Die falsche Geliebte des Königs

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Ist erotisches Knistern Hochverrat? Dann ist Cat schuldig, denn zwischen ihr und Alexander, König von Bengaria, prickelt es heiß! Dabei ist er doch so gut wie mit ihrer Halbschwester Prinzessin Amelie verlobt. Weil diese spurlos verschwunden ist, spielt Cat wegen ihrer verblüffenden Ähnlichkeit deren Rolle. Sehr erfolgreich! Denn Alexander fällt auf die Scharade ein, und obwohl Cat weiß, dass es ein Fehler ist, gibt sie sich ihm hin. Auch wenn ihr aufregendes Liebesglück in tausend Scherben zerbricht, wenn die echte Prinzessin wieder auftaucht!


  • Erscheinungstag 22.05.2018
  • Bandnummer 2337
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710163
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Cat schwang sich über eine niedrige Wand. Wie immer beim Parcourslaufen, fühlte sie sich herrlich lebendig. Ihr Atem ging schneller, doch ihre Bewegungen blieben extrem kontrolliert, während Paolo und sie durch das leere Fabrikgebäude jagten.

Sie spannte sich an, machte einige schnelle Schritte an einer Wand hoch, sprang ab und packte den Rand eines glaslosen Dachfensterrahmens. Im Schwingen zog sie sich wie eine Katze hoch und über den Rand. Dort preschte Paolo plötzlich an ihr vorbei. Sie war zwar schnell und wendig, aber er hatte dafür wesentlich mehr Kraft im Oberkörper.

Mit einem riesigen Satz war er weg, quer über das Dach, um gleich darauf in ein leeres Treppenhaus zu springen, während sie sich beeilte, ihm zu folgen. Im Vorbeirennen stützte sie sich auf Treppengeländern, Mauern und Balustraden ab und hatte ihn fast eingeholt, als sie gemeinsam den äußeren Bauzaun erreichten.

„Heute habe ich gewonnen“, brachte er keuchend hervor.

Cat nickte und stemmte beide Hände auf die Knie. Ihr Pferdeschwanz hing ihr über die Schulter, während sie tief durchatmete. „Ja, dein Lauf war absolut tadellos“, gab sie zu.

Er grinste. „Könnte er dir gar als Vorbild und Anreiz dienen?“

Spielerisch schlug sie gegen seinen Arm. „Er hat leider nur fast meinem Standard genügt.“

Sie gingen zum Ausgang.

„Gleiche Zeit, nächste Woche?“, erkundigte Paolo sich.

„Möglicherweise habe ich einen Job außerhalb der Stadt. Ich rufe dich an.“

Er nickte und schloss seinen Wagen auf. „Soll ich dich mitnehmen?“

Doch sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich will noch ins Fitnessstudio.“

Es lag direkt um die Ecke, und sie wollte nach den Kids sehen, die sie dort trainierte. Die meisten von ihnen waren Teenager mit persönlichen Problemen, genau wie sie selbst damals. Aber sie zeigten Ehrgeiz und Talent, und Cat genoss die gemeinsame Zeit mit ihnen, solange sie sich zwischen zwei Jobs befand.

Gedankenverloren nahm sie die schmale Gasse hinter sich als Abkürzung und bemerkte die drohende Gefahr fast zu spät. Die glänzende Limousine vor ihr wirkte in diesem Teil New Yorks völlig fehl am Platze, und der hochgewachsene Kerl mit der deutlich sichtbaren Beule unter dem Jackett, der daneben an der Hausfassade lehnte, hätte ihr eigentlich sofort auffallen müssen.

Blitzschnell stieß er sich von der Wand ab, aber Cat war noch schneller. Als er die Hand nach ihr ausstreckte, duckte sie sich, packte gleichzeitig seinen Unterarm und brachte den Fremden mit einer energischen Drehung zu Boden. Dann drückte sie ihm ihr Knie fest zwischen die Schulterblätter und nahm ihm seine Waffe ab.

„Miss Dubois!“

Sie drehte sich um und sah einen zweiten Mann vor der offenen Tür der Limousine stehen. Er war schlank, trug einen schwarzen Anzug und hatte die Augen vor Überraschung weit aufgerissen. Unter ihr gab der erste Mann ein unterdrücktes Stöhnen von sich.

