Die falsche Braut des feurigen Scheichs

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„Ich soll Sie heiraten, Hoheit?“ Fassungslos hört die junge Tatiana, was Scheich Saif von ihr verlangt. Eigentlich war ihre Cousine mit ihm verlobt, die aber mit einem anderen durchgebrannt ist. Und weil Saifs Volk auf die nächste Königin wartet und die Behandlung ihrer schwerkranken Mutter viel Geld kostet, gibt Tati dem Herrscher von Alharia zögernd ihr Jawort. Diesem Wüstenprinzen, dessen feurige Blicke zwar sein Misstrauen verraten – aber auch beängstigend viel Verlangen nach ihr, seiner falschen, unschuldigen Braut!


  • Erscheinungstag 08.02.2022
  • Bandnummer 2531
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509480
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Prinz Saif Basara, Thronfolger des Königreichs Alharia, runzelte die Stirn, als Dalil Khouri, der Chefberater seines Vaters, an sein Büro klopfte und mit dem bedeutungsschwangeren Gebaren eines Mannes eintrat, der wichtige Informationen überbrachte.

Was die exzentrischen Vorschriften und Ansichten seines Vaters betraf, gab es nichts, was Saif in den vergangenen Jahren noch nicht gehört hatte. Er war inzwischen dreißig Jahre alt, und die Höflinge im inneren Kreis seines Vaters spielten routinemäßig ein doppeltes Spiel, indem sie den mittelalterlichen Machtsprüchen seines Vaters mit falscher Demut zustimmten und sich hinterher bei Saif darüber beklagten.

Der Emir von Alharia war fünfundachtzig Jahre alt und erschreckend realitätsfern.

Natürlich hatte Saifs Vater Feroz den Thron noch in einem anderen Zeitalter bestiegen, als das von Krisen erschütterte Land dankbar war für einen starken Monarchen. Dann wurde Öl entdeckt. In der Folge waren die Kassen von Alharia übergelaufen, und jahrzehntelang waren alle glücklich und zufrieden gewesen. Zu Feroz’ Pech war jedoch bei seinem Volk trotz des Überflusses irgendwann das Verlangen nach Demokratie erwacht, ebenso wie der Wunsch, die strengen kulturellen Regeln dem modernen Leben anzupassen. Doch der Emir widersetzte sich stur jeder Art von Wandel.

„Sie sollen verheiratet werden!“, verkündete Dalil mit so viel Pathos, dass Saif fast gelacht hätte, bevor er begriff, dass der alte Mann es todernst meinte.

Verheiratet? Saif versteifte sich. Ihm war sehr wohl bewusst, dass er es allein der Frauenfeindlichkeit seines Vaters verdankte, immer noch Single zu sein – im Gegensatz zu den meisten anderen Söhnen in seiner Position. Nach vier gescheiterten Ehen in Folge hatte Feroz das Vertrauen in Frauen verloren. Seine letzte Ehefrau, Saifs Mutter, hatte ihm von allen die tiefste Wunde zugefügt. Dass sie eine arabische Prinzessin mit tadelloser Herkunft war, hatte sie nicht davon abgehalten, mit einem anderen Mann durchzubrennen. Dass sie diesen Mann dann auch noch geheiratet hatte, gemeinsam mit ihm über ein anderes kleines Land herrschte und die Boulevardpresse voller Fotos war, die ihre Schönheit feierten, hatte noch mehr Salz in die Wunde gestreut.

„Und die Braut ist keine gute Wahl, fürchte ich“, fügte Dalil bedauernd hinzu, während er sich mit einem makellosen Taschentuch den Schweiß von der Stirn tupfte. „Der Emir hat alle respektablen Angebote aus Alharia und von unseren Nachbarn zurückgewiesen und eine Ausländerin gewählt.“

„Eine Ausländerin“, wiederholte Saif verwundert. „Wie ist das möglich?“

„Diese Frau ist die Enkelin von Rodney Hamilton, dem verstorbenen englischen Freund Ihres Vaters.“

Als junger Mann hatte der Emir eine militärische Ausbildung in Sandhurst genossen, wo er sich mit einem britischen Offizier angefreundet hatte. Jahrelang hatten die beiden Männer sich Briefe geschrieben, und einmal hatte es auch einen Besuch gegeben. Saif erinnerte sich dunkel an ein weinerliches kleines Mädchen mit blonden Zöpfen. Seine zukünftige Braut? War das möglich?

