft zu verschwenden. Doch genau in diesem Moment brach Joe den Kuss ab und hob den Kopf. Er sah ihr tief in die Augen. „Lass uns ins Bett gehen, Emma.“

Das wirkte wie eine kalte Dusche auf sie. Es ging um Sex, nicht um Liebe. Nicht um die Liebe, die sie wollte und brauchte. „Nein.“ Sie kämpfte sich hoch, und dieses Mal hielt er sie nicht auf. „Das geht nicht.“

Auch Joe setzte sich hin. Es war ihm nicht anzusehen, was er fühlte.

„Ich verstehe das nicht.“

Emma schluckte. Sie wollte, sie wäre geübter darin, ihre Gefühle, ihre Sehnsüchte zu verbergen. Abrupt stand sie auf. Es war ihr peinlich, wie sie sich hatte gehen lassen. Aber sie musste ihm klarmachen, dass Sex für sie kein Spiel war. „Es ist nicht so, dass ich dich nicht will“, gestand sie leise.

Joe hob verständnislos die Hände. „Wo ist dann das Problem?“

Der Punkt war, dass sie ihr Herz verlieren würde, wenn sie miteinander schliefen, und das konnte sie nicht riskieren. Joe hatte sie schon einmal tief verletzt, als er sie damals um seiner Karriere willen von einem Moment auf den anderen verlassen hatte. Das sollte nicht noch einmal passieren. Sie durfte sich einfach nicht noch einmal in ihn verlieben. „Wenn wir miteinander schlafen, wäre es eine richtige Ehe.“

Joe stand auf. Sein Puls raste. „Es ist eine richtige Ehe.“

„Nur dem Gesetz nach.“ Emma trat einen Schritt von ihm weg. „Nicht im Herzen.“ Dann wünschte sie ihm eine gute Nacht und verschwand im Gästezimmer.

Fluchend machte Joe den Fernseher an. Aber er konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren. Frustriert schaltete er den Apparat wieder aus. Normalerweise dachte er sieben Tage die Woche und vierundzwanzig Stunden am Tag an Eishockey.

Er ging in die Küche, um sich ein Diätbier zu holen. Okay, er hatte sich eingebildet, dass er mit Emma als „Mitbewohnerin“ wunderbar klar käme. Was wäre das anderes als eine Art Wohngemeinschaft – außer dass sie zufällig eine Frau war? Gelegentlich würden sie gemeinsam nach außen als Ehepaar auftreten, wenn es nötig war, ansonsten würde jeder seiner eigenen Wege gehen.

Aber jetzt dämmerte ihm, dass sein Modell völlig unrealistisch war, denn er fühlte sich noch immer genauso stark zu Emma hingezogen wie früher. Nichts hatte sich geändert. Wenn sie in seiner Nähe war, dann wollte er sie in die Arme nehmen und leidenschaftlich küssen, wollte mit ihr ins Bett gehen, mit ihr schlafen, sie zu „seiner“ Frau machen. Das war normaler männlicher Jagdinstinkt. Sie gehörte ihm, sonst niemandem. Leider zeigte Emma nicht die geringste Neigung, sich in dieser Weise an ihn zu binden. Er hatte sie damals so verletzt, dass sie kein Vertrauen mehr zu ihm hatte.

Das war zwar nicht nur seine Schuld gewesen, aber er hatte einen gehörigen Teil dazu beigetragen. Zum ersten Mal spürte er so etwas wie ein schlechtes Gewissen.

Sie hatte damals noch keine sexuellen Erfahrungen gehabt, war also besonders verletzlich gewesen. Natürlich hatte er gemerkt, dass sie sich körperlich ebenso zu ihm hingezogen fühlte wie er sich zu ihr. Hätten sie miteinander geschlafen, hätte das für sie ein bindendes Versprechen bedeutet. Aber das hatte ihm keine Angst gemacht, denn genau das wünschte er sich im Grunde seines Herzens.

Wer konnte sagen, was geschehen wäre, wenn sie ihm erzählt hätte, wer sie wirklich war, oder wenn sie ihre Ehe vollzogen hätten? Doch so weit war es nicht gekommen. Sie waren beide unterschiedliche Wege gegangen. Sieben Jahre war das jetzt her, und er hatte sich tatsächlich eingebildet, sie könnten unverbindlich Sex haben.

Er hatte sich geirrt – nicht zum ersten Mal. Joe seufzte. Jetzt hatten sie ein Problem mehr, mit dem sie zurechtkommen mussten.

„Ich kann so nicht leben.“

Joe sah von seiner Zeitung auf. Emma stand in der Tür zum Frühstückszimmer. Sie sah hinreißend aus und duftete zart nach Shampoo und Parfüm. Sein Puls fing an zu rasen.

Er schluckte den Rest seines Müsliriegels hinunter, trank einen Schluck Saft und versuchte, einen lässigen Eindruck zu machen.

„Was meinst du damit?“, fragte er und ignorierte ihr weiches, seidiges Haar.

