Die süße Rache des Playboys

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Eine nackte Venus in seiner Dusche! Wer ist diese hinreißende Fremde, die Russell McClain an eine erotische Göttin erinnert? Die Antwort: Die Tochter seines ärgsten Feindes. Nur um sich zu rächen, hat Russell dessen Anwesen in Sydney gekauft - und Nicole besitzt noch die Schlüssel! Und plötzlich ist da ein höchst verführerischer Plan: Was, wenn Russell diese Schönheit zu seiner Geliebten macht und sie dann fallen lässt? Wäre die Rache dann nicht perfekt? Doch zum ersten Mal in seinem Leben hat der Milliardär und Playboy die Rechnung ohne sein Herz gemacht


  • Erscheinungstag 23.01.2010
  • Bandnummer 1906
  • ISBN / Artikelnummer 9783862954452
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Russell umklammerte das Lenkrad fester. Er war bei der angegebenen Adresse angelangt.

„Mr. Power ist heute nicht im Büro“, hatte man ihm eine halbe Stunde zuvor bei Power Hypotheken erklärt, als er hereingestürmt war, um Alistair Power, den Chef der mächtigen Finanzierungsgesellschaft, zu sprechen.

Anfangs hatte die Empfangsdame sich geweigert, Russell zu sagen, wo er Power finden könnte. Sie schien zu ahnen, dass der aufgebrachte junge Mann vor ihrem Tresen Ärger machen würde. Doch nachdem Russell ihr versichert hatte, er müsse mit ihrem Chef dringend geschäftlich über den tragischen Tod eines Geschäftspartners sprechen, hatte sie ihm schließlich die gewünschte Auskunft gegeben. Mr. Power und seine Gattin seien auf der Baustelle ihres neuen Besitzes im exklusiven Vorort Belleview Hill außerhalb von Sydney.

Russell hatte sich ein Lächeln abgerungen, nachdem die Frau ihm die Adresse aufgeschrieben hatte.

Jetzt lächelte er nicht. Verbittert blickte er zu dem mächtigen Bau auf, der ein hochherrschaftliches Anwesen zu werden versprach. Erstaunlich, was man mit anderer Leute Geld kaufen konnte!

Russell steuerte seinen rostigen alten Wagen über die Kiesauffahrt bis direkt vor den Eingang des dreigeschossigen Herrenhauses. Der Rohbau war vollendet, Dach und Eingangsstufen waren fertig. Ein Mann mittleren Alters im eleganten Straßenanzug stand auf der Veranda, neben ihm eine langbeinige Blondine.

Offenbar Powers Trophäe – seine Frau.

Russell konnte nicht mehr klar denken. Beim Anblick des Mannes, dessen Gier seinen Vater zur Verzweiflung und in den Tod getrieben hatte, ging sein Hass mit ihm durch. Zu allem entschlossen, stieg er aus und stürmte, die Hände zu Fäusten geballt, die Stufen hinauf.

„Alistair Power!“, schrie er.

Der Mann betrachtete ihn mit seinen kalten grauen Augen. Russells Kampfbereitschaft schien ihn nicht weiter zu beunruhigen.

„Ja. Was kann ich für Sie tun?“ Nicht zu fassen! Der Mann wirkte völlig ruhig, obwohl er sehen musste, dass sein Gegenüber mörderischer Stimmung war.

Russell widerstand der Versuchung, Power auf der Stelle zusammenzuschlagen. Erst sollte der Kerl hören, wer er war, und warum er hier war.

„Ich dachte, Sie sollten erfahren, dass mein Vater sich vorige Woche das Leben genommen hat.“

Power zog die Brauen hoch. „Und wer ist Ihr Vater?“

„Keith McClain.“

„Der Name sagt mir nichts. Ich kenne keinen Keith McClain.“

„Meine Güte! Der Kerl kannte nicht einmal den Namen seines Vaters! Doch Russell wusste genau, dass sein Dad – sein scheuer, aber stolzer Dad –, persönlich zu Power gegangen war, ihn angefleht hatte, ihm mit der Rückzahlung des Darlehens noch etwas mehr Zeit zu lassen.