Dalil zog sein Handy hervor, das er sorgfältig vor dem Emir versteckt hielt, weil dieser Handys verabscheute. Er überflog einige Fotos und reichte es Saif mit den Worten: „Wenigstens ist sie eine Schönheit.“

Saif entging nicht, dass der Berater seines Vaters stillschweigend voraussetzte, dass er sich in die arrangierte Ehe mit einer Fremden fügen würde. Er schluckte schwer. Unbeeindruckt betrachtete er das Foto der lächelnden, schlanken Blondine im Abendkleid. Sie wirkte frivol und völlig ungeeignet für das Leben, das er führte. „Was weißt du über Sie?“, wollte er wissen.

„Tatiana Hamilton ist ein extravagantes Partygirl … nicht gerade die Art Frau, die man sich wünschen würde, aber früher oder später …“ Dalil zögerte, weil er nicht aussprechen wollte, dass die Tage des Emirs aufgrund seines Gesundheitszustands gezählt waren. „Früher oder später können Sie sich ja wieder scheiden lassen.“

„Und wenn ich mich weigere?“, warf Saif ein.

„Das können Sie nicht tun … Es würde Ihren Vater umbringen, wenn er sich jetzt aufregt!“, protestierte Dalil bestürzt. „Verzeihen Sie meine Offenheit, aber diese Schuld wollen Sie nicht auf sich laden.“

Saif atmete tief durch, als er begriff, dass er in der Falle saß. Er schluckte seinen Frust mit der Leichtigkeit eines Mannes hinunter, der es gewohnt war, dass andere für ihn die Entscheidungen trafen. Man hatte ihn zu einem pflichtbewussten Sohn erzogen, und es war eine große Herausforderung, dieses Muster gerade jetzt zu durchbrechen, wo sein Vater schwach und gesundheitlich angeschlagen war. Er wusste, dass er seinem traditionsbewussten Vater sehr wehtun würde, wenn er sich ihm widersetzte – selbst wenn arrangierte Ehen in Alharia seit Jahrzehnten aus der Mode waren. Ihm war auch bewusst, wie viel er seinem Vater schuldete, der ihm Vater und Mutter zugleich gewesen war.

Also würde er eine Fremde heiraten.

„Warum sollte ein verwöhntes englisches It-Girl mich überhaupt heiraten wollen?“, fragte er unvermittelt. „Wegen des Titels? Das kann ich mir nicht vorstellen.“

Dalils faltiges Gesicht verzog sich angewidert. „Wegen des Geldes, Königliche Hoheit. Wegen der großzügigen Mitgift, die Ihr Vater bereit ist, der Familie zu zahlen“, erklärte er. „Diese Hochzeit macht sie reich, und deshalb sollten Sie sich auch so schnell wie möglich wieder scheiden lassen.“

Saif war entsetzt. Diese Information warf ein denkbar schlechtes Licht auf seine zukünftige Braut und erfüllte ihn mit Abscheu. Es würde ihm mehr als schwerfallen, sich mit so einer prinzipienlosen Frau zu arrangieren …

„George hat mir einen Heiratsantrag gemacht!“, jubilierte Ana und kam aus dem Bad getänzelt, wo sie gerade mit ihrem Ex-Freund telefoniert hatte. „Ist das nicht typisch Mann? Ich musste erst nach Alharia kommen und kurz davor sein, einen anderen zu heiraten, um George so weit zu bekommen!“

„Na ja, es ist ein bisschen dumm von ihm, dass er so lange gewartet hat“, meinte Tati mit der ihr eigenen Nüchternheit und musterte ihre Cousine mit ihren mitfühlenden blauen Augen. „Ich meine, jetzt sind wir im Königspalast und du bist einem anderen versprochen. Die Vorbereitungen für die Hochzeit beginnen in weniger als einer Stunde.“

„Oh, ich werde die blöde Hochzeit doch nicht durchziehen – nicht, wenn George will, dass ich ihn stattdessen heirate!“, erklärte Ana strahlend und im Brustton der Überzeugung. „George hat mir schon einen Rückflug gebucht. Er holt mich am Flughafen ab, und dann fliegen wir weg und heiraten irgendwo am Strand.“

„Aber deine Eltern … das Geld.“

„Warum sollte ich irgendeinen reichen Prinzen heiraten, nur weil mein Vater bis zum Hals in Schulden steckt?“, unterbrach Ana sie mit unverhohlener Verbitterung.