„Miss Dubois, bitte. Ich möchte mich nur mit Ihnen unterhalten.“

Hörbar stieß sie den Atem aus, und die Alarmglocken in ihrem Hinterkopf schrillten. Denn dieser Fremde sprach kein Englisch, sondern ihre Muttersprache: einen relativ eigenen, französischen Dialekt.

„Wer sind Sie?“ Vorsichtig verlagerte sie das Gewicht, damit ihr Gegner unter ihr besser Luft bekam. Sein Handgelenk hielt sie dabei immer noch fest umklammert.

Der andere Mann kam etwas näher. „Ich bin der US-Botschafter von St. Galla und würde Ihnen gern ein Arbeitsangebot unterbreiten. Darf ich Ihnen meine Karte und meinen Ausweis zeigen?“

Er kam noch näher an sie heran und hielt ihr die Papiere hin. Auf den ersten Blick wirkten sie vollkommen echt.

Cat stand auf und steckte sich die Pistole in den Hosenbund. „Wenn Sie ein Gespräch wünschen, warum schicken Sie dann ihn?“ Mit einer wegwerfenden Handbewegung zeigte sie auf den riesigen Kerl, der noch immer zu ihren Füßen lag.

Der Botschafter schnitt eine Grimasse. „Mir wurde angedeutet, Sie hätten möglicherweise Einwände gegen einen Annäherungsversuch durch die Vertretung von St. Galla, und ich musste sicherstellen, dass Sie mir zuhören würden. Seine Anweisung lautete lediglich, Sie zum Wagen zu bringen, damit wir beide miteinander sprechen können.“

Der Bodyguard rappelte sich schwerfällig auf, rollte ein bisschen die Schultern und nickte knapp. „Taktischer Fehler“, gestand er ein. „Ich wusste, Sie sind eine von uns, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet …“ Hilflos hob er die Schultern und zuckte gleich darauf vor Schmerz zusammen.

„Ich bin an keiner Arbeit in St. Galla interessiert“, gab sie zu verstehen. Mit achtzehn Jahren, gleich nach dem Begräbnis ihrer Mutter, hatte sie ihre Heimatinsel verlassen. An jenem Ort hielt sie nichts mehr, seit der einzige Mensch, den sie je geliebt hatte, tot war.

Der Botschafter kniff die Augen zusammen. „Da gibt es jemanden, der Ihre Meinung ändern könnte.“

„So?“

„Ja. Der Premierminister wartet auf Sie.“

Cat richtete den Blick auf die dunkelgetönten Scheiben der Limousine.

„Ein Ferngespräch“, erklärte der Botschafter. „Erlauben Sie mir, Ihnen die Privatsphäre meines Wagens für diese Unterredung anzubieten.“

Wut und Verwirrung hielten Cat davon ab, sofort einzulenken. Doch am Ende siegte die Neugier, und sie fand sich im Inneren der Limousine wieder, wo sie auf einen Bildschirm starrte, der das Konterfei des Premierministers von St. Galla zeigte – Monsieur Barthe. Und er sah geschockt aus.

„Bei Gott, Sie sehen ihr wirklich zum Verwechseln ähnlich! Ich kenne zwar die Fotos, aber …“

Cat bekam eine unangenehme Gänsehaut. Es fühlte sich an, als würden ihr tausend Ameisen über den Körper krabbeln. Und schlagartig kamen all die schmerzhaften Erinnerungen zurück, von denen sie jahrelang verschont geblieben war.

„Von wem ist hier die Rede?“, wollte sie wissen, als wäre ihr das nicht längst vollkommen klar.

„Prinzessin Amelie.“ Fassungslos schüttelte der Premierminister den Kopf. „Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend.“

Cat blieb stumm. Sie hatte früh gelernt, den Moment zu erkennen, in dem es nichts mehr zu sagen gab. Als Kind waren die Hänseleien und scharfen Angriffe irgendwann unerträglich geworden. Sie hatte alles versucht. Hatte die andere Wange hingehalten, alles ignoriert oder auch mal zurückgeschlagen, wenn das Ganze in einer körperlichen Auseinandersetzung gipfelte.

Doch sie war immer nur tiefer in Schwierigkeiten geraten. Auf der anderen Seite hatte diese hoffnungslose Situation ihr Interesse für Kampfsport geweckt. Martial Arts. Und genau das war irgendwann der Schlüssel zu ihrer Flucht geworden.