„Sie kannten ihn immerhin so gut, dass Sie ihn auf seine Farm zwei Hypotheken aufnehmen ließen, als er seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte“, brachte Russell mühsam beherrscht hervor. „Er hatte keine Aktien, keine Ernte, kein Einkommen. Daran war die zehnjährige Dürre schuld. Aber sein Land war wertvoll, stimmt’s? Da haben Sie es bewusst darauf angelegt, dass er sich verschuldete. Und als er seine Schulden nicht bezahlen konnte, haben Sie ihm sein Land abgenommen!“

„Junger Mann, ich zwinge niemanden, Hypotheken aufzunehmen.“

„Es ist gewissenlos, Geld zu verleihen, wenn Sie genau wissen, dass die Leute es nicht zurückzahlen können“, erwiderte Russell hitzig. „Ich habe Erkundigungen über Power Hypotheken eingezogen. So gehen Sie vor … das sind Ihre Geschäftspraktiken!“

Power zuckte mit keiner Wim per. „Ich habe nichts Ungesetzliches getan. Den Fehler hat Ihr Vater gemacht. Er hätte seinen Besitz verkaufen sollen, statt Geld aufzunehmen.“

„Aber die Farm befand sich seit Generationen im Besitz seiner Familie! Er hatte nichts anderes gelernt, als das Land zu bestellen.“

„Das ist nicht meine Schuld.“

„O doch, es ist Ihre Schuld! Ihre und die Schuld von Leuten wie Ihnen! Sie kennen keine Gewissensbisse, kein Mitgefühl. Sie denken nur ans Geldverdienen.“

„Im Geschäftsleben ist nun mal kein Platz für Mitgefühl, Sohn.“

„Ich bin nicht Ihr Sohn, Sie geldgieriger Finanzhai!“ Russell wollte sich auf Power stürzen.

Blitzschnell stellte die Blondine sich vor ihren Mann, um zu verhindern, dass Russell zuschlug.

„Nicht!“, schrie sie und hob abwehrend die Hände. „Damit machen Sie alles nur noch schlimmer, und es bringt Ihren Vater nicht zurück.“

Russell blickte ihr in die erstaunlich grünen Augen. Auch sie kannte kein Mitgefühl. Sie verteidigte nur ihren Lebensstil.

In diesem Moment nistete sich in Russells Herz die Saat der Rache ein –, einer Rache, die viel süßer war als Mord.

Er ließ die Blondine stehen, wirbelte herum und rannte die Stufen hinunter. Unten drehte er sich um und blickte hassvoll zu Power auf.

„Eines Tages werde ich Sie zerstören. Ich schwöre beim Grab meines Vaters, dass ich Ihnen alles nehmen werde, was Ihnen lieb ist – so wie Sie ihm alles genommen haben!“

1. KAPITEL

Sechzehn Jahre später …

In Bangkok war es heiß. Sehr heiß. Und feuchtschwül. Nachdem Nicole den Kilometer von ihrem billigen Hotel zum Waisenhaus gelaufen war, klebte ihr das T-Shirt am Rücken.

Noch vor wenigen Monaten hätte sie sich über ihr ewig schlaffes Haar und die verschwitzte Kleidung beklagt. Damals hätte sie sich in Bangkok nicht aus ihrem klimatisierten Fünfsternehotel gerührt, höchstens, um sich im Swimmingpool zu aalen oder in einer kühlen Luxuslimousine durch die Gegend zu fahren.

Doch diese Nicole gab es nicht mehr. An einem schrecklichen Tag im letzten Juni hatte das verwöhnte Mädchen entdecken müssen, dass die drei wichtigsten Menschen in ihrem Leben nicht so edel waren, wie sie geglaubt hatte.

Erst hatte sie ihren Verlobten David mit seiner persönlichen Assistentin beim Sex auf dem Schreibtisch überrascht. Die beiden waren so miteinander beschäftigt gewesen, dass sie Nicole an der Tür nicht einmal bemerkt hatten.