Bei diesen unverblümten Worten zuckte Tati zusammen. „Na ja, ich war auch der Meinung, du solltest es nicht tun, aber du hast dich einverstanden erklärt. Wenn du jetzt einen Rückzieher machst, wird das für uns alle zum Albtraum. Dein Vater wird toben!“

„Ja, und darum wirst du mir helfen, Zeit zu gewinnen, damit ich aus diesem elenden Land wieder rauskomme“, erklärte ihre Cousine, ohne zu zögern.

„Ich? Wie soll ich dir denn helfen?“, fragte Tati verwundert, denn sie war das schwächste Mitglied der Familie Hamilton, die sprichwörtliche mittellose Verwandte, die von Anas Eltern wie eine Bedienstete behandelt wurde.

„Weil du diese albernen Hochzeitsvorbereitungen über dich ergehen lassen und so tun wirst, als wärst du ich. Dann wird niemand bemerken, dass die Braut verschwunden ist, bis es zu spät ist. Ich meine, in einem so rückschrittlichen Land versuchen die sonst vielleicht noch, mich am Flughafen aufzuhalten! Ich wette, es gilt als schweres Verbrechen, den Thronfolger vor dem Altar sitzen zu lassen!“, rief Ana und verdrehte melodramatisch ihre großen braunen Augen. „Glücklicherweise hat mich bis jetzt noch niemand von der Familie des Bräutigams gesehen, und Mum hält sich aus diesen arabischen Hochzeitsritualen raus, daher werden meine Eltern es erst in letzter Sekunde bemerken, und bis dahin sitze ich längst im Flugzeug!“

Tati atmete scharf ein, nachdem Ana ihre selbstbewusste kleine Ansprache beendet hatte. „Bist du sicher, dass du nicht nur kalte Füße bekommst?“

„Du weißt, dass ich George liebe, und zwar schon immer“, erwiderte ihre Cousine mit Nachdruck. „Hast du nicht zugehört, Tati? George hat mir endlich einen Heiratsantrag gemacht, und ich werde zu ihm nach Hause zurückkehren!“

Tati widerstand dem Impuls, ihre Cousine daran zu erinnern, in wie viele andere Männer sie in den vergangenen Jahren schon unsterblich verliebt gewesen war. Anas Gefühle waren unbeständig. Erst vor einem Monat hatte sie noch behauptet, sich auf ihre Hochzeit in Alharia zu freuen. Damals war Ana bei der Aussicht darauf, nie wieder Geldsorgen zu haben, genauso glücklich gewesen wie ihre Eltern. Aber das interessierte sie jetzt natürlich nicht mehr, denn auch George Davis-Appleton war ein sehr wohlhabender Mann.

„Ich kann dich verstehen“, seufzte Tati. „Aber ich möchte nicht darin verwickelt werden. Deine Eltern werden toben.“

„Sei nicht so eine Spielverderberin, Tati! Du gehörst doch zur Familie“, erklärte Ana, unempfindlich für die niedere Stellung ihrer Cousine in diesem erlauchten Kreis. „Mum und Dad kommen schon über die Enttäuschung hinweg. Dann müssen sie eben bei der Bank einen Kredit beantragen.“

„Dein Vater hat doch erzählt, dass sein Antrag abgelehnt wurde“, erinnerte Tati sie behutsam.

„Oh, wenn nur Granny Milly noch leben würde … Sie hätte uns geholfen!“, jammerte Ana. „Aber das ist nicht mein Problem … sondern Dads.“

Tati sagte nichts, dachte jedoch im Stillen, dass ihre verstorbene, heißgeliebte Großmutter wenig Verständnis für den extravaganten Lebensstil ihres Sohnes Rupert gezeigt hatte. Milly Tatiana Hamilton, nach der beide Mädchen benannt worden waren, hatte das eigentliche Vermögen der Familie jahrelang kontrolliert. Tati war überrascht gewesen, dass ihr Onkel schon wieder Schulden hatte, weil sie davon ausgegangen war, dass er nach dem Tod seiner Mutter eine stattliche Summe geerbt hatte.