Sie presste die Kiefer fest aufeinander und hasste das Gefühl der Ohnmacht und Wehrlosigkeit, an das sie sich noch gut erinnerte und das sie aus dem Nichts erneut überfiel. Als hätte es die vergangenen zehn Jahre gar nicht gegeben. Als wäre alles verschwunden, was sie seitdem erreicht hatte.

„Miss Dubois, ich habe eine sehr wichtige und vertrauliche Anstellung für Sie.“

„Ich verhalte mich immer diskret.“ Als Personenschützerin für Prominente war dieses Credo oberstes Gebot. „Aber ich bin nicht interessiert.“

„Es geht um Ihr Land.“

Ihr Land konnte ihr gestohlen bleiben! Sie hatte es gar nicht abwarten können, die Insel endgültig hinter sich zu lassen. Ihre ersten achtzehn Lebensjahre waren ein Spießrutenlauf gewesen. Ständig hatte sie ihren eigenen Ruf und den ihrer Mutter öffentlich verteidigen müssen. Nur um dann in ihren eigenen vier Wänden zu erleben, wie der Mann, den sie Vater nennen musste, ihre Mutter niederstreckte.

„Trotzdem bin ich nicht interessiert.“

„Obwohl Lambis Evangelos Sie persönlich empfohlen hat?“

Lambis? Er war der Beste im Geschäft. Seine Firma hatte die besten Bodyguards unter Vertrag, die man sich vorstellen konnte. Sie waren sich damals in Chicago begegnet, als sie für die berühmte Sängerin Afra gearbeitet hatte. Und Cat hatte sich durch sein Lob und sein Angebot geschmeichelt gefühlt, dass er sie immer und jederzeit einstellen würde, wenn sie zu ihm kam.

Aber in St. Galla arbeiten? Der Gedanke jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. „Ich schlage vor, Sie suchen sich jemand anderen.“

Kluge Augen taxierten sie. Die nächste Frage würde wohl lauten, weshalb sie nicht in ihre Heimat zurückkehren wollte. Als würde sie jemandem ihre wahren Gründe anvertrauen! Die einzigen Personen, die die Wahrheit kannten, waren tot. Und sie selbst würde niemals jemanden in ihre dunklen Geheimnisse einweihen.

„Es gibt genügend andere Personenschützer.“ Auch wenn Cat mit Stolz behaupten konnte, dass ihre Kunden sie wieder und wieder buchten. Vor allem Frauen fühlten sich mit einem weiblichen Bodyguard an ihrer Seite sehr viel wohler.

Seine Stimme wurde einen Ton tiefer. Vertraulicher. „Wir benötigen Ihre besonderen … Fähigkeiten. Mr. Evangelos schlug Sie vor, weil wir ein Double für Prinzessin Amelie benötigen.“

Ihr Puls beschleunigte sich. „Ist sie in Gefahr?“ Sie war der Prinzessin zwar nie persönlich begegnet, fühlte sich aber dennoch auf gewisse Weise mit ihr verbunden.

„Nicht gerade in Gefahr“, antwortete der Premierminister ausweichend. „Obwohl die Situation ziemlich delikat ist.“

„Welche Situation?“

„Die Prinzessin ist … fort.“ Es folgte eine kurze Pause, da er offenbar nach den richtigen Worten suchte. „Wir sind uns nicht sicher, wann genau sie zurückkehren wird. In der Zwischenzeit ist es allerdings außerordentlich wichtig, dass sie an einem kleinen Empfang innerhalb des Palasts teilnimmt. Diese Veranstaltung lässt sich keinesfalls absagen … um der Prinzessin und der ganzen Nation willen!“

Cat starrte auf den Bildschirm. „Sie wollen, dass ich für Sie Prinzessin Amelie verkörpere? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“ Sie war damit aufgewachsen, ständig mit ihrer vermeintlichen Doppelgängerin verglichen zu werden. Die Prinzessin war charmant, elegant, grazil und kultiviert – im Gegensatz zu Cat, die High Heels hasste und noch nie in ihrem Leben ein Abendkleid getragen hatte.