Ob sie auf die erotische Situation gestern anspielte, als sie fast miteinander im Bett gelandet wären? Er hatte die halbe Nacht wach gelegen und in lustvollen Fantasien geschwelgt. Vor allem hatte er bereut, dass er es nicht ein bisschen subtiler angefangen hatte, sie vom Sofa in sein Bett zu locken.

Emma machte eine ausladende Armbewegung. „Hier sieht es aus wie in einer Lagerhalle.“

Ihre Anwesenheit frühmorgens, bevor er überhaupt fertig gefrühstückt hatte, überforderte ihn. Das hatte etwas so Intimes. Plötzlich hatte er Mühe zu atmen. „Du meinst, ich soll meine Kisten in ein anderes Zimmer bringen?“

„Nein. Ich meine, dass du sie auspacken sollst.“

Joe runzelte die Stirn. Er hatte sich irgendwie angewöhnt, aus Kartons zu leben. Das machte das Umziehen leichter.

Emma marschierte an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Dabei zog sie einen aufregenden Dufthauch hinter sich her. Sie nahm eine Neonreklame für Bier aus einer der Kisten und betrachtete sie düster.

„Ich dachte, das würde sich vielleicht gut über dem Kamin machen“, schlug Joe vor, um sie ein bisschen zu ärgern.

Emma kniff die Augen zusammen. „Du willst mich auf den Arm nehmen.“

„Oder fändest du es über dem Sofa schöner?“ Joe war ihr gefolgt und kramte jetzt in einer der Kisten nach seinem Werkzeugkasten.

„Es gehört in eine Kneipe!“, brauste sie auf.

Er nickte begeistert. „Genau. Ich hatte nämlich daran gedacht, das Wohnzimmer wie eine Bar einzurichten, und …“

„Joe!“ Emma versuchte ihn daran zu hindern, den Hammer aus dem Kasten zu nehmen.

Ihre zarten Hände auf seiner Haut lösten eine verwirrende Reaktion in seinem Körper aus. Er drehte sich zu ihr um. „Ich weiß, was du denkst. Aber ins Schlafzimmer kommt es auf keinen Fall. Über unserem Bett hängt schon das Bild mit den Poker spielenden Hunden.“

„Über unserem Bett?“, wiederholte sie ungläubig.

„Na ja …“ Er hob die Schultern. „Wir sind verheiratet, Liebling. Und das bringt gewisse – Nebenerscheinungen mit sich.“

Nebenerscheinungen? Emma hatte nicht die geringste Absicht, irgendwelche Haupt- oder Nebenerscheinungen auch nur in Betracht zu ziehen. Sie verdrehte genervt die Augen und schlang die Arme um den Oberkörper – was ihre Rundungen nur zusätzlich betonte. Mit langen Schritten ging sie an ihm vorbei zu den Kisten mit den Erinnerungsstücken aus seiner Eishockeykarriere. Sie standen neben der Glasvitrine, die er am Tag zuvor gekauft hatte.

„Wenigstens die Sammlung könntest du heute einräumen.“

Das hatte er eigentlich auch vorgehabt – bis jetzt. „Mal sehen.“

Ihre smaragdgrünen Augen blitzten auf, und sie holte tief Luft. „Das ist mein Ernst, Joe. Ich brauche Ordnung in meinem Leben.“

Er fand, dass sie ganz etwas anderes brauchte. Entschlossen legte er die Hände um ihre Taille. „Und ich brauche dich.“

„Joe …“

Was immer sie sagen wollte, es ging in seinem Kuss unter. Emma war unfähig, sich gegen ihn zu wehren. Ihre Knie wurden schwach, und sie stöhnte leise auf. Joe zog sie noch enger an sich, und sie spürte, dass er hart war. Er wollte, dass sie wusste, wie sie ihn erregte, welche Leidenschaft sie in ihm weckte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie sich liebten. Und diese Begegnung würde heißer und wilder sein als alles, was sie beide je erlebt hatten.

Aber jetzt war der richtige Moment noch nicht gekommen. Wenn er sie zum ersten Mal liebte, dann wollte er Zeit haben. Also ließ er den Kuss sinnlich ausklingen und zog sich widerstrebend zurück. Ihre Augen waren verschleiert, ihre Lippen feucht. Befriedigt stellte er fest, dass es ihr nicht viel anders ergangen war als ihm.

„Das ist einfach nicht fair“, beschwerte sich Emma.

Fairness hatte nichts damit zu tun, fand Joe. Wirklichkeit und Fantasie, darum ging es. Und Emma Donovan war eine Mischung aus beidem. „Ich spiele, um zu gewinnen“, entgegnete er rau. „Immer.“

„Ist das nicht nett?“, erklang da eine weibliche Stimme von der Terrasse her.

Joe stieß eine Verwünschung aus, als er Tiffany Lamour in der halb offenen Tür entdeckte.