Verstört war sie zu ihrer Mutter gerannt, die ihr auch noch klarzumachen versuchte, reiche, erfolgreiche Männer seien nun mal nicht treu. Nicole solle vernünftig sein und lernen, die sexuellen Abenteuer ihres Verlobten diskret zu übersehen.

„Das tue ich grundsätzlich, wenn Alistair mal wieder fremdgeht“, hatte ihre Mutter erklärt, ohne ihr durchgestyltes Blondhaar zu bewegen.

Die Enthüllung, dass ihr Stiefvater andere Frauen hatte und ihre Mutter seine Eskapaden einfach hinnahm, hatte Nicole möglicherweise noch mehr schockiert als Davids Untreue.

Alles das war zu viel für sie gewesen. Seit ihre Mutter Alistair geheiratet hatte, war sie, Nicole, wie eine Prinzessin verwöhnt worden, jedoch keineswegs ohne moralische Wertvorstellungen und Gefühle gewesen.

Am nächsten Tag hatte sie David den Verlobungsring zurückgegeben, worauf er ihr aufbrausend vorgehalten hatte, im Bett nicht sehr aufregend zu sein. Danach hatte es eine ebenso unerfreuliche Auseinandersetzung mit ihrem Stiefvater gegeben, der ihr prophezeit hatte, mit dieser naiven und engstirnigen Einstellung nicht sehr weit zu kommen.

„Die Gewinner dieser Welt halten sich nicht immer an Regeln“, hatte er ihr hochtrabend erklärt. „David ist ein Gewinner. Und als seine Frau, meine liebe Nicole, hättest du alles haben können. Jetzt muss ich dir einen anderen reichen Ehemann suchen, der dir den gewohnten Lebensstil bieten kann.“

Im ersten Moment war Nicole sprachlos gewesen. Ihr Stiefvater hatte David für sie ausgesucht?

Rückblickend war ihr klar, dass es wohl so gewesen sein musste.

Daraufhin hatte sie prompt ihren anspruchslosen Posten in der Public Relations-Abteilung von Power Hypotheken gekündigt, den sie sicher ebenfalls ihrem Stiefvater verdankte. Noch am selben Nachmittag hatte sie auf eine Zeitungsanzeige geantwortet, in der eine junge Frau eine Gefährtin für einen Rucksackurlaub suchte, weil ihre Freundin in letzter Minute einen Rückzieher gemacht hatte. Eine Woche später war Nicole mit ihrer Entlassungsabfindung in der Tasche vom Mascot Airport abgeflogen, in der Hoffnung, endlich unabhängig zu werden und Wichtigeres zu finden als ein Leben in Luxus.

Jetzt, vier Monate später, war Nicole ein anderer Mensch. Ein richtiger Mensch, sagte sie sich. Endlich lebte sie in der wahren Welt. „Nicoe, Nicoe!“, begrüßten die Waisenhauskinder sie im Chor, als sie den staubigen Spielplatz der Kleinen betrat.

Nicole lächelte. Die kleinen Thais konnten das „L“ nicht aussprechen, obwohl sie dank der fürsorglichen Heimleiterin recht gut Englisch sprachen. Nach Küsschen und Umarmungen baten die Kinder Nicole, ihnen etwas vorzusingen. Von jeher war sie musikalisch gewesen und besaß eine gute Stimme.

„Was soll ich denn singen?“ Sie streifte sich den Rucksack wieder über die Schulter und suchte Zuflucht im Schatten des einzigen Baums auf dem Hof.

„Warzing Matinda!“, rief ein kleiner Junge.

„Waltzing Matilda, meinst du wohl?“ Liebevoll zauste sie ihm das dichte schwarze Haar.

„Ja, Nicoe. Warzing Matinda.“

Sie lachte, und alle stimmten übermütig ein. Immer wieder erstaunte es Nicole, wie glücklich diese Kinder sein konnten, denen buchstäblich alles fehlte. Dabei hatte sie sich für arm gehalten, ehe ihre Mutter Alistair getroffen und geheiratet hatte. Verglichen mit diesen Waisen waren sie reich gewesen.