„Ich meine das völlig ernst“, entgegnete er scharf. „Sie müssten mit niemandem zusammentreffen, der die Prinzessin wirklich gut kennt. Es geht nur um den offiziellen Auftritt, ein bisschen Smalltalk, und schon ist die ganze Sache erledigt.“

„Ausgeschlossen.“

„Würde eine angemessene Vergütung Ihre Meinung vielleicht ändern?“ Er nannte ihr eine astronomisch hohe Summe. „Geld spielt keine Rolle für uns“, schloss er, nachdem sie ungläubig den Kopf geschüttelt hatte.

Mit diesem Lohn könnte sie sich ihren Traum verwirklichen. Schließlich wollte sie nicht ewig als Personenschützerin arbeiten. Keiner wusste, wie lange ihr angeschlagenes Knie die körperlichen Belastungen durchhalten würde. Im letzten Jahr hatte Cat sich ernsthaft verletzt, als sie Afra vor einem vorbeirasenden Auto rettete, das von einem übergeschnappten Stalker gelenkt worden war. Es hatte sie viel Zeit und Kraft gekostet, zu ihrer vorherigen Fitness zurückzufinden.

Andere Qualifikationen besaß Cat nicht, auch keine anderen Karrierepläne. Sie liebte die Arbeit mit den Kids: negative Energie in körperliche Ertüchtigung umwandeln und neue Perspektiven für sie schaffen. Das war ihre Berufung. Für sich selbst und die Teenager wollte sie ein Zentrum errichten, das sich ausschließlich dieser wichtigen Arbeit widmete.

„Die Hälfte des Geldes wird sofort überwiesen, der Rest nach Beendigung des Auftrags“, erklärte der Minister und sah ihr dabei fest in die Augen.

Er wusste längst, dass er sie überzeugt hatte.

„Oberflächlich betrachtet mag ich aussehen wie sie, aber ich bin einfach keine Prinzessin“, gab sie zu bedenken. „Jeder würde den Unterschied bemerken.“

„Das stellt kein Problem dar. Sie reisen rechtzeitig vor dem Event an und werden im Palast in allen Dingen unterwiesen, die Sie wissen müssen. Betrachten Sie es doch einfach als Gelegenheit, einmal das Leben der oberen Zehntausend zu führen“, setzte er amüsiert hinzu.

Diese Bemerkung stieß ihr sauer auf. Wie oft hatte sie sich früher ausgemalt, wie es wohl wäre, diese wunderbare Amelie zu sein? Das Leben eines reichen und geliebten Kindes zu führen, das von einer ganzen Nation angebetet wurde – und natürlich von ihrem Vater …

In diese Fantasie hatte Cat sich oft geflüchtet, wenn ihre eigene Realität zu brutal wurde. Doch solche Sehnsüchte hatte sie schon vor Jahren ad acta gelegt. Umso erstaunlicher war es, dass sie heute urplötzlich wieder erwachten!

„Ich verdopple das Angebot“, riss der Minister sie aus ihren Gedanken.

Offenbar hatte er ihre Zweifel und ihre Unsicherheit bemerkt. Und Cat konnte kaum glauben, was sie da hörte. Was, um Himmels willen, ging hier eigentlich vor?

„Die Prinzessin … befindet sie sich im Augenblick in Sicherheit“, fragte sie und bemühte sich – trotz dieser umwerfenden, einmaligen Chance für ihre eigene Zukunft – um Professionalität.

„Das lässt sich schwer sagen. In jedem Fall sind Sie ihr eine große Hilfe, indem Sie den Auftrag annehmen.“

Die Rückkehr in ihre Heimat fühlte sich für Cat wie ein Verrat an sich selbst an. Andererseits konnte sie bei dieser Mission weitaus mehr Geld verdienen, als ihr die nächsten Jahre als Bodyguard einbringen würden.

Was für eine Ironie! Die uneheliche Halbschwester bekam am Ende doch die Gelegenheit, das Leben auf der anderen Seite kennenzulernen! Ein Leben, das ihr vom Schicksal verwehrt geblieben war.

Da regte sich nicht bloß Neugier in Cat, sondern auch der heimliche Wunsch, den Teil ihrer Familie kennenzulernen, den es bisher für sie nicht hatte geben dürfen. Vielleicht sogar ihre Schwester zu treffen!