Emmas Herz schlug immer noch wie rasend. Tiffany schob die Terrassentür ganz auf und kam herein, als wohnte sie hier. Neugierig betrachtete sie die Kisten mit Joes Sammlungsstücken. „Ich habe schon einiges darüber gehört.“ Sie befingerte ein oben liegendes T-Shirt und sah dann Joe an. „Ich hätte nicht gedacht, dass Sie die Sachen hier im Haus aufbewahren. Vor allem nicht nach dem, was gestern Nacht passiert ist.“

„Wieso? Was ist denn geschehen?“, wollte Emma wissen. Sie war noch nicht dazu gekommen, Zeitung zu lesen oder Nachrichten zu hören.

„Ein paar Golfschläger sind gestohlen worden“, berichtete Joe. Der Diebstahl schien ihn nur mäßig zu interessieren.

„Und zwar aus dem Country Club von Holly Springs. Es waren insgesamt fünfundzwanzig Sets – die teuersten –, außerdem wertvolle Erinnerungsstücke, einschließlich eines Balls mit Autogramm, mit dem vor ein paar Jahren die US-Open gewonnen wurden.“

Nicht übel, dachte Emma. Sie wusste, wie viel ihr Vater für seine Golfschläger bezahlt hatte. Da kamen für ein Set leicht mehrere Tausend Dollar zusammen.

„Der Sheriff sagt, das war hier in Holly Springs bereits der achte Einbruch in diesem Frühling. Und dass es jemand von hier sein muss. Denn der Einbrecher kommt nur, wenn niemand zu Hause ist.“

„Aha“, war Joes lakonischer Kommentar.

„Ja. Deshalb wundert es mich, dass Sie so sorglos sind. Ihre Sammlung ist beachtlich. Anscheinend haben Sie nicht einmal eine Alarmanlage im Haus“, stellte Tiffany fest.

„Reizend, dass Sie sich meinen Kopf zerbrechen.“ Joe wollte Tiffany am Ellbogen nehmen, um sie zur Tür zu begleiten.

„Aber deswegen bin ich nicht hier.“ Sie schüttelte seinen Arm ab.

„Weshalb dann?“

„Außerdem wusste ich nicht, dass sie noch hier ist.“

Was für eine Unverschämtheit, dachte Emma. Aber abgesehen davon hatte Tiffany recht. Normalerweise war Emma um diese Zeit längst in ihrem Büro. Wahrscheinlich wartete Gigi Snow schon auf sie, bewaffnet mit einer neuen Liste von Beschwerden und extravaganten Wünschen.

Joe legte den Arm um seine Frau. „Was können wir für Sie tun, Miss Lamour?“, fragte er.

Tiffany bedachte ihn mit einem betörenden Lächeln. „Seit wann denn so förmlich, Joe? Nach allem, was wir einander bedeuteten.“

Was wir einander bedeuteten? Emma horchte auf. War vielleicht doch etwas zwischen ihnen gewesen, was Joe ihr verschwiegen hatte?

Joe sah Tiffany an, als hätte er sie noch nie gesehen. Eine Pause entstand, aber er machte keine Anstalten, etwas zu sagen. Tiffany errötete leicht und wechselte dann das Thema. „Ich hätte Sie gern in meiner Show, Joe. Zu einem Interview über Ihren Wechsel zu den Carolina Storm.“

„Dafür ist es noch zu früh.“

Emma war sich sicher, dass Joe der Einladung auch später nicht folgen würde.

Tiffany zog einen Schmollmund. „Sie stehen gerade im Mittelpunkt des Interesses, deshalb halte ich den Zeitpunkt eigentlich für ideal. Die Leute würden sicher gern mehr von Ihnen wissen.“

Joe begegnete ihrem Blick ungerührt. „Ich spreche in der Öffentlichkeit nicht über mein Privatleben.“

Tiffanys Blick wurde hart. „Sie können es sich wohl kaum leisten, dieses Interview auszuschlagen.“

„Was ich mir leisten kann oder nicht, entscheide ich selbst“, gab er kühl zurück. Dann packte er Tiffany am Arm, als habe er es mit etwas zu tun, was in den Abfall gehörte. „Wenn Sie uns jetzt entschuldigen wollen, Miss Lamour. Ich wollte meine Frau zur Arbeit fahren, und wir sind ohnehin schon spät dran.“

Es war ein regelrechter Hinauswurf, auch wenn Tiffany sich nichts anmerken ließ.

„Elegant“, lobte Emma, als er die Haustür zuzog.

Er sah auf sie hinab. „Fertig?“

„Willst du mich wirklich fahren?“

„Ja“, antwortete er grimmig.

„Warum?“

„Sie soll uns zusammen weggehen sehen.“

„Wieso?“

„Sie hält unsere Ehe offenbar für eine Farce. Das müssen wir widerlegen.“

Autor

Cathy Gillen Thacker
Cathy Gillen Thackers erster Schreibversuch war eine Kurzgeschichte, die sie in der Mittagsstunde ihrer Kinder zu Papier bringen wollte. Monate später war ihre Kurzgeschichte auf Buchlänge angewachsen und stellte sich als Liebesroman heraus. Sie schrieb sechs weitere Romane, bevor ihr achter von einem Verlag angenommen und 1982 veröffentlicht wurde.

Seitdem hat...
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