„Na gut. Dann setzen wir uns hier in den Schatten.“

Alle Kinder hockten sich unter dem Baum in den Staub und blickten erwartungsvoll zu ihr auf.

Fröhlich stimmte Nicole die berühmte australische Ballade an.

Keines der Kinder rührte sich, bis Nicole geendet hatte. Danach sprangen sie auf, klatschten begeistert in die Hände und baten sie, das Lied noch einmal zu singen. Gerade wollte sie beginnen, als ihr Handy klingelte.

„Entschuldigt mich“, bat sie die Kleinen und kramte das Gerät aus ihrer Tasche. „Geht mal eine Weile spielen, ja?“

Nicole ahnte bereits, wer sie anrief. Einmal wöchentlich meldete ihre Mutter sich bei ihr, als wäre zwischen ihnen nichts gewesen. Nicole brachte es einfach nicht über sich, die Frau ganz aus ihrem Leben zu verbannen. Sie liebte ihre Mutter und wusste, wie sehr auch sie an ihr hing.

„Ja?“, meldete Nicole sich.

„Nicole, ich bin’s, deine Mutter.“

Befremdet überlegte Nicole. Etwas stimmte hier nicht. So nannte ihre Mutter sich nie. Außerdem klang ihre Stimme seltsam angespannt.

„Hallo, Mum. Was gibt’s?“

„Ich … weißt du …“ Mrs. Power verstummte, dann platzte sie unvermittelt heraus: „Du musst nach Hause kommen.“

Nicole war beunruhigt. „Nach Hause? Warum?“ Blitzschnell dachte sie nach. „Mum … wo bist du?“

„Das kann ich dir nicht sagen.“

„Wie bitte? Und warum nicht?“

„Dein Vater will nicht, dass jemand weiß, wo wir sind.“

„Alistair Power ist nicht mein Vater“, betonte Nicole kühl.

„Er war dir ein besserer Vater als der Nichtsnutz, von dem ich schwanger wurde“, erklärte ihre Mutter scharf. „Nein, Alistair! Lass mich mit ihr reden.“

Im Hintergrund konnte Nicole so etwas wie Gerangel ausmachen.

„Und jetzt hör mir gut zu, du undankbares kleines Ding!“, mischte Alistair sich in befehlsgewohntem Ton ein. „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir dich gar nicht angerufen. Aber deine Mutter liebt dich, der Himmel weiß, warum. Die Situation ist die: Meine Firma ist bankrott, und die Gläubiger wollen Blut sehen. Deshalb mussten wir Australien verlassen. Für immer. Die Bank hat unseren Besitz in Belleview beschlagnahmt und wird wohl nicht zögern, ihn mit allem Inventar an einen gierigen Schnäppchenjäger zu verkaufen.“

„Aber … im Haus sind alle meine Sachen!“, protestierte Nicole.

„Deswegen ruft deine Mutter dich an. Du musst sofort nach Sydney fliegen, ehe die Schlösser ausgewechselt werden und unser gesamter persönlicher Besitz bei einer wohltätigen Versteigerung oder auf der Müllhalde landet.“

„Das können sie doch nicht machen!“

„Wer könnte sie davon abhalten? Ich nicht.“

Nicole stöhnte auf. Ihre Designerkleider waren ihr gleichgültig. Doch sie hing an den Erinnerungsstücken aus ihrer glücklichen Kindheit, besonders an den unersetzlichen Fotoalben und Collagebänden. Der bloße Gedanke, sie könnten auf dem Müll landen, war einfach schrecklich.

„Hier ist deine Mutter wieder“, murrte Alistair.