Sie räusperte sich, ehe ihr die Emotionen endgültig die Kehle zuschnürten. Ihr war es unangenehm, wie sehr sie im Verborgenen nach Anschluss und Nestwärme gierte. Schließlich hatte sie geglaubt, diese Schwäche schon vor Jahren überwunden zu haben.

„Schicken Sie mir bitte einen entsprechenden Vertrag zu“, bat sie.

Ein gewinnendes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Politikers aus. „Sie werden Ihre Entscheidung nicht bereuen, Miss Dubois.“

Das tat sie jetzt schon. Aber sie musste es durchziehen. Nicht nur, um sich einen Lebenstraum zu verwirklichen, sondern vor allem, um endlich mit ihrer Vergangenheit abschließen zu können.

1. KAPITEL

Alex streckte sich und starrte hinaus auf die azurblauen Tiefen des Mittelmeeres.

Er hatte gar nicht herkommen wollen. Wäre es ihm irgendwie möglich gewesen, den Feierlichkeiten in St. Galla fernzubleiben, hätte er diese Chance genutzt. Vor allem, weil seine Mutter schon an einem Heiratsantrag feilte und Prinzessin Amelie ständig als die perfekte Braut für ihn anpries.

Dabei war er erst zweiunddreißig Jahre alt – aber bereits seit drei Jahren König. Trotzdem gab es für ihn weitaus wichtigere Dinge als eine Eheschließung, ganz egal, wie oft ihm seine Berater damit in den Ohren lagen!

Seine Karriere aufzugeben, um Bengaria zu regieren, war ganz und gar nicht sein Plan gewesen! Alex ballte die Hände zu Fäusten, während er sich über die glänzende Reling seiner Yacht lehnte.

Sein Cousin Stefan sollte ursprünglich auf dem Thron sitzen, wäre er nicht tödlich verunglückt und Alex’ Vater in der Thronfolge nachgerückt. Sein alter, untalentierter Herr … durch dessen Schuld Bengaria beinahe bankrottgegangen wäre. Es hatte Alex eine ungeheure Anstrengung gekostet, das Land nach Jahren der Misswirtschaft wieder aus den roten Zahlen zu holen.

Kein Wunder, dass sich jeder eine Hochzeit zwischen ihm und Amelie wünschte. St Galla war extrem wohlhabend und konnte Bengaria den nötigen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren, den die Menschen sich herbeisehnten.

Seufzend fuhr er sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. Nur wegen seiner Mutter hatte er diesem Besuch letztendlich zugestimmt. Sie hatte im Verlauf ihrer eigenen Ehe viel gelitten. Alex selbst war der Kontrolle seines Vaters irgendwann entflohen, indem er Bengaria verließ und Pilot wurde. Doch sie blieb damals in der lieblosen Ehe mit einem verabscheuungswürdigen Mann gefangen.

Ein vertrauter Schauer des Ekels durchfuhr ihn beim Gedanken an seinen Vater.

Unter den gegebenen Umständen war es für Alex eine kleine Wiedergutmachung für das Elend seiner Mutter, wenn er jetzt Amelie traf – die Tochter ihrer besten Freundin. Er würde an dem Empfang anlässlich der fünfhundertjährigen Freundschaft zwischen den beiden Ländern teilnehmen, anschließend nach Hause zurückkehren und verkünden, dass Amelie nicht die passende Frau für ihn sei.

Nachdem dieser Plan gefasst war, empfand Alex es sogar beinahe als angenehm, hier an Deck zu stehen und sich den Rücken von der Sonne wärmen zu lassen. Plötzlich fühlte er sich so beschwingt wie seit Jahren nicht mehr. Diese wenigen freien Tage waren zudem sein erster Urlaub als König, auch wenn er bisher die meiste Zeit auf seiner Luxusyacht mit Arbeit verbracht hatte.

Während er übers Deck schlenderte und überlegte, ob er vielleicht eine Runde schwimmen sollte, hörte er von Weitem lautes Rufen.

Verwundert drehte er den Kopf zur Seite, hörte noch einen Schrei und dann ein Platschen.

Alex kniff die Augen zusammen, um gegen die Sonne besser sehen zu können, und machte in der Ferne ein Kanu aus … und ein paar winkende Arme. Noch ein Schrei, dann ging der Kopf unter Wasser.