„Leider ist sie tot.“ Tati seufzte schwer.

Natürlich erwähnte sie nicht, dass sie ein eigennütziges Interesse daran hatte, dass ihre Tante und ihr Onkel liquide waren, da es Ana gegenüber unfair gewesen wäre. Sie konnte kaum von ihrer Cousine erwarten, die Hochzeit nur Tati zuliebe durchzuziehen. Jedenfalls schien Ana nicht zu wissen, dass ihr Vater die Versorgung seiner Schwester Mariana im Pflegeheim zahlte. Tatis Mutter Mariana lebte seit Tatis Jugend dort – seit sie an einer frühen Form von Demenz erkrankt war.

„Also, machst du es?“, fragte ihre schöne Cousine.

Tati zuckte zusammen, weil sie wusste, dass sie es sich nicht leisten konnte, ihre Tante und ihren Onkel gegen sich aufzubringen, weil sie sonst möglicherweise die Zahlungen für ihre Mutter einstellten. Gleichzeitig war Ana für sie wie eine Schwester. Ana war mit ihren fast zweiundzwanzig Jahren nur zwei Jahre älter als Tati. Die beiden waren auf dem gleichen Landsitz aufgewachsen und hatten dieselben Schulen besucht. Obwohl sie komplett verschieden waren, liebte Tati ihre Cousine. Ana konnte verwöhnt und egoistisch sein, aber Tati war es gewohnt, auf Ana aufzupassen, als wäre sie die kleine, wehrlose Schwester, denn Ana war nicht gerade das hellste Licht im Hafen.

Für die bodenständige Tati war die Idee, einen unbekannten ausländischen Prinzen zu heiraten, um eine fette Mitgift einzustreichen, von Anfang an grotesk gewesen. Ihre Cousine hätte sich sofort weigern sollen, Prinz Saif zu heiraten, denn Ana war alles andere als selbstlos. Doch anfangs hatte sie sich in der Rolle der Heldin gefallen, die sich für ihre Familie aufopferte. Außerdem hatte die verlockende Aussicht auf Reichtum und Status ihr Ego gestreichelt, das nach Georges Absage an eine gemeinsame Zukunft einen Kratzer abbekommen hatte. Nun holte die Realität sie ein, und sie wollte schnellstmöglich das Weite suchen.

Für den Bruchteil einer Sekunde empfand Tati Mitleid mit dem Bräutigam, wer auch immer er war, denn in den sozialen Medien existierte er nicht. Alharia schien in allem Jahrzehnte hinterherzuhinken – so viel hatte Tati nach der Fahrt durch die endlose Wüste zu dem einsamen, vornehmlich viktorianisch eingerichteten Palast begriffen.

„So viel Geld, aber keine Ahnung, wie oder wofür sie es ausgeben sollen“, hatte ihre Tante Elizabeth nach ihrer Ankunft beklagt. Und sie hatte recht: Das Königshaus Basara bestand aus Ölmilliardären, aber von diesem Reichtum war wenig zu sehen.

Ana hatte jemanden kennengelernt, der geschworen hatte, Prinz Saif sei „atemberaubend gut aussehend“, aber sogar Ana zweifelte an der Wahrheit dieser Information. Selbst wenn der arme Kerl hässlich wie die Nacht war, für junge reiche Männer mit Titel fand man meistens ein schmeichelhaftes Adjektiv.

Tati wusste aus eigener Erfahrung, wie die Welt funktionierte, denn oft genug wurde sie neben ihrer viel hübscheren und dünneren Cousine als graue Maus wahrgenommen. Als uneheliches Kind war sie das schwarze Schaf der Familie. Dem Rest der Welt wäre das wahrscheinlich egal gewesen, doch die versnobten Hamiltons schämten sich für sie.

Beide Mädchen waren blond, aber Tati hatte blaue Augen, Ana braune. Ana war groß und schlank. Dafür hatte Tati schöne Haut, volles gesundes Haar und weibliche Kurven. Nicht, dass sie je etwas an ihrem Körper gefunden hatte, schon gar nicht, nachdem ihr erster richtiger Freund sich auf den ersten Blick in ihre Cousine verliebt hatte, obwohl Ana nicht das geringste Interesse an ihm gezeigt hatte.

„Hast du dir überlegt, wie du zum Flughafen kommen willst?“, fragte Tati ihre Cousine.