„Wegen deines Schmucks brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Liebes. Den habe ich gerettet.“

„Der Schmuck bedeutet mir nichts, Mum.“ „Aber er ist ein Vermögenwert, Nicole!“ Das stimmte. Im Lauf der Jahre hatte ihr Stiefvater sie mit sehr kostbarem Schmuck förmlich überschüttet: Diamanten, Perlen, Smaragde …

„Passend zu deinen wunderschönen Augen“, hatte er ihr mehr als einmal auf seine aalglatte Art geschmeichelt.

Unvermittelt kam Nicole ein Gedanke. Wenn sie ihren Schmuck verkaufte, konnte sie mit dem Geld im Waisenhaus dringend nötige Verbesserungen vornehmen. Aus Stolz darauf zu verzichten, wäre schlichtweg dumm.

„Könntest du mir meinen Schmuck herschicken, Mum?“

„Natürlich. Aber wohin? Wann immer ich dich anrufe, lebst du schon wieder in einem anderen Land. Wo bist du gerade?“

„Immer noch in Thailand. Warte! Du könntest mir den Schmuck per Eilboten an Karas Adresse in Sydney schicken. Ich gebe ihr Bescheid, dass die Sendung kommt. Ihre Anschrift kennst du doch, oder?“

„Wie könnte ich sie vergessen? Schließlich habe ich dich oft genug hingefahren. Du fliegst also nach Hause und holst deine Sachen ab?“

„Ja. Sobald ich einen Flug nach Sydney bekomme“, entschied Nicole. Glücklicherweise hatte sie immer noch ihr Rückflugticket, denn sie war fast pleite.

„Fein. Es war schrecklich für mich, alle deine teuren Sachen zurücklassen zu müssen.“

Nicole seufzte. Gut zu hören, dass du dir deinen Sinn für die wahren Werte im Leben bewahrt hast, Mum!

„Tut mir leid, ich kann dir nicht verraten, wo wir sind. Aber keine Sorge“, nun flüsterte ihre Mutter, „wir haben noch genug Geld. Alistair hat letztes Jahr rechtzeitig eine stolze Summe auf einem Geheimkonto außerhalb Australiens versteckt. Wenn du etwas brauchst, sag es.“

Nicole schauderte. Das wäre das Letzte, was ich täte! „Ich muss jetzt auflegen, Mum.“

„Ruf mich an, sobald du in Sydney bist, ja?“

„Mach ich.“

Kopfschüttelnd schaltete Nicole das Handy ab. Ihre Mutter war hoffnungslos!

2. KAPITEL

Rache bis zum letzten Blutstropfen zu nehmen, ist gar nicht so einfach, musste Russell sich eingestehen, als er nach Bellevue Hill zum Herrenhaus seines Erzfeindes fuhr.

Seit sechzehn Jahren hatte der Gedanke an Rache ihn aufrechterhalten, während er unermüdlich geschuftet und sich ein Vermögen aufgebaut hatte, um den Mann in die Knie zu zwingen, der den Tod seines Vaters auf dem Gewissen hatte. Power sollte büßen, was er mit Keith McClain gemacht hatte. Und mit Tau senden anderen verzweifelten Menschen.

Endlich hatte sich dann die lang ersehnte Gelegenheit dazu geboten, dank des Absturzes des Marktes für erstklassige Hypotheken in den Vereinigten Staaten. Genau rechtzeitig hatte Russel zugeschlagen und rücksichtslos alle Aktien von Power Hypotheken abgestoßen, die er im Lauf der Jahre heimlich aufgekauft hatte. Innerhalb von knapp einer Woche war es ihm gelungen, den morallosen Finanzhai um Millionen ärmer zu machen.

Als bekannt wurde, dass Power hohe Kredite aufgenommen hatte, um seinen üppigen Lebensstil aufrechterhalten zu können, und dass seine Bank das Multimillionenanwesen in Belleview Hill beschlagnahmt hatte, war Russell prompt auf den Plan getreten und hatte ein Gebot auf den Besitz abgegeben, bei dem er sicher war, dass die Bank es nicht ablehnen konnte. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Herrenhaus oder seine Einrichtungen zu besichtigen, die im Angebot eingeschlossen waren. Erst wenn das Anwesen ihm gehörte, wollte er es betreten.