„George!“, rief Alex und fing an zu laufen. „Lass das Beiboot runter! Da ist jemand in Schwierigkeiten.“ Denn die zwei Personen, die er beobachtete, schwammen nicht. Eine trieb regungslos neben dem Kanu, die zweite zappelte wenige Meter daneben in den Wellen herum.

Mit einem kraftvollen Hechtsprung ging Alex von Bord, und das kalte Meer war für seinen aufgeheizten Körper ein Schock. Sobald er an die Oberfläche kam, begann er in Richtung Unfallstelle zu kraulen.

Wieso waren die beiden überhaupt bei diesen ruhigen Wetterverhältnissen verunglückt? Und weshalb trugen sie keine Schwimmwesten? Einer von ihnen ging ja sogar schon unter!

Kraftvoll beschleunigte er seine Bewegungen, holte immer wieder tief Luft und hoffte inständig, dass er die Verunglückten noch rechtzeitig erreichte. Dann bemerkte er noch einen dritten Kopf über der Wasseroberfläche, doch er stellte schnell fest, dass diese Frau wenigstens schwimmen konnte.

In den Armen hielt sie einen Jungen und stützte sein Kinn, damit er atmen konnte. Dabei bewegte sie sich rückwärts wieder auf das Kanu zu.

„Sind Sie okay?“, rief er ihr zu.

Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, und er sah in ein Paar leuchtend grüne Augen, die ihn an taufrische Bergwiesen erinnerten.

„Das wären wir, wenn er mal aufhören würde, gegen mich anzukämpfen“, gab sie frustriert zurück.

Der Teenager schlug tatsächlich wild um sich, während sie ihm energisch klarmachte, dass er sich ruhig verhalten und sie ihre Arbeit machen lassen sollte.

Da die Frau die Situation unter Kontrolle zu haben schien, widmete Alex sich dem zweiten Opfer, das kaum noch bei Bewusstsein war. Das Kanu trieb verkehrt herum im Meer, und Alex sah keine Möglichkeit, es wieder umzudrehen und gleichzeitig den zweiten Jungen zu retten. Also hievte er ihn hoch über den Kiel des Bootes, bis die Arme des Teenagers auf der anderen Seite herunterhingen und der Körper stabil lag.

Anschließend drehte Alex sich zu der Frau um, die inzwischen dicht hinter ihm schwamm.

„Kommen Sie, ich helfe Ihnen“, sagte er.

Sie nickte und erklärte dem Jungen in ruhigem Ton, was sie gleich tun würden. Danach hielt sie das umgedrehte Kanu ruhig, während Alex den zweiten Jungen neben den ersten hievte.

Alex’ Arme und Schultern brannten vor Anstrengung, und er verzog das Gesicht. In Zukunft musste er wirklich öfter mal aus dem Büro rauskommen, um sich körperlich fit zu halten!

„Das wird schon wieder, keine Sorge.“

Erst nach wenigen Sekunden begriff er, dass die Frau nicht mit ihm, sondern mit den Jungs redete. Sie war ums Boot auf die andere Seite geschwommen, um die beiden zu untersuchen.

Er folgte ihr und bemerkte erleichtert, dass die Teenager leise keuchten und husteten. Hinter sich hörte er, wie ein Motor gestartet wurde.

„Hilfe ist unterwegs“, verkündete er. „Gleich kommt das Beiboot von der Yacht.“

Sie nickte kurz und konzentrierte sich weiter auf ihre Aufgabe, was Alex Gelegenheit gab, die Fremde etwas genauer zu betrachten. Sie hatte hohe Wangenknochen, eine schmale, gerade Nase und weiche, volle Lippen. Meerjungfrauen galten ja gemeinhin als sehr hübsch, und diese hier war keine Ausnahme.

Plötzlich hob sie den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Sofort spürte Alex eine besondere Verbindung zwischen ihnen. War es denn schon so lange her, seit ihm eine schöne Frau begegnet war, dass er seine Reaktionen nicht mehr im Griff hatte?

„Was ist?“, fragte sie.

„Nichts“, antwortete er hastig. „Ich schwimme mal rüber zu George, wenn Sie hier bei den Jungs bleiben können.“

„Natürlich.“

Ihre Stimme hatte einen speziellen Klang, der ihm direkt unter die Haut ging und ihm obendrein verriet, dass Englisch nicht ihre Muttersprache war. Unwillkürlich fragte er sich, wie wohl sein Name aus ihrem süßen Mund klingen mochte …

Zügig wandte er sich ab, ehe er noch auf weitere dumme Gedanken kam. Gemeinsam mit George lud er die Teenager in das Beiboot um, wobei ihnen die fremde Blondine hilfreich zur Hand ging.