„Alles schon arrangiert“, erwiderte Ana selbstzufrieden. „Man muss nicht die Sprache verstehen, um sich zu verständigen. Ich habe ein paar Scheine gezückt und auf einen Wagen gezeigt. Er wartet schon unten auf mich.“

„Oh …“, flüsterte Tati bestürzt, als sie sah, wie Ana ihre Sachen zusammensuchte und wieder in den Koffer stopfte. „Es ist dir also ernst?“

„Natürlich ist es mir ernst.“

„Glaubst du nicht, es wäre besser, deinen Eltern die Wahrheit zu sagen?“, fragte Tati hoffnungsvoll.

„Machst du Witze?“, rief Ana. „Hast du eine Ahnung, was für ein Drama sie veranstalten würden?“

Tati nickte, denn natürlich wusste sie das.

„Das tu ich mir nicht an!“, erklärte Ana. „Also … Niemand darf merken, dass du nicht die Braut bist … Das ist alles, worum ich dich bitte, Tati, sonst nichts. Na, komm schon. Gib mir einen Kuss, und wünsch mir Glück!“

Tati stand zögernd auf und umarmte sie, denn sie wusste, wie dickköpfig Ana war und dass höchstens eine Atombombe sie von einem Plan abbringen konnte, den sie einmal gefasst hatte. „Werde glücklich, Ana“, sagte sie mit feuchten Augen und einem Gefühl der Beklemmung, das sich nicht abschütteln ließ.

Tati hasste es, wenn andere wütend wurden und sich anschrien, und sie wusste, dass es eine Riesenszene geben würde, sobald ihre Tante und ihr Onkel mitbekamen, dass ihre Tochter fort war. Sie würden ihr die Schuld geben, weil sie ihnen nicht Bescheid gesagt hatte. Gleichzeitig verstand sie die Bedenken ihrer Cousine. Anas Eltern hatten sich so auf diese Hochzeit versteift, dass sie ihre Tochter möglicherweise zur Rückkehr in den Palast zwingen würden. Wie konnte sie Ana dieser Gefahr aussetzen? Schließlich sollte niemand gezwungen werden, jemanden zu heiraten, den er nicht heiraten wollte.

Ana verabschiedete sich mit bewundernswerter Selbstverständlichkeit. Sie ließ sich sogar von einem unbedarften Bediensteten das Gepäck tragen, der keine Ahnung hatte, dass er der Braut des Prinzen zur Flucht verhalf. Tati saß auf dem Rand eines Stuhls in der Ecke des Zimmers und geriet allein bei der Vorstellung in Panik, sich vor den Leuten als ihre Cousine und zukünftige Braut auszugeben. Betrug war eigentlich ein absolutes Tabu für Tati, deren leiblicher Vater wegen Finanzbetrugs ins Gefängnis gewandert war. Ihre Mutter hatte sich entsetzlich für den Charakter ihres Mannes geschämt und ihre Tochter zu Anstand und kompromissloser Ehrlichkeit erzogen.

Während Tati noch mit sich haderte, klopfte jemand an die Tür und trat ein. Eine junge Frau mit einem strahlenden Lächeln, die sie freundlich auf Englisch begrüßte. „Tatiana? Ich bin Daliya, die Cousine des Prinzen. Ich studiere in England, und man hat mich gebeten, deine Dolmetscherin zu sein.“

„Alle nennen mich Tati“, erwiderte sie und dachte, wie albern es war, dass sie nicht einmal lügen musste, weil sie und ihre Cousine wegen der Dickköpfigkeit ihrer Mutter beide Tatiana Hamilton hießen. Tatis Mutter und Onkel hatten sich als Geschwister nie verstanden. Als Marianas Bruder Rupert sein Kind nach seiner Mutter benannt hatte, sah Mariana nicht ein, warum ihm allein dieses Privileg zustehen sollte. Aber natürlich hatte ihre Mutter damals nicht voraussehen können, dass die beiden Mädchen im selben Haus aufwachsen würden.