Und jetzt befand er sich auf dem Weg dorthin, die Vertragsunterlagen waren unterzeichnet, die Schlüssel in seiner Jacketttasche.

Nun hätte er triumphieren müssen.

Doch er tat es nicht.

Warum nicht?

Weil der Kerl geflüchtet war. Er hatte sich abgesetzt, war zu einem geheimen Versteck im Ausland geflogen, wo er vermutlich Millionen auf Geheimkonten in Steuerparadiesen versteckt und seine Gläubiger in Australien um ihr Geld gebracht hatte.

Die Vorstellung, dass Alistair Power sich jetzt möglicherweise irgendwo auf den Bahamas ein schönes Leben machte, ließ Russell nicht zur Ruhe kommen. Männer wie dieser Finanzganove hatten kein Recht zu leben, geschweige denn in unermesslichem Luxus.

Dennoch stimmte es Russell zufrieden, dass der Ruf seines Erzfeindes ruiniert war. Kein Präsident oder Premierminister würde Power jetzt mehr feiern. Und auch das Fernsehen würde den aalglatten Gastgeber hochkarätiger Glamourpartys nie mehr umschmeicheln.

Das Anwesen, die Kulisse dieser gesellschaftlichen Glanzpunkte, kam in Sicht. Zum ersten Mal sah Russell das fertige dreigeschossige Herrenhaus, vor dessen Rohbau er Power an jenem schicksalsschweren Tag vor sechzehn Jahren gestellt hatte.

Erst vor einer Stunde hatte der Verkaufsmanager der Bank ihm, Russell, in höchsten Tönen vorgeschwärmt, das Anwesen läge buchstäblich in Spitzenlage auf der Anhöhe von Belleview Hill, mit zahlreichen Balkonen und Terrassen auf jeder Etage, alle mit einmaligem Blick auf die Stadt und den Hafen. Das oberste Geschoss bestünde aus miteinander verbundenen Salons und böte eine ideale Szenerie für unvergleichliche Feste.

Doch die Pracht des Baus mit seinen strahlendweißen Mauern und den zahllosen dunkelblau gerahmten Fenstern und Türen ließ sich mit Worten nur mangelhaft beschreiben.

Russell bog in die Zufahrt ein und brachte den Wagen vor einem geschlossenen Doppeltor zum Stehen.

Vor sechzehn Jahren hatte es hier kein Sicherheitstor gegeben. Damals hätte nichts Russell davon abhalten können, sein Vorhaben auszuführen.

Er seufzte.

Vielleicht würde er bis an sein Lebensende bereuen, dass er sich an jenem Tag mit Rachedrohungen begnügt hatte, statt zur Tat zu schreiten. Doch wenn er seinem Hass nachgegeben hätte, säße er jetzt hinter Gittern, die schmiedeeisernen Torflügel würden sich nicht vor ihm auftun. Und ganz sicher würde er nicht im maßgeschneiderten Anzug im schnittigen Sportwagen vorfahren.

Russell drückte auf die Fernbedienung und wartete geduldig, bis die Tore aufgeglitten waren, dann fuhr er langsam die runde Auffahrt hinauf, in deren Mitte eine prächtige italienische Marmorfontäne plätscherte, die einem Palast Ehre gemacht hätte. Das mächtige Anwesen lag inmitten weitläufiger Rasenflächen, die von sauber geschnittenen Hecken umgeben wurden, dazwischen erhoben sich strategisch gepflanzte schattenspendende Bäume. Der Garten auf der Rückseite sei noch eindrucksvoller, hatte man Russell versichert. Dort gäbe es eine große Terrasse, einen solarbeheizten Swimmingpool und Tennisanlagen mit synthetischem Rasen.