„Ich kann Sie auch ein Stück aus dem Wasser heben“, bot er ihr an.

„Nicht nötig.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln, und sein Herz schlug schneller.

Zuerst diese grünen Augen, dann ihre Stimme und jetzt auch noch dieses strahlende Lächeln. Alex war hin und weg. Und ehe er sich’s versah, hatte sie ihre Hände auf den Rand des Bootes gelegt und stemmte sich mühelos in die Höhe. Er sah feste Brüste, die sich durch das nasse Shirt abzeichneten, eine schmale Taille, knappe Shorts und lange, golden gebräunte Beine.

Stöhnend klammerte er sich an den Bootsrumpf und merkte, wie sich sein Verlangen regte. Schon immer hatte er eine Schwäche für tolle Beine gehabt.

„Soll ich Ihnen helfen?“, fragte sie und streckte ihm lachend ihre Hand entgegen.

In diesem Moment wusste er, dass er nach wie vor der impulsive Draufgänger von früher war: unbeschwert und unbeeindruckt von der Krone. Am liebsten hätte er seinen Arm um diese geheimnisvolle Schönheit geschlungen und sie stürmisch geküsst.

„Ich komme schon klar“, presste er hervor und kletterte ins Boot.

Als ihre Augen größer wurden, fiel ihm ein, dass er vollkommen nackt ins Meer gesprungen war. Schließlich war er gerade erst aufgewacht, und die Crew hatte sich schon daran gewöhnt, dass er morgens als Erstes an Deck den Tag begrüßte, ehe er sich anzog.

Ihr Blick hing etwas zu lange am unteren Teil seines Körpers, und sein Puls beschleunigte sich.

„Sie waren anscheinend nicht auf Gesellschaft vorbereitet“, bemerkte sie lächelnd.

Noch ein Pluspunkt für sie. Heutzutage hatten kaum noch Frauen echten Sinn für Humor. Er vermisste das sehr. Vor seiner Amtszeit als König war er Teil eines eng zusammenarbeitenden Teams gewesen, in dem der lockere Umgangston die Arbeit um ein Vielfaches leichter gemacht hatte.

Er machte einen Schritt vorwärts und drehte ihr dann den Rücken zu. Das war besser, als wenn sie mitbekam, welchen Effekt ihre Gegenwart auf seine Männlichkeit hatte – auch wenn er ihre neugierigen Blicke buchstäblich auf seinem Hintern spüren konnte!

Auf sein Zeichen hin startete George den Motor. Einer der Jungs hatte eine üble Platzwunde an der Schläfe, und auf der Yacht gab es einen Erste-Hilfe-Kasten. Zumindest schien es den Unfallopfern von Minute zu Minute besser zu gehen.

Als die fünf endlich an Bord der Yacht waren, überließ Alex es George, die beiden Verletzten zu verarzten, und ging unter Deck, um sich anzuziehen. Er wählte eine alte Jeans und ein weißes Hemd. Seine Haut prickelte, als er sich ins Gedächtnis rief, wie seine blonde Meerjungfrau ihn vorhin angeschaut hatte.

Das Timing hätte allerdings nicht ungünstiger sein können. Falscher Ort, falsche Zeit, falsche Person. Würde er seinen Instinkten folgen und sich hier und jetzt auf eine Affäre einlassen … Die Komplikationen wären verheerend. In zwei Ländern hofften zahllose Menschen auf eine baldige königliche Hochzeit!

Dabei hatte Alex es ganz und gar nicht auf eine Ehe abgesehen.

„Da kommt ja Alex“, sagte George, der Kapitän, und Cat sah hoch.

Alex, der Besitzer dieser wunderschönen Yacht, kam mit lässigen Schritten auf sie zu. Selbstsicher und sehr, sehr sexy.

Ihr wurde heiß, als sie an seinen durchdringenden Blick auf dem Boot dachte. Wie er splitternackt vor ihr gestanden hatte … mit einem wilden Glanz in seinen tiefblauen Augen.

Autor

Annie West
Mehr erfahren