„Du wunderst dich sicher, wie viel Wert wir hier auf die Vorbereitung der Braut legen“, mutmaßte Daliya. „Lass es mich erklären. Das ist nicht typisch für Hochzeiten in Alharia, und schon lange nicht mehr üblich. Aber dies ist immerhin eine königliche Hochzeit. Alle Frauen, die dich heute begleiten, betrachten das als große Ehre. Die meisten gehören der älteren Generation an, und auf diese Weise demonstrieren sie ihren Respekt, ihre Loyalität und ihre Liebe zur Familie Basara und zum Thron.“

„Ich fühle mich geehrt“, presste Tati hervor, weil es sie schmerzte, bei so einem feierlichen Anlass die Hochstaplerin zu spielen. Die Erklärung des hübschen Mädchens beschämte sie zutiefst. Wenigstens wollte sie respektvoll und höflich sein, bis der gefürchtete Augenblick kam und die Leute begriffen, dass sie nicht die richtige Tatiana Hamilton war. Bei dem Gedanken daran schauderte sie.

„Dennoch wird es für dich sicher ungewohnt sein, und möglicherweise sind dir einige der Bräuche sogar unangenehm“, gab Daliya zu bedenken und musterte Tati mit ihren klugen braunen Augen. „Du bist sehr blass. Geht es dir gut? Ist es die Hitze?“

„Oh, das sind nur die Nerven!“, erwiderte Tati mit zittriger Stimme, während die junge Frau sie aus dem Zimmer und einen Korridor entlangführte. „Ich bin bei bester Gesundheit.“

Daliya lachte. „Die alten Damen, die sich um deine Fruchtbarkeit sorgen, werden sehr erfreut sein, das zu hören.“

„Meine F … f … fruchtbarkeit?“, stammelte Tati verständnislos.

„Selbstverständlich. Eines Tages wirst du Königin, und man hofft natürlich, dass du für den nächsten Thronfolger sorgst.“ Daliya runzelte überrascht die Stirn, als Tati bei dieser Antwort ins Stolpern geriet.

Für den Bruchteil einer Sekunde war Tati kurz davor zu enthüllen, dass sie nicht die richtige Tatiana war, weil es sich so falsch anfühlte, die Menschen bei so einem bedeutungsvollen Anlass hinters Licht zu führen. Doch schon betraten sie einen sehr großen Saal voller älterer Frauen, von denen manche traditionelle Gewänder trugen. Die meisten jedoch waren westlich gekleidet wie die junge Frau neben ihr.

Als sie bemerkte, dass alle Aufmerksamkeit auf sie gerichtet war – ein gänzlich ungewohntes Gefühl –, errötete Tati, so wie früher, wenn ihre Mitschülerinnen sie wegen ihrer Secondhand-Schuluniform und der ausgelatschten Schuhe gehänselt hatten. Die Großzügigkeit ihres Onkels, der ihr Schuldgeld zahlte, hatte nicht für solche Extras gereicht, und warum auch? Sofort tadelte sie sich im Stillen für diesen Moment der Undankbarkeit. Tati hatte ihre Mutter geliebt, aber manchmal hatte sie sich auch für sie geschämt. Mariana Hamilton hatte nie auf eigenen Beinen gestanden und nur gearbeitet, wenn sie gerade Lust dazu hatte. Tatis Mutter hatte sich darauf verlassen, dass andere ihre Rechnungen bezahlten, und Tati war im Gegenzug umso stolzer und unabhängiger. Jedenfalls so stolz und unabhängig, wie man sein konnte, wenn man gezwungen war, bei Onkel und Tante zu wohnen und nach deren Pfeife zu tanzen.

All diese Gedanken schossen ihr durch den Kopf, während sie überschlug, wie lange sie die zukünftige Braut spielen musste, bis Ana in Sicherheit war. Nur so überstand sie das furchtbare Baderitual. Kräuter und Öle wurden in ein dampfendes Bad gerührt, dann wurde sie in ein sittsames Tuch gehüllt, als würde sie einem mittelalterlichen Kloster beitreten, und ins Wasser gesetzt, um ihr Haar zu waschen. Daliya erleichterte ihr die Prozedur, indem sie ihr die Ursprünge der jeweiligen Rituale erklärte und gelegentlich einen diskreten Scherz einwarf.