„Der Pool hat auch ein Badehaus mit eigener Küche, Bad, zwei Gästeschlafzimmern und einem geräumigen Salonbereich“, hatte der Mann von der Bank routiniert heruntergerattert. „Das Ganze ist größer als viele Apartments in Sydney.“

Wahrscheinlich auch größer als meine Zweizimmerwohnung am McMahon’s Point, dachte Russell. Er hatte einfach nicht das Bedürfnis gehabt, in größeren oder luxuriöseren Räumen zu wohnen. Schließlich hielt er sich dort bestenfalls zum Essen und Schlafen auf. Anders als die meisten erfolgreichen Immobilienmakler lud er kaum Gäste ein, und wenn, dann nicht zu sich nach Hause.

Doch in Powers Herrensitz schlief man nicht nur. Er war gebaut, um der Welt zu zeigen, was man war –, ein Denkmal für den eigenen materiellen Erfolg.

Russell atmete tief ein. Und jetzt gehörte alles das ihm.

Wieder vermisste er das Triumphgefühl, das er sich all die Jahre über in seinen geheimen Fantasien ausgemalt hatte. War es typisch, dass die Reise das Beste war, und nicht das Ziel? Oder lag es daran, dass er seine Genugtuung mit niemandem teilen konnte?

Komisch, aber seine Mutter hatte nie den Zorn, die Verbitterung an den Tag gelegt, die ihn nach dem Selbstmord seines Vaters zerfressen hatten. Sie hatte Power Hypotheken keine Schuld gegeben. Befremdet hatte Russell ihre Enthüllung aufgenommen, sein Vater habe bereits seit Jahren unter Depressionen gelitten und deshalb falsche Entscheidungen getroffen, die zu seinem Bankrott geführt hätten. Den Einwand, Power Hypotheken sei darauf spezialisiert, Leuten Darlehen zu gewähren, obwohl voraussehbar war, dass sie ihre Schulden nicht bezahlen können würden, hatte Frieda McClain im Fall ihres Mannes für bedeutungslos gehalten.

Nachdem sie ihren geliebten Mann zwei Jahre lang betrauert hatte, war ihr bewusst geworden, dass das Leben weitergehen musste, und sie hatte einen anderen Farmer geheiratet.

Doch Russell hatte die Einstellung seiner Mutter nie verstehen können. Ihre aus seiner Sicht viel zu kurze Trauerzeit war für ihn fast einem Verrat gleichgekommen. Der Selbstmord hatte seine Welt aus dem Angeln gehoben, außerdem hatten ihn tiefe persönliche Schuldgefühle gequält.

Vor allem die Vorstellung, sein Vater hätte sich so verschuldet, um seinem Sohn die Ausbildung zu ermöglichen, die ihm selbst versagt geblieben war. Obwohl Russell wegen seiner ausgezeichneten schulischen Leistungen ein Stipendium für ein Eliteinternat in Sydney gewonnen hatte, waren damit natürlich auch andere Ausgaben verbunden gewesen. Nach Russells erfolgreichem Schulabschluss hatte sein Vater ihn auf die Universität geschickt und den Mietanteil der kleinen Wohnung bezahlt, die Russell sich mit einem wohlhabenderen Kommilitonen teilte. Sogar einen klapprigen alten Wagen hatte sein Vater ihm finanziert.

Dennoch hätte er merken müssen, dass diese finanziellen Belastungen zu hoch für seinen Vater gewesen waren.

Am Tag, als sie seinen Vater begraben hatten, hätte Russell sich am liebsten auch das Leben genommen.

Nur der Gedanke an Rache hatte ihn aufrechterhalten. Dafür hatte er seitdem gelebt. Nach seinem Zusammenstoß mit Power hatte er sein Jurastudium an den Nagel gehängt und eine Stelle als Immobilienvertreter angenommen. Er hatte das Glück gehabt, bei einer der exklusivsten Maklerfirmen im eleganten Osten von Sydney anfangen zu können. In den darauffolgenden Jahren war kaum Zeit für seine Freunde und noch weniger für Freundinnen gewesen. Nur ein Gedanke hatte ihn vorangetrieben: So reich zu werden, dass er Alistair Power finanziell zerstören konnte.