„Du verstehst Spaß“, flüsterte Daliya anerkennend. „Das ist eine gute Eigenschaft für ein Mitglied der königlichen Familie. Ich glaube, die Frauen waren besorgt, dass du dir ihre Aufmerksamkeiten nicht gefallen lassen würdest.“

Tati gelang es, trotz ihres Unbehagens zu lächeln, denn sie wusste ganz sicher, dass niemand Ana dazu bekommen hätte, sich in ein Laken zu hüllen und in ein stinkendes Kräuterbad zu steigen. Ana hätte sich eiskalt geweigert, schon aus Sorge um ihre Frisur. Doch für Tati, die so etwas nicht kannte, weil ihr magerer Hungerlohn für Kleidung und kleine Geschenke für ihre Mutter draufging, war dieses Ritual auch etwas Besonderes.

„Du bist sehr tapfer“, sagt Daliya, während Tatis Haar ausgekämmt wurde.

„Warum sagst du das?“

„Du heiratest einen Mann, den du noch nie gesehen hast, mit dem du noch nie gesprochen hast … oder hast du dich heimlich mit dem Prinzen getroffen?“, fragte sie mit unverhohlener Neugier.

„Nein, habe ich nicht. Ist das hier nicht so Brauch?“

Da lachte Daliya laut. „Nein, schon seit Generationen nicht mehr. Wir gehen aus, wir daten. Natürlich alles sehr diskret. Nur der Emir folgt noch den alten kulturellen Traditionen, aber du musst dir keine Sorgen machen, dass der Prinz eine Enttäuschung ist. Hätte er schon früher heiraten wollen, hätten die Frauen sich um ihn gerissen.“

„Ja, er ist bestimmt ein guter Fang“, meinte Tati höflich.

„Saif ist ein sehr nachdenklicher, ernster Mensch“, murmelte Daliya leise. „Er wird in unserem Land sehr bewundert.“

Tati musste sich auf die Zunge beißen, um keine neugierigen Fragen zu stellen. Es ging sie nichts an. Die Hamiltons wussten so gut wie nichts über den Kronprinzen, weil es sie nicht interessierte. Die Mitgift war so ziemlich alles, was ihre Verwandten lockte, und Tati schämte sich für sie.

Inzwischen war es Daliya gelungen, die anderen Frauen davon zu überzeugen, dass die Kosmetikerin sich fürs Waxing allein mit Tati ins große Bad mit der Behandlungsliege zurückziehen durfte. Dafür war ihr Tati unendlich dankbar. Als sie feststellte, dass erst eine Stunde der Brautvorbereitung verstrichen war, seufzte sie schwer, denn ihre Cousine würde wesentlich länger brauchen, um Alharia zu verlassen. Ihr schlechtes Gewissen wurde immer größer.

Nach dem Waxing folgte eine Massage mit Duftölen. Ihre Nägel wurden lackiert, Hennamuster auf ihre Hände gezeichnet. Innerlich erschöpft schlief Tati dabei ein, und als Daliya sie sanft weckte, setzte sie sich auf und bekam sofort ein kaltes Getränk und einen leckeren Snack serviert, während die Frauen um sie herum eine Melodie summten. Ihre Uhr war verschwunden, und sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Daliya erklärte, sie müsse kurz weg, komme aber bald zurück.

Diese Information stürzte Tati in ein noch tieferes Dilemma. Eigentlich hatte sie geplant, Daliya über ihre wahre Identität aufzuklären und darüber, dass die echte Braut geflohen war. Doch da sie die Einzige war, die der englischen Sprache mächtig war, würde man ihr vielleicht die Schuld daran geben, nicht früher bemerkt zu haben, dass die Braut nicht die war, für die sie sich ausgab. Schweren Herzens beschloss Tati, auf einen weniger persönlichen, offizielleren Überbringer der schlechten Nachricht zu warten, bevor sie mit der Wahrheit herausrückte.

Eine Frau trug ein langes Seidenunterkleid herein, offenbar war es Zeit fürs Ankleiden. Tati würde sich sehr bald zu erkennen geben müssen. Bei dem Gedanken wurde ihr schlecht. Doch ich will wenigstens angezogen sein, überlegte sie, während sie schweigend dastand und wie eine ägyptische Mumie in Schichten von Tuniken und Petticoats eingepackt wurde. Als Daliya endlich zurückkam, war Tati kurz davor, an ihren Nägeln zu kauen. Allerdings wagte sie es nicht, weil sie niemanden kränken wollte. Was albern war, wenn man bedachte, wie gekränkt alle sein würden, wenn sie die schreckliche Wahrheit erfuhren.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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