Jetzt, mit sechsunddreißig, besaß Russell die erfolgreichste Immobilienfirma Sydneys, mit Zweigniederlassungen in den Nobelvororten der Stadt, außerdem persönliche Besitztümer, die es mit den luxuriösesten Immobilienobjekten Australiens aufnehmen konnten, darunter auch Herrensitze, die regelmäßig in Hochglanzmagazinen den Lifestyle der Superreichen bezeugten.

Russell erreichte das überdachte Eingangsportal des Anwesens und drehte sich um. Die Medien würden schnell Wind davon bekommen, dass er es gekauft hatte. Übernahmen der Spitzenklasse machten Schlagzeilen. Einen Moment erwog er, etwas zu tun, das er bisher verweigert hatte: einem Journalisten ein Interview zu gewähren, in der Hoffnung, Power würde es lesen und endlich begreifen, dass Russell McClain von McClain Immobilien der Junge war, der ihm vor Jahren Rache geschworen hatte.

Zeitvergeudung!, entschied Russell und schob den Schlüssel ins Messingschloss des doppelten Eingangsportals. Power würde ihn doch nicht wiedererkennen. Einmal waren sie sich bereits wiederbegegnet – wegen eines Immobiliengeschäfts –, aber der Mann hatte keine Miene verzogen. Menschen ohne Gewissen erinnerten sich nicht lange an ihre Opfer. Vermutlich, weil es zu viele waren.

Der kaltblütige Unmensch!

Als Russell die schweren Türen aufdrückte und die weitläufige Eingangshalle betrat, hörte er seltsame Geräusche.

Gesang.

Überrascht blieb er stehen und lauschte.

Ja. Oben sang jemand. Eine Frau.

Stirnrunzelnd überlegte Russell. War das ein Radio, das jemand vom Reinigungsdienst versehentlich eingeschaltet gelassen hatte, den die Bank gestern vorbeigeschickt hatte? Nein. Das war kein Radio. Da war nur die Frauenstimme. Keine Hintergrundmusik. Jemand, der kein Recht dazu hatte, hielt sich im Haus auf. Und die Frau musste oben sein.

Nun wusste Russell Bescheid.

Hausbesetzer.

Derartige Situationen kannte er.

Erstaunlich, wie oft solche Leute sich einfach in unbewohnten Häusern einquartierten, sogar in Luxusanwesen wie diesem. Egal, ob sie gesichert waren und wie viele Schlösser sie hatten, die gewieften Typen von der Straße fanden unweigerlich eine Möglichkeit, sich Zutritt zu verschaffen.

Russell legte sich zurecht, wie er vorgehen wollte, während er über die Treppe leise nach oben stieg.

Oft taten sich ganze Gruppen zusammen, meist Drogensüchtige. Seltener war es jemand auf der Flucht, der einen Schlafplatz suchte. Oder eine Dusche.

Hier dürfte eher Letzteres der Fall sein.

Als Russell den Treppenabsatz zum ersten Geschoss erreichte, hörte er schwaches Wasserrauschen – und das Singen. Die Frau schien tatsächlich zu duschen. Vorsichtig bewegte er sich über den breiten teppichbelegten Gang auf die Tür vor sich zu. Dann drehte er langsam den Knauf und spähte ins Duschbad.

Hier war sie nicht.

Kopfschüttelnd sah Russell sich im nächsten Raum um. Das musste das Hauptschlafzimmer sein. Hier hatte Power wirklich nicht gespart. Selbst wenn die französische Einrichtung nur imitiert sein sollte, dürfte sie ein Vermögen gekostet haben. Ebenso der kinogroße, in die Wand eingelassene Fernsehmonitor gegenüber dem Fußende des Bettes.

Autor

Miranda Lee
Miranda Lee und ihre drei älteren Geschwister wuchsen in Port Macquarie auf, einem beliebten Badeort in New South Wales, Australien. Ihr Vater war Dorfschullehrer und ihre Mutter eine sehr talentierte Schneiderin. Als Miranda zehn war, zog die Familie nach Gosford, in die Nähe von Sydney.

Miranda ging auf eine Klosterschule. Später...
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